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In den Freiheitskriegen haben 16 Israeliten das Eiserne Kreuz
niemandem nachgestanden haben. 1870/71 haben 373 jüdische Soldaten
8 Einzelfälle. Die Katholiken haben Anlaß, für die ehrliche Durch⸗
Grundsatz religiöser Duldung soll auch ferner allen meinen Unter⸗ tanen, welchem Bekenntnis sie auch angehören, zum Schutz ge⸗
Sie haben alle gleichmäßig in den Tagen der Gefahr ihre volle Hin⸗
denn er ist der gute Kampf für das Recht und die Gerechtigkeit.
dem Rüstzeug vergangener Jahrhunderte versehen waren, bei denen
auf Grund ihrer Geburt und ihrer Religion allein schon nicht
Deutscher Reichstag. 136. Sitzung vom 27. Februar 1911, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Nach Annahme des Entwurfs eines Gesetzes über die weitere Zulassung von Hilfsmitglie dern im Kaiser⸗ lichen Patentamt in dritter Beratung setzt das Haus die Spezialberatung des Etats für die Verwaltung des Reichsheeres mit Kapitel 14 Titel 1 der fortdauernden Aus⸗ gaben (Kriegsminister) fort.
Abg. Gröber (Zentr.): Die sozialdemokratischen Mitglieder haben uns zum Vorwurf gemacht, daß wir zwar die Erhöhung der Offiziers⸗ gehälter, nicht aber die der Mannschaftslöhne bewilligt haben. Dieser Vorwurf nimmt sich recht sonderbar aus im Munde von Vertretern einer Partei, die alle neuen Steuern und soeben noch die Zuwachssteuer abgelehnt hat. Es ist auch nicht richtig, wenn durch solche Behauptung der Anschein erweckt wird, als ob für die Soldaten in den letzten Jahren nichts bewilligt worden wäre; die Ausgabe für das Putzzeug, die auf den Etat übernommen worden ist, beträgt 5 Millionen; das ist vielleicht für die Mann⸗ schaften bedeutsamer, als eine Erhöhung der Löhnung um ein paar Pfennige. Ob die Ehrengerichtsordnung von 1874 rechts⸗ gültig ist, ist eine noch wenig geklärte Frage. Die Geltung einer Verordnung, die über 30 Jahre unbestritten be⸗ standen hat, anzufechten, ist eine mißliche Sache, man müßte dazu sehr durchschlagende Gründe anzuführen haben. Soweit sie sich auf Zivilpersonen bezieht, läßt sich ihre Rechts⸗ gültigkeit nicht ohne weiteres anerkennen, wenigstens bezüglich der der Zeugnis⸗ und Eidespflicht, denn dafür fehlt jede gesetz⸗ liche Grundlage. Die Einführungsorder zur Ehrengerichtsordnung von 1874 hat ausdrücklich alle älteren Bestimmungen über das ehrengerichtliche Verfahren aufgehoben; und noch viel weniger kann die Rede von einer solchen Zeugnis⸗ und Eidesverpflichtung sein bei den nichtpreußischen Kontingenten. Auch bezüglich der Rechts⸗ hilfepflicht der Gerichte fehlt es an jeder Handhabe; auch hier operiert man mit einer preußischen Verordnung, auch hier bestehen weitgehende Zweifel. Nach der Order von 1874 sind ja auch die Ehrengerichte gar keine Gerichte mehr, sondern nur noch gutacht⸗ liche Behörden. Ein Ende kann diesen Zweifeln nur bereitet werden, wenn man den Weg der Gesetzgebung beschreitet. Bedenklich sind auch diejenigen neuen Bestimmungen über das Verfahren, die die Stellung des Angeschuldigten verschlechtern. Die militärischen Personen werden auf Ehre und Pflicht vernommen, die Zivil⸗ personen werden vereidigt. Was der Kriegsminister für diese Be⸗ stimmungen angeführt hat, kann die Bedenken nicht zerstreuen. Der Hauptmangel, der der Institution der Ehrengerichte anhaftet, ist, daß sie auch über verabschiedete Offiziere zu Gericht sitzen. Hier liegt die große Gefahr vor, daß politische Momente bei den Entscheidungen der Ehrengerichte Einfluß gewinnen, und diese Gefahr ist bei der Zusammensetzung der Ehrengerichte besonders dringlich. Die Entscheidungen in diesem Verfahren können zur Vernichtung der Ehre und der wirtschaftlichen Existenz eines verabschiedeten Offiziers führen. Darum müssen Kautelen gesucht werden, wie sie auch beim bürgerlichen Strafverfahren vorhanden sind, es müssen die Rechtsmittel erweitert werden. Der Angeschuldigte hat keinen Anspruch, bei der Vernehmung von Zeugen zugegen zu sein, er müßte doch das Recht haben, an die Zeugen Fragen zu stellen. Es ist doch klar, daß zwischen dem Verlesen eines Protokolls und einem mündlichen Verfahren ein großer Unterschied besteht. Den papiernen Protokollen sieht man nicht an, wie der Zeuge ausgesagt hat, welche Stimmungen ihn beherrscht haben, ob er bei der Zeugen⸗ aussage gestockt hat usw. Der Kontingentsherr entscheidet auch nur auf Grund schriftlichen Materials. Man kann hier von einer Kabinettsjustiz sprechen. Der Abg. Gothein hat empfohlen, einmal die Stelle des Chefs des Militärkabinetts aus dem Etat zu streichen. Damit erreichen wir nicht viel. Es wird nur besser werden, wenn das ganze Verfahren geändert, ein Instanzenzug eingeführt wird. Bis dahin wird das ehrengerichtliche Verfahren immer nur ein Ver⸗ fahren sein, das ein gerichtliches nicht genannt werden kann, das aller Kautelen eines gerichtlichen Verfahrens entbehrt. Eine Aenderung läge auch im Interesse des Offtzierstandes selbst. Ich möchte noch übergehen zu der Erörterung der Frage, die eine Verlängerung der Debatte veranlaßt hat. Der Kriegsminister hat gesagt, eine Zurücksetzung der Juden sei unzulässig. Es kann sich nur darum handeln, wie dieser Grundsatz in der Praxis von den be teiligten Kreisen durchgeführt wird. Der Abg. Raab hat eine allgemeine Debatte über die Judenfrage inszeniert, und zwar ohne Grund. Was er an Witzen gegen die Judenschwächen angeführt hat, war jedenfalls nicht geeignet, ein so ernsthaftes Problem einer Lösung entgegenzuführen. An die Stelle ruhiger Erwägung darf nicht keidenschaftlicher Haß treten. Ebensowenig dürfen einzelne Vor⸗ 8 verallgemeinert werden. Der Hinweis auf Voltaire und andere Männer ist nicht stichhaltig. Auch Mohammed war ein ge⸗ waltiger Judenhasser. 1844 war Bismarck 32 Jahre alt, sein damaliges Urteil gegen die Juden kann deshalb auch nicht angezogen werden. Er hat 1869 das Gesetz über die staatsrechtliche Parität der Glaubensbekenntnisse gegengezeichnet. In der österreichischen Armee sind die Israeliten bis in die höchsten Offizierstellen wieder⸗ holt aufgerückt. Unter 1000 österreichischen Offizieren gibt es 81 Juden. Italien, England und Frankreich haben doch auch die Juden zugelassen und damit doch auch keine ungünstigen Erfahrungen gemacht. Sind denn die deutschen Israeliten aus ganz anderem Holz geschnitten wie die Israeliten der übrigen Staaten?
erhalten. Es haben einmal Ermittlungen über die Judenfrage in der Armee stattgefunden. In dem Bericht der verantwortlichen Militär⸗ behörden ist ausgesprochen, daß die Juden im preußischen Heer sich in Krieg und Frieden bewährt und in der Erfüllung ihrer Pflichten
das Eiserne Kreuz oder die entsprechende militärische Auszeichnung der anderen Bundesstaaten wie den Zähringer Löwen und andere erhalten, u. a. über 100 jüdische Offiziere. Es steht also fest, daß eine ansehnliche Zahl von Juden das Eiserne Kreuz bekommen hat. Darauf kommt es vor allem an, daß der Grundsatz des Gesetzes von 1869, den auch der Kriegsminister hier betont hat, hiernach nicht überall durchgeführt wird. Bei den getauften Juden findet man doch kein Hindernis. Diese Tatsache ist viel beweiskräftiger als alle
führung des erwähnten Paritätsgesetzes einzutreten, denn auf diesem selben Gesetz beruht auch ihre Existenz. Wie die Juden, so könnten auch morgen die katholischen Ordensmänner und ⸗Frauen, die katho⸗ lischen Beamten, wie die Katholiken überhaupt, behandelt werden. Gerade wir, die wir für uns die Gleichberechtigung fordern, sind bereit, uns uneingeschränkt auch für die staatliche Gleichberechti⸗ des jüdischen Bekenntnisses einzusetzen, eingedenk der edlen
die Kaiser Friedrich an den Fürsten Bismarck richtete:
„Der seit Jahrhunderten in meinem Hause heilig gehaltene
reichen. Ein jeglicher unter ihnen steht meinem Herzen gleich nahe. gebung bewährt.“ Dieser Kampf wird uns stets auf dem Platze finden,
Abg. Dr. Osann (nl.): Die direkte Veranlassung zur Zurück⸗ nahme unseres Schlußantrags war die, daß wir eine so verletzende und b Rede, wie die des Abg. Raab, nicht unwidersprochen
hinausgehen lassen können. Es waren Vorwürfe, die mit
neue Tatsachen überhaupt nicht hervortraten. Sie stellte sich an der Hand antisemitischer Schriften auf den Standpunkt, daß wir es bei den Juden mit Staatsbürgern zweiter Klasse zu tun haben, denen
werden darf. Der Kriegsminister hat schon mit allem Nachdruck darauf hingewiesen, daß er diese Tendenzen mißbilligt und bekämpft. Er hat sich gleich seinem Vorgänger auf den Standpunkt gestellt, daß konfessionelle Unterschiede nicht obwalten dürfen. Damit steht er auf dem Boden der Verfassung und der Gesetzgebung. Die konservative Partei vertritt, wenn die Zeitungsäußerungen recht haben, die gleiche Anschauung. In der Kreuzzeitung war vor einiger Zeit über die Stellung der konservativen Partei zum Antisemitismus eine, ich will nicht sagen programmatische, wohl aber aufklärende Bemerkung ent⸗ halten. Unter anderem war darin gesagt, daß auch im Judentum konservative Kräfte lebendig sind. Der Programm⸗ punkt der Konservativen, der sich gegen die Juden richtete, wird also nach der Entwicklung der Dinge und nach dem Gange der Zeit nicht mehr in voller Schärfe aufrechterhalten. Wenn ich auch annehme, daß es sich nicht um eine Privatäußerung der „Kreuzzeitung“ handelt, sondern, daß sie von der Parteileitung inspiriert ist, so wäre es doch erwünscht, wenn die konservative Partei erklärte, ob sie diese Auffassung der „Kreuzzeitung“ für richtig hält. Es muß aber auch mit allem Nachdruck Gewicht darauf gelegt werden, daß wir auch die militärische Tüchtigkeit für einen Bewerber um einen Offizierposten für erforderlich erachten. Die Juden, die sich auf den Boden unseres heutigen Staates stellen und in Staatsämter einzurücken wünschen, wissen sehr wohl, daß sie sich einer peinlichen Prüfung unterziehen müssen. Die militärische Tüchtigkeit, die Fähigkeit, ein guter Vor⸗ gesetzter zu sein, muß, wie bei jedem anderen Bewerber, auch bei den Inden geprüft werden. Die Aeußerungen des Abg. Raab waren ledig⸗ lich auf antisemitische Handbücher gestützt, sie müßten aber doch, wenn sie Beachtung finden sollen, mit Tatsachen begründet werden; das ist aber nicht geschehen. Da die allgemeine Debatte weiter geht, so sind wir genötigt, auch noch auf die Ausführungen der äußersten Linken zum Militäretat zurückzukommen. Den Sozialdemokraten ist die Kritik Selbstzweck, sie üben Kritik lediglich um der Kritik willen. Wir wollen doch mit unserer Kritik Besserung hende flhren. Sie kommen immer noch mit dem Ladenhüter des Milizsystems, mit den Mißhandlungen, die, je weniger ihrer werden, eine desto ausführlichere Behandlung er⸗ fahren, mit dem Duellunfug. Neues haben sie herzlich wenig vorgebracht. Die Erhöhung der Mannschaftslöhne wird verlangt, aber um die Durchführung dieser Forderung lassen sich die Herren kein graues Haar wachsen. Wir haben unserseits daran festgehalten, daß an dem Wesenskern unserer militärischen Einrichtungen und unserer mili⸗ tärischen Röftung nicht gerüttelt werden darf; wir brauͤchen die best⸗ ausgerüsteten Mannschaften und die tüchtigsten Offiziere. Die Offiziere der Grenzgarnisonen sollten etwas mehr berücksichtigt werden; man sollte ihnen Gelegenheit geben, sich für die Examina auf der Kriegsakademie entsprechend vorzubereiten. Für die Ver⸗ jüngung des Offizierkorps müßte mehr geschehen. Die großen technischen Fortschritte, die gemacht worden sind, konnten gar nicht erreicht werden ohne geistiges Zusammenarbeiten von Mannschaften und Offizieren; eine Erziehung zum Kadavergehorsam hätte dieses Resüuͤltat nicht zuwege bringen können. Wir müssen die allgemeine Durchführung der allgemeinen Dienstpflicht wünschen. Die Bevor⸗ zugung der Ueberzähligen ist vom Uebel. Der Dienst im Heer soll nicht als eine Last, sondern als eine Ehre empfunden werden.
Abg. Schöpflin (Soz.): Diese Rede, die der Heeresverwaltung beweisen soll, welche braven Menschen die Nationalliberalen sind, kontrastiert höchst merkwürdig mit dem Verhalten der Herren in der Budgetkommission. Da kamen sie mit einem Antrag auf Streichung von hohen Inspekteurstellen und dergleichen; sie motivierten ihren Antrag mit ihrer Pflicht zur Sparsamkeit. Aber ein Wort des Kriegsministers, daß die Armee diesen Antrag als einen Schlag ins Gesicht empfinde, genügte, und die Nationalliberalen lagen allesamt platt auf dem Bauch. Gerade der Abg. Osann muß es auch sein, der den Konservativen bescheinigt, sie billigten die Rede des Abg. Raab nicht; woher weiß er das? Der Abg. Osann wirft uns vor, wir beantragten die Erhöhung der Mannschaftslöhne, kümmerten uns aber nicht um die Durchführung. Wer hat denn die Erhöhung der Friedenspräsenzstärke bewilligt, ohne sich um die Deckung zu kümmern! Doch auch die Herren Nationalliberalen! Uns soll die Kritik Selbstzweck sein. Wir haben das wirklich nicht notwendig. Führen Sie doch durch, was wir an vernünftigen Forderungen aufstellen, und wir geben Ihnen all unser Agitationsmaterial preis. Uebrigens, daß Sie, Herr Dr. Osann, als Nationalliberaler sich erlauben, solche Bemerkung gegen uns zu machen (Große Heiterkeit rechts) . . .. dieses Lachen rechts ist die Antwort darauf. Die Rechtslage über die Be⸗ förderung von Juden zu Offizieren ist klar genug. Wenn aber die Militärverwaltung auf die Erziehung im Hause usw. hinweist, so ist das ein Herumreden um die Sache, die ihrer nicht würdig ist. Ich habe ja eigentlich keine Veranlassung, für die jüdische Bourgeoisie mich ins Zeug zu legen, die nach der Ehre geizt, daß ihre Söhne Offiziere werden. Für uns ist aber maßgebend, daß gesetzwidrig verfahren wird. Reserveoffiziere sind vielfach Staats⸗ anwälte, Professoren usw., die Recht und Gesetz achten sollten und sich nicht genieren, den Sozialdemokraten Ungesetzlichkeiten vor⸗ zuwerfen, und alle diese Leute handeln gegen das Gesetz, indem sie die jüdischen Aspiranten zurückweisen. Sollte sich denn wirklich unter den Tausenden von Aspiranten nicht einer finden, der fähig ist? Die Verwaltung wäre sehr gut im stande, Remedur zu schaffen, aber der Kriegsminister hat diesen Willen nicht, man will oben nicht, daß Juͤden Reserveoffiziere werden. Das Wort „ich mißbillige es“ führt nicht weiter. Der Kriegsminister kann sich darauf nicht berufen, daß die Offizierkorps selber entscheiden, denn gegen renitente Soldaten geht die Militärverwaltung energisch vor. Man beruft sich hier auf den Volkswillen, den man sonst immer mit Füßen tritt. Ist denn sonst die Absperrung gegen Juden so groß? Doch wahr haftig nicht, wenn ein Offizier ein Rebekkchen heimführen und sein Wappen vergolden will. Dem preußischen Adel kann es nur gut tun, wenn er durch jüdisches Blut aufgefrischt wird. Der Abg. Raab hat ein antisemitisches Wirtshaus mit dem Deutschen Reichstag verwechselt. Die Antisemiten haben alle Kniffe nachgemacht, die sie den Juden vorwerfen. Die Juden werden wohl noch die gleiche Befähigung zum Befehlshaber haben, die der preußische Adel 1806 gezeigt hat. Der Kriegsminister hat uns in bezug auf das zitierte Flugblatt eine gruselige Geschichte erzäͤhlt. Wer ist der Mann, der in den dunklen Wald geflohen ist, wo ist der Mann? Warum nennt man nicht seinen Namen (Zuruf), wo ist der Wald, wo die gruselige Geschichte passiert ist, was ist aus der Untersuchung herausgekommen? Diese Geheimnistuerei verstärkt den Verdacht, daß es sich auch hier wieder um eine Spitzelei handelt. Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß Sie uns mit solchen Mittelchen schädigen können. Wir sind im Vormarsch begriffen. Der Fel Bissing ist also nach der Erklärung des Kriegsministers eine Mobilmachung gegen Unbekannt. Der Minister sagt, der Passus gegen die
geordneten sei gestrichen; der springende Punkt ist aber, daß ein preußischer General überhaupt einen solchen Passus sich erlauben und Recht und Verfassung außer acht 1n. konnte Glauben Sie damit die deutsche Arbeiterbewegung ahmzulegen? Man kann die Armee lahmlegen, wenn man ihr die Offiziere nimmt, aber die Arbeiterbewegung nicht. Der frühere Oberleutnant Gramm wurde als minderwertiges Element hingestellt, gerade wie der Oberst Gaedke und andere, weil er sich eine Kritik gestattet hat. Was ist es für eine Art von der württembergischen Militärverwaltung, jetzt die Schulzensur dieses Mannes auszuschlachten? Sie haben ihn doch in das Heer eingestellt; haben Sie denn da die Schulzensur nicht angesehen? Es war das ein Armutszeugnis für die Armeeverwaltung. Die Behauptung des Kriegsministers, die ganze Armee verurteile die Mißhandlungen, kann in dieser Allgemeinheit keine Geltung be⸗ anspruchen. Wenn es der Fall wäre, so wären die Mißhandlungen ja verschwunden, was tatsächlich nicht der Fall ist. (Der Redner führt eine Anzahl von Soldatenmißhandlungen aus Glogau, Ostrowo, Krotoschin, Rastatt und Minden an.) In den letzten ein und zwei Jahren zeige sich, daß in bestimmten sächsischen Regimentern die Soldatenmißhandlungen sich in grauenerregendster Weise mehrten.
die gleiche Berechtigung wie allen übrigen Staatsbürgern zuteil
Ganz besonders schlimm seien die bei den Oschatzer Ulanen, sowohl
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was die Zahl der Fälle wie den Umfang der Mißhandlungen betreffe. Der Eskadronchef bekam für seine gröbliche Aufsichtsvernachlässigung ganze 3 Wochen Stubenarrest. Würden die Soldatenschinder unter den Offizieren ohne Pension entlassen, wie es beantragt war, aber leider abgelehnt worden ist, so hätten wir solche Schindereien wie die Oschatzer nicht zu verzeichnen. In diesem einen Ulanen⸗ regiment hat eine solche Unsumme von Mißhandlungen stattgefunden daß man von gelegentlichen Versehen nicht mehr reden kann, hier haben wir es mit einem pflichtvergessenen Regimentskommandeur zu tun. Der Kriegsminister nahm die Uniform in Schutz; man müsse der Armee ein bißchen äußeren Glanz lassen. Er würde der Armee mehr dienen, wenn er etwas mehr auf inneren Glanz sehen wollte. Der jetzige Kriegsminister denkt offenbar wesentlich milder über die Mißhandlungen als seine Vorgänger; er hat immer kleine Ent⸗ schuldigungen für die Schuldigen, und die merken sich das. Wir verlangen vom Kriegsminister von Heeringen, daß er einschreitet. Daß er es nicht will, dürfen wir nicht annehmen. Wenn er es kann, so ist es seine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, es auch zu tun. Begnügt er sich mit der Rolle des parlamentarischen Blitzableiters, so heißt das doch, daß er zur Abhilfe nicht im stande ist. In dem Augen⸗ blick, wo die kompetente Stelle ein rücksichtsloses Vorgehen befiehlt, verschwinden die Mißhandlungen auf der Stelle. Wollen Sie sich ein Verdienst um die Armee erwerben, so beseitigen Sie diesen Schand⸗ fleck, diese Brutalitäten!
Abg. Kopsch (fortschr. Volksp.): Alle die Angriffe und persönlich verletzenden Ausführungen des Abg. Raab gegen unsere jüdischen Mit⸗ bürger sind nicht geeignet, diese zu treffen: es genügt, sie niedriger zu hängen. Der Abg. Liebermann von Sonnenberg bekam einmal vom Abg. Richter zu hören: Der Abg. Liebermann von Sonnenberg
die selbst zu machen sie sich aber zu vornehm halten. Nun reichen die Ausführungen des Abg. Raab an Witze nicht heran, und sie sind auch von der Rechten nicht mit Heiterkeit aufgenommen worden, im Gegenteil war der Widerwillen gegen die Rede des Herrn im Hause allgemein. Aber dem Kriegsminister müssen diese Ausführungen doch zu denken gegeben haben. Er hat zugegeben, daß gewisse antisemitische Regungen im Offizierkorps vorhanden seien, und hat sie in diesem Jahre auch gemißbilligt, während er sie im vorigen Jahre noch mit antisemitischen Redewendungen zu erklären versucht hatte. Das Zitat des Abg. Raab aus der Zeitschrift des Vereins zur Ab⸗ wehr des Antisemitismus betreffs der auf die Juden entfallenden Desertionsziffer ist völlig entstellt. An konfessionellem Ent⸗ gegenkommen nach der anderen Seite läßt es ja, wenn die Mit⸗ teilungen des Abg. Schöpflin zutreffen, die Militärverwaltung nicht nur nicht fehlen, sondern dieses Entgegenkommen würde das Maß des Zulässigen weit überschreiten. Allen Mahnungen zur Sparsamkeit hat der Kriegsminister den Hinweis darauf entgegengesetzt, was ein unglücklicher Krieg wohl dem Lande kosten würde. Mit solchen Argumenten kann man jeden Abstrich zurückweisen. Gewisse Gouverneur⸗ steen die wir in der Kommission streichen wollten, betrachtet das Volk als Sinekuren, in sie kommen Herren hinein, die großen Einfluß haben, manchmal einen größeren als der Kriegsminister selbst. Die Armeeinspekteure haben mit der Schlagfertigkeit der Armee nichts zu tun, sie dienen mehr der Etikette. Auch die Fürsten sollten etwas mehr Rücksicht auf die Lage der Finanzen nehmen. In der Kommission wird mitunter gespart, aber im Plenum wird alles wieder umgestoßen. Ferner könnte bei Kasernenbauten gespart werden. So haben an einem Neubau der Unteroffiziervorschule in Weilburg nur die Hausbesitzer ein Interesse. Wenn die Militär⸗ verwaltung jedes Gasthaus boykottiert, wo Sozialdemokraten verkehren, dann müßte sie auch die Restauration des Reichstages boykottieren. Hat der Kriegsminister auch das Spielen der Militärkapelle im Wahlkreise Sprottau verboten, wo einmal die Konservativen und Sozialdemokraten ihre Verbrüderung gefeiert haben? Die Militärverwaltung hat die Politik selbst in das Heer hineingetragen. Wir haben in unseren Reihen selbst Gesinnungs genossen, die sie zwang, den bunten Rock auszuziehen, die den Dienst verlassen mußten, wenn sie nicht gegen ihre Ueberzeugung handeln wollten. Wenn es an Geld für die Erhöhung der Mannschaftslöhne fehlt, so braucht man ja nur die Liebesgabe um einige Prozent zu er mäßigen. Der Kriegsminister hat anerkannt, daß ein gutes Turnen für den Militärdienst wünschenswert sei, aber abgelehnt, daß die guten Turner eine kürzere Zeit dienen sollen. Das ist sehr zu be⸗ dauern. Der Kriegsminister hat in der Wehrordnung die Hand⸗ habe dazu, ausnahmsweise tüchtige Turner zu berücksichtigen. Dies würde auch die Zahl der Fälle vermindern, wo die Schüler höherer Lehranstalten das Einjährig⸗Freiwilligen⸗Zeugnis ersitzen. Gerade das Uebermaß von Schulstunden wirkt ungünstig auf die Gesundheit ein, wie die Statistik über die Herz⸗ und Augenkrank heiten zeigt. Der Minister sollte die sportlichen Veranstaltungen möglichst fördern und unterstützen. Er hat eine Zurücksetzung aus konfessionellen Gründen gemißbilligt. Wie steht es aber mit der Zurücksetzung gewisser Stände? Ein Präparandenlehrer aus dem Osten beschwert sich darüber, daß seine Kameraden trotz guter Zeug nisse nicht befördert worden sind. Das Offizierkorps macht also Standesunterschiede. Der Regimentskommandeur hat in dieser Sache eine Macht, die keine andere Behörde hat. An diesem Punkte muß die Abhilfe einsetzen. Wer kontrolliert die Entscheidungen der Kommandeure? Der Kriegeminister hat gesagt, es geschehe alles, um das Vertrauen zwischen Offizieren und Mannschaften zu stärken. Diesen Willen haben gewiß die oberen Instanzen, aber in den unteren Instanzen ist es ganz anders. Ich habe die feste Ueberzeugung, daß niemand die Mißhandlungen irgendwie billigen oder verteidigen könnte. Ich habe um so weniger begreifen können, daß die Erwähnung dieser Fälle auf der Rechten Heiterkeit hervorrufen konnte. (Leb⸗ hafter Widerspruch rechts.) Gewiß sind die Mißhandlungen Aus⸗ nahmen, und ich weiß, daß Mannschaften und Offiziere miteinander als Kameraden im Kriege verkehren. Es muß aber auch das rechte Verhältnis zwischen Heer und Volk bestehen. Zum Begriff des Volksheeres gehört, daß alle konfessionellen und Standesunterschiede im Heere verschwinden. Der Kriegsminister müßte mit noch mehr Energie vorgehen, damit solche Klagen verschwinden. Aber von dem Begriff eines Volksheeres sind wir leider noch weit entfernt.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Der Herr Abg. Kopsch hat mich zunächst an die Sparsamkeit erinnert und gemeint, daß im Etat davon eigentlich zurzeit noch nichts zu spüren sei. Ich will mich auf längere Dar⸗ legungen nicht einlassen, sondern nur darauf hinweisen, daß der Etat von 1911 — abgesehen von der Heeresverstärkung, die ja doch eine
Ausnahme bildet — gegen den Etat von 1910 ein Weniger von 4 469 946 ℳ aufweist. (Hört! hört! rechts.) Jeder von Ihnen weiß, daß der Etat von 1910 gegen den Etat von 1909 bereits ein Weniger aufwies und ebenso, daß der Etat von 1909 bereits sehr sparsam auf⸗ gestellt war. Ich meine, diese 3 Jahre müßten Ihnen den Beweis geben, daß die Militärverwaltung ehrlich und redlich bestrebt ist, sich nach der Decke zu strecken. (Sehr wahr! rechts.)
Auf die Bemängelung der Forderung wegen Weilburg will ich heute nicht eingehen; das kann ja bei der Beratung des betreffenden Titels des näheren erläutert werden.
Der Herr Abg. Kopsch ist dann wieder zurückgekommen auf den Erlaß, den ich über den Verkehr zwischen Offizieren und einzelnen Abgeordneten habe ergehen lassen. Ja, meine Herren, die Auslegung, die diesem Erlaß hier gegeben wird, leidet natürlich unter ziemlich großen Uebertreibungen. Selbstverständlich ist mit dem Erlaß nicht gemeint, daß jedes Gespräch zwischen einem Offizier und einem Ab⸗ geordneten verboten werden sollte. (Heiterkeit.) Wie wäre denn das
möglich? Das Offizierkorps setzt sich aus so viel Lebensschichten zu⸗
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macht die antijüdischen Witze, die die Konservativen gern hören,
sammen, hat so innige Beziehungen zu allen Parteien — allen bürger⸗ lichen Parteien — (Lachen bei den Sozialdemokraten), daß es ja gar nicht möglich ist, nach dieser Richtung hin überhaupt eine Ab⸗ sonderung eintreten zu lassen! Das war auch selbstverständlich nicht der Zweck der Sache. Die Verfügung richtet sich lediglich gegen die Gesuche, die aktive Offiziere an Abgeordnete in der aus⸗ gesprochenen Absicht vorbringen, hier einen parlamentarischen Druck auszuüben, sie dazu zu bewegen, derartige Gesuche, bei denen die Offiziere sich im Gegensatz zu ihren Vor⸗ gesetzten befinden, hier vorzubringen. Im Anfang sind solche Versuche vielleicht ziemlich harmlos; aber ihre Folgen können sehr ernst sein. (Sehr richtig! rechts.) Denn damit wird meiner Ansicht nach — und bei dieser Auffassung möchte ich unbedingt stehen bleiben — die Armee direkt in das partei⸗ politische Getriebe hineingezogen. (Sehr richtig! rechts.) Man male sich nur einmal aus, wenn aktive Offiziere, die Beziehungen zur konservativen Partei, zum Zentrum oder zu den liberalen Parteien haben, sich nun an Abgeordnete der verschiedenen Parteien wenden, und wenn dann hier im Reichstag im Namen der aktiven Offiziere über diese Frage gesprochen wird. Was würde die weitere Folge sein? Daß die Reden, die hier im Reichstage gehalten werden, sich wider⸗ spiegeln in dem Offizierkorps und in dem Kasino weiter fortgesetzt werden; und dann sind wir nur einen ganz kleinen Schritt davon entfernt, daß wir konservative, Zentrumsoffiziere und liberale Offiziere haben, und die Armee steht mitten im Parteigetriebe drin. (Zurufe links.) Ich meine, der Reichstag sollte ganz damit einverstanden sein, daß ich an meinem Teil alles tue, um die Armee völlig aus dem Partei⸗ getriebe herauszulassen. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Meine Herren, wenn Sie mir nach dieser Richtung hin nicht ohne weiteres glauben und nicht einsehen wollen, was ich meine, dann denken Sie an Erfahrungen, die in nichtdeutschen Staaten gemacht worden sind (sehr richtig! rechts), und die wahrhaftig nicht dazu er⸗ mutigen, die Armee dem politischen Kampf näher zu bringen. (Sehr richtigl) Seien Sie dankbar, daß die Armee abseits von dieser Politik ruhig ihre Pflicht und Schuldigkeit tut und arbeitet an der Aufgabe, die Verteidigung des Vater⸗ landes vorzubereiten, daß sie sich aber nicht um Reden im Parlament und um das Pearteigetriebe kümmert. 1 Das ist nicht die Aufgabe der Armee, und ich glaube, der Erlaß verfolgt keinen anderen Zweck, als hier eine Scheidewand zu ziehen, und das ist meiner Auffassung nach ganz berechtigt. (Lebhafter Beifall rechts und in der Mitte.) 8 Die beiden Herren sind dann auf die Verhältnisse unserer jüdischen Mitbürger in der Armee wieder eingegangen. Meine Herren, ich brauche keine Mahnung, daß ich von meinem Teil einen Unterschied weder des Glaubens noch des Standes wegen in der Armee machen lasse. Mir stehen im Augenblick zu meinem Bedauern die Zahlen nicht zur Verfügung, wie viele Lehrer unter den ehemaligen Einjährig⸗ Freiwilligen zu Offizieren des Beurlaubtenstandes befördert worden sind. Vor einigen Jahren — wenn ich nicht irre, 1905 — erhielten von den gedient habenden Lehrern 47 % die Qua⸗ lifikation zu Reserveoffizieren. (Hört, hört! rechts.) Wie viel befördert sind, weiß ich nicht. Ich sehe ein: wir müssen noch immer mehr Statistik treiben, um diese Frage zu beantworten. (Heiterkeit.) Im nächsten Jahre werde ich bereit sein, Ihnen auch diese Frage zu beantworten. Eins aber kann ich Ihnen heute schon sagen: ein Unterschied nach dieser Richtung wird nicht gemacht. Ebensowenig ist das bei unseren jüdischen Mitbürgern der Fall, da mögen Sie nun sagen, was Sie wollen. Gewiß betone und be⸗ stätige ich noch einmal ausdrücklich: antisemitische Regungen sind auch hier und da in der Armee vorhanden, bewußt oder unbewußt. Wundert Sie das, meine Herren? (Nein! nein! und Heiterkeit rechts.) In einem Volksheer müssen doch Bestrebungen abfärben, die im Volke vorhanden sind, und daß sie da sind, werden Sie doch nach den Vorgängen am vorigen Sonnabend nicht leugnen. (Leb⸗ hafte Zurufe links.) Deswegen ist es ja auch so schwer, dagegen zu
arbeiten. Gewiß, ich mißbillige sie; auch ich arbeite an meiner Stelle dagegen; aber den Erfolg nach dieser Richtung hin zu erreichen, ist Antisemitische Offiziere und Unteroffiziere von dieser Art, wie Sie es hier ausgesprochen haben, haben wir tatsächlich nicht, und es würde auch keinen Augenblick ein Vorgesetzter darüber im Zweifel sein, daß gegen derartige Persönlichkeiten als ungeeignet für
sehr schwer.
ihre Stelle einzuschreiten wäre.
Es ist bemängelt worden, daß der Kommandeur eine solche kommen
unser Offizierkorps in ge⸗ wisser Beziehung doch ruht. (Sehr richtig! rechts.) Der exʒee ee mit einer großen Vollmacht ausgerüstet, trägt damit auch die Ver⸗ antwortung seinem Allerhöchsten Kriegsherrn gegenüber direkt dafür, daß das Offizierkorps in allen seinen Teilen richtig zusammengesetzt ist und nach allen Richtungen hin seine Pflicht und Schuldigkeit dienstlich und außerdienstlich tut. Wenn man dem Mann eine solche Verantwortung aufladet, dann muß man ihm auch die ent⸗ Man kann unmöglich dem Kommandeur von oben herunter befehlen, daß er einen annehmen soll oder nicht. Ich habe Ihnen am vorigen Sonnabend einen Fall hier eingehend vorgetragen, den der Herr Abg. Gothein die Güte gehabt hat mir vorher zu geben, den er im vorigen Jahr auch hier im Reichstag b b;
R voffizi ir Dannenbaum. Meine „S
Fall des Reserveoffizieraspiranten 8S ö1“ Tatsache nicht aus der Welt, daß alles, was dieser Herr behauptet hatte, falsch war (hört, hört! rechts), daß man also solchen Gesuchen Einjährig⸗Freiwillige auf diesem Wege an⸗ Borsicht haben muß. Was soll nun hier von Soll ich bei Seiner Majestät befür⸗ Weise darüber berichtet wird, trotzdem ist, trotzdem er von der Kommission in der Prüfung „nicht (Zurufe links.) Wir 1“ 1 f Persönlichkeiten in die Offtzierstellen die unbedingte Pflicht, nur solche “ e, n schon eine Pflicht unseren Mannschaften sung der unteren Instanzen
ineinbri len 2 entralstelle aus hineinbringen oder befeh Eö11“ so würde das eine Pflichtverletzung
Herren, Sie auf der
Meine sprechen, unseres
Machtbefugnis hätte. Grundlage zu Stärke
große da auf eine Offizierkorps und die
—
sprechende Macht geben.
(nach links) haben darüber gelacht.
gegenüber, die frühere bringen, eine gewisse T der Zentralstelle aus geschehen? worten: trotzdem da unten in der W der Assessor Dannenbaum ein schlechter Reiter
hat, trotzdem soll er zum Offizier gemacht werden? Sache doch anderweitig gewiß zu ernst.
hineinzubringen — und dem stimmen Sie geeignet sind. Das ist — gegenüber, und wenn wir nach Auffas
zu sinden, ist schwierig. Ich habe in diesem wie im vorigen Jahre genau denselben Standpunkt eingenommen und habe Ihnen gesagt: sobald ein Fall vorkommt, wo der Grundsatz der Gleichberechtigung des Glaubens wegen greifbar verletzt worden ist, da greife ich ein. (Rufe links: Kann doch nie vorkommen!) — Es kann nicht vor⸗ kommen? Ich kann Ihnen aus früheren Jahren den Beweis bringen, daß das greifbar war, und da ist eingegriffen worden! (Wieder⸗ holte lebhafte Zurufe links.)
Die Wahl der Offiziere durch das Offizierkorps ist eine andere feste Säule unserer Armee. Ich halte das Recht des Offizierkorps, seine Mitglieder sich selbst zu wählen, für eine der freiheitlichsten Institutionen, die wir haben (sehr richtig! rechts) und um die Homogenität des Offizierkorps aufrecht zu erhalten, kann an dieser Wahl durch das Offizierkorps niemals gerüttelt werden. (Bravo! rechts.) Aber selbstverständlich würde der Allerhöchste Kriegsherr, wenn etwa ein Offizierkorps sich direkt mit verfassungsmäßigen oder gesetzlichen oder Allerhöchsten Orts befohlenen Gesichtspunkten in Widerspruch setzen würde, nicht zaudern, nach dieser Richtung Remedur zu schaffen. (Erneute Zurufe links.)
Der Herr Abg. Schöpflin hat noch einmal den Bissing⸗ schen Erlaß berührt und er hat hervorgehoben, daß das eine Mobilmachung gegen Unbekannt wäre; so etwas wäre doch der preußischen, der deutschen Armee nicht würdig. Diese Aeußerung zeigt doch, daß der Herr Abgeordnete — verzeihen Sie, ich will gar nicht nach dieser Richtung hin irgendwie verletzen — keine Ahnung von der Sache hat. Meine Herren, was treiben wir denn überhaupt im Frieden in unseren Bureaus? Die Mobilmachung gegen Unbekannt, nämlich gegen den äußeren Feind! Wissen wir denn, gegen wen wir den nächsten Krieg zu führen haben? Dazu müssen wir uns doch vor⸗ bereiten. Die Armee muß für alle Aufgaben, die an sie herantreten, sich unbedingt im Frieden vorbereiten, und es würde, was ich neulich schon hervorgehoben habe, eine Pflichtverletzung sein, wenn wir uns nicht überlegen würden, was eventuell gegen Aufstände zu tun ist. Da einmal diese verfassungsmäßige Aufgabe besteht, muß die Armee sich darauf vorbereiten. (Bravo! rechts.) Was würde denn die Folge sein, wenn wir eine solche Vorbereitung im Frieden unterließen? Die betreffenden Befehlshaber würden dann überrascht werden, und 2s würden höchstwahrscheinlich viel mehr Mißgriffe vorkommen, als — wenn ein solcher Fall, was Gott verhüten möge, überhaupt ein⸗ treten sollte — in Zukunft vorkommen werden.
Der Herr Abgeordnete hat bemängelt, daß der Passus über die Immunität der Abgeordneten überhaupt in dem Erlaß enthalten wäre. Ja, auch ich bedauere es, daß er drin war. Aber dem Herrn Ab⸗ geordneten wird, wenn er sich mit derartigen Dingen beschäftigt, viel⸗ leicht auch nicht unbekannt sein, daß in weiten juristischen Kreisen Zweifel darüber bestehen, ob unter dem Artikel 31 der Verfassung nur die Strafhaft der Abgeordneten zu verstehen ist oder auch eine Präventivhaft. (Unruhe links und Zurufe.) In dem vorliegenden Falle handelt es sich um eine Präventivhaft. (Erneute Zurufe links) Ich mache mir kein anderes Urteil zu eigen; ich spreche überhaupt kein eigenes Urteil in dieser Beziehung heute aus. Ich weise nur darauf hin, daß solche Zweifel bestehen, und da sie be⸗ stehen, so ist es nicht zu verwundern, daß sie hier einmal so zu sagen praktische Bedeutung gewinnen. Ich würde lieber gesehen haben, daß
man gerade bei einem derartigen Erlaß solche juristischen Spitzfindig⸗
Fällen die Akten auch noch eingefordert. Sie werden durchgesehen und in der schärfsten Weise überall geprüft, und es wird durchgegriffen, wenn ein Vorgesetzter, er mag nun Regimentskommandeur oder Leut⸗ nant oder Unteroffizier sein, seine Pflicht und Schuldigkeit nicht getan hat.
Der Herr Abgeordnete, ist auf die Vorbereitung der Rekruten gekommen und hat weitere Ausführungen daran geknüpft. Meine Herren, auch mir als verantwortlichem Chef der Verwaltung ist eine konfessionelle Scheidung unserer Soldaten im Heere nicht angenehm. Ich halte sie auch nicht für richtig. Wir haben weder katholische, noch evangelische Soldaten, noch jüdische Soldaten in diesem Sinne als Kaste; sondern wir haben einen deutschen Soldaten sehr richtig!), der seine Pflicht und Schuldigkeit nach jeder Richtung hin tut, und das wird jedem, er mag einer Konfession angehören, welcher er will, meiner Auffassung nach auch durchaus recht sein. Im übrigen danke ich für eine Vorbereitung, wie sie die sozialdemokratische Partei unseren Rekruten angedeihen läßt. (Sehr gut! und Heiterkeit rechts.) Ich habe neulich schon darauf hingewiesen und könnte Ihnen aus Ihrer Presse beweisen, wie Sie an unseren Leuten hetzen; Sie be⸗ gleiten unsere Rekruten bis an die Kasernentür und Sie empfangen sie mit genau derselben Agitation, wenn sie die Kaserne verlassen. (Sehr richtig! rechts.) Ich werde Ihnen einige Beispiele vorlesen. Die „Deutsche Bäckerzeitung“ bringt einen Artikel „In des Königs Rock“, gerichtet an die Rekruten. Da heißt es: G Die Disziplin beim preußisch⸗deutschen Heer ist für uns bloß eine Mußdisziplin mit geballten Fäusten und Zähneknirschen.
Dann heißt es in einem Bericht aus einer öffentlichen Versammlung in Hamburg:
Im allgemeinen ist der Mensch beim Militär ein Tier. Der Militarismus erniedrigt alles, was wir sonst als schön bezeichnen, er erniedrigt die Menschenwürde und bringt die Volkswürde an den Rand des Ruins. 1.“ In der „Münchner Post“ wird das Los des Soldaten im Kriege mit dem Lose eines Schweines verglichen:
Wir wollen den sehen,
— heißt es weiter — 14 1“ der uns mit vernünftigen Gründen bestreitet, daß ein Schwein, zum Schlachten geführt wird, im Grunde besser daran ist als ein deutscher Soldat, der für einen solch ausgemachten Humbug wie den Marokkokoller sein Leben hätte hingeben müssen. 8 (Rufe rechts: Pfui!) “ Die „Gleichheit“ in Stuttgart schreibt in einem Briefe an eine Mutter — der natürlich fingiert ist —:
Wenn Dein Sohn heute zum Militär einberufen wird, weißt Du, ob Du ihn gesund und kräftig wiedersiehst? Vielleicht ist der Stellvertreter Gottes, dem er zur militärischen Erziehung anvertraut wird, einer jener sattsam bekannt gewordenen Teufel in Menschen⸗ gestalt. Er peinigt und quält seine Untergebenen so lange, bis das Lazarett oder der selbstgewählte Tod ihn aufnimmt.
Meine Herren, wenn Sie so etwas schreiben, und Sie wollen nachher sagen, Sie animierten unsere Rekruten, ihre Pflicht und Schuldigkeit zu tun, wenn Sie ihnen in Ihren Artikeln “
sein,
das
Ratschläge geben, so kann doch keine Partei darüber im Zweifel wie das zu verstehen ist. (Sehr richtig! rechts) In dem Briefe heißt es weiter: 8
keiten aus der Welt gelassen hätte und sich lediglich auf die praktischen Gesichtspunkte beschränkt hätte. (Sehr richtig!) Diesen Gesichtspunkt hat der jetzige kommandierende General auch berück⸗ sichtigt und die Sache ist sofort redressiert worden. Der Herr Abgeordnete hat dann mit einer gewissen Pathetik gefragt, wer der Mann wäre, der in Baden diesen Aufruf verbreitet hat. Den Gefallen will ich ihm tun und den Namen nennen. Es ist der Arbeiter Ludwig Feil aus Weiler. Im übrigen geht die Militärverwaltung diese Sache zurzeit gar nichts an. Die Unter⸗ suchung wird vom Zivilgericht geführt, und die letzte Mitteilung, die ich vom Reichsanwalt in Leipzig habe, vom 5. Februar, sagt, die Untersuchung wäre noch nicht beendet.
Der Herr Abgeordnete hat weiter über die Vorladung eines Kaufmanns aus Berlin zu einer ehrengerichtlichen Untersuchung ge⸗ klagt. Ich kenne den einzelnen Fall noch nicht und kann darüber keine Auskunft geben. Aber aus seinen Ausführungen kann ich doch entnehmen: was war denn der Grund der Vorladung eigentlich 2 doch zweifellos der, gegen den Reserveoffizier, der sich nach seinen Aus⸗ führungen nicht richtig benommen hatte, entsprechend vorzugehen. Wenn man das will, kann man nicht anders handeln, als daß man die Zeugen vorladet. Das ist doch ganz klar. 1
Eine unangenehme Sache, wie ich ohne weiteres einräumen will, sind die Mißhandlungsfälle. Jeder deutsche Offizier — das möchte ich mit aller Schärfe noch einmal betonen — fühlt sich schmerzlich berührt, wenn ihm derartige Fälle vorgehalten werden. Aber ebenso ist auch jeder deutsche Offizier an seiner Stelle bestrebt, diesen unangenehmen Erscheinungen in der Armee abzuhelfen, und der Herr Abgeordnete braucht mich an meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit gar nicht zu mahnen (bravo! rechts); ich tue meine verdammte Pflicht und Schuldigkeit auch ohne seine Ermahnung. (Beifall rechts.) Gewiß sind solche Fälle, wie sie hier vorgetragen werden, sehr unangenehm, und namentlich s olche Schinderei fälle sind auf das allerentschiedenste zu mißbilligen. Einen schärferen Ausdruck will ich heute darüber gar nicht gebrauchen. Aber das darf uns doch die Augen darüber nicht verschließen, daß die Mißhandlungen in der Armee tatsächlich dauernd zurückgehen durch die Bestrebungen. 1896 hatten wir noch 0,95 %, jetzt (1910) haben wir 0,32 7%; d. h. die Mißhandlungsfälle sind von 1896 bis 1910 um 3 zurückgegangen. Das ist schließlich auch ein Erfolg. Es muß natürlich noch besser werden, gewiß, meine Herren; aber — ich muß mich leider wieder⸗ holen — die Armee enthält keine Engel, sondern sie enthält seblende Menschen und Menschen von recht energischem Temperament. Da kommt es allerdings vor, daß einmal eine Mißhandlung eintritt; das werden wir vielleicht nur mit Schwierigkeit ganz überwinden. Ver⸗ lassen Sie sich aber darauf: wir sind ehrlich und redlich bestrebt,
Fälle einzuschränken! 1
öö geschieht nun in dieser Beziehung? Ueber jede Miß⸗ handlung wird eine ziemlich eingehende Nachweisung aufgestellt, die den Angeschuldigten enthält, die parteilichen Offiziere und 8 Schilderung des Herganges. Diese Nachweisungen gelangen von -8 Korps an Seine Majestät. Außerdem werden dem Kaiser die Akten
Vielleicht wird er in dumpfer, ungesunder Kaserne ein Raub von Typhus und Genickstarre. Vielleicht kehrt er, der Dich als noch unverdorbener Junge verließ, von unsauberen Kameraden verführt, nicht nur seelisch, sondern auch körperlich vergiftet zu Dir zurück. Jetzt wird er systematisch zum Massenmord abgerichtet. gr Im militärischen Geiste wird er erzogen, der richtiger zmilitärische Geist⸗ losigkeit“ heißen sollte. Der Militarismus macht ihn zur Maschine, zum blinden, willenlosen Werkzeug in der Hand jedes Menschen, der die Gefreitenknöpfe, die Unteroffiziertressen oder den Offizierrock trägt. — Der Militarismus ist unser Todfeind, der Todfeind aller Kultur und aller Menschenwürde. 8 Ich erinnere Sie ferner an das Theaterstück „Reserve hat Ruh’, Akt aus einer Kasernenstube von Ernst Söhnchen, aufgeführt auf der Freien Volksbühne in Remscheid, ein Machwerk verhetzendster Art. Da wird geschildert, wie in der Korporalschaft durch Schimpfereien, Quälereien, Mißhandlungen ein Rekrut zum Selbstmöder und ein der Sozialdemokratie angehöriger Mann der Korporalschaft dazu ge⸗ trieben wird, sich an dem Korporalschaftsführer zu vergreifen. Umn das natürlich erscheinen zu lassen, werden die Vorgesetzten so dar⸗ gestellt, als gebrauchten sie gegen ihre Untergebenen fortgesetzt Schimpf⸗ worte verletzendster Art, und alle Strafen werden ungerecht nach ür und Laune verhängt. “ 88 auch auf etwas Neues hin, auf das Unterhaltungsblatt des „Vorwärts“ vom 8. Januar 1910. Die Tendenz der ganzen Erzählung dort ist eine Verekelung des Militärdienstes. Ich will nur eine Zusammenstellung von Kraftausdrücken daraus verlesen: Blöder Kasernendrill, 2 oder 3 Jahre staatlich sanktioniert Freiheitsberaubung, Einkerkerung, auf die Mannschaftskost wird geschimpft, die ärztliche Untersuchung bei der Einstellung wird als mangelhaft bezeichnet.
Am Schlusse sagt der Mann: 1 1 „Ich habe während der Dressurwochen nichts von meinem gesunde
Haß und Abscheu gegen den Militarismus eingebüßt’ und in diesem
Zusammenhange sagt er von den Militärärzten weiter: zsie sind
wie Vivisektoren, die kranken Soldaten stellen die Versuchs⸗
karnickel dar“. 1
Meine Herren, wenn Sie so etmas schreiben, dann soll der
Mann, der seine Pflicht und Schuldigkeit tun muß, mit besonderer Lust zu uns kommen. Nein, meine Herren, so lange Ihre Presse derartige Artikel bringt, können Sie sich darauf nicht berufen. Es ist ja auch direkt die Absicht von Ihnen (sehr richtig! rechts), Herr Liebknecht hat es ja ausdrücklich auf dem sozialdemokratischen Parteitag in Essen 1907 ausgesprochen: „Im übrigen wollen wir allerdings dem Proletariat den Kasernendienst verekeln.“ (Hört! hört! rechts.) Das ist also der Zweck. 8 vn 1 meine Herren, das sind Beispiele genug. Ich glaub ich brauche das nicht in die Erinnerung zurückzurufen, was mein Herr Amtsvorgänger im Jahre 1909 von derselben Stelle hier vorgelesen hat aus der sogenannten „Jungen Garde“ vom 22. September 1906, wo speziell von der „Hungerpeitsche“ die Rede war und wo weiter die Rede davon war, was denn das Vaterland für einen Sozial⸗ demokraten bedeute. Ich glaube, das beweist, meine Herren, wie
über besonders bemerkenswerte Fälle sofort vorgelegt. Darüber hinaus
wollten, daß sie hineinkämen, sein. (Wiederholte Zurufe links.) Hier
111“ “
8
den richtigen Mittelweg
werden vonzAllerhöchster Stelle in einer großen Anzahl von sonstigen
schwierig zum Teil das Material ist, das wir heute in die Kaserne