verstanden bin, dasselbe erklärt, aber sie haben zugleich dargetan, in welchem Sinne sie die Deckungsfrage als gelöst betrachten. Der Redner kritisiert dann die Stellung der Sozialdemokratie in Militär⸗ fragen und fährt fort: Der Staatssekretär hat gesagt, die Deckungs⸗ frage müsse auf längere Zeit gelöst werden. Aus diesem Grunde stimme ich gegen die Vorlage.
Abg. Noske (Soz.): Der Abg. Liebert hat sich wohl gehütet, sein Material auf den Tisch des Hauses zu legen. Es würde sich dann herausstellen, daß wahrscheinlich alles unwahr ist, was er uns Sozialdemokraten vorwirft. Seine Schmähschrift: Die Entwicklung der Sozialdemokratie und ihr Einfluß auf das deutsche Heer strotzt von Unwahrheiten gegen die Sozialdemokraten und scheut sich nicht vor Angriffen gegen einen Mann wie Bebel. Er hat absichtlich die Unwahrheit gesagt, wenn er den Sozialdemokraten eine Vorliebe für den Alkohol vorwirft. (Präsident Graf von Schwerin⸗ Löwitz ruft den Redner wegen dieser Aeußerung zur Ordnung.) Er mußte auch wissen, daß die Sozialdemokratie nicht die Urheberin der Attentate und Freundin der Anarchisten ist. Nach diesen Proben kann man ermessen, was es mit den heutigen Behauptungen des Abg. von Liebert auf sich bat. Gewisse Herren haben für ihr Porte⸗ monnaie gesorgt, indem sie für ihre Remonten sich ins Zeug legten. Als der Staatssekretär dies ablehnte, wurde ihm der Vorwurf der Landwirtschaftsfeindlichkeit und Militärfeindlichkeit gemacht. Das Zentrum betrachtet die Heeresvorlage als eine schwere Schädigung der Landwirtschaft, aber ich wette hundert gegen eins, daß die Rede des Dr. Heim gegen die Vorlage verbreitet werden wird. Welche Ueberhebung liegt darin, daß der Abg. von Liebert sagte, daß nur wir den Frieden wollen; damit stellt er das Ausland als Karnickel hin. Die platonischen Friedenserklärungen der bürgerlichen Linken müssen in der Tat den Spott herausfordern, wenn sie ihren Friedensversicherungen nicht den nötigen Druck auf die Regierung hinzufügt. Der Abg. Bassermann hat ebenfalls die deutsche Friedens⸗ liebe stark unterstrichen. Ich frage ihn, welches Interesse haben wir denn auch, den Frieden zu stören? Wir hätten nur die Chance, entweder Prügel zu bekommen oder eine Kriegsentschädigung, die unsere großen wirtschaftlichen Verluste nicht aufwiegt. Die Friedens⸗ liebe ist übrigens nicht eine absolute bei allen Parteien. Ein kon⸗ servatives Mitglied hat in der Kommission sein Bedauern über den langen Frieden ausgesprochen. Die auswärtigen Staaten denken nicht daran, gegen Deutschland zu rüsten. Auch von Osten und Westen haben wir keine kriegerischen Verwicklungen zu befürchten. Ein Interesse an Kriegen hat nur eine kleine Schicht, Armeelieferanten und politische Querköpfe. Die breite Masse des Volkes ist draußen ebenso friedliebend wie bei uns. Sie werden dafür sorgen, daß den herrschenden Klassen das Schwert aus der Hand geschlagen wird. Ein Hauptgrund für die Vermehrung der Rüstungen ist das Heer selbst, da eine große Anzahl von Personen ein Interesse an ihm hat, nämlich das aktive Offizierkorps. Es ist bezeichnend, daß jetzt das Alter der Offiziere wieder zunimmt. Alle diese Leute haben ein Interesse an besseren Avancementsverhältnissen. Das persönliche Interesse deutscher Firmen zeigt sich hier besonders drastisch. Es steht fest, daß nicht zuletzt eine nicht geringe Zahl von Kapitalisten darauf hinarbeitet, daß die Rüstungen kein Ende nehmen. Die Aufstellung des Kriegsministers über die Ausgaben von Deutsch⸗ land und Frankreich für das Heer haben keinen Wert, weil Frank⸗ reich eine viel geringere Bevölkerung hat. Das Milizsystem verdient auch in gesundheitlicher Beziehung den Vorzug vor dem stehenden Heere. Daß diese die Gesundheit schädigen, haben wir auch nicht behauptet. Der Schatzsekretär hat sich über die Deckungsfrage trotz wiederholter Anzapfung nicht geäußert. Mit bloßen Hoffnungen können wir keine neue Vorlage machen. Es kann die Tatsache nicht aus der Welt geschafft werden, daß zwischen dem Kriegsministerium und dem Reichsschatzamt über die Höhe der Gesamtkosten in den nächsten fünf Jahren Meinungsverschiedenheiten bestehen. Der Schatzsekretär hat das Bedenkliche der Finanzlage ausdrück⸗ lich hervorgehoben. Eine Deckung ist für die Heeresvorlage bis zu diesem Augenblicke nicht vorhanden. Der Abg. Erzberger hat dies in der Kommission ebenfalls betont. Ersparnisse nennenswerter Art sind bisher in der Kommission am Militäretat nicht gemacht worden. Solche Abstriche sind auch, wie die Dinge liegen, kaum möglich. Die Bundesstaaten werden die Leidtragenden sein; die Matrikularbeiträge werden über 80 ₰ erhöht werden müssen. Maßgebende Herren des Zentrums haben es als einen Fehler bezeichnet, sich auf 5 Jahre festzulegen. Neue Forde⸗ rungen werden sicher kommen; hat doch der Kriegsminister nur schweren Herzens auf gewisse Forderungen derzichtet. Das Zentrum hat durch den Abg. Haeusler eine Verkürzung der Dienstzeit als Kompensation für die steigenden Militärlasten gewünscht. Jetzt ist davon gar keine Rede mehr. Noch ein Wort über unsere Stellung zum Heere. Wir haben unsere Stellung nicht geändert und werden sie nicht ändern, wir wollen Deutschland nicht wehrlos machen. Wir werden aber in der Heeresverwaltung als Personen minderen Rechts behandelt. Eine törichtere Haltung kann ich mir nicht denken. Sollen wir lediglich das Recht “ tot⸗ geschossen zu werden? Auf die Stimmen und die Stimmung der Sozialdemokraten wird man bei einem künftigen Kriege Rücksicht nehmen müssen. Einer Regierung, die uns als Feinde behandelt, be willigen wir keinen Pfennig.
8
Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:
Nachdem ich von zwei Seiten provoziert worden bin, will ich doch nicht unterlassen, zu erklären, daß die Finanzverwaltung die Anforderungen des neuen Präsenzgesetzes sozusagen in das Programm der laufenden Finanzperiode mit aufgenommen hat und daß sie fest entschlossen ist, die dadurch entstehenden neuen Ausgaben auf der Grundlage der jetzt sich darbietenden Deckung ohne Inanspruchnahme neuer Steuerquellen zu erledigen. (Zuruf links: Abwarten!) Meine Herren, es ist eine sehr schwere Verantwortung, welche ich mit dieser Erklärung übernehme, und nichts liegt mir ferner, als (wie der Herr Abg. Dr. Heim sagte), die Finanzlage in rosigem Lichte erscheinen zu lassen (hört! hört!), nur um Vorspann für die Militärvorlage zu gewähren. Man kann auch nicht behaupten, daß ich das in der Kommission getan hätte. Im Gegenteil, der Herr Abg. Dr. Heim selbst hat ja gesagt, alle meine Erklärungen dort wären mit einem großen Fragezeichen versehen gewesen. Das sind die Fragezeichen, welche ein seiner Verantwortung sich bewußter Schatzsekretär jeder seiner Erklärungen berufsmäßig hinzuzufügen hat. (Große Heiterkeit.) Meine Herren, um zu illustrieren, wie ich das meine, will ich die einzelnen Punkte noch einmal kurz durchgehen, die ich mir erlaubt habe, in der Kommission als die für die kommenden Jahre bestimmenden Faktoren zu bezeichnen. Dabei werde ich dem „Wenn“ jedesmal auch gleich das „Aber“ hinzufügen müssen.
Ich habe gesagt, wir werden in den kommenden Jahren eine wesentliche Erleichterung dadurch erfahren, daß die auf Grund des Finanzgesetzes notwendigen Abbürdungsbeträge künftighin, wegfallen. Das ist der Fall, und wir werden daraus auch eine Verbesserung des ordentlichen Etats herleiten können. Aber, meine Herren, wir müssen uns hüten, daß daraus nicht etwa der Endeffekt entsteht, daß dann weniger Schuldentilgungsbeträge zum außerordentlichen Etat über⸗ geleitet werden und wir infolgedessen etwa gar eine höhere Anleihe für nicht werbende Zwecke haben, als es jetzt der Fall ist. Nachdem es uns gelungen ist, die Anleihe, wie Sie alle zugeben
in den letzten Jahren ganz nesentlich herabzudrücken, es unser Bestreben bleiben, diese Herabdrückung noch
neuen Anforderungen hindurchzukommen. (Lebhafter Beifall.)
Dabei ist auch die Abbürdungsfrage von der größten Bedeutung. Ich habe ferner gesagt, wir können und müssen für die nächsten Jahre mit einer weiteren Verbesserung der Ueberschüsse der Post rechnen. Dabei habe ich aber hinzugefügt, daß es notwendig sein wird, gerade für das Jahr 1912 vorsichtig zu rechnen, denn wir haben für das Jahr 1911 einen ziemlich hohen Mehrbetrag eingesetzt, und wenn wir den 1911 erreichen, was ich auch jetzt noch bestimmt vor⸗ aussetze, werden wir doch nicht mit Sicherheit erwarten können, daß schon im Jahre 1912 ein gleich starkes weiteres Emporschießen stattfindet. Bei den Eisenbahnen habe ich darauf hingewiesen, daß wir uns augenblicklich auf einem recht günstigen Stande befinden; aber, meine Herren — habe ich hinzugefügt — man darf daraus nicht schließen, daß diese besonders günstige Konjunktur immer weiter andauert. Wir rechnen noch immer mit steigenden Ueberschüssen, brauchen aber damit nicht anzunehmen, daß die Ueberschüsse in demselben Maße steigen wie bisher.
Bei den Zöllen und Steuern muß ich ausdrücklich erklären, daß sie Jauch in den letzten Monaten eine recht günstige Entwicklung ge⸗ nommen haben (hört! hört! in der Mitte und rechts); aber, meine Herren (große Heiterkeit links), wir können nun nicht diese Steige⸗ rung dals sich unausgesetzt in derselben arithmetischen oder gar geometrischen Progression fortsetzend denken; wir tun auch in dieser Beziehung gut, vorsichtig zu sein.
Von dem Zuwachssteuergesetz erwarten wir trotz der erheblichen
Einschränkungen, welche Sie die Geneigtheit gehabt haben (Heiterkeit), an diesem Gesetze vorzunehmen, doch noch auf die Dauer nicht un⸗ erhebliche Beträge; aber (große Heiterkeit) für die nächsten Jahre ist doch die größte Vorsicht geboten; denn wenn wir auch in der Lage sind, für den Beharrungszustand mit einem nennenswerten Zuwachs für unseren Etat zu rechnen, so kann ich doch nicht sagen, daß die Wirksamkeit der Steuererhebung gleich von Anfang an in vollem Maße einsetzen wird. Hieraus habe ich mir nun zu schließen erlaubt, daß wir nicht eine Garantie dafür übernehmen können, in jedem einzelnen der Quinquennatsjahre bestimmte Mehrbeträge einzusetzen. Darin ruhte wie ich in parenthesi bemerke, auch nur das kleine Mißverständnis, das in der Kommission zwischen den Darlegungen der Herren Re⸗ ferenten und den meinigen entstanden ist. Ich habe dort erklärt, wir könnten nicht eine Gewähr dafür leisten, daß die Verteilung der Lasten auf die einzelnen Jahre sich genau nach dem Tableau voll⸗ zie hen werde, welches von der Kriegsverwaltung, die sich doch selbst ein Bild von ihren Plänen machen mußte, aufgestellt ist, welches aber auch von der Kriegsverwaltung nicht in dem Sinne als maßgebend betrachtet wird, daß durchaus für jedes einzelne Jahr die betreffende Summe eingesetzt werden müßte. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Dann habe ich mir erlaubt, hinzuzufügen:
geschieht dies (nämlich: bleibt die Verteilung auf die einzelnen Jahre vorbehalten), und unter den weiteren Voraussetzungen — aber auch nur unter diesen —, daß auch in der kommenden fünf⸗ jährigen Periode die Grundsätze strengster Sparsamkeit überall durchgeführt und daß nicht neue Anforderungen erhoben werden, kann ich erklären, daß die Finanzverwaltung mit Bestimmtheit darauf rechnet, den Anforderungen der Heeresvorlage mit den jetzt erschlossenen Mitteln gerecht werden zu können.
Hier, meine Herren, bin ich nun von dem Herrn Abg. Dr. Heim geradezu freudig überrascht worden. Er sagte, man merke bisher von einer Sparsamkeit im Reichshaushaltsetat überhaupt noch nichts. Neuerdings werden wir von allen Seiten derart mit Vorwürfen über unwirtschaftliche, über öde, über leidige Sparsamkeit überschüttet, müssen wir überall einen so erheblichen, sich steigernden Unwillen über unsere Bestrebungen bemerken, daß ich wirklich von Tag zu Tage die ernstliche Befürchtung habe, dieser Unwille werde einmal mit elementarer Kraft hervorbrechen und unsere ganzen Sparsamkeitsbestrebungen über⸗ fluten (hört! hört! — Unruhe), und es würden dann die Anforderungen vielleicht auch aus der Mitte dieses Hauses in verstärkter Weise un⸗ widerstehlich hervorsprudeln. (Hört! hört!)
Wenn Herr Abg. Dr. Heim aber bezeugt, daß bisher die Spar⸗ samkeit gar nicht einmal an den Tag tritt, dann ermutigt mich das, in noch entschiedener Weise auf dem bisherigen Wege weiter zu gehen (Heiterkeit), und ich hoffe hierin auch, wie bisher, was ich dankbar anerkenne, die Unterstützung dieses hohen Hauses zu haben. Nicht eine öde oder negierende Sparsamkeit, sondern eine kraftvolle, reformierende Sparsamkeit im rechten Geiste und am rechten Platze wollen wir auch fernerhin ausüben. (Bravo!l und Zurufe.) Tun wir das, meine Herren, dann wird es uns auch gelingen, durch die jetzigen
Damit schließt die Diskussion.
Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Erzberger (Zentr.,) Dr. Wiemer (fortschr. Volksp.), Noske und Stücklen (Soz.). Abg. von Liebert (Rp.) bemerkt persönlich: Die vom Abg. Noske erwähnte Schrift gegen die Sozialdemokratie habe ich 1904 geschrieben das sind olle Kamellen. In einer neuen Auflage habe ich dann mich bemüht, der würdigen Persönlichkeit des Abg. Bebel, den ich hier kennen gelernt hatte, gerecht zu werden. Das „Soldatenbrevier“ hat einen vollkommen antimilitaristischen Inhalt, wenn es auch schwarz⸗weiß⸗rot gebunden ist und den Reichsadler und die Aufschrift: „Mit Gott, für König und Vaterland“ trägt. Das Kriegsministerium hat die ganze Armee vor dieser Schrift gewarnt. Ueber § 1 hat der Abg. Ledebour (Soz.) namentliche Abstimmung beantragt. Auf Vorschlag des Präsidenten wird diese Abstimmung bis zum Beginn der morgigen Sitzung vertagt und der Rest der Vorlage gegen Sozialdemokraten, Polen und wenige Mitglieder des Zentrums unverändert angenommen. Es folgt die Beratung des Etats für die aus Anlaß eines neuen Friedenspräsenzgesetzes eintretenden Aenderungen in der Ornanssatton des Reichsheeres auf das Rechnungs⸗ jahr 1911. Auf Antrag der Abgg. von Düren und Erzberger (Zentr.) wird der Dispositivvermerk für die Stelle des General⸗ inspekteurs des Militärverkehrswesens, wie folgt, umgeändert: Ein Generalinspekteur des Militärverkehrswesens 13 980 ℳ Gehalt, 6000 ℳ Dienstzulage, 750 ℳ Bureaugeld, Anspruch auf freie Dienstwohnung mit Geräteausstattung und Feuerungsmaterial gegen Einbehaltung von 1980 ℳ. An Stelle der freien Dienst wohnung wird eine Mietsentschädigung von 15 333 ℳ gegen Einbehaltung von 1980 ℳ vom Gehalt gewährt. 5 Rationen.
seitigen;
empfangen hat, oder wenn ein dem Patent General als kommandierender General oder beauftragt Führung eines Armeekorps diese Zulage empfängt. der Dienstzulage von 18 000 ℳ sind 750 ℳ zu Gej bedürfnissen bestimmt. Das Bureaugeld von 750 ℳ komme Wegfall. 99 Im übrigen wird der Etat nach den Beschlüssen der mission genehmigt und folgende Resolution angenommen: ddeen Reichskanzler zu ersuchen, dem Reichstage für das kom Etatsjahr eine Denkschrift über das gesamte Zulagewesen Löhnungszuschüsse im Reichsheere vorzulegen und dem Rei Vorschäge über eine möglichst weitgehende Vereinfachung im I⸗ größerer Sparsamkeit und übersichtlicherer Verwaltung zu m Um 7 ½ Uhr wird darauf die Beratung des Militäͤ auf Freitag 1 Uhr vertagt. 1““ “
nach jiü
11“ ““
Preußischer Landtag. Herrenhaus. 5. Sitzung vom 23. Februar 1911, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
haltenen Anträgen zu den Veränderungen im Personalbef des Hauses wird ohne Debatte genehmigt.
Die Nachweise über die Landgestüte des Staates für 10 und über ihre Betriebsresultate für 1906/07 bis 19098 werden nach dem Bericht der Agrarkommission durch Ken⸗ nahme erledigt.
Die Nachrichten von dem Betriebe der unter der preußif Berg⸗, Hütten⸗ und Salinenverwaltung stehenden Staats für 1909 werden nach einem Referat des Berichterstatter Handelskommission Herrn Dr. Wachler gleichfalls für Kenntnisnahme erledigt erklärt.
In einmaliger Schlußberatung wird der Gesetzente zur Abänderung der Landgemeindeordnung für Provinz Hannover vom 28. April 1859 ohne Debatte dem Antrag des Berichterstatters Herrn Dr. Ehrlichern verändert angenommen.
Die beiden Gesetzentwürfe, die eine Verlegung Landesgrenze gegen Bayern einmal an der preußise Gemeinde Achberg, Oberamt Sigmaringen, sodann an; Eisenbahn von Münster am Stein nach Scheidt vorsehe werden gleichfalls ohne Debatte unverändert angenommen
Der Gemeindevorsteher von Lübars ist in einer Petition um uneingeschränkte Erhaltung der fiskalis Waldungen des Forstbezirks Tegel eingekommen. Agrarkommission schlägt dem Hause vor, die Petition Staatsregierung als Material zu überweisen. Das Haus trih dem Antrage ohne Debatte bei.
Die Handelskammer zu Saarbrücken bittet in eine Petition um ausreichende Versorgung der Saan hüttenindustrie mit Kokskohlen aus dem staatlichen Saarkohlenbergbau, ferner um Herabsetzung Kokskohlenpreise, der Kokspreise und Fabrikations kohlenpreise des staatlichen Saarkohlenbergbaues Die Handelskommission schlägt Uebergang zur Tagesordnuf vor. Das Haus beschließt ohne Debatte in diesem Sinne.
Der Reichsverband der Hutdetaillisten Deutschlands se. I. zu Charlottenburg bittet um Unterdrückung der auf Er zielung von Sonderrabatt gerichteten Bestrebun der Beamten⸗ und Lehrervereine. Nach dem Anmt. der Handelskommission beschließt das Haus ohne Debatte, Petition der Regierung als Material zu überweisen.
Der Präsident Freiherr von Manteuffel teilt dann zu Geschäftslage mit, daß demnächst die Gesetzentwürfe über! Pflichtfortbildungsschulen, die ländlichen Fortbildungsschul in den Provinzen Brandenburg, Pommern usw. so⸗ über die Zweckverbände beraten werden sollen. 2 Entwurf für die läündlichen Fortbildungsschulen verschiedenen Provinzen wird der Agrarkommission, der ile die Pflichtfortbildungsschulen einer besonderen Kommis von 15, der über die Zweckverbände einer solchen von 25 M. gliedern überwiesen. Die Sonderkommissionen werden seoset gewählt und werden sich unmittelbar nach der Sitzung ko stituieren.
Nächste Sitzung unbestimmt, wahrscheinlich
nächsten Monats. Schluß gegen 2 ½ Uhr.
Haus der Abgeordneten.
34. Sitzung vom 23. Februar 1911, Vormittags 10 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Numme d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die Beratung des Etats der Eisen bahnverwaltung, und zwar zunächst die Besprechung d dauernden Ausgaben für die Beamtenbesoldunget und Arbeiterlöhne in Verbindung mit der des Antra der Budgetkommission, betreffend die Festsetzung de Gehaltssätze der Eisenbahnassistenten, fort.
Abg. Funck⸗Elberfeld (fortschr. Volksp.): Unser Kollege Deliu hat nicht wahllos und ins Blaue hinein die Wünsche der Eisenbahn beamten und ⸗arbeiter vorgetragen, sondern mit sehr vorsicht und sorgfältig überlegter Auswahl; Herr von Hennigs kann mg also darüber beruhigen. Der Besuch von Abgeordneten in Arbeiter versammlungen gefällt dem Herrn von Hennigs nicht; der Vorrene hat ihm darauf meines Ermessens in zutreffender Weise bereits gegnet. Den Eisenbahnarbeitern kann ein Streikrecht nicht s gebilligt werden, das ist auch unser Standpunkt; sie sind ahg wenn sie Lohnerhöhungen usw. betreiben, auf Petitionen und Ver stellungen angewiesen, und da stehen sie unter dem Eindruck, d sie bei ihren vorgesetzten Behörden nicht immer Entgegenkommg damit finden, sondern sich sogar häufig dadurch Maßregelunge⸗ zuziehen. Es scheint festzustehen, daß die oberen Instanzen! Wohlwollen erfüllt sind, daß dies aber vielfach bei den. mittelbaren Vorgesetzten der Eisenbahnarbeiter nicht der Uc. ist. Das hierin liegende Mißtrauen muß die Verwaltung t daß es besteht, beweist doch der Umstand, daß se die Arbeiter und Beamten zum Teil mit ihren Wünschen un Beschwerden an die sozialdemokratischen Abgeordneten wende Das Vorbringen der Wünsche der Arbeiter gehört zu dem⸗ eiserne Bestande der Eisenbahnverwaltung. Man kann also nicht dalr reden, daß wir Wahlreden halten, wie es der Abg. von Hennigs hat. Uebrigens kann ich nur den Herren, die im Glashause üh⸗ raten, nicht mit Steinen zu werfen. (Zuruf des Abg. Ho
el- 98
ffmank
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
Er erhält eine Dienstzulage von 18 000 ℳ — den Mehr⸗
dahin fortzusetzen, wo die endgültige Grenzziehung
ertrag über den Etat —, wenn er diese Zulage bereits
Der Bericht der Matrikelkommission mit den darin „.
dem
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
wischenrufe von Ihrem Platze aus zu machen!) Der Abg. Delius hat der Verwaltung nicht vorgeworfen, daß sie die Gewohnheit hat, mit der einen Hand zu F und mit der anderen zu nehmen. Der Minister hat den Erlaß verteidigt, der die Leiter der Ver⸗ sammlungen zwingt, die Tö- der Versammlungen den orgesetzten mitzuteilen. Die Eisenbahner sträuben sich dagegen, daß die Tagesordnungen einer kritischen Durchsicht unterworfen werden, daß ganze Gegenstände von der Tagesordnung estrichen werden; sts erblicken darin eine Bevormundung. Wir wan en ein gutes Verhältnis zwischen Verwaltung und Beamten und erkennen das Entgegenkommen der Eisenbahnverwaltung an, daß sie die Leute er⸗ hören will. Dann möchte ich dem Minister eine Beschwerde vortragen, die in der hessischen Kammer laut geworden ist. 1897 wurde die Pensionskasse der hessischen Ludwigsbahn in die Eisenbahngemeinschaft mit Preußen aufgenommen. Die meisten Mitglieder, namentlich die verheirateten, blieben in der Kasse, um die entrichteten Beiträge nicht zu verlieren. Die Beiträge der Leute sind nun herabgesetzt worden. Aber auch so stehen sie sich schlechter als die preußischen Beamten. Der Minister müßte hier Wandel schaffen und dafür sorgen, daß die Beiträge beseitigt werden, ebenso das Karenzjahr. Finanzielle Bedenken kommen hier kaum in Frage, da es sich nicht um allzu viele Beamten handelt.
Abg. Giesberts (Zentr.): Auchwir wünschen ein gutes Verhältnis zwischen den Eisenbahnarbeiterverbänden. Um so verwerflicher ist es, wenn der nationale Eisenbahnarbeiterverband in einer Versammlung die christlichen Gewerkschaften in der unerhörtesten Weise ver⸗ unglimpft und in einer Resolution geradezu zum Terrorismus auf⸗ gefordert hat. Wir müssen dies aufs entschiedenste zurückweisen. Der Abg. Beyer ist 36 Jahre im Eisenbahndienste gewesen, und ich selbst habe fünf Jahre in einer Eisenbahnwerkstätte gearbeitet; wir sollten gegen solche Angriffe geschützt sein. Die christlichen Ge⸗ werkschaften stehen auf dem Boden der bestehenden Ordnung, und ein Verband, der Arbeiterinteressen vertritt, müßte am wenigsten christliche Gewerkschaften in dieser Weise bekämpfen. Der ee sollte auch unsere parlamentarische Tätigkeit mehr schätzen. Dieselbe Mahnung möchte ich an den sozialdemokratischen Eisenbahnerverband richten, der uns politisches Gaukelspiel vorgeworfen hat. Wir sind doch ernste Männer. Wir wollen uns nicht solche Vorwürfe machen, sondern praktische Politik treiben. Der „Vorwärts“ hat heute einen Artikel gebracht mit der Ueberschrift: Scharfmacher Breitenbach. Der Artikel enthält stark reklamenhafte Uebertreibungen. Gewiß gibt es in den Eisenbahnwerkstätten sozialistisch gesinnte Leufte. Die Verwaltung ist aber weit entfernt von Gesinnungsschnüffelei. Der Abg. Leinert hat sich darüber beklagt, daß in einer Kolonne ältere und jüngere Arbeiter mit höheren und niederen Lohnsätzen zusammenarbeiten. Will er etwa, daß jeder junge Dachs gleich die hohen Lohnsätze bekommt? Der Weg, den die Eisenbahnverwaltung eingeschlagen hat, ist der einzig richtige. Der Abg. Leinert hat sich darüber beklagt, daß die Eisenbahnarbeiter zu einem Beitrag für ein Jubiläumsfest veranlaßt werden. Das ist doch kein großes Unglück. Die Arbeiter sollen doch auch eine Freude an Resultat ihrer Arbeit haben. Die Arbeiter sammeln doch auch so und so oft, wenn es sich um das Jubiläum eines Kollegen handelt. Die christlichen Arbeiter haben den Streik als Mittel zur Erreichung besserer Lohnbedingungen ausgeschlossen. Das Mittel, durch das sie ihre Wünsche zum Ausdruck bringen können, ist das Parlament. Für den Nachtdienst müßten die Zu⸗ schläge besser geregelt werden. Auch könnte die Nachtzeit, die jetzt von 8 Uhr Abends bis 5 Uhr Morgens rechnet, noch um eine Stunde ausgedehnt werden. Die Wohltaten des Arbeitskammergesetzes sollte man auch auf die Eisenbahnarbeiter ausdehnen. Die Arbeiter⸗ ausschüsse sind ein außerordentlich wichtiges Erziehungsinstitut für die Arbeiterschaft. Die Lohnstatistik, wie wir sie jetzt haben, mit ihrer Durchschnittsberechnung gibt kein richtiges Bild. Es muß eine bessere Durchsichtigkeit erreicht werden, damit man auch der Agitation mit en niedrigen Löhnen entgegentreten kann.
8 Praͤsident von Kröcher: Herr Hoffmann, ich bitte Sie, 3
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Ich nehme keinen Anstand, meine Freude darüber auszusprechen, in wie trefflicher Weise Herr Abg. Giesberts es verstanden hat, hier die Interessen der Arbeiter der Staatseisen⸗ bahnverwaltung zum Ausdruck zu bringen. (Bravo! im Zentrum.) Ich sehe ganz davon ab, daß der Herr Abgeordnete sich für eine be⸗ stimmte Vereinigung der Staatsarbeiterschaft interessiert; denn die Staatseisenbahnverwaltung steht allen staatstreuen Arbeitervereinen völlig neutral gegenüber. Aber solchen Auffassungen, wie sie hier vertreten wurden, wünsche ich weiteste Verbreitung (Bravo! im Zentrum); sie würden dazu dienen, das Verhältnis der Verwaltung zur Arbeiterschaft weiter zu festigen und zu kräftigen. Ich wünschte freilich auch, meine Herren, daß der schwere Streit, der sich zeit⸗ weilig zwischen den großen Berufsvereinigungen entwickelt und sicher den Interessen der Vereine nicht dient, beigelegt werden möchte; das würde die Interessen unserer Arbeiter nur fördern können. (Sehr richtig! im Zentrum.)
Meine Herren, wenn der Herr Abgeordnete auf eine Aeußerung des Abg. Leinert bezug genommen hat, der mitteilte, daß ein Beamter der Staatsbahnen einem Staatseisenbahnarbeiter gesagt habe, als dieser um Erhöhung der Löhne petitionierte: eßt Buchweizen⸗ grütze statt Fleisch —, so kann ich nur der Auffassung Ausdruck geben, daß eine solche Aeußerung absolut ungehörig ist und auf das schärfste getadelt werden muß. (Sehr richtig!) Wenn ich auf eine solche Aeußerung, wie sie der Herr Abg. Leinert gestern vorbrachte — es war noch eine zweite —, nicht reagiere, so geschieht es nur, weil es anonyme Mitteilungen sind. (Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Wenn der Abg. Leinert mir den Namen des betreffenden Beamten mitteilt, werde ich selbstverständlich mit aller mir zu Gebote stehenden Energie eingreifen; aber auf anonvme Mit⸗ teilungen bin ich nicht in der Lage, irgend etwas zu veranlassen (lebhafter Beifall); würde ich daraufhin eine Enquete veranstalten, so wäre das eine Beleidigung für unsere Beamtenschaft. (Erneute lebhafte Zustimmung.)
Ich bin ferner mit dem Herrn Abg. Giesberts darin einverstanden⸗ daß, wenn wir eine Einwirkung auf unsere Rollfuhrunternehmer in dem Sinne ausüben, daß sie Angestellte, die dem Allgemeinen Deutschen Transportarbeiterverband angehören, nicht dulden, wir auf der anderen Seite auch die Verpflichtung haben, dafür zu sorgen, daß diese Angestellten, die mittelbar der Staatsverwaltung dienen, auch an⸗ gemessen entlohnt werden. Ich kann Ihnen versichern, daß diese Frage im ganzen Staatsbahnbereich verfolgt wird. Wir üben eine
Neichsanzeiger und Königlich Preu
Berlin, Freitag, d
en 24. Februar Einwirkung aus, und diese ist um deshalb recht wirksam, weil wir nur in einem Vertragsverhältnis mit den Unternehmern stehen, das wir jederzeit kündigen können.
Meine Herren, ich nehme Anstand, heute auf die Frage der Lohnstatistik noch einmal einzugehen; es liegt ja ein Antrag vor, und ich glaube, daß diese Frage dann noch einer weiteren Verhandlung unterliegen wird.
Die gesamten Herren Vorredner haben sich auch mit der Frage der Arbeiterversammlungen befaßt, auch mit der Frage, die gestern und vorgestern erörtert worden ist, wegen Beteiligung der Herren Parlamentarier, deren gutes und ausschließliches Recht es ist, an den Versammlungen teilzunehmen. Herr Abg. Eckert meinte, der Ton in unsern Arbeiterversammlungen wäre doch im großen und ganzen gut, sodaß die Verwaltung keinen Anlaß hätte, hier irgendwie kon⸗ trollieren zu wollen, und sie solle auch nicht zimperlich sein, wenn dort einmal Aeußerungen fallen, die unter Umständen etwas ver⸗ letzend wirken können. Meine Herren, so denken wir ja auch; es liegt uns ganz fern, Aeußerungen, die in unseren Arbeiterversammlungen oder in Versammlungen unserer Beamten fallen, auf die Goldwage zu legen. Immerhin aber haben wir doch Anlaß, aufzupassen und dahin zu wirken, daß auch in diesen Versammlungen der Angestellte, der sich an ihnen beteiligt, niemals vergißt, daß er seiner Verwaltung Disziplin schuldig ist. (Sehr richtig! rechts.) Es sind mir gerade aus der letzten Zeit Versammlungen erinnerlich, speziell eine Versammlung des Kartells der deutschen Reichs⸗ und Staats⸗ arbeiterverbände — eines Kartells, das sich jüngst gebildet hat —, auf der die Aeußerungen gegen die Einrichtungen der Verwaltung so scharf und verletzend waren, daß ich sie nur auf das schärfste zurückweisen und mißbilligen kann. Meine Herren, es muß uns dann überlassen bleiben, wenn einer unserer Angestellten die Einrichtungen der Verwaltung, die doch im besten Sinne getroffen sind, heruntersetzt, herabwürdigt, dem Manne zu sagen: wie kommst du dazu? Das, meine ich, muß unser gutes Recht bleiben. (Sehr richtig! rechts.) Ebenso ist es, wenn, wie es mehrfach in solchen Versammlungen ge⸗ schehen ist, über Arbeitslöhne und Arbeitsbedingungen unrichtiges vor⸗ gebracht wird. Wenn das, was dort gesagt wird, in den Ver⸗ sammlungen bliebe, könnte es ja schließlich hingenommen werden; aber es geht in die Presse, die Presse druckt es nach, und da, meine ich, müssen wir verlangen, daß diejenigen, die solche Behauptungen leichtsinnig aufstellen, sie zum mindesten widerrufen. (Sehr richtig! rechts.)
Dann meinte der Abg. Eckert — und darin stimme ich ihm voll⸗ kommen bei —, Arbeiterausschußmitglieder sollen wegen der Wünsche, die sie in den Ausschüssen vorbringen, nicht entlassen werden. Es fällt uns gar nicht ein, ein Arbeiterausschußmitglied, das die Inter⸗ essen der Arbeiterschaft vertritt, uuch wenn den Wünschen des Mit⸗ gliedes nicht näher getreten werden kann, um deswillen zu ent⸗ lassen. Es wird mir auch nicht nachgewiesen werden können, daß Arbeiterausschußmitglieder im Bereiche der preußischen Staatseisen⸗ bahnverwaltung entlassen worden sind, mit Ausnahme einiger Fälle, wo diese Mitglieder sich an Vereinen beteiligt hatten, die wir unter allen Umständen bekämpfen müssen. Dann sind sie aber nicht ent⸗ lassen worden, weil sie Ausschußmitglieder waren, sondern weil sie gegen grundlegende Verwaltungsvorschriften verstoßen haben.
Bezüglich der Mitteilung der Tagesordnung an die Verwaltung kann ich nur mitteilen, daß die Direktionen in keiner Weise veranlaßt und verpflichtet sind, die Tagesordnungen von Ortsversammlungen einzufordern. Ich kann aber nur nochmals meiner Auffassung dahin Ausdruck geben, daß die Arbeiterschaft gut tut, wenn sie der Ver⸗ waltung Mitteilung macht: heute findet eine Versammlung der Staatsarbeiter statt, und ihr dadurch die Möglichkeit gibt, sich an der Versammlung zu beteiligen. Ich glaube, das entspricht dem Ver⸗ trauensverhältnis zwischen der Arbeiterschaft und der Verwaltung. Es würde mich wundern, wenn die Arbeiterschaft eine andere Stellung einnähme, und es ist mir auch hundertfach bestätigt worden, daß die Arbeiter so denken.
Der Abg. Funck hat dann eine Angelegenheit zur Sprache ge⸗ bracht, von der ich annahm, daß sie erst bei einer späteren Stelle des Etats verhandelt werden würde, die Pensionsverhältnisse der Beamten der vormaligen Hessischen Ludwigsbahn. Ich glaube, er hat es deshalb getan, weil diese Frage in Hessen eine gewisse Erregung hervorgerufen hat. Die Verhandlungen im hessischen Landtag haben wir mit Interesse verfolgt, aber nicht mit Freude gelesen. Ich will mich in der Beurteilung dieser Verhandlungen sehr kurz fassen, weil ich eine Kritik vermeiden möchte. Die Auffassungen, die dort zur Geltung gebracht worden sind, sind durchaus einseitige und berück⸗ sichtigen in keiner Weise, welche bedeutenden Opfer die preußische Staaatseisenbahnverwaltung seit mindestens 30 Jahren für die von den Privatbahnen übernommenen Beamten zur Sicherstellung ihrer Pensions⸗ und Reliktenbezüge auf sich genommen hat. Den Beamten der Hessischen Ludwigsbahn ist nichts anderes oder nicht viel anderes geschehen als denjenigen Beamten, die seit dem Jahre 1879 in immer steigender Zahl in die Staatsverwaltung aus ihren privaten Ver⸗ hältnissen übernommen worden sind. Ich bemerke, die meisten Pensionskassen der Privatbahnen, die Preußen verstaatlicht hat, waren insuffizient, in erster Linie die Pensionskasse der Hessischen Ludwigsbahn. Die Insuffizienz dieser Kassen ist schon daraus zu ersehen, daß wir heute von den Mitgliedern aller Kassen an Beiträgen 1 006 000 ℳ beziehen und 13 622 000 ℳ an Pensionen zahlen (hört, hört!), und daß die Ge⸗ meinschaft für die Beamten der Hessischen Ludwigsbahn — der Pensionsfonds ist längst aufgebraucht — einen Zuschuß von über 600 000 ℳ alljährlich zahlen muß. So liegen die Verhältnisse.
Nun gebe ich ohne weiteres zu, daß die Bestimmungen, die die frühere Privatbahn getroffen hatte bezüglich der Pension ihrer Be⸗ amtenschaft, lästige waren, weil die Kasse an sich insuffiztent war und nur gehalten werden konnte durch hohe Beiträge der Mitglieder und starke Zuschüsse der Verwaltung. Auf Grund der Sachlage, wie wir
——— —
6
3 8 1“
Gehalts einen Abzug von je einem Zwölftel gefallen lassen für ihre Pensionsansprüche und die Hinterbliebenenversorgung. Wir haben schon in Anerkennung des Umstandes, daß dieser Betrag hoch war, uns 1905 bereit gefunden, den Beitrag von 7 % auf 5 % herabzu⸗ mindern. Ich habe jetzt im Einvernehmen mit dem Herrn Finanz⸗ minister in Aussicht genommen, vom 1. April 1911 für alle Mit⸗ glieder von Pensionskassen früherer Privateisenbahnen den Beitrag, der geleistet wird, um eine Kassenpension zu beziehen, auf die Hälfte herabzusetzen und zwar in der Erwägung, daß mit der steigenden Staatspension das Interesse an der Pension, die aus der Privatbahn⸗ kasse erworben werden kann, abnimmt. Ferner sollen die Beträge, die für die Ludwigsbahnbeamten in den 5 % in Höhe von 3 % für die Reliktenversorgung stecken, herabgesetzt werden um 2 %, sodaß demnächst die hessischen Ludwigsbahnbeamten statt bisher 5 % nur noch 2 % zu zahlen haben werden. (Bravo!) Das ist ein großes Zugeständnis, das die Beamten sehr wesentlich entlastet. Ein Beamter, der ein Einkommen von 3000 ℳ hat, und seit 1905 noch einen jährlichen Beitrag von 210 ℳ zahlte, wird demnächst nur 60 ℳ Beitrag jährlich zahlen. Außerdem wird er von dem Zwölftel, das er bei jeder Gehaltsaufbesserung für seine Kassen⸗ pension abliefern mußte, nur noch die Hälfte, also ½ zu zahlen haben. Ich hoffe, auf der hessischen Seite anerkannt zu sehen, daß die Gemeinschaftsverwaltung durch diese Regelung ein großes Ent⸗ gegenkommen betätigt hat, und ich hätte gewünscht, daß man im hessischen Landtag auch das Entgegenkommen, daß dieselbe Verwaltung bereits 1905 geübt hatte, angesichts der großen Zuschüsse, die alljährlich zu zahlen sind, anerkannt hätte. (Bravo!)
Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.): Von den Werkführern, die vor der Pensionierung stehen, wird es als eine harte Sache empfunden, daß durch einen neuen Erlaß seit Beginn des vorigen Jahres die Dienstzeit, die sie als Werkstättenvorarbeiter zurückgelegt haben, ihnen mit einem Abzug von drei Jahren nicht mehr angerechnet werden soll, wie es bisher der Fall war. Dadurch werden gerade die älteren Beamten jetzt sehr geschädigt. Die Gründe prinzipieller Natur, die der Minister vorgetragen hat, sind nicht leicht anzufechten, aber es läßt sich vielleicht doch ein Weg finden, daß diese starken Kürzungen der Pensionen in Weise ausgeglichen werden könnten. Diese Ansprüche haben die Leute durch ihre langjährige Dienstzeit erworben und dürfen nicht gegenüber den früheren Kollegen, die unter Anrechnung ihrer Vorarbeiter⸗ dienstzeit pensioniert worden sind, so erheblich zurückgestellt werden. Ich begrüße es, daß der Minister vor einigen Tagen einer Deputation von Arbeitern eine Vermehrung von etatsmäßigen Stellen des Lokomotippersonals in Aussicht gestellt hat. Dadurch könnte die lange Wartezeit der Heizer abgekürzt werden, ferner könnte das System des Kolonnenwechsels eine weitere Ausdehnung erfahren, und schließlich ist dadurch die Möglichkeit gegeben, die Aufmerksamkeit des Lokomotivpersonals zu stärken. Denn alle automatischen Sicherungsapparate haben sich bis jetzt als unzuverlässig erwiesen. Der Heizer ist, wenn er in einer Stunde bis zu 30 Zentner Kohlen verfeuern muß, so in Anspruch genommen, daß er die Strecke nicht beobachten kann. Der Lokomotivführer ist jetzt sehr viel mit der Beobachtung der komplizierten Apparate beschäftigt. Eine wirkliche Besserung würde nur dann zu erreichen sein, wenn zwei Heizer auf der Maschine tätig sind, damit der Lokomotivführer lediglich seine Aufmerksamkeit auf die Strecke konzentrieren kann. Die Verwaltung muß allmählich diesen Standpunkt einnehmen.
Damit schließt die Debatte.
Die Titel der Besoldungen und Löhne werden bewilligt. Der von Mitgliedern aller bürgerlichen Parteien unterstützte Antrag Friedberg wegen Regelung der Gehaltsverhältnisse der Eisenbahnassistenten wird angenommen. Damit ist der gleich⸗
artige Antrag der Budgetkommission erledigt.
Bei den Ausgaben für Pensions⸗ und Wohlfahrts⸗ zwecke, 96 400 000 ℳ, bemerkt
Abg. Imbusch (Zentr.): Wir wünschen, daß die schweren Folgen der Unglücksfälle für die Betroffenen möglichst beseitigt oder erleichtert werden. Die Betriebssicherheit hat erfreulicherweise zugenommen. Den verunglückten Beamten müßte das Krankengeld gleich vom ersten Tage an gewährt werden. Leute, die einmal einen Unglücksfall erlitten haben, können nicht in etatsmäßige Stellen aufrücken und sind infolge⸗ dessen auch in ihren Pensionsbeziehungen geschädigt. In dieser Hin⸗ sicht müßten Verbesserungen eintreten.
Abg. Dr. Flesch (fortschr. Volksp.): Früher hieß dieser Titel nur „Wohlfahrtszwecke“, jetzt „Pensions⸗ und Wohlfahrtszwecke“; es steckt auch in diesem Titel eine ganze Reihe von Verpflichtungen des Staats. Diese Ausgaben müßten getrennt werden, damit man die Verwendungszwecke unterscheiden kann. Der Minister hat erklärt, daß nach versicherungstechnischen Berechnungen die Leistungen der Pensionskasse B nicht erhöht werden könnten, aber mit diesen Be⸗ rechnungen können wir hier nichts anfangen, denn der Staat ist kein Privatunternehmer und kann anders verfahren als ein solcher. Ein Unrecht ist es, daß der Beamte, der eine Dienstwohnung hat, den ganzen Wohnungsgeldzuschuß abgeben muß, auch wenn der Mietswert der Wohnung geringer ist. Gewiß muß der Staat die Wohnungen möglichst billig herstellen, aber doch müssen die Wohnungen zweck⸗ entsprechend ausgestattet werden. Bei den Arbeitern besteht die Be⸗ fürchtung, wenn sie auch ungerechtfertigt sein mag, dgß ihnen die Wohlfahrtseinrichtung entzogen werden könnte, wenn sie sich über Mißstände darin beschweren würden. Deshalb wäre es am besten, daß die Arbeiter mehr bei der Beratung über Wohlfahrtseinrichtungen hinzugezogen würden. Die einzelnen Aufwendungen für die Wohl⸗ fahrtseinrichtungen müßten spezialisiert werden, damit man die Einzel⸗ heiten übersehen kann. 1 1 18 1
Abg. Meyer⸗LTilsit (kons.): Ich spreche dem Minister Dank dafür aus, daß schon im vorigen Jahre die Erhöhung der Pensionen er⸗ möglicht worden ist. Es wird wohl noch erlaubt sein, im Ab⸗ geordnetenhause einem verdienten Minister Dank auszusprechen. Ich bin ein Freund der christlich⸗nationalen Arbeiterbewegung und freue mich deshalb über den guten Ton in den Kundgebungen des nationalen Eisenbahnarbeiterverbandes, die dankbar die Errungenschaften seit der Gründung des Deutschen Reiches anerkennen. Wir können uns freuen, daß diese nationale Arbeiterbewegung ohne Beeinflussung von oben entstanden ist. Die innere Bekämpfung des sozialdemokratischen Terrorismus ist nur möglich durch eine Verstärkung der christlich⸗
nationalen Arbeiterbewegung. 8 8
Die Debatte wird geschlossen.
Abg. Dr. Runze ffortschr. Volksp.) bedauert zur Geschäfts⸗ ordnung außerordentlich die Annahme des Schlußantrags, weil er noch sehr wichtige Angelegenheiten verschiedener Beamtenkategorien 8 vorbringen wollen, der Eisenbahnhandwerker, der Beamten des Außen⸗ dienstes, der Schirrmeister usw.
sie bei der Verstaatlichung vorfanden, mußten die Beamten 7 % an
Beiträgen bezahlen und sich außerdem bei jeder Aufbesserung des
8 8
Abg. Leinert (Soz.) bedauert, 88 das Haus nicht mehr Zeit für die Besprechung der wichtigen Wohlfahrtseinrichtungen habe und