1911 / 43 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Feb 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Sozialdemokratie in der

geschwiegen, wie sie auf alle Anregungen von unserer Seite schweigt. Selbst Geistliche haben unumwunden anerkannt, daß in der Sozialdemokratie auch eine große ehrliche Volksbewegung steckt, und daß namentlich die Gewerkschaften die Elite der Arbeiterschaft umfassen. Den Kampf gegen die Schundliteratur wollen wir gleichfalls, aber Schulter an Schulter mit dem Zentrum können wir da nicht stehen. Das Verzeichnis der von sozialdemokratischer Seite empfohlenen Jugendliteratur enthält nur gute Lektüre; es ist unwahr, wenn man behauptet, daß wir Schundliteratur vertrieben. Fürst Bülow hat anerkannt, daß in der Bekämpfung der Schund⸗ literatur die sozialdemokratische Presse gerade so ihre Pflicht tut, wie die bürgerliche Presse. Man kennt eben die Sozialdemokratie nicht und schimpft einfach auf sie los. Die Jugend verwahrlost leicht, wenn die Mutter mit zur Arbeit gehen muß. Wir wollen deshalb dafür sorgen, daß die Löhne der Arbeiter verbessert werden, damit die Frauen nicht aus dem Hause zu gehen brauchen. Die Statistik über die Erfolge der Fürsorgeerziehung gibt noch kein genügendes Bild. Es müßte dabei vor allem unterschieden werden zwischen solchen Zöglingen, die schon vor der Einleitung der Für⸗ sorgeerziehung sittlich verwahrlost waren, und solchen, die in die Fürsorgeerziehung gebracht wurden, um der Gefahr der Verwahrlosung vorzubeugen. Geheimrat Plaschke sagt, daß bei einem Beginn der Fürsorgeerziehung mit 16 Jahren kaum noch an eine Besserung zu denken sei. Die Frage, ob Familien⸗ erziehung oder Anstaltserziehung, ist noch nicht geklärt. Jedenfalls darf man die Familienerziehung nicht um deswillen vorziehen, weil sie billiger ist. Bei der Familienerziehung besteht die Gefahr, daß die Kinder ausgenutzt werden. Das Personal in den Anstalten muß das

Gesetzes hat die Regierung

beste sein. Ich freue mich, daß der Minister rückhaltlos zugegeben

hat, daß das Loslassen von Polizeihunden auf Fürsorgekinder zu verurteilen ist. Die verrohende Wirkung der Prügelstrafe wird nicht dadurch Khewer daß ihr, wie Herr von Kardorff wünscht, ein geordnetes Disziplinarverfahren vorausgeht. Die Fürsorgeerziehung hat da einzusetzen, wo die Eltern nicht mehr in der Lage sind, die Kinder zu erziehen. Für die geistig minderwertigen Kinder sollten hne Rücksicht auf die dadurch entstehenden Kosten besondere Anstalten errichtet werden. Die Fürsorge kann gut wirken, wenn sie von so⸗ ialem Geist erfüllt ist. .

Abg. Schmedding⸗Münster (Zentr.): Es stimmt nicht, daß die Bekämpfung der Trunksucht und der Wohnungsnot vorangegangen ist. Es gibt viele Vereine, die auf diesen Gebieten gewirkt haben, vor allem auch katholische Vereine. In einem Flugblatt für die sozialdemokratische Jugend steht eine Anzeige: Kindersegen kann vermieden werden! In einer Schrift Die bürgerliche Jugendbewegung befindet sich ein Ka⸗ pitel, überschrieben: Unsittliche Pädagogen, in dem ganz ge⸗ meine Angriffe gegen 2 und katholische Geistliche ent⸗ halten sind. Es wäre verfehlt, aus den Vorgängen in Mieltschin Schlüsse auf das ganze Fürsorgewesen zu ziehen. Es sind alle Maß⸗ nahmen getroffen, um derartige Fälle, wie sie auch in Schleswig⸗ Holstein vorgekommen sind, unmöglich zu machen. Wer behauptet, die Prügelstrafe müsse unter allen Umständen abgeschafft werden, hat kein Verständnis von der Schwierigkeit der Fürsorgeerziehung. Die Ver⸗ wahrlosung ist um so schlimmer, je älteren Jahrgängen die Fürsorge⸗ öglinge angehören; die e.eg sind um so günstiger, je früher die Zög⸗ linge eingeliefert werden. Der Minister hat es im Zweifel gelassen, ob der weitere Ausbau der Fürsorgeerziehung durch eine besondere Novelle zum Fürsorgegesetz oder auf dem Wege der öffentlichen Armenpflege statt⸗ zufinden habe. habe ursprünglich den letzteren Weg empfohlen. Ich bin aber davon zurückgekommen, einmal, weil ja das Odium doch bestehen bleibt, da ein Zwang ja möglich sein muß, dann aber auch en der starken Belastung der Gemeinden, die die Kosten nicht mehr tragen können. Die Regierung scheint den Weg der Novelle zum Fürsorgegesetz wegen der großen Kosten für den Staat zu scheuen. Nichts ist verfehlter als das! An Stelle der Anstaltspflege könnte die Familienpflege treten, die viermal billiger ist als die Anstaltspflege. Die Zöglinge dürfen nicht erst dann in Fürsorgeerziehung genommen werden, wenn sie bereits verwahrlost sind, sondern schon dann, wenn die Gefahr einer Verwahrlosung zu befürchten ist. Dazu muß die Novelle die Möglichkeit geben. Ich bitte den Minister, die Novelle spätestens in der nächsten Session vorzulegen. Nicht genug Wert kann dabei darauf gelegt werden, daß die Fürsorgezöglinge Männern und Frauen anvertraut werden, die mit christlicher Gesinnung und christlicher Nächstenliebe pädagogischen Takt und pädagogisches Geschick verbinden. Auf katholischer Seite steht eine große Anzahl solcher Erzieher stets zur Verfügung.

Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.): An den Uebelständen in Mieltschin ist die Tatsache schuld, daß nicht eine genügende Aus⸗ wahl und Trennung der Zöglinge stattgefunden hat. Schuld trägt aber auch der Bureaukratismus; denn in dem Prozeß ist festgestellt, daß der Pastor Breithaupt die Akten über die einzelnen Zöglinge nicht rechtzeitig erhalten hatte, so daß er sich kein Urteil bilden konnte. Zu bedauern ist, daß eine Tennung der Zöglinge nach Kon⸗ fessionen stattfindet. Hier wird die konfessionelle Trennung noch über die Schule hinaus fortgesetzt. Es ist unbedingt notwendig, daß jeder Fürsorgezögling vor seiner Einbringung in eine Anstalt oder in eine Familie auf seinen Geisteszustand untersucht werden muß. Dazu müßten für verschiedene Provinzen zusammen Beobachtungsstationen eingerichtet werden; hier kann nach eingehender Beobachtung entschieden werden, ob der Zögling in einer Familie, einer offenen oder einer geschlossenen Anstalt untergebracht werden soll. Dann muß auch der Unterricht und die Erziehung individuell gestaltet werden. Ich erkenne gern den Fortschritt an, der aus der Denkschrift der hefäns hervorgeht. An die Spitze der Anstalten gehört ein 8 agoge. Gerade die Laufburschen stellen ein großes Kontingent ür die Fürsorgeerziehung. Wer das Institut der Laufburschen in Berlin kennt, wird sich nicht darüber wundern. Man sieht sie oft in den Straßen herumlungern. Mir ist durch einen Kriminal⸗ beamten mitgeteilt worden, daß es in Berlin eine Bedürfnisanstalt gibt, in der sich massenhaft junge Laufburschen zusammenfinden, um auf Grund des § 175, 1 Geschäfte zu treiben. Den Religions⸗ unterricht halte 5 für nötig, wenn auch nicht im Sinne des Abg. Schmedding, so doch, um den Zöglingen eine religiös⸗sittliche Grundlage zu geben. Das hat mit Frömmelei nichts zu tun.

Abg. Dr. (Zentr.): Wenn eine religiöse Erziehung stattfinden soll, so kann sie doch wiederum nur auf konfessioneller Grund⸗ lage stattfinden. Auch wir wollen keine Frömmelei, denn Frömmelei ist eine Entartung der wahren Frömmigkeit. Der Psychiater muß bei der Fürsorgeerziehung zu Hilfe gerufen werden; ich habe ge⸗ funden, daß wenigstens 60 % der Fürsorgezöglinge psvchopathisch sind. Der vorbeugende Charakter der Fürsorgeerziehung muß mehr als bisher gewahrt werden. Wir bitten den Minister um baldige Vorlegung der Novelle zum Fürsorgegesetz.

Abg. Dr. von Liszt (fortschr. Volksp.): Den vorzüglichen Aus⸗ führungen der Abgg. von Kardorff und Hirsch kann ich mich ganz anschließen. Es kommt nicht darauf an, ob wir 70 oder 60 oder 50 % retten. Selbst wenn wir noch weniger retten, ist die ganze Arbeit des Schweißes der Edlen wert. Auch ich möchte wünschen, daß die Novelle zum Fürsorge⸗ esetz recht bald vorgelegt wird, und daß dabei die Laien zur ürsorgeerziehung in möglichst weitem Maße herangezogen werden. Ich bitte den Minister, auch der Zentrale für Jugendfürsorge in Berlin seine Unterstützung zu teil werden zu lassen.

Ein Schlußantrag wird angenommen. Als nächster stand auf der Rednerliste der Abg. Korfanty (Pole).

Abg. Korfanty (zur Geschäftsordnung): Der Abg. von Arnim erklärte mir, daß zwei große Parteien den Schlußantrag vereinbart hätten. Ich will annehmen, daß er seine Partei dabei hinzugerechnet hat, denn ich sah, wie er sich von der konservativen zur frei⸗ konservativen Partei begeben hat; diese hat den Schlußantrag unter⸗ schrieben. Darauf hat er zum Zentrum gewendet. Graf Praschma aber hat die Unterschrift abgelehnt. Ich hatte Herrn von

Arnim ausdrücklich erklärt, daß ich nur zehn Minuten sprechen würde, um eine Anfrage an den Minister zu richten. Darauf erklärte mir Herr von Arnim: Lassen Sie sich streichen, dann werde ich nicht den Schluß beantragen. Er wollte den nächsten Redner, Dr. Lieber, sprechen, meine Partei aber nicht zu Worte kommen lassen. (Abg. Hoffmann: Unerhört!)

Abg. von Arnim (kons.): Ich hatte mit einem Abgeordneten der freikonservativen Partei und einem Herrn des Zentrums bereits ver⸗ abredet, daß hinter dem Abg. Dr. von Liszt geschlossen werden sollte. Die Unterschriften dazu waren noch nicht da. Es standen damals auf der Rednerliste noch der Abg. Riehl und der Abg. Korfanty. Da Herr Riehl zum Zentrum gehört, war ich berechtigt, die Unterschriften von Herrn Frhrn. von Zedlitz und Herrn Dittrich zu erbitten. Ich wiederhole auf das bestimmteste, daß mich nur der Wunsch leitete, die Debatte ab⸗ zukürzen, um vorwärts zu kommen. Denn wir werden zwei Tage länger zum Ministerium des Innern brauchen, als beantragt war.

Abg. Korfanty (Pole): Als ich an Herrn von Arnim heranging, hatte sc bereits Herr Dr. Lieber gemeldet. Das wird Herr von Arnim nicht bestreiten können, daß er an mich die Zumutung stellte: Sie sich streichen, dann werde ich nicht Schluß der Debatte be⸗ antragen! (Abg. Hoffmann: Der hineingefallene Schlußmacher!)

Abg. von Arnim kkons.): Es war klar, daß der Abg. Riehl nicht sprechen würde. Der Abg. Korfanty war also nur der einzige Redner. Hätte er auf das Wort verzichtet, wäre der Schlußantrag gegenstands⸗ los geworden. Ich wiederhole auf das bestimmteste, daß, als ich den Schlußantrag stellte, es nicht zu meiner Kenntnis gelangt war, daß noch ein Redner auf der Liste stand.

Abg. Korfanty (Pole): Der Abg. Dr. Lieber hatte bereits längst auf der Rednerliste gestanden. Ich sehe das Vorgehen des Abg. von Arnim als eine Unfreundlichkeit gegen unsere Partei an, zu der wir keine Veranlassung gegeben haben.

Abg. von Kardorff (freikons.): Ich muß anerkennen, daß es richtig ist, was der Abg. Korfanty gesagt hat. Freiherr von Zedlitz hat den Schlußantrag mit unterschrieben, ohne mich vorher zu fääcgen⸗ Wäre ich gefragt worden, so wäre ich dafür eingetreten, den Abg. Korfanty sprechen zu lassen. Ich habe für den Schluß⸗ antrag gestimmt, da er von meiner Partei gestellt war. Es wäre bichtiger gewesen, wenn ich selbst gegen den Schlußantrag gestimmt

ätte. .

Abg. von Arnim (kons.): Ich kann nur zum dritten Male wieder⸗ holen, daß ich den Schlußantrag zu einer Zeit gestellt habe, als der Abg. Korfanty der einzige Redner war.

Abg. Dr. Dittrich (Zentr.): Daß der Abg. Lieber auf der Rednerliste stand, war dem Zentrum nicht bekannt.

Abg. Korfanty (Pole): Der Abg. von Arnim kann seine Be⸗ hauptung hundertmal wiederholen. Die Sache verhält sich so, wie ich sie dargestellt habe. (Abg. Hoffmann: Noblesse oblige!)

Abg. Dr. Lieber (nl.): Ich stand schon seit zwei Stunden auf der Rednerliste.

Abg. von Arnim (kons.): Ich kann keineswegs den Vorwurf auf mir sitzen lassen. Auf der ausgelegten Rednerliste stand der Name Lieber nicht.

„Abg. Korfanty (Pole): Ich habe dem Abg. von Arnim ja er⸗ klärt: Auf der Rednerliste steht nur Dr. Lieber und ich.

Abg. von Kardorff (kons.) bemerkt persönlich: Der Abg. Hirsch hat erkläͤrt, ich hätte mich für die Prügelstrafe ausgesprochen. Ich habe nur gesagt, daß die Prügelstrafe sehr selten angewandt werden sollte. Daß se ein sehr gutes Erziehungsmittel ist, hat der Abg. Hirsch selbst

erausgelesen.

Die Zuschüsse für die Fürsorgeerziehung werden bewilligt.

um Kapitel der Strafanstaltsverwaltung nimmt

das Wort

Abg. Boehmer (kons.): Meine Freunde blicken mit allem Ver⸗ trauen auf unsere Strafanstaltsverwaltung und halten sie für muster⸗ gültig; das gilt namentlich auch von der Zentralstelle. Ich habe nur einen einzelnen Umstand zu bemängeln. Die Gefangenen werden heute viel humaner behandelt als früher, aber die Folge ist, daß die Disziplin nicht mehr mit der früheren Strenge durchgeführt wird. Es weht von oben her ein milder Wind und der setzt sich nach unten in milden Strömungen fort. Nach einem Erlaß sollen Geburten in den Gefängnissen in die Standesamtsregister ohne Nennung des Gebäudes als Gefängnis eingetragen werden, der Ort soll nur nach Straße und Hausnummer verzeichnet werden. Wenn aber ein anständiges Mädchen durch List oder Gewalt zu einer unehelichen Geburt kommt, so wird das Kind als unehelich eingetragen, und die Mutter hat diesen Makel zu tragen. Einer Revision bedarf das Beschwerderecht in den Gefängnissen, unberechtigte Beschwerden müssen geahndet werden. Aus meiner Praxis kann ich Fälle anführen, in denen Zucht⸗ häusler in ihren Beschwerden die Beamten verleumdet haben. Ein Gefangener hat nach seiner ög den Anstaltsdirektor, dessen Humantät über allen Zweifel erhaben ist, wegen Gefährdung der Gesundheit verklagt. Die Gefangenen haben nicht mehr so viel Respekt vor den Beamten wie früher. Vielen ist es ganz gleich⸗ gültig, ob sie ins Zuchthaus oder Gefängnis kommen, manche wollen sogar lieber ins Zuchthaus. Verderblich auf die Disziplin wirkt die Bestimmung, daß eine Tätlichkeit eines Gefangenen gegen einen Beamten nicht disziplinarisch bestraft werden kann; die Hauptsache würde sein, daß die Strafe der Tat unmittelbar folgt. Man sagt, daß dann die Gerichte nicht geneigt sein würden, außerdem noch auf eine entsprechende Strafe zu erkennen. Dieser Schaden würde nicht so groß sein als der Schaden der Unterlassung einer sofortigen Ahndung. Ein Zuchthäusler beging monatelang tätliche Angriffe und konnte nicht gebessert werden; als er dann aber wegen einer Beschimpfung eines Beamten ernsthaft ge⸗ prügelt wurde, war der Erfolg, daß er sich fortan tadellos führte. Die Zügel müssen etwas straffer angezogen werden, damit nicht die allzugroße Humanität die Sicherheit der Bürger gefährdet.

Abg. Tourneau (Zentr.) wünscht keine strengere Behandlung der Gefangenen und gibt seiner Freude Ausdruck, daß die Zahl der Einzelzellen vermehrt worden sei. Zu bemängeln sei die zu starke Belegung einzelner Gefängnisse; es müßten gegebenenfalls Gefangene au nahegelegene Anstalten abgegeben werden. Die Statistik zeige im allgemeinen eine Abnahme der Kriminalität, auch bei den Jugendlichen; diese erfreuliche Erscheinung sei auf die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse und auf Steigerung des Rechtsgefühls zurückzuführen. Dagegen sei die Zahl der rückfälligen Verbrecher leider noch sehr groß. Die Gefängnisarbeit sei erfreulicherweise in der Richtung verbessert worden, daß sie nicht mehr so große Kon⸗ kurrenz für das freie Gewerbe bedeute.

Abg. Boisly (nl.) bemerkt, daß der Dualismus in der Gefängnis⸗ verwaltung, daß ein Teil der Gefängnisse dem Justizministerium, der andere Teil dem Ministerium des Innern unterstellt sei, die Inne⸗ haltung einheitlicher Grundsätze verhindere. Diese Differenz müsse beseitigt werden. Die Prügelstrafe, auch nur als Disziplinarstrafe, sei nicht zu empfehlen. Es bedürfe aber eines Reichsgesetzes über 7. damit einheitliche Grundsätze befolgt werden⸗ önnten.

Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Krohne: Die Disziplin in unseren Gefängnisanstalten ist keineswegs schlecht. Bei 17 914 männlichen Zuchthausgefangenen sind nur acht Fälle tätlicher Widersetzlichkeit gegen einen Beamten vorgekommen; bei dem Material, das

8 wir dag haben, kann man also die Disziplin nicht schlecht nennen. Es sind ferner sechs Fälle von Gewalttätigkeiten von Gefangenen untereinander vorgekommen. Von 54 633 männlichen Gefängnisinsassen, die vorzugsweise aus den großen Städten und Industriezentren herstammen, ist nur ein Fall der tätlichen Widersetzlichkeit gegen einen Beamten vor⸗ gekommen. Es ist bemängelt worden, daß eine Disziplinarstrafe nicht verhängt werden soll, während das gerichtliche Verfahren schwebt. Womit hält man aber Disziplin? Dadurch, daß man dem Gefangenen, der sich gegen die Rechtsordnung vergeht, beibringt: dir geschieht dein Recht, aber du hast vor alsem, auch den Rechtsschutz, der dir zusteht. Den Rechtsschutz müssen wir ihm gewähren, deshalb geht auch das Beschwerderecht der Gefangenen bis

in die höchste Instanz hinauf. Außerdem besteht der Rechtssatz: ne bis in idem; welches Gefühl soll wohl ein Gefangener haben, wenn er disziplinarisch bestraft wird, aber nachher vor Gericht als unschuldig befunden wird? Vor dem Spruch des Gerichts hat er dagegen Achtung. Die Beamten sollen mit Ernst, fest, ohne jede Beschimpfung oder rauhe Behandlung den Gefangenen gegenüber⸗ treten, mit der Vornehmheit, die den Staatsbeamten eignet. Davor hat der Gefangene Respekt; wenn er aber mit harten Worten angefahren wird, schimpft er. Man darf den Strafvollzug nicht in eine gewisse Rauheit hineindrängen, Gerechtigkeit muß walten.

Darauf vertagt sich das Haus.

Abg. von Arnim stellt fest, daß zur Zeit, als er seinen Schluß antrag sgellte, auf der auf der rechten Seite des Hauses aushängenden Rednerliste der Name des Abg. Lieber noch nicht eingetragen war, während die auf der linken Seite aushängende Liste diesen Namen schon enthielt.

Schluß 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr. (Entscheidung über den Widerspruch des Abg. Leinert gegen den Ordnungsruf wegen des Wortes „Reichslügenverband“. Etats des Ministeriums des Innern, der Staatsschulden⸗ verwaltung, der Seehandlung, der indirekten und der direkten Steuern.)

Statistik und Volkswirtschaft. Deutsche Seefischerei und Bodenseefischerei für Januar 1911.

Seetiere und davon gewonnene Erzeugnisse

Nordseegebiet ¹) Ostseegebie

1 kg

I. Fische. 43 777 62 194 149 012 29 280 55 247 899 257 115 466

32 358 39 559 72 497 11 455 13 531 240 194 54 554

51 328 81 948 134 295 167 194 19 010 9 084

10 797 41 684

Schellfisch, groß 16ö6165 E“ ö V. Sorte. IV/V. Sorte h

Wittling (Weißling, ““ 241 116

Kabliau goß mittel, klein (Dorsch) 487 862 ““ 758 410

89 88 (Scchtd ;. 1. eehecht (Hechtdorsch). 13 44

Scholle (Goldbutt), groß, 17 520 888“ 113 008

Blindling (rauhe Scholle, falsche Zunge, Heilbutt⸗

v““

Knurrhahn, grauer . etermann, echter.. 13 343 2 700 öhler (Blaufisch). 110 441 25 604 ollack u 999 286

llack. 194 591 40 707

. .229 530 48 866

45 207 9 685 12 952 3 924

101 065 83 608

6 516 17 659

13 489 77 332

öhler und Po ““ Hasfsch atfisch (Seewolf) .. Rotzunge*), groß, mittel 52 125 19 373 Rotzunge, echte.. 1 296 1 613 Stör 8 35 103 28 535 46 130 24 907 62 623 9 324 18 236 8 007 22 227 8 646 14 185

II111

—2 O

G EEEEEEEEäää““ 1Sa ga , 1a Steinbutt, groß, mittel. R“” Glattbutt (Tarbutt),

öe“ 7 974 11 175 20 718 15 726 Lach

6 (Flußlachs) . 33 99 Jine 8

181 284 echt (Flußhecht). 580 772 111ö1“

““ 12 439 444

Barsch. 1 749 678

Rotbarsch 244 083 51 028

Kaulbarsch..

w 1114““

USII

Blei (Brachsen, vra)

Schar e (Kliesche, Platen

12 302 6 129 210 127 422 25 558 protte (Breitling).. 96 425 42 282 eeb“ 111 350 3 940 Io“ 15 702 17 968 Aalraupe, Quappe, Rutte (lota vulgaris) 4 200 3 444 Aalmutter (zoarces vivi- e“*“

46 049 Langschwanz (Seejungfer) 436 eee* 52 142 lunder (Struffbutt) . veeeee“ Fotauge) G“ 2 856 eißfisch (Giester) ... Rapfen (Schied) .. . Verschiedene (Gemeng⸗ 116A“ 4 047 zusammen [4 786 592 1 545 893 II. Schaltiere.

Krabben (Garneelen,

AA*“ LI Hduu62 JEDITTö’-

e 1448 8365 Taschenkrebse Stück 370 35 Anstern. .. * 189 465 15 880 Muscheln usw.. kg 13 125 668

2 14 666 3 zusammen (Qtia 189 835 16 825

III. Andere Seetiere.

.“ Seehunde.. Stück 7 39 Wildenten 1 8

zusammen Stück

1449 1 449

1380 1 380

7 39

¹) Die Angaben einer Fischereigesellschaft stehen noch aus. *) Im Gemenge mit echter. 1 G“ 8

in der Zeit vom 15. bis 20. Januar 1

in Peisen 6 924 onnen

Seetiere und davon

Nordseegebiet Ostseegebiet gewonnene Erzeugnisse

E kg

IV. Erzeugnisse von Seetieren.

. kg 274 049 14 9955 Fischrogen . . .„ 13 262

zusammen kg 287 311 15 867

Stück 8 39 1 380 1 449 14 666 - 16 825 2 185 738

189 835 1 545 893,1 973 409 278 000

4 786 592 5 088 569 1 578 624q 975 3831 280 187 280 187

hierzu II. .

kg I Siha öö kg

189 842

Nord⸗ und Ostseegebiet Gesamtwert 1 858 811

Bodensee⸗ und Rheingebiet.

Süßwassertiere.

Sand⸗(Weiß⸗)Felchen ... Kilche (Heroßscee n) ““ Forellen: a. Bach⸗ 8 b. Schweb⸗ oder Silber⸗ L“ d. Rheinforellen ... Saiblinge (Rötel).. . 1 I“ . Loo“ ““ Barsche (Egli, Krätzer) Vra“ VIW6“ Weißfische (Alet, Nasen usw.) 3 zusammen Berlin, den 17. Februar 1911.

Kaiserliches Statistisches Amt. van der Borght.

Land⸗ und Forstwirtschaft. Weizeneinfuhr in Marseille.

Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung Le Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nach Marseille auf dem Seewege betragen: 205 847 dz 92 258 54 582 12 040 161 249 71 250

davon aus Rußland . . .. . in der Zeit vom 22. bis 27. Januar.. 8 davon aus Rußland.. B 1 in der Zeit vom 29. Januar bis 3. Februar 1 davon qus Nuttt 1

in der Zeit vom 5. bis 10. Februar . . . 151 296 davon aus Rußland.. 49 994

In den Zollniederlagen in Marseille befanden sich am 8. Februar 354 280 dz. 1 si

Saatenstand und Getreidehandel in Bulgarien.

Der Kaiserliche Konsul in Varna berichtet unterm 8. d. M.: Obschon im Monat Januar bei heftigen Stürmen stärkerer Frost einsetzte und die Wintersaaten schwerlich eine genügende Schneedecke hatten, sind bisher über den Saatenstand in Bulgarien ungünstige Nachrichten nicht bekannt geworden; nur scheint es, daß auch im Amtsbezirk die Mäuseplage größer und allgemeiner ist, als anfänglich angenommen wurde. Mit der Aussaat der Sommerfrucht konnte noch nicht begonnen werden.

Die Zufuhren, die in Mais, Weizen, Gerste und Roggen bessere Ziffern aufwiesen, betrugen im Monat Januar:

in Waggons in Wagen Zusammen

7 374 Gerste. 1 010 1 088 Mais. . 183 176 13 847 Roggen 915 937 J13 . 60 69 ohnen. 8 ““ 38

8 8 5 8111881 204 21 225.

Das Getreidegeschäft gestaltete sich im Berichtsmonat dank der steigenden Preise recht lebhaft.

In Weizen waren Angebot und Nachfrage, in Sonderheit gegen Monatsende, sehr rege. Der Export richtete sich vor allem nach Griechenland, Antwerpen und Marseille; Konstantinopel deckte seinen Bedarf im wesentlichen aus Baltschik. Gerste war am Plate sehr gesucht; als Hauptkäufer trat Antwerpen auf. nfolge des eingetretenen Frostes fand der Maishandel bessere Konditionen; da außerdem die Preife gegen Ende des Monats be⸗ deutend in die Höhe sehangen waren, entwickelte sich ein äußerst flottes Geschäft. In Roggen wurden größere Mengen gehandelt, u. a. auch Spekulationspartien; am Exportgeschäft beteiligten sich Rotterdam, Norwegen und Antwerpen.

In den anderen Artikeln ward kein nennenswerter Umsatz erzielt. Es wurden notiert für den Doppelzentner fob Varna während des Monats Januar:

für Weizen, gute Qualität... 8 SS. u“ 86 geringere .. V1“*“ Mais, Anfang Januar Ende 18 Roggen.

½ 2 2 29,

2 *. * .* * *

Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Bleivergiftungen in Oesterreich.

Die Beschränkung der Bleiverwendung in der Industrie ist eine der wichtigsten Aufgaben der „Internationalen Vereinigung für gesetz⸗ lichen Arbeiterschutz’. Auf ihre Anregungen ist es mit zurückzuführen, daß in vielen Kulturstaaten, namentlich aber in Deutschland, Frank⸗ reich und Großbritannien, erfolgreiche Verhütungsvorschriften gegen Bleierkrankungen erlassen wurden. Auch Oe terreich ist auf diesem Wege gefolgt. Zunächst wurde das B“ Amt im Handelsministerium mit Erhebungen betraut, um die Ur⸗ sachen der Bleierkrankungen wie deren Verhütungsmöglichkeiten zu ergründen. Diese Erhebungen begannen zuerst 1904 in den Blei⸗ und Zinkhütten, Bleiweiß⸗ und Bleioxydfabriken, sie setzten sich fort in den Farbenfabriken, in Betrieben für Anstreicher⸗, Lackierer⸗ und Malerarbeiten, Buch⸗ und Steindruckereien, S riftgießereien usw. Weiter wurden sie auf die keramische, Glas⸗ und Emailindustrie aus⸗ gedehnt. Die sodann erlassenen Verordnungen decken sich im all⸗ gemeinen mit den in Deutschland bestehenden Schutzmaßregeln gegen

Bleivergiftungen, gehen im einzelnen jedoch noch darüber hinaus. Die Ergebnisse der ö sind in umfangreichen Veröffentlichungen des Arbeitsstatischen Amts ausführlich dargestellt, die im Verlage von Alfred Hölder, Wien, erschienen sind.

Wien, 17. Februar. (W. T. B.) Nach Mitteilung der chinesi⸗

schen Gesandtschaft findet am 3. April in Charbin ein inter⸗ nationaler Pestkongreß statt, zu dem an alle Staaten Ein⸗ b ergangen sind. t. Petersburg, 17. Februar. (W. T. B.) Seit gestern sind in Charbin dreizehn Chinesen an Pest gestorben. Der Generalgouverneur des Amurgebiets hat vom Kaiser Vollmacht erhalten, alle Gegenmaßregeln gegen die Pest im Amurgebiet zu er⸗ greifen, nötigenfalls Truppen dazu zu verwenden.

Handel und Gewerbe.

Nach der Wochenübersicht der Reichsbank vom 15. Fe⸗ bruar 1911 betrugen (+ und im Vergleich zur Vorwoche):

Aktiva: 1911 E““ 1909 Metallbestand (Me. 8

tand an kurs⸗

Fütgen. deutschen

elde und an Gold

in Barren oder aus⸗

n

das Kilogr. fein zu

2784 berechnet)

darunter Gold.

Bestand an Reichs⸗ kassenscheinen..

Bestand an Noten anderer Banken.

1 170 975 000 1 100 706 000 1 104 365 000 (+ 56 839 000) (+ 46 941 000) (+ 31 284 000) 865 283 000 828 681 000 (+ 44 866 000) (+ 35 838 000)

65 774 000 67 502 000 (+ 3 044 000) (+ 2 543 000) (+ 2 287 000)

30 557 000 26 959 000 24 956 000 (+ 7 609 000) 8 448 000) (+ 7 375 000) Bestand an Wechseln

und Schecks 836 156 000 743 026 000 728 901 000 (— 33 986 000) (— 30 020 000) (— 32 171 000) Bestand an Lombard⸗

forderungen.. 69 117 000 61 928 000 67 778 000

69 300 000

(+ 648 000) (— 898 000) (+ 12 384 000) Bestand an Effekten 34 811 000 227 879 000 238 019 000 15 690 000) (+† 15 927 000) (— 33 327 000) Bestand an sonstigen Kü-a“

168 933 000 189 076 000 127 879 000 (+ 2 956 000) (+ 5 778 000) (+ 2 256 000)

Passiva: Grundkapital...

Reservefonds....

Betrag der um⸗ laufenden Noten.

sonstige täglich fällige Verbindlichkeiten.

sonstige Passiva.

180 000 000 (unverändert) 64 814 000

180 000 000 (unverändert) 64 814 000 (unverändert) (unverändert) (unverändert)

1 420 961 000 1 445 244 000 1 381 358 000 (— 68 300 000) (s— 74 313 000) (— 69 837 000)

673 175 000 689 048 000 687 077 000 (+ 120 457 000) (+ 122 197 000) (+ 59 077 000) 37 373 000 37 970 000 47 949 000 (+ 643 000) (+ 835 000) (+ 848 000)

180 000 000 (unverändert) 64 814 000

Berlin, 18. Februar. (W. T. B.) Der Diskont der Reichsbank ist heute auf 4 %, der Lombardzinsfuß für Dar⸗ lehen gegen Verpfändung von Effekten und Waren auf 5 % herab⸗ gesetzt worden

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten

ür Handel und Türkei.

Zollfreiheit für landwirtschaftliche Geräte. In das Verzeichnis der gegenwärtig Zollfreiheit b landwirtschaft⸗ lichen Maschinen und Geräte sind folgende Geräte neu auf⸗ genommen worden:

) Geräte zum Entkernen von Baumwolle, 2) Obstdörrmaschinen sowie Schleifsteine für Bienenkorbflecht⸗ maschinen und ähnliche Geräte, .

3) Fortschaffbare Mühlen,

4) Olivenölpreßmaschinen, diese letzteren jedoch nur auf jedes⸗ maligen besonderen Antrag des Beteiligten.

Von dem Plane einer umfassenden gesetzlichen Neuregelung der Bestimmungen über die zollfreie Einfuhr landwirtschaftlicher Geräte ist die türkische Regierung wieder abgekommen. Die Zollkfreiheit wird voraussichtlich nur noch bis zum Ende der laufenden zehn⸗ jährigen Frist im August d. J. in Kraft bleiben, da die türkische Regierung beabsichtigt, andere Maßregeln zugunsten der Land⸗ wirtschaft zu ergreifen. U. a. will sie es den Landwirten ermög⸗ lichen, die zur Bodenbearbeitung nötigen Maschinen nicht mehr vom Ausland und von Zwischenhändlern zu beziehen, sondern im Inland selbst, und zwar aus staatlicher Hand. Zu diesem Zwecke sollen in allen Provinzen unter behördlicher Aufsicht und Verwaltung stehende sogenannte „landwirtschaftliche Niederlagen“ gegründet werden; von diesen Niederlagen sollen die landwirtschaftlichen Maschinen den Landwirten zum Selbstkostenpreis abgegeben werden, wobei die Be⸗ förderungskosten vom Einfuhrhafen bis zum Lager von der Regierung getragen werden. Auch soll nach einem besonderen Beschlusse des Ministerrats der Einfuhrzoll vom Landwirtschaftsministerium, auf dessen Namen die Einga für die Niederlagen erfolgt, beglichen werden. (Nach einem Bericht des Kaiserlichen Generalkonsulats in Konstantinopel.)

ndustrie“.)

„Nachrichten f

Türkei und Bulgarien.

Ablauf des Handelsabkommens. Gegenseitige Kampfzollbestimmungen. Nachdem die im Hinblick auf den Ablauf des Handelsabkommens vom Jahre 1907 eingeleiteten Ver⸗ handlungen über den Abschluß eines neuen Abkommens oder eines Provisoriums gescheitert sind, hat das bisherige Abkommen mit dem Ablauf des 27. Januar d. J. sein Ende erreicht. Das türkische Finanzministerium hat infolgedessen eine allgemeine Verfügung erlassen, durch welche unter Regelung der Zollbehandlung während einer kurzen Uebergangszeit die Anwendung des türkischen Differentialzolltarifs vom 3. Mai 1316/16. Mai 1900 gegenüber den Waren bulgarischer Her⸗ kunft angeordnet wird. Dieser Tarif sieht unterschiedliche Zölle vor für lebende Tiere, frische und gesalzene Butter, Käse, fette Dele und Fette zum Gewerbegebrauche.

Durch eine weitere Verfügung wird für die 81,s Waren, soweit sie aus den russischen Häfen des Schwarzen Meeres, aus Rumänien oder Serbien eingeführt werden, die Vorlage von Ursprungszeugnissen vorgeschrieben. Die erforderlichen Ursprungs⸗ zeugnisse können von den Absendern ausgestellt werden, unter der Bedingung, daß ihre Unterschrift oder ihr Siegel von den Be⸗ hörden des Orts ihrer Geschäftsniederlassung, nämlich von Handels⸗ gerichten, Gemeinde⸗ oder Polizeiämtern oder auch von der Zoll⸗ verwaltung beglaubigt wird. Wenn die Ursprungszeugnisse nicht in dieser Form ausgestellt oder nicht auf die Rückseite der Original⸗ fakturen gesetzt worden sind, so muß von den genannten Behörden

oder von der Zollverwaltung des Ausfuhrhafens ein besonderes

11““ 8

amtliches Schreiben ausgestellt werden. In jedem Falle müssen die Ursprungszeugnisse mit der Originalfaktura und der Erklärung des Eigentümers der Waren zusammen der Zollbehörde vorgelegt werden. Die Ursprungszeugnisse, die nach diesen Bestimmungen erforderlich sind, brauchen nicht von den türkischen Konsulaten beglaubigt zu werden. Erzeugnisse und Waren aus den russischen Häfen des Schwarzen Meeres, aus Rumänien und Serbien, die nicht von einem Ursprungs⸗ zeugnisse G sind, unterliegen den Zollsätzen des Differential⸗ zolltarifs, bis der Warenempfänger der Zollbehörde den Nachweis erbringt, daß sie nicht bulgarischer Herkunft sind. 1 Die bulgarische Regierung ist durch besonderes Gesetz ermächtigt worden, als Gegenmaßregel die in Artikel 14 des Zolltarifgesetzes und Artikel 12 des Zollgesetzes vorgesehenen Kampfzollbestimmungen, die Verdopplung der Zollsätze des allgemeinen Tarifs oder Wertzollsätze bis zu 100 v. H. vorsehen, auf türkische Herkünfte anzuwenden. (Nach Berichten des Kaiserlichen Generalkonsulats in Konstantinopel und

der Kaiserlichen Gesandtschaft in Sofia.) 8b

Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts am 17. Februar 1911: Ruhrrevier Oberschlesisches Revier Anzahl der Wagen 1I1I1“ 9 Nicht gestellt.

8

Aus dem der Zechenbesitzerversammlung des Rheinisch⸗ Westfälischen Kohlensyndikats erstatteten Bericht ist laut Meldung des „W. T. B.“ folgendes zu entnehmen:

Der rechnungsmäßige Absatz betrug im Januar 1911 bei 25 (im gleichen Monat des Vorjahres 24 ½) Arbeitstagen 6 006 656 (Vorjahr 5 461 370) Tonnen oder arbeitstäglich 239 071 (Vorjahr 226 378) Tonnen. Von der Beteiligung, die sich auf 6 590 800 (Vorjahr 6 295 109) Tonnen bezifferte, sind demnach 91,14 (Vorjahr 86,76) % abgesetzt worden. Der Versand, einschließlich Landdebit, Deputat und Lieferungen der Hüttenzechen an die eigenen Hüttenwerke betrug: Kohlen bei 25 ½ (Vorjahr 24 ½) Arbeitstagen 4 792 118 (Vorjabr 4 484 711) Tonnen oder arbeitstäglich 190 731 (Vorjahr 185 895) Tonnen; Koks bei 31 (Vorjahr 31) Arbeitstagen 1 553 911 (Vorjahr 1 341 274) Tonnen oder arbeitstäglich 50 126 (Vorjahr 43 267) Tonnen; Briketts bei 25 ½ (Vorjahr 24 ½) Arbeitstagen 315 867 (Vorjahr 257 397) Tonnen oder arbeitstäglich 12 572 (Vorjahr 10 669) Tonnen. Hiervon gingen für Rechnung des Syndikats: Kohlen 4 082 853 (Vorjahr 3 868 984) Tonnen oder arbeitstäglich 162 502 (Vorjahr 160 372) Tonnen; Koks 1 029 475 (Vorjahr 837 144) Tonnen oder arbeitstäglich 33 209 (Vorjahr 27 005) Tonnen; Briketts 299 420 (Vorjahr 247 801) Tonnen oder arbeitstäglich 11 917 (Vorjahr 10 872) Tonnen. Die Förderung stellte sich insgesamt auf 7 395 973 (Vorjahr 6 834 993) Tonnen oder arbeitstäglich auf 294 367 (Vorjahr 283 316) und im Dezember 1910 auf 7 418 681 oder arbeitstäglich auf 295 271 Tonnen. Der im Januar erzielte Absatz hat das vormonatige Ergebnis nicht ganz erreicht, und das Verhältnis des Absatzes zu den Beteiligungs⸗ anteilen der Mitglieder ist von 92,96 % auf 91,14 % gesunken. Der Rückgang entfällt fast ausschließlich auf den Kohlenabsatz, Eine Verschlechterung der Marktlage ist indessen, abgesehen von dem Absatz für den der infolge milder Witterung etwas nachgelassen hat, nicht bemerkbar geworden. Insbesondere ist der Absatz für den Verbrauch der Industrie ziemlich unverändert geblieben. Dabei ist noch darauf hinzuweisen, daß das günstige Absatzergebnis der Monate November und Dezember vorigen Jahres, wie bereis in dem vormonatigen Bericht angedeutet, unzweifelhaft zum Teil auf Vorbezüge zurückzuführen ist, zu denen damals aufgetauchte Be⸗ fürchtungen über zu erwartende Arbeiterausstände Anlaß gegeben hatten. Der Absatz in Hochofenkoks hatte gegenüber dem Absatz im Dezember im wesentlichen durch das Aufhören der Aus⸗ hilfslieferungen an die ostfranzösischen Hüttenwerke eine geringe Ab⸗ schwächung erlitten, die jedoch durch gesteigerte Abrufe in den übrigen Kokssorten ausgeglichen wurde, sodaß der gesamte Absatz nahezu auf der vormonatigen Höhe blieb. Im Brikettabsatz ist infolge größerer Ausfuhr gegenüber Dezember eine Zunahme zu verzeichnen. In der gestrigen Beiratssitzung des Rheinisch⸗Westfälischen Kohlensyndikats wurde beschlossen, die Umlagen für das erste Vieteljahr 1911 für Kohlen auf 12 % (bisher 10 %), für Koks auf 7 % (wie bisher) und für Briketts auf 9 % (wie bisher) festzusetzen. In der sich daran anschließenden Zechenbesitzerversammlung wurde zu dem nachträglich auf die Tages⸗ ordnung gesetzten Antrage „Aumetz⸗Friede“ beschlossen, den durch eine Reihe von Zuwahlen erweiterten Aufnahmeausschuß zu beauftragen,

in eine erneute Prüfung der Angelegenheit einzutreten, um der Zechen. 8.

besitzerversammlung geeignete Vorschläge zur Erledigung des Antrage zu unterbreiten. 1b

Die Verteilungsstelle für die Kaliindustrie hat, lau Meldung des „W. T. B.“ aus Berlin, der Gewerkschaft Glück⸗ auf⸗Bebra eine Beteiligung von 3,64 Tausendsteln vom 1. Januar 1911 ab, der Gewerkschaft Hadmersleben eine solche von 4 Tausendsteln vom 1. Februar 1911 ab unter den nach dem Reichskaligesetz er⸗ forderlichen Vorbehalten zuerkannt.

Der Jahresabschluß der Adlerwerke vormals Heinrich Kleyer Aktiengesellschaft weist, laut Meldung des „W. T. B.“ aus Frankfurt a. M., einen Reingewinn von 2 841 162 gegen 2 303 410 im Vorjahr auf; die Dividende wird mit 30 gegen 25 % vorgeschlagen. Zwecks Betriebserweiterungen und Verstärkung der Mittel soll das Aktienkapital um 3 auf 8 Millionen Mark er⸗ höht werden, wobei die neuen, für 1910/11 zur Hälfte dividenden⸗ berechtigten Aktien den alten Aktionären im Verhältnis 3 zu 5 zu 150 % zum Bezuge angeboten werden.

In der vorgestrigen Sitzung des Aufsichtsrats der Ober⸗ lausitzer Bank zu Zittau wurde beschlossen, in der am 16. März a. c. stattfindenden Generalversammlung die Verteilung einer Dividende von 7 ½ %, wie im Vorjahre, in Vorschlag zu bringen.

Die Bayerischen Staatseisenbahnen (pfälzisches Netz) vereinnahmten im Monat Januar 1911: 2 961 885 (Januar 1910 endgültig: 2 863 207 ℳ). Laut Meldung des „W. T. B.“ betrugen die Einnahmen der Canadian Pacific⸗Eisenbahn vom 8. bis 14. d. M.: 1 589 000 Dollars (139 000 Dollars mehr als i. V.). Die Bruttoeinnahmen der Orientbahn betrugen vom 5. bis 11. Fe⸗ bruar 1911: 199 067 Fr. (weniger 17 411 Fr.). Seit 1. Januar 1911: 1 327 300 Fr. (weniger 78 728 Fr.). 5

Wien, 17. Februar. (W. T. B.) Der Abschluß der K. K. priv. allgem. Oesterreichischen Boden⸗Credit⸗Anstalt für das Geschäftsjahr 1910 ergibt einen Bruttogewinn von 31 268 599 Kr. (Vorjahr 30 792 659 Kr.) und einen Reingewinn von 13 093 822 Kr. (12 967 264 Kr.). Der Generalversammlung wird die Verteilung einer Dividende von 54 Kr. (51 Kr.) per Aktte vorgeschlagen.

London, 17. Februar. („W. T. B.“) Das Direktorium der Eriebahn genehmigte die Ausgabe von 12 ½ Millionen Dollar Refunding Notes, deren Laufzeit drei Jahre betragen soll. Wie gerüchtweise verlautet, ist eine Verzinsung von 6 % vorgesehen.

New York, 17. Februar. (W. T. B.) In der vergangenen Woche wurden 33 000 Dollars Gold und 1 506 000 Dollars Silber ausgeführt; eingeführt wurden 71 000 Dollars Gold und 80 000 Dollars Silber.

New York, 17. Februar. (W. T. B.) Der Wert der in der vergangenen Woche eingeführten Waren betrug 20 330 000 Dollars gegen 13 450 000 Dollars in der Vorwoche; davon für Stoffe 4241 000 Dollars gegen 3 057 000 Dollars in der Vorwoche.

Berlin, 17. Februar. Marktpreise nach Ermittlungen des Königlichen Polizeipräsidiums. (Hochste und niedrigste Preise.) Der Doppelzentner für: Weizen, gute Sorte†) 19,90 ℳ, 19,86 ℳ. Weizen, Mittelsortef†) 19,82 ℳ, 19,58 ℳ. Weizen, geringe Sorte†) 19,74 ℳ,

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