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nicht erneuert werden würde, vielleicht die bärteste Strafe, härter
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bekommen. Nehmen Sie das und weiter die zahlreichen Vorbestraften, mit denen die Armee zu rechnen hat: dieses schwierige Material müssen wir in kurzer Zeit in wirklich kriegsbrauchbare, leistungs⸗ fähige Soldaten verwandeln und, wie ich ausdrücklich sage, zu selbstdenkenden Menschen erziehen, denn nur mit selbst⸗ denkenden Menschen können wir etwas machen. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) — Wie können Sie glauben, daß heute ein Feld⸗ soldat überhaupt nicht denken müßte! (Sehr richtig! rechts.) Die einzelnen Fälle, die hier zur Sprache gebracht worden sind, sind, wie ich nochmals sagen will, im allerhöchsten Maße bedauerlich. Gewiß — ich muß wiederholen, was ich schon gesagt habe — sind viele unserer kriegsgerichtlichen Erkenntnisse auch nicht nach meinem Geschmack, an einzelnen habe ich auszusetzen, daß sie zu milde sind, an anderen aber auch, daß sie zu strenge sind. Das kommt ja bei vielen Gerichtserkenntnissen vor, und ich glaube, die sozialdemokratische Partei ist die letzte, die nicht Kritik an unseren Gerichtserkenntnissen übt. Der Anklagevertreter hat, wie der Herr Abg. Schöpflin selbst hervorgehoben hat — ich kann auf die einzelnen Fälle hier nicht näher eingehen —, bei fast allen Erkenntnissen eine hohe Strafe be⸗ antragt; der Anklagevertreter ist aber nur der Willensvertreter des Gerichtsherrn, der Willensvertreter des Kommandoführers, er ist also derjenige, der seine Meinung darüber ab⸗ gibt, wie der Fall zu beurteilen ist. Wenn unsere Ge⸗ richte nach Würdigung der einzelnen Persönlichkeit oder, wie der Herr Abg. Gröber bei anderer Gelegenheit gefagt hat, weil es den Zeugen ins Gesicht gesehen hat, zu einer anderen, milderen Auffassung ge⸗ kommen ist, so glaube ich, wird man schwerlich aus dem Lesen der Akten ein milderes, richtigeres Urteil bekommen, und erst recht nicht, wenn man sich auf die Tribüne des Reichstags begibt und uns das aus Zeitungsartikeln vorträgt. (Sehr richtig! rechts und in der Mitte.) Ich weiß nun wirklich nicht, was die Verkündigung von Fällen hier von der Tribüne aus bedeuten soll, bei denen doch der Herr Abg. Schöpflin selbst anerkennt, daß eine scharfe Strafe statt⸗ gefunden hat. Wenn man überhaupt diesen Vorträgen, diesem Waschen der schmutzigen Wäsche bei uns eine Bedeutung beimessen wollte, so könnte es nur die sein, daß man die Heeresverwaltung animieren wollte, noch energischer einzuschreiten. Hat es denn aber einen Zweck, solche Fälle hier vorzubringen, die eigentlich auch nach seiner Auffassung genügend gesühnt sind? Darauf antworte ich mit einem Nein.
Daß die Verhältnisse in der deutschen Armee zweifellos
noch verbesserungsbedürftig sind, wie bei jeder menschlichen Ein⸗ richtung, das weiß jeder höhere Offizier selbst, und wir lassen uns daher jede Kritik gern gefallen, im Gegenteil, wir begrüßen sie sogar, soweit sie sachlich ist, denn sie fördert uns in der Besserung. Aber, meine Herren, wenn es anders ist, wenn es sich lediglich darum handelt, eine gewisse zersetzende Kritik an der Armee zu üben, dann gebe ich doch zur Erwägung, ob das nicht andere böse Folgen zeitigt. Meiner Meinung nach gehören zu einer derartigen zersetzenden Kritik alle Be⸗ strebungen, die das Vertrauen zwischen Offizieren, zwischen Vorgesetzten und Mannschaften erschüttern wollen, und das ist hier mit ausge⸗ sprochener Absicht der Fall gewesen. Wenn z. B. von einer „allgemein⸗ schlechten“ Behandlung unserer Leute die Rede ist — ich muß noch⸗ mals auf den Ausdruck, den der Herr Abg. Noske die Güte hatte, hier zu gebrauchen, zurückkommen, daß wir unsere Mannschaften wie Hunde behandelten —, wenn derartiges hinausgeht, was ist die Folge davon? Leute, die die deutsche Armee nicht kennen, die ihren Geist vor allem nicht erfaßt haben, namentlich das Ausland bekommt auch eine Auffassung, als ob die tatkräftige, schlagfertige deutsche Armee von 1870 — ich will einmal einen kräftigen, drastischen Ausdruck gebrauchen — eine verlotterte Bande geworden wäre, der man keine derartige Tatkraft und keine derartigen Erfolge mehr zutrauen könne wie damals. Was ist die Folge davon? Wenn man überzeugt ist, daß zum Gedeihen unseres Vaterlandes, zu einer weiteren blühenden Entwicklung von Handel und Industrie und nicht zum wenigsten zum Wohle der arbeitenden Klassen der Friede gewahrt werden soll, dann darf man doch eigentlich nicht so dauernd und konsequent die deutsche Armee in ihrem inneren Zusammenhange heruntersetzen, denn das Ausland wird sich unwill⸗ kürlich sagen: von einer solchen Armee haben wir nicht mehr so viel zu fürchten wie 1870/71. Es bekommt eine ganz falsche Auffassung, und das dient nicht zu Förderung des Friedens und jedenfalls nicht zum Wohle des deutschen Vaterlandes. (Lebhafter wiederholter Beifall.)
Sächsischer Bevollmächtigter zum Bundesrat, Generalmajor Frei⸗ herr von Salza und Lichtenau: Der Abg. Schöpflin hat ver⸗ schiedene Militärmißhandlungsfälle aus Sachsen erwähnt. Ich kann nur wiederholen, daß selbstverständlich die sächsische Militärverwaltung am allermeisten bedauert, daß immer und immer wieder solche Fälle vorkommen. Ganz besonders bedauerlich sind diejenigen beim 17. Ulanen⸗ regiment. Es ist dagegen von Allerhöchster Stelle und von allen Instanzen eingeschritten worden. Seine Majestät der König hat sofort, nachdem er davon erfahren, besonderen Vortrag über diese Fälle befohlen und durch den Kriegsminister seine Allerhöchste Willensmeinung in einer besonderen Militärverordnung den sächsischen Militärbehörden bekannt gegeben. Darin wird gesagt, wie schmerzlich sich der König darüber be⸗ troffen fühle, daß in einem Truppenteile Zustände auftreten konnten, die ein solches Einschreiten erforderten, und das ganz besondere Bedauern wird darüber zur Kenntnis gebracht, daß zwei Soldatenselbstmorde mit diesen Vorgängen in Zusammenhang gebracht werden können. Weiter wird darin sorgsame Erziehung der Untergebenen betont und zu unnachsichtlichem Einschreiten gegen trotzdem wieder vorkommende Fälle aufgefordert. Sobald die Mißhandlungen bekannt geworden waren, haben die vorgesetzten Instanzen gegen die Eskadronchefs ein gericht⸗ liches “ verfügt; der eine ist freigesprochen, gegen den anderen ist das Verfahren noch nicht zum Abschluß gelangt; es trifft nicht zu, daß er drei Wochen Stubenarrest erhalten hat. Allen Unteroffizieren, die sich Mißhandlungen haben zuschulden kommen lassen, ist eröffnet worden, daß die Kapitulation mit ihnen als irgend eine andere, wenn der Mann nach vieleecht 10 jähriger Dienstzeit mit Frau und Kindern einen neuen Unterhalt suchen muß und des Zivilversorgungsscheins verlustig geht. Die Verwaltung hat also alles getan, um energisch einzu⸗ schreiten. Wenn aber der Abg. Schöpflin den Regimentskommandeur als pflichtvergessen bezeichnet, so muß ich diesen schweren Vorwurf aufs bestimmteste zurückweisen, da er den Tatsachen in keiner Weise entspricht. Ob der Kommandeur sich eine Pflichtver⸗ letzung hat zuschulden kommen lassen, darüber ist der Abg. Schöpflin nicht orientiert, und ich muß ihm die Berechtigung eines so harten Urteils unbedingt absprechen. Die weitere Be⸗ hauptung, daß die Zahl der Mißhandlungen in Sachsen eine Fettlanc nachgelassen habe, aber jetzt wieder in der Zunahme begriffen sei, trifft auch nicht zu; die statistische Hase ist von 1899 bis 1909 von 1,02 auf 0,28 % und sogar im Jahre 1910 mit seinen
ein sehr schönes Resultat, das beweist, wie energisch vorgegangen worden ist, wie es auch in Zukunft stets geschehen wird.
Beayerischer Bevpollmächtigter zum Bundesrat, Generalleutnant von Gebsattel: Der Abg. Schöpflin hat auch erwähnt, daß ein Vorbereitungsunterricht für katholische Rekruten erteilt würde von aktiven Leutnants und Jesuitenpatres. An diesem Unterricht, der stattgefunden hat, waren junge Leute beteiligt, die der Armee noch nicht angehörten; die Militärverwaltung hat ihn in keiner Weise veranlaßt, steht ihm vollkommen fern und hat auch gar keinen Einfluß auf die gehaltenen Vorträge; sie weiß auch nicht, ob das mit⸗ geteilte Tagesprogramm richtig ist, das im „Berliner Tageblatt“ gestanden ist. .. . Sie wissen von früher, daß ich gegen Zeitungsnotizen ein ganz besonderes Mißtrauen habe. . .. Die Militärverwaltung muß also“ jegliche Verantwortung für diesen Unterricht ablehnen. Daß die Notiz nicht richtig ist, kann ich nachweisen. Es haben Vorträge stattgefunden von Geistlichen; ob das Jesuiten waren, weiß sch nicht, möchte es aber bezweifeln; denn soweit ich weiß, sind im Deutschen Reiche Jesuiten nur ganz vorübergehend anwesend. Ferner haben Zivil⸗ ärzte in vollkommen moderner Weise über Geschlechtskrankheiten und deren schädliche Folgen gesprochen, dagegen wird man nichts haben können; außerdem hat ein katholischer Arbeitersekretär gesprochen, über was, weiß ich nicht. Aktive Offiziere, Unteroffiziere oder Mann⸗ schaften waren daran nicht beteiligt; die einzige Beteiligung war die, daß sie für diese Teilnehmer am Unterricht, ganz gleich wie in ähnlichen Fällen, Strohsäcke und wollene Decken hergegeben haben.
Abg. von Oertzen (Rp.): Unseren Standpunkt zu der Resolution hat unser Vertreter bereits erschöpfend dargelegt. Verwahrung muß ich dagegen einlegen, daß der Abg. Kopsch gesagt hat, wir hätten hier auf der Rechten bei der von Militär⸗ mißhandlungen gelacht. Niemand verurteilt die Militärmißhandlungen so scharf wie wir, weil wir wissen, daß dadurch das Militär in den Augen vieler Deutschen diskreditiert wird. Ich muß also gegen die schwere An⸗ schuldigung des Abg. Kopsch protestieren. Was die Ehrengerichte betrifft, so muß ich als früherer Vorsitzender eines solchen Ehrengerichts sagen, daß diese Gerichte absolut notwendig sind. Hätten wir sie nicht, so wären wir gezwungen, sie einzuführen. Die Notwendigkeit der Offizierswahlen hat der Kriegsminister schon nachgewiesen. Daß bei der Beförderung nur die persönliche Tüchtigkeit maß⸗ gebend sein soll, wie die Resolution Liebermann von Sonnenberg will, ist eigentlich selbstverständlich. Eine Bevorzugung des Adels besteht nicht. Wir haben eine große Zahl armer adliger Familien. Der Idealismus treibt ihre Söhne dazu, den Waffen⸗ rock zu tragen. Man sagt nun, sie möchten lieber Kaufleute werden, da sie es im günstigsten Falle doch nur zum Major bringen. Die Adligen verzichten aber darauf, Schätze zu sammeln, sondern treten aus Idealismus in die Armee ein. Die Schlachten bei Leuthen und Roßbach sind von denselben Leuten ge⸗ wonnen worden, die die Schlacht bei Jena verloren haben. Die Sozial⸗ demokraten können sich wirklich ihre Angriffe auf den Adel ersparen. Was die Juden betrifft, so bin ich weder Philosemit noch Anti⸗ semit; ich betrachte die Juden als Menschen. Ich habe vielfach Ge⸗ legenheit gehabt, mit sehr anständigen Juden zusammenzukommen, und im Kriege 1870 hatte ich in meiner Eskadron zwei sehr tüchtige Juden. Es ist im allgemeinen nicht richtig, daß die Juden sich nicht zu Soldaten eignen. Aber gerade für den Offizier ist eine gute häusliche Erziehung und ein besonders ausgeprägtes Taktgefühl notwendig. Gewiß gibt es auch unter den Juden gut erzogene und taktvolle Leute, aber es gibt unter ihnen auch eine Menge, denen ein solcher Takt fehlt. Das Geld allein macht es nicht. Das ist eine Folge jahrhundertelanger Unterdrückung. In Frankreich und in England nehmen die Juden schon seit Jahrhunderten eine Stellung ein, wie sie sie bei uns erst seit 50 Jahren einnehmen. Mit der Zeit wird auch hierin bei uns eine Besserung eintreten. (Zuruf links.) Den Dannenbaum überlassen wir Ihnen! Ich glaube, daß die Klagen über konfessionelle Unterschiede sehr übertrieben sind, und daß die Militärverwaltung auf dem richtigen Standpunkt steht. Gerade im Osten ist besondere Vorsicht geboten, weil die dortigen Juden ganz anders geartet sind wie die im Westen. Eine Zurücksetzung aus politischen Gründen gibt es bei uns nicht; natürlich muß ein deutscher Offizier auf dem Boden der jetzigen Gesellschaftsordnung stehen. Die Sozialdemokraten erklären ja öffentlich, daß sie die Republik erstreben. Wer das tut, kann doch unmöglich bei uns Offizier werden, das werden die Sozialdemokraten selbst nicht wollen. In Frankreich werden ja monarchisch Gesinnte auch von der Armee ferngehalten und ganz mit Recht.
Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:
Meine Herren! Ich bin darauf aufmerksam gemacht, daß die Resolution auf Nr. 765 jetzt zur Abstimmung gelangt, und deshalb möchte ich die dringende Bitte nachholen, diese Resolution abzulehnen. Eine Begründung für meine Bitte, glaube ich, kann ich Ihnen er⸗ sparen, denn sie liegt in all den Ausführungen, die ich die Ehre ge⸗ habt habe, Ihnen in diesen Tagen bereits zu machen.
Abg Raab (wirtsch. Vgg.): Es ist nicht richtig, daß ich die heutige Debatte provoziert habe. Zwei Jahre haben wir geschwiegen, als von freisinniger Seite diese Beschwerden wegen Zurücksetzung der Juden hier vorgebracht wurden. Dem Abg. Gröber möchte ich bemerken, daß auch Katholiken unsere Zweifel teilen, ob es richtig ist, Nichtjuden jüdischen Kommandanten zu unterstellen. In diesem Sinne hat sich auch der Erzbischof von Olmütz Dr. Cohn, also ein Herr jüdischer Abstammung, der doch die Juden gewiß kennt, Eö Ob die Juden vor dem Feinde als Offiziere in Frankreich und Oesterreich ihren Mann gestanden haben, läßt sich nicht feststellen, da die Feldzüge dieser Staaten in den letzten Jahrzehnten unglücklich verlaufen sind. Man mache doch einmal einen Versuch mit vollständig jüdischen Regimentern, dann werden wir ja sehen, wie die Juden sich 1. Nicht 400, sondern 101 Juden sind im deutsch⸗französischen Kriege von uns dekoriert worden. Eugen Richter hat seinerzeit von 83 Eisernen Kreuzen gesprochen. Nach dem Verhältnis der eingezogenen Christen hätten nicht 4492, sondern 10 500 Juden an dem Feldzuge teilnehmen müssen. Ein nicht geringer Bruchteil der dekorierten Juden waren außerdem Aerzte. Ich kann den Kriegsminister nur bitten, darüber eine amtliche Ermittlung anstellen zu wollen. Heute können wir es erleben, daß die Zahl der dekorierten Juden als größer hingestellt wird als die der Kriegsteilnehmer selbst. Auch in nationalliberalen Kreisen gibt es so manchen, der auf meinem Standpunkt steht. Mir ist ein Brief zugegangen, der ursprünglich für den Abg. Paasche bestimmt war, der dies bestätigt. Leider hat der Abg. Schöpflin recht, daß die Konservativen sich mit jüdischem Blute vermischen. Leider kommt dies öfter vor, und mit Recht hat der Professor Gräf gesagt, daß bei jeder solchen Mischung schließlich doch nur junge Juden herauskommen. Dem Abg. Schöpflin bemerke ich, daß wir mit unserer Politik finanziell die allerschlechtesten Geschäfte machen. Ich selber bin noch heute gewerblich tätig, aber ich frage den Abg. Schöpflin, wieviele sind in seiner Fraktion, die nicht an der Partei⸗ krippe gespeist werden? Daß es nicht bloß Antisemiten in unseren Reihen gibt, sondern auch bis in die äußerste Linke hinein, beweisen namentlich die Wahlkämpfe. Unser früherer Kollege Peus hat einmal in seinem Blatte einen Artikel gegen Arons und Cohn in einer so urwüchsigen Sprache veröffentlicht, wie sie nur jeder gute Deutsche schreiben könnte. Die Sozialdemokraten sollten lieber erst dafür sorgen, daß die Mißhandlungen von Arbeitswilligen aufhören, bevor sie sich an den Kriegsminister mit Beschwerden wegen Soldatenmißhandlungen wenden. Der Abg. Kopsch hat ge⸗ meint, meine Person sei eigentlich keiner Antwort wert. Nun, eine Liebe ist der andern wert. glaube, die Linke hat mir ihre Geringschätzung dadurch aussprechen wollen, daß sie mir den Kollegen
“
gegen mich vor dem Spiegel. Ich habe nicht von jüdischen Desertionen gesprochen, sondern von Entziehungen von der Wehrpflicht. Wieviel jüdische Soldaten haben sich wohl freiwillig nach China oder nach Südwestafrika gemeldet? Ich bitte den Minister um amt liche Auskunft, Privatenqueten genügen mir nicht. Ich kann schließ lich nur sagen, wenn das die ganze grausige Abschlachtung war die der Abg. Wiemer am vorigen Sonnabend mit solchem Pathos in Aussicht stellte, so brauchte man wirklich die Debatte nicht zu ver⸗ tagen. Das einzig Gute war, daß die Militärverwaltung den Sozialdemokraten gründlich die Leviten hat lesen können. Von den Freisinnigen aher muß gesagt werden: Der kreisende Berg vom Sonnabend hat den Abg. Kopsch geboren, und das war eine Fehlgeburt.
Das Gehalt des Kriegsministers wird darauf bewilligt.
Die Resolution Ablaß lautet:
„Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, dahin zu wirken, daß bei der Besetzung militärischer Stellen allein die persönliche Tüchtigkeit entscheiden soll, daß insbesondere weder eine Be⸗ vorzugung des Adels, noch eine Zurücksetzung aus politischen oder konfessionellen Rücksichten erfolgen soll.“
Der Antrag der wirtschaftlichen Vereinigung, hinter dem Worte „Tüchtigkeit“ einzufügen: „und die sonstige allgemeine Eignung zum Vorgesetzten“ wird gegen die Stimmen der Antragsteller und der Reformpartei abgelehnt. Ueber den somit unverändert gebliebenen Eingang der Resolution bis zu den Worten: „entscheiden soll“ findet auf Antrag von Oertzen getrennte Abstimmung statt. Dafür stimmen nur Sozialdemokraten, fortschrittliche Volkspartei, die National liberalen mit Ausnahme von drei Mitgliedern und die Abgg. von Oertzen und Linz von der Reichspartei. Die Resolution ist damit gefallen.
Der Rest des Kapitels „Kriegsministerium“ wird bewilligt Wund um 7 Uhr die Weiterberatung auf Dienstag, 1 Uhr, vertagt 8
Haus der Abgeordneten. 37. Sitzung vom 27. Februar 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) 8
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt die zweite Beratung des Staatshaus⸗ haltsetats für das Rechnungsjahr 1911 im Etat der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung fort.
Auf Ausführungen der Abgg. Felisch (kons.), von Schencken⸗ dorff (nl.) und Kindler (fortschr. Volksp.) zu dem Titel der Einnahmen der Baugewerkschulen erwidert der
Minister für Handel und Gewerbe Sydowcw:
Meine Herren! Ich bin den Herren Vorrednern besonders dankbar für die freundlichen Worte, die sie der bisherigen Tätigkeit der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung auf dem Gebiete des gewerb⸗ lichen Unterrichtswesens gewidmet haben, und freue mich auch ins⸗ besondere, daß der Herr Abg. Felisch sich über die neuen Lehrpläne für die Baugewerkschulen so günstig ausgesprochen hat, nachdem er an Ort und Stelle ihre Wirkung in den Schulen geprüft hat. Ich bin auch damit einverstanden, daß es Aufgabe der Baugewerkschulen sein wird, sich die Pflege der heimischen Bauweise, soweit sie mit den modernen Ansprüchen vereinbar ist, angelegen sein zu lassen, und kann nur sagen, daß in diesem Sinne auch schon gearbeitet wird.
Die von dem Herrn Abg. von Schenckendorf berührte Frage des Fortbildungsschulwesens möchte ich heute unerörtert lassen. Ich hoffe, in kurzem in der Lage zu sein, dem hohen Hause das Gesetz über die Regelung des Pflichtfortbildungsschulwesens vorzulegen, und dann wird sich ja Gelegenheit finden, auf alle diese Fragen zurück⸗ zukommen.
Der Herr Abg. Felisch hat eine Reihe von Wünschen, wie er selber sagte, zum sechsten⸗ oder siebentenmale vorgebracht, die bisher nicht die Zustimmung der Staatsregierung gefunden haben, und er wird vielleicht nicht allzu sehr überrascht sein, wenn ich auch diesmal Bedenken gegen sie geltend mache. Der Grund, weshalb man vor 8 Jahren das bis dahin aufrechterhaltene System des Nebeneinander⸗ bestehens akademisch gebildeter und nicht akademisch gebildeter Bau⸗ gewerkschullehrer aufgab, war die Erfahrung, daß das Nebeneinander⸗ arbeiten von zwei Klassen von Lehrern auf demselben Gebiete, aber mit verschiedener Vorbildung und infolgedessen auch mit verschiedenen Aufrückungsaussichten, zu Unzuträglichkeiten führt. Diese Erfahrung hat man nicht bloß auf dem Gebiete der Schulen gemacht, sondern auch auf dem Gebiete des Beamtenwesens. Wenn zwei Leute dieselben Amtsverrichtungen haben, dann müssen sie auch im Gehalt und in allem gleichgestellt sein, und sie müssen auch dieselben Aufrückungsmöglichkeiten haben. Das letztere ist aber auch wieder nur möglich, wenn sie die⸗ selbe Vorbildung genossen haben. Man stand also damals vor der Frage, entweder nur akademisch gebildete oder nur nicht akademisch gebildete Lehrer zu nehmen. Damals hat sich die Königliche Staatsregierung mit Zustimmung dieses hohen Hauses für das System der akademisch gebildeten Baugewerkslehrer entschieden. Das heißt ja nun nicht, daß diese Herren nur Theoretiker sind, im Gegenteil, sie haben eine längere praktische Laufbahn durchgemacht, wenigstens drei Jahre, zum guten Teil mehr, sie bleiben auch dauernd mit der Praxis in Berührung insofern, als ihnen in mäßigen Grenzen die Uebernahme praktischer Aufträge gestattet ist.
Der Wunsch, die nicht akademisch gebildeten Lehrer durch ein nachträgliches Studium in die Lage zu setzen, als akademisch gebildete angesehen zu werden, hat sich als praktisch nicht durchführbar er⸗ wiesen. Wir haben es versucht, es war aber, wie man zu sagen pflegt, nicht Fisch nicht Fleisch; wir sind nach einigen Versuchen davon
zurückgekommen.
Der weitere Wunsch, das Gehalt der nicht akademischen Lehrer
zu erhöhen, wird wohl als aus allgemeinen Gründen nicht erfüllbar be⸗
zeichnet werden dürfen. Ich glaube, es wird auf keiner Seite dieses
hohen Hauses der Wunsch bestehen, die Besoldungsfrage, die vor zwei
Jahren nicht ohne große Schwierigkeiten zu einem gewissen Abschluß
gebracht worden ist, auch nur an einem Punkte wieder neu an⸗
zuschneiden; denn ist das erst an einer Stelle geschehen, dann kommen
auch von allen andern Seiten Wünsche, und daß sich die Finanz⸗
verwaltung auf das nachdrücklichste dagegen wehren würde, das liegt
auf der Hand. 1 8
8 8
pielen schlimmen Mißhandlungen weiter auf 0,25 % gesunken, gewiß
Kopsch entgegenschickte. Der Abg. Kopsch hat mir am Sonnabend offenbar nicht zugehört, er memorierte wohl damals schon seine Rede
(Schluß in der Zweiten Beil
Neichsanzeiger und Königlich Preuß
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Es ist dann noch von den Herren Vorrednern die Vermehru der Baugewerkschulen gewünscht worden, von dem Herrn Abg. Felisch besonders unter Hinweis auf die Verhältnisse in Berlin und den Vororten. Gewiß würden hier in der Umgebung von Berlin neue Baugewerkschulen zweckmäßig sein, und wir haben auch Verhandlungen mit den Vororten darüber geführt. Sie sind aber deshalb nicht zum Abschluß gelangt, weil die Vororte sich nicht entschließen konnten, einen hinreichend hohen Zuschuß aus eigenen Mitteln zu gewähren. Der Staat macht seinen Zuschuß bei solchen Schulen — und ich glaube, in richtiger Weise — davon abhängig, daß die Kommunen, die in erster Linie dafür interessiert sind, auch kräftige Beiträge dazu leisten. Das war bisher in den Vororten von Berlin nicht zu erreichen, und deshalb hat bis hierher die Schöpfung neuer Schulen seine Grenze gefunden. Der Wunsch, daß die Berliner Baugewerkschule so ausgebaut werden möchte, daß auch die Vororte von ihr mitversorgt werden können, wird vermutlich bei der Berliner Stadtverwaltung aus nicht zu miß⸗ billigenden Gründen Widerspruch finden. Man wird sagen, das sei Sache der Vororte, und die Staatsregierung kann um so weniger Einfluß darauf üben, als gerade die Berliner Baugewerkschule eine kommunale Anstalt ist, die nur einen Staatszuschuß erhält, und daß es Sache der Stadt Berlin sein muß, wie weit sie ihre Schulen ausdehnen will oder nicht. Im großen und ganzen muß ich anerkennen, wie der Abg. v. Schenckendorff auch hervorgehoben hat, daß der Etat der Handels⸗ und Gewerbeverwaltung in diesem Jahre mit einer gewissen Knappheit aufgestellt ist. Das hat er aber mit den Etats der anderen Verwaltungen in diesem Jahr gemein, und auch die Verwaltung, der ich vorzustehen habe, kann sich dem Drucke nicht entziehen, den die allgemeine Finanzlage auf die Ressorts ausübt. Sicher ist — darin kann ich allen Herren Vorrednern beistimmen —, daß die Aufgaben, die das gewerbliche Unterrichtswesen an die Verwaltung stellt, in Zukunft immer steigen und größer sein werden. Ich hoffe, daß, wenn die Finanzverhältnisse wieder besser sind, auch die pekuntären Mittel zu ihrer Erfüllung der Gewerbeverwaltung werden zur Verfügung ge⸗ stellt werden können. (Bravo!)
Nachdem noch die Abgg. Berücksichtigung von Männern der von Lehrkräften empfohlen haben, bewilligt.
Bei den dauernden Ausgaben, und zwar bei dem Titel „Gehalt des Ministers“ bemerkt von Arnim (kons.): Wir halten es für zweckmäßig, auch ee die Frage der Zulassung ausländischer Papiere 18. Sprache zu bringen und dem Minister Gelegenheit zu geben, sich darüber zu äußern. Sämtliche Sachverftändige haben der Regierung geraten, diesmal mit der Ausgabe neuer Anleihen zu warten, und dies ist auch ge⸗ schehen. Der Kurs der 3 ½ es egch preußischen Konsols war gesunken, bis er mit 92,20 im Oktober 1910 seinen niedrigf en Stand erreichte. Infolge der Reichsfinanzreform ist der Kurs auf 94,50 gestiegen. Das Zuwarten der preußischen und der Reicfaöscberarg hat aber dazu geführt, daß eine große Ueberflutung des inländ is 5 Marktes mit ausländischen Anleihen erfolgt ist. Ich bin weit ent⸗ fernt davon zu sagen, daß deutsches Geld nicht in ö Papieren angelegt werden soll. Wir müssen uns auf diesem ege bemühen, Bestellungen für die inländische Industrie zu Das ist auch bei der türkischen Anleihe geschehen, ob auch bt 8G ungarischen, kann ich nicht beurteilen. Jedenfalls muß. man zeteder Zulassung ausländischer Anleihen vorsichtig sein. Wie wir Feßeht haben, ist der Nasenstüber in der „Nordd. Allgem. Ztg. n 8 Reichskanzler, sondern vom Handelsminister ausgegangern, Fr Ze66 2 lassung ausländischer Emissionen an deutschen örsen is die Bes mn, mung des Börsengesetzes maßgebend, nach der diese Fett ene gis⸗ zuzulassen sind, wenn allgemeine Interessen erheblich gesche ig 88 oder wenn sie zu einer Uebervorteilung des Pul likums Kübren. Wenn der inländische Markt der Schonung bedarf, dürfen aus än ische Werte nicht zugelassen werden. Nun ist es 899 sagen, ob eine Ueberlastung des inländischen 189 . vor 588. Staatsminister Delbrück hat im Reichstage 5 egt, 9 Verhältnis von ausländischen Werten zu den b ain Deutschland sich zwischen 5 und 31 % bewegt hat. G der amtlichen Statistik eine sehr bedeutende Steigerung er emi “ ausländischen Werte stattgefunden. Akut ist die Fönge in der 18* Zeit durch die amerstanischen Papiere gerrorder⸗ — bnu nnicr. scheiden zwischen Aktien und Bonds. † „Chicage shelden sn he Paal Wahn war die Warnung der Zeitunge, — notwenice vernlatisnspabier Fecs Kursschwankungen 8*b und 8 ulati es erwiesen haben. Es wäre erwünscht gewesen, aß 8 Nkange Kani onds eine ble Fere 8 ve den eh aben rend das Preußenkonsortium bei den Staats⸗, Reichsanleihen inen geringen Gewi war bei diesen Bonds der Emissions kurs Ane gere Bee ” der Uebernahmekurs, nämlich 88 zu 83 5 die Bankiers hatten also Geinn von 5 %. Die Amerikaner würden doch ein, b Papier nicht herauslassen, wenn es zein gutes Fhe. Märe. Die Regierung hat Pnce. . dens iln ie ausländischen Papiere schütze vill, d . n, gighin 88 „Forbbeulschen Allg ie en S dcge Fe eneh 86 Kraft treten zu lassen. will dann noch die Dezrehung bneammen un “ 889 berfah . In des ”. 1 issio ha ein natione Mitglied doe eitteilungen über Versammlungen des⸗ des Lan Ihentiiht getde veSg bat sch nnn eräasgest te gä si ar um eine V Fhveree 8 fin Pösen dicht nn sondern um eine pripate Veroffentlichung eneer Verlagsfirma, welche die Landwirte für die . Woche in Berlin über die Veranstaltungen des I ü; “ wirte bei dieser Gelegenheit informierte. Es war wmaäffen 888 wirtschaftskammer kein zu machen. Dagegen
Vorwurf en müssen wi darauf hinweisen, daß Handelskammern als korporative Mitglieder
Hansabund beigetreten sind.
Lieber (nl.) und Felisch die Praxis bei der Annahme werden die Einnahmen
dem politische Propaganda treibenden Bister über die Steuer⸗
Der Hansabund hat z. B. agitatorische
ei t und Land usw. 2 de aa gse. nn earseisr hat der Ausschuß des Hansabundes
letzten Tagen eine andere Stellung eingenommen; aber i doch den nicht als korpora
dHerr Vorredner erörtert hat, in derselben Reihenfolge eingehen, in der ng er sie besprochen hat, zunächst also auf die Frage der Zulassung aus⸗ ländischer Anleihen. Ich entspreche damit dem Wunsch, wegen der
veröffentlicht, die nicht zutreffend veröffentlicht, b ich 58 Mini den Handelskammern anheimzugeben, Fchtrge beizutreten, denn zu
Zwei
Berlin, Dienstag, den 28. Februar
Minister für Handel und Gewerbe Sydow: Meine Herren! Ich will auf die beiden Gegenstände, die der
Wichtigkeit des Gegenstandes die Stellungnahme, die ich bereits in der Kommission skizziert habe, hier auch in der Oeffentlichkeit bekannt “
8 1. gehe zunächst mit dem Herrn⸗ Vorredner davon aus, daß es für unsere Volkswirtschaft nicht nur wünschenswert, sondern auch not⸗ wendig ist, daß wir ein gewisses Quantum ausländischer Wertpapiere besitzen, und zwar aus verschiedenen Gründen. Es kann aus politischen Rücksichten zweckmäßig sein, daß der Markt ausländische Anleihen aufnimmt; es können auch wirtschaftliche Interessen dafür maßgebend sein, was insbesondere dann der Fall sein wird, wenn es auf diesem Wege gelingt, der inländischen Induͤstrie, dem inländischen Handel ein Absatzgebiet im Auslande zu schaffen. Es kann auch im deutschen Interesse liegen, daß dem deutschen Kapitalisten durch gute aus⸗ ländische Anlagewerte ein besonders vorteilhafter Zinsgenuß geboten wird; dann aber vor allen Dingen verlangt unsere passive Handels⸗ bilanz, daß wir zur störungslosen Begleichung unserer Zahlungen nach dem Auslande Forderungen im Auslande besitzen. 1
Wenn ich also im allgemeinen mich damit einverstanden erklären kann, daß ein gewisses Quantum ausländischer Werte im Fölande placiert wird, so muß ich doch ebenso bestimmt betonen, daß eine Be⸗ teiligung des Inlandes an ausländischen Emissionen durch einen Gesichtspunkt begrenzt sein muß: es darf der inländische soweit er für die Bedürfnisse des Inlandes zu sorgen hat, dadurch nicht geschwächt werden. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.) Das ist der Kernpunkt der ganzen Frage, und der steht in erster Linie. Wenn man nun die Entwicklung in Deutschland beobachtet, so unterliegt es wohl keinem Zweifel, daß gerade der Kapitalbedarf für inländische Zwecke von Jahr zu Jahr steigt. Das liegt schon in der Zunahme der Bevölkerung, für die Arbeitsgelegenheit, Wohn⸗ gelegenheit und Verdienstgelegenheit geschaffen werden müssen was ja ohne Kapital nicht möglich ist; das liegt auch in der damit zusammenhängenden intensiveren Gestaltung unserer Industrie, wie des landwirtschaftlichen Betriebes, die beide Kapitalsaufwendungen nötig machen. Verfolgt man nun die Steige⸗ rung des inländischen Bedarfs nach den Zahlen, die sich aus der Steuer⸗ statistik unter Hinzunahme der Zahlen für die nicht steuerpflichtigen Staats⸗ und Reichsanleihen ergeben, so sieht man, daß der inländische Bedarf von 1900 bis 1910 sehr stark gestiegen ist. Während wir 1900 mit 2166 Millionen Mark inländischen Papieren, die hier gezeichnet und verstempelt wurden, zuzüglich der Reichs⸗ und Staatsanleihen, auskamen, ist seit dem Jahre 1906 das Quantum der inländischen Papiere auf jährlich durchschnittlich 3600 Millionen gestiegen, und 8 ist wohl nicht anzunehmen nach den Zeichen, die uns das wirtschaft⸗ liche Leben darbietet, daß in der nächsten Zeit eine Herabminderung intreten wird. 8
8 Nun muß ich aber damit vergleichen die Belastung des Kapital⸗ marktes in Deutschland mit ausländischen Effekten. Ich halte mich hier an die Stempelsteuerstatistik; denn die Emissionsstatistik, welche die zum Börsenhandel zugelassenen Mengen angibt, ist nicht ent⸗ scheidend, weil man nicht feststellen kann, wie viel von den zugelassenen Beträgen tatsächlich im Inlande untergebracht wird, und nur das kommt in Betracht. Ich gebe zu, daß die Stempelsteuerstatistil auch nicht ganz zuverlässig ist. Man kann aus ihr nicht ersehen, wie 8.8 Papiere aus deutschem Besitz wieder in das Ausland abgeflossen 8 Auf der anderen Seite werden von der Statistik diejenigen für deutsche Rechnung erworbenen Wertpapiere nicht erfaßt, die im Auslande 8. lassen und daher nicht versteuert werden. Der Betrag dieser Wert papiere wird gerade im letzten Jahre, nach der beträchtlichen Erhöhung des Reichsstempels, nicht gering gewesen sein. Nach der Stempel⸗ steuerstatistik ist nun die Inanspruchnahme des deutschen Kapital⸗ markts durch ausländische Papiere gerade in den letzten Jahren, in denen wir den starken Anlagebedarf des Inlandes hatten, immer mehr gestiegen. In den Jahren 1906 bis 1908 betrug sie zwischen 5,3 und 8 %, in den Jahren 1909 bis 1910 aber 15 % des ge⸗ samten in inländischen und ausländischen Papieren angelegten Kapitals. Es sind in den letzten beiden Jahren F. ich nehme 1909 und 1910 zusammen, weil das Jahr 1909 mit Rücksicht auf 9— am 1. August 1909 in Kraft getretene Erhöhung des Reichs⸗ stempels eine starke Vorverstempelung von Papieren gebracht hat, die erst 1910 an den Markt gebracht sind — im Dusrchschnitt 610 Millionen Mark ausländischer Papiere im Inlande versteuert worden. Nun hat sich die Sache im ersten Quartal 1911 entsprechend stärker entwickelt; da kam die ungarische Anleihe, die St. Louis und Francisco⸗Bonds, die chinesische Tientsin⸗Pukow⸗Staatseisenbahn⸗ anleihe, und es wurde außerdem eine chilenische Anleihe aufgelegt. Im großen und ganzen stellen die im ersten Quartal 1911 an den Markt gebrachten Papiere nach dem zugelassenen Betrage hier kann man nur die zugelassenen Beträge vergleichen 88 das Eineinhalb⸗ fache der im ersten Quartal 1910. zugelassenen Papiere dar, wobei 8. bevorstehende türkische Emission noch nicht in Betracht gezogen is 8 Es ist also eine weitere Inanspruchnahme des inländischen Marktes für ausländische Werte festzustellen, und das alles zu einer Zeit, wo die Finanzverwaltungen des Reiches und Preußens 88 Schonung des inländischen Marktes mit der Emission inländischer Anleihen zurück⸗ 1 will nicht behaupten — und Sie werden das aus meinen Deduktionen ja auch wohl herausgehört haben —, daß man sich bei der ganzen Frage hauptsächlich von dem Stand des Konsol⸗ kurses leiten lassen soll; es kommen noch andere und noch wichtigere Gesichtspunkte in Betracht. Man kann auch der Meinung sein, daß das Publikum, das Konsols und Reichsanleihen kauft, im wesentlichen ein anderes sein wird als das, das die ausländischen Papiere nimmt. Aber eins bleibt doch wahr: eine indirekte Wirkung der Emission
Emissionen ein gewisses Halt entgegenzurufen, Stammaktien der Chicago⸗Milwaukee⸗Bahn war der den ich benutzen konnte.
1911.
fiss
8
8
ind Staatsanleihen tritt auf alle Fälle ein, denn in dem Maße, wie
dem inländischen Markt freies Kapital entzogen wird und infolgedessen Anlage suchendes Kapital weniger vorhanden ist, muß sich der Zinsfuß im Inland steigern, und das hat eine Rückwirkung auf die Staats⸗ und Reichsanleihen.
Aus diesem Grunde erschien es mir geboten, den ausländischen und die Begebung der erste Anlaß,
Ich habe, wie schon erwähnt ist, die Warnung des Publikums
in die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ deshalb hineingebracht, um
für den Fall, daß die Zulassung nicht zustande kommen sollte, zu verhindern, daß das Publikum sich bereits in größerem Maße engagiert hätte, und der Schaden dann auf das Publikum zurückfiele. Ich bin nun — auch von meinem Herrn Vorredner — gefragt worden, warum ich nicht bereits bei den St. Louis⸗ und St. Francisco⸗ Bonds Einspruch erhoben hätte. Ja, meine Herren, die sind in Frankfurt schon im Dezember 1909 zugelassen worden, und damals ließ sich noch nicht übersehen, daß wir eine so dauernde, starke In⸗ anspruchnahme für ausländische Werte neben starker Steigerung des inländischen Bedarfs haben würden. Nachdem sie aber da zugelassen waren, hatte es für den inländischen Markt keine große prinzipielle und praktische Bedeutung, ob sie neben Frankfurt nun auch noch in Berlin zugelassen würden. Der deutsche Kapitalist hätte sie ja eventuell durch ein Berliner Bankhaus von der Frankfurter Börse beziehen können und vielleicht auch bezogen. Ich bin dann von einer anderen Seite gefragt worden, warum ich denn jetzt diesen Papieren entgegengetreten wäre, wo doch die b teiligten Banken es seinerzeit, als sie das Geschäft vorbereiteten, noch gar nicht hätten wissen können. Ich habe darauf geantwortet: einmal komme der Tropfen, der den Becher zum Ueberlaufen, bringt, einer werde immer der erste sein, und das Risiko hierfür müßten die Banken schon tragen, die sich mit solchen Emissionen befassen. Im übrigen habe ich das hiesige Bankhaus, das sich mit der Emission befassen wollte, von meiner Absicht in Kenntnis gesetzt. Es ist mir darauf geantwortet worden, es sei nur die Absicht, 2 Millionen Dollars an den Markt zu bringen, und man beabsichtige nicht, die Zulassung der Papiere zum Ultimohandel zu beantragen. Das hat mich in meiner Auffassung aber nicht beeinflussen können; denn sind einmal 2 Millionen Dollars zugelassen, dann ist 8— Tür für die anderen 114 Millionen Dollars auch offen. (Sehr richtig ) Ich habe daher vor kurzem dem hiesigen Bankhaus mitgeteilt, daß ich meine Bedenken aufrecht erhielte, und daß ich, falls die Zulassung der Papiere bei der Berliner Börse beantragt werden würde, dagegen Einspruch erheben würde. (Bravo! rechts.) Ich nehme auf Grund des Börsengesetzes — das ist ja auch in dem hohen Hause bisher noch nicht in Zweifel gezogen — für mich das Recht in Anspruch, vermöge des weitgehenden Aufsichtsrechtes, das die Landesregierung nach der Konstruktion des Börsengesetzes besitzt, aus Gründen des öffentlichen Interesses die Zulassung von Papieren, die dem öffentlichen Interesse uwider zu sein scheint, zu verhindern. 8 8 Dabei ich — das betone ich nochmals — die Qualität des Papiers ganz außer Betracht gelassen. Ich habe allerdings festgestellt, daß weder ein politisches noch ein spezielles wirtschaftliches Interesse für die Zulassung der Papiere spräche. Im übrigen aber 1 bin ich lediglich bestimmt worden durch die Rücksicht auf die Ansprüche, die der Geldmarkt von dem inländischen Bedarf erfährt und noch erfahren wird. Würde ich mich auf die Prüfung der Qualität der Papiere einlassen, so würde die Folge sein, daß in den Fällen, wo seitens der Regierung kein Einspruch erhoben würde, das Publikum zu der Meinung kommen könnte, diese Papiere seien gewissermaßen offiziös geprüft und für gut befunden worden. Also gegen muß ich mich natürlich verwahren, das ist Sache der Zulassungsf elle, und ich bin ja auch in der Lage, durch den Staatskommissär an der Börse der Zulassungsstelle gegenüber etwaige sachliche Bedenken gegen die Güte eines Papiers oder vor allen Dingen gegen die Vollständig⸗ keit eines Prospektes geltend machen zu lassen. Die Berliner Zu⸗ lassungsstelle arbeitet mit einer solchen Sorgfalt und Gewissen⸗ haftigkeit, daß ich mich darauf verlassen kann, daß sie auch aus solchen Bemerkungen die nötigen Konsequenzen ziehen und jedenfalls dafür sorgen wird, 8 daß in die Prospekte alle zur vollständigen Prospektwahrheit erforderlichen v sachen aufgenommen werden. Ich wollte nur, das Publikum läse die Prospekte! Es ist ja erstaunlich, wie wenig das Publikum sich darum kümmert; dadurch wird der Nutzen der Prospekte leider vielfach in Frage gestellt. Ich habe Prospekte gesehen 8 ich will keine nennen —, die eigentlich wie eine Abmahnung aussahen, nachdem 8 Zulassungsstelle die ganzen wirtschaftlichen Verhältnisse hineingebrach hatte; aber das Publikum fragt nicht nach dem Prospekt, sondern geht zu dem jungen Mann am Bankschalter, fragt: was soll zeichnen? — dann sagt der: zeichnen Sie das und das, und das Publikum folgt dem Rat unbesehen. — Dafür ist allerdings die Regierung und die Gesetzgebung nicht verantwortlich. 1 . Ich fasse mich dahin zusammen: Mein Vorgehen hier gegen 9 Zulassung der Chicago⸗ und Milwaukee⸗Stammaktien, denen, wie ganz richtig gesagt worden ist, wenn sie zugelassen worden wären, bald andere gefolgt wären, beruht lediglich auf der Rücksicht auf den Bedarf des inländischen Kapitalmarktes. Es sollte ein Warnungs⸗ zeichen für die großen Banken sein und sie darauf hinweisen, daß sie bei ihren Emissionen neben den geschäftlichen auch die allgemeinen Interessen, besonders die Interessen des inländischen Kapitalbedarfs in ücksicht ziehen mögen. 1ge c. zu der anderen, damit in keinem Zusammenhang stehenden Frage der Beteiligung der Handelskammern am Hansabund. Ich habe mich dabei über den Hansabund an sich nicht auszulassen, da der bekanntlich nicht dem Handelsminister untersteht, sondern eine freie Vereinigung ist, sondern mich mit ihm nur von dem Gesichts⸗ punkt aus zu beschäftigen, in wieweit seine Mitgliedschaft gesetzlich
ihnen gehören auch Mitglieder, Hansabund. 8
die anderer Gesinnung sind, als der
ausländischer Wertpapiere auf den Kurs und denAbsatz der Reichs⸗
mit der Stellung der Handelskammern vereinbar ist. Die Handels⸗