1911 / 26 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 30 Jan 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Hause vertreten haben, als der Abg. Crüger noch gar nicht daran dachte. Er beruft sich dann ferner auf den Präsidenten Metz als seinen Zeugen. Diese g stammen aber aus einer Zeit, als die Vermittlungstätigkei der Generalkommissionen noch vielfach auf Schwierigkeiten stieß, und besonders die eemen g.. behörden nicht befragt zu werden brauchten. Ebenso hat auch der Abg. Crüger unrecht, wenn er uns vorwirft daß wir kein Interesse für die innere Kolonisation hätten. Der Abg. von Kessel hat schon eine ganze Reihe von Namen konservativer Männer genannt, die in erster Reihe in dem inneren Kolonisationswerke stehen. Wir werden auch fernerhin bestrebt und bemüht sein, die innere Kolonisation auf ge⸗ setmzlichem Wege und in Gemeinschaft mit Privaten und den öffent⸗ lichen Gemeinden weiter auszubauen. Es ist zweifellos, daß uns noch große sozialpolitische und wirtschaftliche Aufgaben auf diesem Gebiete bevorstehen.

Abg. Glatzel (nl.): Im Prinzip stimmen wir der inneren Kolonisation zu, weil dadurch allein der Landarbeitermangel gehoben werden kann. Wir sind aber nur nicht einig in der Form der Aus⸗ saenag. Ich kann mir nicht denken, daß Beamtenorganisationen chlechter arbeiten als Private. Wenn trotzdem Klagen vorgekommen sind, so kann es nur an der Organisation liegen. Wir halten es nach wie vor für zweckmäßig, daß die innere Kolonisation den Händen staatlicher Behörden oder wenigstens öffentlich⸗rechtlicher Korporationen. anvertraut wird. Es scheint mir, als ob es sich hier um ein recht geschicktes Manöver des Finanzministers handelt, der vielleicht in der richtigen Vermutung, daß diese Aufgabe vom Staate große Opfer fordert, rechtzeitig die Gelegenheit ergriffen hat, um diese Aufgabe etwas auf Provinzen, Kreise und gemeinnützige Unternehmungen abzuwälzen. Der richtige Weg wäre der gewesen, die jetzigen Organisationen von den bureaukratischen Fesseln, z. B. von der kollegialen Verfassung, zu befreien. Man wird sicher auch in wenigen Jahren wieder dazu kommen, den Gesellschaften m. b. H. be ördliche Fenkticnen zu geben. Es ist möglich, daß die Landgesellschaften zur Preissteigerung beitragen; die ostpreußische Landgesellschaft klagt schon darüber, daß sie mit den Preisen in die Höhe hat gehen müssen. Ich bitte deshal den Minister, den Gesellschaften kein Monopol zu geben. Ich glaube nicht, daß der Großgrundbesitz der inneren Kolonisation gleichgülti⸗ oder gar feindlich gegenübersteht. Diese Kreise wissen genau, 8. a8 keinem andern Wege die Leutenot beseitigt werden kann als dur eine dichte Besiedlung des platten Landes.

Abg. Dr. Pachnicke (fortschr. Volksp.): Aus dem Jahre 1909 stehen noch aus dem 769 000 zur Verfügung. Warum ist der Fonds nicht aufgebraucht worden? Wir müssen verlangen, daß die Fonds in jedem Jahre aufgebraucht werden. Denn mit kleinen Mitteln ist die große und schwere Aufgabe der inneren Kolonisation nicht zu lösen. Einer Verstärkung des Fonds würde niemand in diesem Hause widersprechen. Bisher ist viel geschrieben und verfügt, aber wenig gehandelt worden, die Fügebnase sind noch recht geringe, es ist nicht genug auf diesem Gebiet geschehen. Da kommt man auf den Gedanken, daß es Widerstände geben muß. Sering und Metz hätten doch ihre Aussprüche nicht tun können, wenn sie nicht Erfahrungen gemacht hätten. Es gibt solche Widerstände ei den Grszarubefißen In Meck S” ist allerdings kolonisiert worden, aber lediglich im Gebiet des Domaniums, nicht in dem der Großgrundbesitzer. Deren platonische Liebe für die innere Kolonisation muß sich in wirkliche Liebe verwandeln. Wir sind durchaus nicht allein für die private Tätigkeit, hier müssen Staat, Provinz, Kreis und das Privatkapital zusammenarbeiten. Die Domänen müssen zu Ansiedlungszwecken verwendet werden. Der Kreis Sorau hat eine benachbarte Domäne zur Parzellierung angekauft, und wenn man der Stadt Fischhausen die unmittelbar an der Stadt gelegene Domäne für diesen Zweck zur Verfügung stellen wollte, so würde man ein gutes Werk tun. Der Minister will nur unter gewissen Voraussetzungen die Domänen hergeben, diese Vor⸗ aussetzungen sind aber überall vorhanden. Der Staat würde auch ein gutes Geschäft mit der Parzellierung der Domänen veöchen. Wenn eine Zentralstelle für die innere Kolonisation geschaffen wird, so können wir nur wünschen, daß von ihr auch die nötige Triebkraft ausgehen möge. Selbstverständlich müssen die Kolonisten vom Staate genügend unterstützt werden, ich empfehle da be⸗ sonders, so unangenehm es Ihnen (rechts) klingen mag, die Kolonisten in Labiau⸗Wehlau, die instand gesetzt werden müssen, Ersparnisse zu machen. Wir haben auf diesem Gebiete ein altes Unrecht wieder gutzumachen. In Schlesien sind z. B. 100 000 ha Bauernland für den Großgrundbesitz angekauft worden. Der Bauer muß den Latifundienbesitz wieder zurückgewinnen. Schon der fünfte Teil unseres Staatsgebiets befindet sich im Besitz von Fidei⸗ kommissen. Wir sind Gegner der Fideikommißbildung; es ist nicht immer das beste Instrument des Himmels, das zur Leitung eines berufen ist. Der Schwerpunkt unserer Viehzucht iegt gerade beim mittleren und kleinen Grundbesitz; die EEI“ haben uns eine bedeutende Verstärkung unserer iehzucht gebracht. Diese Entwicklung muß man unterstützen. Auch die Arbeiternot wird durch die Ansiedlungen beseitigt; wenn die Leute angesiedelt sind, wandern sie nicht ab. Die Rentabilität der Ansiedlungsgüter steht außer Zweifel, es sind sehr wenige Zwangsversteigerungen vorgekommen. Man wirft uns vor, daß wir Bauernstellen schaffen, aber dann den Bauern die Existenzmöglichkeit beschränken wollten. Das ist nicht richtig, man hebt vielmehr die Existenzmöglichkeit, wenn man unseren Forderungen in bezug auf die 1“ der Futtermittel durch Aufhebung der Zölle folgt. Die Agrarzölle haben lediglich eine Steigerung der Güterpreise zur Folge, die die zukünftigen Besitzer schwer belasten wird. Auch die Pächter müssen infolge der Zölle höhere Pachten zahlen, das ist eine Schraube ohne Ende. Und sind es denn die Ansiedler, die von den hohen Zöllen Nutzen ziehen? Ist es überhaupt die ganze Landwirtschaft? Von den 5,7 Millionen land⸗ wirtschaftlichen Betrieben in unserem Vaterlande können 4 Millionen überhaupt nicht Getreide verkaufen, denn die kleinsten Betriebe müssen sogar noch Getreide zukaufen. Alle diese haben von den Agrarzöllen also keinen Nutzen. Allerdings gehören Landwirtschaft⸗ und Industriezölle zusammen, und wir können nicht das Zollgebäude mit einem Male niederreißen; wir haben für die Handelsverträge gestimmt, weil wenigstens dadurch weitere Zollerhöhungen verhindert werden, und wir werden diese Stellung auch in Zukunft einnehmen.

ch stelle den Konservativen die Gegenfrage, ob sie bereit sind, dem

Bauernstand in der Kreisverwaltung eine bessere Vertretung zu geben. Dafür sind Sie (rechts) natürlich nicht zu haben, aber wir unterstützen den Bauernstand in dieser Forderung. Wenn der An⸗ siedler und kleine Besitzer einen Aufschwung nehmen soll, darf man ihm die Flügel nicht beschneiden, aber die Konservativen sind bestrebt, Restguter zu erhalten, um ihre Macht zu stärken. Wenn es besser werden soll, Herr von Bockelberg, so sorgen Sie dafür, daß liberale Landräte da sind. Wir haben immer für die innere Kolonisation gewirkt, weil dies dem innersten Wesen des Liberalismus entspricht. Bauernpolitik ist liberale Politik. 8

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (frkons.): Während die landwirtschaftliche Bevölkerung früher in der bedrücktesten Lage war, hat sie jeßt aufatmen können. Das ist im wesentlichen die Foölge des wirksamen Zollschutzes gegen die Konkurrenten des Aus⸗

andes. Das ist eine Tatsache, an der nicht zu rütteln ist. Auch Dr. Pachnicke wird zugeben müssen, daß die Landwirtschaft jetzt ist als in wrivischen Zeiten. Die Zusammen⸗ setzng der Kreisausschüsse ist nicht so, wie sie immer von liberaler Seite geschildert wird, daß die Rittergutsbesitzer überwiegen. Zu den Großgrundbesitzern gehört bekanntli auch von den Bauern ein großer Teil. Im übrigen wird mit voller Gerechtigkeit das bäuerliche Element berücksichtigt. Die Frage der Vertretung der Ansiedlungs⸗ gemeinden in den Ostmarken auf den Kreistagen ist schon eingehend erörtert worden. Das würde auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen. Das Recht, das dem Ansiedler gebührt, soll ihm gewährt werden. Aber so leicht kann man über die historischen Verhältnisse nicht hirweggehen. Solche Forderungen kann man wohl von der Tribüne des Hauses aussprechen, aber den Bauern nützt man damit nicht.

Abg. Graf von der Gröben (kons.): Der Abg. Pachnicke soll einmal mit seinem Ausspruch: „Liberale Politik ist Bauernpolitik“ in Bauernversammlungen hingehen. Er würde damit kräftig für die konservative Partei arbeiten. Sonst kann ich aber anerkennen, daß feine Ausführungen in wohltuendem Gegensatz zu den Ausführungen des Abg. Fffge gestanden haben. Wenn so fehe Mittel, auch 58 die Frobiin andtage, zur Verfügung gestellt ind, so geht es do ein bißchen zu weit, wenn man sagt, wir täten nichts für die innere Kolonisation. Wenn z. B. in Pommern nicht genug geschehen ist, so liegt das daran, daß die Pommersche Ansiedlungsgesellschaft nicht genügend Mittel zur Verfügung hatte. Ich möchte bitten, nicht so absprechend über das zu urteilen, was bis jetzt geschehen ist. Die Zahl der Ansiedler und der zerschlagenen Güter ist auch in Pommern recht erheblich. Nicht nur über die Ausführung der inneren Kolonisation, sondern auch über die Ziele der inneren Kolonisation bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen uns und den Liberalen. Wir halten es für nötig, daß dem Geeßgcundbe nach wie vor eine hervorragende Stellung erhalten bleiben muß. Die Rede des Abg. Crüger war dagegen auf den Ton gestimmt: gcrasez linfäme. In den Kreisausschüssen müssen Männer sitzen, die selbständig sich ein Urteil bilden können; ja es müssen sogar Akademiker in den Kreisausschüssen sein; darum können die Wünsche, daß das Bauerntum mehr vertreten ist, nicht erfüllt werden. Wir wollen 8 gerade, daß die Ee selbständig sind und nicht Organe des Landrats sind, wie Sie es ehaupten. Der Abg. Pachnicke forderte liberale Landraͤte, nur wohl deshalb, damit die liberalen Landräte auch liberale Wahlen machen koͤnnen. Die Pommersche Landgesellschaft at' eine ganz ungewöhnlich lange Geburtszeit gehabt, haupt⸗

scnc der Cchwier keiten wegen, die der Gründung von der Zentral⸗ t worden sind. Es ist das große Verdienst des

diese Schwierigkeiten hinweggeräumt fation muß der Partei⸗

telle entgegengebra t Oberpräsidenten von Pommern, b zu haben. Die ganze Frage der inneren Koloni politik entrückt werden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Frei⸗ herr von Schorlemer:

Meine Herren! Aus den Aeußerungen verschiedener der Herren Vorredner habe ich entnehmen zu müssen geglaubt, daß mehr oder weniger der landwirtschaftlichen Verwaltung der Vorwurf gemacht wird, daß sie ihrerseits nicht mit genügender Energie und nicht mit ausreichenden Mitteln an die innere Kolonisation herangetreten sei. Es dürfte demgegenüber doch notwendig sein, darauf hinzuweisen, daß bis zum Ende des Jahres 1909 schon im ganzen 31 801 Rentengüter auf einer Fläche von 425 228 ha gegründet waren. (Hört, hört! rechts)) Von diesen Rentengütern entfallen auf die General⸗ kommissionen 15 272 mit einer Fläche von 180 677 ha. Der Rest bezieht sich auf die Tätigkeit der Ansiedlungskommission, die in diesem Zeitraum 16 529 Rentengüter und Pachtstellen auf einer Fläche von 244 551 ha geschaffen hat. Im Jahre 1910 sind allein seitens der Generalkommissionen 1627 Rentengüter auf 13 542 ha geschaffen worden. Zusammengerechnet, meine Herren, macht das 33 428 Rentengüter auf 438 770 ha. Ich bemerke dabei noch besonders, daß die Zahl von 1627 Rentengütern in einem Jahre seit einer langen Reihe von Jahren ich glaube schon seit 15 Jahren nicht mehr erreicht worden ist. (Hört! hört!)

Man wird doch aus diesen Zahlen den Schluß ziehen können, daß die vergangenen Jahre für die innere Kolonisation nicht gänzlich ungenutzt vorübergegangen sind.

Wenn nun Klage darüber geführt wird, daß der Fonds für die innere Kolonisation in den Provinzen Ostpreußen, Pommern und in dem Regierungsbezirk Frankfurt a. O. von 2 000 000 auf 1 500 000 reduziert sei, und⸗daß auch von dieser Summe noch ein verhältnis⸗ mäßig großer Rest in das neue Etatsjahr übernommen sei, so ist darauf hinzuweisen, daß gerade in dem vergangenen Jahre die Ver⸗ handlungen wegen der Reorganisation der Pommerschen Landgesell⸗ schaft und der Ostpreußischen Landgesellschaft geschwebt haben, daß in dem vergangenen Jahre auch die Eigene Scholle im Bezirke Frank⸗ furt a. O. gegründet worden ist, und daß natürlich diese Verhand⸗ lungen dazu beigetragen haben, den weiteren Ankauf von zur Koloni⸗ sation geeigneten Gütern hinauszuschieben. Ich zweifle nicht daran, daß, nachdem nunmehr die genannten Gesellschaften ins Leben getreten sind und ihre Tätigkeit aufgenommen haben, schon im nächsten Jahre auch der Fonds zum größten Teile wird verbraucht resp. benutzt werden können.

Wenn es Arbeitern und

auch gewiß gegenüber dem großen Mangel an an ländlichen Stellen und gegenüber der Tat⸗ sache, die ja nicht zu leugnen ist, daß die Besitzverteilung im Osten nicht überall eine erwünschte und die Abwanderung vom Lande gerade dort sehr groß ist, an sich wünschenswert erscheint, ein nicht zu langsames Tempo bei der inneren Kolonisation einzuschlagen, so möchte ich doch auch auf der anderen Seite darauf aufmerksam machen, daß gewisse, und gewiß nicht zu unterschätzende Bedenken auch einem allzu starken Tempo bei der inneren Kolonisation ent⸗ gegenstehen! Ich glaube schon bei einer früheren Gelegenheit auf die steigenden Grundstückspreise hingewiesen zu haben, die sich überall dort geltend machen, wo eine staatliche oder mit staatlichen und kom⸗ munalen Mitteln arbeitende Ansiedlungsgesellschaft in Tätigkeit tritt. Das haben wir in Pommern wahrnehmen müssen; das ist auch in Ostpreußen der Fall gewesen, und das macht sich ja ganz besonders in der Ostmark geltend, wo die Grundstückspreise infolge der Tätigkeit der Ansiedlungskommission und der gegen diese inzwischen gebildeten polnischen Banken eine kaum zu rechtfertigende Höhe erreicht haben. Wollen wir dem entgegentreten, wollen wir auch fernerhiu im freien Güterverkehr Güter kaufen, dann muß auch eine gewisse Beschränkung und auch eine Auswahl eintreten. Man kann nicht an jeder Stelle koloni⸗ sieren, man kann nicht üllerall Bauern und man kann auch nicht überall Arbeiter ansiedeln. Das muß sorgfältig erwogen werden, und es muß auch berücksichtigt werden, daß sich nicht jeder An⸗ siedler an jedem Orte für die Kolonisation eignet; auch unter den Ansiedlern muß eine Auswahl getroffen werden, wenn wir die Bürgschaft dafür übernehmen wollen, eine Bevölkerung anzusiedeln, die nun auch möglichst lange auf der Scholle, die ihr angewiesen wird, bleiben kann. In dieser Beziehung ist vielleicht nicht überall im Anfange mit der nötigen Vorsicht um Umsicht ver⸗ fahren worden. Es ist das vielleicht auch ein Grund für die land⸗ wirtschaftliche Verwaltung gewesen, mit der Hergabe von Domänen von vornherein nicht allzu freigebig zu sein!

Meine Herren, in der Budgetkommission mußte ich schon darauf aufmerksam machen und ich glaube, ich habe das hier im Plenum auch schon wiederholt —, daß es eine große und bedeutsame Kapital⸗ reserve ist, die der Staat in seinen Domänen und Forsten ange⸗ legt hat, und daß es sehr bedenklich und verkehrt sein würde, diese Kapitalreserve ohne weiteres deshalb preiszugeben, weil augenblicklich

älen sein würde als bei der Verpachtung⸗ Sie alle wissen, daß bis noch vor wenigen Jahre die preußischen Domänen und Forsten für die aufgenommenen Schulden haften mußten, und wenn wir glück⸗ lich über diese Jahre hinaus sind, so können doch sehr gut auch wieder die Zeiten eintreten, wo der Staat genötigt sein würde, für die Gelder, die er braucht, ein Pfandobjekt anzubieten, und ein solches würde er nicht mehr haben, wenn er mit dem Verkauf seiner Domänen nicht so sparsam vorgehen würde, wie es bisher der Fall gewesen ist.

Aber dessen ungeachtet trage ich kein Bedenken, zuzusichern, daß überall, wo es für die Zwecke der inneren Kolonisation erforderlich scheint, und wo durch die Hergabe von Domänen die Kolonisation gefördert werden kann, auch Domänen zum Zwecke der Aufteilung zur Verfügung gestellt werden sollen. Das ist es, was ich in einer früheren Rede als den besonderen Grund für die Hergabe von Domänen bezeichnet habe. Ueberall da, wo mit der Her gabe von Domänen virklich ein wirtschaftlicher Vorteil und ein Vorteil für die Kolonisation geschaffen wird, liegt auch für den Staat ein Grund vor, auch seine Domänen für diesen Zweck zur Verfügung zu stellen. Daß die Domänen natürlich nicht umsonst hergeben werden können, liegt in der Natur der Dinge; auch die Güter, die sonst für die innere Koloni⸗ sation in Anspruch genommen werden, werden ja nicht umsonst her⸗ gegeben; im Gegenteil werden dafür, wie ich eben schon ausführte, zum Teil sogar Preise gefordert, die auch die Kolonisationsgesellschaften nicht mehr bezahlen können, wenn sie weiter wirtschaften und ihren Kolonisten das Land so übergeben wollen, daß diese ihre gesicherte Zukunft finden.

Das, meine Herren, kann überhaupt nicht genug betont werden: bei der Ansiedlung von Kolonisten ist vor allen Dingen darauf zu achten, daß die Kolonisten auch leben können. Es würde verkehrt sein, wenn man es anders machte, und die Kolonisationsgesellschaften achten auch darauf, die Kolonisten unter allen Umständen so anzusetzen, daß sie auf die Dauer ihr Auskommen haben. (Sehr richtig!) Aus

diesem Grunde ist es meines Erachtens auch nicht möglich, die Kolonisten (Erneute Zu⸗

stimmung.) Es ist ja richtig, daß man heute jeden Boden mehr oder

auf schlechten und ertraglosen Böden anzusetzen.

weniger ertragfähig machen kann. Aber es ist doch für den Kolonisten eine etwas bedenkliche Zugabe, wenn er zum Ankauf künstlicher Düngemittel gezwungen ist. Ueberall, wo bisher kolonisiert worden ist, haben wir die Erfahrung gemacht, daß die Kolonisten auf mittleren und guten Böden fortkommen, daß sie aber auf schlechten Böden nicht ihr Auskommen finden.

Damit komme ich von selbst zu einer Verteidigung des Groß⸗ grundbesitzes gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. Dr. Pachnicke. Meine Herren, es würde unmöglich sein, überall nur kleineren und mittleren Besitz herzustellen, wenn auch nachgewiesenermaßen und das trifft ja speziell auf die Ansiedlungsprovinzen Posen und West⸗ preußen zu der Viehstand nach der Aufteilung von Gütern erheblich zugenommen hat gegenüber der Viehzahl, die sich auf den früher ungeteilten Gütern befand. Das ist richtig. Aber ebenso, meine Herren, ist es richtig, daß die Viehzucht als solche in der Hand des kleinen und mittleren Mannes nicht besonders gedeiht, daß es auch eines gewissen größeren und Großgrundbesitzes bedarf, um die Viehzucht zu heben und auf der Höhe zu erhalten. (Sehr richtig! rechts.) Wenn ich dann noch darauf aufmerksam mache, daß auch der Körner⸗ und Früchtebau von erheblicher Bedeutung nur in den Händen des mittleren und Großgrundbesitzers ist, und daß auch Wald für den kleineren Besitz sich nicht eignet, dann sind damit doch eine Reihe von Tatsachen angegeben, die es allein schon aus wirtschaftlichen Gründen notwendig und nützlich erscheinen lassen, den Großgrundbesitz nicht zu kassieren, sondern ihn auch nach Möglichkeit zu erhalten. Selbstredend habe ich auch in Uebereinstimmung mit Herrn Abg. Grafen von der Groeben und dem Herrn Abg. von Kardorff kein Bedenkeu, zuzugeben⸗ daß die Besitzverteilung im Osten teilweise eine wirtschaftlich wünschenswerte nicht ist. Ich muß aber auch, wie ich vorgestern schon hervorgehoben habe, anerkennen, daß es gerade der Großgrund⸗ besitz gewesen ist, der dies eingesehen und in Ostpreußen und Pommern durch seine Beschlußfassung dazu beigetragen hat, die innere Koloni⸗ sation und eine vermehrte Bauernansiedlung zu fördern. 8 8

Meine Herren, der Herr Abg. Graf Groeben hat dann noch auf die Schwierigkeiten hingewiesen, welche sich der Gründung und Re⸗ konstituierung der Pommerschen Landgesellschaft entgegengestellt haben. Ich möchte darauf nicht mehr eingehen, nachdem die Geburtswehen dieser Gesellschaft überwunden worden sind. Aber ich möchte doch bemerken, daß es verkehrt sein würde, an der Verzögerung allein der Staatsregierung die Schuld beizumessen. Es ist längere Zeit darüber verhandelt und es sind Zweifel darüber entstanden, inwieweit außer der Provinz auch die Kreise an dieser neuen Gesell⸗ schaft sich beteiligen sollten. Weil diese Frage nicht klargestellt war, ist eine auch der landwirtschaftlichen Verwaltung gewiß unerwünschte Verzögerung entstanden. Ich hoffe aber in Uebereinstimmung mit Herrn Grafen Groeben, daß nunmehr alle Schwierigkeiten beseitigt sind, und daß es auch der Pommerschen Landgesellschaft gelingen wird, nunmehr in der Provinz Pommern, wo zum Teil ja eine innere Kolonisation gewiß besonders notwendig und erwünscht ist, eine erfolg⸗ und segensreiche Tätigkeit zu entfalten.

Dem Gedanken der Gründung weiterer Besitzbefestigungsbanken nach dem Vorbilde der in Danzig und Posen bereits gegründeten stehe ich sehr sympathisch gegenüber. Es haben darüber auch bereits Ver⸗ handlungen geschwebt, und ich hoffe, daß es gelingen wird, solche Institute auch für die anderen nationalgefährdeten Landesteile ins Leben zu rufen.

Meine Herren, Herr Abg. Pachnicke hat dann über die Verhält⸗ nisse der Ansiedler in dem sogenannten Moosbruche im Kreise Labiau Wehlau geklagt. Es ist auch mir bekannt geworden, daß diese An⸗ siedler teilweise infolge schlechter Ernten, teilweise aber infolge des dort sehr ungünstigen Klimas mit Schwierigkeiten zu kämpfen gebabt haben. Ich möchte ausdrücklich hervorheben, daß die landwirtschaft liche Verwaltung alles getan hat, um ihre Lage zu erleichtern, und das wird auch in Zukunft geschehen, wenn sich dieselbe nicht bessern sollte. (Bravo!)

(Schluß in der Dritten Beilage.)

bei dem Verk nen eine höhere Rente und Verzinsung zu

Möglichkeit zur Ansiedlung geben. Wenn man die Moore lediglich

Dritte Beilage

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlich Pteußischen

8 Abg. Klocke (Zentr.): Der Abg. Pachnicke behauptet, daß der Großgrundbesiß nur ein platonisches Interesse für die innere Koloni⸗ sation habe. Wer sich aber mit der Geschichte der inneren Kolonisation beschäftigt hat, weiß, was der Großgrundbesitz bisher dafür getan hat; ich nenne nur den Namen des Freiherrn von Wangenheim. Ohne den Großgrundbesitz können wir überhaupt nicht die innere Kolonisation durchführen. Was auf diesem Gebiet geschehen ist, zeigt, daß die Grotgrundbesitzer ein Interesse dafür haben. Es soll aber gegen die soziale und politische Bedeutung des Großgrundbesitzes im Osten Sturm gelaufen werden. Uns ist jede Form für die innere Kolonisation gerade ut genng. wir wollen jede Form fördern, wollen aber nicht, daß eine bestimmte Form bevorzugt und mono⸗ polisiert werden soll. Der Güterpreis darf nicht zu hoch sein, also darf derjenige, der kolonisieren will, nicht zu hohen Gewinn verlangen. Wenn man den Generalkommissionen vorwirft, daß sie bei der inneren Kolonisation keine C e Han⸗ gehabt haben, so haben sie eben auch erst die Kinderkrankheiten überwinden müssen. Man muß jetzt daran gehen, die Formen der inneren Kolonisation weiter auszuhauen. Die Generalkommissionen haben seit 1890 durchschnittlich für den Rentenguts⸗ empfänger einen Preis von 799 für den Hektar erzielt; ich möchte den sehen, der billiger arbeiten kann. Ich meine, daß die innere Kolonisation gerade eine Aufgabe der Generalkommissionen sei und daß man diese, statt sie aufzuheben, gerade mehr und mehr mit dieser Aufgabe betrauen sollte. Sie können diese Aufgabe ohne Rücksicht auf rechts und links und auf die politischen Tages⸗ meinungen erfüllen. Die innere Kolonisation führt also nicht zu einer Schwächung, sondern gerade zu einer Stärkung der Generalkommissionen. Nach der Ostpreußischen Landgesellschaft hbeginnen sich auch andere Gesellschaften zu richten, aber wir müssen erst abwarten, was diese Gesellschaft leistet. Sie will natürlich Geld verdienen, dazu muß sie ihr Geld schnell umschlagen. Wir wissen aber, wie langsam das Geld wieder einkommt. aher kommt es, daß diese Gesellschaft ein immer größeres Kapital braucht, und deshalb hat sie sich um⸗ gewandelt. Ich fürchte, daß sie in der neuen Form den Fiskus viel stärker in Anspruch nehmen wird. Ich will gern hoffen, daß diese Befürchtung unberechtigt ist. Ich will nicht, daß man den privaten Gesellschaften Hindernisse in den Weg legen soll, aber man darf ihnen kein Monopol geben, um alte, bewährte Organisationen des Staates aufzugeben. Für den Westen eignen 189 diese Gesell⸗ schaften nicht. Dort muß man auch den industriellen Arbeitern die

kolonisieren will, so braucht man eine ganz besonders geeignete Bevölkerung dazu. Deshalb wird die Kultivierung der Mocre 1c sam gehen, weil es an dem geeigneten Menschenmaterial fehlen wird. Ich mache auch darauf aufmerksam, daß der größte Teil dieser Oed⸗ ländereien sich in bäuerlichem Besitz befindet. Wir sind der Ansicht, daß ein Großbetrieb notwendig ist. Wir haben das Klima des Getreidebaues, darum dürfen wir nicht so kolonisieren, daß nur Klein⸗ betriebe geschaffen werden. Auch wir sind dafür, daß diese Frage aus dem Streit der Parteien herausgehoben wird. Es handelt sich hier um eine gemeinsame Landessache.

Der Titel wird bewilligt, die Denkschrift über die Ver⸗ wendung des Fonds zur Förderung der inneren Kolonisation in den Provinzen Ostpreußen und Pommern für das Etatsjahr 1909 durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.

Für den Ausbau der dogsflsergefatzrnichen Ge⸗ birgsflüsse in der Provinz Schlesien sowie für die damit im Zusammenhang stehenden Verbesserungen an der mittleren Oder und der schiffbaren Strecke der Glatzer Neisse sind als elfte Rate 3 Millionen Mark eingestellt.

Hierzu liegt ein Antrag der Abgg. Graf Pras chma (Zentr.) und Genossen vor, zu beschließen:

„Falls sich ergibt, daß die durch Gesetz vom 3. Juli 1900 zum sachgemäßen Ausbau der hochwassergefährlichen Flüsse Schlesiens bewilligten Mittel nicht ausreichen, wird die Königliche Staats⸗ regierung ermächtigt, die hier eingestellte Summe schon in diesem Jahre ohne Rücksicht auf die für die einzelnen Flußgebiete fest⸗ gelegte Verteilung den Stellen zuzuwenden, wo die Arbeiten am

de notwendig sind.“

Abg. Graf Praschma (Zentr.): Wir haben auf dem Gebiete des Ausbaus der hochwassergefährlichen Flüsse sehr wenig Erfahrungen gehabt. Wir mußten diese Erfahrungen erst sammeln. In Schlesten ist nun seit der Bewilligung der erheblichen Mittel für diesen Ausbau eine ganze Reihe von Naturereignissen eingetreten, die einen großen Teil der angefangenen Arbeiten wieder zunichte gemacht haben. Wir haben seit dem Jahre 1900 eine ganze Reihe von Ueberschwemmungen gehabt und zwar gerade zu einer Jahreszeit, in der sie bisher nicht zu erwarten waren. Des⸗ halb mußten viele Arbeiten noch einmal angefangen werden. Weiter haben ganze Strecken, die man nur zur Unterhaltung bestimmt hatte, sich als neubaubedürftt an An einigen Strecken haben die Arbeiten allerdings schon weiter fortschreiten können und sich da auch ausreichend bewährt. Wollen wir das, was bisher geschehen ist, sichern und erhalten? Das ist heute die Frage. Ich moͤchte bei der Gelegenheit darauf hinweisen, daß der jetzige Zustand ganz erhebliche Mißstände aufweist. Die Provinz hat zu den Anlagekosten nur ein Fünftel beigetragen. Nun war in dem Gesetz weiter festgesetzt, daß die Interessenten dauernd zu der Erhaltung nach Fertigstellung beitragen müssen. An einzelnen Flüssen sind die Miltel jetzt schon annähernd verbraucht, ohne daß die Arbeiten fertig sind. Die „Wassersteuer“ ist bisher nur in der Höhe von 60 % erhoben worden. Jetzt ist die Provinz gezwungen, ie auf 100 % zu erhöhen. Das hat natürlich eine große Aufregung hervorgerufen. In dem Augenblick, wo man den Nutzen der Anlagen sieht, wird der Widerstand der Anlieger nicht so groß sein; aber gegenwärtig ist kein Nutzen abzusehen. Um das Geschebene nicht verderben zu lassen und dann aber auch um dem Notstand weiter zu begegnen, ist es dringende Pflicht, die Arbeiten möglichst zu einem Abschluß zu bringen. Es ist die Hauptsache, daß wir bald mit den Arbelten fertig werden. Wenn die Mittel nicht reichen, müssen sie er⸗ höht werden: Es wäre eine falsche Sparsamkeit und das hat sich auch gezeigt —, jetzt mit den Mitteln zu kargen, weil durch halbe Arbeit die Arbeit teurer wird. Die Hilfe ist dringend notwendig, weil wir wieder in diesem Jahre dieselbe Gefahr befürchten müssen. Die Arbeiten an den verschiedenen Flüssen befinden sich in einem verschiedenen Stadium. Es versteht sich von selbst, daß kein Fluß zugunsten des anderen geschädigt werden darf. Aber die Mittel, die seinerzeit aus den einzelnen Flußgebieten eingelaufen sind, koͤnnen für manchen Fluß gar nicht aufgebraucht werden. Da wäre es doch erwünscht, daß ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Bestimmung die Arbeiten ns Ies. geführt werden, die unbedingt notwendig sind. Dann würde es Aufgabe der Regierung sein, sich davon zu überzeugen, in welcher Weise die Mittel, die von ihr gegeben worden sind, verwendet wurden, und auch zu prüfen, ob die Mittel in genügender Weise gegeben worden sind. In diesem Sinne ist der Antrag gemeint. 11

Unterstaatssekretär im sehengminsterig Dr. Michaelis: Für den Ausbau der Hochwasserflüsse in Schlesien sind nach dem Gesetz vom Jahre 1900 mit diesen 3 Millionen über 29 Millionen gegeben worden. Vier Fünftel der Kosten hat der Staat, ein

Berlin, Montag, den 30. Januar

Egg —— üsitisirchrie

31 Millionen betragen. Davon sind bisher 26 ½ Millionen über⸗ wiesen, so daß noch etwa Millionen ausstehen. Die Einrichtung und auch die Ausführung des ganzen Projektes liegt in den Händen der Provinz Schlesien. Damit hat selbstverständlich die Pro⸗ vinz die volle Verantwortung dafür übernommen, daß mit dem Kostenanschlage ausgekommen wird. Eine weitere Er⸗ höhung der Zuschüsse der Regierung ist nur für den weiteren Bau von Talsperren eingetreten, eine Summe, welche aber unter einen ganz anderen Gesichtepunkt fällt. Nun sind durch diese Hochwasserkalamität wirklich erhebliche Schädigungen ein⸗ etreten. Wir haben uns aber gegenüber der Forderung, weitere kittel bereit zu stellen, ablehnend verhalten; denn wir stehen auf dem Standpunkt, 828 die Provinz sich zunächst selbst helfen muß. Denn sie ist für die Bauten unterhaltungspflichtig und ist vor allem auch dafür verantwortlich, daß mit dem Geld gereicht wird. Wir müssen uns also erstens darüber klar sein, wie weit mit dem Gelde gereicht ist, zweitens müssen wir feststellen, mit wie viel Ueber⸗ schreitung wir zu rechnen haben, wenn wir die Bauten in dem bis⸗ berigen Maße durchführen, und drittens müssen wir schließlich darüber ein abschließendes Bild haben, ob wir über den Rahmen des bis⸗ herigen rogramms hinaus etwas Weiteres für Schlesien tun können. Der Abg. Graf Praschma hat zutreffend darauf hingewiesen, daß wir in den 10 Jahren der Ausführung dieses Gesetzes sehr viel gelernt haben. Es sind uns derartig neue umfassende Aufgaben gestellt worden, daß wir uns auch jetzt noch keinesfalls ein ab⸗ schließendes Urteil bilden können. A keinen Fall dürfen wir die einzelnen Flüsse verschieden behandeln. Den Vorschlag des Vor⸗ redners müssen wir also sehr ernstlich bedenken. Ich glaube die Zustimmung des Herrn Landmwirtschaftsministers zu haben, wenn ich erkläre, daß die Provinz sic zunächst selbst helfen muß. Im Frühjahr werden aber eingehende Erhebungen an Ort und Stelle vorgenommen werden. Wenn es sich ergeben sollte, daß in der Tat in Schlesien durch den Einfluß von Hochwasser die Ausführung des bisherigen Projekts über das Maß des Vorauszusehenden hinaus⸗ gehen sollte, dann, glaube ich, wird man das eine sagen können: es wird der Staat ein Werk von dieser Bedeutung, für das er einen so großen Beitrag gezahlt hat, nicht in seinem Endergebnis verfallen oder verwildern lassen. Ich glaube aber nicht, daß bis zu einer Be⸗ ratung in der Kommission die Vorarbeiten erledigt sind und das Material beschafft werden könnte. Abg. Graf Praschma (Zentr.): Nach den letzten Erklärungen des Herrn Regierungsvertreters möchte ich meinerseits den Antrag vorläufig zurückzieben, da zu einer weiteren Beratung das Material nicht ge⸗ nügend vorbereitet ist. .

Abg. von Pappenheim (kons.): Ich stimme der Ansicht des Ver⸗ treters des Finanzministeriums, daß die Regierung ein großes Werk, zu dem sie so viel Mittel aufgewandt hat, nicht verwildern und verkommen lassen will, vollständig bei. Es handelt sich nur darum, welche Konsequenzen aus dieser Stellungnahme zu ziehen sind. Meiner Mei⸗ nung nach ist die erste Konsequenz die, daß die Regierung von ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch macht und prüft, ob die Provinz Schlesien in der Lage ist, das Werk nach den Anforderungen des Gesetzes auszuführen. Die andere Frage, inwieweit der Staat ver⸗ ist, zu den Kosten der Ausführung beizutragen, fällt augen⸗

licklich weg, nachdem der Abg. Graf Praschma seinen Antrag zurück⸗ ezogen hat. Wenn der Vertreter des Finanzministeriums mit seiner rklärung, die er soeben abgegeben hat, schon jetzt eine Stellungnahme hat ausdrücken wollen, so muß ich ausdrücklich erklären, daß meine Freunde sich ihre Stellungnahme noch vorbehalten.

Abg.Graf Praschma (Zentr.): Von einer Verpflichtung des Staates habe ich in meinen Ausführungen nichts gesagt; eine rechtliche Ver⸗ pflichtung besteht nicht, wohl aber eine gewisse moralische.

Abg. von Pappenheim (kons.): Der Antrag kann in seiner vorliegenden Form nicht anders aufgefaßt werden; wenn die Mittel, die für andere Flosse aufgebracht waren, anderweitig verwendet würden, so würde den Anliegern ein klagbares Recht an den Staat erwachsen.

Abg. Graf Praschma (Zentr.): Ich habe ausdrücklich darauf hingewiesen, daß bei einer anderweiten Verwendung der Mittel die Arbeiten bei anderen Strömen nicht zurückbleiben duͤrfen.

Der Titel wird bewilligt. G

Bei dem Titel „Beihilfe zur Beseitigung der durch die Sturmflut am 3. ember 1909 an den Deichen auf der Insel Pellworm im Kreise Husum verursachten Schäden bis zu 15 000 ℳ“ spricht

Abg. Schifferer (nl.) der Regierung den Dank für die Ein⸗ stellung dieser Summe aus und biltet die Regierung, Erwägungen darüber anzustellen, die 6000 ℳ, welche davon geschenkweise gegeben werden, zu erhöhen und dafür die 9000 ℳ, die mit 3 ½ % verzinst und mit 1 ½ % amortisiert werden sollen, zu erniedrigen.

Der Titel wird, wie im Etat vorgesehen, genehmigt.

Damit ist der Etat der landwirtschaftlichen Verwaltung erledigt.

„Es folgt der Etat der Gestütverwaltung. Bei den Einnahmen weist

Abg. von Arnim⸗Züsedom als Berichterstatter darauf hin, daß eine Erhöbung der Beschälerzahl um 52 Stück vorgesehen sei, und zwar für Rastenburg 6, Georgenburg 10, Gudwallen 10, Marien⸗ werder 6 und Celle 20; ferner sei für das Hauptgestüt Neustadt a. D. eine Erhöhung des Mutterstutenbestandes um 10 beabsichtigt.

Abg. Dr. Dumrath (nl.) wünscht eine größere Vermehrung der Deckhengste bei dem Landgestüt Celle. S für die Beschäler seien so hoch, daß die kleinen bäuerlichen Besitzer nicht in der Lage seien, die Preise für Deckhengste zu entrichten.

Abg. Heine (nl.) warnt davor, Privatdeckhengste zu verwenden:; gerade der Ruf des hannoverschen Pferdes würde darunter leiden.

Abg. n teaehünn (nl.) bittet, auch den Kreis Kreuznach mit Beschälern zu bedenken.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Was die aus der Provinz Hannover geltend ge⸗ machten Klagen betrifft, so möchte ich zunächst darauf hinweisen, daß die Zahl der Beschäler in Celle im Jahre 1907 282 betragen hat, daß sie im Jahre 1908 auf 304, im Jahre 1909 auf 323 und im Jahre 1910 auf 340 erhöht worden ist, und daß sie im laufenden Jahre eine Vermehrung bis auf 360 erfahren wird. Die Zahl 360 kann gegenüber der Zahl der gedeckten Stuten einigermaßen als aus⸗ reichend erachtet werden. Jedenfalls ist mit den von mir angegebenen Zahlen der Beweis geliefert, daß auch die Gestütsverwaltung nach Kräften bemüht gewesen ist, in bezug auf die Vermehrung der Hengste den Bedürfnissen Rechnung zu tragen.

Was die Kaltblutzucht im Bezirk Hildesheim angeht, so brauche ich wohl nicht zu wiederholen, daß die Gestütsverwaltung auch jetzt noch auf dem Standpunkt steht, daß sie in den sogenannten Remonte⸗ provinzen die Kaltblutzucht durch Aufstellung eigener Beschäler nicht unterstützen will, sondern in diesen Bezirken sich darauf beschränken muß, Darlehne zum Ankauf von Beschälern zu geben, und diese Dar⸗

Fünftel die Provinz getragen. Die gefamten Aufwendungen sollen

lehne werden auch im Hildesheimer Bezirk nach den sonst festgehaltenen

Grundsätzen gegeben. Es werden drei Viertel der Ankaufssumme als Darlehn bewilligt.

Ich möchte hierbei noch eine allgemeine Bemerkung machen, die sich auch auf die Rheinprovinz und auf Westfalen bezieht. Nicht allein bei den warmblütigen, sondern vorzugsweise bei den kaltblütigen Hengsten ist vielfach über die mangelnde Fruchtbarkeit geklagt und darauf hingewiesen worden, daß diese Hengste gerade in den staatlichen Gestüten nicht die genügende Gelegenheit zur Arbeit und zur Be⸗ wegung finden. Der Regierungskommissar hatte bereits in der Budgetkommission Gelegenheit, darzulegen, daß die mangelnde Fruchtbarkeit der Hengste auch zum Teil darauf zurück⸗ zuführen sei, daß die Stuten, die ihnen zugeführt wären, nicht rein kaltblütige in des Wortes eigentlicher Bedeutung sind, sondern daß sie vielfach noch von Halbblütern ab⸗ stammen und infolgedessen den Hengsten nicht ganz entsprechen. Aber wir können, glaube ich, trotzdem zugeben, daß es gerade für die kaltblütigen Hengste an der genügenden Arbeit und Bewegung in den Staatsgestüten häufiger mangelt. Es wäre deshalb auch im Interesse der Züchter sehr viel besser, wenn allmählich erreicht würde, die Kalt⸗ blutzucht durch vermehrte Haltung von Privatbeschälern zu fördern, also von Hengsten, die im Besitz einzelner Pferdezüchter oder im Besitz von Zuchtgenossenschaften, von Hengsthaltungsgenossenschaften bleiben und dann, abgesehen von der Deckzeit, auch in der Arbeit ver⸗ wendet werden können. Es ist ja bekannt, daß auf diese Weise in 1 Belgien vorgegangen wird, und daß Belgien, was sonst weder große wirtschaftliche noch klimatische Verschiedenheiten gegen die Rhein⸗ provinz aufweist, in der Pferdezucht ganz enorme Fortschritte gemacht hat, Fortschritte, die wir bis heute noch nicht erreichen konnten. Der Staat kann beim besten Willen gegenüber dem Fortschreiten der Pferdezucht gerade in den westlichen Provinzen, in der Rheinprovinz und West⸗ falen, mit der Vermehrung der Hengste keinen Schritt halten, es wäre ganz unmäglich, auch im Laufe mehrerer Jahre, diejenige Zahl Hengste in den Staatsgestüten aufzustellen, die tatsächlich zum Decken der zugeführten Stuten erforderlich sind. g

In Westfalen kommt noch hinzu, daß diese Provinz sich ja nicht allein der Kaltblutzucht, sondern zum großen Teil auch der Halbblut⸗ zucht widmet, und auch von seiten der Halbblutzüchter wird, wie wir eben gehört haben, darüber Klage geführt, daß es an der erforderlichen Zahl der Hengste im Landgestüt Warendorf mangelt. Hier würde leicht Abhilfe geschaffen sein, wenn auch die Kaltblutzüchter dazu über⸗ gingen, mehr Privathengste zu halten und dadurch den Platz im Land⸗ gestüt für halbblütige Hengste freizumachen.

Wir haben dem augenblicklich anzuerkennenden Mangel in West⸗ falen bereits seit einigen Jahren dadurch abzuhelfen gesucht, daß eine Anzahl von Leihhengsten aufgestellt worden sind. Für dieses Jahr sind die Gelder für 30 Leihhengste bewilligt. Das sind Hengste, die im Eigentum ihrer Besitzer bleiben, die für die Deckperiode aufgestellt werden und bei denen den Besitzern eine Reineinnahme von 600 pro Hengst staatlicherseits garantiert wird. Im großen und ganzen hat sich dieses Verfahren bewährt, und wir werden jedenfalls dabei bleiben müssen, solange es nicht möglich ist, die Zahl der Hengste in Warendorf entsprechend zu vermehren, die Ställe sind dort vollständig besetzt und es ist unbedingt ein Neubau notwendig, wenn weitere Hengste eingestellt werden sollten.

Abg. von Stockhausen k(kons.): Auch bei uns in Hessen⸗Nassau macht sich der Mangel an Hengsten fühlbar, es müßten 20 Hengste mehr eingestellt werden, um dem Bedürfnis zu genügen. Seit zehn Jahren ist auch bei uns die private Hengsthaltung in Aufnahme gekommen, aber die Erfolge damit ermutigen nicht zu weiterem Vorgehen. Das hessen⸗nassauische Landgestüt ist zu klein angelegt, es müßten die Deck⸗ stationen in der Nähe der Wohnstätten der Zuüchter in verschiedenen Kreisen, z. B. Marburg und Gelnhausen, vermehrt werden.

Abg. von Quast (kons.): Die Zahl der Stuten in Neustadt a. D. soll allerdings von 50 auf 60 vermehrt werden, der Wunsch der Provinz geht aber auf eine Vermehrung bis zu 100 hinaus. Wir wollen das edle Halbblutpferd vermehren. Wir sind ja froh, daß die Vermehrung auf 60 eintritt, aber wir bitten doch die Verwaltung um ein weiteres Fortschreiten. Erfreulicherweise sollen die Wiesen vergrößert werden, und dazu Flächen, die früher der Staat ver⸗ kaust bak, wieder zurückgekauft werden, aber das Herz des Finanz⸗ ministers muß vom Landwirtschaftsminister dazu erweicht werden, daß neue Gebäude errichtet werden, um die Zahl der Stuten weiter

vermehren zu können. Berichterstatter Abg. von Arnim⸗Züsedom (kons.) weist noch

auf die unerfreuliche Zunahme der Pferdeeinfuhr hin.

8 Die Einnahmen werden bewilligt.

8

Bei den dauernden Ausgaben setzt vW“ Berichterstatter Abg. von Arnim die Gründe auseinander, aus

denen die Gestütswärter nicht als Beamte angestellt werden könnten,

bemerkt aber, daß für ihr Alter doch gesorgt werde.

Abg. Marx (Zentr.) wünscht, daß die Gestütswärter wenigstens

einen kontraktlichen Anspruch auf Pension statt des Gnadengehalts

erhielten. Die dauernden Ausgaben werden bewilligt.

Unter den einmaligen Ausgaben hat die Budget⸗ kommission von der Forderung von 53 820 für den Neubau von zwei Vierfamilienhäusern auf dem Landgestüt Marienwerder 9000 abgesetzt.

Berichterstatter Abg. von Arnim bemerkt, daß die Kommission diesen Beschluß einstimmig gefaßt habe, da für genau denselben Zweck beim Landgestüt Georgenburg nur 44 600 ewer⸗ würden.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Wenn es der Gestütsverwaltung aus Gründen, die bereits früher hier erörtert worden sind, zu ihrem Bedauern nicht möglich ist, die Lage der Gestütswärter so zu verbessern, wie es diese sowohl wie auch die Herren Abgeordneten gewünscht haben, so sollten wir wenigstens nicht ohne triftigen Grund in dem Bestreben einge⸗ schränkt werden, für gute Wohnungen der Gestütswärter Sorge zu tragen. (Abg. Gyßling: Sehr richtig!)

Gerade die Vierfamilienhäuser in Marienwerder, bei denen die Budgetkommission nach eingehender Beratung den Betrag von

9000 gestrichen hat, bilden den Abschluß einer größeren Reihe von Wärterwohnungen, die a in errichtet werden, da