1911 / 55 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

diese Frage an 20 Jahre hingeschleppt worden ist, als wenn es sich um die schwierigste Streitfrage handelte. Im Jahre 1894 hatte man die technische Durchführbarkeit dieser Kanalisierung schon ganz anerkannt. Die Kanalvorlage von 1901 schweigt sich aber über dieses Projekt wieder ganz aus. In der Kommission wurde der Antrag auf die Mosel⸗ und Saar⸗Kanalisierung ebenfalls abgelehnt, weil man die Kanalvorlage nicht noch mit einzelnen Proijekten belasten wollte. Dasselbe ereignete sich 1905 bei der zweiten Kanalvorlage. Mit der Erklärung des Ministers im vorigen Jahre steht in sonderbarem Widerspruch die Aeußerung des Ministerpräsidenten von Luxemburg, der in der Kammer erklärte, daß die luxemburgische Regierung überhaupt noch niemals ernstlich mit der Sache befaßt worden he und die elsaß⸗lothringische hat aus⸗ gesprochen, daß sie stets den Standpunkt eingenommen habe, daß in die Weiterführung der Moselkanalisierung nur dann eingetreten werden könne, wenn die preußische Regierung sich entschlossen habe, die Mosel auch auf preußischem Gebiete zu kanalisieren. Mir scheinen die Schwierigkeiten nicht bei Elsaß⸗Lothringen oder bei Luxemburg zu liegen, sondern an den Interessengegensätzen der Industriellen an der Mosel und an der Saar. Darunter müssen die großen Kreise der übrigen Interessenten leiden. Ich habe allerdings wenig Vertrauen, daß die Regierung jetzt das Projekt durchführen wird. Der beste Arnschluß ist nämlich verpaßt, das war 1905 bei der Kanalvorlage. Die Mosel⸗ und Saar⸗Interessenten ier im Hause bildeten damals das Zünglein an der Wage. Ich hatte ihnen damals geraten, ihre Zustimmung zu der Kanal⸗ vorlage von der conditio sine qua non abhängig zu machen, daß die Mosel⸗ und Saarkanalisierung mit in die Vorlage aufgenommen würde.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

Meine Herren! Es ist ja hinreichend bekannt, wie sehr der Re⸗ gierung die Durchsetzung des dem Reichstage vorliegenden Schiffahrts⸗ abgabengesetzes am Herzen liegt. Ich kann es daher nur begrüßen, wenn im Landtage der im Jahre 1905 das wasserwirtschaftliche Gesetz verabschiedet und damit seinen festen Willen bekundet hat, auf natür⸗ lichen Strömen auch Schiffahrtsabgaben eingeführt zu sehen immer wieder betont wird, daß der Landtag auch heute noch einmütig oder doch in seiner überwiegenden Majorität der Auffassung ist, daß die Einführung von Schiffahrtsabgaben eine wirtschaftliche Not⸗ wendigkeit ist. In diesem Sinne kann ich mich der Aeußerung des Herrn Abg. von Pappenheim nur freuen und kann feststellen, daß ich mit der materiellen Begründung seines Antrages durchaus einver⸗ standen bin. (Bravo! rechts.)

Was die formale Seite der Sache betrifft, so bin ich nicht ohne Bedenken. Einmal wird ja hier der Regierung zugemutet, daß sie rückschrittlich vorgehe, daß sie in den Fällen, in denen sie über ver⸗ tragliche Vereinbarungen hinaus, wie auf der Elbe für einzelne Strecken, oder über die gesteckten Regulierungsziele hinaus, wie auf dem Rhein über dasjenige hinaus, was Holland auf der unteren Rheinstrecke getan hat, für die Unterhaltung dieser Verbesserungen nichts mehr tun solle. Es scheint mir vom Verkehrsstandpunkte aus nicht ohne Bedenken, hier eine Zusage zu machen (sehr richtig! bei den Nationalliberalen); wohl aber würde ich es für angängig halten, bei der Feststellung des Staatshaushaltsetats für 1912 zu prüfen, ob die beabsichtigte Erhöhung des Tit. 15 um 200 000 einem Be⸗ dürfnisse der Verwaltung entspricht. (Sehr gut! rechts.) Ich glaube, mit dieser Perspektive könnte der Antrag wohl als erledigt betrachtet werden. (Sehr richtig! rechts.)

Meine Herren, Herr Abg. von Pappenheim hat dann weiter auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich neuerlich der Vollendung des Kanalbaues entgegenstellen, insofern als an einzelnen Stellen die Kommunen wenig geneigt sind, die Hafenanlagen, die doch die Vor⸗ aussetzung des Kanalbetriebes bilden, ebenso wie die Bahnhöfe die Voraussetzung eines Eisenbahnbetriebes sind, auszuführen. Herr Abg. von Pappenheim hat offensichtlich die Verhandlungen im Auge gehabt, die zurzeit noch schweben zwischen der Staatsregierung und den beiden Städten Hannover und Linden, die ja in ihren Gemeindebezirken die Endhäfen haben werden. Ich war der Meinung, und dieser habe ich neulich auch in der Budgetkommission Ausdruck verliehen, daß diese Verhandlungen sich in einem günstigen Stadium befinden und daß ich annehmen durfte, sie würden in Kürze zum Abschluß kommen können. (Sehr gut! rechts.) Ich habe auch heute noch diese Meinung und habe im Interesses des Abschlusses dieser Verhandlungen ganz neuerlich beiden Gemeinden gegenüber authentische Erklärungen abgegeben. Ich stelle auch hier fest: die Gemeinden sind nicht darüber im Zweifel gelassen worden, daß wir nicht dulden können, daß andere Fragen, die mit dem Bau des Kanals oder mit der Anlage von Häfen nicht im Zusammenhange stehen, in Verbindung mit Verhandlungen über den Bau der Häfen gelöst werden dürfen. (Sehr richtig! rechts.)

Ebenso darf ich auch heute wie in den Vorjahren feststellen, daß von der Staatsregierung nichts geschehen ist, um den Rhein⸗Hannover⸗ Kanal, der in Hannover seinen Abschluß finden soll, zu verlängern daß keine Aufwendungen staatsseitig gemacht worden sind, um ein solches Ziel jetzt erreichbar erscheinen zu lassen.

Ich darf weiter im Anschluß an die Ausführungen des Herrn Abg. von Pappenheim über das kommende Schleppmonopolgesetz mit⸗ teilen, daß wir dieses Gesetz bei Beginn der nächsten Session dem Hause werden vorlegen können, und ich muß hier erneut bestätigen, daß die Staatsregierung bei der Ausführung des wasserwirtschaftlichen Gesetzes angesichts der Kämpfe, die der Verabschiedung dieses Gesetzes vorausgingen, mit äußerster Sorgfalt bemüht ist, durchaus im Sinne aller Bestimmungen dieses Gesetzes ihre Vorbereitungen zu treffen, und das gilt in erster Linie auch für das Schleppmonopolgesetz, dessen Vorbereitung weit gediehen ist. (Bravo! rechts.) Vor seiner Ein⸗ bringung wird es ja den Gesamtwasserstraßenbeirat, wie ich glaube, in seiner Frühjahrssitzung beschäftigen.

Auch bezüglich des Kanals Campe Dörpen kann ich nur die Er⸗ klärung wiederholen, die ich in der Budgetkommission abgegeben habe, daß die preußische Staatsregierung in Anerkennung der Verkehrsbedürfnisse, die von Oldenburg und auch von Bremen geltend gemacht sind, in eine Verhandlung über die Schaffung dieses Kanals mit der olden⸗ burgischen und bremischen Regierung eingetreten ist, daß die Ver⸗ handlungen im Laufe der letzten Monate stattgefunden haben, daß sich bei ihnen ergeben hat, daß sowohl nach der technischen wie nach der wirtschaftlichen und finanziellen, aber auch nach der landes⸗ kulturellen Seite hin, insbesondere wegen der Abführung der Moor⸗ wässer, noch sehr erhebliche Fragen als ungeklärt bezeichnet werden müssen. (Hört, hört! bei den Freikonservativen.) Ich muß ferner feststellen, so sehr die preußische Regierung und auch gerade der Verkehrsminister geneigt ist, solchen Wünschen der Bundesstaaten Rechnung zu tragen, das doch keinesfalls auf

vor. Wenn wir daher einen Abschluß mit Bremen und Oldenburg vorbereiten, so wird ein solcher immer nur dann erfolgen dürfen, wenn die Interessen unserer Emshäfen, besonders Emdens, nach Möglichkeit geschützt werden. (Bravo!) Meine Herren, wie in früheren Jahren so ist auch die Mosel⸗ und Saarkanalisierung hier behandelt worden. Ich konnte ja voraus⸗ setzen, daß die Entschließung der Königlichen Staatsregierung, die lch im vorigen Jahre hier bekannt gab, dahingehend, daß die Kanalisierung der Mosel und der Saar zurzeit nicht zweck⸗ mäßig und durchführbar sei, in den betroffenen Landesteilen mit Unmut aufgenommen werden würde. Die Gründe find ja bekannt. Sie beruhen darin, daß die Staatsregierung mit der niederrheinischen Industrie eine so erhebliche, diese Industrie schädigende Verschiebung der wirtschaftlichen Verhältnisse von der Moselkanalisierung befürchtet, daß sie Bedenken gegen diese Maß⸗ nahmen hat; die Königliche Staatsregierung hat bei dieser Ent⸗ schließung auch die finanziellen Interessen des Staates mit berück⸗ sichtigen müssen, In dieser Frage sind bisher materielle Aenderungen irgendwelcher Art nicht eingetreten; alle Bemühungen, die Frage nach der wirt⸗ schaftlichen Seite ziffernmäßig zu klären, sind gescheitert. Es steht freilich fest, daß die Sorge der niederrheinischen Industrie tatsächlich begründet ist. (Widerspruch des Abg. Dr. Röchling)) Ich werde darauf zurückkommen; ich werde auch die Abwanderungen, die vom Niederrhein, übrigens auch von der Saar, nach Lothringen und Luxemburg sich vollzogen haben, des näheren beleuchten. Ich muß aber auf eine Episode in dem Widerstreit der Interessen eingehen, die sich im Herbst v. J. an der Mosel, in Trier, abgespielt hat. Dort hat die Hauptversammlung des Verbandes für die Kanali⸗ sierung der Mosel und der Saar getagt. Sie wurde eingeleitet durch einen Vortrag des Professors Schumacher, der vorher bereits ein ganz vortreffliches Werk über die westdeutsche Eisenindustrie und die Moselkanalisierung geschrieben hat. Professor Schumacher ist ein Anhänger der Moselkanalisieruug, behandelt aber die ganze Frage sehr sachverständig und tiefgründig. (Abg. Dr. Röchling: Sehr richtig!) Ich kann mich mit seinen Auffassungen nach den ver⸗ schiedensten Richtungen hin identifizieren (Abg. Dr. Röchling: Bravo!), ohne daß ich doch zu dem Schluß komme, daß Saar und Mosel unter allen Umständen kanalisiert werden müssen. Ich füge übrigens hinzu, daß Professor Schumacher sich dahin ausspricht, es lägen zurzeit Hemmungen vor, die die Ausführung der Mosel⸗ und Saarkanalisation zurzeit nicht als erwünscht erscheinen lassen. Im Anschluß an die ausführlichen Darlegungen des Professors Schumacher hat dann Herr Abg. Röchling das Wort ergriffen. Er hat, was ja sein gutes Recht ist und nach seiner bekannten Stellung hier im Landtage auch zu erwarten war, die Entschließung der Königlichen Staatsregierung refüsiert; er läßt ihre Argumente nicht gelten. Da⸗ gegen habe ich nichts einzuwenden. Aber die Art der Kritik ist auf das äußerste verletzend. (Sehr richtig! rechts Abg. Dr. Röchling: Warum!) Das Warum werde ich gleich erläutern. Herr Röch⸗ ling kommt auf die Entstehungsgeschichte der Resolution zurück, die im Jahre 1905 vor Verabschiedung des wasserwirtschaftlichen Gesetzes hier im Einverständnis mit der Staatsregierung akzeptiert worden ist, weist darauf hin, daß die Staatsregierung sich zu dieser Resolution wohlwollend ausgesprochen habe, und sagt dann wörtlich: Dieses Wohlwollen, meine Herren, hat sich als eitel Dunst erwiesen. (Abg. Dr. Röchling: leider!) Ich komme noch darauf.

Die Abgeordneten, welche dem Wohlwollen getraut haben, werden

heute wohl darüber klar sein, daß derartige Zusicherungen als

Leimruten anzusehen sind, gut genug, um Gimpel darauf zu fangen. (Hört, hört! rechts Heiterkeit.) Gegen diese Kritik habe ich nichts besonderes einzuwenden (Heiterkeit), wenn ich sie auch nicht schön sinde. Aber die darauf folgenden Aeußerungen des Herrn Abg. Röchling muß ich aufs äußerste beanstanden —; er sagte wörtlich:

Auch Oesterreich und die Niederlande werden sich zu erinnern haben, daß in Preußen die eisenbahnfiskalischen Interessen Er⸗ wägungen der Gerechtigkeit und Billigkeit in den Hintergrund drängen, und sie werden erwägen, ob es ihnen bei dieser Sachlage richtig erscheint, die ihnen vertragsmäßig zugesicherte Freiheit der Schiffahrt aufzugeben vX““

(Abg. Graf von der Groeben: Hört! hört!) 1 für die Vorteile, die Preußen ihnen bei Einführung der Schiffahrts⸗ abgaben in Aussicht stellt, Vorteile, die sich vielleicht ebenso als blauer Dunst herausstellen werden

(hört! hört! rechts), wie es das Wohlwollen der Staatsregierung für die Resolution von 1905 war. 1A1A1AAAX“

(Hört! hört! rechts.) 1“ 8

Meine Herren, als ich diesen Satz gelesen hatte, dachte ich mir, Herr Abg. Röchling hätte besser getan, ihn bei der Korrektur, die ihm doch jedenfalls möglich gewesen ist, zu streichen. (Sehr richtig! rechts.) Denn obwohl mir ja völlig bekannt ist, daß Herr Abg. Röchling in dieser Frage eine sehr isolierte Stellung in seiner Partei einnimmt (Widerspruch des Abg. Dr. Röchling), bleibt doch die Tatsache bestehen, daß ein nationaler Politiker hier dem Auslande gegenüber seine Regierung kennzeichnet als eine solche, deren Zusagen man kein Vertrauen entgegenbringen solle. Und das beanstande ich. (Sehr richtig! rechts.)

Aber, meine Herren, man muß ja immer den Gründen nachgehen. Herr Abg. Röchling sprach von der Psychologie des Falles. Die Psychologie ist mir klar Herr Abg. von Pappenheim hat sie schon angedeutet —: Herr Abg. Röchling ist ein fanatischer Anhänger der Mosel⸗ und Saarkanalisierung, und in diesem seinen Fanatismus wird er ungerecht. Vielleicht liegt eine Erklärung und Ent⸗ schuldigung darin, daß er geborener Mosellaner oder Saar⸗ brücker, daß er dort bodenständig ist und sich mit diesen Interessen so verflochten fühlt, daß er sie in dieser Form vertreten zu sollen glaubt. Aber, meine Herren, solche Worte schallen nach außen. Ich hoffe daher, daß das hohe Haus heute fast einmütig die Regierung in der Frage der Schiffahrtsabgaben, die doch wahrlich schwierig ist, unterstützen wird. Dann kann auch die Schlußfolgerung des Herrn Abg. Röchling mich nicht mehr berühren und kränken, wenn er sagt:

Wenn der wirtschaftlich bedeutsamste und finanziell am besten

Schande für ganz Deutschland und nicht zum mindesten für das Königlich preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten.

Meine Herren, wie liegt denn die Sache mit der Zusage, mit dem in Aussicht gestellten Wohlwollen? Vor der Verabschiedung des wasserwirtschaftlichen Gesetzes lag ein Antrag Wellstein vor, der Mosel und Saar ebenso wie die Lahn de lege als zu kanalisierende Flüsse feststellen wollte. Die Summe war bereits ausgeworfen. Gegen dieses Ansinnen hahen die Vertreter der preußischen Regierung, der Staatsminister von Budde und der Staatsminister von Rhein⸗ baben, mit großer Entschiedenheit Stellung genommen unter Hinweis darauf, daß man mit einem derartigen Beschlusse das Kanalschiff so belasten würde, daß es untersinke; sie wiesen darauf hin, daß die ganze Frage wirtschaftlich, technisch, finanziell völlig ungeklärt sei. Man hat sich dann geeinigt, daß die Regierung ersucht werden sollte, zu prüfen, ob die Kanalisierung wirtschaftlich, technisch und finanziell möglich sei, und wenn diese Prüfung im Sinne der Antragsteller ausfiele, dann solle spätestens bis zum Tage der Inbetriebnahme des Rhein⸗Weser⸗ Kanals auch die Mosel und Saar kanalisiert sein. Ich frage nun: wenn das zugesagte Wohlwollen der Regierung sich darauf bezog, daß sie unter allen Umständen die Mosel und die Saar kanalisieren wollte, warum hat sie sich dann geweigert, die Aufnahme dieser beiden Ströme in das Gesetz zuzulassen? Es ist doch ganz zweifellos, daß eine solche Bindung nicht vorgelegen hat, und ich muß es daher auf das bestimmteste ablehnen, daß die Regierung die Zusage eines Wohlwollens nicht erfüllt hat.

Wie liegt die Sache? Die Regierung ist in die Prüfung der Frage eingetreten; technisch ist sie völlig geklärt; die Moselkanali⸗ sierung ebenso wie die Kanalisierung der Saar ist durchführbar. Nach der finanziellen Seite kann angenommen werden, daß das Unter⸗ nehmen sich in sich selbst finanziert, wenngleich auch hierbei immer noch einige Items sind, vielleicht sehr große Fragezeichen, da noch kein Mensch weiß, ob die vier Millionen Tonnen Koks, die heute von der Ruhr nach dem Südwesten gehen, in der Tat mit Rücksicht auf die ja bekannten Schädigungen, die der Koks beim Umladen erfährt, den Wasserweg aufsuchen können. Diese Frage ist nicht völlig geklärt; aber ich gebe ohne weiteres zu, daß man sie als geklärt ansehen kann, und man wird dann sagen dürfen: aller Voraussicht nach wird das Unter⸗ nehmen als solches als finanziell gesichert gelten können.

Nun aber die wirtschaftliche Seite der Sache! Herr Abg. Roeren sagt: es liegt ja eine nach allen Richtnngen hin geklärte Situation vor, warum zögert die Regierung nunmehr seit 20 Jahren mit der Kanalisierung der Mosel? Ist diese Situation tatsächlich wirt⸗ schaftlich geklärt? Ist sie nicht im Gegenteil so ungeklärt, daß es geradezu ein Leichtsinn von der Regierung wäre, wenn sie heute im Sinne einer Kanalisierung der beiden Flüsse vorgehen wollte? Kann man denn über die Einwendungen, die das größte Industrierevier Preußens mit aller Wucht geltend macht, hinweggehen, und hat nicht die Regierung versucht, diese Einwendungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen, indem sie eine Kommission eingesetzt hat, die in sich die ersten Sachverständigen der streitenden Parteien vereinigte? Die Klärung ist dort nicht erfolgt, aber wohl nach einer ganz anderen Richtung hin eingetreten, und darüber ist der Herr Vorredner und auch Herr Abg. Dr. Röchling in seinen Ausführungen gelegentlich der Trierer Versammlung hinweggegangen.

Bereits bei der heutigen Frachtlage vollzieht sich eine starke und sehr bedeutsame Abwanderung aus dem Ruhrrevier nach Lothringen und Luxemburg, also nach den Erzgebieten, aus ganz bekannten Gründen, weil es eben nützlich und rentabel ist, die Hochöfen in dem Erzgebiet zu errichten, da bekanntermaßen für 1t Roheisen 3 t Erz und 1t Koks erforderlich sind. So sind im Laufe der letzten Jahre von Schalke⸗Gelsenkirchen bei Esch in Luxemburg sechs Hochöfen erbaut worden oder im Bau begriffen, die 380 000 bis 400 000 t Rohstahl erzeugen können, und Thyssen baut bekanntlich in Hagendingen bei Metz vier Hochöfen mit einer Produktion von 300 000 t. Die Saarindustrie ist schon seit Jahrzehnten dazu übergegangen, in Lothringen Roheisen zu erblasen. Die Stummschen Werke haben ihre Hochöfen bei Ueckingen stehen, die Röchlingschen Werke in Diedenhofen. Aus eben denselben Gründen bauen auch die Burbacher Hütte in Saarbrücken und die Escher Hütte in Luxemburg zusammen ein neues Stahlwerk in Esch. Und warum meine Herren? Weil eben die Produktionsverhältnisse inmitten dieses mächtigen Erzreviers günstiger und die Selbstkosten dort geringer sind. An dieser Tatsache ist doch nicht vorüberzugehen.

Und nun vergegenwärtige man sich die ungeheuren Werte, die in der niederrheinischen Industrie investiert sind, die Milliardenwerte Wenn Sie allein die investierten Kapitalien der neun größten Werke nehmen, so sind es zwischen 800 und 900 Millionen Mark. Ver⸗ gegenwärtigen Sie sich, daß eine Arbeiterschaft von Hunderttausenden heute am Niederrhein ansässig ist und langsam nach Lothringen und Luxemburg abwandert, daß diese langsame Abwanderung aber auf das äußerste beschleunigt werden würde, wenn mit Hilfe der Moselkanalisierung die Produktionsverhältnisse in Lothringen⸗Luxem⸗ burg sich wesentlich zum Nachteil des Niederrheins verschöben. Und daß dem so sein würde, kann man ja mit wenigen Zahlen nachweisen.

Wir haben uns auf Grund von Zahlen einmal ein Bild gemacht, welchen Gewinn an Frachten Lothringen und Luxemburg auf der einen Seite und auf der anderen Seite der Niederrhein aus der Kanalisierung der Mosel und Saar ziehen würden. Wir sind von den Flußfrachten ausgegangen, die die vorher erwähnte Kommission als zutreffend angenommen hat, und haben dann die Differenz zwischen diesen Flußfrachten und den heutigen Eisenbahnfrachten ermittelt. Es bestehen stark ermäßigte Ausnahmetarife für Erze von dem Minetterevier nach dem Niederrhein und ermäßigte Ausnahmetarife für Koks vom Niederrhein nach dem Minetterevier. Wir haben diese beiderseitigen Frachtsätze gegenübergestellt, und daraus ergibt sich, daß für Erze bei Benutzung des Wasserweges der kanalisierten Mosel, der Saar und des Rheins eine Frachtersparnis von 31 ₰, für Koks von 138 pro Tonne und für Roheisen von 2,23 eintreten würde. Wenn ich diese ersparten Frachten mit den beförderten Quantitäten multipliziere, so ergibt sich folgendes Exempel.

Kosten preußischer Interessen erfolgen darf. (Sehr richtig! und

Bravol rechts.) Solche großen preußischen Interessen liegen hier

fundierte deutsche Kanal nicht gebaut würde, so wäre das eine

E11-191.“*—

Melglichkeit vor, daß man den Ausgleich, den beide Reviere erstreben,

Lothringen und Luxemburg würden einen Frachtgewinn von rund 5,5 Millionen an ersparten Koksfrachten machen; an Roheisen würde ein Betrag von 1 150 000 rund erspart werden. Ich gehe da⸗ von aus, daß dieser Reingewinn sich zwischen dem produzierenden Revier und den Konsumenten teilen würde. Der Niederrhein würde an seinen Erzen 660 000 ersparen. Also aus dieser etwas rohen Berechnung ergibt sich ohne weiteres, daß das lothringisch⸗luxemburgische Revier einen etwa sechsmal so großen Frachtvorteil erzielen würde wie das niederrheinische Revier. Das gilt nur für diese Rohstoffe. Daß auch noch andere Güter auf der Mosel und der Saar befördert werden, kann ja gar keinem Zweifel unterliegen, aber am meisten zu Buche schlagen werden immer die Frachten für diese Rohstoffe.

Meine Herren, so liegt die Situation im allgemeinen, und man kann sich doch wohl vergegenwärtigen, daß aus diesen ganz allgemeinen Erwägungen heraus der Niederrhein gegen die Kanalisierung von Mosel und Saar einen entschiedenen Widerstand leisten wird.

Die Königliche Staatsregierung hat in ihrer Entschließung auch nur ausgesprochen, daß sie der Kanalisierung von Mosel und Saar zurzeit entgegen sei, wie die wirtschaftlichen Verhältnisse liegen. Wir wissen heute nicht, meine Herren, ob es gelingen wird, die lothringische Gaskohle zu verkoken. Es sind ja größere Versuche im Gange, und es werden heute bereits kleinere Quantitäten, ich glaube, im Betrage von 100 000 bis 150 000 t pro Jahr, von der lothringischen Montan⸗ industrie bei St. Avold in das luxemburger Revier befördert. Ob es aber gelingen wird, den Koks in solchen Mengen, wie ihn die Hoch⸗ ofenindustrie Luxemburgs und Lothringens braucht, wirklich aus Lothringen zu beziehen, kann im höchsten Grade zweifelhaft sein. Es ergibt sich aber bereits aus dieser Situation, daß es heute unmöglich ist, zu sagen: die Moselkanalisierung ist aus diesen und diesen Gründen endgültig unmöglich.

Meine Herren, ebenso steht ja ganz dahin, in welchem Umfange das niederrheinische Revier in ferner Zukunft veranlaßt sein wird, seine Erzbezüge aus dem Minetterevier zu vermehren. Heute deckt es diese Bezüge, meine ich, in einem Verhältnis von etwa 20 bis 25 % des gesamten Erzverbrauchs. Es ist ja möglich, daß bei der steigenden Erzknappheit dieser Verbrauch sich steigert, zumal ja die neuerlich auf⸗

gedeckten französischen Läger an der Grenze sich als sehr mächtig und eisenhaltig erweisen. In diesem Falle würde das Interesse des Niederrheins ein gesteigertes sein. Es ist aber immerhin zu berück⸗ sichtigen, daß die Differenz zwischen Fluß⸗ und Eisenbahnfahrt heute für Erze bereits eine relativ geringe ist. Wer will heute sagen, daß ie Eisenbahnfrachten ständig so bleiben wie sie sind; das wage ich als Eisenbahnminister nicht mal auszusprechen. Es liegt die

in fernerer Zukunft in der Regelung der Eisenbahnfrachten suchen wird. (Sehr richtig!) Anträge liegen nicht vor; ich habe mich dar⸗ über nicht zu äußern; ich will auch keine Hoffnungen erwecken; aber diese Möglichkeit liegt doch vor. Infolgedessen war es vorsichtig von der Staatsregierung, daß sie aussprach: zurzeit, wie die wirtschaft⸗ lichen Verhältnisse liegen, sind wir bei dem starken Widerspruch unseres größten Industriereviers außer stande, Stellung zur Frage der Kanalisierung der Mosel zu nehmen, müssen vielmehr zugeben, daß die Befürchtungen, die dieses Revier ausspricht, zurzeit be⸗ gründete sind.

Dann komme ich zum Schluß zur Frage der Einwirkung der Kanalisierung dieser Flüsse auf die finanziellen Verhältnisse des Staates, auf die Eisenbahnfinanzen. Mir sind im Reichstage schwere Vorwürfe gemacht worden, indem gesagt wurde: die preußische Staatseisenbahnverwaltung ist das eigentliche Hemmnis, sie behandelt diese Frage durchaus nur vom finanziellen Interesse aus. Es ist zu⸗ treffend, daß in den Entschließungen des Staatsministeriums auf diese finanziellen Bedenken hingewiesen ist. Aber die Situation ist doch die, daß die Königliche Staatsregierung die wirtschaftlichen Be⸗ denken in den Vordergrund stellt, daß die finanziellen Bedenken nur mitwirken. Diese finanziellen Bedenken sind aber sehr erheblich. Der Herr Abg. Röchling hat ja in Trier und auch bei anderen Gelegen⸗ heiten unsere Ausfallberechnungen und insbesondere deren Grundlagen beanstandet. Auf Grund dieser Unterlagen ist festgestellt, daß den Reichseisenbahnen und den preußischen Staatseisenbahnen ein Netto⸗ ausfall ich betone das Wort „Netto“ von 24 Millionen Mark erwachsen würde. (Hört, hört! rechts.) 24 Millionen bedeuten die Brach⸗ legung eines Kapitals von 600 bis 700 Mill. Mark. Nun hat der Abg. Röͤchling er hat das in früheren Jahren gesagt und hat es im vorigen Jahr sehr stark betont ausgesprochen, daß solche Ausfälle sich ohne weiteres ausgleichen, wenn man dem Verkehr die Wege ebnet, wie das durch Kanalisierung der beiden Flüsse geschehen werde. Ich glaube, das ist ein ganz ungeheurer Irrtum. (Sehr richtig! rechts.) Wir werden vielleicht einen Zuwachs an Verkehr erhalten, aber wie groß der Zuwachs ist, das ist schwer zu sagen; daß er groß genug sein wird, um auch nur annähernd den Ausfall von 24 Millionen zu decken, ist nimmer anzunehmen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn man aber von der zutreffenden Voraussetzung ausgeht, daß die preußischen Staatseisenbahnen mit den Reichseisenbahnen zusammen aller Voraus⸗ sicht nach einen Ausfall in der Höhe von 20 bis 24 Millionen hahen werden, daß auf der anderen Seite der Reingewinn beider Reviere nach unserer jetzigen Berechnung durch die Moselkanalisierung nicht höher sein wird, als 8 bis 10 Millionen pro Jahr, so, meine ich, ist es eine ganz außerordentliche Zumutung an den Staat und alle Steuerzahler, solche ungeheuren Lasten zu übernehmen. (Sehr richtig! rechts.)

Ich muß mich entschieden dagegen verwahren, daß diese fiskalischen Bedenken sie sind fiskalische ausschlaggebend sind. Denn die fiskalischen Bedenken würden zurücktreten müssen, wenn überwiegend wirtschaftliche Gründe für eine Maßregel sprechen, und ich glaube, die preußische Staatsregierung hat im Einvernehmen mit dem Landtag wiederholt gezeigt, daß er vor einer zeitweiligen

erlin, Sonnabend,

eisenbahneinnahmen, nicht zurückschreckt, wenn es sich um die Förderung großer wirtschaftlicher Unternehmungen handelt. Ich erinnere einmal an das große Kanalnetz, das wir jetzt im Bau haben, und das doch zweifellos jahrelang zu einer Minderung der preußischen Staats⸗ eisenbahneinnahmen führen wird. Ich erinnere daran, daß wir dem bayerischen Staate gegenüber der Kanalisierung des Main zugestimmt haben, obwohl wir wissen, daß nach dem Stand des heutigen Verkehrs uns zweifellos Einnahmeausfälle von 6 Millionen entstehen werden, die auch in einer Reihe von Jahren nicht eingeholt werden. Ich erinnere daran, daß wir mit Oldenburg und Bremen verhandeln über den Oldenburger Kanal (Zuruf rechts: leider!), und, wie ich meine, zweifellos die Rücksicht auf die preußischen Staatseisenbahneinnahmen allein dem Kanal nicht gefährlich werden kann, obwohl auch hier nennenswerte Ausfälle zu gewärtigen sind.

Ich resümiere mich dahin, daß das finanzielle Interesse betont werden mußte, aber in diesem Falle nicht ausschlaggebend war, daß man sich aber die Frage vorlegen muß, ob es gerechtfertigt ist, daß auf jede Mark Reingewinn, die Lothringen und Luxemburg aus der Moselkanalisierung erzielen werden, der Staat 4 drauflegen soll⸗ (Hört, hört! rechts.) Das sind Erwägungen, in ganz allgemeinen Zügen gehalten! Eine spezielle Beurteilung des Falles setzt ein viel größeres Eingehen auf das Material voraus. Dazu ist heute nicht Gelegenheit; denn es handelt sich immer nur um gelegentliche An⸗ fragen und um die wiederholte Feststellung, daß die Kanalisierung der Mosel und Saar immer noch nicht ausgeführt ist.

Ich resümiere mich dahin: die Stellung, die die Königliche Staatsregierung im vorigen Jahre eingenommen hat, ist überlegt ge⸗

wesen und hat unter Abwägung der größeren und geringeren Interessen des unserer Sorge anvertrauten Verkehrs stattgefunden. (Bravo! rechts.)

Abg. Dr. Röchling (nl.): Der Abg. von Pap enheim

darauf hin, daß ich das Ausland zu Hilfe hälte Wfefele gewohnt, daß Herr von Pappenheim sich als Zensor nicht nur der

egierung, sondern auch der Reden aus diesem Hause hinstellt. Neu war es aber, daß er eine Zensur übte an Reden von Abgeordneten außer⸗ halb dieses Hauses. Er soll über meine Rede keine Zensur üben. Ich bin für meine Reden nur meinen Wählern verantwortlich. Wohltuend sticht von der Rede des Abg. von Pappenheim die Aeußerung des Ministers ab, der psychologisch untersuchte, wie ich zu meiner Stellung komme. Die seinerzeit vom Hause angenommene Resolution lautete dahin, daß die Regierung die Frage prüfen möge, und dazu hat sich die Regierung wohlwollend geäußert. Zur Frage des Schleppmonopols stehen wir noch heute auf dem Standpunkt, daß wir keine Freunde des Staatsbetriebs sind. Die bisherigen Erfahrungen ermutigen uns nicht die Staatsbetriebe noch auszudehnen. Wir 768 vom Staate eine Feinerfchget im Betriebe, und wir wünschen lieber den freien Wettbewerb. 2 ir werden bei der zu erwartenden Vorlage prüfen ob eine Notwendigkeit für die Einführung des staatlichen Schlepp⸗ monopols vorliegt. Die Frage der Schiffahrtsabgaben ist eine Zweckmäßigkeitsfrage; da jetzt im Reichstage eine Vorlage vorliegt, brauchen wir uns hier nicht ausführlich darüber auszusprechen. Die Freunde der Schiffahrtsabgaben haben die Hoffnung auf das Zustande⸗ kommen der Vorlage noch nicht aufgegeben. Man kann allerdings nicht sagen, daß die Regierung in dieser Sache immer eine glückliche Hand hat. Vor zehn Jahren war man der Meinung, daß Schiffahrtsabgaben wegen der Reichsverfassung auf natürlichen Wasser⸗

straßen nicht erhoben werden könnten, 82 nur Abgaben für Häfen

und sonstige Abgaben zur Verbesserung der Wasserstraßen möglich seien. Da tauchte der Gedanke auf, Abgaben nach Plerstrag des Rich seien tarifs für die Anlagen zur we der Schiffahrtsstraßen zu erheben. Man hätte dazu den Artikel 54 der Reichsverfassung ändern müssen, das hätte vielleicht eine Zeit gedauert, bis dieser neue volks⸗ wirtschaftliche Standpunkt sich durchrang, aber die Regierung wurde ungeduldig und entschloß sich zu einer ich kann es nicht anders sagen Politik der starken Hand. Die Schiffahrtsabgaben wurden in dem preußischen Wasserstraßengesetz vorgesehen. Ministerial⸗ direktor Peters suchte mit fleißig und geschickt gesammeltem Material nachzuweisen, daß auch ohne Aenderung der Verfassung solche Schiffahrtsabgaben möglich seien. Die Regierung wollte also von autoritativer Stelle, d. h. vom Reichsjustizamt, den Artikel 54 der Verfassung entsprechend interpretieren lassen. Diese Interpretation ist leider nicht veröffentlicht worden, sie hätte vielleicht zur Klärung beitragen können, aber so muß man den Schluß daraus ziehen, daß das Urteil nicht günstig für die Regierung aus⸗ gefallen ist. Man ist ziemlich gebeimh. vorgegangen. Es ist be⸗ dauerlich, daß die Neg die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen für ihre Vorlage nicht bekannt egeben hat. Leider ist man von dem Grundsatz des Fürsten Bismarck abgewichen, der immer die Interessenten hinreichend informiert hat. Daher ist es erklärlich, daß die Bevölkerung der Vorlage der Regierung mit Mißtrauen gegenübersteht. Die Mosel⸗ und Saarkanalisierung würde das aussichtsreichste Kanalprojekt sein; Herr Professor Schumacher hat das in seinem Buche über die Frage nachgewiesen. Er sagt darin dasselbe, was ich schon früher mit anderen Worten gesagt habe. Der Minister berief sich im Reichstage darauf, daß vor S6 Jahren das ganze Saarrevier gegen die Kanalisierung gewesen ei. Es ist nicht das ganze Revier gewesen, mein Vater und meine Brüder sind von jeher Anhänger der Kanalisierung gewesen. Freiherr von Stumm hat zum letzten Male 1890 sich gegen die Mosel⸗ kanalisierung ausgesprochen, ist dann aber zu einer Sinnesänderung gekommen. Auf Antrag Stumms hat 1900 die gesamte In⸗ dustrie der Saar verlangt, daß die Mosel⸗ und Saarkanalisierung in die Wasserstraßenvorlage aufgenommen würde. Die Regierung be⸗ fürchtet davon eine Schädigung des Ruhrreviers und eine Abwande⸗ rung der Betriebe von dort nach Luxemburg. Diese Befürchtung wird von Prof. Schumacher widerlegt. Es ist eine Tatsache, daß wir heute in Deutschland eine Erzknappheit haben, deshalb sind in Schweden Bestrebungen entstanden, die Erzausfuhr, wenn nicht zu verhindern, so doch einzuschränken. Wenn sich unsere Erzindustrie ausdehnen soll, so kann sie sich nicht mehr auf Schweden verlassen, sondern muß sich auf Luxemburg und Frankreich stützen. Das muß unsere nordwest⸗ deutsche Industrie veranlassen, ihre Stellung zur Mosel⸗ und Saar⸗ kanalisierung zu revidieren. Die Angaben des Ministers über die Fracht⸗ ersparnis werden im Südwesten nicht für richtig gehalten. Prof. Schumacher erklärt es überhaupt für unberechtigt, die Mosel⸗ und Saarkanalisierung unter dem Gesichtspunkt einer Tarifmaßnahme anzusehen, da es sich um eine allgemeine volkswirtschaftliche Frage handle; er sagt, jeder neue Verkehrsweg bringe Verschiebungen mit sich, es seien bei jedem solchen Vorgange große Befürchtungen geäußert worden, aber niemals in vollem Maße eingetroffen. Wie kann die Regierung so weltfremd sein, an eine große Schädigung der nordwestdeutschen Industrie zu glauben? Und die berechneten Einnahmeausfälle der Eisenbahn sind doch nur rechnungsmäßige Ausfälle, sie werden durch die natürliche Verkehresteigerung wieder ausgeglichen werden. Wenn solche Ausfälle nicht dem

lichen Kürzung der Staatseinnahmen, besonders der Staats⸗

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nicht beim Mosel⸗ und Saarkanal sein. Ich glaube, daß man auch im Nordwesten einsehen wird, daß dieser Kanal auch der nord⸗ westdeutschen Industrie Vorteil bringen wird. Ich vertrete eine gute Sache, zes handelt sich um die wichtigsten Nebenflüsse des Rheins. Eine Vernachlässigung der Interessen Elsaß⸗Lothringens wäre gerade in dem jetzigen Zeitpunkt der Verfassungsvorlage für das Reichsland ein Fehler der preußischen Regierung. Friedrich der Große hat gesagt, daß man bei der Förderung des Verkehrs nicht die Interessen der einzelnen Bürger abwägen solle und könne, sondern das gesamte Landesinteresse in großzügiger Weise berücksichtigen müsse. Wie die preußischen Könige die neuerworbenen Landesteile mit ihrem Stamm⸗ lande verbunden haben, so ist es ein deutsches volkswirtschaftliches Interesse, die Mosel zund Saar zu kanalisieren. Wenn Elsaß⸗ Lothringen ein selbständiger Bundesstaat wäre, wäre die Kanalisierun wohl schon längst in Angriff genommen worden.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:

„Meine Herren! Herr Abg. Röchling nahm Bezug auf die wissenschaftliche Bearbeitung der Schiffahrtsabgabenfrage durch meinen ausgezeichneten Mitarbeiter, den Ministerialdirektor Peters. Damit wollte er sich indessen durchaus nicht mit dessen Auffassung und dessen Schlußfolgerung identifizieren. Ganz genau so ergeht es mir mit

den Herrn Professor Schumacher, deren Wert ich ohne weiteres an⸗ erkenne, ohne mich aber, wie ich bereits vorher bemerkte, mit seinen Schluß⸗ folgerungen zu identifizieren. Herr Abg. Röchling beschwerte sich darüber, daß unter den Pflichtaufgaben, die das Schiffahrtsabgabengesetz oder, wie man es richtiger nennt, das Gesetz über den Ausbau der deutschen Ströme und Erhebung von Schiffahrtsabgaben, die Kanalisierung von Saar und Mosel sich nicht befände. Die Frage ist auch vom Reichstage urgiert worden, und es ist von seiten der Staatsregierung hingewiesen worden einmal auf den lebhaften Widerstreit der Inter⸗ essen, der hier vorliegt, der in meiner ersten Rede behandelt wurde, auch auf die Finanzfrage etwa in den Grenzen, wie ich sie heute erörtert habe, endlich auf die unwiderlegliche Tatsache, daß es un⸗ möglich war, diese Ströme in das Gesetz aufzunehmen, da ja ein Auslandstaat, nämlich Luxemburg, an der Kanalisierung der Mosel beteiligt ist, mit dem bisher keinerlei Vereinbarungen getroffen sind. Wollte man der Auffassung des Abg. Röchling, daß die Mosel zu kanalisieren ist, folgen, so würde man unsere Position gegenüber dem Auslandstaat, mit dem wir zu verhandeln haben, nur schwächen. Ich darf ausdrücklich feststellen und es steht diese meine Auffassung durchaus in Uebereinstimmung mit demjenigen, was ich vorher aus führte —, daß es niemals die Absicht sein kann, der Kanalisierung der Mosel und Saar durch dieses Reichsgesetz das Tor zu ver⸗ schließen. Die Frage wird in Fluß bleiben, sie wird durch unsere heutigen Erörterungen nicht gefördert, aber auch nicht erledigt werden. Der Herr Abg. Röchling ist nach wie vor der Meinung, daß die wirtschaftlichen Bedenken, die die Staatsregierung hat, mehr oder weniger vorgeschoben sind; es handle sich um gar keine Abwanderung, es handle sich lediglich darum, daß die großen Werke am Niederrhein ihre Erweiterungsanlagen in Lothringen⸗Luxemburg vorsehen. Nun, das ist doch ein Spiel mit Worten. Tatsächlich siedelt doch derjenige Teil unserer niederrheinischen Industrie, der dort das Unterkommen fände, nach Lothringen und Luxemburg, um dort seine Erweiterungs⸗ anlagen zu schaffen. Herr Abg. Röchling meinte aber, die Staats⸗ regierung wäre gar nicht so weltfremd, sie übersähe die Situation, der Pferdefuß bleibe doch immer die Finanzfrage, und um die Stellung der Staatsregierung zu stärken, hätte man auch die Opposition von Oberschlesien aufgeboten. Auch dieser Hinweis läßt mich ohne weiteres erkennen, wie der Abg. Röchling durchaus nicht geneigt ist, der wirt⸗ schaftlichen Situation, wie sie sich aus der Kanalisierung der Mosel und Saar entwickeln muß, Rechnung zu tragen. Es kann nach den Erfahrungen, die wir auf dem Gebiete des Eisenbahntarifwesens hundert⸗ fältig machen, gar nicht dem geringsten Zweifel unterliegen, daß eine Kanalisierung der Mosel und Saar mit den außerordentlichen wirtschaftlichen Verschiebungen, die sie im Gefolge haben muß sie ergeben sich ja ohne weiteres aus den von mir roh mitgeteilten Zahlen —, ganz außerordentliche Konsequenzen für unsere ganzen Produktionsgebiete zeitigen wird, und daß aus diesen Produktions⸗ gebieten, namentlich aus denjenigen, von denen man immer sagen kann, sie befinden sich in schwieriger Lage ich denke an das Siegener und an das oberschlesische Revier die lebhaftesten Anträge kommen werden, um hier später im Wege der Ermäßigung der Eisenbahn⸗ frachten einen Ausgleich herbeizuführen. Es sind die Notschreie von Oberschlesien, die gelegentlich der Beratung des Schiffahrtsabgaben⸗ gesetzes im Reichstag an mich gelangt waren, nur der Ausdruck dieser Auffassung, und ich erhebe ganz ausdrücklich Einspruch dagegen, daß dieser Notschrei von seiten der Staatsregierung, von meiner oder irgend einer Seite beeinflußt worden wäre. Nun meinte Herr Abg. Röchling, unsere ganze Ausfallsberechnung sei im höchsten Grade zweifelhaft, sie wäre eine knetbare Masse. (Abg. Dr. Röchling: Sagt Professor Schumacher!) Sagt Pro⸗ fessor Schumacher, und der Abg. Röchling nimmt diese Aeußerung auf. Wenn Sie unsere genaue Berechnung in dieser Weise an⸗ zweifeln, werden Sie auf Berechnungen der Staatsregierung, ins⸗ besondere der Staatseisenbahnverwaltung, niemals mehr Wert zu legen brauchen. Wir haben ziffermäßige Unterlagen für unsere Berechnung. Wir haben auch durchaus nicht die Absicht, ein solches Problem wie die Kanalisierung der Mosel tot zu machen; wir liefern nach unserm besten Gewissen und nach sorgfältigster Prüfung das Material an den Landtag, und ich muß Einspruch dagegen erheben, daß man es so diskreditiert. Der Abgeordnete diskreditiert doch in keiner Weise die Berechnungen, die für die Finanzierung der Moselkanalisierung und der Saar⸗ kanalisierung aufgestellt sind, die hält er doch für richtig, weil da eine Rentabilität nachgewiesen ist. Nun, wenn er das annimmt, muß er auch unsere Berechnungen gelten lassen, die wir für die Eisenbahn⸗ ausfälle errechnet haben. Dann hat der Abgeordnete die politische Frage hineingezogen und ist der Meinung, wenn Elsaß⸗Lothringen ein Bundesstaat wäre, dann

Rhein⸗Hannover⸗Kanal hinderlich gewesen sind, so dürfen sie es auch

würde seinen Interessen in anderer Weise entsprochen werden. Man

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der wissenschaftlichen Bearbeitung der Moselkanalisierungsfrage durch

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