1911 / 55 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Erster Militärgouverneur der drei Prinzen. Söhne des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen Königliche Hoheit enthoben und unter Verleihung des Charakters als Major zum Stabe des Gardegren. Regts. Nr. 5 versetzt. Frhr. v. Schleinitz, Oberlt., unter Ent⸗ hebung von der Stellung als Zweiter Militärgouverneur der drei Prinzen⸗Söhne des Priazen Friedrich Leopold von Preußen Königliche Hoheit zum Militärgouverneur des jüngsten Prinzen. Sohnes des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen Königliche Hoheit, v Schmidt, Rittm. und Eskadr. Chef im Kür. Regt. von Seydlitz (Magdeburg.) Nr. 7, unter Belassung seiner bisherigen Uniform zum Ersten militärischen Begleiter der beiden ältesten Prinzen⸗Söhne des Prinzen Friedrich Leopold von Preußen Königliche Hoheit, er⸗ nannt. Zennig, Major und Verkehrsoffizier vom latz in Straß⸗ burg i. E., in Genehmigung seines Abschiedsgesuchs mit der gesetz⸗ lichen Pension zur Disp. gestellt. Schmidt, Hauptm. und Adjutant der Insp. der Verkehrstruppen, unter Beförderung zum Major, vor⸗ läufig ohne Patent, zum Verkehrsoffizier vom Platz in Straßburg i. E., v. Mayer, Hauptm. und Komp. Chef im Telegraphenbat. Nr. 1, unter Verleihung eines Patents seines Dienstgrades, zum Adjutanten der Insp. der Verkehrstruppen, ernannt. Wentrup, Hauptm. und Lehrer beim Luftschifferbat, als Komp. Chef in das Telegraphenbat. Nr. 1, Mossner, Hauptm. und Komp. Chef im Eisenbahnregt. Nr. 1, als Lehrer zum Luftschifferbat, Guse, Oberlt. im Telegraphenbat. Nr. 3, unter Beförderung zum Hauptm., vorläufig ohne Patent, als Komp. Chef in das Eisenbahn⸗ regt. Nr. 1, Vogt, Hauptm. und Komp. Chef im Kurhess. Jäger⸗ bat. Nr. 11, mit Patent vom 25. September 1900 in das Inf. Regt. von Goeben (2. Rhein.) Nr. 28, v. Harnier, Hauptm. und Ad⸗ jutant der 49. Inf. Brig. (1. Großherzogl. Hess.), als Komp. Chef in das Kurhess. Jägerbat. Nr. 11, versetzt. Graf zu Lynar, Oberlt. im 1. Garderegt. z. F., zum Adjutanten der 49. Inf. Brig. (1. Großherzogl. Hess.) ernannt. Krosta, Rittm. und Eskadr. Chef im Jägerregt. zu Pferde Nr. 3, der Abschied mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen der Regts. Uniform bewilligt. von Philipsborn, Oberlt. im Hus. Regt. Königin Wilhelmina der Niederlande (Hannov.) Nr. 15, der Abschied mit der gesetzlichen Pension aus dem aktiven Heere bewilligt; zugleich ist derselbe bei den Offizieren der Landw. Kav. 1. Aufgebots angestellt. v. Marschall, Tt. im Kurhess. Jägerbat. Nr. 11, unter Verleihung des Charakters als Oberlt., der Abschied mit der gesetzlichen Pension und der Er⸗ laubnis zum Tragen der Armeeuniform bewilligt. v. Negenborn, Rittm. und Eskadr. Chef im Hus. Regt. Graf Goetzen (2. Schles.) Nr. 6, unter Verleihung des Charakters als Major, Günther, Hauptm. und Komp. Cbef im 10. Lothring. Inf. Regt. Nr. 174, mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Tragen der Regts. Uniform der Abschied bewilligt.

Im Veterinärkorps. Durch Verfügung des Kriegs⸗ ministeriums. 26. Februar. Dr. Holzapfel, Unterveterinär von der Militärveterinärakademie, vom 1. März 1911 ab mit Wahr⸗ nehmung einer offenen Veterinärstelle beim Kür. Regt. Graf Geßler (Rhein.) Nr. 8, unter gleichzeitiger Versetzung zu diesem Truppenteil, beauftragt.

Berlin, 2. März. Die nachgenannten Selektaner der Haupt⸗ kadettenanstalt in der Armee als Leutnants, vorläufig ohne Patent, angestellt, und zwar die Portepeeunteroffiziere: v. Wartenberg, im Kaiser Franz Gardegren. Regt. Mr. 2, y. Stülpnagel, im 3. Garderegt z. F., Selchow, im Gren. Regt. Kronprinz (1. Ost⸗ preuß.) Nr. 1, Rogalla v. Bieberstein, im Gren. Regt. König Friedrich Wilhelm IV. (1. Pomm.) Nr. 2, Ramdohr, im Gren. Regt. König Friedrich Wilhelm I. (2. Ostpreuß.) Nr. 3, v. Ludwig, im Gren. Regt. König Friedrich der Große (3. Ostpreuß.) Nr. 4, v. Zglinicki, im Gren. Regt. König Wilhelm IJ. (2. Westpreuß.) Nr. 7, v. Wedel, im Colberg. Gren. Regt. Graf Gneisenau (2. Pomm.) Nr. 9, Stephan, im Gren. Regt. König Friedrich Wilhelm II. (1. Schles.) Nr. 10, v. Schneidemesser, im Inf. Regt. Herwarth von Bittenfeld (1. Westfäl.) Nr. 13, Asmus, im Inf. Regt. Graf Barfuß (4. Westfäl.) Nr. 17, Hohmann, im Inf. Regt. von Grolman (I1. Posen.) Nr. 18, Kuhn, im Inf. Regt. von Borcke (4. Pomm.) Nr. 21, v. Foerster, im Inf. Regt. Großherzo Friedrich Franz II. von Mecklenbutg⸗Schwerin (4. Vrandenburg Nr. 24, Robrade, im Füs. Regt. von Steinmetz (Westpreuß.) Nr. 37, v. Crousaz, im Füs. Regt. General⸗ Feldmarschall Graf Moltke (Schles.) Nr. 38, Müller (Otto), im Inf. Regt. Herzog Karl von Mecklenburg⸗Strelitz (6. Ostpreuß.) Nr. 43, Simon, im Inf. Regt. Graf Dönhoff (7. Ostpreuß.) Nr. 44, Meyer, im 8. Ostpreuß. Inf. Regt. Nr. 45, Trip, im 6. Pomm. Inf. Regt. Nr. 49, v. Seydlitz⸗Kurzbach, im Inf. Regt. Freiherr Hiller von Gaertringen (4. Posen.) Nr. 59, Witt, im Inf. Regt. von der Marwitz (8. Pomm.) Nr. 61, Morgenbesser, im Inf. Regt. General⸗Feldmarschall Prinz Friedrich Karl von Preußen (8. Brandenburg.) Nr. 64, Busz, im 6. Rhein. Inf. Regt. Nr. 68, v. Krosigk, im Inf. Regt. Hamburg 2. Hanseat.) Nr. 76, Bering, im Füs. Regt. von Gersdorff (Kur⸗

ess.) Nr. 80, Baller, im Füs. Regt. Königin (Schleswig⸗Holstein.) Nr. 86, v. e im Olvenbur . Inf. Regt. Nr. 91, Credé, im Anhalt. Inf. Regt. Nr. 93, v. Scheve, im 6. Thüring. Inf. Regt. Nr. 95, Mackle, im 2. Bad. Gren. ege Kaiser Wilhelm J. Nr. 110, Frhr. v. Hofmann, im Danziger Inf. Regt. Nr. 128, Höpfner, im 2. Lothring. Inf. Regt. Nr. 131, Burchardt, im 1. Unterelsäss. Inf. Regt. Nr. 132, Gutknecht, im 3. Lothring. Inf. Regt. Nr. 135, Mackeldey, im 4. Westpreuß. Inf. Regt. Nr. 140, Pesch, im Köpigainf. Regt. (6. Lothring.) Nr. 145, Feyerabend, im 1. Masur. Inf. Regt. Nr. 146, Nehring, im 6. Westpreuß. Inf. Regt. Nr. 149, v. Loeper, im 8. Thüring. Inf. Regt. Nr. 153, Stenger, im Inf. Regt. Lübeck (3. Hanseat.) Nr. 162, Flashar, im 4. Hannov. Inf. Regt. Nr. 164, Stumm, im 2. Oberelsäss. Inf. Regt. Nr. 171, Frhr. v. Werther n, im 2. Gardefeldart. Regt., Vogeler, im 1. Pomm. Feldart. Regt. Nr. 2, Bender, im 1. Oberelsäss. Feldart. Regt. Nr. 15, Liebach, im Feldart. Regt. General⸗Feldzeugmeister (2. Brandenburg.) Nr. 18, Koch⸗Hagen, im 1. Thüring. Feldart. Regt. Nr. 19, Hofmann, im 3. Bad. Feldart. Rest Nr. 50, v. Fabrice, im Großherzogl. Mecklenburg. Feldart. Regt. Nr. 60, Trauthig, im 2. Nassau. Feldart. Regt. Nr. 63 Frankfurt, Ecke, im Schles. Pion. Bat. Nr. 6, Krug, im Rhein. Pion. Bat. Nr. 8, Müller (Richard), im

Schleswig⸗Holstein. Pion. Bat. Nr. 9. 8

Deutscher Reichstag. 140. Sitzung vom 3. März 1911, Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die Spezialberatung des Etats für die erwaltung des Reichsheeres bei den in der Diskussion verbundenen Kapiteln 37 (Artillerie⸗ und Waffenwesen) und 38 (Technische Institute) fort. Ueber den Anfang der Sitzung ist Nummer d. Bl. berichtet worden. Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.) in seinen Ausführungen fortfahrend: Für Wohlfahrtseinrichtungen hat auch die Heeresverwaltung An⸗ erkennenswertes geleistet. In Spandau fühlen sich die Arbeiter⸗ ausschüsse dadurch beschwert, daß ihr unter Hinweis auf die mangel⸗ haften Wohnungsverhältnisse und auf die Wohnungsnot vorgetragener Wunsch, die Verwaltung möge die Bestrebungen auf Bildung von Baugenossenschaften und Schaffung von Wohnungen im Wege des Erbbaurechts unterstützen, abgelehnt worden ist, da eine gegnerische Bewegung eingesetzt habe. Die Resolution Albrecht, die schon beim Marineetat gestellt war und hier wieder vorgeschlagen ist, werden wir ablehnen und für die Zentrumsresolutionen stimmen: zu unserer ablehnenden Haltung gegen die sozialdemokratische Resolution hat die Rede des Abg. Hue zum Marineetat nicht wenig beigetragen.

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in der gestrigen

Wenn die Lieferungsbedingungen absolut an die Bedingungen des Einhaltens von Tarisverträgen geknüpft werden sollen, so müßte man ich an den Reichskanzler wenden, damit allgemein etwas in dieser

ichtung geschieht; an dieser Stelle lehnen wir, daher diese Forderung ab. Der Abg. Hue meinte, daß die im Ruhrrevier für die Reichsverwaltung liefernden Firmen keine geordneten Zustände in ihren Arbeiterverhältnissen haben. Ob die Akkorde gedrückt sind, können wir nicht beurteilen; darüber wird ja die Verwaltung sich informieren. Der Abg. Hue griff auch die Essener Wohnungs⸗ verhältnisse an; es beliebte ihm, diese mit der Resolution in Verbindung zu bringen und uns eine Darstellung der dortigen Wohnungsverhältnisse zu geben, die die Stadtperwaltung und die Firma Krupp in ein ganz falsches Licht setzt. (Vizepräsident Dr. Spahn hält diese Erwiderung auf eine zum Marineetat gehaltene Rede an dieser Stelle für nicht statthaft und wiederholt seine Mahnung, als der Redner den Versuch der Widerlegung dieser Rede fortsetzt.) Mlso wir mißbilligen diese Darstellungen, weil sie objektiver Prüfung nicht standhalten.

Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Die Herren von der Linken hatten versprochen, kurze Reden zu diesen Titeln zu halten, haben aber ihr Versprechen nicht gehalten. Es wäre vielleicht des Reichstags würdiger, diese Dinge von den Debatten auszuschließen; es gibt in der ganzen Welt kein Parlament, das sich mit solchen Lappalien so aufhält und die kostbare Zeit so vertrödelt. Der Abg. Potthoff verlangte, daß die fiskalischen Betriebe das leisteten, was an⸗ ständige Privatunternehmen leisten. Ich bin ganz dieser Meinung; die fiskalischen Betriebe dürfen in ihrer Arbeiterfürsorge nicht weiter gehen als diese. Als unleidlichen Mißstand habe auch ie empfunden, daß die preußischen Ressorts einseitig mit gewissen Einrichtungen vor⸗ ehen ohne Verbindung mit den Reichsressorts; Erhöhung der Löhne, Festsetzung des Urlaubs und andere Arbeitsbedingungen müssen unter allen Umständen im Einvernehmen mit Preußen geordnet werden. Wohin soll es führen, wenn jedes Ressort für sich allein vorgeht? Die Arbeiterausschüsse haben wir eingesetzt und sind auch für ihren Aus⸗ bau; andere Organisationen aber, die die Arbeiterausschüsse über⸗ bieten, haben ssch da nicht einzumischen. Mit Privatausschüssen braucht das Kriegsministerium nicht zu verhandeln. Auch bezüglich der Kündi⸗ gungen muß eine Kommunikation mit Preußen statthaben. Die Resolutionen sollten zurückgezogen werden, viel steckt doch nicht drin. Was hat es für einen Zweck, daß bei einer Besetzung des Hauses von 30 Mitgliedern eine Resolution mit 16 gegen 14 Stimmen an⸗ genommen wird! Mit dem Bau von Arbeiterwohnungen und von Wohnungen für kleine Beamte sollte in viel größerem Umfange vor⸗ gegangen werden. Leider wird bei dem Bau solcher Wohnungen viel zu viel Luxus getrieben. Für dasselbe Geld könnten doppelt so viele Wohnungen gebaut werden. 8 8 1

Abg. Dr. Becker⸗Cöln (Zentr.): Ich hoffe, daß unsere Resolutionen angenommen werden. Im Abgeordnetenhause haben die Freisinnigen eine Resolution beantragt, die sich in ähnlichem Sinne bewegt wie unsere Anträge. Dann können uns die Herren doch nicht verübeln, wenn wir fuür das Reich solche Anträge stellen. Der Abg. Potthoff sollte also seine Kritik gegen seine eigenen Parteifreunde richten. Er hält das Zentrum für staatsfeindlicher als die Sozialdemokraten. In manchen Kreisen, nicht nur des Zentrums, wird die neuerliche Politik des Freisinns in Verbindung mit den Sozialdemokraten für ebenso staatsfeindlich und verderblich gehalten, wie die der Sozialdemokraten. Sie werden ja sehen, wie weit Sie damit kommen. Sehen Sie sich nur vor, daß Ihre (links) Sitze hier im Reichstage nicht von Ihren roten Verbündeten eingenommen werden. Wir haben schon dor Jahren eine Resolution in der Budgetkommission eingebracht und auch hier zur Annahme gebracht, ähnlich wie die vorliegenden, mit dem Ziel, daß die Staatsbetriebe Musterbetriebe sein sollen. Was die Teuerungszulage betrifft, so ist den kleinen Orten billig, was für Spandau recht ist. In einer großen Stadt mögen die Mieten höher sein wie in einer kleinen Stadt, aber dafür sind die Lebensmittelpreise in den kleinen Orten hoch genug. Das Gesetz über die Besteuerung der Reichsbetriebe sollte so bald wie möglich zur Verabschiedung kommen. In dankenswerter Weise haben die Staatsbetriebe Arbeiterausschüsse geschaffen. Sollen diese ihren Zweck erfüllen, so müssen sie frei und ungehindert ihre ö vortragen dürfen. Ich hielte es sogar für Feeg und sach⸗ gemäß, wenn die Ausschüsse Gelegenheit hätten, ihre Ansichten direkt den Vorgesetzten vorzutragen und mit ihnen zu be⸗ sprechen. Es könnten bestimmte Sprechstunden dafür eingerichtet werden. Es besteht jetzt eine gewisse Scheu und Aengstlichkeit der Mitglieder der Arbeiterausschüsse vor ihren Vorgesetzten. Das muß anders werden. Es muß eine freie, ungezwungene Aussprache Platz greifen. Die Militärarbeitervereine denken nicht an Streiks; ihre Statuten enthalten darüber keine Bestimmungen. Die Arbeiter⸗ ausschüsse müßten daher ausgebaut werden in dem Sinne, daß sie in geeigneter Weise bei Gestaltung der Löhne und Arbeitsbedingungen mit⸗ wirfen. Der Redner geht dann noch auf die Wünsche der Verwaltungs⸗ schreiber und anderer Unterbeamtenkategorien und der Militär⸗ anwärter ein und empfiehlt diese staatserhaltenden Elemente dem besonderen Wohlwollen der Verwaltung.

Abg. Zubeil (Soz.): Es handelt sich nicht um Lumpereien. Wir stellen das Wohl und Wehe der deutschen Arbeiterschaft mindestens so hoch, als eine neue Militärvorlage oder neue Schiffe. Es ist unsere Pflicht, sowohl die Wünsche der in den Staatsbetrieben be⸗ schäftigten Arbeiter wie derjenigen gußerhalb der Staatsbetriebe hier zur Kenntnis zu bringen. Die Arbeiter der Geschoßfabrik in Siegburg bitten, daß über die Unterschlagungsangelegenheit noch ein⸗ mal eine Untersuchung durch einen unparteiischen Offizier stattfindet. Ein Verwaltungsschreiber hat wöchentlich ein oder zwei Arbeiter mehr ins Krankenjournal eingeschrieben und dadurch jedesmal 20 unterschlagen. Der Gesamtbetrag beziffert sich auf über 2000 ℳ. Wie war es möglich, daß diese FhitterEagungen, so lange Zeit unentdeckt fortgesetzt werden konnten! Die Untersuchung ist sonderbarerweise durch den Oberleutnant geführt, der das größte Interesse hatte, die Angelegenheit möglichst schnell aus der Welt zu schaffen, weil er die Krankenjournale, ohne einen Blick hinein⸗ zuwerfen, beglaubigt hatte. Die Arbeiter des Feuerwerkslaboratoriums in Spandau klagen seit Jahren darüber, daß manche Arbeiter sofort mit einem Tagelohn von 5,40 eingestellt werden, während Arbeiter, die schon 20 und 30 Jahre im Betriebe tätig sind und mit ihnen womöglich an einem Tische arbeiten, einen Höchstlohn von 4,80 erhalten. Sie bitten um eine Lohnerhöhung um 20 für den Tag, die die Verwaltung aus finanziellen Rücksichten abgelehnt hat. Es sollte überhaupt nur eine oder zwei Lohnskalen geben. Ferner sind die Arbeiter zu zweien auf einen Schrank angewiesen. Am 7. April 1910 wurde in den Betrieben der Heeresverwaltung in Spandau eine Bekanntmachung angeschlagen, der zufolge am Nachmittag ein Vertreter der Allgemeinen Elektrizitäts⸗Gesellschaft eintreffken würde, um sich bei den Arbeitern über ihre Geschicklichkeit zwecks Einstellung „bei der A. E.⸗G. zu unterrichten. Samtliche gekündigten Arbeiter hätten sich um 2 Uhr bereitzuhalten. Es handelte sich darum, daß 600 Arbeiter der A. E.⸗G. sich einen Lohnabzug nicht gefallen lassen wollten und streikten. Die Leitung des Deutschen Metallarbeiterverbandes, Ortsgruppe Berlin, wandte sich mit einer Beschwerde an das Kriegsministerium, die Antwort darauf spricht für sich selbst. In dem vom Generalmajor Wandel unterzeichneten Erwiderungsschreiben wird behauptet, es sei von dem Streik, der doch damals in Berlin so großes Aufsehen erregte, nichts bekannt gewesen. Die Spandauer Arbeiter haben sich nicht zu Ver⸗ rätern ihrer Arbeitsbrüder gemacht; sie haben es abgelehnt, als Streikbrecher zu dienen, sodaß die A. E.⸗G. nach ganz kurzer Zeit den streikenden Arbeitern ihre orderungen durchweg erfüllen mußte. Die Heeresverwaltung möge künftig ihre aus dem Spiele lassen, wenn die Arbeiterschaft in Privatbetrieben um bessere Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen kämpft.

Wandel: Der Abg⸗ Böhle hat gestern behauptet, die Arbeiter an unseren technischen Instituten wären sozialdemo⸗ kratischer Gesinnung, und das würde bei den nächsten Reichs⸗ tagewahlen zum Ausdruck kommen. Ich bin überzeugt, daß

Löhne in Straßburg sind Ende 1910 gere elt. Nach den an⸗ gestellten Ermittlungen ergab sich als Durchs hnittslohnsatz 3,33 ℳ. Wir geben 3,40 als Anfangslohn für alle Arbeiter. Ueber die Wegegelder für die Außenarbeit können erhebliche Unklarheiten nich bestehen, da erst vor kurzer Zeit Direktiven gegeben sind. Der Abg.

Arbeiterinnen gefallen sind, so ist das zu mißbilligen. Der Abg. Potthoff hat sich besonders mit der Behandlung der Techniker beschäftigt. Es ist gar nichts Neues, daß wir zwei Kategorien von Technitern haben, diejenigen, die alle Bedingungen für die etatsmäßige An⸗ ftellung erfüllen, und solche, bei denen das nicht der Fall ist. Dieser Unterschied bestand immer, da er aber in den. Anstellungsbedingunger nicht klar zum Ausdruck kam, so haben wir für beide Kategorien ver⸗ schiedene Anstellungsbedingungen festgesetzt; dadurch werden alle Klagen künftig beseitigt sein. Die Bezahlung während militärischer Uebungen und bei Ausfall des Dienstes aus anderen Gründen ist durch preußi⸗ schen Ministerialbeschluß für alle gleichartigen Kategorien festgesetzt worden. Was die Ausführungen des Abg. Behrens über die Organisationen innerhalb der Militärverwaltung betrifft, hindern wir die Arbeiter durchaus nicht, sich Vereinen anzuschließen oder miteinander in Verbindung zu treten. Wir schreiten nur ein, wenn innerhalb der Verbände staatsfeindliche Tendenzen sich geltend machen, und behalten uns vor, die sich dabei hervortuenden Arbeiter aus unseren Betrieben zu ent⸗

Wir haben dazu Veranlassung, weil neuerdings der Deutsche Militärarbeiterverband, obwohl er nach seinen Statuten auf loyalem Boden steht, Formen beobachtet hat, die darauf hinweisen, daß er teilweise von Persönlichkeiten geleitet und beeinflußt ist, deren Wirkung innerhalb unserer Betriebe nicht dazu beitragen kann, den Frieden aufrechtzuerhalten. Wir wünschen dringend und haben Maßregeln ergriffen, daß die Arbeiter⸗ ausschüsse die wahren Vertreter der Arbeiter sind, und haben die beste Absicht, sie in dieser Beziehung zu stützen. (Unruhe und Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Sie sind nicht die Sprecher der Heeresverwaltung, sondern die Arbeiter. Wir werden sie jederzeit darin unterstützen. (Große Unruhe, bei den Sozial⸗ demokraten. Zuruf des Abg. Ledebour: Sie werden sie maß⸗ regeln! Glocke des Präsidenten. Vizepräsident Dr. Spahn bittet um Ruhe.) Bezüglich der Wohnungsnot in Spandau finden sich in der Petition des Bundes der Handwerker irrige Angaben. Daß die Militärverwaltung den Wünschen der Hausbesitze mehr Rechnung trage, als denen der Arbeiter, ist eine durchaus den Tatsachen. wider⸗ sprechende Behauptung. Die Hausbesitzer und der Magistrat in Spandau erklären, es wären genügend Wohnungen vorhanden. Seitens der Militärverwaltung ist eine Kommission aus Vertretern der technischen Institute, des Magistrats und der Arbeiteraus⸗ schüsse, die wir also bei solchen Gelegenheiten heranziehen, ein⸗ gesetzt worden. Diese hat 18 000 Wohnungen besichtigt, und nach diesen Ermittelungen kommen wir allerdings zu der Ansicht, daß eine nicht genügende Zahl von Wohnungen für die Arbeiter vorhanden ist. Die Militärverwaltung ist aber nicht in der Lage, zu helfen, sondern beim Reichsamt des Innern befindet sich ein Fonds, der bestimmt ist zur Unterstützung der Fürsorge für Arbeiterwohnungen. Wir haben für Straß⸗ burg die Hergabe von 100 000 befürwortet, und wenn sich eine Gesellschaft findet, die in Spandau Wohnungen bauen will, so wird auch für sie die Militärverwaltung beim Reichsamt des Innern eine Unterstützung befürworten. Den Ausführungen des Abg. Dr. Becker habe ich nichts Besonderes hinzuzufügen. Die Militär⸗ verwaltung hat bereits in verschiedenster Hinsicht Vorsorge getroffen, daß die Arbeiterausschüsse Einfluß auf die Regelung der Arbeitsbedingungen erhalten. Von den Unterschlagungen in Siegburg ist mir augenblicklich nichts bekannt. Der niedrigere Lohnsatz für Arbeiter in Spandau ist daraus zu zerklären, daß diese Arbeiter weniger leisten und weniger Geschicklichkeit besitzen. Die Frage der Kleiderschränke in Spandau ist schon im vorigen Jahr berührt. Es sind mehr Arbeiter eingestellt, und deswegen mußten vorübergehend zwei Personen einen Schrank benutzen. Hinsichtlich des Streikfalles habe ich dem Bescheide des Kriegsministeriums nichts hinzuzufügen. Es entspricht den Tatsachen, daß im Feuerwerks⸗ laboratorium von einem Streik bei der A. E. G. nichts bekannt war. Wir haben uns nur leiten lassen von den Bestimmungen, die vor⸗ geschrieben sind, zu dem Zwecke, den Arbeitern, denen gekündigt werden mußte, andere Arbeitsgelegenheit zu verschaffen. 1 Abg. Sommer (fortschr. Volksp.): Der Zopf, daß man höheren Militärbeamten, die schon 15 oder 20. Jahre im Pienf stehen, noch ein nachträgliches Examen abverlangt, wenn sie einen höheren Titel⸗ erhalten sollen, muß endlich abgeschnitten werden. Daß noch Wünsche bei den Feuerwerkern und Zeugoffizieren bestehen, hat schon im vorigen Jahre den General Wandel in großes Erstaunen versetzt; er meinte, die Herren seien bei der Gehaltsregulierung besonders bevorzugt worden. Damit sind sie tatsächlich auch durchaus zu⸗ frieden; was sie wünschen, ist die Einführung eines besseren Avance⸗ ments. Es sind noch solche Offiziere im Alter von 46 bis 49 Jahren mit einem Jahreseinkommen von 2100 ohne jede Aussicht auf Beförderung vorhanden; die Ursache liegt an dem zu geringen Pro zentsatz von Offizieren in dem Feuerwerks⸗ und Zeugpersonal. Am besten wäre es, alle diese Offiziere in eine Gehaltsklasse zu bringen und sie nach 9 Jahren zum Leutnant, nach 6 Jahren zum Hauptmann avancieren zu lassen; ein anderer Vorschlag geht auf Erhöhung der Hauptmannsstellen auf 50 %. Es bleibt dabei, daß diese Offiziere die Stiefkinder der deutschen Armee sind; sie erfahren als „Arbeitsoffiziere“ ständig Zurücksetzungen im Ver⸗ gleich mit den rontoffizieren. Auf die feldgraue Uniform mußten sie unglaublich lange warten, sie mußten weiter mit dem „Zahnstocher“ herumlaufen; auch die Galauniform ist ihnen ent⸗ zogen, so daß sie in Preußen nicht mehr courfähig sind. Die jüngst erlassenen Personalvorschriften für dieses Offizierpersonal scheinen mit dem Gesetz nicht im Einklang zu stehen, denn das

offiziere verdient haben, kassiert, wenn ie zu Offizieren befördert werden. Das Reichsgericht hat im vorigen Jahre entschieden, daß der Versorgungsschein nicht erlischt, wenn der Betreffende Offizier geworden ist. Das Kriegsministerium hat dieses Urteil nicht respektiert, läßt vielmehr jetzt die Beförderung nur ein⸗ treten, wenn die Betreffenden ausdrücklich auf den Schein Verzicht leisten. Will das Kriegsministerium durchaus durch solche Er⸗ schwerungen das Jagowsche „Ich warne Neugierige“ in neuer Auf machung zeigen? Auf diese Weise wird der feuerwerks⸗ und Zeug⸗ offizier zum Zwitter zwischen Offizier und Militärbeamten gemacht. Der Zeughauptmann hat keinerlei Disziplinarstrafrecht, er untersteht in dieser Beziehung vielmehr jedem Oberleutnant oder Leutnant von den Frontoffizieren; er darf auch nur Sporen tragen, solange er zu Pferde sitzt. Ich gebe zu, das sind Kleinlichkeiten; aber wozu diese fortgesetzten Demütigungen, diese ewige Hintansetzung? Hier muß in modernem Geiste reformiert werden. Geben Sie diesen Offizieren, was den Offizieren gebührt! 2 Generalmajor Wandel: Eine Absicht, die Zeug⸗ und Feuer werksoffiziere herabzusetzen oder herabzuwürdigen, liegt der Militär⸗ verwaltung durchaus fern. Die guten Absichten der Verwaltung sind auch bei der Gehaltserhöhung zum Ausdruck gekommen. Im übrigen sind für diese Offiziere nur die 1 durchgeführt worden, die für Festungsbauoffiziere bestehen. Dies Offizierkorps ist gewiß ein fleißiges, zuverlässiges und unentbehr liches. Als Eticskinder des Offizierkorps werden diese Offiziere in keiner Weise betrachtet. Allerdings müssen wir mehr Zeug⸗ und Feuerwerkshauptleute haben. Eine kleine Besserung ist aber

unsere Arbeiter mit diesem Ürteil nicht einverstanden sind. Die

schon eingetreten, und wir werden d S hwier 3

Böhle hat ja erfreulicherweise anerkannt, daß die Behandlung der Arbeiter besser sei. Wenn ungehörige Aeußerungen der Feuerwerker gegen di

fernen. Wir sind entschlossen, die Bestimmung durchzuführen.

Militärstrafrecht kennt einen Unterschied zwischen diesen Offizieren

und den Frontoffizieren nicht. Sehr traurig sieht es mit der Be⸗ förderung der Herren zum Oberleutnant aus; sie müssen statt neun Jahre 11 bis 12 Jahre warten, ehe man sie mit dem ersten Stern bedenkt. Sehr bedenklich und mit dem Gesetz nicht in Einklang zu bringen ist, daß man den E1“ den sich die Zeugunter⸗

keit lag bisher in den finanziellen Zivilversorgung betrifft, so haben wir allerdings in Verbindung mit dem Reichsschatzamt die Bewilligung des Zivilversorgungsscheins als nicht berechtigt betrachtet, weil wir der Ansicht sind, daß die Reichs⸗

erichtsentscheidung sich nur auf einen einzelnen Fall bezieht. Die

eug⸗ und Feuerwerksoffiziere haben keine eigenen Dienstpferde, wenn

sie aber beritten gemacht werden sollen, dann werden ihnen welche 1“

1 Pilüeslegt, ich weiß nicht, was dann noch weiter geschehen soll. (Zuruf: Die Sporen!) 8 Abg. Schwarze⸗Lippstadt (Zentr.) wendet sich gegen die gestrigen Ausführungen des sozialdemokratischen Redners und des Ahg. Potthoff und nimmt die Resolutionen des Zentrums gegen die gestrigen An⸗ Friffs in Schutz. Die Verwaltung müsse sich noch mehr als bisher bemühen, das Vertrauen der Arbeiterausschüsse zu gewinnen. Der Redner erwähnt einen Fall, wo ein Arbeiterausschuß mißachtet worden sein soll. öAbg. Hue (Soz.) befürwortet folgende Resolution: Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, Arbeiten und Lieferungen für die Heeres⸗ verwaltung nur an solche Firmen zu vergeben, welche in Beziehung auf die Arbeitsbedingungen die gesetzlichen Vorschriften einhalten

und sich verpflichten, zur Regelung und Sicherung der Lohn⸗ und

Arbeitsbedingungen auf den Abschluß von Tarisverträgen hinzuwirken, sowie die Heeresverwaltung anzuweisen, die Festsetzung oder Neu⸗ ordnung von Arbeitsbedingungen in den Betrieben der Heeresverwal⸗ tung unter Mitwirkung der Arbeiterausschüsse vorzunehmen. Der Redner 1 bezieht sich zur Begründung dieser Resolution auf die Ausführungen, die er bei Gelegenheit der Beratung einer gleichlautenden Re⸗ solution zum Martneetat gemacht hat. Die Forderung seiner Partei auf unbeschränkte Koalitionsfreiheit der Staatsarbeiter sei auf dem Kongreß der christlich⸗nationalen Gewerkschaften 1903 auch von dem Abg. Schiffer vertreten worden. (Zuruf des Abg. Behrens.) Daß der Abg. Behrens und dessen Freund Schack auf diesem Standpunkt nicht stehen, wisse er sehr wohl. Draußen im Lande spräche dieser ganz anders wie hier im Hause. Er habe in Lothringen vor Arbeitern geradezu Brandreden gehalten. Von der Arbeitgeberpresse sei dem Abg. Behrens skrupellose Verhetzung vorgeworfen worden. Dieser und die Herren vom Zentrum sollten es sich also ersparen, den Sozial⸗ demokraten staatsfeindliche Gesinnung vorzuwerfen. Was er, Redner, seinerzeit über Lohnverhältnisse gesagt habe, habe sich nicht speziell auf Essen beziehen sollen; er habe vielmehr nur ein Gesamtbild über die ganze Industrie des Ruhrgebietes geben wollen. Was der Abg. Behrens heute bezüglich der Essener Wohnungs⸗ verhältnisse an Material auf den Tisch des Hauses niedergelegt habe, seien mißglückte Widerlegungsversuche, wie sie früher Herr Beumer im Auftrage der Firma Krupp zu liefern pflegte. Seit 1905 bis inkl. 1910 sei die Wohnungsdichtigkeit in Essen 1,6 für den bewohnten Raum geblicben, eine Besserung nicht im geringsten ein⸗ getreten. Die Essener Stadtverwaltung werde an anderer Stelle die Behandlung erfahren, die sie verdiene. Daß die Firma Krupp für diese trostlosen Wohnungsverhältnisse verantwortlich sei, sei nie behauptet worden; es sei überall dasselbe, ob Krupp oder Baare, Stinnes oder Thyssen das Regiment führe. Die Schuld liege am kapitalistischen System, das Millionen über Millionen an diese Lieferanten hingebe, aber nicht dafür sorge, daß sie gemein⸗ nützig verwendet werden. Schon 1907 habe er (Redner) in der „Kommunalen Praxis“ einen ausführlichen Artikel über die traurigen Wohnungsverhältnisse im Ruhrkohlenrevier, in Essen, Dortmund, Bochum, Hörde usw. erscheinen lassen. Dr. Lorenz Pieper, ein Bruder des Reichstagskollegen, habe in einer wertvollen Studie u. a. über die Wohnungszustände in Gelsenkirchen ebenso böse Tatsachen bekundet. Auch über die Werkswohnungen habe Lorenz Pieper ein sehr absprechendes Urteil gefällt (Präsident Graf Schwerin: Ich kann eine 88 weitgehende Erörterung beim Militäretat unmöglich dulden; ich bitte Sie, zum Militäretat zurück⸗ zukommen.) Ich hätte kein Wort über diese Dinge gesagt, wenn nicht der Vertreter der Firma Krupp, Behrens, mich hier angegriffen und gegen mich Material vorgebracht hätte. Diese Werkswohnungen be zeichnet Pieper als ein mindestens sehr fragwürdiges Experiment. (Der Präsident ersucht den Redner von neuem, sich mehr an den Etat zu halten.) neg der General Wandel hat doch von der Unter⸗ stützung von Baugeno knscheften durch die Verwaltung gesprochen und so die Wohnungsfrage in den Kreis dieser Erörterungen gezogen. Mögen Sie diese oder jene meiner beim Marineetat unbeanstandet vorgeführten Zahlen anzweifeln, der Kern der Resolution, die damals in namentlicher Abstimmung mit großer Mehrheit angenommen worden ist, ist gesund, und ich bitte, sie doch auch hier anzunehmen. Abg. Mommsen (fortschr. Volksp.): Der Kollege Dr. Becker vom Zentrum hat geglaubt, heute eine Attacke gegen meinen Freund Potthof reiten zu müssen. Wenn der Abg. Potthoff das Zentrum für taatsfeindlicher als die Sozialdemokratie bezeichnet, so ist das seine persön⸗ liche Ansicht, die heute Tausende guter deutscher Staatsbürger teilen; in der heutigen politischen Situation ist das Zentrum die schwerste Gefahr. (Große Unruhe und Lachen rechts und im Zentrum.) Der Kampf gegen das Zentrum ist eine unserer Hauptaufgaben, wir führen diesen Kampf mit besonderer Freude und werden Ihnen das auch bei den nächsten Wahlen zeigen. (Erneuter Lärm und Gelächter im Zentrum.) Von einem Bündnis mit den Sozialdemokraten ist uns nichts bekannt. (Präsident: Das hat mit dem Etat gar nichts zu tun; ich muß Sie bitten, zur Sache zu kommen.) Ich komme sofort zur Sache; das aber mußte ich sagen dürfen, weil es gegen uns ausgespielt worden ist. Von uns werden niemals Briefe erscheinen, die ein Bündnis mit den Sozial⸗ demokraten betreffen, wie es dem Zentrum in Bayern passiert ist. Bei der Mehrheit des Hauses scheint ja die Neigung zu bestehen, berechtigten Wünschen der Arbeiter Rechnung zu tragen. In den Danziger Werkstätten ist aber gegenüber Spandau noch manche Ver⸗ besserung erforderlich. Danzig leidet immer noch unter den alten Festungsverhältnissen, es hat von allen Großstädten den höchsten Steuersatz. In den Verfügungen der Direktion der dortigen Militär⸗ werkstätten hatte es den Anschein, als ob denjenigen Arbeitern, die die neu festgesetzten Stücklöhne nicht acceptierten, die Ent⸗ lassung drohe. Ferner wird von den Arbeitern, die das Ehrenamt eines Schöffen oder Geschworenen wahrnehmen, eine Bescheinigung des Amtsrichters oder Landgerichtsdirektors verlangt über die Zeit, die sie in Anspruch genommen waren. Von einem derartigen Verlangen ist in der Lohnordnun keine Rede. Ich halte den Direktor nicht fuͤr berechtigt, eine solche Bescheinigung zu fordern, und es trifft zu, daß diese, wie sich der Vorsitzende eines Gerichts ausdrückte, eines Geschworenen nicht würdig ist. Es wird unnötig böses Blut gemacht. Es handelt sich bei der Wahrnehmung eines solchen Ehren⸗ amtes nicht um die Nachsuchung eines Urlaubes, wenn natürlich auch vorher Anzeige gemacht werden muß. Weiterhin erweckt eine Ver⸗ fügung des Direktors der Artilleriewerkstatt in Danzig den Anschein, als ob er eine Einwirkung auf die Ausübung des Wahlrechts zu haben wünscht, indem er auch die dafür erforderliche Zeit als Urlaub betrachten zu wollen scheint. „Abg. Dr. Will⸗Straßburg (Zentr.); Wir bitten die Heeresverwaltung, an eine Revision der Löhne heran⸗ zutreten und die Verwaltungsschreiber günstiger zu stellen. Auf die Freundschaft des Abg. Mommsen verzichten wir, wir werden abwarten, ob seine Prophezeiungen in Erfüllung gehen. 8 Abg. Hoch (Soz.): Wir wissen, daß die S ihre Wünsche nicht mit dem nötigen Nachdruck zur Geltung bringen können, deshalb dürfen die Staatsverwaltungen die Gewerkschaften nicht ablehnen. Sie müssen der modernen Entwicklung Rechnung bengen und auch mit den Arbeitervertretern, die nicht in der Fabrik beschäftigt sind, verhandeln, denn diese allein können mit der Sprache herauskommen. In der Hanauer Pulverfabrik zeigen sich sehr unangenehme Folgen des jetzigen Systems. Ich habe wiederholt Gelgenheit gehabt, von den Arbeitern zu hören, daß Mißstände vor⸗ liegen, und eine Unzufriedenheit besteht, an der auch die Leitung kein Interesse hat. Abg. Giesberts (Zentr.): Nachdem es dem Abg. Hue gestattet war, auf die E ener Wohnungsverhältnisse einzugehen, sollte auch uns die⸗ selbe Redefreiheit eingeräumt werden. Es ist für die Vertreter des

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dringend

Verhältnissen. Was die

Essener Bezirks sehr unangenehm, wenn sie daran gehindert werden, auf solche Ausführungen zu erwidern. ch bitte den Kriegsminister dringend, gemeinschaftlich mit dem Marineminister die Beschwerden des Abg. Hue über die Akkordabzüge bei Krupp zu prüfen und den Umfang dieser Abzüge sowie die Gründe festzustellen. In den Krupp⸗ schen Betrieben ist in den verschiedenen Werkstätten eine lebhafte Unruhe eingerissen wegen dieser Akkordabzüge. Alle Arbeiterpersammlungen haben sich damit beschäftigt. Die Militärverwaltung sollte uns Auf⸗ klärung darüber geben. Der Abg. Hue hat unsere Auffassung hin⸗ sichtlich des Streikrechts der Staatsarbeiter falsch wiedergegeben. Er hat aus dem Protokoll des christlich⸗sozialen Arbeiter⸗ kongresses von 1903 eine Stelle zitiert, aber nicht vollständig. In der allgemeinen Darlegung des Abg. Schiffer heißt es, der Staat dürfe das auf Naturrecht beruhende Koalitionsrecht seiner Bürger nicht ohne weiteres beschränken oder illusorisch machen, sofern nicht eine Schädigung des öffentlichen Interesses vorliege. (Vizepräsident Schultz unterbrechend: Ich verstehe den Zusammenhang mit dem Militäretat nicht mehr!) Es ist vom Koalitionsrecht der Militär⸗ arbeiter gesprochen worden. (Vizepräsident Schultz: Ich kann nicht zulassen, daß Sie hier einen Streit austragen zwischen den Ver⸗ tretern der verschiedenen Organisationen!) Ich verstehe nicht, daß man sozialdemokratische Angriffe, aber nicht eine Erwiderung zuläßt. Wir kommen hier nicht ausreichend zum Wort. (Vize⸗ präsident Schultz: Ich verbitte mir diese Kritik der Präsidial⸗ geschäfte, die unter einem anderen Herrn geführt wurden. Es wird nach gleichem Maß verfahren für jeden Abgeordneten. Wenn ein Abgeordneter einmal etwas in einem kurzen Nebensatz erwähnt, so kann man nicht gleich einschreiten. Zuruf des Abg. Schirmer (Zentr.): Der Abg⸗Giesberts spricht nicht einmal 5 Minuten, der andere hat eine halbe Stunde gesprochen. Vizepräsident Schultz: Ich bitte, sich einer Kritik des Präsidiums zu enthalten.)

Abg. Keil (Soz.): Das Auftreten des württembergischen Militär⸗ bevollmächtigten hat uns zum Bewußtsein gebracht, daß es ein selbständiges württembergisches Militärkontingent gibt. Diese Selbständigkeit ist aber nur eine fiktive. Ich weiß nicht, ob der württembergische Kriegsminister und die württembergische Militär⸗ verwaltung das Geld wert sind, was sie kosten. (Vizepräsident Schultz rügt diese Bemerkung als ungehörig und fragt den Redner, zu welcher Resolution er spreche.)) Zu den Resolutionen, die hier zur Debatte gestellt sind. Der württembergische Vertreter hat kürzlich bestritten, daß in den Arbeitsordnungen, besonders in Ludwigsburg, die Vorschriften bestehen, daß Gewerkschaftsmitglieder nicht in den Betrieben beschäftigt werden dürfen. Wörtlich steht das allerdings nicht darin, wohl aber, daß sozialdemokratische Gesinnung nicht betätigt werden dürfe. Der württembergische Ver⸗ treter hat zugegeben, daß sozialdemokratische Agitatoren in den Staatsbetrieben nicht geduldet werden, und er hat sich gewundert, daß wir dies nicht einsehen können. Es wird die Zeit kommen, wo auch die Heeresverwaltung sich damit abfinden wird, daß Arbeiter sich zu ihrer sozialdemokratischen Gesinnung bekennen, wenigstens in den übrigen Staatsbetrieben und ich muß dies betonen, wenn auch dem preußischen Kriegsminister die Haare zu Berge stehen sollten (der preußische Kriegsminister deutet unter großer Heiterkeit auf seinen Kopf) hat man sich daran schon gewöhnt. In dem Proviantmagazin von Ludwigsburg werden die ortsüblichen Tagelöhne zu Grunde gelegt. Das genügt nicht. Den Wünschen der Arbeiter in bezug auf Erhöhung ihrer Löhne ist nicht in der⸗ selben Weise Rechnung getragen worden wie denen der Beamten. Unter den gestiegenen ehensmiteer eien leiden die Arbeiter weit mehr als die Beamten. 3,40 und 3,50 sind zu wenig. Deswegen verlangen wir in unserer Resolution eine Mitwirkung der Arbeiter⸗ ausschüsse bei Festsetzung der Löhne. Die Statuten der Arbeiter⸗ ausschüsse müssen in diesem Sinne erweitert werden. Wir im Süden sind eine so hochfahrende Behandlung der Arbeiterwünsche wie im Norden nicht gewöhnt. Wir sind gewöhnt, daß auf die Wünsche der Arbeiter einigermaßen Rücksicht genommen wird. Wenn der württembergische Minister sich bemüht hat, es dem preußischen Kriegsminister gleich zu tun in der Behandlung der Sozialdemokraten, so ist das ein vergebliches Bemühen.

Württembergischer Bevollmächtigter zum Bundesrat, General⸗ major von Dorrer: Es ist durchaus unrichtig, daß ich über die Verhältnisse, von denen der Vorredner sprach, nicht informiert gewesen bin. Ueber die einzelnen Fälle kann ich allerdings mich nur äußern, wenn ich vorher davon verständigt werde. Was die Höhe der Löhne in Ludwigsburg betrifft, so wird nicht der ortsübliche Tagelohn zu Grunde gelegt, sondern der orts⸗ übliche Tagelohn in ähnlichen Betrieben. Im württembergischen Etat sind auch neuerdings entsprechende Summen für eine Erhöhung der Löhne eingesetzt worden. Wenn die Arbeiterausschüsse ihre Wünsche in berechtigter Weise vorbringen, so werden sie geprüft und, wenn begründet, auch berücksichtigt.

Damit schließt die Diskussion.

Abg. Hengsbach (Soz.) verlangt noch das Wort, verzichtet aber bis zur dritten Lesung und begibt si mit dem Ausruf: „Aber ge⸗ schenkt wird's nicht!“ auf seinen Platz zurück.

Persönlich verwahrt sich der Dr. Potthoff fortschr. Volksp.) gegen die Angriffe, die ihm in der Debatte von den Abgg. v. Gamp und Behrens, sowie von den Zentrumsrednern zuteil geworden sind. Er habe von einer Organisationsfreiheit der Staatsarbeiter im Rahmen der bestehenden Gesetze gesprochen.

Nach weiteren persönlichen Auseinandersetzungen zwischen den Abgg. Behrens und Fuf stellte der

Abg. Giesberts zur Geschäftsordnung fest, daß durch die Nicht⸗ zulassung einer Erwiderung auf die Ausführungen des Abg. Hue, der ¼ Stunden habe sprechen dürfen, sachliches Unrecht angerichtet sei; die drei Präsidenten sollten sich über die Handhabung der Geschäfts⸗ führung in solchen Fällen verständigen.

Vizepräsident Schultz erklärt das für unmöglich; auch habe der Abg. Hue nicht ¾ Stunden lang gesprochen.

Die beiden Resolutionen des Zentrums werden angenommen, die Resolution Albrecht wird abgelehnt.

Bei den Ausgaben für „F Ingenieur⸗, Pionier⸗ und Verkehrswesen“ bemängelt der

Abg. Carstens (fortschr. Volksp.), daß die Automobilfabriken die sogenannten Subventionswagen an die Militärverwaltung das Stück um 5000 teurer als an das Publikum verkaufen.

Generalmajor Wandel: Jede Fabrik, die sich meldet und ein

geeignetes Modell liefert, wird zugelassen; wir haben jetzt 13 solcher Fabriken. Die Festsetzung von Einbheitspreisen ist von der Ver⸗ waltung unterstützt worden. Die Behauptung, daß bei diesen Qualitätswagen eine Differenz im Pr für die Verwaltung und die obwaltet, ist schon in der Kommission als irrig erklärt worden. Abg Carstens (fortschr. Volksp.) bleibt bei seinen Ausführungen stehen. Die Fabriken erklärten schriftlich, daß die Qualitäts⸗, die Sub⸗ ventionswagen durchaus genau von gleicher Güte seien wie die Nicht⸗ subventionswagen, die sie aber für nur 17 000 dem Publikum verkaufen, während die Militärverwaltung 22 000 zahlen müsse, was einem baren Geschenk von 700 000 an diese Fabriken gleich⸗ komme. Im Interesse der Steuerzahler müsse er Protest gegen dieses Verfahren einlegen.

Generalmajor Wandel bittet um Vorlegung konkreten Ma⸗ terials, sonst habe die Sache keine Bedeutung.

Abg. Carstens behält sich vor, der Militärverwaltung außerhalb des Hauses Material zugänglich zu machen.

Bei den „Ausgaben zu Unterstützungen an das nicht pensionsberechtigte Betriebs⸗ und Arbeiterpersonal“ befürwortet der Abg. Schirmer (Zentr.) folgende Resolution:

Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, in Erwägungen darüber einzutreten, in welcher Weise die Versorgung der invaliden Arbeiter

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owie der Witwen und Waisen der in den Militärbetrieben be chäftigten Arbeiter besser ausgebaut werden kann.

Die Resolution wird angenommen.

Damit ist das Ordinarium erlediat Das Ertraordinarium wird nach dem Antrage der Budget kommission (Referent Abg. Erzberger (Zentr.]) bewilligt.

Bei der dritten Rate von 3 170 000 zur Erwerbung und Herstellung eines Truppenübungsplatzes für das XIV. Armeekorps bringen die Abgg. Hug (Zentr.) und Haußmann (fortschr. Volksp.) verschiedene Wünsche und Beschwerden vor.

„Generalmajor Staabs rechtfertigt die Auswahl des Platzes, der billiger sei als die anderen und sich für eine intensive Ausnutzung für Infanterie wie Kavallerie vorzüglich eigne. 8

Zu der extraordinären Forderung von 13 Millionen zu Ergänzungen für Feldartilleriezwecke beantragt die Budgetkommission folgende Resolution:

Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, im Interesse der Spar⸗

samkeit insbesondere bei Waffen⸗ und Munitionslieferungen die

billiger liefernde Privatindustrie mehr heranzuziehen und anderer⸗ seits den Reichsbetrieben, soweit sie billiger produzieren können, mehr Aufträge zuzuwenden.

Nachdem der Abg. Dr. Paasche (nl.) darauf hingewiesen hat, daß es wichtig sei, die Preise in den Reichsbetrieben nach genau derselben Rechnungsmethode festzustellen, wie es in Privatunternehmungen ge⸗ schieht, und daß der Sinn der Resolution nicht der sei, die Privat⸗ betriebe überhaupt von den Lieferungen auszuschalten, wird die Re⸗ solution angenommen.

Bei den „einmaligen Ausgaben für das württem⸗ bergische Kontingent“ bemerkt der

Württembergische Bevollmächtigte zum Bundesrat, Generalmajor von Dorrer: Der Abg. Keil hat, wie ich aus dem Stenogramm er⸗ sehe, sich Ausfälle gegen das württembergische Kriegsministerium erlaubt, die schon vom Präsidenten gerügt worden sind. Er hat damit nur gezeigt, wie sehr er geneigt ist, sich über verfastungsmäßige Grundlagen hinwegzusetzen. Ich weise seine Angriffe auf das württem⸗ bergische Kriegsministerium auf das allerentschiedenste zurück.

Bei den Ausgaben für den Ausbau der Landes⸗ befestigungen im außerordentlichen Etat führt der

Abg. Trimborn (Zentr.) aus: Nach den neuen Bestimmungen über Luftschiffahrt und Flugwesen sei das Fliegen über Festungen im Umkreis von 10 km verboten, wenn nicht die schriftliche Er⸗ laubnis des militärischen Gouvernements eingeholt sei. Nach Pressemitteilungen habe der Kriegsminister Zusatzbestimmungen erlassen, wonach diese Erlaubnis grundsätzlich zu verweigern sei. Er bitte, eine Eingabe, die die Stadtvertretung von Cöln an das Kriegsministerium gerichtet habe, wohlwollend zu prüfen und möglichst bald in günstigem Sinne zu bescheiden.

Generalmajor Wandel sagt dem Redner die Erfüllung seines Wunsches, die Eingabe in wohlwollende Erwägung zu ziehen, zu.

Hierauf vertagt sich das Haus.

Persönlich verwahrt sich der

Abg. Keil (Soz.) gegen die Behauptung des Generalmajors von Dorrer, daß er sich über verfassungsmäßige Grundlagen hinwegsetze. Davon, daß das württembergische Kriegsministerium existiere, mache man nur ganz selten eine Wahrnehmung.

Schluß um 6 ½ Uhr, nächste Sitzung Dienstag 2 Uhr (Einnahmen des Militäretats. Etat der Postvern

valtung.) 8 8

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 40. Sitzung vom 3. März 1911, Vormittags 11 Uhr (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) 8

. . F“ 8 82

Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.

Das Haus setzt die Beratung des Etats der Bauver⸗ waltung fort.

Mit der Diskussion über die Einnahmen aus Bei⸗ trägen zur Unterhaltung der Land⸗ und Wasser⸗ straßen, Kanäle, Brücken und Wasserleitungen wird die Besprechung des Einnahmetitels „Verkehrsabgaben“ sowie der Titel der dauernden Ausgaben für die Unter⸗ haltung der Seehäfen, Seeschiffahrtstraßen, See⸗ ufer usw. (6 806 200 ℳ) und für die Unterhaltung der Binnenhäfen und Binnengewässer (14 720 000 ℳ) ver⸗ bunden.

Hierzu liegt der Antrag der Abgg. von Pappenheim (kons.) und Genossen vor, der auch von Freikonservativen und Zentrumsmitgliedern unterstützt ist:

Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, mit Rücksicht auf die Tatsache, daß der preußische Staat mit erheblichen Kosten die Fahrtiefe auf der Elbe und anderen natürlichen Wasserstraßen über das vertraglich abgemachte Ziel hinaus unterhalten hat, bis zur Lösung der Frage der Erhebung von Schiffahrtsabgaben die Fahrtiefe nur auf der vertraglichen Tiefe zu erhalten und a. in Kap. 65 Tit. 16 statt 14 720 000 zu bewilligen: 14 520 000 und b. unter der Voraussetzung der Zustimmung der Königlichen Staatsregierung in Kap. 65 Tit. 15 statt 6 806 200 zu setzen: 7 006 200 ℳ.

Abg. von Pappenheim 8” in seinen Ausführungen, über deren ersten Teil ebenfalls schon berichtet worden ist, fortfahrend: Der Verkehr auf dem Dortmund⸗Ems⸗Kanal hat sich erfreulicherweise gehoben, und zwar nicht nur die Ber frachten, sondern namentlich auch die Talfrachten. Der Kohlenverkehr nach den Emshäfen hat sch in erfreulicher Weise entwickelt. Der Etat enthält große Summen ür die Begradigung der Ems und für den Ausbau der Emshäfen. Der Plan für den Ausbau der Emshäfen bietet ein großzügiges Bild, und man muß die Energie der Männer bewundern, die dieses Projekt entworfen haben. Alle diese Bauten erfordern sehr bedeutende Summen, es ist nicht möglich, sich bureaukratisch ängstlich an die einzelnen Bau⸗ raten in jedem Jahre zu halten, die Regierung muß freie Hand haben in der Ausnutzung günstiger Bauzeiten. Ich vertrete gewiß nicht partikularistische Fn feressen Preußens zuungunsten anderer Bundes⸗ staaten, aber bei der Regulierung der unteren Elbe handelt es sich um ein großes volkswirtschaftliches Werk, in das Preußen 100 Millionen investiert hat. So sehr ich im Interesse Bremens eine Vertiefung der Elbe wünschen kann, so muß doch in dieser Angelegen⸗ heit die Frage einer Verbindung des Dortmund⸗Ems⸗Kanals mit Bremen vollkommen ausgeschaltet werden. Wir müssen den preußischen Staat vor jeder Schädigung bewahren und die preußischen Interessen im Auge behalten; wir sind hier em preußischen Landtage und müssen fach⸗ gemäß aufs äußerste darauf sehen, daß die preußischen Interessen vor Schädigung bewahrt bleiben. Sollte später die Frage einer Er⸗ wägung zu unterwerfen sein, ob eine bessere Verbindung zwischen der Jahde und den Emshäfen herzustellen, oder ob auf irgend eine andere Weise den Wünschen von Bremen nachzukommen sei, so werden wir der Frage näher treten, aber für jetzt müssen wir erwarten, daß die Regierung alles abwendet, was die 100 Millionen, die wir investiert haben, irgendwie schädigen oder den Verkehr auf dem Dortmund⸗ Ems⸗Kanal nach den preußischen Häfen beeinträchtigen könnte.

Abg. Roeren (Zentr.): Die Frage der Kanalisierung der Saar und Mosel hat zwar nicht den Reiz der Neuheit, hat aber dafür recht interessante psychologische Momente, wenn man bedenkt, wie

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