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äußern, wurde ausgerechnet, daß, wenn die Oder bis Breslau voll⸗ kommen kanalisiert sein würde, eine Frachtermäßigung von einigen 70 ₰ pro Tonne eintreten würde, die vollkommen ausreichen würde, um die gesteigerte Konkurrenz ab Stettin auszugleichen.
Nun, meine Herren, ist man ja in der Lage, noch mehr für die Oder zu tun. Wir können der Oder Zuschubwasser zuführen, sobald die großen Staubecken an der Malapane und an der Glatzer Neisse geschaffen sein werden. Wir sind ferner in der Lage, die Oder gründlich durchzuregulieren von Breslau bis Fürstenberg, der Einmündungsstelle des Oder⸗Spreekanals. Das sind große Werke, die ganz erhebliche Mittel erfordern werden. Ich wünsche deren Ausführung und werde mich dafür einsetzen; aber diese Ausführung muß abhängig gemacht werden von der Einführung der Schiffahrtsabgaben für die Ströme. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Das ist eine der wesentlichsten Voraus⸗ setzungen, um diese auch für Schlesien in höchstem Maße nützlichen Werke zum Abschluß und zur Vollendung zu bringen.
Der Herr Abg. Graf Henckel meinte nun, wir täten nicht genug für den Absatz der oberschlesischen Kohle nach den gefährdeten Ge⸗ bieten, unter denen ich die Kustengebiete verstehe, in denen allerdings die englische Kohle in steigendem Maße konkurriert. Aber gerade für diese Gebiete hat die Staatseisenbahnverwaltung seit Jahrzehnten im Interesse der Förderung des Absatzes oberschlesischer Kohlen sehr viel getan. Um nur ein Beispiel anzuführen, darf ich daran erinnern, daß wir von Königshütte nach Stettin eine 42 % ige Frachtermäßigung gewähren, die für 10 Tonnen eine Ermäßigung von 31,70 ℳ aus⸗ macht. Wir gewähren ferner von Neurode in Niederschlesien nach Danzig eine Frachtermäßigung von 31,3 %, von Königs⸗
hütte nach Königsberg eine solche von 24 %. Das sind Ermäßigungen,
wie wir sie sonst nur noch vom Ruhrrevler nach den Nordseehäfen gewähren; da geben wir von Gelsenkirchen nach Hamburg eine Er⸗ mäßigung von 32,5 %. Die Erfolge dieser Frachtermäßigungen sind sehr groß. Ich darf bemerken, daß der Absatz oberschlesischer Kohle nach Ost⸗ und Westpreußen in der Zeit von 1899 bis 1909 um 728 080 t = 59 %, nach Pommern um 213 000 t = 26 % zuge⸗ nommen hat.
Meine Herren, wir haben also gegen die englische Kohle gekämpft; wir sind aber, wie sich im ganzen Küstengebiet zeigt, augenblicklich nicht imstande, gegen ihr Vordringen wirksam einzugreifen, weil unsere
Tarife sich schon auf einem Tiefstande befinden, den noch weiter zu
unterschreiten wir Bedenken tragen müssen. Ich möchte aber aus⸗ sprechen — und damit hoffe ich die beiden Herren Vorredner zu be⸗ ruhigen —, daß das Ministerium der öffentlichen Arbeiten die Inter⸗ essen Oberschlesiens mit größter Sorgfalt verfolgt, und daß jetzt aus Anlaß der Eingabe der oberschlesischen Industrie, die wir ja nicht negativ beantwortet haben, Untersuchungen im Gange sind, daß wir es allerdings zurzeit nicht für angezeigt halten, eine Entscheidung zu treffen, die unter Umständen sehr bedenkliche Folgen zeitigen könnte.
(Bravo!)
Abg. Graf von Moltke (frkons.): Den Wünschen nach Komfort und Bequemlichkeit im Personenverkehr hat die Eisenbahnverwaltung Rechnung getragen. Leider scheint es aber, daß die Lasten, die der Eisenbahnverwaltung nach dieser Richtung erwachsen, dem Güterver⸗ kehr aufgepackt werden. Der Personenverkehr wird immer auf der kürzesten Strecke erledigt, der Güterverkehr dagegen auf längere Strecken verwiesen, wodurch eine Kostenvermehrung entsteht. Die Lasten also, die eigentlich durch die schnellere Abwickelung des Personen⸗ verkehrs entstehen, werden dem Güterverkehr angehängt. Die Eisen⸗ bahnverwaltung sollte einen Ausgleich zwischen den fiskalischen und den volkswirtschaftlichen Interessen herbeiführen. Eine allgemeine Herabsetzung der Gütertarife wird zurzeit allerdings nicht möglich sein.
Abg. Wenke (fortschr. Volksp.): In den Orten Hirschberg und Schmiedeberg sollten den größeren Vereinen Sonntagsfahrkarten nach dem Riesengebirge zur Verfügung gestellt werden. Den Bewohnern von Löwenberg ist auf eine Eingabe wegen Gewährung von Sonntags⸗ fahrkarten geantwortet worden, daß sie schon gute Luft genug hätten. Demgemäß dürften für Löwenberg gar keine Sonntagsfahrkarten ausgegeben werden. Es müssen unbedingt auch Sonntagsfahrkarten vom Lande nach der Stadt ausgegeben werden. Wenn die Für⸗ sorge der Regierung sich nicht nur auf die Großgrundbesitzer, sondern auch auf die kleinen Leute erstreckt, dann müßte es diesen ermöglicht werden, am Sonntag nach der Stadt zu kommen, um ihre Einkäufe zu machen. Aber man fürchtet nur, daß sie dort liberal angesteckt werden könnten. Auch im Interesse der Wirt⸗ schaftlichkeit der Eisenbahn wäre diese Maßnahme zu befürworten, da dann auch die Züge, die Vormittags und Nachmittags nach der Stadt gehen, gefüllt werden würden. Die Sonntagsfahrkarten von Breslau, Liegnitz, Görlitz, Lauban usw. nach dem Riesengebirge müßten eine längere Gültigkeit haben, vielleicht schon am Sonnabend ausgegeben werden. Denn von Breslau nach Schreiberhau beträgt die ganze Fahrzeit 9½ Stunden. Ferner möchte ich darum bitten, daß mit Sonntagsfahrkarten auch die Eilzüge benutzt werden dürfen. Weil das nicht gestattet ist, muß man ja schon Nachmittags um 4 Uhr von Schreiberhau nach Breslau zurückfahren. Werden meine Wünsche erfüllt, so wird den Interessen der Städter sowohl wie der Gebirgsbewohner gedient.
Abg. Macco (nl.): Wir bitten um eine Aenderung der Fahr⸗ kartensteuer, damit die dadurch hervorgerufenen Unregelmäßigkeiten im Verkehr beseitigt werden. Gegen die Tarifermäßigung hat der Minister Zahlen über die gesteigerte Produktionstätigkeit des deutschen Gewerbes angeführt und gesagt, daß das deutsche Gewerbe mit Stolz die sozialpolitischen Lasten trage. Das kann aber kein Grund gegen eine Tarifermäßigung sein. Wir wollen durchaus keine allgemeine Tarifermäßigung, aber wir wünschen, daß die Tarife allmählich an den Stellen ermäßigt werden, wo die Eisenbahn keinen Schaden davon haben würde. Um auf dem Weltmarkt konkurrieren zu können, müssen die großen Werke — der Mittelstand kann überhaupt kaum mehr mit — ihre Selbstkosten herunterdrücken, denn von dem Absatz im Inlande allein können sie nicht existieren. Belgien und England haben günstigere Produktionsbedingungen und Transportwege, mit Amerika können wir überhaupt nicht konkurrieren. Nur mit der schwersten Mühe kann die deutsche Produktion sich aufrecht erhalten. In dem ausgezeichneten Bericht der Handelskammer in Essen für dieses Jahr werden die öffentlichen Lasten aufgezählt, die den westfälischen Werken auferlegt sind. Das deutsche Gewerbe trägt willig die sozialpolitischen Lasten, aber diese haben doch eine sehr drückende Form angenommen. Deshalb muß für Erleichterung gesorgt werden, und die Eisenbahnverwaltung muß an die Zukunft denken. Die Rückgänge in der Konjunktur haben in der letzten Zeit viel länger gedauert als früher, sie sind immer schwieriger zu überwinden. Die guten Zeiten der Eisenbahnverwaltung müssen zu Tarif⸗ ermäßigungen benutzt werden. Ich habe seit 40 Jahren die Ent⸗ wicklung der Tarife aufmerksam verfolgt. In guten Zeiten der In⸗ duftrie, die immer mit den guten Zeiten der Eisenbahn zusammen⸗ fallen, sagt immer die Eisenbahnverwaltung: „Es geht Euch so gut, daß Ihr keine Tarifermäßigung braucht“, und in den schlechten Zeiten sagt die Eifenbahnverwaltung: „Ja, jetzt geht es uns auch schlecht, und wir können deshalb nicht noch Tarifermäßigungen gewähren.“ Schlechte und gute Zeiten können überhaupt nicht die Grundlage für eine planmäßige Tarifermäßigung bilden, jedenfalls aber muß der Industrie durch eine planmäßige Tarifermäßigung geholfen werden.
Städte eingeführt und auf den vorhandenen Gleisen
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Abg. Korfanty (. : bedauere die ablehnende Haltung des Ministers zu der Frage der Tarifermäßigung für die Leshleeee Gaskohle. Die englische Kohle ist nur Abfallkohle und kann nicht allein zur Gasbereitung benutzt werden, es muß oberschlesische und westfälische Kohle hinzugenommen werden. An dem Wohlergehen der oberschlesischen Kohlenindustrie ist fast eine ganze Million Menschen interessiert. Der Rückgang des Absatzes der oberschlesischen Kohle nach Oesterreich ist durch Maßnahmen der österreichischen Staaatsbahnen verursacht worden, und er ist auch kein vorüber⸗ gehender, denn in Galizien wird immer mehe Naphtha statt der Kohle verwendet, da der ungeheure Naphthareichtum doch irgend⸗ wie verwendet werden muß. Unsere Freunde in Oesterreich, der Polenklub, wird darauf bestehen, daß wenigstens im Westen Galiziens die Kanäle gebaut werden, und wenn das geschehen ist, wird kein Stück oberschlesische Kohle mehr nach Galizien verkauft werden können. Wenn wir die Entwicklung der galizischen Kohlenindustrie sehen und dazu die politischen Verhältnisse mit in Betracht ziehen, so muß man sagen, daß der Minister unrecht hat, wenn er den Rückgang des Absatzes nach Oesterreich nur als einen vorübergehenden ansieht. (Der Redner wird während seiner Aus⸗ führungen zweimal vom Präsidenten von Kröcher darauf aufmerk⸗ sam gemacht, daß diese Ausführungen nicht zu den Tariffragen ge⸗ hören.) Ich will gerade darüber sprechen, daß die Eisenbahn Tarif⸗ ermäßigungen gewähren muß. (Präsident von Kröcher: Sie wollen das sagen, Sie tun es aber nicht. Heiterkeit.) Andere Herren haben viel länger darüber gesprochen, ich polemisiere lediglich gegen den Minister.
Minister der öffentlichen Arbeten von Breitenbach:
Herr Macco ist auf die Frage der Gewährung einer allgemeinen Tarifermäßigung zurückgekommen und hat angeknüpft an die Zahlen, die ich gestern bekannt gab, um darzutun, daß unsere wirtschaftliche Entwicklung glänzend sei, und daß unser Außenhandel sich in ganz ungewöhnlicher Weise entwickelt habe. Es ist mir durchaus gegen⸗ wärtig, daß aus der Steigerung unserer Ausfuhrziffern nicht der Schluß gezogen werden kann, daß an dem Ausfuhrverkehr unter allen Umständen verdient werden muß. Es ist mir sehr wohl bekannt, daß gerade unsere Großeisenindustrie auf die Erhaltung des Exports entscheidenden Wert legen muß, und daß sie unter Umständen auch mit Verlust arbeitet. Aber das steht doch fest, und das wollte ich auch nur beweisen, daß die Tariflage auf den preußischen Staats⸗ eisenbahnen keinenfalls dazu geführt hat, den Export zu hindern; im Gegenteil, unter der gegenwärtigen Tariflage hat er sich außer⸗ ordentlich entwickelt.
Der Herr Abg. Macco wies unter anderm, wie er es auch in früheren Jahren getan hat, auf die amerikanischen Bahnverhältnisse und die dortige Tariflage hin. Ja, meine Herren, es ist durchaus zu⸗ treffend, daß auf weite Entfernungen auf den Hauptlinien der großen Bahnunternehmungen der Vereinigten Staaten gerade diejenigen Güter, welche die Großeisenindustrie interessieren, also Kohlen und Erze, billiger gefahren werden; auf mittlere und kurze Entfernungen werden sie jedoch teurer befördert. Wenn man im Lande weiter Umschau hält, stellt man fest, daß auf den Linien, die nicht Konkurrenzrouten und auch nicht Routen sind, die den Verkehr auf große Entfernung be⸗ dienen, viel teurer, ja drei⸗bis viermal teurer als auf deutschen Eisen⸗ bahnen gefahren wird. Das sollten wir uns merken, wenn solche Vergleiche herangezogen werden. Und dann noch eins! Die großen Bahnunternehmungen in den Vereinigten Staaten sind auf dem Wege, eine umfassende Tariferhöhung durchzuführen, weil sie erkannt haben, daß sie bei den heutigen Tarifen nicht mehr bestehen können. Wenn diese Erhöhung noch nicht durchgeführt ist, so beruht das lediglich darauf, daß das Bundesverkehrsamt den Bahnen in den Arm gefallen ist, und daß diese Frage sich daher heute noch in der Schwebe befindet.
Der Herr Abgeordnete meinte weiter: die Selbstkosten der In⸗ dustrie steigen dauernd, und nicht zum letzten deshalb, weil sie die großen Lasten zu tragen hat, die die Sozialpolitik mit sich bringt. Ja, meine Herren, wir haben in der Kommission ziffernmäßig und mit unanfechtbaren Gründen nachgewiesen, daß die Selbstkosten der Eisenbahn ebenfalls in ungeheurem Maße steigen. Wir können also auf diesen Hinweis und diesen Einwand immer nur replizieren.
Sodann meinte der Herr Abg. Macco, daß die Zeiten des wirt⸗ schaftlichen Aufsteigens und des wirtschaftlichen Wohlbefindens immer kürzer, die des wirtschaftlichen Niedergangs immer länger würden. Nach meinen Beobachtungen trifft das nicht zu. Die Zeiten des Niedergangs und des Aufstiegs wechseln sehr schnell, wie wir das aus dem Konjunkturwechsel im Jahre 1901 und in den Jahren 1907/08 ohne weiteres erkennen können. Wir befinden uns heute in auf⸗ steigender Linie, wenn man auch nicht behaupten kann, daß die wirt⸗ schaftliche Lage glänzend ist, obwohl die Staatsbahnverwaltung glänzend verdient.
Weiter meinte der Herr Abg. Maecco, daß die Aufhebung der ermäßigten Kohlenausfuhrtarife, die im Jahre 1907/08 auf starkes Drängen inländischer Kreise im Zusammenhang mit der Kohlen⸗ knappheit verfügt worden ist, einen geradezu unheilvollen Einfluß auf die Entwicklung der Saarkohlenindustrie aus⸗ geübt habe. Mir liegen diese Zahlen auch vor, aber zu meinem Bedauern kann ich dem Herrn Abgeordneten nicht recht geben. Die größte Ausfuhr von der Saar nach dem Ausland hat sich nach der Schweiz vollzogen, und hier ist der Rückgang relativ sehr gering. Die Saar hatte vor der Aufhebung der ermäßigten Ausfuhrtarife eine Ausfuhr von 638 000 t und hat im Jahre 1809/10, also 2 Jahre später, wiederum eine Ausfuhr von 636 000 t gehabt, also nur 2000 t weniger. Ueber den Rückgang der Ausfuhr nach Italien kann ich die Ausfuhrziffern nur für Ruhr und Saar zusammen bekannt geben. Hier ist in der Tat ein Rückgang von 174 000 auf 137 000 t eingetreten; aber an diesem Rückgang sind beide Reviere gleichmäßig beteiligt. Der sonstige Ausfall an Kohlenausfuhr vom Saargebiet nach der französischen Ostbahn und nach Süd⸗ frankreich ist so minimal, daß er auf die Lage im Saarrevier gar keinen Einfluß ausüben kann. So sehr ich bedaure, daß die Lage im Saarrevier auch heute noch unbefriedigend ist, daß der Kohlen⸗ absatz nicht so vorwärts geht, wie es namentlich auch im Interesse der bergmännischen Bevölkerung gewünscht werden muß, so sehr muß ich es ablehnen, daß hier durch das Eingreifen der Staatseisenbahn⸗ verwaltung eine erhebliche Verschlechterung eingetreten sei.
Der Herr Abg. Graf Moltke ist auf eine Frage zurück⸗ gekommen, die wir auch bereits in der Kommission erörtert haben, auf das Verhalten der Staatseisenbahnverwaltung in allen den Fällen, in denen sie genötigt ist, aus Gründen der Durchführung eines glatten Betriebes Umgehungsbahnen bei den großen Städten zu bauen. Auf diesen Umgehungsbahnen wird naturgemäß der Güterverkehr und nicht der Personenverkehr befördert. Der Personenverkehr muß in die
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werden. In allen Fällen berechnen wir den Tarif über die benutzte Linie, und dies gibt unter Umständen Anlaß, eine geringfügige Tarif⸗ erhöhung durchzuführen. Wir haben die Zustände in Hannover ge⸗ habt, wo wir im Interesse einer glatten Durchführung des Personen⸗ zugverkehrs durch die Stadt mit großen Kosten die Güterumgehungsbahn gebaut haben; wir haben ähnliche Verhältnisse bei Langendreer und bei Cöln. Es ist richtig, daß hier Tariferhöhungen eingetreten sind. Sie würden kilometrisch in geringem Maße zu Buche schlagen, wenn nicht eben die Berechnung unserer Abfertigungsgebühren unter Um⸗ ständen dazu führte, daß beim Uebergang von einer bestimmten Kilo⸗ meterzahl auf ein Kilometer höher ein Sprung von drei Mark ein⸗ treten kann. Das ist ein Mißstand, das erkenne ich an, und wir wollen diesen Mißstand dadurch beseitigen, daß wir eine Abstaffelung eintreten lassen. Aber, daß wir von unserem Prinzip abgehen, das kann ich nicht in Aussicht stellen. Wir müssen ja bei dem Bau von Nebenbahnen und auch Hauptbahnen, von neuen Abfuhrlinien ganz bedeutende Kürzungen unserer Tarife hinnehmen, die dem Verkehr in weitestem Maße zugute kommen. Ich erinnere nur an die große Abkürzung, die wir jetzt im Siegener Revier bauen von Weidenau nach Dillenburg, wo durch die neue zweigleisige Bahn, die wir da bauen, eine Abkürzung von nicht weniger als 30 km in der Richtung auf Gießen eintreten wird, die diesem großen Verkehr, der über die Linie fortgeht, zugute kommt. Wenn wir alljährlich solche Abkürzungen über uns ergehen lassen und die Tarifermäßigungen hinnehmen müssen, dann, meine ich, ist es auch billig, diese geringen Erhöhungen, die sich lediglich aus Gründen des Betriebes ergeben, ebenfalls hinzunehmen.
Die Sorge des Herrn Abg. Korfanty wegen des Verlustes des österreichischen Marktes gegen die oberschlesische Kohlenindustrie kann ich nicht teilen. Ich weiß nicht, ob er meinen zahlenmäßigen Angaben vorhin zur Genüge gefolgt ist. Der Verlust ist eingetreten im Ver⸗ kehr mit Galizien und mit Böhmen; im Verkehr mit dem übrigen Oesterreich einschließlich Wien, was sehr stark zu Buche schlägt, ist auch in dem schlechtesten Jahre eine Steigerung des Verkehrs ein⸗ getreten. Meine Herren, die Politik hört auf, wo Geldinteressen in Frage kommen, davon bin ich fest überzeugt. Wenn die wirtschaftliche Lage in Oesterreich wieder aufsteigt, dann nehmen sie die Kohle von da her, wo sie ihnen am billigsten geboten ist; wenn die preußisch⸗ oberschlesische Kohle billiger ist, nehmen sie selbstverständlich diese Kohle, und in diesen Zustand wird, wie wir annehmen, in nicht ferne Zeit auch die österreichische Industrie übergehen. Das kann niemand dem österreichischen Staate verdenken, daß er auf die Förderung der eigenen Industrie bedacht ist und den Absatz seiner Kohle, soweit es an ihm liegt, begünstigt. Einem solchen technischen Vorgang, wie er sich jetzt in Galizien vollzieht, daß man das Rohpetroleum zur Heizung der Maschinen verwendet, können wir nicht entgegenwirken. Wir können uns im Gegenteil nur dessen freuen, daß die Oesterreicher so weit sind.
Was die Beförderung von Schlacken aus dem Auslande nach dem oberschlesischen Revier betrifft, so ist es zweifellos richtig, daß wir, wenn wir Schmelzmaterial von dorther beschaffen können, ver⸗ pflichtet wären, durch Tarifermäßigungen einzugreifen. Aber das ist der große und erhebliche Mißstand, daß wir im Verkehr mit dem Auslande mit unsern Tarifen garnichts machen können, weil sich die großen Bezugsstellen hart an der Grenze befinden und Tarif⸗ ermäßigungen, wenn sie auch 50 % unserer Sätze ergreifen, nicht wirksam sein würden. Ich kann aber bestätigen, daß die Frage des Bezuges von Schmelzmaterial aus Anlaß der Eingabe der ober⸗ schlesischen Eisenindustrie einer weiteren sehr gründlichen Untersuchung unterliegt.
Was die Detarifierung von Schwefelsäure betrifft, so darf ich feststellen, daß die deutschen Eisenbahnen zu der Versetzung von Spezialtarif 1 in 3 durchaus bereit waren, aber die gesamte Super⸗ phosphatindustrie in ganz Deutschland hat einmütig gegen diese Tarif⸗ ermäßigung Stellung genommen, und es ist uns unmöglich gewesen, bei diesem Einspruche mit einer solchen vorzugehen. Oberschlesien, namentlich die oberschlesische Zinkindustrie, hat darunter jedoch nicht gelitten, daß wir ihr für die Schwefelsäure nicht den billigeren Tarif gewähren konnten; im Gegenteil, es läßt sich feststellen, daß die Lage der oberschlesischen Zinkindustrie nach wie vor sehr glänzend ist.
Abg. Leinert (Soz.): Bei der Verstaatlichung der Eisenbahn hat man nicht beabsichtigt, die Ueberschüsse der Eisenbahn in so großem Maße für allgemeine Staatszwecke zur Verfügung zu stellen, im Gegenteil, die Ueberschüsse sollten zu Verkehrserleichterungen ver⸗ wendet werden. Die Tarifpolitik der Eisenbahnperwaltung läuft aber auf eine Plusmacherei hinaus. Für die Einrichtung der I. und II. Klasse sind sehr große Kosten aufgewendet worden, die Kosten dieser Klassen werden aber durch die Tarife nicht aufgebracht, sondern sie werden von den Reisenden der III. Klasse mitgetragen. Und trotzdem besteht die Absicht, die Fahrpreise der I. Klasse noch herabzusetzen. Der Minister sagte, daß 88 % der Schnellzüge die III. Klasse führten, wir müssen aber verlangen, daß alle Schnell⸗ züge die III. Klasse haben. Im Herrenhaus ist auch über die lururiöse Ausstattung der IV. Klasse gesprochen worden, es wird aber immer noch ganz unglaubliches Wagenmaterial eingestellt. Die neuen Wagen sind allerdings besser geworden, aber es fehlt noch immer an genügender Sitgelegenheik; es ist nicht zu ver⸗ langen, daß die Reisenden IV. Klasse stundenlang stehen müssen. Vielfach ist die IV. Klasse überfüllt. Wir verlangen, daß mehr Rücksicht auf die Reisenden der IV. Klasse genommen wird, und daß namentlich dieselben Gesundheitseinrichtungen geschaffen werden, wie in den anderen Klassen, denn die Bedürfnisse der Menschen nehmen doch nicht in demselben Maße ab, wie der Umfang des Geldbeutels. Wir müssen auch Nichtraucherabteilungen in der IV. Klasse verlangen, zumal das Kraut, das in dieser Klasse geraucht wird, durch die Tabaksteuer noch schlechter geworden ist. In der I. und II. Klasse werden 101 Millionen Menschen befördert, in der III. und IV. Klasse dagegen 925 Millionen, und trotzdem wird auf die I. und II. Klasse viel mehr Rücksicht genommen. Der Minister müßte uns eine Statistik darüber vorlegen, wieweit die IV. Klasse im Fernverkehr und wieweit sie im Nahverkehr be⸗ nutzt wird. Die IV. Klasse müßte unbedingt in den Eilzügen ein geführt werden, dann aber auch in den Schnellzügen, die jetzt schen die III. Klasse führen, wenn nicht der Minister den wirklich modernen Weg einschlägt, die IV. Klasse überhaupt abzuschaffen. Die Zeit der Beförderung mit Personenzügen ist unmenschlich lang. Für die I. Klasse wird das Geld geradezu verschwendet. Im Jahre 1909 betrugen die Einnahmen für die I. Klasse, 16 Millionen Mark, und sie sind seit 1899 um 216 000 ℳ gestiegen. Die Einnahmen für die II. Klasse betrugen 104 Millionen Mark und sind um 24 Mil⸗ lionen, d. h. um 30,11 % gestiegen, für die III. Klasse 230 Millionen, 96 Millionen oder 71,73 % mehr, für die IV. Klasse 197 Mil⸗ lionen oder 82,75 % mehr. Die Arbeiterfahrkarten müssen un⸗ bedingt erweitert, auch über 50 km ausgedehnt werden. Aber ü- will den Verkehr für die Arbeiterklasse möglichst erschweren. Sagte doch Graf Limburg⸗Stirum einmal, daß es im politischen Interesse liege, de Reiselust nicht mehr zu sördern. Man will eben die „Eisenbahn⸗
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ragabundenschaft“, wie man sich geschmackvoll ausgedrückt hat, nicht aufkommen lassen. Sonntagskarten müssen in allen Orten vorhanden sein. Sie brauchen nicht zu befürchten, daß ein Landarbeiter dann einmal eine liberale oder gar eine sozialdemokratische Versammlun besucht. Für die Aufklärung der Landarbeiter sorgen schon .10.
sucht. ärung iter sorgen schon Sie mit Ihrer Politik genügend. Der Minister nimmt immer agrarische Wünsche wahr. Der arbeiterfeindliche Block wird schon dafür sorgen, daß auch die IV. Klasse mit der Fahrkarten⸗ steuer betroffen wird. Die Erklärungen des Ministers sind dabei ja gar nicht maßgebend. Wir wünschen überhaupt die Beseitigung der ganzen Fahrkartensteuer. Auch die Schnellzugzuschläge müssen’ be⸗ seitigt werden, denn die Eisenbahnverwaltung hat doch die Schnell⸗ züge in ihrem eigenen Interesse eingelegt. Den Rückgang der Unfälle begrüßen wir. Daß die Verantwortlichkeit der Lokomotiv⸗ führer nach Einführung eines automatisch wirkenden Signals schwinden würde, ist nicht anzunehmen. Es muß nur noch die Dienstzeit der Beamten abgekürzt werden. Der elektrische Ausbau der Staatsbahn muß schnell in Angriff genommen werden; das ist die Staatsbahn⸗ verwaltung dem Verkehr schuldig. Ueber die Petition, betreffend Preisermäßigung für Massenausflüge der Berliner Schulkinder, hat die Kommission Uebergang zur Tagesordnung beschlossen. Wir be⸗ dauern das außerordentlich. Es liegt im Interesse der ganzen Kultur und der Pädagogik, daß die Kinder mehr in die freie Natur kommen. Wir wünschen, daß der Minister ein Minister für Verkehrs⸗Sozial⸗ politik wird und nicht ein Minister für verkehrte Sozialpolitik.
Abg. Dr. Wendlandt (nl.): Auch wir wünschen die Befeitigung der Fahrkartensteuer, aber für die nächste Zukunft ist überhaupt nicht daran zu denken. Deshalb ist unbedingt eine Revision der Personen⸗ tarife notwendig. Die Gütertarife im allgemeinen können nicht herabgesetzt werden, wohl aber ist eine Herabsetzung für Rohstoffe nötiag ebenso eine mäßige Herabsetzung für einige Fertigfabrikate. In Berlin beherrscht die englische Kohle unstreitig den Markt. Das beklagt ja auch der Minister. Das ist hier ein Schulbeispiel dafür, wie notwendig es ist, in manchen Fällen die Tarife herabzusetzen, damit unsere eigene inländische Industrie nicht von der Konkurrenz ausgeschlossen ist. Solche Erscheinungen sind in anderen Ländern, z. B. in Amerika, gar nicht möglich. Dort würde man mit der größten Rücksichtslosigkeit alles tun, um der heimischen Kohle Absatz zu verschaffen. Besonders sind da Ermäßigungen der Tarife notwendig, wo keine geeigneten Wasserstraßen bestehen. Die Industrie ist durch die sozialen Lasten schon außerordentlich belastet; ja es ist eigentlich zu bewundern, daß sie trotzdem noch diese großen Erfolge errungen hat. Aber gerade deshalb muß ihr auf alle mögliche Art und Weise entgegengekommen werden. An der Frage der Gaskohlentarife ist so recht zu erkennen, wie schädlich es st, daß der Eisenbahnminister und der Wasserbauminister eine und dieselbe Person sind. Der Minister ist nicht ein agrarischer Minister, wie hier behauptet worden ist, wir erblicken in ihm den vernünftigen Ausgleich für die sich Widerstrebenden aller Kreise.
Abg. Dr. Schlepp (fortschr. Volksp.): In Dänemark haben die Kinder der Volksschulen mit Ausnahme der Monate Juli und August vollständig freie Fahrt. Wie sollen wir dem Kinde die Liebe zur Schule geben, wenn es nicht die Natur kennen lernt? Der Unterrichtsminister hat die Vornahme von Schul⸗ wanderungen empfohlen. Bei diesen Ausflügen bleiben aber gerade die Aermsten der Armer ü 8 i en kö⸗ die Aermste Armen zurück, die das Geld nicht zahlen können. Hier ist dringend eine Ermäßigung nötig, vielleicht wenigstens in der Weise, daß Kinderfahrkarten auch über 10 Jahre hinaus ausgegeben werden. Der Eisenbahnminister verhindert die Durchführung der guten Absichten des Unterrichtsministers. Abg. Dr. Gru nenberg (Zentr..): Der Minister muß auch seine Aufmerksamkeit auf die große Einführung der englischen Kohle den d aufwärts richten. Bei der Einfuhr werden übrigens nicht die deutf zen Schiffer berücksichtigt, sondern die holländischen Schiffer haben diese Kohlenbeförderung in der Hand. Das Zentrum denkt gar nicht daran, die Fahrkartensteuer für die I. und II. Klasse zu ermäßigen und dafür die IV. Klasse zu belasten. Der Minister sollte uns eine taufmännische Bilanz vorlegen.
Abg. von Böhlendorff⸗Kölpin (kons.) befürwortet Aus⸗
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nahmetarife für Seefische nach Süd⸗ und Südwestdeutschland. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenba ch:
Meine Herren! Ich habe bereits im vorigen Jahre mich zu dem Ansinnen nach weitergehenden Erleichterungen im Fischverkehr sompathisch geäußert. Und es ist nicht dabei geblieben; die beteiligten Direktionen sind mit der Untersuchung der Frage befaßt gewesen. Ich kann mitteilen, daß der Wunsch, im Verkehr von unseren See⸗ häfen nach Süd⸗ und Südwestdeutschland ermäßigte Ausnahmetarife einzuführen, in Bälde erfüllt werden wird. (Abg. von Böhlendorff⸗ Kölpin: Bravo!) Die zuständige Königliche Eisenbahndirektion ist mit den süddeutschen Staatseisenbahnverwaltungen in Verhandlungen darüber, und ich habe keinen Grund zu der Annahme, daß diese Ver⸗ handlungen nicht zu einem günstigen Ergebnis führen werden.
Was die weitere Frage betrifft, ob eine allgemeine Tarif⸗ ermäßigung für den Fischversand durchzuführen sein wird, so kann ich heute eine positive Erklärung noch nicht abgeben. Diese Frage ist von den hauptbeteiligten Direktionen Altona und Han⸗ nover in Verhandlung genommen und wird, falls es zu einer solchen Ermäßigung kommt, jedenfalls den Landeseisenbahnrat beschäftigen.
Der Herr Abg. Dr. Schepp ist auf die Petitionen eingegangen, die zum Zwecke haben, den Volksschülern bei Ausflügen weitere Tarif⸗ ermäßigungen zu gewähren. Die Frage ist in der Budgetkommission, wie mir scheint, recht eingehend verhandelt. Nachdem aber von der Staatseisenbahnverwaltung auseinandergesetzt wurde, welche außer⸗ ordentlichen Ermäßigungen heute bereits allen Schülern gewährt werden, hat man davon Abstand genommen, auf die Staatseisenbahn⸗ verwaltung im Sinne einer weiteren Ermäßigung einzuwirken. Die Schülerfahrten werden zum halben Fahrpreis ausgeführt, d. h. der Schüler ist in der Lage, auf einfache Fahrkarten III. Klasse hin und 8 zu fahren, und damit das Kilometer zu 1 ¼ ₰o zurückzulegen. Wenn Sie davon ausgehen, daß von den Volksschülern, die doch nur bis zum 14. Lebensjahre schulpflichtig sind, annähernd 60 % sich in einem Alter von unter 10 Jahren befinden, so werden Sie annehmen dürfen, daß der überwiegende Teil der Schülerfahrten zu einem Satze von ¾ ₰ für das Kllometer ausgeführt wird. Angesichts dieses niedrigen Satzes schien es nicht angezeigt, eine Einwirkung auf die Staatseisenbahnverwaltung im Sinne der Petitionen aus⸗ zuüben. 8 Nicht anders liegt es bezüglich des Wunsches, im Berliner Stadt⸗, Ring⸗ und Vorortsverkehr weitere Ermäßigungen zu gewähren. Erwägen Sie, meine Herren, daß bei Schulausflügen ein Schüler 20 km zum halben Fahrpreise zurücklegen kann, d. h. zu 15 ₰, so werden Sie zugeben, daß das auch eine außerordentliche weitgehende Ermäßigung ist. Ich habe ein Beispiel gewählt, um zu zeigen, wie weitgreifend heute solche Fahrten schon begünstigt werden. Fiskalität kann man uns in diesem Falle nicht vorwerfen, wenn wir empfehlen, Zurückhaltung zu üben.
Herr Abg. Dr. Wendlandt hat zwei Fragen berührt, die mich in Erstaunen gesetzt haben. Er ist im Zusammenhange mit dem Wunsche, daß dem Antrage Oberschlesiens wegen Gewährung ermäßigter Aus⸗ nahmetarife für Gaskohle nach Berlin entsprochen werden möge, auf die Schiffahrtsabgabe eingegangen und hat sich als ihr Gegner be⸗
auf seiten der Regierung stände. Er hat gemeint, die Einführung der Schiffahrtsabgabe führe zu einer gesteigerten Konkurrenz der Eifen⸗ bahnen zugunsten der Wasserstraßen. Meine Herren, das ist ein ganz grundlegender Irrtum. Der Ausbau der Schiffahrtsstraßen führt zu einer außerordentlichen Stärkung des Schiffahrtsverkehrs und zu einer Minderung der Konkurrenz der Staatseisenbahnen.
Wenn er aber meinte, aus der Entschließung, die in der Frage der Ermäßigung der Gaskohlentarife getroffen ist, könne man so recht erkennen, wie schädlich es wäre, daß der Eisenbahnminister und der Wasserbauminister eine und dieselbe Person sind, so kann ich diesem Gedankengange durchaus nicht folgen. Der Eisenbahnminister ist ebenso, wie der Bautenminister es sein würde, wenn er ein eigenes Ressort verwaltete, Staatsminister und hat bei seinen Entschließungen die allgemeinen Interessen, nicht nur die besonderen seines Ressorts zu berücksichtigen. Dieses ist auch vorliegend geschehen und es hat anerkannt werden müssen, daß in diesem Falle das überwiegende Interesse auf seiten der Schiffahrtsinteressenten gelegen hat.
Meine Herren, Herr Abg. Grunenberg hat auf die bedenkliche Vermehrung der Einfuhr englischer Kohlen über Emmerich hin⸗ gewiesen, und es ist in der Tat erstaunlich, in welchem stark zu⸗ nehmenden Mafe die englische Kohle über Emmerich den Rhein hinaufkommt. Im Jahre 1899 wurden 158 000 t über Emmerich eingeführt und im Jahre 1909 sind es 766 000 t gewesen. Er hat die Staatseisenbahnverwaltung zur Hilfe aufgerufen, um diesem Ein⸗ dringen zu begegnen. Ich bin aber auch völlig außerstande, irgend welche Mittel und Wege anzugeben, wie dieser Konkurrenz begegnet werden soll. Meine Herren, der englischen Kohle steht die Rhein⸗ straße zur Verfügung; sie findet auf den Umschlagplätzen den normalen Tarif und keinerlei Begünstigung vor. Wenn die Ruhrkohlenindustrie, die dicht dabei ist, sich nicht helfen kann, dann sind wir außerstande einzugreifen.
Dann hat Herr Abg. Grunenberg gewünscht, daß eine kauf⸗ männische Bilanz vorgelegt werden möge. Ich bitte den Herrn Abgeordneten, den Betriebsbericht durchzublättern, dann wird er eine solche kaufmännische Bilanz der Staatseisenbahnverwaltung vor⸗ finden.
Herr Abg. Leinert hat eine Blütenlese von Wünschen im Interesse der Förderung und Erleichterung des Verkehrs in der dritten und vierten Wagenklasse gebracht. Ich darf feststellen, daß die deutschen Bahnen und mit ihnen die preußischen Staatseisenbahnen dem Per⸗ sonenverkehr die niedrigsten Tarlfe zur Verfügung stellen, die bekannt sind, und daß dem Arbeiterverkehr an keiner Stelle niedrigere Tarife gewährt werden als auf den deutschen Bahnen, insbesondere auf den preußischen Staatseisenbahnen. Der Arbeiter fährt zum Satze von 1 ₰ für den Kilometer.
Dann darf ich weiter feststellen, daß wir die dritte Klasse nicht nur in 80 % unserer Eil⸗ und Schnellzüge führen, sondern in 88 %, und daß nur 12 % aller schnellfahrenden Züge mit der ersten und zweiten Klasse ausgestattet sind. Ich habe bereits in der Budget⸗ kommission mitgeteilt, daß es uns nicht möglich sein wird, weiter zu gehen; denn es sind die großen Züge für den durchgehenden, zum Teil internationalen Verkehr, die auf die erste und zweite Klasse beschränkt bleiben müssen, weil sie eine stärkere Achsbelastung nicht vertragen.
Dann hat der Herr Abgeordnete bemerkt, wir sollten für die bessere Ausstattung der vierten Klasse Sorge tragen. Er hat aner⸗ kannt, daß die neueren Betriebsmittel, die wir für die vierte Klasse stellen, angemessen ausgestattet sind. Er hat weiter auf die starke Entwicklung des Verkehrs vierter Klasse hingewiesen. Daraus ergibt sich, daß wir unseren Wagenpark vierter Klasse im Laufe der letzten Jahre außerordentlich haben vermehren müssen, und daß der über wiegende Teil der Betriebsmittel vierter Klasse, über die wir ver⸗ fügen, auch gut ist. (Zuruf: Sehr gut!) Im übrigen ist für die Betriebsmittel vierter Klasse eine Reihe von Einrichtungen geschaffen, die erkennen lassen, daß wir den Passagieren, die diese Klasse be⸗ nutzen, eine weitgehende Rücksicht angedeihen lassen wollen. Der Herr Abgeordnete meinte, die vierte Klasse werde in weitem Umfange im Fern⸗ verkehr benutzt. Das trifft zu, aber doch nicht in so weitem Um⸗ fange, wie der Herr Abgeordnete zu glauben scheint. Die Durch⸗ schnittsentfernungen, die die vierte Klasse erreicht, sind verhältnis⸗ mäßig gering; sie werden in unserem Betriebsbericht angegeben ⸗ Danach werden in der vierten Klasse im Gesamtdurchschnitt 29,5 km gefahren, in der ersten Klasse 160 km, in der zweiten 67 km, und in der dritten Klasse 41 km. Ein Passagier vierter Klasse bringt im Durchschnitt 60 ₰, ein Passagier erster Klasse im Durchschnitt 12,15 ℳ auf. Diese Zahlen beweisen, daß die Behauptung des Herrn Abg. Leinert, die erste Klasse erfahre eine unerhörte Bevor⸗ zugung, nicht zutrifft. Die erste Klasse zahlt tatsächlich mehr als 3 ½ mal so viel wie die vierte Klasse, wenn Sie die Schnellzugs⸗ zuschläge hinzurechnen, sogar 4 mal soviel.
Ich bin vollständig außerstande, das Klassensystem in der preußi⸗ schen Staatsbahn zu ändern. Wir würden, wenn wir die erste Klasse beseitigten, wie es Herr Abg. Leinert empfahl, Zustände zeitigen, wie sie in unserem Nachbarlande Belgien vorhanden sind. Dort hat man auch daran gedacht, die erste Klasse zu beseitigen, und, als sich dies als unmöglich herausstellte, dem Verkehr in weitem Umfange soge⸗ nannte coupés réservés zur Verfügung gestellt; es ist also die erste Klasse, trotzdem sie nominell beseitigt ist, in Gestalt dieser Ausnahme⸗ einrichtung tatsächlich bestehen geblieben.
Der Abg. Leinert meinte, der Minister sei rückständig und stehe unter dem Einflusse der agrarischen Mehrheit, weil er daran festhalte, daß die Arbeiterfahrkarten nur innerhalb begrenzter Entfernungen ausgegeben werden sollen. Arbeiterfahrkarten sind teils Arbeiterwochen⸗ karten, teils Arbeiterrückfahrtkarten. Die Grenze ist mit 50 km ge⸗ zogen. Ich glaube, der Herr Abgeordnete wird mit mir darin über⸗ einstimmen, daß Arbeiterwochenkarten über 50 km Entfernung kaum beansprucht werden; denn der Zeitraum, den der Arbeiter verbraucht, täglich hin und her zu fahren, ist recht erheblich und wird noch ge⸗ steigert durch die Zeit für den Zu⸗- und Abgang. Würden wir über die 50 km hinausgehen, so würde kaum eine Benutzung stattfinden.
Anders liegt die Sache bei den Arbeiterrückfahrkarten. Diese Frage ist im hohen Hause häufig verhandelt worden, und die Parteien sind mit der Staatsregierung völlig darin einig, daß es geradezu notwendig ist, eine Grenze zu ziehen, und daß diese Grenze mit 50 km sehr weit gegriffen ist. (Sehr richtig!) Es prägt sich hierin ein erkennbares Wohlwollen und Verständnis für die Bedürf⸗ nisse der Arbeiterschaft aus. Wenn ich mir vergegenwärtige, in wie geringem Umfange Wünsche an die Staatsverwaltung herantreten,
kannt. Ich hätte geglaubt, daß seine Partei in dieser Frag einmütig
Bestimmungen hinauszugehen, so muß ich sagen, daß die
Wünsche und Beschwerden des Herrn Abgeordneten eine geringe praktische Bedeutung haben. (Sehr richtig!)
Meine Herren, wenn der Herr Abgeordnete mit empfiehlt, die Schnellzugszuschläge zu beseitigen, die uns nach dem Stande des heutigen Verkehrs etwa 13 bis 14 Millionen jährlich bringen, so möchte ich ihn bitten, mir mitzuteilen, auf welche Weise ich die Differenz decken soll. (Sehr gut! rechts, im Zentrum und bei den Nationalliberalen.) Darum kümmert sich der Herr Abgeordnete nicht. Er spricht von Plusmacherei. Wie kann man von Plusmacherei sprechen, wenn der Reinverdienst der preußischen Staatseisenbahnen so sehr im allgemeinen Staatsinteresse Verwendung findet, zum Nutzen aller Steuerzahler, wie ich nur wiederholt hier feststellen kann. (Sehr richtig! rechts.) Wir sind keine Aktiengesellschaft; was wir verdienen, verdienen wir dem Staate und den allgemeinen Interessen. (Abg. Leinert: Die Kosten der vierten Klasse!)
Die Kosten der vierten Klasse sind nicht erheblich geringer als die Kosten der dritten Klasse. Wenn Sie erwägen, daß die Tarife der dritten Klasse um 50 % höher sind als die Tarife der vierten Klasse und die der ersten Klasse um 300 % höher, dann werden Sie nicht mit Recht behaupten dürfen, daß wir die Passagiere, die die erste, zweite und dritte Klasse bezahlen, begünstigen und bevorzugen.
Wenn der Herr Abgeordnete dann weiter wünscht, daß wir noch mehr für Sitzgelegenheiten in der dierten Klasse sorgen, sie menschen⸗ würdig ausstatten, wie er sich wörtlich ausdrückte, dann darf ich doch darauf hinweisen, daß gerade im Fernverkehr durch die vorhandene Sitzgelegenheit völlig ausreichend gesorgt ist. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Das wissen wir besser als der Abgeordnete. (Abg. Leinert: Fahren Sie mal!) Im Fernverkehr sitzt der über⸗ wiegende Teil der Reisenden; es findet allmählich ein Austausch der Passagiere statt. Im Nahverkehr kann bei voller Besetzung nur die Hälfte sitzen; hier handelt es sich aber bei kurzen Entfernungen um keine besondere Zumutung an den Passagier. Wir müssen durchaus daran festhalten, daß der Unterschied zwischen der dritten und vierten Klasse aufrecht erhalten wird. (Abg. Hoffmann: Probieren geht über studieren! — Bravo! rechts, im Zentrum und bei den National⸗ liberalen.)
Damit schließt die Debatte. 5
„ Abg. Korfanty (Pole) erklärt zur Geschäftsordnung, daß er vom ersten Präsidenten während seiner Ausführungen zweimal zur Sache gerufen sei, obwohl er nur dasselbe Thema behandelt habe wie seine Vor⸗ redner, die Abgg. Henckel von Donnersmarck und Goebel. (Vizepräsident Dr. Porsch erklärt, daß der Redner ja nicht zur Sache gerufen, sondern daß er nur gebeten worden sei, vom Thema nicht so sehr abzuweichen.) (Abg. Hoffmann: Rückzug!) Eine solche Störung des Redners wirke immer sehr unangenehm. Er wolle nicht behaupten, daß das eine Unfreundlichkeit gegen seine Partei gewesen sei. (Abg. Hoffmann: Nur Wohlwollen!) Aber er sei unberechtigterweise zur Sache geruüfen worden. ABVizepräsident Dr. Porsch stellt noch einmal fest, daß der Abg. Korfanty nicht zur Sache gerufen worden sei. Darüber, ob er vom Thema abgeschweift sei, könne man verschiedener Meinung sein.
Die Etattitel der Einnahmen aus dem Personen⸗ und Ge⸗ päckverkehr und aus dem Güterverkehr sind damit erledigt, die Petilionen werden nach dem Vorschlage der Kommission erledigt.
Die übrigen Einnahmen genehmigt das Haus ohne Debatte.
Bei den dauernden Ausgaben für die Besoldungen liegt der Antrag der Budgetkommission vor:
die Königliche Staatsregierung aufzufordern, die nicht be⸗ absichtigten Härten, die durch die verschiedenartige Festsetzung der
Gehaltssätze der Eisenbahnassistenten in Preußen und im
Reich geschaffen sind, durch geeignete Maßregeln unter Festhaltung
an den Bestimmungen der Feeis Hungsoepmanh ee ehen.
Abg. Schmedding⸗Münster (Zentr.): Die Regierung hat erklärt, daß nach der unter Belastung der Steuerzahler vorgenommenen all⸗ gemeinen Besoldungserhöhung an eine weitere Aenderung nicht ge⸗ dacht werden könne. Es bestehen aber für die Eisenbahnassistenten Härten und Ungleichheiten, die durch die neue Besoldungsordnung hervorgerufen sind.
Abg. Beyer⸗Dortmund (Zentr.): Als praktischer Eisenbahn⸗ beamter weiß ich, daß noch nicht alle unsere Wünsche erfüllt sind. Trotzdem erkennen wir an, was von der Verwaltung in den letzten Jahren für die Beamten geschehen ist. Im Gegensatz zu dem Eisenbahnerstreik in Frankreich muß der Verein preußischer Eisen⸗ bahnbeamten als durchaus zuverlässig und national bezeichnet werden. Die Löhne unserer Eisenbahnbeamten sind aber an vielen Stellen, z. B. in Breslau, Unterhausen, Crefeld, Dortmund usw., noch nicht als normal zu bezeichnen, und die Beamten wünschen ein rascheres Tempo in der Lohnerhöhung. Namentlich wird darüber geklagt, daß in be⸗ nachbarten Orten mit ganz gleichartigen wirtschaftlichen Verhältnissen mit der Lohnerhöhung ungleichmäßig vorgegangen ist. Würde die An zahl der Jahre bis zur Erreichung des höchsten Lohnsatzes herabgesetzt, so würde im nächsten Jahre von selbst eine Lohnerhöhung eintreten können, ohne daß der Etat dadurch erhöht würde. Nur ein kleiner Teil der Arbeiter rückt in das Beamtenverhältnis auf. Die feste An⸗ stellung der Arbeiter ist allerdings eine Forderung, die so un⸗ erfüllbar ist, wie der Zukunftsstaat, das haben die Arbeiter selbst eingesehen. Die Arbeiter stehen noch immer unter der vierzehn⸗ tägigen Kündigung, aber es sollte wenigstens für das Alter der Arbeiter, die jahrzehntelang im Dienst gewesen sind, besser geforgt werden. Die Arbeiterausschüsse müssen weiter ausgebaut werden. Dankbar er⸗ kenne ich an, daß der Minister in den letzten Jahren den Arbeiter⸗ ausschüssen sein besonderes Augenmerk geschenkt hat. Es ist ein Fortschritt, daß die Mitglieder der Arbeiterausschüsse nur von den Direktionen selbst gekündigt werden können. Zu wünschen ist noch, daß alle Arbeiter zu dem Ausschuß zugelassen werden. Die Arbeiterausschüsse müssen von den Arbeitern wie von den Beamten mehr gehört werden; heute kommt es vor, daß die Vorgesetzten nervös werden, wenn Anträge gestellt werden. Die Arbeiterausschüsse sind durchaus noch weiterer Ausgestaltung fähig. Die Belastung der Arbeiter mit Beiträgen für die Pensionskasse B ist zu hoch. Bezüglich der Wohlfahrtseinrichtungen ist nur zu wünschen, daß die Anordnungen des Ministers in dieser Hinsicht auch befolgt werden. Besonders aufbesserungsbedürftig sind die Lohn⸗ verhältnisse der Oberbauarbeiter. Auch die Lage der Hilfsbeamten,
wollen des Ministers. Gegen die Akkordarbeit besteht eine berechtigte Abneigung bei den Arbeitern, die Reparaturarbeiten lassen sich über⸗ haupt nicht gut nach festen Sätzen berechnen: dazu kommt, daß an den Akkordfätzen fortgesetzt geändert wird. Das Akkordsystem wird — wohl nicht ganz abgeschafft werden können, aber ich möchte doch den Minister bitten, es einer genauen Prüfung zu unterziehen. Ich empfehle dem Minister die Wünsche der Werkstättenarbeiter und Werkführer, wie sie in Petitionen niedergelegt worden sind. Zu Werk⸗ führern sollten nur erfahrene, ältere Arbeiter gemacht werden, und die jüngeren Werkführer dürften nicht älteren vorgesetzt werden. Möge das kommende Jaͤhr für die Eisenbahnbandwerker und ⸗arbeiter einen sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt bringen. Die Eisen bahner werden auch in Zukunft treu und gewissenhaft ihre Pflicht erfüllen und treu zu König und Vaterland stehen. 79
Um 4 ½⁴ Uhr wird die Weiterberatung auf Mittwoch 10 Uhr vertagt.
namentlich der Hilfsbeamten des Fahrdienstes, empfehle ich dem Wohl⸗
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