119. Sitzung vom 1. Februar 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) Auf der Tagesordnung steht zunächst die Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Zuwach ssteuergesetzes. Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:
Meine Herren! Ich bitte dringend, nicht jetzt noch in dritter Lesung eine vollständige Aenderung des Rechtsmittelsystems herbei⸗ zuführen. Diese Frage ist eingehend erwogen und in sämtlichen Kommissionslesungen zugunsten der Vorlage entschieden worden. In dritter Lesung können wir uns nicht in die Einzelheiten eines entgegen⸗ stehenden Verfahrens vertiefen, das sich so, wie es der Herr Antrag⸗
steller vor schlägt, gar nicht halten läßt.
Der Herr Antragsteller hat aus einer Reihe anderer Gesetze Bestimmungen herausgenommen und sie für das gegenwärtige Gesetz in einer Weise zusammengestellt, die zu Beanstandungen im einzelnen Anlaß gibt. Ich könnte Ihnen ungefähr 7 oder 8 Punkte nennen, in denen der Vorschlag des Herrn Antragstellers zwar auf die Gesetze paßt, denen er diese Formulierung entnommen hat, aber nicht auf das uns jetzt beschäftigende Zuwachssteuergesetz. Da ich aber
Zweifel gezogen und auch in der Presse falsch dargestellt ist: nicht in diesem Gesetze können wir die Bezüge der Veteranen festlegen, sondern das müssen wir durch den Etat tun. (Sehr richtig! rechts.) Aber die Bezüge für die Veteranen würden im Etat ohne weiteres fortfallen müssen, falls Sie dieses Gesetz nicht zur Abfertigung bringen (hört! hört! bei den, Nationalliberalen); denn dann hätten wir weitere Mittel nicht zur Verfügung.
fordert doch zwei eee. heraus. etwas bekommen sollen, hängt do Iüc auch vom Reichstage ab,
stempels eine absolut selbstverständliche setzes, wie es jetzt vorliegt, sein würde, stände diese Sicherheit, dann würden sondern für das Gesetz stimmen. selben — doppelte Umsatzstempel beibehalten wird. Wir daran, daß er abgebaut werden wird, den besten Erfahrungen gewarnt worden. 19. Nachfolger sich genötigt sehen, die mäßigung verng Ausführung der T belastung des Grundbesitzes.
Ferner muß ich nochmals hervorheben, weil das wiederholt in
Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.): Diese Erklärung .Ob die Veteranen
nicht bloß von diesem Gesetze, der auch bei der Ablehnung des Daß der Abbau des Umsatz⸗ Folge der Annahme des Ge⸗ stimmt durchaus nicht. Be⸗ hier meine Freunde nicht gegen, Der allerschlimmste Fehler des⸗ Reichetagsbeschlüslen von 1909 der auben einfach nicht
esetzes für die Veteranen sorgen würde.
ist, daß entgegen den möge au wir sind doch durch 1914 wird der Staatssekretär oder sein weitere Hinausschiebung der Er⸗ wie es vorliegt, ist nicht die sondern eine wesentliche Neu⸗
Willen haben;
Das Gesetz, eschlüsse von 1909,
Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:
jetzt vorliegt, anzunehmen, 8 9 8 nalen Forderungen, insbesondere auch die erhöhte Fürsorge für unsere
Veteranen, zu erfüllen und überhaupt für die nächsten drei Jahre,
welche eine Balancierung unseres Etats nach dem Programm vorzunehmen, dessen
Ausführung wir eingeleitet haben.
den Absichten fest überzeugt. für die Etats von wendig ist. .
wird nach kurzer Debatte genommen.
dem Inkrafttreten dieses Gesetzes das setzen will. H. ste zefre 1“ ürsten angenommen habe, müsse der Reichstag um der Gerechtigkeit willen die gemachten sich auch 88 Not und des Elends der Arbeiter in der Zündwarenindustrie erbarmen. 1 ite die verheerende Wirkung dieser Steuer seien durch die Tatsachen noch übertroffen worden. obwohl für sie in während völlig außer acht gelassen
der Staatssekretär—†
Ich bitte Sie, meine Herren, den § 56 b in der Fassung, wie er damit wir in die Lage kommen, die natio⸗
zusammenhängende Finanzperiode bilden, die gesamte
Volksp.): Wir haben volles Vertrauen zu
Ertlärungen des Staatssekretärs und sind von seinen guten 9 1 Aber wir sind nicht davon überzeugt, daß der zweimalige Umsatzstempel not⸗
Abg. Cuno (fortschr.
1911 bis 1913
Der Antrag Cuno wird abgelehnt.
Auch der Schlußparagraph 57 (Inkrattreten des Gesetzes) mit einem Amendement Raab an⸗
„Brey (Soz.) empfiehlt die Anfügung eines neuen § 58, der mit E1“ Zündwarensteuergesetz außer Kraft
Nachdem das Haus gestern die Befreiung der Landes⸗
Die schlimmsten Befürchtungen der Arbeiter in bezug auf )
Ebenso bedrohlich sei die Notlage der Fabrikanten,
das Gesetz Schutzmaßregeln aufgenommen seien,
für die Arbeiterschaft zu treffen
man Schutzmaßregeln 3 8 Die ganze deutsche Zündwaren⸗
abe.
geahnt hätte, daß physischer Zwarg ausgeübt werden könne. ist man sicher der Ansicht gewesen, daß mweder physischer Zwan noch wiederholte Bestrafung möglich sei. Die Zwangsimpfung ist doch
ein scharfer Eingriff in das elterliche Erziehungsrecht und in die
Familie. Unter den Tausenden von Fremden, Deutschland aufhalten, sind doch viele nicht geimpft worden, da konn es nicht schaden, wenn noch ein paar Tausend mehr auf Grund der Gewissensklausel von der Impfung freigeblieben sind. Wir haben einen Zusatzantrag gestellt, wonach wir auch diejenigen Petitionen zur Berücksichtigung überweisen wollen, die eine Entschädigungspflicht wünschen. Es ist doch ein Gebot der Billigkeit, diejenigen Leute, die durch zwangsweise Impfung zu Schaden kommen, oder die nach Ein⸗ führung der Gewissensklausel durch den Gesetzgeber veranlaßt werden sich impfen zu lassen, bei etwaiger Beeinträchtigung ihrer Gesundheit zu entschädigen. Gewiß wird der Nachweis außerordentlich schwierig sein, aber er fällt ja den Geschädigten zu, und es wären also nur die⸗ 15 sene gülce g. eatchätigen, 1 dieser außerordentlich schwierige Nachweis ngt. Ich bitte auch die des fzw 3 fü unseren Antrag zu stimmen. Füeusee ges Imßptässaigeh, für
88 Die Abgg. Dr. Faßbender und Dr. Pfeiffer (Zentr.) haben beantragt: 8
1) Die dem Reichstag vorliegenden Petitionen zur des Impfzwanges dem Herrn weisen;
2) den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetz⸗ entwurf zur Revision des Impfgesetzes vorzulegen, in dem die Gewissensklausel einzufügen ist, derart, daß jede Person vom Impf⸗
zwang zu befreien ist, die der zuständigen Behörde erklärt, daß sie vor ihrem Gewissen die Impfung ihres Kindes nicht rechtfertigen kann; ferner, daß physischer Zwang zur Durchführung der Impfung
die sich jährlich in
orlregenden r Beseitigung Reichskanzler als Material zu über⸗
Damals
Jder Pocken auf die Prophylaxe zurückzuführen ist oder auf die Iwangsimvfung. Die Impfung soll nicht einmal 10 Jahre schü zene Gerade auf diesem Gebiete wäre eine wiederholte Untersuchung notwendig. In der Türkei und Japan hält man sogar eine Impfung alle 5 Jahre für erforderlich. Das muß doch festgestellt werden. Ich sehe bei der Regierung in dieser Beziehung einen gewissen “ warum will sie hier eine weitere Prüfung nicht zulassen? Diese ganze Wissenschaft ruht doch noch in den Windeln. Wir wünschen, daß eine Kommission von Impffreunden und Impfgegnern, wissenschaftlie hen Männern, sich mit allen diesen Fragen beschäftigt. Auch der Laie sieht ein, daß hier eine große Unklarheit besteht. Daß die iafung nicht den gehofften Erfolg hat, den man ihr immer zus reibt, beweist die Tatsache, daß von den vor dem Kriege von 1870/71 geimpften bayerischen Soldaten 95 % an Pocken erkrankt waren. Ich kann behaupten, daß noch nicht der hundertste Teil der Erkrankungen der Kinder infolge der Impfung zur Anzeige kommt. Ich kann dies selbst als Vater bestätigen. Die Ausführungen des Geheimrats Kirchner können uns nicht beruhigen. Man versteht im Volke und hier nicht, warum sich die Regierung gegen eine er⸗ neute Prüfun wehrt, wenn sie sich so sicher fühlt. Ich will keine Ent⸗ scheidung na der einen oder anderen wissenschaftlichen Seite treffen, aber kein Gebiet ist so umstritten, wie das der Bakteriologie. Nach 30 Jahren wird man vielleicht über manche wissenschaftlichen Er⸗ gebnisse der Gegenwart lächeln. Wie haben sich z. B. die Auf⸗ fassungen über das Fieber geändert! Auch die Abgg. Dr. Arning uncst rmnsffen sollten sic Ss. über 1 Prüfung und nc bloß in scharfen Wendungen gegen Uebertrei er Impf⸗ wen gen geg rtreibungen der Impf⸗ Geheimer Obermedizinalrat Prof. Kirchner: Ich muß da⸗ gegen Verwahrung einlegen, daß, wie der Sanitätsrat Dr.
“ Z 11“ Königlichen Polizeidirektionen in den Bezirken von Essen, Bochum
und Gelsenkirchen besteht darin, tunlichst und besser als bisher den Gefahren vorzubeugen, die aus der Entwicklung und der Ausdehnung der Industrie in diesen Bezirken auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit sich ergeben haben und sich in Zukunft noch mehr alg bis⸗ her ergeben werden. Zur Erreichung dieses Zweckes ist es erforderlich, die Bezirke der staatlichen Polizeidirektionen derartig abzugrenzen, daß sie tunlichst räumlich abgerundete, in sich geschlossene Bezirke um⸗ fassen, deren Zusammenhang durch anders organisierte, nicht staatliche Polizeiverwaltungen nicht gestört und nicht durchbrochen wird, zumal die den kleineren kommunalen Polizeiverwaltungen zur Ver⸗ fügung stehenden Exekutivkräfte in der Regel unzulänglich und den Weisungen der staatlichen Polizeibehörden nicht unterworfen sind. Zur Herstellung dieses erwünschten Zustandes reichen aber die durch das Gesetz über die Polizeiverwaltungen vom 11. März 1850 in bezug auf die Errichtung von Polizeiverwaltungen dem Minister des Innern übertragenen Vollmachten nicht aus. Denn nach § 2 des Gesetzes sind diese Vollmachten beschränkt’ auf Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern und auf solche Gemeinden, welche entweder Festungen oder Sitz einer höheren Verwaltungsbehörde oder einer höheren Justizbehörde sind.
Der § 1 des Entwurfs schlägt Ihnen daher eine Ergänzung und Erweiterung dieser Vollmachten nach der Richtung hin vor, daß für den Umfang des Jadustriebezirks die Errichtung von staatlichen
mit Bestimmtheit voraussetze, meine Herren, daß Sie die Gründe auch weiterhin würdigen werden, die Sie bisher bestimmt haben, für das Verwaltungsstreitverfahren ein⸗ zutreten, so sehe ich davon ab. Sie würden in das bisherige Ver⸗ fahren auch der Gemeinden (sehr richtig! links), die die Wertzuwachs⸗
Bilfinger in einem Flugblatt behauptet hat, meine Ausfü
in der Kommission einseitig und fanatisch Feöö Die Pocken sind derart in Vergessenheit geraten, daß weder das Publikum noch selbst die Aerzte sich uͤber ihre Gefährlichkeit ohne weiteres klar sind. (Der Redner gibt eine ausführliche Dar⸗ stellung des Verlaufs, des Charakters und der Gefährlichkeit
industrie sei ruiniert. Für den Antrag der Sozialdemokraten stimmen nur die Sozialdemokraten, die fortschrittliche Volkspartei und die Polen. Auf Antrag Raab wird über das Gesetz im ganzen namentlich abgestimmt.
in jedem Falle auszuschließen ist; —
3) im Falle der Ablehnung der Ziffer 2 den Reichskanzler zu ersuchen, zur Klärung der Frage eine Kommission einzusetzen, der Impffreunde und Impfgegner in gleicher Stärke angehören, und das von ihr ausgearbeitete Material in Form einer Denkschrift dem Reichs⸗ tage vorzulegen. 8
Polizeiverwaltungen auch in solchen Gemeinden zulässig sein soll, auf welche die Voraussetzungen des § 2 des Polizeigesetzes nicht zutreffen. Es soll diese Zulässigkeit der Einrichtung staatlicher Polizeiverwaltungen auch hier auf das Gebiet der Sicherheitspolizei
Meine Herren! Ob Sie meiner Versicherung Glauben schenken wollen, muß ich Ihnen lediglich anheimstellen. Ich kann nicht mehr tun, als wiederholt auf das bestimmteste zu erklären, daß vermöge einer ausreichenden Zuwachssteuer der Abbau so erfolgen soll, wie er
steuer schon haben, ohne Not einbrechen. Sie würden das Verwal⸗ tungsstreitverfahren an einer Stelle beseitigen, an der es besonders gut paßt, da, wo es sich um eine große Anzahl von Taxierungen und Wertermittlungen handelt, und würden den Rechtsweg in unnötiger Weise zum Schaden der Zuwachssteuer selbst und der von ihr Be⸗ troffenen belasten. Ich bitte Sie also, dem Antrage nicht stattgeben
nunmehr im § 56 b vorgesehen ist. (Zuruf links: Zuckersteuer!) Die Sache liegt hier anders als bei der Zuckersteuer, sie drängt dazu, dem
§ b56 b stattzugeben. Aber, meine Herren, wenn Sie mir das nicht glauben wollen, so glauben Sie wenigstens der Tatsache, daß, wenn Sie das Zuwachssteuergesetz ablehnen, Sie uns ein⸗ für allemal die Möglichkeit (sehr richtig! rechts und in der Mitte) zur Beseitigung des Umsatzstempels nehmen (Widerspruch links), und daß Sie dann mit aller Sicherheit ganz unabhängig von dem, was ich hier versichern
zu wollen.
Abg. Dr. Junck(nl.): Nach dem Antkag Graf Westarp u. Gen. soll der in zweiter Lesung neu eingefügte § 37 a, wonach die Ent⸗ scheidungen der obersten Verwaltungsgerichte über die Auslegung dieses Fössen in einer gemeinsamen Veröffentlichung zur allgemeinen Kenntnis gebracht werden sollen und eventuell die Entscheidung der Rechtsfrage vor das Reichsgericht zu verweisen ist, wieder beseitigt werden. Ich begrüße diesen Antrag, da eine solche Kombination von Entscheidungen durch die obersten Verwaltungsgerichte und das Reichs⸗ gericht denn doch wohl nicht gut möglich ist, auch die Ueberlastung des Reichsgerichts dadurch in unerwünschtem Umfange gesteigert werden würde. Den Antrag auf unbeschränkte Zulassung des Rechts⸗ weges lehnen wir ab. 1
Abg. Dr. Dove (fortschr. Volksp.): Auch wir halten die Zulassung des ordentlichen Rechtsweges im Sinne des Antrags T rimborn nicht für geeignet. Bei der chronischen Entlastungsbedürftigkeit des Reichs⸗ gerichts empfiehlt sich die Aufrechterhaltung des § 37 a allerdings nicht. Die Entwicklung wird und muß dahin führen, zu einem obersten Reichsverwaltungsgerichtshofe zu kommen. Vielleicht könnten aber die ersten Bestimmungen des § 37a bestehen bleiben, da sie nur eine Soll⸗
vorschrift enthalten. Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:
Ich bitte auch meinerseits, den § 37 a wieder zu beseitigen. Da eine einheitliche Stimmung dafür im Hause vorhanden ist, enthalte ich mich der weiteren Begründung. Ich darf nur erklären, daß der Beschluß, wie er jetzt besteht, auch praktisch undurchführbar sein würde.
Dem Herrn Vorredner bestätige ich, daß die Absicht besteht, die Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte, soweit sie von Bedeutung sind, der Offentlichkeit bekannt zu geben. Nur würden wir durch die vorgeschlagene gesetzliche Fassung in einer Weise gebunden sein, die unnötige Kosten herbeiführen würde, ohne einen sachlichen Nutzen zu bringen. Auf die Anfrage des Herrn Abg. Dr. Junck bestätige ich, daß die Art, wie er den § 35a einschließlich des vorliegenden Antrags auslegt, auch von unserer Seite als richtig angesehen wird.
Der Antrag Trimborn wird gegen die Stimme des Antragstellers abgelehnt, § 37a gestrichen; im übrigen die §§ 35 — 37 mit den Amendements Graf W estarp angenommen. Nach § 49 der Beschlüsse zweiter Lesung soll der Ertrag Zuwachssteuer zu 50 Prozent dem Reiche, zu 10 Prozent zu 40 Prozent den Gemeinden überwiesen
werden. 1 8 Abg. Göhre (Soz.) tritt nochmals für den sozialdemokratischen Antrag ein, 22. nur 30, den Gemeinden aber 60 % des Ertrages zu überweisen. Abg. C uno (fortschr. Volksp.): Nach den Beschlüssen zweiter Lesung erfolgt die Regelung zwischen Gemeinden und Gemeinde⸗ verbänden, soweit diesen nach den Bestimmungen der Landesgesetz⸗ ebung ein Besteuerungsrecht zusteht, sowie in Ansehung von Grund⸗ stücken, die keiner Gemeinde angehören, durch die Landesgesetzgebung. Um den kleineren Gemeinden und Städten einen, größeren Schutz gegen eventuelle Bevorzugungen der Kreise zu gewähren und ihnen einen angemessenen Anteil zu sichern, beantrage ich den Zusatz: Mit der Maßgabe, daß den Gemeinden, die nach der letzten Volkszählung mehr als 2000 Einwohner zählen, 75 % des Anteils an der Steuer verbleiben, welche von den in ihrem Bereich befindlichen Grundstücken aufkommt.“ 8— ütü Dr. nftogun (nl.) polemisiert gegen den Antrag⸗ der Sozial⸗ emokraten, der völlig unlogisch sei, da diese Partei ja doch das
Gesetz im ganzen ablehnen wolle. 1 1 1 8 Aeir Föhre (Soz) gibt den Vorwurf der Unlogik zurück. Die
Herren brauchten nur die sozialdemokratischen Anträge anzunehmen, dann würden die Sozialdemokraten das Gesetz annehmen. Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth: Meine Herren! Gegen den Antrag der Herren von der Sozial⸗ demokratie habe ich mich schon vor einigen Tagen gewendet und würde das nicht wieder tun, wenn ich nicht Veranlassung hätte, zwei Ge⸗ danken, die ich damals schon ausgesprochen hatte, noch etwas schärfer herauszuheben. Der eine ist der: Nur dadurch, daß Sie die Zuwachssteuer ab⸗ fertigen und wirksam gestalten, befähigen Sie uns, den Umsatzstempel abzubauen. Ich habe das schon des näheren ausgeführt und — nach dem Etat bedarf es an sich keines Beweises — will es hier aber noch einmal mit aller Deutlichkeit aussprechen: Es würde unmöglich sein — und das ergibt sich auch von selbst —, die Reduktion des Umsatz⸗ stempels, wie sie jetzt durch den § 56 b ins Auge gefaßt ist, herbei⸗ zuführen, wenn wir nicht ausreichende Erträgnisse der Zuwachssteuer erhalten. Andere Mittel stehen uns nicht zur Verfügung. Die Ent⸗ wicklung des Etats habe ich mir erlaubt, Ihnen bei der ersten
der
ich in haben den besten Bewei 1909 selbst, wonach die Aufhebung des erfolgen soll. 8 § 49 wird nach den Beschlüsse Stimmen der Sozialdemokraten und der forts partei angenommen.
Zu § 49 a (Berecht heben) wird nach kurzer Debatte, an der (w. Vgg.) beteiligen, ein die Zuschläge auch nach der -
eben Zeitraumes verschieden fest⸗
und Raab nommen, wonach
§ 54 a der
Prinzen gesprochen
Spekulationen.
liberalen.
das Grundstück tigte zu
rechnung des
Nach
zurück.
heit dieses hohen
Lesung des Etats genau zu schildern, also bedarf meine Behauptung keines weiteren Beweises.
Erklärung.
*
die Steuererhebung maßge gesetzt werden können.
treffenden Veräußerungen um
Der Antrag wird abgelehnt. — — Rechte, das Zentrum und ein kleiner Teil der
verfügen Wertzuwachses Gesetzes abzuweichen. Diese Befugnis des Bundesrats dadurch überflüssig geworden, daß in zweiter § 3a angenommen worden sei, der das, was werde, gesetzlich festlege. Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth: Meine Herren! Ich möchte nur erklären, daß unsere Stellung zum § 55 durch die Beschlüsse zweiter Lesung nicht geändert worden ist. Wir halten auch angesichts dieser Beschlüsse den § 55 für dringend nötig und bitten Sie, in Würdigung der zweiter Lesung eingehend erörtert worden sind und welche Sie durch Ihren Beschluß als richtig anerkannt haben, auch jetzt den § 55 un⸗ verändert anzunehmen. § 55 wird mit großer Mehrheit in der Fassung zweiter Lesung aufrechterhalten. § 56 b der Beschlüsse e des Reichsstempelgesetzes die 1909 beschlossene des Umsatzstempels bis zum 30. Ju Abg. Cuno (fortschr. Volksp.) beantrag streichen. Würde dieser Antrag abgelehnt, ganze Gesetz stimmen. Staatssekretär des Reichsschatamts Wermuth: Da der Antrag des Herrn Abg. Cuno auf 691 Ziffer 4 in den anderthalb Zeilen so harmlos aussieht, so möchte ich mir erlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß hier der wichtigste Punkt für unsere ganze Finanzgebarung der nächsten Jahre liegt. Ich komme nochmals auf die vorher ausgetauschten Bemerkungen Ich habe wiederholt nachträglich erklärt, daß es in der Absicht tempels im Jahre 1914 durch gleich⸗ wertige Erträgnisse der Zuwachssteuer endgültig zu ersetzen. (Zurufe links.) Nun weiß ich eigentlich nicht recht, welches Interesse die Herren von der linken Seite daran haben, diese meine Erklärung un⸗ ausgesetzt abzuschwächen, indem sie sagen: es wird ja doch nichts daraus. Ueberlegen Sie bitte, ob Sie nicht gerade dadurch, daß Sie Ihrerseits — nicht ich — diese Absicht immer wieder in Frage stellen, — zu dem Erfolge beitragen, den Sie vermieden zu sehen wünschen? Ich Ich bin auch nicht der Meinung, daß
Meine Herren!
liegt, das eine Drittel des Umsatzs
stütze mich aber darauf nicht. diese zweifelnden Aeußerungen der Ausfluß der
Kommissionsbeschlüsse,
worden sei. Es handelt
Bei § 55 wiederholt der Abg. Dr. Pott zweiter Lesung ausführlich Ermächtigung des Bundesrats, pflichtig zu erklären,
erörterten
die einem an wie der Eigentümer und für solche
von den
sind
Hause und ich behar
wonach
Rechtsvorgänge
anderen ermöglichen, oder Fälle
so müß
mag, den Umsatzstempel perpetuieren. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Abg. Dr. Potthoff G(ortschr.
in dieser Weise abgebaut werden „soll“ Zweifel stelle, ist, daß
Volksp.): Daß der Umsatzstempel „bezweifle ich gar nicht. er abgebaut werden wird. s für die Begründung im Stempelgesetze Umsatzstempels sptef
n zweiter Lesung gegen die chrittlichen Volks
igung der Gemeinden, Zuschläge zu er sich die Abgg. Cuno Antrag Cuno ange⸗
Dauer des
roz. erhoben werden sollte,
g beantragt.
z legt Verwahrung dagegen
den
sich bei
unverdienten Wertzuwachs, nicht um
Dagegen stimmt die gesamte
Nati
hoff die schon in Bedenken gegen steuer⸗
für
der B bei der Vorschriften sei Lesung ein
zweiter Lesung soll im Verdoppelung ni 1914 in Geltung bleiben.
t, diese Bestimmung zu te er gegen das
,
Meinung der re deshalb bei
W
tens 1912
vom fidei⸗
kommissarischen Besitz an Stelle der Pe a hssi aen ab 1. Januar
1911 eine weitere Abgabe von ¼0 war in zweiter Lesung gestrichen worden. Der Abg. Cuno hat
die Wiedereinfügung einer solchen Bestimmun
Geheimer Oberfinanzrat Schwar 8— 1 ein, daß in der zweiten Beratung von Grundstücksspekulationen eines
hier angestrebt
Tatsachen, die in
as Wir
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Das Resultat ist die Annahme des Gesss mit 199 gegen
93 Stimmen bei 20 Stimmenthaltungen. Zur Minderheit ge hören Sozialdemokraten, fortschrittliche Volkspartei Zentrumsmitglieder sowie der Polen enthalten sich der Abstimmung.
und einige Abg. Dr. Arendt (Rp.); die
Die Verkündigung des Resultats wird mit Beifall auf⸗
genommen.
Das Haus geht darauf zur Beratung von Petitionen
über und setzt die am Montag abgebrochene Besprechung der Petition, betreffend Aenderung des
Impfgesetzes, fort. Abg. Sachse (Soz.) nimmt Bezug auf die Photographien, die auf dem Tisch des Hauses ausliegen, und wendet gegen diejenigen, die die Agitation für die Aufhehung des Impfgesetzes eine verbrecherische genannt haben. Hier zeige sich wieder einmal: wer schimpft, hat unrecht. Die Gesetzgeber haben 1874 den Zwang gar nicht haben wollen. Im Gegenteil, der Reichstag hat aus dem Entwurf den Zwangsparagraphe 1 herausgestrichen, sogar die Ueberschrift „Zwangsimpfungsgesetz ist geändert worden. Wie kommt es, daß entgegen einem Reichs gesetz dann durch Landesgesetz oder Polizeivorschriften ein Zwang geichaffen wird? Trotz anderslautender Gerichtsurteile halte ich den heutigen Zwang für ungesetzlich und kann mich dabei eben⸗ falls auf eine Anzahl Gerichtsurteile stützen. So hat das Oberlandes⸗ gericht Düsseldorf dahin entschieden, daß der Impfzwang dem Geiste des Gesetzes und dem Willen des Gesetzgebers wider⸗ spräche. Wenn wir die Petitionen so abwürgten, wie es die Freunde der Impfung wünschen, würde keine Ruhe eintreten. Daß in England nach Einführung der Gewissensklausel. die *+ ockenfälle erheblich zugenommen hätten, trifft nicht zu. Ich kann das Gegenteil konstatieren. Nach Einführung der Klausel im Jahre 1898 sind in den ersten Jahren keine aufsteigenden Ziffern z8 verzeschnen, 1905 waren nur noch 116, 1907/08 nur noch 12 Fälle von Pocken erkrankungen in gan⸗ England. 1902, als die Fälle sich vorüber gehend vermehrten, hat der englische Minister im Parlament aus⸗ drücklich anerkannt, daß nicht der leiseste Grund vorliege, einen Zusammenhang mit dem Gesetz von 1898 anzunehmen. Die riesenhafte Entwicklung der Naturheilvereine in Deutschland hat sicherlich auch dazu beigetragen, daß bei uns Pocken so gut wie nicht vorkommen. Solche Vereine giot es jetzt auch in den kleinsten Dörfern. Kann man auch nicht mit allem, was sie tun, einverstanden sein, o muß man doch anerkennen, daß sie in der Bevölkerung Aufklärung schs daß sie auf Reinlichkeit hinwirken und viele Gemeinden Bäder einzurichten. Gegen die Pest haben wir auch keine Impfung. Wer den Glauben an die Impfung hat, dem soll sie ja freigestellt sein, nur den Zwang wollen wir beseitigen oder zum mindesten das Gesetz dahin abändern, daß den durch den Fupfungszwang Geschädigten aus Reichs⸗ oder Landesmitteln Ent⸗ schädigung zuge illigt werden muß. Es wird nicht mal alle Lymphe untersucht. Wenn Geheimrat Kirchner sich auf Behauptungen des Dezernenten der Frankfurter Polizei stützt, so bedauere ich, daß man Polizeiorganen gegenüber so leichtgläubig ist. Wie wenig Vertrauen sie der ieg zeigt 1 iecst wiedfr der Essener Prozeß. Wir empfehlen unseren Antrag zur Annahme. . Regierungskommissar Freiherr von Zedlitzu nd Neukirch: Der Vorredner hat das geltende Recht dahin interpretiert, daß der Zwang ausgeschlossen sei, und hat den Polizeibehörden einen Vorwurf aus der Anwendung des Zwanges gemacht. Dem bin ich verpflichtet ent⸗ gegenzutreten. Ich könnte mich mit dem Hinweis begnügen, daß das preußische Oberverwaltungsgericht die Frage wiederholt geprüft und in konstanter Rechtsprechung alle Einwände gegen den polizei lichen Zwang für nichtig erklärt hat. So weit geht ja niemand, daß er behauptet, das Reichsgesetz verpöne aus drücklich den Zwang, sondern es wird aus der Entstehungs⸗ geschichte des Gesetzes die Unzulässigkeit des Zwanges gefolgert. Diese Entstehungsgeschichte ist eingehend auch vom Oberverwaltungs⸗ gericht geprüft. Es war in dem Entwurf der verbündeten Re⸗ gierungen ein § 14 vorgesehen, wonach hinter den Bestimmungen über die Zwangsimpfung der Minderjährigen auch eine analoge Bestimmung für die Erwachsenen eingefügt werden sollte, die in gewissen Fällen der Wiederimpfung sollten unterworfen werden können. § 15 ordnete allgemein an, daß die Impfun eventuell zwangsweise durchgeführt werden könnte. Die Kommis ion hat den § 15 in den § 14 hineinredigiert. Ob dabei ein Irrtum vorlag, will ich nicht entscheiden. Dagegen wandte sich ein Antrag Lasker auf Streichung dieser Bestimmung. Zur Begründung sagte Dr. Lasker, es sei nicht zu billigen, daß Erwachsenen gegenüber ein Zwang zur Impfung an gewendet werde, der gegen Minderjährige gerechtfertigt sei. Das ist also ein klares Anerkenntnis Laskers, daß die Zwangsimpfung bei Minderjährigen zulässig ist. Der so begründete Antrag wurde an genommen. Nun hat allerdinss — und darauf berufen sich die Impfgegner hauptsächlich in einem späteren Stadium der Be⸗ ratung der Abg. Dr. Löwe, ein Arzt, die entgegengesetzte Behauptung aufgestellt wie Lasker. Wir können doch aber unmöͤglich gegenüber einer so klaren Entstehungsgeschichte das Wort eines einzelnen Ab geordneten, das offenbar mit den Tatsachen in Widerspruch stand, nunmehr als das Richtige anerkennen. Den Polizeibehörden nach weisen zu wollen, daß sie ihre Befugnisse überschreiten und rechts widrig handeln, ist ein vergebliches Unternehmen. Ich stehe nicht an, zu behaupten, daß die Herren, die so agitieren, eine schwere Verantwortung auf sich laden. Das Wort von dem In⸗Ketten⸗ legen soll bei einer Unterredung unter vier Augen gefallen sein. Hier steht Wort gegen Wort, und es ist Temperaments⸗, Geschmacks⸗ und Gefühlssache, zu entscheiden, welcher Seite man glauben will. Halten Sie es für wahrscheinlich, daß ein höherer Polizeibeamter einen solchen Ausspruch getan hat? Ich glaube es nicht.— Abg. von Damm (wirtsch. Vgg.): Wir stimmen für die Ein führung der Gewissensklausel nach englischen Muster. Nach den Ver⸗ handlungen des Reichstags über das Impfgesetz glaube ich, daß
veranlaßt haben,
der Reichstag das Gesetz nicht angenommen haben würde, wenn man
Von den Abgg. Dr. Müller⸗Meiningen, Oeser und S ommer (fortschr. Volksp.) ist beantragt, die Ziffern 2 und 3 des Antrages Faßbender⸗Pfeiffer, wie folgt, zu ändern: 1 2) den Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage einen Gesetz⸗ entwurf zur Revision des Impfgesetzes vorzulegen, der die jetzt bestehenden rechtlichen Unklarheiten des Impfgesetzes (vor allem bezüglich des Grundsatzes ne bis in idem und der Zwangsimpfung) beseitigt; 1 “ 1 3) bei dieser Revision des Impfgesetzes von neuem die Frage der Einführung der sog. Gewissensklausel wissenschaftlich prüfen zu lassen und zur Vorbereitung für diese Prüfung dem Reichstage bald⸗ möglichst eine Denkschrift vorzulegen, in der auch die Ein⸗ wendungen. der Impfgegner berücksichtigt werden. Abg. Hormann (fortschr. Volksp.) begründet den letzteren An⸗ trag: Meine Freunde stehen der ganzen Frage objektiv gegenüber. Der starken Bewegung gegen das bestehende Impfgesetz und seine 2Se die sich doch nicht ignorieren läßt, wird der Kommissions⸗ ericht, der über die Petitionen zur Tagesordnung übergehen will durchaus nicht gerecht, wenn er diese Bewegung als unverständlich und geradezu verbrecherisch bezeichnet. Die auf den Tisch des Hauses niedergelegten Abbildungen von durch die Impfung hervor⸗ gerufenen Krankheitserscheinungen sprechen doch eine beredte Sprache. Ganz besonders hat sich aber die Bewegung gegen den Impfzwang ausgebreitet. und auch Aerzte haben sich ihr angeschlossen. Es werden über die Durchführung der Impfung auf dem Wege physischen Zwanges durch die Polizeiorgane höchst gravierende Fälle berichtet. Man hat Kinder gewaltsam aus den Behausungen der Eltern weggeholt und zur Impfung geführt; in einem Falle ist sogar zur Nachtzeit das Schlafzimmer der Mutter zu diesem Zwecke erbrochen worden. Der Regierungsvertreter hat soeben nachweisen wollen, daß 1874 der Reichstag ein Zwangsgesetz hat schaffen wollen; . in der Kommission ist doch von derselben Seite erklärt worden, daß bei der Anwendung des Zwanges, auch des körperlichen, äußerste Zurückhaltung angebracht sei. Wir haben deshalb in unsern Antrag auch einen Hinweis auf die Gewissensklausel aufgenommen. Das Impfgesetz leidet aber auch sonst an den größten Unklarheiten. Das Oberlandes⸗ gericht Jena hat erkannt, der Grundsatz ne bis in idem sei hier nicht anwendbar, das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entgegengesetzt entschieden, und gegen diese letztere Entscheidung hat wieder die Polizeibehörde mit besonderen Verfügungen mobil gemacht. Es wird also in die ganze Rechtsprechung durch das Gesetz eine große Verwirrung hineingebracht. Wir wollen mit unserem Antrage Klarheit schaffen, um eine gleichmäßige Ausführung des Gesetzes herbeizuführen. Der Antrag Erzberger, zur erneuten Prüfung der die Aenderung des Impfgesetzes betreffenden Anregungen und Anträge eine Kommission zu berufen, der neben Impffreunden auch Ampfgegner angehören, ist uns zu allgemein und harmlos gehalten. Auch der Antrag Faßbender gibt nicht genügend bestimmte Direktiven. Wir wünschen eine objektive Feststellung des Tatbestandes. Wir bgest daß die Behörden durchaus bona fide verfahren, wenn ie sich in Preußen an die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts balten und den Zwang rigoros zur Durchführung bringen; aber gerade deshalb ist die von uns verlangte, auf amtlichem Wege zu schaffende Klarheit um so notwendiger. Abg. Dr. Faßbender (Zentr.): Wir sind hier nicht berufen, über eine wissenschaftliche Frage zu entscheiden. Anderseits können wir nicht an einer großen Volksbewegung teilnahmlos vorübergehen. Die Punkte 1 und 2 unseres Antrags sind bereits neulich begründet worden. Mir kommt es besonders auf den Punkt 3 an, der eine Klärung der Frage durch eine aus Impffreunden und Impfgegnern in gleicher Stärke bestehende Kommission empfiehlt. Eine gründliche Untersuchung ist auch von wissenschaftlichen Autoritäten, so von Pro⸗ fessor Sticker, für unerläßlich bezeichnet worden. Es wird von diesen Autoritäten darauf hingewiesen, daß in der Medizin keine Dogmen herrschen dürfen, und daß auch wissenschaftliche Ueberzeugungen immer wieder durchgeprüft werden müssen. Aber ergebe die Nachprüfung, daß die Impfung notwendig sei, gut, dann müsse die Impfung bei⸗ behalten werden, stelle sich heraus, daß die Impfung schädlich sei, so müsse das Gesetz geändert oder beseitigt werden. Außerdem müsse ge⸗ prüft werden, ob die Impfung in der heutigen Form noch ihren Zweck erfülle, noch so notwendig sei, wie es vor 40 Jahren der Fall war oder der Fall zu sein schien. Es sei ferner zu prüfen, ob bei dem Stande der heutigen Hygiene die Impfung notwendig oder nicht vielmehr durch Steuern der Wohnungsnot und andere sanitäre und soziale Maßregeln usw. zu ersetzen sei. Ich begreife nicht, wie die Regierung sich gegen eine solche Prüfung sträuben kann; sie sollte e eigenem Antrieb dafür sein, damit Beruhigung im Volke 8 Abg. Dr. Hahn (dkons.): Wir werden für die Punkte 1 und 3 des Antrages Faßbender stimmen. Was die Petitionen selbst betrifft, so st das Zwangsimpfungsgesetz von 1874 auf das Gutachten der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen zurück⸗ zuführen. Schon damals war es aber erwiesen, daß durch die Impfung syphilitische Ansteckungen vorgekommen waren. Es wird nun behauptet, daß die Gefahr durch Uebertragung von Lymphe von Kälbern vermindert worden sei. Ich will das dahingestellt sein lassen. Jedenfalls besteht ‚in vielen Kreisen eine große Beunruhigung der Cltern, daß ihre Kinder zwangsweise geimpft werden müssen. Es herrscht hier ein gewisser Zwang, der zweifellos in Preußen z B. besteht, wie auch durch wiederholte Pressemitteilungen ein besonders krasser Fall wurde kürzlich durch die „Deutsche Tageszeitung“ aus Hagen gemeldet — bestätigt wird. Vom Regierungstkisch wurde den Beamten bei Anwendung des Zwanges möglichste Schonung empfohlen, aber das ist ein durchaus platonisches Zugeständnis. Zunächst müßte doch darauf hingewiesen werden, daß die Impfung das einzig wirksame Mittel sei. Es kommt nicht auf die Zahl der Impf⸗ freunde an, sondern darauf, ob die Gründe für die Impfung durch⸗
Beamten zu übertragen.
der. Pockenerkrankungen.) Der Sanitätsrat Bilfinger hat mir „Manöver“ vorgeworfen; ich weise diesen Ausdruck mit Entrüstung P.e; Während der großen Epidemie von 1794—1796 starben allein in Nord⸗ und Süddeutschland 200 000 Menschen an den Pocken; in Berlin von 1758 bis 1770 nicht weniger als 6705 Personen. Diese großen Epidemien gaben den Anstoß zum Erlaß des Impfgesetzes. Die Naturheilkundigen behaupten, die Pocken heilen zu können: wir Aerzte sind so ehrlich, zu sagen, daß wir es nicht können, also unsere Unkenntnis einzugestehen. Wie wollen diese Herren und ihre ärztlichen Parteigänger mit Pest⸗ und Choleraepidemien fertig werden? Bei solchen Epidemien ist mit Wasserleitungen und ähn⸗ lichen hygienischen Maßnahmen allein nichts zu machen; die Hygiene läßt uns gegenüber solchen akuten Ereignissen im Stich. Wir kennen keine Krankheit, die durch die Impfung so lange hintangehalten wird, wie die Pocken. Es gibt Krankheiten, bei denen es richtiger ist, zu verhüten als zu behandeln, sagt Robert Koch. Dazu gehören in erster Linie die Pocken, und die Erfolge dieses Systems sind glänzende. Das Verdienst Edward Jenners um die Einführung der Kuhpockenschutzimpfung ist unvergänglich. Die Einführung 4 Revaceination hat die Pockensterblichkeit in der preußischen Armee auf 0,1 pro Mille berabgedrückt. In den Eingaben der Impfgegner wird die Objektivität und Unparteilichkeit der wissenschaftlichen Deputation für das Medizinalwesen und des Kaiserlichen Gesundheitsamts in Zweifel gezogen. Die Arbeiten des Gesundheitsamts sind Muster von Fleiß und Sorgfalt. Wir dürfen uns des Schutzes gegen die Pocken nicht be⸗ rauben. (Zuruf: England!) Wir können den Impfzwang nicht auf⸗ geben, weil wir von Ländern umgeben sind, die ihn nicht haben: Rußland, Frankreich, die Schweiz, Belgien. Hunderttausende von russischen Arbeitern kommen alljährlich zu uns. Ich habe mich in den Grenzorten tagelang aufgehalten und habe eine ganze Reihe solcher Personen untersucht. Diese kommen in die Familien, leben auf den Gütern mit dem übrigen Gesinde zusammen und ver⸗ breiten die Pockengefahr. Sie bringen uns die Krankheiten, wenn wir sie nicht impfen. Sehr scherzhaft ist auch, daß alle Impfgegner verschwinden, wenn eine Pockenepidemie droht. 1906 haben sich, da dies der Fall war, 55 000 Personen in 8 Tagen impfen lassen. In England wird man es erleben, daß, wenn einmal eine Pocken⸗ einschleppung erfolgt, eine schwere Epidemie ausbricht, an die Eng⸗ land noch einmal denken wird. Die Impfgegner regen das Volk auf und den Schaden haben die Kinder. Die Jahl der Schädigungen, die wir zugeben können, ist ganz verschwindend klein, und da trifft auch nicht uns die Schuld. Glauben Sie denn, daß der deutsche Aerztestand so erbärmlich ist, daß er wegen der paar Groschen, die er für die Impfungen bekommt, für Beibehaltung des Impf⸗ zwanges eintritt? Dazu steht unser Aerztestand viel zu hoch. Kenner und Gegner der Impfung zuͤgleich zu sein, ist unmög⸗ lich. Die Impfgegner wollen mit uns zusammen arbeiten? Ich glaube nicht, daß viel dabei herauskommt. Wenn sie uns vorwerfen, wir verständen nichts von der Sache, so weise ich das zurück. Es ist absolut nichts Neues vorgebracht, es sind immer dieselben Phrasen, dieselben Vorwürfe, dieselben Unwahrheiten. Folgen Sie den Vorschlägen Ihrer Kommission und gehen Sie über alle Petitionen zur Tagesordnung über!
Es sind noch 7 Redner zum Worte gemeldet. Ein Ver⸗ tagungsantrag findet Annahme. Der Präsident teilt mit, daß folgende Interpellation der Abgg. Graf Canitz u. Gen. (dkons.) eingegangen ist:
„Welche Maßregeln gedenken die verbündeten Regierungen zu ergreifen, um einer Ueberschwemmung des deutschen Geldmarktes mit fremden Wertpapieren und einem übermäßigen Abfluß deutschen Kapitals in das Ausland vorzubeugen?“ 3
Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) bedauert zur Geschäftsordnung, daß er heute nicht mehr auf ein ihm heute nachmittag zugegangenes Tele⸗ gramm aus Frankfurt a. M. eingehen kann, demzufolge die Aeußerung des Assessors v. Bitter über das In⸗Ketten⸗Legen tatsächlich in dem be⸗ haupteten Wortlaut und Sinne gefallen ist.
Schluß 6 ¾ Uhr, nächste Sitzung Montag, 6. Februar, 2 Uhr. Interpellation Graf Kanitz. Zweite Lesung der Novelle zum Gerichtsverfassungsgesetz und der Strafprozeßordnung.
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Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten.
17. Sitzung vom 1. Februar 1911, Mittags 12 Uhr. 1 (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) 8 Auf der Tagesordnung steht zunächst die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Polizeiverwaltung in den Regierungsbezirken Düsseldorf, Arnsberg und Münster, durch das der Minister des Innern ermächtigt wird, mit Zustimmung des Provinzialrats in diesen Regie⸗ rungsbezirken die Ortspolizei verwaltung hinsichtlich der Sicherheitspolizei besonderen staatlichen Behörden oder
8 Minister des Innern von Dallwitz:
Meine Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf verfolgt den Zweck, eine Lücke in der Gesetzgebung auszufüllen, welche sich seit Einrichtung der Sicherheitspolizeiverwaltung im rheinisch⸗westfälischen Industriegebiet besonders fühlbar gemacht hat, und welche geeignet ist, die Wirksamkeit der neuen Einrichtung, wenn nicht zu gefährden, so
beschränkt werden, und zwar so, daß für jeden einzelnen Fall die nähere Abgrenzung der Zuständigkeit durch ein zu erlassendes Regulativ erfolgen soll.
Die Stellung der Leiter der staatlichen Behörden macht es ferner erforderlich, die für Landgemeinden den Landräten gesetzlich zustehenden polizeilichen Befugnisse auf die Leiter der Königlichen Polizeidirektionen zu übertragen, desgleichen die Zuständigkeit der Landräte und der Kreisausschüsse in bezug auf Beschwerden und Klagen gegen polizeiliche Verfügungen auf die Bezirksausschüsse und die Regierungspräsidenten zu übertragen.
Im § 3 endlich wird Ihnen die Einführung einer Einrichtung vorgeschlagen, die sich für den Landespolizeibezirk Berlin besonders bewährt hat. Es sollen bei dringlichen Anlässen und bei besonderen Vorkommnissen die Exekutivbeamten der einzelnen Polizeidirektionen befugt sein, innerhalb des gesamten staatlichen Polizeibezirks Amts⸗ handlungen vorzunehmen.
Die Königliche Staatsregierung gibt sich der Hoffnung hin, daß der Landtag diesen den lokalen Verhältnissen und Bedürfnissen ent⸗ sprechenden Vorschlägen zustimmen wird, und daß es dadurch gelingen wird, die für eine gedeihliche Wirksamkeit der staatlichen Polizei⸗ verwaltungen erforderliche Grundlage zu schaffen.
Abg. Schulze⸗Pelkum skons.): Namens meiner Freunde habe ich zu erklären, daß wir der Vorlage zustimmen. Wir erkennen an, daß der Regierung die Möglichkeit gegeben werden muß, nachdem vor zwei Jahren die Königliche Polizei in Bochum, Essen und Gelsenkirchen eingeführt worden ist, sie auch auf das ganze weitere Gebiet des Industriereviers zu erweitern. Wir haben auch gegen die vorgeschlagene Zuständigkeit der Behörde nichts einzuwenden. Zweifel⸗ haft sind wir nur darin, ob nicht an Stelle des Provinzialrats die Gemeindeorgane und Selbstverwaltungsbehörden zu hören sind. Es wird den Gemeinden billigerweise Gelegenheit gegeben werden müssen, sich über die Sache zu äußern. Wir meinen, daß die Vorlage im Plenum nicht erledigt werden kann, sondern sich eine Kommti ions⸗ beratung empfiehlt, und beantragen deshalb, den Entwurf der Gemeinde⸗ kommission zu überweisen.
Abg. Schmedding (Zentr.): Ich schließe mich dem Antrage auf Ueberweisung der Vorlage an die Gemeindekommission an, möchte aber vorschlagen, daß die Kommission zu diesem Zweck um 7 Mitglieder verstärkt wird. Meine Freunde sind im all⸗ gemeinen mit dem Gesetzentwurf einverstanden, er ist die Kon⸗ sequenz des Gesetzes von 1909, wodurch die Sicherheitspolizei in Gelsenkirchen, Bochum und Essen dem Staat übertragen wurde. Die Entwicklung der Verhältnisse im rheinisch⸗westfälichen Industrie⸗ revier macht die Uebernahme der Sicherheitspolizei auf die staatliche Polizei tatsächlich erforderlich. Allerdings haben auch meine Freunde einzelne Bedenken gegen die Vorlage. Wir wünschen vor allem eine deutlichere Fassung des § 2 über die Zuständigkeit der einzelnen Be⸗ hörden, sowie eine Aufklärung, wie das Verordnungsrecht der Polizei gehandhabt werden soll, und ob ein dringendes Bedürfnis vorliegt, auch im linksrheinischen Gebiet des Regierungsbezirks Düsseldorf das Gesetz anzuwenden. Mir hoffen, daß bei der Einführung der staͤatlichen Polizei die Beamten der bisherigen Kommunalpolizei nicht an die Luft gesetzt werden, sondern allmählich in den Staatsdienst übernommen werden.
8 Abg. Dr. Röchling (nl.) erklärt kurz die Zustimmung seiner Freunde zu dem Antrag auf Ueberweisung der Vorlage an die ver⸗ stärkte Gemeindekommission. 8 ö“ “ einverstanden. Wir haben uns vor zwei Jahren mit der Einführun der staatlichen Polizei in Bochum, Essen und Gedfr. Eißft 9 verstanden erklärt; damals entstand eine Lücke, weil nicht alle Industriegebiete hineingezogen waren, und diese Lücke soll jetzt aus gefüllt werden. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß die Personalunion zwischen dem Landrat und dem Polizeidirektor in Gelsen⸗ kirchen und Bochum unmöglich aufrecht erhalten werden kann. ie Aufgaben des Landrates in diesem bevölkerten Gebiet sind so außer⸗ ordentlich groß, daß er nicht seinen eigentlichen Geschäften durch di Polizeiverwaltung entzogen werden darf. Wir wünschen deshalb die Aufhebung dieser Union.
Abg. Dr. Liebknecht (Soz.): Statt der Einführung der staat⸗ lichen Polizei in diesen Bezirken sollte man lieber daran denken, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken und die Gemeinden in einen gewissen Zusammenhang zu bringen, damit sie der Tyrannei der Syndikate und Kartelle in Rheinland⸗Westfalen mit Erfolg ent⸗ gegentreten können. Die Einrichtung der staatlichen Polizei in Bochum, Essen und Gelsenkirchen im Jahre 1909 wurde damit be⸗ gründet, daß es sich um ein unruhiges Industriegebiet handele, und die jetzige Vorlage wird mit demselben Grunde vertreten. Wer hat denn aber das Gebiet unruhig gemacht? Doch wohl diejenigen, die sich in jeder Weise bemühen, billige Arbeitskräfte in das Gebiet heranzuziehen. Das Gesetz von 1909 wurde gemacht, weil man einen neuen Bergarbeiterstreik befürchtete, und dieselbe Befürchtung hat man auch heute. Man sieht eben, daß die organisierten Arbeiter eine Macht gegenüber den Grubenherren sind, und deshalb will man die staatliche Polizeigewalt verstärken. (Präsident von Kröcher: Herr Abg. Liebknecht, ich rufe Sie zur Sache.) Das Zentrum scheute sich 1909 nicht, gegen die dortigen Arbeiter, die zum großen Teil Anhänger des Zentrums sind, die staatliche Polizei an⸗ zurufen. Daß der Scharfmacher Schmieding damals für das Gesetz sprach, darf nicht wundernehmen, und in demselben Sinne sprach sich der Abg. von Arnim⸗Züsedom aus. Diese drei Parteien ver langten stürmisch eine weitere Ausdehnung der staatlichen Polizei
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Wir sind mit diesem Gesetzentwurf 86
schlagend sind. Es kommt darauf an, festzustellen, ob der Rückgang
doch wesentlich zu beeinträchtigen. Der Zweck der Einrichtung von
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auf das ganze übrige Industriegebiet in Rheinland und Westfalen, und der Minister hat sich deshalb beeilt, die heutige Vorlage