2 —
3yS3ZSg⸗
——
— 2 FSFaöü
— - -— —— —, —
“ G 8 v“ (§ 10 L.⸗St.⸗G.) in der Weise, daß die Parteien das unter Hinzurechnung des Wertes der Rente sich ergebende Gesamtentgelt auf die unbeweglichen und beweglichen Sachen verteilen. Die Urkunden werden dann häufig in der Weise versteuert, daß in voller Höhe des on den Parteien angegebenen Wertes der beweglichen Sachen ein Stempel von ½ vom Hundert und von dem nach Abzug dieses Wertes verbleibenden Reste des steuerpflichtigen Kaufpreisteils ein solcher von 1 vom Hundert angesetzt wird. Diese Art der Versteuerung habe ich im Einvernehmen mit dem Herrn Finanzminister in mehreren zu meiner Entscheidung gebrachten Fällen für unzutreffend erachtet. Sie würde nur dann gerechtfertigt sein, wenn die Rente, deren Wert bei der Versteuerung nicht zum Ansatze gelangt, nur auf dem Grundstück und nicht auch auf dem Zu⸗ behör des Grundstücks lastete. Das ist aber gemäß §§ 1107, 1120 B. G. ⸗B. nicht der Fall. Bei der Versteuerung ist daher zu be⸗
Alcksichtigen, daß der Teil des Kaufpreises, welcher steuerfrei bleibt,
auch als Entgelt für die beweglichen Sachen gilt, und daß deshalb
die beweglichen Sachen nicht nach dem vollen Werte zu dem Satze
z vom Hundert versteuert werden können. Daraus ergibt sich
0 die Notwendigkeit, den nach Abzug des Wertes der Rente verbleibenden steuerpflichtigen Kaufpreisteil in der Weise auf bewegliche und un⸗
bewegliche Sachen zu verteilen, wie es dem Verhältnisse der
Gesamt⸗ * As; C . . entgelts zu den beiden Arten von Sachen entspricht. 8
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. „Gneisenau“ und „Leipzig“ vorgestern in Singapore ein⸗ getroffen und gehen am 27. Februar von dort nach Hongkong in See.
öS
Schanghai ab.
„Jaguar“ geht heute von Hankau nach
In der Zweiten Kammer gab gestern der Staats⸗ minister Dr. Ewald auf eine Beschwerde des Sozialdemokraten Ulrich, betreffend das Verbot der seinerzeit in Langen ge⸗ planten sozialdemokratischen Protestversammlung gegen die Anwesenheit des Kaisers von Rußland, „W. T. B.“ zufolge, nachstehende Erklärung ab: ¹Die Regierung hätte sich geradezu einer Pflichtverletzung schuldig gemacht, wenn sie die Versammlung zugelassen haben würde. Sie würde sich mitschuldig gemacht haben der Gefühllosigkeit gegen die Schwester des Landesfürsten und diesen selbst. Sie würde sich mitschuldig gemacht haben der Verletzung des elementarsten Gebots
des Gastrechts, wie es selbst bei den unkultiviertesten Völkern geübt
werde, und einer politisch ebenso unglücklichen wie moralisch ver⸗ werflichen Beleidigung gegenüber dem Repräsentanten eines großen Volkes. Sie würde sich ferner mitschuldig gemacht haben an den Folgen der Kundgebung, die im Widerspruch stehe mit dem Empfinden der überwältigendsten Mehrheit des hessischen und des deutschen Volkes. Die Regierung habe es darum für ihre Pflicht gehalten, die Versammlung an Hand des Gesetzes zu verbieten. 8
Oesterreich⸗Ungarn.
Die österreichische Delegation setzte in der gestrigen Sitzung die Verhandlung über das Budget des Ministeriums des Aeußern fort.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Abg. Geß mann, die Christlich⸗Sozialen hätten volles Vertrauen zum Grafen Aehrenthal und betrachteten das Festhalten an den traditionellen nahen und innigen Beziehungen zu Deutschland nis die wichtigste Richtlinie der äußeren Politik Oesterreich⸗Ungarns. Was das Verhältnis zu Italien betreffe, so habe Oesterreich⸗ ungarn keinerlei kriegerische Absichten, und seine Rüstungen verfolgten nur den Zweck, sein Kräfteverhältnis zu den europäischen Mächten nicht zu verschlechtern, um für die beiden Bundesgenossen wertvoller zu bleiben. — Der Abg. Masaryk hielt seine Behauptungen in der Vasitsch⸗ Angelegenheit vollkommen aufrecht. — Der Abg. Seliger wandte sich entschieden gegen den jüngsten Erlaß des preußischen Ministeriums des Innern über die Ausweisung der tschechischen Arbeiter und erklärte, dieses Vorgehen der preußischen Regierung, gegen das auch die Vertreter der Sozialdemokraten und der freiheitlichen bürgerlichen Parteien im Deutschen Reichstage und preußischen Abgeordnetenhause protestiert hätten, widerspreche den Staatsverträgen sowie der durch das Bündnis gebotenen Loyalität. Der Redner fragte den Minister des Aeußern, was er zum Schutze der österreichischen Staatsbürger getan habe, und tadelte die schikanöse Behandlung österreichischer Reisenden auf preußischen Kontrollstationen. Schließlich wandte sich Seliger gegen die Elb⸗ chiffahrtsabgaben und forderte die Regierung auf, die vertrags⸗ mäßig festgelegte Freiheit der Elbschiffahrt energisch zu wahren. —
er Abg. Sramek erklärte, er erkenne als Realpolitiker das Bestehen des Dreibundes an und bekenne, daß Deutschland bei der Annexion die Bündnistreue gewahrt habe, doch sei Oesterreich damit vorangegangen, indem es die Einkreisung Deutschlands verhindert habe. Der bestehende Gegensatz des tschechischen Volkes zu Oesterreichs auswärtiger Politik sollte durch das Vorgehen der preußischen Behörden gegen die Slaven nicht verschärft werden. Der Redner verlangte eine Initiative Oesterreichs in der Abrüstungsfrage. Er fragte den Minister, ob es zutreffend sei, daß Oesterreich seine Bereitwilligkeit ausgesprochen habe, über die Möglichkeit der Aufhebung des Berliner Vertrages zu ver⸗ handeln. — Der Abg. Bachmann betonte, daß die Gegensätze der Interessen Deutschlands und Englands den Schwerpunkt der europäischen Politik bildeten. Er begrüßte die Potsdamer Entrevue
ls eine neue wichtige Friedensbürgschaft und sprach schließlich sein Vertrauen in die Leitung der äußeren Politik aus. — Der Abg. Kramarsch erklärte, die Rüstungskredite seien die notwendige Folge des preußischen Militärsystems, das alle anderen Staaten zwinge nach⸗ zufolgen. Es sei sicher, daß die Rüstungen aller europäischen Staaten zu einer Katastrophe führen würden. Oesterreich bleibe nichts übrig, als die Fehler der dreißigjährigen unglücklichen Politik in Bosnien sowie gegenüber den Balkanstaaten endlich gut zu machen. Es sei ein unbestrittenes Verdienst des Barons Burian, in dieser Beziehung in den annektierten Provinzen Wandel geschaffen zu haben.
Aufgabe der äußeren Politik sei es endlich, die Herzen der Balkan⸗
völker und mit ihnen die Herzen des wirtschaftlichen Absatzgebiets wieder zu erobern. — Der Abg. Udrzal sagte, die Deutschen hielten an dem Bündnis mit Deutschland zu dem Zweck besonders fest, damit sie als Minorität in Oesterreich ihre Hegemonie aufrecht erhalten könnten.
Der Minister des Aeußern Graf Aehrenthal stellte fest, daß die Alliancepolitik Oesterreich⸗Ungarns mit Wärme und überzeugenden Argumenten von zahlreichen Delegierten vertreten vorden sei, daß aber auch die Gegner der Allianz mit Deutschland, die diese früher als unnütz und sehr gefährlich bezeichnet hätten, jest mit Recht die bedeutende Stellung hervorgehoben hätten, die Deuts land in Europa einnehme. Er erwähne dies nur als deutliches Symptom dafür, daß die Legenden von der Einkreisung Deutschlands und von der Isolierung der beiden zentraleuropäischen Kaisermächte zu den Toten gelegt werden könnten. Der Minister wiederholte auch die von dem Abgeordneten Chiari genau ausgedrückte Auffassung, daß Oesterreich⸗Ungarn keine Expansionspolitik treibe, seinen Besitzstand aber behalten und gegen jedermann verteidigen wolle, und daß es stark sein müsse, um bündnisfähig zu bleiben und den Frieden zu wahren. In bezug auf Italien begrüßte der Minister insbesondere
85
1“ 8 “ 8. 8 8 1.“ 8 die warmen Worte Grabmayrs, ie er hoffe, zur Klärung der dortigen öffentlichen Meinung beitragen würden. Graf Aehrenthal erklärte in seiner Rede weiter, die Anregung, daß Oesterreich⸗Ungarn und Italien zu zweien die Rüstungen fixieren möchten, beruhe auf falschen Voraussetzungen, da sie von den Rüstungen der anderen Mächte abhingen. Der Annahme, daß Oesterreich⸗Ungarn dadurch auch ein Gegeneinanderrüsten verhindern könnte, brauche er mit Rück⸗ sicht auf das Bundesverhältnis und die freundschaftlichen Gesinnungen Italien nicht direkt entgegenzutreten. Bezüglich des mehrfach ge⸗
ußerten Wunsches, daß endlich mit den Rüstungen ein Ruhe⸗
punkt gewonnen werden möge, erklärte der Minister, daß er jede praktischen Erfolg versprechende diesbezügliche Anregung sym⸗ pathisch aufnehmen und fördern werde. Er teile aber die Ansicht des Abg. Grabmayr, daß nicht die Regierungen, sondern die Völker eine Annäherung und Verständigung brauchten. Mit einer materiellen Abrüstung allein — wenn sie überhaupt möglich und durchführbar sei — werde nicht viel gewonnen. Wenn die Waffen aus Erz ruhen sollten, müsse man auch von den Waffen des Wortes einen vorsichtigen Gebrauch machen, sonst werde eine Atmosphäre des Hasses und der Feindschaft neuerdings groß gezogen. Der Minister ging sodann auf eine Besprechung der handelspolitischen Lage ein und erklärte, man dürfe Deutschland nicht verübeln, daß man ihm als Konkurrenten im nahen Orient begegne. Oesterreich⸗Ungarn stehe mit Deutschland in einem regen wirtschaftlichen Verkehr und habe durch seine Verträge erreicht, was in der Handelspolitik als höchstes Ziel gelte, nämlich die Stabilität. Da Deutschland gleiche Artikel wie Oesterreich⸗Ungarn exportiere und zwar unter günstigeren finanziellen und industriellen Bedingungen, sei diese Konkurrenz nur natürlich. Auch wenn Oesterreich⸗Ungarn kein Bündnis mit Deutschland hätte, würde es die Konkurrenz spüren, wie es die Konkurrenz Frankreichs auf dem Balkan auf dem Ge⸗ biete der Waffenindustrie fühle. Graf Aehrenthal bezeichnete die Anregung zu einer Ausgestaltung der Handelsverträge mit Amerika als außerordentlich wünschenswert. Bezüglich der Pestgefahr verwies er auf die in Mukden zusammentretende Sanitätskommission. Was die Frage der Behandlung österreichischer Arbeiter im Ausland angehe, so sei in dem Artikel sechs des neuen Handels⸗ vertrages mit Deutschland eine entsprechende Grundlage gelegt worden. Zu einer internationalen Regelung dieser sozialpolitischen Fragen sei man aber noch nicht gekommen. Der Minister verwies auf die erfolgreiche Tätigkeit der Konsuln, denen in den meisten eine erfolgreiche Regelung der Arbeiterlegitimationen im Deutschen Reiche zuzuschreiben sei, und denen es auch gelungen sei, eine entgegenkommende Mitarbeit der kompetenten deutschen Behörden herbeizuführen. 85 bezüglich des Auswanderungswesens werde er bemüht sein, eine Besserung herbeizuführen. Was die Anfrage, be⸗ treffend das Protektorat über den katholischen Kultus in Albanien, angehe, so habe sich nichts geändert. Von einem Gerüchte, daß Ver⸗ handlungen zwischen den Mächten über eine Aufhebung der Artikel 23 und 61 des Berliner Vertrages im Gange seien, sei ihm nichts be⸗ kannt. Graf Aehrenthal bat schließlich um die Annahme des Vor⸗ anschlages.
In der gestrigen Plenarsitzung der ungarischen Delegation wurde über das Marinebudget verhandelt.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ trat der Referent Rosen⸗ berg der Ansicht entgegen, daß Oesterreich⸗Ungarn sich bei der Ent⸗ wicklung seiner Flotte nur von dem Bestreben leiten lasse, Deutsch⸗ land einen Dienst zu erweisen, oder daß die Flottenverstärkung eine Spitze gegen Italien habe. — Der Abg. Mezössy hielt die geplante Flotkenentwicklung nicht für notwendig, gab seiner Sympathie für Italien in warmen Worten Ausdruck und erklärte, Oesterreich⸗Ungarn müsse offenbar die Opfer für die Verstärkung der Flotte als Mitglied des Dreibundes bringen. Gegenwärtig bestehe nur zwischen England und Deutschland eine Spannung wegen der Hegemonie im Welt⸗ handel. Ebenso wie Bismarck seinerzeit nicht die Knochen eines
einzigen pommerschew Grenadiers für den Balkan opfern wollte,
könne auch Oesterreich⸗Ungarn sagen, daß ihm dieser Wettbewerb dleschgültig sei. — Graf Stefan Tisza erklärte, abgesehen davon, daß es nicht ratsam sei, sich in Prophezeiungen über die Zukunft einzulassen, müsse man auf die Dienste verweisen, die Deutschland Oesterreich⸗Ungarn gelegentlich der Annexion erwiesen habe, indem es damals seine ganze Macht in die Wag⸗ schale geworfen habe, um sich Oesterreich⸗Ungarn an die Seite zu stellen. Wäre Oesterreich⸗Ungarn nicht im Verbande des Dreibundes, müßte es viel größere Opfer für seine Heeresmacht bringen, um allen Problemen entgegentreten zu können, die an seinen Grenzen von drei Richtungen her auftauchen könnten. Selbst vom Standpunkte des schroffsten Egoismus mache Oesterreich⸗Ungarn ein gutes Geschäft, wenn es im Dreibund verbleibe und alles tue, was mit seiner Erhaltung und damit verbunden sei, daß es im Dreibund nicht nur ein geduldetes, einseitig protegiertes Mitglied, sondern ein solches Mitglied sei, das ebensoviel vom Dreibund empfange als es ihm biete. — Der Abg. Mezössy erklärte, die Kossuthpartei sei für den Dreibund, wolle dies aber nicht durch die Verstärkung der Flotte, sondern durch Kräftigung der Landarmee betätigen. Darauf wurde die Weiterberatung auf heute vertagt.
Wie „W. T. B.“ meldet, ist in Triest bei allen Staatsbehörden und Aemtern der normale Dienst wieder aufgenommen worden. 8
Großbritannien und Irland.
Das Heeresbudget für das Jahr 1911/1912 be⸗ läuft sich laut Meldung des „W. T. B.“ insgesamt auf 27 690 000 Pfd., was eine Verminderung um 70 000 Pfd. bedeutet. Das Budget enthält eine Forderung von 85 000 Pfd. für Lenkballons und Aeroplane und sieht die Umwandlung der Ballonschule in ein Luftschifferbataillon vor. Der Kriegs⸗ minister Haldane führt in seiner Denkschrift aus:
Die jetzige Belebtheit des Handels habe ihre gewöhnliche Wirkung dahin 8 den Rekrutenersatz aus einigen Kreisen zu verringern. Er setze jedoch voraus, daß die volle Etatsstärke der Armee am 31. März vorhanden sein werde. Es sei Vorsorge getroffen worden, an Stelle des Transports durch Pferde in großem Maßstabe den Transport durch Automobile einzuführen. ies schließe eine Re⸗ gistrierung des privaten Automobiltransportwesens ein.
Frankreich.
In der Deputiertenkammer brachte gestern bei der fortgesetzten Debatte über den Bau der Panzerschiffe der Abg. Jaurès einen Antrag ein, die Verhandlung zu ver⸗ tagen, bis die Kammer über den Antrag der Marineunter⸗ suchungskommission Beschluß gefaßt und das gesamte Marine⸗ programm erörtert habe.
In der Begründung seines Antrages bemerkte laut Bericht des „W. T. B.“ Jaurds tronisch, der Vorsitzende der Marineunter⸗ suchungskommission Delcassé scheine plötzlich Optimist geworden zu sein. Das vorgeschlagene Marineprogramm gestatte dem Lande nicht, sich über den geforderten Kostenaufwand Rechenschaft zu geben. Man habe es mit dem Bau so eilig, daß keine Zeit vorhanden sei, die im Schiffsbau möglicherweise eingetretenen Verbesserungen zu prüfen. Die gewählte Artillerie sei von England und Deutschland bereits überholt. — Der Marineminister Boué de Lapeyrdre erklärte, die geplanten Panzerschiffe würden ein 30⸗Zentimeter⸗ Geschütz erhalten, aber man wolle sich hierauf nicht für die Zukunft festlegen. Man beschäftige sich gegenwärtig mit der Frage der 34⸗Zentimeter⸗Geschütze und der Panzertürme. — Delcasss führte aus, die Gesamtkosten des Marineprogramms einschließlich aller Munition würden eine Milliarde 343 Millionen betragen. Das Pro⸗ gramm sei derart gehalten, daß es genau die Stärke der französischen Flotte begrenze, die Lebensdauer ihrer Einheiten und im voraus die Ersatzbauten für die veralteten Schiffe festsetze. Die Untersuchungs⸗
kommission sei mit den Bauplänen und verträgen zufrieden. Der Bau der Schiffe durch die Staatswerften würde eine Verzögerun mit sich bringen, die sich verschlimmern würde, wenn man noch zwei weitere Panzerschiffe baue. Das im Marineprogramm enthaltene Erfordernis sei im Vergleich zu dem Englands, Deutschlands und selbst Italiens sehr bescheiden. Es sei unumgänglich notwendig dieses Programm auszuführen, um dem Lande den notwendigen Schunz zu gewähren. 88
Der Antrag Jaurès 95 Stimmen abgelehnt.
Im weiteren Verlauf der Sitzung begründete der Abg Painlevé (unabhängiger Sozialist) ein Amendement, wonach die beiden für dieses Jahr geplanten Panzerschiffe von den Staatswerften gebaut werden sollen.
Der Vorsitzende der Budgetkommission Berteaur und der Acg. Delcassé erklärten, die Staatswerften würden in zwei oder drei Jahre imstande sein, sich gegen die Privatindustrie zu behaupten gegenwärtig aber wäre ein Bau auf den Staatswerften ein Wagnis⸗
Der erste Teil des Artikels 1 der Vorlage, der zur Be⸗ stellung von zwei Panzerschiffen im Jahre 1911 ermächtigt wurde mit 461 gegen 76 Stimmen angenommen, das Amendement Painlevé dagegen mit 427 gegen 137 Stimmen abgelehnt, nachdem von seiten der Budgetkommission das Ver⸗ sprechen gegeben worden war, daß die folgenden beiden Panzerschiffe von den Staatswerften gebaut werden sollen.
In der Nachmittagssitzung verlangte der Abg. Paul Meunier eine Vervollständigung der Gesetzgebung, um eine Wiedererrichtung der Kongregationen zu verhindern.
Der Abg. Malvy warf dem Ministerpräsidenten im Laufe der Debatte vor, daß er den Klerikalen Zugeständnisse mache und die Wiedererrichtung einer Kongregation in St. Etienne begünstigt habe. — Der Ministerpräsident Briand erwiderte, es seien wegen der Eröffnung freier Schulen zahlreiche Klagen angestrengt worden. Di Kongregationen, die im Boden Frankreichs so starke Wurzeln schlagen hätten, könnten nicht in einigen Monaten verschwinden. Sie würden auf alle Weise versuchen, sich wieder etablieren. Die Schwierigkeiten seien vorauszusehen gewesen. Niemand habe das Recht, der Regierung den Vorwurf machen, daß sie sich durch die Schwierigkeiten habe schrecken lassen oder daß sie ihre Pflicht vernachlässigt habe. Wenn zwischen der Mehrheit und der Regierung eine Verstimmung herrsche, die es der Mehrheit unmöglich mache, der Regierung ihr volles und ganzes Vertrauen zu schenken, so möge die Mehrheit di Gelegenheit ergreifen. Die Regierung sei nicht gewillt, sich ständig durch kleine Intrigen und grobe Unterstellungen verletzen zu lassen Er habe einer Verlängerung der Pacht des Kollegs in St. Etienne bis Ostern nur zu dem Zwecke zugestimmt, daß keine Unterbrech der Studien stattfinden möge. — Der Abg. Grousseau bekle es, daß die Verfolgungen nicht nur ungerecht, sondern auch willkür seien. Die Regierung handle gegen Freiheit, Gerechtigkeit Menschlichkeit.
Der Abg. Malvy brachte eine Tagesordnung ein, in der er volle Anwendung der Kongregationsgesetze fordert, der Abg Drelon eine andere, in der die Erklärung der Regierung g billigt und ihr das Vertrauen ausgesprochen wird, daß sie Kongregationsgesetze sicher durchführen werde. Der Minis präsident Briand lehnte die Tagesordnung Malvy ab, nahm diejenige Drelons an und stellte gleichzeitig die Vertrauens frage. Die Priorität der Tagesordnung Malvy wurde mit 296 gegen 221 Stimmen abgelehnt, die Ta gesordnung Drelon nach dem Bericht des „W. T. B.“ im ersten Teile mit 202 gegen 238 Stimmen, im zweiten Teil mit 436 gegen 83 und im ganzen mit 258 gegen 242 Stimmen angenommen.
In Anbetracht der geringen Mehrheit von 16 Stimmen, die die Regierung in der Debatte über die Anwendung Kongregationsgesetze erhalten hat, versammelten sich die Minister gestern abend, um über ihr weiteres Verhalten Beschluß zu fassen. Eine im Ministerium des Innern vorgenommene Prüft der Abstimmung hat für den ersten Teil der Tagesordn, Drelon für die Regierung eine Mehrheit von 29 Stimme der vier Gruppen der Linken (demokratische Vereinigung, ra kale Linke, Sozialistisch⸗Radikale und sozialistische Republikan ergeben. Bei der Abstimmung über die Tagesordnung ganzen hat die Regierung eine republikanische Mehrheit 26 Stimmen erhalten.
Der Senat hat, obiger Quelle zufolge, unter billigung der Dringlichkeit das internationale Abkommen Unterdrückung des Mädchenhandels angenommen, do von 13 Staaten, darunter auch von Deutschland, abgeschlossen worden ist.
wurde darauf mit 475 gegen
Rußland. Der Ministerrat hat gestern, wie „W. T. B.“ meldes
beschlossen, die Vorschriften vom 4. September 1909 über den Prozentsatz der Juden an den Mittelschulen auch auf
Externen auszudehnen, die dort ihre Prüfungen ablegen Einem weiteren Beschlusse des Ministerrats zufolge wird d südsibirische Bahn in der Richtung Uralsk Orenburg Akmolinsk -— Ssemipalatinsk gebaut werden. Der Bau wid gegen 150 Millionen Rubel kosten. Desgleichen wurde
Kronkosten der Bau der Altaibahn in der Richtung
Ssemipalatinsk- Barnaul, Bijsk und Nowo⸗Nikolajewsk be
lossen.
schlof Die Reichsduma verhandelte gestern über den Ann ein Gesetz über die Einführung der lokalen Selbs verwaltung in Polen auszuarbeiten, was sie einstimmig sur wünschenswert erklärte. Der Vertreter der Regierung sagte die WW arbeitung einer entsprechenden Vorlage zu. Die Duma begann darau die Besprechung einer Gesetzesvorlage über die Auslieferuntg von Verbrechern. Die Vorlage sieht, obiger Quelle zufolge die Gegenseitigkeit in der Auslieferung sowohl bei kriminell als bei politischen Verbrechen vor, falls letztere gegen vo⸗ Leben, die Freiheit, die Gesundheit oder die Ehre eines fremden Staatsoberhauptes verübt worden sind. Die Auslieferumg findet nur unter der Bedingung statt, daß der Ausgeliefere von einem ordentlichen Gerichte abgeurteilt wird, und nun für ein Verbrechen, welches der Grund der Auslieferung se⸗ wesen. 2,4. Das Mitglied der Rechten Samyslowski erklärte im La⸗ der Debatte, Rußland müsse danach trachten, die Auslieferung 8 Verbrechern aller Kategorien von den Nachbarstaaten zu er ang, Man müsse die Nester der Revolutionäre in Paris, London ug anderen Städten zerstören, denn sie fügten der russischen Stan ordnung ungeheuren Schaden zu. Die Regierung müsse verlangen daß fremde Staaten russische Revolutionäre nicht beherbergten.
Die Vorlage wurde angenommen.
8 111.“X“ . 1““ er⸗ In der gestrigen Sitzung der Deputierten amne
interpellierten die Abgg. Eugenio Chiesa Republikanergar⸗ Rosadi (radika!) den Minister des Innern wegen des eag⸗ bots der Aufführung des Stückes „Romanticis
in Florenz.
In Beantwortung der Anfrage erklärte der Unterstaat im Ministerium des Innern Calissano, „W. T. B.“ zufolge, der räfekt von Florenz habe dem Vertreter einer politischen Vereinigung die ihm die Absicht ausgesprochen habe, dieses Stück zum Besten der Vereinigung „Trento“ in Triest mit dem Charakter einer feindlichen Kundgebung gegen eine benachbarte Macht aufzuführen, ent⸗ egnet, wenn die Aufführung diese Bedeutung hätte önne er sie nicht gestatten. Es sei aber kein formelles Gesuch erfolgt und folglich auch kein Verbot. — Der Abg. Chiesa erhob Widerspruch gegen dies Verbot, das tatsächlich doch erfolgt sei erklärte, die Vereinigung, die die Vorstellung geplant habe, ver⸗ folge keinen anderen Zweck als den, die Gesellschaft Dante Alighieri wieder zu beleben, und forderte die Regierung auf, sich nicht dem zu widersetzen, daß das hohe Vaterlandsideal das Volk erhebe, das seine Wiedergeburt und den Ruhm Italiens nicht vergesse. — Desgleichen protestierte Rosadi gegen das Verbot und bedauerte, daß man aus übermäßiger Willfahrigkeit gegen eine benachbarte Macht zurückkehre zu dem veralteten und beschämenden System der Zensur. Auf diese Weise feiere man das Jubelfest des Vaterlandes nicht. — Der Unter⸗ staatssekretär Calissano erwiderte, niemand werde daran zweifeln, daß bei den Vertretern der Regierung die Erinnerungen an die Geschichte Italiens nicht ausgelöscht seien, aber sie kennten auch, von Vaterlandsliebe erfüllt, die ihnen obliegenden Pflichten. Die Haltung des Präfekten von Florenz könne nur einer lobenswerten Absicht zu⸗ eschrieben werden, und er habe sich wahrscheinlich von berechtigten “ der Klugheit leiten lassen. Er, Calissano, werde indessen infolge der Erklärung Chiesas eine neue Untersuchung veranstalten. Damit ist der Zwischenfall erledigt.
Bulgarien.
Der Finanzminister hat der Sobranje einen Gesetzentwurf, betr. Aenderung des allgemeinen Zolltarifs, unter⸗ breitet. Wie „W. T. B.“ meldet, sollen danach die Einfuhr zölle für ausländische Artikel, die in den heimischen Industrie⸗ und Gewerbezweigen ausgedehnte Verwendung finden, herab gesetzt und die Ausfuhr von industriellen und Rohprodukten erleichtert werden. 8
Norwegen. Der Odelsthing hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, ein⸗ stimmig den Gesetzentwurf über die Aufhebung der Vor⸗ rechte der russischen Fischer in Finmarken angenommen.
Im Laufe der Debatte erklärte der Minister des Aeußern, daß zwischen Norwegen und Rußland ein gutes freundnachbarliches Verhältnis bestehe, und wies ferner die in auswärtigen Blättern ver⸗ öffentlichten Gerüchte zurück, daß dem nördlichen Norwegen von Rußland Gefahr drohe.
Amerika.
N ““ —2 ; ‚Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat der ameri kanische Senat gestern den Vertrag mit Japan an⸗ genommen.
△ . 7 8 8 Ces 8 dt 1 Der Ausschuß des Senats hat diesem über das Ab⸗ kommen mit Canada Bericht erstattet, ohne dies Abkommen zu empfehlen. b Asien.
Der russische Gesandte in Teheran hat amtlich den persischen Minister des Aeußern von der Zurückziehung der russis chen Abteilung aus Kaswin in Kenntnis gesetzt. Der Minister hat, „W. T. B.“ zufolge, seine tiefe Dankbarkeit für dies Zeichen der Gewoe it und Ver⸗ Dar . 8 ies Zeichen der Gewogenheit und des Ver⸗ trauens ausgesprochen und hinzugefügt, die persische Regierung werde unbeugsam die traditionellen Freundschaftsbeziehungen mit Rußland unterhalten.
“ . 81 I„ 7
TB1ö1GIö Untersuchung der Todesursache des russischen Konsuls in Ispahan dorthin gesandte Beamte der russischen Gesandtschaft findet die Annahme, daß ein Ver⸗ brechen vorliege, vollbegründet.
Der deutsche Kronprinz ist, „W. T. B.“ zufolge, heute in Bombay eingetroffen und im Gouvernements⸗ gebäude abgestiegen. Nachmittags begibt sich der Kronprinz an Bord der „Arabia“, die unmittelbar darauf die Anker lichtet.
Parlamentarische Nachrichten.
Ddie Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
Der Reichstag setzte in seiner heutigen (135.) Sitzung, welcher der Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen beiwohnte, die Spezialberatung des Militäretats beim Gehalt des preußischen Kriegsministers fort.
8 Abg. Gans Edler Herr zu Putlitz (bkons.) Der vorliegende A16 ein Entgegenkommen gegen die Wünsche des Reichstags in bezug auf größere Uebersichtlichkeit und Sparsam⸗ keit. Der Abg. Muͤller⸗Meiningen hat gestern gesagt, daß er die früheren Sparsamkeitsbestrebungen für einen Mißerfolg ansehe. Ich kann dies nicht zugeben. Bei einem Etat wie dem Militäretat ist Sparsamkeit überhaupt nicht so leicht. Vor zwei Jahren stellte der Abg. Müller⸗Meiningen eine Herabsetzung der Friedenspräsenz⸗ stärke in den Vordergrund; hierin hat er seine Ansicht geändert, und dies ist auch sehr begreiflich. Seine jetzigen Wünsche richten sich auf minderwichtige Gegenstände. Die Abschaffung des Feld⸗ jägerkorps wuͤrde keine Ersparung, sondern eine Mehrbelastung be⸗ deuten, ganz abgesehen davon, daß es sich um keine große Summe bandelt. Die Stellen der Gouverneure und Kommandanten hat die Heeresverwaltung für unentbehrlich erklärt. Der Abg. Müller⸗ Meiningen sprach gestern von Bachrerigebigersnfehtt sete Man muß da unterscheiden zwischen Leuten, die auf nichtverant⸗ wortlicher Stelle stehen, und solchen, die die Verantwortung tragen; man kann da nicht von Sachverständigenunfehlbarkeit reden. Die Frage der Pensionsverhältnisse in den Vordergrund zu stellen, ist heute nicht der richtige Augenblick. Der Reichstag und die Budgetkommission können sich das Zeugnis geben, daß sie in den letzten Jahren gründlich den Etat daraufhin durchforscht haben, 2 etwas gespart werden könnte. Den Kriegsminister bitte ich, ortzufahren in dem Bestreben, den Luxus aus der Armee fernzu⸗ tan. Ein übertriebener Luxus wirkt auf den Geist unseres Offizier⸗ orps wie Gift. Wir sind stets für die Bestrebungen eingetreten, die lilitäranwärter gut zu stellen. Der Gedanke der Ansiedelung von
ilitäranwärtern ist von dem Abg. von Liebert mit dem Argument berärnpft worden, daß die Leute nach 12 jähriger Dienstzeit körperlich 9 mehr geeignet und auch nicht geneigt sein würden, die Arbeit bnes Kleinbauern zu übernehmen. Dieser Gesichtspunkt erscheint mir eim hinfällig. Von einer Bevorzugung des Adels kann beim Avance⸗ ment in der Armee keine Rede sein; ich kann das aus eigener Erfahrung bezeugen, ich habe oft Gelegenhelt gehabt, mit den höheren Militärs 1 verkehren, die beim Avancement mitzusprechen haben. Würde 8* derselben nach solchen Grundsätzen verfahren, so würde er als
8 seinen Posten nicht qualifiziert angesehen werden müssen. ir müssen andererseits den adligen Familien, die, ohne im cült großer Glücksgüter zu sein, ihre Söhne in die Armee scem, dafür dankbar sein, daß sie dies getan und uns geholfen Püen. I omogenität des Offizierkorps aufrecht zu erhalten. 8 die Sozialdemokraten, die doch die Armee in ihrer jetzigen erfassung abschaffen oder doch desorganisieren wollen, in der
11“ nmission so g lach en, erstauner setzen. Ebenso nimmt mich wunder, daß gestern das Militär⸗ kabinett als ein Fremdkörper in der Armee bezeichnet werden konnte. Soldatenmißhandlungen wünscht und billigt auch keiner von uns und wir sind über die Abnahme ihrer Zahl erfreut. Unser Heer in seiner jetzigen Struktur mit seinem jetzigen Offizierkorps ist ein kost⸗ barer Besitz; an seiner Vervollkommnung zu arbeiten, ist Sache der Parteien, ist Sache des gesamten Volkes. Wenn im Deutschen Reich Schule, Bildung und Wohlfahrt im letzten Jahrhundert so großartig vorwärts gekommen sind, so ist das nur möglich gewesen unter dem Schutz unserer Armee. Das preußische Heer hat sich aufgebaut auf einer Organisierung, die uns kein Volk der Welt so leicht nachmachen kann. Von einem demokratischen Volksheer, einem Heer der nackten Klassenherrschaft, ist nichts zu erwarten. Die Mißklänge die sich auch gestern hier wieder hervorwagten, werden übertönt durch das Zutrauen, das die übergroße Mehrheit des Volkes den Offizieren und den Mannschaften entgegenbringt. Unser Heer ist ein Polksheer geworden im Laufe der Zeit; die Zeiten der militärischen Absonderung sind vorüber. Das Heer will sich von der übrigen Be⸗ völkerung nicht hermetisch abschließen, und es tut das auch nicht. Die letzten Wechen und Monate haben uns geteigt, in welcher Einmütigkeit Offiziere und Mannschaften, die vor 40 Jahren die großen Schlachten geschlagen haben, sich auf den Erinnerungsfeiern zusammenfanden. In den Kriegervereinen wird kameradschaftlicher Verkehr und kammeradschaftliche Gesinnung gepflegt. Sie sind treu dem König und in der Liebe zum Heer, in der Anerkennung für das, was das Heer geleistet hat. Wir sollen gewiß nicht auf unsern Lorbeeren ausruhen, aber es ist auch nicht so, wie es von Seiten der Linken manchmal dargestellt wird, daß das Heer unbeweglich und starr wäre. Wer die Geschichte des Heeres seit 1871 verfolgt, muß anerkennen daß Veraltetes und Ueberlebtes abgeschafft ist. Aber die Grundlagen, auf denen das Heer sich aufbaut, müssen erhalten bleiben. Der Bau kann sich ändern, aber das Fundament muß bleiben. Daran haben alle Parteien das größte Interesse, die den Staat so erhalten wollen wie er ist, denn das Heer ist das stärkste nationale Band Volk umschließt. 111“ (Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen (36.) Sitzung, welcher der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnte, zunächst die Beratung des Etats der direkten Steuern, und zwar die gestern abgebrochene allge⸗ meine Debatte über die Einnahmen aus der Ein⸗ kommen⸗ und Vermögenssteuer, fort.
Abg. von Bockelberg (kons.): Wir freuen uns, daß der Finanzminister prinzipiell in den Steuerfragen auf dem Boden steht den auch wir einnehmen. Von der Abteilung III bei den Regierungen könnte eine große Anzahl von Geschäften auf die Vorsitzenden der Veranlagungskommissionen abgewälzt werden. So wird schon jetzt eine große Zahl der Entscheidungen über Anträge auf Ermäßigungen einfach durch den Vorschlag des Vorsitzenden erledigt und durch die Regierung bestätigt. Durch diese und andere Maßnahmen würde eine wesentliche Vereinfachung der Steuerverwaltung herbeigeführt werden. Auch bei den Entscheidungen über Gewerbesteuerberufungen könnte die Erledigung einfach auf bureaumäßigem Wege erfolgen, und nur in solchen Fällen, in denen aus sachlichen Gründen eine Kollegial⸗ behandlung notwendig ist, hat dann die Berufungskommission zu entscheiden. An eine Uebertragung der Steuerveranlagung an eine besondere Finanzbehörde, an die Provinzialsteuerdirektionen kann aber nicht gedacht werden. Meine politischen Freunde legen das größte Gewicht darauf, daß die Verwaltung der direkten Steuern in enger Verbindung mit der allgemeinen Verwaltung bleibt, weil es auf die Er⸗ fassung der gesamten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse an⸗ kommt. Bei der indirekten Steuer ist es etwas anderes, da handelt es sich um die Erfassung von Sachverhältnissen, die von der Persönlichkeit losgelöst sind. Die Steuerveranlagung muß bei den Landräten bezw. bei den Bürgermeistern bleiben. Ein besonderer technischer Steuerkommissar würde von vornherein größerem Mißtrauen be⸗ gegnen, er kann nicht so in die Verhältnisse eindringen, wie der Landrat. Ein solcher Beamter müßte ein höherer Beamter sein; die Verantwortung im Kreise liegt jetzt allein dem Landrat ob, und ein zweiter höherer Beamter daneben wäre nicht möglich: die Ge⸗ schäfte würden dadurch nicht besser geführt werden, jeder von beiden würde das Gefühl haben, daß er nicht die volle Verantwortung zu tragen hätte. Es handelt sich doch um einfache ländliche Ver⸗ hältnisse, und der Steuerkommissar würde in einem Kreise nicht voll beschäftigt sein, er müßte also noch mit anderen Funktionen betraut werden, oder er müßte größere Gebiete für sein Amt er⸗ halten; in einem großen Gebiet würde er aber wieder auf die Auskünfte seiner Unterbeamten angewiesen sein. Es handelt sich gerade darum, die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse richtig einzuschätzen, und dieser Aufgabe würde er nicht genügen können. Das Beispiel von Charlottenburg ist kein Beweis dafür, daß ein steuertechnischer Beamter den Landräten beizugeben sei. In Charlottenburg haben die besonderen Verhältnisse einen Steuerkommissar erforderlich gemacht; der Kämmerer konnte bei seinen anderen Ge⸗ schäften sich nicht auch dem Veranlapangsgeschäft widmen, zumal da die Vermehrung der Bevölkerung und des Einkommens in Charlotten⸗ burg in den letzten Jahren sehr schnell vor sich gegangen ist. Es liegt also ein Ausnahmefall vor, der nichts für die Allgemeinheit beweist. Es ist eigentümlich, daß die Presse sich früher immer über zu hohe Veranlagungen und Schikanierungen, jetzt aber über zu große Nachsicht bei der Veranlagung beschwert. Einer böswilligen Ent⸗ ziehung von der Steuerpflicht ist sehr schwer beizukommen, und daran wird auch ein Spezialist der Veranlagung nichts ändern. Die Ungleichartigkeit in der Besteuerung des größeren und des kleineren Grundbesitzes ist keine Ungerechtigkeit gegen den kleineren Besitz. Unser ganzes Ansiedlungswesen beruht ja darauf, daß durch die Aufteilung der größeren Güter in kleinere die Güter wertvoller gemacht werden. Die Verschiedenartigkeit der Erträge liegt auch vielfach in der Verschiedenheit der Wirtschaftsführung, in der Intelligenz des Leiters und besonders auch in der Verschiedenheit des Bodens begründet. Dies richtig zu erfassen, ist nur jemandem gegeben, der in die Verhältnisse hineingewachsen ist, nicht aber einem noch so gut steuertechnisch ausgebildeten Beamten, dem dies böhmische Dörfer sind. Wirkliche Ungleichmäßigkeiten können durch eine Aenderung des Steuergesetzes, nicht aber durch eine Aenderung der Behördenorganisation beseitigt werden. Es ist bedauerlich, daß einzelnen Landräten vorgeworfen wird, sie begünstigten bei der Steuerveranlagung einzelne Berufsgenossen. Ein Landrat, der dies täte, würde gegen den obersten Grundsatz der preußischen Beamten⸗ radition, die lautere Gesinnung, Gewissenhaftigkeit und Pflicht⸗ erfüllung, verstoßen. Solche Landräte mögen in der Phantasie der freisinnigen Presse existieren, in der Wirklichkeit nicht.
Hierauf nimmt der Finanzminister Dr. Lentze das Wort, dessen Rede in der nächsten Nummer d. Bl. im Wortlaut wiedergegeben werden wirrrd. “ 1.“
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
“ Zur Arbeiterbewegung.
Die im Deutschen Metallarbeiterverband Klempner Berlins und der Ungegend sind, der „Voss. Ztg.“ zufolge, in eine Lohnbewegung eingetreten. Eine außer⸗ ordentlich zahlreich besuchte Mitgliederversammlung gab einem neuen Lohntarif ihre Zustimmung, der von einer Vertrauensmänner⸗ versammlung aufgestellt ist und u. a. folgende Forderungen enthält:
organisierten
Neunstündige Arbeitszeit; die Arbeit wird nur in Zeitlohn aus⸗ geführt; Mindeststundenlohn vom 1. April 1911 ab 80 ₰, vom
— v1“ “ “ 6 181 8
pril 1912 ab 82 ½ ₰, vom 1. April 1913 ab 85 ₰. Für An 8 gelernte im ersten Jahre nach Lehrzeit nicht 3u im zweiten Jahre nicht unter 72 ½ ₰; diese Säpe steigen am 1. April 1912 und 1. April 1913 um je 2 ½ ₰, so daß der Stunden⸗ lohn am 1. April 1913 im ersten Jahre nach beendeter Lehrzeit 72 ½ %und im zweiten Jahre 77 ½ ₰ beträgt. Ueberstunden 25 v. H. Aufschlag, Nacht⸗ und Sonntagsarbeit 50 v H. höher. Bureau wurde beauftragt, den Tarif den Arbeitgebern zu unter⸗ reiten.
Die im Verbande der Schneider und Schneiderinnen organisierte Damenschneider von Elberfeld⸗Barmen haben, „Köln. Ztg.“ mitteilt, den Geschäften einen neuen Lohntarif ein⸗ gereicht. Sie verlangen für selbständige Damenschneider einen Stundenlohn von 75 ₰, für Anfänger von 55 ₰ und für Bügler von 65 ₰. Die Arbeitszeit soll 9 ½ Stunden betragen. Für Ueber⸗ stunden wird bis Abends 10 Uhr ein Aufschlag von 50 %, nach 10 Uhr Abends und für Sonntagsarbeit ein Aufschlag von 100 % gefordert. Die Verbandsleitung hat bis zum 6. März um Antwort Bei einer Firma, die einen Vertrauensmann der Organi⸗ Ih hat, haben die Gehilfen schon jetzt die Kündigung
Aus Ronsdorf wird demselben Blatte gemeldet: Der zwische den Seidenbandfabrikanten und den “ stehende Lohntarif ist kürzlich gekündigt worden. Die Fabrikanten hatten infolgedessen einen neuen Tarif ausgearbeitet. Eine in Ronsdorf abgehaltene Versammlung der Bandwirkergehilfen stimmte dem Ent⸗ wurf mit Mehrheit zu. Anerkannt wurde dabei, daß die Fabrikanten Wiedereinführung des Akkordsystems für Vorrichten abgesehen
(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)
Wohlfahrtspflege.
Der Inhalt des von der Zentrale für private Fürsorge Wim Januar 1910 in 4. Auflage herausgegebenen Buches „Die Wohlfahrtseinrichtungen von Groß⸗Berlin“ war im ver⸗ flossenen Jahre so starken Veränderungen unterworfen, daß es sich als nötig erwiesen hat, einen Nachtrag herauszugeben, der neben den Veränderungen auch die Angaben über eine erhebliche Anzahl neu entstandener Einrichtungen enthält. Der Nachtrag, der einen Um⸗ fang von 27 Seiten besitzt, wird denen, die das Buch erst kaufen wollen, von jetzt an beim Verkaufe beigegeben werden, während er von denen, die es schon besitzen, durch die Geschäftsstelle der Zentrale für private Fürsorge, Unter den Linden 16, bezogen werden kann. Per Preis beiesgt 1 0 “
“ Kunst und Wissenschaft.
„Die Königlich preußische Regierung hat an Stelle des ve storbenen Geheimen Baurats, Louis Jacobi den neu⸗ ernannten Direktor des Saalburg⸗Museums, Baurat Heinrich Jacobi in Homburg v. d. H. als Mitglied in die Römisch⸗Ger⸗ manische Kommission des Kaiserlichen Archäologischen Instituts für die Zeit vom 1. Januar 1911 bis 31. Dezember 1915 berufen.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. 8
Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet den Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche aus: Uhyst, Kreis Hoyerswerda, Re⸗ gierungsbezirk Liegnitz, Nestempohl, Kreis Karthaus, Regserungsbezirk Danzig, Bachenberg, Kreis Altenkirchen, Regierungsbezirk Koblenz, Barmen (Schlachthof), Stadtkreis Barmen, Regterungsbezirk Düssel⸗ dorf, bei Händlervieh, und Neuschöneberg, Kreis Allenstein, Regierungs⸗ bezirk Allenstein, am 23. Februar, sowie aus Rostig, Amtshauptmann⸗ Ffe be Königreich Sachsen, bei Händlervieh, am 24. Fe⸗ bruar
8
G“ Griechenland. v 8 griechische Regierung hat die Einfuhr aus In dien und Egvypten kommender alter Kautschuksäcke, die zur Ver⸗ packung einzelner Warengattungen dienen, verboten.
St. Petersburg, 24. Februar. (W. T. B.) Gestern sind i Charbin 24 Todesfälle an der Pest “ In Wladi⸗ wostock hat die Provinzialpestkonferenz beschlossen, gelbe Arbeiter nicht Japlassen
rkutsk, 24. Februar. (W. T. B.) Die Pestkonferen hat beschlossen, Häute, Leder, Vieh, Getreide “ Peodurt⸗ auch fernerhin durchzulassen; asiatische Murmeltierfelle unbekannten Ursprungs müssen desinfiziert werden, ebenso Postsendungen, Korre⸗ spondenzen und Gepäck aus verseuchten Stationen. In Charbin und Zizikar werden die Europäer untersucht, falls sie kein Gesundheitszeugnis aufweisen; der Billetverkauf an chinesische Ar⸗ beiter wird an bestimmten Stationen eingestellt. Ferner hält es die Konferenz für wünschenswert, in verseuchten Gegenden die Zahl der Passagiere der dritten und vierten Wagenklasse zu normieren. Peking, 24. Februgr. (W. T. B.) Jeden Tag wird ein ent⸗ schiedener Rückgang der Pest gemeldet. Heute sind gemeldet worden: 2 Todesfälle an der Seuche aus Fusiadjan, 18 aus Mukden, 35 aus Kwang⸗tschöngtsze, 15 aus Charbin, 1 Todesfall aus Tientsin. Die Berichte aus der Provinz Schantung unbestimmt, doch scheint sich die Lage dort zu bessern. 8
age.
(Weitere Nachrichten über Gesundheitswesen ꝛc. s. i. d. Dritten Beil
Theater und Musik.
Königliches Opernhaus. 8
38 n der gestrigen Aufführung von Verdis Oper „ 1.a Praviata“ sang Fräulein Jenny Dufau aus Mailand als Gast die Partie der Violetta. Die Dame ist im Besitz eines leichtbeweg⸗ lichen Koloratursoprans. Besondes gut entwickelt und von reizvollem Klang ist die Kopfstimme; dramatisch kraftvolle Töne gibt das Organ, vorläufig wenigstens, noch nicht her. Immerhin läßt gute gesangliche und darstellerische Beanlagung der Künstlerin auf cine weitere erfreuliche Entwicklung hoffen, sodaß man ihrer Verpflichtung für das Königliche Opernhaus zustimmen könnte. Im übrigen nahm die Aufführung unter der Leitung des Kapellmeisters von Strauß einen glatten Verlauf. Den Alfred Germont sang Herr Kirchhoff, den Georg Germont Herr Hoffmann, der für den erkrankten Herrn Bronsgeest eingetreten war.
Das Deutsche Theater bringt am Mittwoch „Hamlet“ Alexander Moissi), Donnerstag Sbaws littwoch ihe Arzt Scheidewege“, Freitag „Faust“ (mit Friedrich Kayßler, Paul Wegener und Else Heims in den Hauptrollen), Sonnabend „Judith“ (mit Tilla Durieux), nächsten Sonntag „Don Carlos“ (mit Bassermann Alexander Moissi, Tilla Durieux und Else Heims). Am Montag, den 6. März, findet die 450. Aufführung des „Sommernachtstraums“ statt. — In den Kammerspielen wird am Mittwoch nächster Woche Sternheims Lustspiel „Der Riese“ wiederholt, für Donnerstag und Sonnabend ist „Lanzelot“ angesetzt, für Dienstag und nächsten Sonntagabend der Shakespeare⸗Molière⸗Abend. Am Freitag findet eine Wiederaufnahme von „Frühlingserwachen“ (mit Alexander Moissi) statt. Montag, den 6. März, geht „Aglavaine und Selysette“, mit Gertrud Eysoldt, Else Heims und Friedrich Kayßler in den Haupt⸗
rollen, in Szene.