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1911
mittel
Februar
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ℳℳ
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ℳ ℳ
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höchster ℳ
Doppelzentner
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Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher . verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)
Am vorigen Markttage
Durch⸗ schnitts⸗ preis
Durchschnitts⸗ preis für
dem
Lauenburg i. Pomm.
11114““
11“
Breslau u“
Frankenstein i. Schl.
Lüben i. Schl....
Halberstadt.
Eilenburg. 1
Sess“ 8
Goslar. .
Paderborn.
E“
Dinkelsbühl
Weißenhorn.
Winnenden .
Biberach
Ueberlingen. 3 8
11161666* 8 B
Waren .. “ 8 8 ö1114“
Bemerkungen. Dle verkaufte Menge wird auf
Ein liegender Strich (—) in den Spalten für
Berlin, den 9. Februar 1911.
14,00 13,00 13,85 14,50 15,50 14,60 16,2
17,00 14,60
volle Doppelzentner Preise hat die Bedeutung,
14,80 13,90 14,40 14 35 15,70 15,50 14,60 16 00 15,60 13,80 16 50 16 60 17,40 16,00
und der Verkaufgwert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. icht vorgekommen ist, ein Punk
15,20
daß der hetreffende Preis a
Noch: Hafer. 15,00
15,10 14,60 14,60 14 85 17,50 16,60 15,0 16 50 16,80 14,80 16,80 17,00 18,00 16,60 16,20 14,80 15,00 15,90
15,40 14,80 14,40 14,40 14 60 15,70 16,00 14,80 16,50 16,00 13,80 16,70 16 80- 17,60
15,00
15,10 15,10 14 60 15 10 17,50 17,50 15,00 17,00 17,80 14,80 17,00 17,00 18 00 17,00 16,30 15,00 15,50 16,50
Kaiserliches Statlstisches Amt. van der Borght.
200
25 10 100 272 1 410 200
Der Durchschnittspreis wird t (.) in den letzten sechs Spalten,
14 80 14,80 15,82 1 14 30 1 16,76 1 16,80 - 17,50 1 16 06 1
1
1
1
.
7 0 20 0 3
2 1
0
16 25 14 92
15,25
4, 6, 6 7 6
+— 4 2 5,06
95
Zahlen berechnet. ericht febl t.
aus den unabgerundeten daß entsprechender 2
Schlachtvieh⸗
Zahl der im 4. Vierteljahr 1910 beschauten Schlachttiere.
Zusammengestellt im Kaiserliche
i Statistischen Amte.
und Fleischbeschan im Deutschen Reiche.
Zahl der Ftaaten Pferd 8 erde un
Ochsen
andere andezteile Einhufer
Tiere, an
Bullen
Kühe
denen die Schlachtvieh⸗
Jung⸗ rinder über
und Fleischbeschau vorgenommen wurde—
Kälber bis
3 Monate alt
8
Schweine Schafe
Ziegen
V V
Hunde
Provinz Ostpreußen „ Westpreußen Stadt Berlin 1 Provinz Brandenburg. „ Pommern Posen Schlesien Sachsen “ Schleswig⸗Holstein. Hannover 8 Westfalen. Hessen Nassau 8 hheinland .. . Hohenzollern . . . .
Königreich Preußen
Bayern rechts des Rheines links des Rheines Königreich Bayern . Königreich Sachsen. Württemberg.
Baden “ Mecklenburg⸗Schwerin Großherzogtum Sachsen Mecklenburg⸗Strelitz Oldenburg. m Braunschweig 8 Sachsen⸗Meiningen. Sachsen Pltenbarg
1687 483 3 228 4 047
881
462 4 983 2 946 1 947 2 708 3 410
892 4 901
525 28 392 1713 30 105 9 162 443³34 6 953 1 970
2352
32 3 281 8 320 601 4 277 610 637 685 662 202 208 494 146 3 230 857 111 453 120 270 126 66
52
372
11
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha öbbbbI11“ Schwarzburg⸗Sondershausen Schwarzburg⸗Rudolstadt .. ö“ 1 Reuß älterer Linie . .. Reuß jüngerer Linie.. Schaumburg⸗Lippe 8 .“ Lübeck. 8 Bremen 6e6“ Elsaß⸗Lothringen .. ..
Deutsches Reich Dagegen *) im 4. Vierteljahr 1909 4 8 1908 1907
1906 1905
133 2 412 7 729 5 775 48 825 152 962
51 509 166 812 47 561 157 598 45 266 153 201 47 585 155 094 52 584 156 289
230 838 1 898 1 021
2
“ 8 4. Beerlin, den 9. Februar 1911.
ie Vergleichszahlen sind die vom Kaiserlichen St
Kaiserliches Statistisches Amt.
990
2 070 6 475
9 807
3 750
2 414
12 995 6 191
983
4 661
4 703
1 297
6 466
68 831] 265212
10 347 481 10 828
449 901 472 325 1 701 234 50 216 779 123 341
103 144 98 558 99 674
7 896 4 184 26 488 8 762 6 442 32 509 18 248 12 548 15 219 40 455 17 875 65 366 396
208
136 6 46 179
3 108 49 287
36 724 14 376 10 856
2 020
1 009
3 375 17125 439 530 502 652 456 297 432 180 407 188 426 386
van der Borght.
6 580 4 812 11 843 2 931 7 269 17 765 9 616 11 028 8 522 9 207 14 096 23 980 453 21 28 452 9 625 38 077 6370 23 188 17 673
263 087 333 397 302 529 273 572 233 776 261 973 atistischen Amte erstmalig veröffentlichten.
100 674 87 588 299 220 230 424 94 140 117 853 382 138 213 063 115 583 195 304 251 012 304 820 446 207 2 8
2 840 420
440 893 52 289 493 182 365 395 135 230 126 460 93 760 47 945 25 804 7 850 32 851 5 783 104 687 3 022 14 915 3 256 16 735 3 499 41 561 3288 26 398 14 346
11 867 13 43 33 854 46 082 21 963 21 082 83 984 35 023 25 951 26 537 35 620 V 41 291 81 130 876 478 694 152 724 12 364 165 088 97 052 48 120 42 541 16 377 21 753 5 674 2 306 3 464
1 435 1 375 5 957 809 3 487 892 6 711
1 922 16 645 464 1 878
1 226 190 186 3 848 12 102 3 782 33 332 13 524 126 231 34 263 86 823 963 457 4 690 891
1180 396 4 278 294 1 066 764 4 534 333 1 043 084 4 845 370
892 399, 4 012 453
912 387 3 468 746
22 898 12 100 116 976 23 767 20 079 9 530 16 780 28 017 9 515 43 302 9 157 20 813 46 244 74
379 252 56 250 675
56 925
64 505 11 084 5 667 5 856 8 744 5 262 905
3 486 5 613 2 291 1 252 5 041 2 617 1 028
800 ¼
261 2 287 2 352 118 264
22 783 15 498 609 200 721 597 653 710 603 160
580 845 657 272
129 873 2 405
11
1 164 1 996 28
2 604 735
3 965 235
1 021 2 805 3 757 10 150 2
33 50 396
5 224 1 570 6 794 38 424 2 250 2 488 5 101 493 920
44
131 230 410 381 609 53 23
87 61 253 100% 196 31 469
852 — 116 353 2 368 153 336 2 443 138 920 2 312 139 794 2 299 140 028 2 325
47
Deutscher Reichstag. 122. Sitzung vom 8. Februar 1911, Nachmittags
1 Uhr.
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht die Fo
tzung der Beratung
des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend Aenderungen des
Gerichtsverfassungsgesetzes.
Ueber den Anfang der Sitzung ist in der gestrigen
d. Bl. berichtet worden.
Nummer
Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. von Tischendorf:
Wenn der Antrag die b fahrens zu ermöglichen, so könnte man damit vers Die Praxis hat ohne weiteres dahin geführt, eine Willkü herein zu verhüten. Der Antrag aber will dem Präsidium ganz bestimmte Vorschriften üb teilung machen. Der Vorschlag ist unzweckmäßig. dringend bitten, von einer unnötigen emen würde nur zu größten Verwirrungen und Zweifeln Anlaß
Generalstaatsanwalt, Wirklicher Geheimer Oberjustizra
Ich
etwas anderes, e über die Geschäftsver⸗
Reglementiererei abzusehen.
Tendenz hat, eine Beschleunigung des Ver⸗ einverstanden sein.
r von vorn⸗ es, er will
möchte Sie Er geben.
t Supper:
Der preußische Justizminister hat bereits im Abgeordnetenhause den
Vorwurf, daß es sich bei 1 der Strafsachen an die sogenannte
dem Moabiter Prozeß
hinsichtlich der Lieber⸗Kammer um
wesen wäre,
trauen in
gegeben.
eine Schiebung handelte, energisch zum (1 e verliest einen Bericht der Staatsanwaltschaft zum Beweise, daß ein Staatsanwaltschaft in keiner Weise vorliegt.)
ter der Justizver⸗ was ich gesagt habe. Die ur⸗ aͤchlich geweigert, die
doloses Verhalten der 9 Abg. Heine (Soz.): Der Bericht, den der Vertre waltung vorgelesen sprünglich zuständig Umnennung vorzune bundenen Sachen vor wenn die Sache
Schwurgericht die Umstände unmöglich machen. die Justiz von n Staatsanwälten von oben Vorschriften gemacht oder wenigstens Winke Wenn der erste Regierungsver dann begreife ich ni⸗ Den — und angemessen an
Antrages anerkennt, klare und prazise Vorschriften sträuben. noch die Möglichkeit, Kammern zu verteilen.
hat, bestätigt nur,
men.
dem
Darin hat
der Strafkammer Freisprechung oder
neuem zu
beesenh Kammer hat sich tats
zurückgewiesen.
die Strafkammer bringen, einheitlich behandelt werden Die Staatzsanwaltschaft hat vermutlich die Sache an die Lieber⸗ Kammer gebracht, weil diese in Strafen zu verhängen.
sie sich nun geirrt. wunderliches Verfahren, daß
man die eigentlichen Gewalttätigkeiten erst nachher beim Schwurgericht verhandelte und die harmloseren Sachen vorher vor
Damit
wollte man
(Der Redner
Die Staatsanwaltschaft mußte die ver⸗ die zuständi
ge⸗ ollte.
Rufe stand, ungewöhlich hohe
Es war ein
dem
die Zubilligung mildernder
die Arbeiten gleich
Solche Dinge sind geeignet, das Ver⸗ erschüttern.
Man hat den
rtreter die Tendenz unseres cht, weshalb Sie sich gegen Präsidien bleibt immer
die
Generalstaatsanwalt, Wirklicher Geheimer Oberiustizrat Supper: Der preußische Justizminister hat schon im Abgeordnetenhause erklärt, daß von einem Eingriff von oben in dem Moabiter Prozeß nicht im geringsten die Rede gewesen ist. Es konnte neben ihm nur von mir die Rede sein, und da erkläre ich auf das bestimmteste, daß es mir nicht eingefallen ist, in das Verfahren einzugreifen. Zu einem Eingriff in das Verfahren der Staatsanwaltschaft lag nicht die mindeste Ver⸗ anlassung vor. Es war der reine Zufall, daß die Anklage mit dem Rubrum Pagen begann. Es liegt auch nicht der mindeste Anhalt vor, daß die Veanehnwaktscha in dieser Sache etwas getan hat, was nicht “ Abg. Heinze (nl.): Für gewisse wenige Fälle kann der Antrag vielleicht einen Mißbrauch verhüten, aber ich glaube, daß vereinzelte Fälle nicht den Ausschlag geben können. Es empfiehlt sich, gewisse Delikte, wie die über den unlauteren Wettbewerb, vor dieselbe Straf⸗ kammer mit besonders geschickten Richtern zu⸗ bringen. recht der Staatsanwaltschaft braucht nicht notwendig zu Mißbräuchen zu führen. ““ Abg. Heine (Soz.): Gerade der Vorredner betonte mit größter Schärfe die Notwendigkeit, bestimmte Materien vor bestimmte Kammern zu bringen. Er will die Frage des unlauteren Wettbewerbs, die Urheber⸗ rechtsfrage vor bestimmte Kammern verweisen. Vielleicht auch die Preßprozesse, die politischen Delikte? Auch da würden sich zweifels⸗ ohne sehr geschickte Richter finden. Das wollen wir ja gerade verhüten, um nicht ein schlimmes Licht auf die Rechtspflege fallen zu säsens Die Ausführungen des Kollegen Heinze erweisen die Unabweisbarkeit unseres Antrages. Was wir seit einem halben Jahrhundert an politischen Prozessen gegen das Zentrum, gegen die Fortschrittlichen, gegen Sozialdemokraten, was wir noch heute gegen Dänen und Polen erleben, das kann wahrlich nicht dazu dienen, das Vertrauen in die Rechtspflege zu stärken. Weshalb wurde denn die Verbindung im Moabiter Prozeß durchaus bei der dritten Kammer beantragt und festgehalten? Ueber diesen Punkt, den der General staatsanwalt nicht beantwortet hat, kommt man nicht hinweg. Ging man vor die zweite Kammer, dann wären unendlich viele unerquick⸗ liche Debatten erspart worden, und der Staatsanwaltschaft wäre kein Vorwurf zu machen gewesen. Von Beschleunigung kann gar keine Rede sein. Hagen und Genossen haben ja über einen Monat warten müssen. Wir sind nicht daran schuld, daß die Staatsanwaltschaft sich verrechnet hat, auch nicht daran,
daß jetzt auf diese Kammer nach Noten geschimpft wird, weil sie sich durch falsche Zeugen habe irre⸗ ühren lassen. 8— Ce Laflelrtaatsanwaßt Supper: Ich habe vorhin durchaus nicht gesagt, di Staatsanwaltschaft habe das Rubrum Hagen haben wollen: ich habe gesagt, es war dem Zufall überlassen. Die erste Sache, die aus der Voruntersuchung kam, sollte sofort zur Anklage kommer. Die Sache trug das Rubrum Hagen. Es ist nichts weiter vorgetragen worden als Mißtrauen gegen die Staatsanwaltschaft; die Staats⸗ anwaltschaft kann es machen, wie sie will, bei gewissen Leuten wind sie dem Mißtrauen immer begegnen. 1 Abg. Heine (Soz.): Wer Vertrauen verdient, findet es auch bei uns. Ich habe ausdrücklich betont: In dem ersten Bericht der Staatsanwaltschaft heißt es bereits, man beabsichtige, die anderen Sachen als Nachtragssachen zu behandeln, die Sache heiße also Hagen, Darauf wollte sich die Kammer nicht einlassen, aber es blieb schließlic bei dem, was die Staatsanwaltschaft wollte. Letztere hat keinen Wert darauf gelegt, den Vorwurf, daß sie sich eine Kammer aud suchen wollte, von sich abzuschütteln. — Generalstaatsanwalt Supper: Die gar nicht, als sie die ersten Nachtragsanträge kommen würde. 1 ““ öW“ Abg. Dr. Heinzelnl.): Die Spezialgerichte, auf die ich hingewiesen habe, haben sich außerordentlich bewährt. u Abg. Heine (Soz.): Spezialgerichte, Sachverständigengerichte, di durch das Gesetz geschaffen werden, das ist eine ganz verschiedene Materie. sie bieten durch ihre ganze Organisation Sicherheit gegen Beamta willkür. Hier handelt es sich darum, daß ein Staatsanwalt sich der Richter aussuchen kann. Der Generalstaatsanwalt kennt die Akten nich genau und folgt meinen Ausführungen nicht genau; als die Ver⸗ bindung beantragt wurde, war die Voruntersuchung abgeschlossen, d waren ihr die Namen der Angeklagten genau bekannt. Generalstaatsanwalt Supper: Soviel ich aus den Berichta entnommen habe, hat die Staatsanwaltschaft die Nachtragsankloge erhoben, unmittelbar nachdem die jeweilige Sache von dem Unter⸗
uchungsrichter gekommen war. 8 Agg. Dr. Peinze (nl.): Es handelt sich nicht nur um Sonden gerichte und Spezialgerichte, sondern um Spezialisierung von Sachen des Landgerichts. 1 “““
Abg. Heine (Soz.): Der Vertreter des Justizministeriums hi wieder von etwas anderem geredet als ich. Die Verbindung ist ert beantragt worden, als die sämtlichen Anklagen erhoben waren.
Der Antrag wird gegen die Stimmen der fortschrittl Volkspartei, der Sozialdemokraten, Polen und die des Ar
Bruhn abgelehnt. 8 Zu § 69 liegt ein Antrag Albrecht u. Gen. (Soz.) vo Landgerichten dürfen V
den Paragraphen so zu I ʒ Richtern wat
Staatsanwaltschaft wufte erhob, welcher Buchstabe
„Die richterlichen Geschäfte an den Strafsachen nur von angestellten genommen werden.“
Damit verbunden wird ein sich inhaltlich hiermit deckende
Antrag Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): dem 8 % als Abs. 2 hinzuzufügen: „Das Amt eines Mitgliedes einer Strafkammer darf nur
den ständig
einem ständig angestellten Richter wahrgenommen werden.“ 8 8 8 “ 8
ür die Zivilkammern treffen in erhöhtem
überhaup
e. Stadthagen (Soz.): In Bayern ist die Hinzuziehung von Assessoren in den Strafkammern bereits ausgeschlossen. Zu einer Ab⸗ weichung für die 6 Bundesstaaten liegt kein Anlaß vor. Mit dem Notbehelf. der bei Erlaß des Gesetzes angebracht gewesen sein mag, muß endlich aufgeräumt werden. Es handelt sich darum, daß die Urteilsfällung nicht beeinflußt sein darf von der Aussicht, angestellt zu werden oder nicht angestellt zu werden.
Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Es ist bereits gestein von allen Rednern festgestellt worden, daß die Verwendung von abhängigen Assessoren bei den Strafkammern viel mehr Aergernis bervorruft als bei den Zivilkammern. Das Haus kann daher gar nicht anders, als seinen gestrigen Beschluß zu § 222 auf die Strafkammern auszudehnen.
Staatssekretär des Reichsjustizgamts Dr. Lisco:
Meine Herren! Die Anträge, die zu diesem Paragraphen gestellt sind, bewegen sich in der Tat in derselben Richtung, wie der 8§ 22 a, der gestern von dem hohen Hause angenommen worden ist. Da ich aber hoffen muß, daß der § 22a in der dritten Lesung dieses Gesetz⸗ entwurfs wieder aus ihm entfernt wird, so muß ich Sie auch hier bitten, den zu diesem Paragraphen gestellten Antrag abzulehnen.
Die Anträge, die zu § 22 a gestellt waren und die heute gestellt worden sind, sind im wesentlichen begründet mit dem an sich berech⸗ tigten Wunsche, die Hilfsrichter möglichst aus den erkennenden Ge⸗ richten zu entfernen; sie sind aber gleichzeitig diktiert von dem leider mir recht bekannten Wohlwollen gegen die preußische Justiz⸗ verwaltung.
Nun, meine Herren, ich habe mir seit den gestrigen Debatten noch die Geschäftsverteilungspläne des Landgerichts I und des Amts⸗ gerichts Berlin⸗Mitte hierselbst verschafft, um Ihnen nachzuweisen, wie bei ihnen die Strafkammern und die Strafabteilungen besetzt sind.
Beim Landgericht 1 Berlin existieren im ganzen 10 Strafkammern. Diese sind besetzt nur durch Direktoren und durch Landrichter. In keiner einzigen dieser Kammern findet sich irgend ein Assessor als Mitglied nominiert. Auch bei den über 20 Abteilungen des Amts⸗ gerichts für die Strafsachen befindet sich kein einziger Assessor als Vorsitzender in der Schöffenabteilung. Das ist der regelmäßige Zu stand. Sie sehen daraus, wie die Justizverwaltung und die Präsidien bestrebt sind, dem durchaus berechtigten Verlangen, die Hilfsrichter zu eliminieren, nachzukommen. Aber das ist doch alles nur vor⸗ gesehen und kann nur vorgesehen sein für den Regelfall. Jetzt nehmen Sie den Fall, daß in einer Strafkammer, in der an sich nur Richter als Mitglieder sitzen, ein Richter erkrankt oder stirbt. Die Stelle eines verstorbenen Richters muß 3 Monate unbesetzt bleiben, wenn er verheiratet war. Die Stelle muß also 3 Monate lang, in Krankeitsfällen häufig länger verwaltet werden. Wenn Sie nun eine Bestimmung geben, wie sie jetzt beantragt ist, so zwingen Sie das Präsidium, in nötigen Vertretungsfällen aus einer Zivilkammer einen Richter herauszunehmen, um ihn während jener Zeit in mer Straskammer zu beschäftigen. Dieser Richter sehlt nun in der Zivilkammer; anstatt seiner muß ein Assessor in die Zivilkammer eintreten; die sämtlichen Prozesse, die jener in die Strafkammer übergetretene Richter bisher bearbeitet hat, muß plötzlich ein anderer Dezernent übernehmen, und daraus entstehen die rößten Schwierigkeiten. Der Vertreter bleibt nur einige Monate in der Zivilkammer, dann tritt das ordentliche Mitglied in die Zivil⸗ kammer zurück. Es sind große geschäftliche Schwierigkeiten,
die in olchen Ausnahmefällen von Ihnen geschaffen werden. Demgegenüber darf man wohl fragen, warum nicht ein Assessor für einige Zeit in die Strafkammer eintreten soll, damit die Zivilkammer ordentlich weiter arbeiten kann? Schneiden Sie diese Möglichkeit ab, so wird nachher nicht nur von den Richtern, sondern auch von den Rechtsanwälten eklagt werden, daß die Zivilkammern häufig in der Besetzung wechseln, bloß um der hier in Aussicht genommenen Vorschrift zu ge⸗ nügen. Ich bitte auch nicht das erzieherische Moment zu übersehen. Wenn ein Assessor nicht einmal zeitweise in einer Straskammer be⸗ schäftigt werden darf, wo soll er die Strafpraxis lernen? Ich möchte von diesem Gesichtspunkt aus bitten, nicht im Gesetze die Straf kammern vor den Zivilkammern zu bevorzugen, sondern die Sache wie bisher dem verständigen Ermessen des Präsidiums und der Justiz⸗ verwaltung zu überlassen. Ich habe Ihnen nachgewiesen, daß augen⸗ blicklich der Geschäftsplan so großer Gerichte wie Berlin I und Amts⸗ gericht Berlin⸗Mitte keinen einzigen Assessor als Mitglied einer Straf⸗ ammer oder als Vorsitzenden einer Schöffenabteilung aufweist; nur für Vertretungsfälle muß die Möglichkeit geschaffen werden, auch dort einen Assessor zu beschäftigen. Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Damit ist ge⸗ eigt, daß unser Wunsch bei gutem Willen der Justizverwaltungen durch⸗ geführt werden kann. Die gestern von mir geltend gemachten Gründe Maße für die wichtigeren Es wäre eine Inkonsequenz, für die wichtigeren
Strafkammern zu. 8 G zuzulassen, für die minder
Sachen die Zuziehung der Assessoren wichtigen nicht.
Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco:
Meine Herren! Ich habe zunächst nur von dem Regelfall ge⸗ sprochen und ausgeführt, daß die preußische Justizverwaltung, wie alle Justizverwaltungen für den Regelfall die Streofgerichte nur mit Richtern besetzen werden. Daneben
ich von den Fällen gesprochen, in denen Vertretungen nötig werden, und der Herr Abg. Dr. Müller⸗Meiningen wird nicht bestreiten können, daß solche Fälle häufig vorkommen, z. B. wenn ein Richter zu einer militärischen Dienstleistung eingezogen wird oder wenn plötzliche Erkrankungen eintreten. Für solche Fälle haben wir doch keine besonderen Richter übrig, die wir der Strafkammer überweisen könnten, dann muß ein Richter aus der Zivilkammer in die Strafkammer übertreten, und dieser Ziwilrichter muß wieder durch einen Assessor ersetzt werden. Dadurch wird die Rechtspflege ganz erheblich geschädigt. (Zuruf links: Elende Knickerei!) — Das ist keine Knickerei; denn ob ich einen Assessor in die Zivilkammer oder in die Strafkammer berufe, ist finanziell ganz gleichgültig.. Herr Dr. Müller⸗Meiningen meinte, wir sollten doch mehr Richter einstellen. Ja, wenn für die Bewältigung der Geschäfte an einem Gericht 100 Richter nötig sind, so stellt man doch nicht 110 ein! Auch Herr Dr. Müller⸗Meiningen würde, wenn er Justiz⸗ oder Finanzminister wäre, schwerlich so handeln können.
Meine Herren, es kommen also Vertretungsfälle vor, und für
diese Fälle würde es nach dem Antrager nötig sein, einen Zivilrichter
in die Strafkammer und dafür einen Assessor in die Zivilkammer zu
setzen. An sich ist das natürlich möglich; aber der häufige Wechsel in den einzelnen Kammern schädigt der Rechtspflege. Deshalb bitte ich Sie, den Antrag abzulehuen. öX“
Abg. Dove (fortschr. Volksp.) Jeder ältere Richter wird be⸗ stätigen können, daß früher die Strafkammern zum großen Teil mit Assessoren besetzt waren. Wenn die früheren Schwierigkeiten jetzt so gut wie ganz haben beseitigt werden können, so ist es doch unbedenk⸗ lich, die Besetzung mit ordentlichen Richtern allgemein gesetzlich vor⸗ zuschreiben. Für die praktische Durchführung werden sich schon
Mittel und Wege finden.
Abg. Gröber (Zentr.): Namentlich mit Rücksicht auf die zukünftige Zusammensetzung der Strafkammern erster Instanz halten wir es für dringend notwendig, dem Antrage stattzugeben. Bei der bis⸗ herigen Besetzung der Strafkammern mit fünf Richtern fiel die Be⸗ teiligung eines Assessors nicht so sehr ins Gewicht. Wenn aber in Zukunft ein Kollegium aus zwei Richtern und drei Laien entscheiden soll, so ist die Zuziehung eines Assessors neben dem Landgerichts⸗ direktor sehr bedenklich. An eine absichtliche Rechtsbeugung denkt natürlich kein Mensch, aber der Hilfsrichter läuft doch selbst Gefahr hinsichtlich des Urteils über seine Qualifikation. Tritt er für seine abweichende Meinung mit Entschiedenheit ein, so kann es sehr leicht kommen, daß ihm das Zeugnis ausgestellt wird, es fehlen ihm die für die Kollegialberatung notwendigen Eigenschaften; er ist eigensinnig, rechthaberisch, oder wie man es nennen mag. Um in einem Zweirichterkollegium zu sitzen, dazu gehört eine auserwählte Selbständigkeit des Charakters. Aus diesen Erwägungen bitte ich dringend, die Konsequenzen des gestrigen Beschlusses zu ziehen. Es wäre ein innerer Widerspruch, wollte man Hilfsrichter für die verant wortungsvolleren Sachen zulassen.
Abg. Stadthagen (Soz. :Wenn Aburteilungen durch einen Richter und vier Assessoren, wie es vorgekommen ist, erfolgen, so kann man sicher annehmen, daß die Assessoren blindlings der Ansicht des Nichters folgen. Ich bitte dringend um Annahme des Antrages.
Abg. Bassermann (nl.): Es ist festgestellt, daß es heute schon möglich ist, bei einer ganzen Reibe von Gerichten allgemein nur ständig angestellte Richter in den Strafkammern zu verwenden. Dann wird es natürlich auch bei allen andern Gerichten so eingerichtet werden können. Was steht dann dem entgegen, daß wir, was heute schon die Regel ist, gesetzlich kodifizieren? Es könnte doch eine Zeit kommen, wo sich aus Mangel an genügendem Richtermaterial der frühere Zustand wieder herausbildet. Das Interesse des Angeklagten, nur von ständigen Richtern abgeurteilt zu werden, steht höher als die etwaige Störung, die in den Strafkammern eintreten kann. Gerade weil künftig in den Strafkammern erster Instanz nur zwei Juristen sitzen, muß die Auswahl besonders sorgfältig sein. Deshalb ist die Zuziehung von Assessoren hier zweifellos nicht angebracht.
Der Antrag Müller Meiningen wird angenommen: die Parteien stimmen geteilt.
§ 73 erweitert die gegenwärtige Kompetenz der Straf⸗ kammern als erkennende Gerichte unter entsprechender Be⸗ schränkung der bisherigen Kompetenz der Schwurgerichte. Sie sollen zuständig sein u. a. auch für die Verbrechen der Urkunden⸗ fälschung, für die Amtsverbrechen und die nach der Konkurs⸗ ordnung und nach dem Depositengesetz strafbaren Verbrechen (betrügerischer Bankerott usw.).
Die Sozialdemokraten wollen diese gericht belassen.
Der gleiche Antrag ist von dem Abg. Dr. Ablaß gestellt. Abg. Zietsch (Soz.) befürwortet den Antrag. Eine Anzahl dieser Delikte, z. B. betreffend qualifizierte Urkundenfälschung, führe zu 10 Jahren Zuchthaus, und es gche nicht an, diese dem Schwur⸗ gericht zu entzichen. Man habe zur Begründung geltend gemacht, daß diese Fälle so einfach lägen, daß es nicht verlohne, ihret wegen den großen Schwurgerichtsapparat ia Bewegung zu setzen. Man
Delikte dem Schwur⸗
müsse im Interesse der Angeklagten gerade darauf bestehen, daß die Schuldfrage in diesen Fällen von einem größeren Kreise von Richtern und namentlich, daß sie von Laienrichtern geprüft werde. Der Einwand, daß die Geschworenen als Laien Konkurssachen und dergleichen nicht beurteilen können, sei nicht stichhaltig. Gerade unter den Geschworenen, von denen leider die Arbeiter bisher so gut wie ausgeschlossen waren, seien Leute genug, die von der Buchführung etwas verstehen. Unter 12 Leuten werden jedenfalls doch in der Regel mehr Sachverständige sein als unter den drei Laien der künftig erkennenden Straffkammer. Es komme bei solchen Sachen weniger auf formelle als auf sachliche Momente an, die für die Entscheidung in Betracht kommen. Auch die Amtsverbrechen gehörten vor das Schwurgericht. Der Beamte dürfe nicht über dem Volke stehen, sondern müsse sich als Vertrauten des Volks betrachten. Deshalb müßten auch seine Straftaten anders behandelt werden, als die Straftaten anderer, denn durch seine Verbrechen wäre das Volk geschädigt, und das Volk müsse darüber urteilen, wie weit er das Vertrauen des Volkes getäuscht habe. Ob der Reichstag heute noch wie 1895 geneigt sein würde, die Kompetenz de Schwurgerichte zu beschränken, sei zweifelhaft in einer Zeit, wo gegen ie Schwur⸗ gerichte von Richtern, Staatsanwälten, Selbstanwälten Sturm ge⸗ laufen werde. Man gehe mit dem Gedanken um, die Schwurgerichte wenigstens zu „reformieren“, da auf die Aufhebung der Schwur⸗ gerichte nicht zu rechnen sei. Um so mehr sei es zu begrüßen, daß sich das Reichsjustizamt gesträubt habe, die Schwurgerichte zu beseitigen. Ebenso müsse aber auch der Abbröckelung der Zuständig⸗ keit der Schwurgerichte vorgebeugt werden, womit hier der An fang gemacht werde. Im Gegenteil, es müßten auch die Preßdelikte vor die Schwurgerichte kommen. Wenn man dagegen geltend mache, es dürfe hier nicht eine ganz neue Materie aufgerollt werden, so sei dies nicht stichhaltig. Für diese Erweiterung der Kompetenz der Schwurgerichte sprächen rein sachliche Momente, denn zur Aburteilung von Preßdelikten, Beleidigungen usw. sei weniger der Berufsrichter fähig als der Laienrichter. Dieser urteile weniger formalistisch als sachlich. Geschworene hätten einen sozialdemokratischen Redakteur in Preußen schwerlich zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, weil er das preußische Wahlrecht als das bezeichnet hatte, was es ist. Seine Freunde sähen in den Geschworenengerichten, so unvollkommen sie auch seien, im Prinzip eine notwendige Einrichtung zur Verhütung von zu harten Strafen und ungerechten Urteilen.
Abg. Dr. Ablaß (fortschr. Volksp.): Mein Antrag bewegt sich in derselben Richtung wie der sozialdemokratische. Das Vorgehen der verbündeten Regierungen bei Cinbringung der Vorlage ist wider⸗ spruchsvoll. Sie machen eine Verbeugung vor den Schwurgerichten. Bisher aber wollten sie den Schwurgerichten einen Teil ihrer Kom⸗ petenzen entzijehen. Wir halten fest an dem wohlbewährten Institut des Schwurgerichts. Es beruht auf durch und durch germanischen Grundanschauungen; es ist errungen worden in einer Zeit, wo es not⸗ wendig war, das Recht auf eine breite Basis zu stellen. Das Schwur⸗ gericht hat in seiner Rechtsprechung bisher dem Rechtsempfinden des Volkes Rechnung getragen. Deshalb sollten wir uns hüten, hier etwas zu ändern. Wenn die zweite Instanz in Strafkammersachen künftig nur aus gelehrten Richtern bestehen soll, wie die Regierung will, dann müssen wir um so mehr an der Kompetenz der Schwurgerichte fest⸗ bollen. Man behauptet, daß ein Laiengericht in verwickelten Sachen nicht Recht sprechen könne. Es kommt eben darauf an, daß nicht Juristendeutsch, sondern gutes richtiges Deutsch von den Richtern ge⸗ sprochen wird, und daß sie den Stoff so meistern, daß sie ihn den Geschworenen auseinandersetzen können. Gerade in Urkunden fälschungssachen kann sich der Geschworene sehr gut zurechtfinden. Der Beamte hat in der Rechtsprechung kein besonderes Vorrecht zu be⸗ anspruchen, seine Verbrechen gehören vor die Schwurgerichte. Ich bitte Sie, sich gegenwärtig zu halten, daß Sie den ersten Schritt auf der abschüssigen Bahn der Beseitigung der Schwurgerichte tun, wenn Sie das Schwurgericht in solchen Fällen nicht für zuständig halten. Es kann auch leicht dahin kommen, daß die Regierung demnächst mit einem Antrage auf eine weitere Abbröcklung der Kompetenz der Schwurgerichte kommt. Principiis obsta!
Oberlandesgerichtsrat Dr. Schultz: Mit so allgemeinen Rede⸗ wendungen ist die Frage nicht abgetan. Dieser Punkt steht im innigsten Zusammenhange mit der prinzipiellen Stellung des Ent wurfs zur Schwurgerichtsfrage.
Wir 8 1 Mo d der Wir haben eine A iderung der
Schwurgerichtszuständigkeit vorgeschlagen auf die Gefahr hin, miß⸗ verstanden zu werden. Dieses Mißverständnis haben wir auf das gründlichste geerntet. Man glaubt, wir wollten das Schwurgericht so abbröckeln, daß das Fundament nicht mehr hält. Wir könnten fast sagen: wir danken für das in uns gesetzte Mißtrauen, denn es gibt uns Gelegenheit, offen und klar auszusprechen, wie die Sache wir lich gedacht ist. Wären wir wirklich Feinde des Schwurgerichts. s hätten wir jetzt leicht gehabt, nicht mit kleinen Mittelchen, sondern mit der Beseitigung vorzugehen, denn mit der Abbröckelung von einigen wenigen Prozent der Zuständigkeit, auf denen wirklich die Autorität der Schwurgerichte nicht beruht, würden wir nichts erreichen. Wir leben in einer Zeit, in der der Kampf gegen die Schwurgerichte so heftig ist wie nie zuvor. Wollte die Regierung den Schwurgerichten zu Leibe gehen, so wäre jetzt der gegebene Zeit⸗ punkt gewesen. Die Kommission, die die Strafprozeßreform vor bereitet hat, hatte bereits vorgeschlagen, die Schwurgerichte durch große Schöffengerichte zu ersetzen, wie überhaupt die Anhänger der Schöffengerichte die grimmigsten Gegner der Schwurgerichte sind. Wir haben uns gesagt, die mit den Schöffengerichten gemachten Er⸗ fahrungen sind wohl befriedigend, aber das Schöffengericht hat sich nur in kleinen, einfachen Sachen erprobt, ist bisher nur ein Anhängsel unserer Strafjustiz gewesen. Demgegenüber steht das Schwurgericht, das ein erhebliches Gebiet gehabt hat, zugleich aber Sachen, die sich nicht für seine Zuständigkeit eignen. Wollen wir gerecht über beide Gerichte, über die Laienbeteiligung in dieser oder jener Form urteilen lernen, so müssen wir erst die beiden Gerichte gleichstellen. Indem wir jetzt die Schöffen bei den Straf⸗ kammern einführen, tun wir einen großen Schritt, um zu sehen, ob sie sich dort besser als bei den Schwurgerichten bewähren werden. Auf der anderen Seite müssen wir, um nicht ungerecht gegen das Schwurgericht zu sein, ihm die Sachen abnehmen, dier nicht für dasselbe passen, sonst erleichtern wir seinen Gegnern die Kritik gar zu sehr. Wir werden sehen, wie die Sache sich späterhin ge⸗ stalten wird, ob wir die Schwurgerichte beibehalten oder allgemein zum Schöffengerichtssystem übergehen. Um dies zu entscheiden, fehlt es bis jetzt an Erfahrungen. Wir wollen entgegen den verfrühten Vorschlägen auf Beseitigung das Schwurgericht er⸗ halten, und zwar in seiner jetzigen Form lediglich unter zweck⸗ mäßigerer Abgrenzung seiner Zuständigkeit. Die Vorredner haben es mit ihren Einwendungen recht leicht genommen. Zunächst handelt es sich um die vielen kleinen unbedentenden Sachen, Lappalien, die bei mildernden Umständen zu ganz geringen Strafen führen und in keinem Verhältnis stehen zur Aufbietung schwurgerichtlichen Apparates. In juristischer Beziehung handelt es sich um Fragen, in die sich die Geschworenen kaum hineindenken können, um ver⸗ wickelte Registerführung, um die Organisation der Behörden in ihren Beziehungen zueinander, allerhand Manipulationen des kauf⸗ männischen Lebens, Rechtsbegriffe wie die der öffentlichen Urkunde und der Zahlungseinstellung, über die sich schon mancher Jurist den Kopf zerbrochen hat. Diese Fragen sind derart unübersichtlich, daß sie sich einem delphischen Orakelspruch nähern. Für die Ge⸗ schworenen ist eine Rechtsbelehrung darüber geradezu eine Tortur. Die Frage, wie überhaupt solche Verbrechen vor die Schwurgerichte gekommen sind, hat der Abg. Zietsch schon ganz richtig dahin be⸗ antwortet, daß es in der Höchststrafe seinen Grund hat. Es ist einfach Schematismus gewesen. Man hat sich gesagt, wo auf mehr als 5 Jahre Zuchthaus erkannt werden kann, muß das Schwur⸗ gericht eintreten. Diesen Schematismus wollen wir jetzt beseitigen, denn die hohen Strafen stehen in den abzutrennenden Delikten auf dem Papier. Wann wird bei diesen kleineren Sachen jemals auf 5 Jahre Zuchthaus erkannt? Die Laien wirken ja bei diesen Delikten bei der Neuorganisation der Strafkammern, und zwar in einer ersprießlichen Weise mit. In dieser Beleuchtung bitte ich Sie, die Sachlage zu betrachten. Ich richte einen warmen Appell an die Freunde des Schwurgerichts und an diejenigen, die sich ein Urteil darüber vorbebalten haben, der Regelung des Entwurfs zu⸗ zustimmen. Sie werden dadurch erreichen, daß die Schwurgerichte in unveränderter Form erhalten bleiben, und zwar für das Gebiet, für das sie ihrer Natur nach geschaffen sind. Dann wird sich zeigen, ob sie der jetzt gegen sie auftretenden Kritik gewachsen sind oder vielleicht in einer späteren Zukunft durch Schöffengerichte ersetzt werden.
Abg. Dr. Varenhorst (Rp.): Im Gegensatz zu meinem berühmten Landsmann, dem früheren Justizminister Dr. Leonhardt, bin ich ein warmer Freund der Schwurgerichte. Dr. Leonhardt hielt eine Mitwirkung der Laien in gemischten Gerichten, in kleineren, mittleren und großen Schöffengerichten für zweck⸗ mäßig und wollte die Schwurgerichte ausmerzen. Seit einigen Jahren macht sich ja eine Strömung gegen die Schwur⸗ gerichte geltend; sie sind unpopulär geworden, weil behauptet wird, daß sie in so vielen Fällen zur Freisprechung kämen. Ich will das dahingestellt sein lassen. Es sind allerdings jetzt viel fach Freisprüche von Schwurgerichten gefällt, wo man vielleicht einen Schuldspruch hätte erwarten können, aber man kann den Grundsatz aufstellen, daß, da so viele Verbrecher in der Welt herumlaufen, es schließlich auf einen mehr oder weniger nicht ankommt.
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Der Kern⸗ punkt ist doch, daß die Urteile vom Volksbewußtsein getragen werden, und das ist unstreitig beim Schwurgericht in ganz besonderem Maße der Fall. Deshalb soll man sie nicht antasten. Dann aber ist es erforderlich, auch für eine richtige Ausgestaltung des Ver⸗ fahrens zu sorgen. Da tut der Abg. Zietsch den Schwur⸗ gerichten keinen Dienst, wenn er den Kommissionsbeschlüssen durch, seinen Antrag entgegentritt. Die jetzt dem Schwur⸗ gericht zu entziehenden Delikte betreffen Fälle, in denen ganz geringe Strafen verhängt werden. Bedenken Sie, welche Kosten gerade durch das Schwurgericht entstehen, wie lange sich der An⸗ geklagte in Untersuchungshaft befindet, die bei Schwurgerichtssachen doch jedesmal verhängt wird; bedenken Sie die Unruhe und die schlaflosen Nächte für ihn und seine Familie. Deshalb spricht doch gerade das Interesse des Angeklagten dafür, wenn seine Straftat nicht der Zuständigkeit der Schwurgerichte unterliegt. Beim be⸗ trügerischen Bankrott und dergleichen handelt es sich aber nicht um Tatfragen, die der Geschworene beantworten soll, sondern um die schwierigsten Rechtsfragen, die ein Laie kaum versteht. Es ist schon hervorgehoben, daß der Rechtsanwalt jedesmal die Geschworenen ablehnen wird, die darüber unterrichtet sind. Da zur Verurteilung bekanntlich mehr als 7 Stimmen nötig sind, so werden immer so viele Geschworene vorhanden sein, die nichts von der Sache verstehen, daß es zu einem Freispruch kommt. Es ist deshalb richtiger, die Kom missionsbeschlüsse bestehen zu lassen.
Abg. Heine (Soz): Die Debatte scheint sich zu einer Abwehr gegen die Angriffe auf die Schwurgerichte gestalten zu wollen. Auch der Regierungsvertreter scheint die Schwurgerichte „zum Fressen“ lieb zu haben. Wo sind denn die Kreise, in denen gegenwärtig eine so starke Mißstimmung gegen die Schwurgerichte vorhanden ist? In den Amtsstuben war diese Mißstimmung gegen eine Konzession an den Freiheitsgedanken immer vorhanden, das
vergißt eine Bureaukratenseele nicht. Immer und immer sind die Versuche wieder⸗ holt worden, gegen die Schwurgerichte
anzukämpfen. Auch in der Kommission des Reichsjustizamts war es nur eine Zufallsmehrheit, ung der Schwurgerichte
die die Abschaff ablehnte. (Zurufe rechts.) Die Angriffe gegen die Schwurgerichte in der öffentlichen Meinung haben aber ihren Höhepunkt langsam überschritten. Gerade in der Gegenwart ist nicht der geringste Anlaß, an den Schwurgerichten abzubröckeln; sie sind die Gerichte, die relativ am besten funktionieren, das wird jeder praktische Jurist bestätigen. Sie urteilen auch nicht nach Stimmungen und aus unklaren Gefühlen heraus; sie nehmen es mit der Prüfung von Rechtsfragen sehr genau, ich verweise nur auf das letzte Schwurgerichtsurteil im Moabiter Prozeß. Allerdings ist dieses Schwurgericht nicht auf die Brücke der Rechtsauffassung ge⸗ treten, wonach bei einem Aufruhr 2, bei einem Landfriedensbruch 3 Personen genügen. In dem ungeheuerlichen Essener Prozeß von 1895 tragen nicht die Geschworenen, sondern die Juristen moralische Verantwortung; sie haben in unjuristischem Sinne die politischen und religiösen Leidenschaften der Geschworenen aufgepeitscht — und hat. “ “ 8 1““