1911 / 56 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 06 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

von Kontrolleuren aus Arbeiterkreisen keinesfalls zu einer Verbesserung des Bauarbeiterschutzes führt. Das Königreich Bayern hat ja Arbeiter⸗ kontrolleure eingeführt, und wir können nun bereits seit einer ganzen Reihe von Jahren vergleichen, wie diese Einrichtung in Bayern gewirkt hat und wie wir unter dem Einfluß der materiellen und formellen Vorschriften über den Bauarbeiterschutz fahren. Ich kann mir nicht versagen, diese Zahlen auch heute hier bekannt zu geben; denn sie sind ganz evident.

Ich will nur mit dem Jahre 1905 beginnen. Im Jahre 1905 entfielen bei den für Preußen in Betracht kommenden Baugewerks⸗ berufsgenossenschaften —, und zwar beruhen diese Zahlen auf der Statistik des Reichsversicherungsamts an Unfällen mit Tod oder dauernder völliger Erwerbsunfähigkeit auf 100 000 Arbeiter 76, i. J. 1906: 74,5, 1907: 74,2, 1908: 68,2 und 1909: 60,2. Die ent⸗ sprechenden Zahlen in Bayern sind 1905: 76,5, 1906: 87,4, 1907: 111 (hört, hört! rechts), 1908: 87, 1909: 74,2. Während wir also mit der Verhältniszahl von 60,2 im letzten Jahre erscheinen, ist dieselbe Zahl in Bayern 74,2. (Hört, hört! rechts.) Die Gegenüberstellung aller Unfälle ergibt auf 100 000 Arbeiter im Jahre 1909 für Preußen 716, für Bayern 1095. (Hört, hört! rechts.)

Ich meine, aus diesen Zahlen kann man doch bestimmte Schlüsse ziehen, und Herr Abg. Hirsch hat ja auch anerkannt, und es hat mich gefreut, daß dieses Anerkenntnis von seiner Seite kam —, daß die Regierung noch ganz neuerlich im Interesse des gesteigerten Bau⸗ arbeiterschutzes, im Interesse einer stärkeren und wirksameren Kontrolle sehr bestimmte Vorschriften erlassen hat, die soweit gegangen sind, daß die Provinzialbehörden angehalten wurden, unter Umständen im Zwangswege darauf hinzuwirken, daß von den Kommunalverwaltungen Kontrolleure eingestellt würden. Ich kann hier feststellen, daß die Kommunalverwaltungen diesen Anregungen in weitestem Sinne gefolgt sind. Ich will das hohe Haus hier nicht mit den Zahlen belästigen, sie liegen aber vor, und es ergibt sich aus ihnen, daß im Laufe der letzten Jahre ganz außerordentliche Fortschritte nach dieser Richtung gemacht sind.

Meine Herren, Herr Abg. Hirsch hat dann die Frage der schwarzen Listen mit großer Emphase behandelt. (Zuruf rechts: Wie immer!) Ich weiß nicht, ob die Anwendung dieses Begriffes hier am Platze ist. Es handelt sich doch um Anordnungen einer einheit⸗ lichen Verwaltung. Die Sache liegt ganz anders, als wenn ein großer Unternehmer an tausende von anderen Unternehmern bekannt gibt: dieser und dieser Angestellte hat sich der und der Tat schuldig gemacht, deshalb ist es nicht empfehlenswert, ihn anzunehmen. Aber hier handelt es sich um eine einheitliche Verwaltung. Nun bestehen aber gar keine schwarzen Listen; es ist das ein Schlagwort, mit dem Herr Abg. Hirsch hier operiert hat. (Sehr richtig! rechts.) Es ist keinerlei Anordnung von der Zentralverwaltung dahin⸗ gehend erlassen, daß die Provinzialbehörden oder die Lokal⸗ stellen Mitteilungen über bestimmte Vergehungen des angestellten Personals austauschen. Was geschieht aber? Die Provinzial⸗ behörden empfinden die Verpflichtung, im Falle schwerer Vergehungen des Personals die Zentralstelle zu informieren, damit sie ihrerseits an ihre Provinzialbehörden und Lokalstellen bekannt gibt: der und der Angestellte hat sich einer schweren Vergehung schuldig gemacht und kann in der Staatsbauverwaltung nicht mehr verwendet werden. (Sehr richtig! rechts.) Ich meine, daß das ein durchaus korrekter Vorgang ist.

Es liegt mir nun aus den letzten 12 oder 15 Jahren eine Zu⸗ sammenstellung der Fälle vor; es sind allerhöchstens 20 Vorkommnisse zu verzeichnen, und daraus ergibt sich, daß die größte Zahl schwere kriminelle Vergehungen oder aber ganz schwere Disziplinarvergehungen betrifft. Nun meint Herr Abg. Hirsch, es wäre jeder Vorschrift und jeder Uebung durchaus widersprechend, daß man nach außen bekannt gibt: nach dem Verhalten des Mannes eignet er sich nicht zur Beschäftigung in der Staatsbauverwaltung. Das ist ja nur eine Rücksicht, die man dem Manne gegenüber übt; man will nicht bekannt geben, welcher strafrechtliche Vorgang oder welches grobe disziplinarische Vergehen und nur nach den beiden Richtungen ist eingegriffken dazu geführt hat, ihn von der Beschäftigung aus⸗ zuschließen. Man hat eben im Interesse des oder der Betreffenden diese Formel für nützlich erklärt. Ich habe aber schon seit Jahr und Tag angeordnet, daß diese Mitteilungen der Provinzialstellen an die Zentralstelle nur zu erfolgen haben im Falle krimineller Vergehungen oder schwerer Disziplinarverstöße und ich habe auch angeordnet, daß die Entlassung nur erfolgt, nachdem der betreffende Angestellte ver⸗ antwortlich vernommen ist, und daß ihm ferner mitzuteilen ist, aus welchen Gründen er entlassen ist. Die Bekanntgabe der Entlassungs⸗ gründe in Gestalt einer Bescheinigung liegt nicht im Interesse des Mannes, wenigstens sehr häufig nicht; denn er will mit dieser Be⸗ scheinigung, daß er im Dienste der Staatsverwaltung gearbeitet hat, sich wieder eine neue Anstellungsmöglichkeit verschaffen, und wenn dann darin steht, daß er auf Grund der und der Vergehungen entlassen ist, so fördert das ihn meist nicht in seinem Fortkommen. Also ich meine, die Frage der schwarzen Listen ist von dem Herrn Abg. Hirsch nicht nur aufgebauscht, sondern sie ist auch in einer Weise dargestellt worden, die den tatsächlichen Verhältnissen geradezu ins Gesicht schlägt. (Hört, hört! und sehr richtig! rechts.) Die Verwaltung kennt keine schwarzen Listen. (Abg. Hirsch (Berlin): Ich kenne sie!)

Was die Frage der Bebaubarkeit des Tempelhofer Feldes betrifft, so werde ich mich ganz strikte an das halten, was der Herr Präsident vorhin urgierte. Ich kann nur innerhalb meiner Zuständigkeit Er⸗ klärungen hier abgeben. Die Sachlage ist folgende: Für die an Berlin angrenzenden Gebietsteile der Kreise Niederbarnim und Teltow, also auch für die Gemeinde Tempelhof, ist zuerst durch eine Ver⸗ ordnung vom 24. Juni 1887 ein neues Baurecht geschaffen. Soweit dieses Gebiet innerhalb der Ringbahn liegt, also auch das Tempel⸗ hofer Feld, wurde es dann durch eine Verordnung vom 22. August 1898 mit der Stadt Berlin in baulicher Hinsicht gleichgestellt. An die Bebaubarkeit des Tempelhofer Feldes hat zu jener Zeit kein Mensch gedacht, auch noch nicht eine ganze Reihe von Jahren nach der letzten Verordnung vom Jahre 1898. Durch ein ganz offensichtliches Ver⸗ sehen weil ja niemand an die Bebaubarkeit des Tempelhofer Feldes dachte ist das Tempelhofer Feld durch eine Verordnung vom 21. April 1903 dem Baurecht der Vororte außerhalb der Ring⸗ bahn unterstellt worden. Dieser Fehler ist erkannt worden, als zuerst Gerüchte auftauchten, daß an die Bebauung eines Teiles des

Tempelhofer Feldes gedacht würde, und da ist dann ganz mit Recht

Baurecht, wie es 1887 gedacht war, also wie das gesamte innerhalb der Ringbahn gelegene Gebiet. Eine Abweichung für das Tempel⸗ hofer Feld festzusetzen, dazu lag nicht der geringste Anlaß vor, keines⸗ falls um deshalb, weil der Besitzer des Tempelhofer Feldes der Reichsfiskus war.

Nun hat aber Herr Abg. Hirsch nicht mitgeteilt, wie denn die Bebauung des Tempelhofer Feldes gedacht ist, wie der Bebauungs⸗ plan beschaffen ist, der dem Vertragsschluß zwischen der Gemeinde Tempelhof und dem Reichsfiskus zugrunde liegt. Meine Herren, nach diesem Bebauungsplan sollen nicht weniger als 42 % der Gesamt⸗ fläche von der Bebauung freigelassen werden. Wenn Sie erwägen, daß in der überwiegenden Mehrzahl der Provinzialstädte die von der Bebauung freigelassene Fläche nur einige 30 % 33 % beträgt. so wird man ja ohne weiteres zugeben müssen: es ist hier im Inter⸗ esse der Gesunderhaltung unserer Bevölkerung außerordentlich viel in diesem Bebaungsplan geschehen, von dem ich übrigens heute noch nicht weiß, ob er zur Ausführung kommen wird. (Sehr richtig! rechts. Zurufe links: Die Höfe!) So liegt die Sache, und ich meine, es ist dem preußischen Bautenminister aus diesem Vorgehen kein Vorwurf zu machen. (Beifall rechts.)

Abg. Strosser (kons.): Ich möchte auf die Verhältnisse in meinem Wahlkreise Breslau wiederum hinweisen; wir haben im vorigen Jahre ausführlich das Donathsche Projekt für die eetecrtercs behandelt, aber die Sache ist sehr wenig weiter gekommen. 3 möchte den Minister bitten, die Neuschaffung eines wirklic leistungsfähigen Schiffahrtsweges durch oder um Breslau in die Wege zu leiten. Man weiß immer noch nicht, wie es damit steht. Alle Besprechungen über die Frage des Verkehrs von Kraftfahrzeugen auf öffentlichen Wegen haben noch keinen Erfolg gehabt; Jahr für Jahr sind dieselben Klagen beim Ministerium des Innern, bei der Bauverwaltung, in Interpellationen, in An⸗ trägen vorgebracht, aber von einer Wirkung kann man kaum sprechen. Im vorigen Jahre habe ich mit Unterstützung aller Parteien den Antrag eingebracht: „die Regierung aufzufordern, die ihr unter⸗ stellten Polizeiorgane anzuweisen, dahin zu wirken, daß die für den Verkehr mit Kraftfahrzeugen erlassenen gesetzlichen Be⸗ stimmungen und polizeilichen Vorschriften auch befolgt werden und⸗ auf besonders verkehrsreichen Straßen die Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen auf die engsten Grenzen eingeschränkt oder, wo nötig, ganz untersagt wird“. Darauf teilt uns die Regierung in der Uebersicht ihrer Entschließungen auf Beschlüsse des Hauses folgendes mit: „Eine Anweisung zur Befolgung der erlassenen Gesetzes⸗ vorschriften war bereits vor der Beschlußfassung ergangen. Eine Ein⸗ schränkung oder Untersagung der Personenbeförderung mit Kraft⸗ fahrzeugen in besonders verkehrsreichen Straßen kann, wie der Re⸗ gierungsvertreter in der Sitzung des Hauses der Abgeordneten vom 8. Juni 1910 erklärt hat, nicht in Aussicht gestellt werden.“ Daß eine Anweisung schon vor unserer Beschlußfassung ergangen war, hat uns damals auch der Minister gesagt, wir haben darauf geant⸗ wortet, daß diese Anweisung leider viel zu wenig befolgt wird, daß die Regierung auf wirksame Befolgung hinwirken möge. Wir haben ein gutes Reichsgesetz, aber bedenkliche Ausführungsanweisungen, und am seelmen. ist die Praxis. Ich habe sonst vor dem Minister als Eisenbahnminister große Hochachtung, vielleicht mit Ausnahme des bekannten Rauchverbots in den Speisewagen der Eisenbahn. Der Regierungekommissar hat ausdrücklich zugegeben, daß immer noch ernste 1 und Auswüchse im Kraftwagenverkehr be⸗ stehen. Ich stehe durchaus nicht an, zuzugeben, daß nach meinen Beobachtungen, die ich in Berlin gemacht habe, im Laufe des letzten Jahres eine geringe Besserung zweifellos zu konstatieren ist, z. B. findet nicht mehr eine so große Verunreinigung der Luft durch das Ablassen von Rauch statt, aber es ist doch noch der Fall. Nun hat der Regierungskommissar im vorigen Jahre erklärt, daß ein Verbot des Rennfahrens auf öffentlichen Straßen erst dann erfolgen kann, wenn Rennstraßen entstanden sind. Das ist ein Versprechen auf eine außerordentlich ungewisse Zukunft. Man hat auch im Laufe des Jahres nicht gehört, daß diesem Projekt in irgendeiner Weise näher getreten sei. Jetzt ist doch schon das Rennfahren und die Veranstaltung von Rennfahrten auf öffentlichen Wegen und Plätzen verboten. Diese Bestimmung ist doch deutlich genug. Mit welchem Recht werden eigentlich die Straßen gesperrt? Wer zahlt die Kosten, die durch diese Veranstaltung von Wettfahrten durch Privat⸗ gesellschaften entstehen? Da werden Gendarmen aufgeboten usw. Wenn Jahr für Jahr immer diese Frage nicht nur dter, sondern auch im Herrenhause und im Reichstage aufgeworfen wird, so müßte die Regierung doch diesem Wunsche nachkommen. Auf die Haltung der Regierung ist es aber zurückzuführen, daß in dem sog. Kaiserlichen Automobilklub im vorigen Jahre eine so stolze Sprache gegenüber dem Parlament geführt worden ist. Wir vertreten hier doch die Stimme der Oeffentlichkeit, wir denken gar nicht daran, das vernünftige Fahren in Automobilen in irgendeiner Weise beschränken zu wollen.

ir wissen sehr genau, daß das Automobil ein Fortschritt ist. In früheren Jahren haben wir eine Unfallstatistik erhalten. Auf die Frage, warum seit einigen Jahren diese Unfallstatistik nicht mehr ausgegeben wird, hat im vorigen Jahre der Regierungskommissar geantwortet, daß die Statistik im Reichsamt des Innern aus⸗ gearbeitet wird, und daß es eventuell in Frage stehen würde, ob sie weiterhin dem Hause zugestellt würde. In diesem Jahre haben wir nun keine Statistik bekommen. Nur aus dieser können wir ja ersehen, ob überhaupt eine Besserung eingetreten ist. An Feiertagen ziehen in Berlin Hunterttausende von Menschen, in anderen Städten Zehntausende hinaus ins Freie, um sich von der Wochenarbeit zu erholen. Aber gehen Sie einmal an einem Sonntag nach dem Grunewald, der als Haupterholungsort der Berliner in Betracht kommt. Da können Sie beobachten, daß die Spaziergänger sich in den Straßengräben bewegen müssen, weil auf der Straße kein Platz mehr ist. Das sind keine Geschaftsantomobile, sondern Leute, die lediglich dem Vergnügen nachgehen. Deshalb erbitte ich vom Minister in diesem Jahre eine Zusicherung, daß tatsächlich von der Regierung dieser Frage eine größere Aufmerksamkeit gewidmet wird, und daß die Wunsche der verschiedenen Parlamente berücksichtigt werden.

Abg. Dr. Bell⸗Essen (Zentr.): Die Frage der Bebauung des Tempelbofer Feldes ist Gegenstand eingehender Erörterung in der Budget⸗ kommission des Reichstags gewesen. Es wurde seitens der Regierung erklärt, diese Bebauungsfrage gehe den Reichstag nichts an, der Kriegsminister habe in dem Bauplan nur eine Unterlage für die Ab⸗ schätzung des Wertes des Feldes gesehen und habe nichts gegen eine Umarbeitung. Die Berliner haben sich in dieser Frage nicht mit Ruhm bedeckt. Hätten sie rechtzeitig eingemeindet, so hätten sie nach ihren Wünschen den Bebauungsplan aufstellen und ausführen können. Vom hygienischen und vom sozialen Standpunkt aus kommt es nicht so sehr auf das Verhältnis der bebauten oder unbebauten Fläche an als auf das Verhältnis der Bebauung innerhalb des Bau⸗ kernes. Oft werden uns Pläne vorgelegt, die geradezu blenden, die zu schön sind, um noch praktisch zu sein, man sollte daher den Schwer⸗ punkt nicht so sehr auf große, breite Zierstraßen legen, sondern darauf, wie innerhalb des Baukernes die Hinter⸗, Seiten⸗ und Quer⸗ gebäude liegen. Es müssen auch die mittleren und kleineren Leute Luft haben. Soweit der Minister zuständig ist, sollte er in diesem Sinne seinen Einfluß geltend machen. Zugleich spreche ich den städtischen Verwaltungen und besonders der Großstadt Berlin den Wunsch aus, daß sie auf diesem Gebiete für die Provinz vorbildlich sein möchten. Zurzeit kann man das von Berlin nicht sager

Abg. Dr. Schroeder⸗Cassel (nl.) kommt auf das Sub⸗ missionswesen zurück und spricht den Wunsch aus, daß die neuen vor⸗ trefflichen Ministerialvorschriften auch durchgängig beachtet werden möchten, was zum Teil noch nicht der Fall sei. Was die Anstellung von Baukontrolleuren aus dem Bauarbeiterstande betreffe, so habe

vom Mini taeteilten Zahlen aus Preußen und Bayern bewiesen. e“ Sinn 8 Uehgrtes beständen in der Bau⸗ und Eisenbahnverwaltung nicht. Das habe sich ebenfalls aus den Erklärungen des Ministers klar ergeben. Bezüglich des Tempel⸗ hofer Feldes kann der Redner sich lediglich den Bedenken des Abg. Bell anschließen. Der Verkehr der Kraftwagen auf. den öffentlichen Straßen habe unzweifelhaft eine Reihe von Mißständen mit sich gebracht: in Berlin sei man auf den Straßen kaum noch seines Lebens sicher. Die Straßensperrungen zugunsten von Wettfahrten seien ein Auswuchs. Alle diese Auswüchse und Mißstände mißbillige er mit seinen Freunden nach wie vor auf das entschiedenste, doch müsse er anerkennen, daß in den letzten Jahren eine Besserung erkennbar sei, wie auch anderseits feststehe und von ihm aus eigener Erfahrung be⸗ zeugt werden könne, daß den Automobilführern, die die Fahr⸗ zeschwindigkeit innehalten und sich auch sonst durchaus korrekt ver⸗ halten, oft der nötige Schutz gegen Schikanen fehle. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: Meine Herren! Ich pflichte dem Herrn Abg. Dr. Schroeder darin vollkommen bei, daß die Staatsregierung alle Veranlassung hat, bei ihren Vergebungen dahin zu wirken, daß die kleineren Gewerbe⸗ treibenden und die Handwerker Berücksichtigung finden. Ich kann nur wiederholen, was ich in anderen Jahren schon mitgeteilt habe, daß in dieser Richtung alljährlich Erlasse an die beteiligten Behörden hinausgehen. Ich kann auch feststellen, daß ein großer Teil der Be⸗ schwerden tatsächlich abgestellt ist. Das schließt nicht aus, daß immer wieder neue Fälle gemeldet werden, in denen doch gegen die Absichten des Ministers verfahren ist, und ich würde Herrn Abg. Dr. Schroeder bitten, mich gelegentlich auch über solche Fälle zu infor⸗ mieren. Ich habe ganz neuerlich Anlaß gehabt, infolge eines Vor⸗ kommnisses, das sich in Halberstadt abspielte wo die Beteiligung kleinerer Gewerbetreibender an einer Vergebung deshalb abgelehnt worden war, weil sich bei pauschaler Vergebung ein geringerer Be⸗ trag ergab und deshalb der Zuschlag an den Unternehmer und nicht an die Handwerker und kleineren Gewerbetreibenden erfolgte —, die früheren Erlasse zu korrigieren und ausdrücklich darauf hinzuweisen, daß in solchen Fällen den Handwerkern der Zuschlag erteilt werden solle (Abg. Dr. Schroeder (Cassel]: Bravo!), und ich beabsichtige, in dieser Richtung weiter vorzugehen. Der Herr Abg. Strosser hat dem Wunsche Ausdruck verliehen, daß die bedeutenden Fragen des verbesserten Hochwasserschutzes und der Durchführung des Großschiffahrtsweges durch Breslau, die zurzeit schweben, eine weitere kräftige Förderung erfahren mögen. Meine Herren, ich bin auf das lebhafteste bemüht, und mit mir der Herr Landwirtschaftsminister und der Herr Finanzminister, diese schwierigen Fragen so schnell wie möglich zu lösen; es haben sich aber immer neue Anstände ergeben. Was den Hochwasserschutz betrifft, so stehen sich zwei große Projekte gegenüber. Das eine will die Hochwässer der Oder durch das Weidetal abführen, das andere durch das Schwarzbachtal; außer⸗ dem kommt noch ein drittes kombiniertes Projekt in Betracht, das die kleinen Hochwässer durch das Schwarzbachtal, die großen durch das Weidetal abführen will. In dieser sehr komplizierten Frage ist noch keine Einigung erzielt. Ich stelle aber ausdrücklich fest, daß es sich da nicht um ein Unternehmen des Staates handelt, sondern daß Träger dieses großartigen Unternehmens die Kommunal⸗ und Deichverbände sein müssen, denen der Staat selbstverständlich zu seinem Teile Bei⸗ hilfen gewähren wird. Durch die Frage der Beteiligung des Staates wird meines Erachtens die ganze Angelegenheit nicht aufgehalten; sondern es sind eben hier sehr schwerwiegende technische Fragen zu lösen, und neuerlich ist von der Stadt Breslau sogar die Frage auf⸗ geworfen worden, ob die Angelegenheit überhaupt so dringlich sei.

Dringlicher ist zweifellos die zweite Frage, die Herstellung des Großschiffahrtsweges bei Breslau. Hier handelt es sich darum, ob für den Großschiffahrtsweg bei Breslau die Süder⸗ oder die Norder⸗ Oder benutzt werden soll, oder ob der Großschiffahrtsweg durch die Stadt Breslau selbst geführt werden soll. Ich habe mich jetzt ent⸗ schlossen, da die kombinierte Erledigung beider Angelegenheiten zweifellos die Herstellung des Großschiffahrtsweges aufhält, die letztere Frage abzutrennen (Bravo! bei den Freikonservativen) und tunlichst bald eine Entscheidung darüber zu treffen, weil nach Durchführung der großen Verbesserungen in der Oder oberhalb Breslaus unter Um, ständen der Verkehr in Breslau aufgehalten werden könnte, wenn wir nicht den Weg für die Fertigstellung des Großschiffahrtsweges frei machen. (Abg. Strosser: Bravo!) b

Es hat mich gefreut, daß Herr Abg. Strosser, als er heute erneut das Automobilwesen und die Erxzesse, auf die er hinwies, besprach, doch anerkannte, daß sich neuerlich zwelfellos eine erkennbare Besserung gezeigt habe. Meine Herren, ich bin ich muß da immer mit der Statistik kommen; sie liefert doch den sichersten Beweis für die Bewährung einer Maßregel ich bin in der Lage, nachweisen zu können, daß in der Tat seit Jahren eine sehr wesentliche Besserung der Zustände im Automobilwesen eingetreten ist. Sie ist so erkennbar, daß man heute nicht mehr daran zweifeln kann, daß sowohl Gesetz und Verordnungen wie die Exekutive voll ihre Pflicht getan haben.

Zunächst wird ich spreche da vom Landespolizeibezirk Berlin von den Exekutivorganen sehr scharf eingegriffen. Wir haben im Jahre 1910 in 7 Monaten nicht weniger als 4000 Strafanzeigen zu verzeichnen. Ich kann weiter mitteilen, daß die Gerichte, wenn sie mit diesen Fragen befaßt werden, sehr energisch vorgehen. Von den erwähnten 4000 Anzeigen sind nicht weniger als 1120. erstattet wegen zu schnellen Fahrens, 1616 wegen Qualmens; die ubrigen betreffen An⸗ stände, die sich namentlich aus der Kennzeichnung der Wagen ergeben haben. Weiter hat die Zahl der Kraftdroschken in den letzten zwei Jahren, 1909 und 1910, von 1150 auf 1950 zugenommen; die Unfall⸗ ziffer aber ist von 719 im Jahre 1909 gesunken auf 694 im Jahre 1910. Meine Herren, wenn Sie erwäßen, daß heute in Berlin wahrscheinlich mehr als 2000 Kraftdroschken zirkulieren, und daß diese nach mäßiger Schätzung 15 bis 18 Millionen Fahrten im Jahre zurücklegen, so werden Sie anerkennen, daß diese Ziffern an sich sehr gering sind, und daß sie nicht den Schluß zulassen, es würden hier Erzesse in großer Zahl begangen. Erzesse sind nie zu vermeiden, sie können nur durch eine scharfe Kontrolle zurückgehalten werden, und in dieser Be⸗ ziehung ist gerade den Anregungen des Herrn Abgeordneten, denen sich ja das Haus angeschlossen hat, entsprechend vorgegangen worden. Der Polizeipräsident hat sehr kräftig eingegriffen und hat auch im letzten Jahre und im letzten Vierteljahre außerordentliche Erfolge erzielt. Das ergibt sich wieder aus der Statistik des letzten Vierteljahres 1910.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

seine Partei stets auf einem dem Abg. Hirsch⸗Berlin käthegengesetten

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chen worden, das Tempelhofer Feld un

terliege demselben

Standpunkt gestanden, und wie recht sie damit habe, hätten die heute

gestattet zu sein.

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anzeiger und Königlich Preußischen Staatsanzeiger

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(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Danach steht fest, daß auf 100 Benzindroschken im letzten Viertel⸗ 8 jahre 1909 12,4 Unfälle eintraten, im entsprechenden Viertel⸗ jahre 1910 nur 8,8. Dasselbe Verhältnis ergibt sich für

elektrische Droschken, wo sich die Zahlen 14,2 und 9,] gegen⸗

überstehen. Es ist also ganz unverkennbar, daß hier die durch⸗ greifenden Anordnungen der zuständigen Behörden einen großen

Erfolg zu verzeichnen haben. Das schließt nicht aus, daß wir dieser

Frage aller Orten, nicht bloß in Berlin, sondern auch in den Pro⸗

vinzen unsere ständige Sorge und Aufmerksamkeit zuzuwenden haben.

Was die Frage der Zuverlässigkeitsfahrten betrifft, so ist sie ja

de lege durchaus klar. Die Bundesratsverordnung, die im Anschluß an das Automobilgesetz erlassen worden ist, bestimmt: „Für Zuverlässigkeitsfahrten und ähnliche Veranstaltungen zu Prüfungszwecken ist die Genehmigung der zuständigen Behörde erforderlich. Soweit mit ihnen Schnelligkeitsprüfungen verbunden sind, ist die Genehmigung der Landeszentralbehörde erforderlich, die im Einzelfalle die Bedingungen festsetzt.“

Ich nehme an, daß Herr Abg. Strosser nicht sagen will, daß die

bundesrätliche Verordnung mit dem Automobilgesetz in Wider⸗

spruch steht. Nun steht die Regierung nach wie vor auf dem Standpunkt, daß Zuverlässigkeitsfahrten auch heute noch nicht entbehrlich sind. Bei der großen Konkurrenz, die die Automobilindustrien in den verschiedenen Staaten bewegt dürfen wir unserer Automobilindustrie dieses Mittel, ihre Leistungs⸗ fähigkeit zu beweisen, nicht vorenthalten.

Eine andere Frage ist ja die Schnelligkeitskonkurrenz, und die ist

ja schon bei den letzten Fahrten, die der Herr Abgeordnete erwähnte

auf ein Minimum eingeschränkt worden, und ich kann mitteilen, daß bei der Prinz Heinrich⸗Fahrt, die in diesem Jahre ausgeführt werden soll, von der Einlegung einer Schnelligkeitsfahrt ganz abgesehen worden ist; ich kann ferner mitteilen, daß Zuverlässigkeitsfahrten mit ein⸗ gelegten Schnelligkeitsfahrten innerhalb Preußens überhaupt zu keinem Unfall Anlaß gegeben haben, welcher Dritte betroffen hat. Daß die Fahrer selbst ihre Gesundheit und ihr Leben unter Umständen riskieren ist doch eine Sache für sich. b Meine Herren, ich meine, daß die Gesichtspunkte, die der Herr Abg. Schroeder hier bezüglich der Beurteilung der ganzen

Frage hervorkehrte, sehr bedeutsam sind. Es wird auch jeder anerkennen müssen, daß das Automobilwesen einen so ungewöhn⸗ lichen Fortschritt auf dem Gebiete des Verkehrs und der Verkehrs⸗ technik bedeutet, wie wir ihn kaum ähnlich zu verzeichnen haben, und wir müssen uns davor wahren, durch zu einschneidende Bestimmungen diese Entwicklung, die meines Erachtens noch ungeahnte Perspektiven gibt in irgend einer Weise hemmen zu wollen. Ich bitte, sich nur zu ver⸗ gegenwärtigen, wie jetzt die Benutzung des Lastkraftzuges an Aus⸗ dehnung gewinnt, der auch von ganz hervorragender Bedeutung im Interesse der Landesverteidigung ist; wie er in allen Teilen des Landes nutzbar gemacht wird. Man muß sich hüten, in diese Entwicklung etwa durch Verbote der Zuverlässigkeitsfahrten einzugreifen. Ich glaube der Herr Abgeordnete wird mit mir der Meinung sein, daß wir diefer Entwicklung mit einer gewissen Ruhe entgegensehen müssen, und auf der anderen Seite wird er überzeugt sein dürfen, daß die Staats⸗ regierung bestrebt sein wird, alle Erzesse, die sich im Lande zeigen, zu bekämpfen und ihnen entgegenzutreten. (Bravo!) 5

1 Geheimer Regierungsrat im Ministerium des Innern von G röning; Der Abg. Strosser hat bemängelt, daß die von den Polizei⸗ behörden erlassenen Verordnungen nicht befolgt würden, und der Abg. Schroeder hat sich darüber beschwert, daß die Berliner Autos viel zu schnell führen. Ich möchte diese Ausführungen nicht völlig unwidersprochen lassen. Gerade der Polizeipräsident von Berlin ist von jeher besonders Feer bemüht gewesen, den Automobilverkehr zufriedenstellend zu regeln. Unabhängig von den Anregungen des Abg. Strosser hat er sich bereits mit Inkrafttreten der Bundesratsverordnung sehr angelegen sein lassen, seine Beamten entsprechend zu instruieren. Er ist bis in die letzte Zeit bemüht gewesen, Verbesserungen in der Ueberwachung der Automobile einzuführen. Er hat den Patrouillendienst so organisiert, daß eine Art von Patrouillen. die Geschwindigkeit der Automobile und die andere die Rauchbelästigungen durch die Automobile zu überwachen hat. Zu dem ersteren Zwecke werden die Schutzleute mit Stockuhren aus⸗ gerüstet. Da sich aber herausgestellt hat, daß die Autofahrer sobald eine Uniform erscheint, langsamer fahren, so sind neuerdings guch Beamte in Zivil zu diesem Dienst kommandiert worden. Vom 1. April bis 1. November 1907 sind hier in Berlin 1120 Straf⸗ anzeigen wegen zu schnellen Fahrens erstattet worden. In der Regel sind die verhängten Strafen auch gerichtlich bestätigt worden. Schwieriger ist die Feststellung der Rauchbelästigung durch Auto mobile, weil uns die technischen Einrichtungen einstweilen noch im Stiche lassen. In Berlin hat sich die Praxis bewährt, daß die Auto⸗ mobilführer durch die Schutzleute darauf aufmerksam gemacht werden wenn ihr Auto in unzulässiger Weise Rauch entwickelt. Wenn die Autoführer auf Zuruf des Schutzmanns nicht reagieren so werden sie aufgeschrieben und bestraft. Die Verpflichtung, Zeugnisse aufzuweisen, hat sich außerordentlich bewährt. Während in früͤheren Jahren noch darüber geklagt worden ist - daß die Geschwindigkeit der Autos hier in Berlin 35 km. und! mehr betrug, werden heute Geschwindigkeiten über 30 km so gut wie gar nicht beobachtet. In der Regel wird die für Berlin vorg eschriebene Geschwindigkeit von 25 km innegehalten, die bekanntlich von der sonstigen Geschwindigkeit von 15 km abweicht. Eine Steigerung der Unfälle in Berlin liegt nicht vor. Die Zahl der Unfälle bei Benzin und elektrischen Droschken ist denn auch, wie die Statistik zeigt, ge⸗ sunken. Der Polizeipräsident von Berlin ist also nicht nur bemülbt gewesen, die Sache zu organisieren, er hat damit auch Erfolg gehabt.

Abg. Dr. Wagner⸗Breslau (freikons.): Hoffentlich wird die Staats⸗ regierung der in der Budgetkommission gegebenen Anregung zustimmen, daß das Wassergesetz zwischen zwei Sessionen durch eine besondere Kommission vorberaten werden möchte, da es wegen der außerordent⸗ lichen Schwierigkeit der in so viele Verhältnisse eingreifenden Materie unmöglich ist, daß es in einer Session durch Kommission und Plenum durchkommt. Der Landwirtschaftsminister als Chefredakteur des Gesetzes wird hoffentlich die Redaktion so beschleunigen, daß das Gesetz noch in dieser Session der Kommission übergeben werden kann. In⸗ der Frage des Vorschleuserechts, die für das Gedeihen unseres Klein⸗ schiffergewerbes von größter Wichtigkeit ist, scheint die Bevorzugung der Großschiffereibetriebe nicht mehr in dem Maße wie bisher

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ite Beilage

] Berlin, Montag, den 6. März

im Handelsministerium Besprechungen der Frage auch mit Vertretern des Kleinschiffergewerbes stattfinden; ich hoffe, daß dcb ein Ergebnis herauskommt, wie es den aus dem Hause oft geäußerten Wünschen entspricht. Der Abg. Lippmann hat uͤber die Verhältnisse der unteren ,za gesprochen und gewünscht, daß sie zu einer stets sicher funk⸗ Großschiffahrtsstraße ausgebaut wird, und daß der Ver 28 von Oberschlesien her diese Straße mehr als bisher benutze. Da begegnen sich die Wünsche Oberschlesiens und der Stadt Breslau durchaus mit denjenigen von Stettin, denn die schwere Industrie, namentlich die Kohlenindustrie Oberschlesiens, hat das äußerste Inter⸗ esse daran, eine gute Schiffahrtsstraße nach dem Osten zu besitzen, da ja die größten Anstrengungen gemacht werden, dort die englische Kohle an die Stelle der oberschlesischen zu setzen. Die Vor⸗ bedingung dazu ist das tadellose Funktionieren dieser Wasserstraße. Der Stein des Anstoßes liegt bei der Stadt Breslau. Die Er⸗ klärungen, welche der Minister jetzt über den Großschiffahrtsweg und das Hochwasserprofil abgegeben hat, werden in der Breslauer Bürger⸗ schaft einen dankbaren Widerhall finden. Es ist wirklich Zeit, daß 1 sich zur Durchführung eines praktikablen Projektes entschließt. Es ist ja wieder die Frage erwogen worden, ob die Norder⸗Oder ausgebaut werden soll, und welche Konsequenzen das haben würde. Neuerdings scheint man wieder von diesem Projekte abgegangen zu sein und zu einem ganz neuen überzugehen, wonach der Großschiffahrts⸗ weg auf die rechte Oderseite um Breslau herum verlegt wird. Schon pör 20 Jahren, im Jahre 1891, hatte der Breslauer Magistrat die Angelegenheit zum Gegenstande einer Petition an den Landtag gemacht, die Herren Porsch und Schöller haben sie eingehend be⸗ sprochen, und schon damals hatte die Idee, den Großschiffahrtsweg durch die Norder⸗Oder zu führen, gerade von Schiffahrtsinteressenten erheblichen Widerspruch erfahren. Die Regierung und Stadt konnten sich nicht einigen, und das Projekt schlief ein. Jetzt stehen wir auf demselben Standpunkt; nach 20 Jahren taucht das Projekt der Norder⸗ Oder als etwas ganz Neues wieder auf. Ich begrüße dankbar die Erklärung des Ministers und hoffe, daß die Durchführung des Groß⸗ schiffahrtsweges ebenso ein schnelleres Tempo annehmen wird, wie die nicht minder wichtige Regelung des Hochwasserprofils. Was soll übrigens mit den Grundstücken werden, welche früher für Zwecke dieser Wasserstraßenanlagen angekauft worden sind und jetzt bei Durchführung eines anderen Projektes entbehrlich werden?

Abg. Rosenow ffortsch. Volksp.): Die Frage des Bebauungs⸗ planes für das Tempelhofer Feld ist von der Frage des Verkaufs des Tempelhofer Feldes nicht zu trennen. Da die letztere aber hier zu erörtern nicht zulässig ist, verzichte ich für jetzt darauf, in eine Er⸗ örterung einzutreten.

Abg. Wulfert⸗Meyer (kons.) beklagt sich über Mißstände bei Kanalbau in seinem Wahlkreise gh betlagt ch üen⸗ Uüer vhbechn die für den Ankauf von Grund und Boden geboten worden seien, seien außerordentlich gering gewesen; es sei zur Ausübung eines Druckes darauf hingewiesen worden, daß auf dem Wege des Ent⸗ eignungsverfahrens nur noch weniger zu erzielen sein würde. Wenn das Enteignungsverfahren eingeleitet würde, sei immer wieder der⸗ selbe Sachverständige dagewesen und habe dem Sachverständigen der Regierung Anweisungen gegeben. Er sei der Meinung, daß diese beiden Verfahren doch nichts miteinander zu tun hätten. er Redner führt zum Beweise einige Einzelfälle an. Er möchte den Minister bitten, die Leitung weiterer Verhandlungen den beiden in Betracht kommenden Landräten zu übertragen; und auf diese Weise würde allgemein ein freihändiger Verkauf erzielt werden.

—Geheimer Oberregierungsat Kisker gibt zu, daß gewisse Schwierigkeiten bei dem Landerwerb sich ergeben hätten, hofft aber, daß in Zukunft eine Einigung erfolgen werde.

Abg. Freiherr von Wolff⸗Metternich (Zentr.): Wir sind dem Minister für seine Erklärung über das Automobilwesen dankbar. Das Einschreiten der Behörden gegen das zu schnelle Fahren der Automobile wird ja in Berlin z. B. von Erfolg sein, nicht aber in der Provinz. Die Prozessionen, die mit großem Schmuck vor sich gehen, und an denen die Bepölkerung mit großer Liebe hängt, werden oft durch Automobile belästigt und gestört.

Abg. von Bülow⸗Homburg (nl.) beklagt sich über die weite Aus⸗ dehnung der selchlofsenen Bauweise für Groß⸗Berlin. Das Gerlachsche Projekt füͤr die Be bauung des Tempelhofer Feldes solle man Berlin nicht zumuten, da es eine Schande für Berlin sein würde mit seinen engen und erbärmlichen Höfen in einer Zeit, wo man die hygienischen Gesichtspunkte überall in den Vordergrund stelle. Eine ordnungs⸗ mäßige Durchlüftung der einzelnen Baublöcke müsse auf jeden Fall gewährleistet werden; dafür müsse der Minister sorgen.

Kommissar des Ministeriums des Innern, Geheimer Regierungsrat von Gröning: Ich habe nicht den aktenmäßigen Bericht 8 den Fall, wo ein Automobilist in bücksctälassr Weise in eine Prozession hineingefahren ist. Aber ich habe nicht den geringsten Anlaß, irgendwie für den Automobilisten einzutreten. Der § 23 der Bekanntmachung des Bundesrats über die Regelung des Automobilverkehrs gibt den Polizeibehörden schon jetzt die Moͤglichkeit, den Verkehr von Kraft⸗ fahrzeugen auf bestimmte Wege zu bescehnten

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Münchgesang: Weitaus die meisten Vororte haben die offene Bauordnung. Je mehr die Orte von Berlin ab liegen, desto mehr ist die extensive Bauweise vorge⸗ schrieben. Wenn doch in manchen Orten die geschlossene Bauweise zugelassen ist, so liegt das daran, daß die baupolizeilichen Vor⸗ schriften sich an die gegebenen Verhältnisse anschließen mußten, da man es bereits mit geschlossenen Ortschaften zu tun hatte. 1

Das Ministergehalt wird darauf bewilligt.

Bei den Besoldungen der höheren Beamten tritt Abg. Kindler ffortschr. Volksp.) für die Entlastung der höheren Beamten ein. Es könnte eine große Zahl von Arbeiten, vor allem auch Projekte, den mittleren und unteren Beamten übertragen werden. Dadurch würde auch eine größere Selbständigkeit und Berufsfreudigkeit dieser Beamten erreicht werden. G Abg. Hammer (kons.) beklagt sich über Mißstände in der Hand⸗ habung der Submissionsbedingungen, wird aber vom Präsidenten an weiteren Ausführungen verhindert, weil diese Frage beim Minister⸗ gehalt zu erörtern 8eedies wäre. Bei den Gehältern der Landmesser spricht Abg. Klocke (Zentr.) die Hoffnung aus, daß der Minister den außeretatsmäßigen Landmessern sein Wohlwollen zuwenden wolle, und erörtert verschiedene Mißstände, die sich durch das neue Reisekosten⸗ gesetz für die Landmesser ergeben hätten. Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels von der Brügghen: Die außeretatsmäßigen Landmesser dauernd anzustellen, wird 8 dem großen Wechsel des Umfanges der Arbeiten der Bauverwaltung nicht möglich sein. Bei Entlassungen soll aber mit der größten Schonung verfahren werden. Soweit es möglich ist, sollen diese Landmesser bei der Eisenbahnverwaltung beschäftigt werden. Wegen der anderweitigen Acgelan der Tagegelder schweben Verhandlungen. Es besteht die Absicht, die Pauschalierung aufzuheben und 88. wie bei der land⸗

wirtschaftlichen Verwaltung beestste Tagegelder zu gewähren.

Abg. Peltasohn (fortschr. Volksp.) empfiehlt eine Gehaltsaufbesse⸗ rung für die Strommeister, die immer noch als Unterbeamte bezahlt

würden. Sie müßten den Rang der mittleren Beamten un

Mit Freuden konstatiere ich, daß gerade jetzt

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Abg. Lüdicke (freikons.) schließt sich diesem Wunsche an. Vielleicht könnten die Strommeister zu den Wasserbauwartstellen zugelassen werden. Das Diätariat der Strommeister sei viel zu lang.

Ministerialdirektor Peters: In letzterer Beziehung haben sich allerdings Mißstände herausgesteltt. Die Verwaltung ist ernstlich bemüht, einen Ausgleich von der Zentrale aus durch eine Versetzung von einem Bezirk nach anderen herbeizuführen. Vom 1. April d. J. an wird die Wartezeit nur noch fünf Jahre betragen. Die Heraus⸗ hebung der Strommeister in die Klasse der mittleren Beamten kann nur im Zusammenhange mit den Wünschen anderer Beamten in An griff genommen werden. Ich kann heute zu dieser Frage noch nicht

Stellung nehmen. 8

Abg. Tourneau (Zentr.) fragt an, wie es mit den Vorarbeiten zur Werrakanalisation steht. Die Sache schwebe bereits 25 Jahre, und auch bei der großen Kanalvorlage sei die Werra wieder unberücksichtigt geblieben.

Absg. Dr. Wendlandt (nl.) unterstützt diesen Wunsch und fragt, wieweit die im vorigen Jahre vom Regierungstisch in Aussicht gestellte Prüfung der Anlage von Talsperren gediehen sei. Zu den Vorarbeiten für die Schiffbarmachung der Werra müßten große Mittel vom Staate aufgewendet werden. Es fehlten noch 20 000 ℳ.

Ein Regierungskommissar erwidert, daß die Vorarbeiten für die Kanalisierung noch weiter geprüft würden, und daß es nicht aus geschlossen sei, daß die Prüfung zu dem von den Vorrednern ge⸗ wünschten Ergebnis führen werde.

Bei den Ausgaben zur Abwendung und Bekämpfung der Hochwasser⸗ und Eisgefahr weist

Abg. Graf von Carmer⸗Zieserwitz kons.) auf die Verkehrshinder⸗ nisse bei der Fähre in Maltsch hin und empfiehlt den Bau einer festen Brücke über die Oder. Ferner empfiehlt er dem Minister eine wohl⸗ wollende Berücksichtigung verschiedener Ortschaften an der Oder, die durch die Regulierung der Oder oberhalb Breslaus gefährdet werden könnten.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach

Meine Herren! Es ist anzuerkennen, daß ein Bedürfnis vorliegt bei Maltsch eine feste Brücke zu erbauen. Eine Verpflichtung des Staates liegt nicht vor, und es ist seit Jahren darüber verhandelt worden, Beiträge der Interessenten in einer Höhe sicherzustellen, daß der Brückenbau sich vollzieht. Nun ist ja die ganze Angelegenheit dadurch meines Ermessens wesentlich gefördert worden, daß auch das Bedürfnis besteht, eine Bahn zwischen Wohlau und Maltsch zu bauen, und in Verbindung mit dieser Bahn soll ja dann die Brücke für den allgemeinen Verkehr über die Oder gebracht werden. Die Staats⸗ regierung hat ihre Bereitwilligkeit, dem Bahnbau näher zu treten, dadurch bekundet, daß sie ausführliche Vorarbeiten angeordnet hat. Ich nehme an, daß in nicht langer Zeit die Verhältnisse so weit ge klärt sein werden, daß wir über die Frage, ob Brücke und Bahn ge⸗ baut wird, eine positive Auskunft geben können, und ich bin der Meinung, daß die Situation sich günstiger gestaltet hat, als es noch vor kurzem der Fall zu sein schien.

Was die Beschwerden der Ortschaften Lanisch und Steine am rechten Oderufer betrifft, so werden sie ja bei der Prüfung der Projekte ihre Erledigung finden. Ob sie irgendwie aktuell werden, kann heute noch gar nicht gesagt werden, da die Projekte völlig in der Schwebe sind. Es ist noch sehr zweifelhaft, ob wir den Kanal Margareth Pirscham bauen werden; denn wenn die Idee, den Groß⸗ schiffahrtsweg nördlich um Breslau herumzuführen, sich verwirklicht, wird eben der Kanal Margareth Pirscham nicht gebaut, und die Be⸗ schwerden von Lanisch und Steine werden gegenstandslos.

Die Beschwerden von Schwoitsch sind an die Adresse des Herrn Landwirtschaftsministers zu richten, nicht an die meine.

Abg. von dem Knesebeck⸗Colborn (freikons.) richtet die Auf⸗ merksamkeit der Regierung auf einige besonders gefährliche Deichstrecken der Elbe. In Hannover und in der Westprignitz beständen bezüglich der normalen Deichhöhe nicht die gleichen Bestimmungen, die links⸗ elbischen Deiche seien vielmehr 17 Zentimeter niedriger als die rechts elbischen, die Deiche auf der linken Seite liefen daher Gefahr, über⸗ zulaufen und zu brechen, wodurch die Anwohner der Bezirke aus den Kreifen Lüchow und Dannenberg besonders gefährdet seien. Die Zuschüttung der am meisten gefährdeten Stellen werde wohl noch lange Zeit brauchen. Die Verwaltung sollte sich dieser Strecke mehr als bisher annehmen und zwei dortige in die Elbe mündende Nebenflüsse in das Bereich ihrer Maßnahmen zur Deichsicherung ein beziehen.

Zu dem Dispositionsfonds des Ministers zu literarischen und anderen gemeinnützigen Zwecken liegt der von der Budget⸗ kommission zur Annahme empfohlene Antrag des Abg. Brütt vor:

„die Regierung zu ersuchen, Versuche anstellen zu lassen zur Prüfung der Feuerbeständigkeit weicher Bedachungsarten“. . .Abg. Heine (nl.) weist auf die Heimatschutzbestrebungen hin, die sich auch des Strohdaches angenommen hätten. Im Interesse der Erhaltung der landwirtschaftlichen Schönheiten und auch im Inter⸗ esse der vielen Vorteile des Strohdaches sei es deshalb notwendig, daß die Regierung Versuche darüber anstellen läßt, wie weit die erreicht ist, und über welchen Zeitraum sie sich erstreckt.

Abg. Dr. Wendlandt (nl.) empfiehlt, diese Frage von einem höheren wirtschaftlichen Standpunkt aus zu behandeln, denn das Strohdach sei viel teurer als die übrigen Bedachungsarten, in⸗ sonderheit das Pappdach. Eine Verfügung des Landrats des Kreises Tondern, der das Gerlingsdach sogar für Schulgebäude zugelassen habe sei für einen sträflichen Leichtsinn zu erklären. Diesen Erlaß hätte die Regierung rektifizieren müssen. G

Abg. Dr. Wagner (freikons.) bezeichnet es als durchaus erwünscht daß die beantragten Proben durch das Materialprüfungsamt vor⸗ genommen werden. Er habe zu dem Institut durchaus das Vertrauen, daß sowohl das alte Strohdach wie die neuen Bedachungsarten, auch das Pappdach, mit in den Vergleich gezogen würden. Abg. Dr. Schifferer (nl.) nimmt den Landrat des Kreises Tondern gegen die Angriffe des Abg. Wendlandt in Schutz.

Der Antrag Brütt wird angenommen.

Gegen 5 Uhr vertagt das Haus die Weiterberatung auf Montag 12 Uhr (außerdem Etat des Finanzministeriums) Am Dienstag wird mit der Beratung des Kultusetats begonnen werden, dabei werden aus der allgemeinen Besprechung beim Ministergehalt die Fragen des Elementar⸗ und des höheren .ʒehgʒ ausgeschieden und später gesondert erörtert werden

sprechenden Wohnungsgeldzuschuß erhalten.