1911 / 58 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 08 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Bank in Verbindung getreten und habe auch im Verkehrsausschuß von Berlin davon Mitteilung gemacht. Der Stadt Berlin kann man nur den Vorwurf machen, daß sie mit einem Bauplan in der Oeffentlichkeit nicht früher hervorgetreten ist, um so einen Druck auf die Oeffentlichkeit und das Ministerium zu üben. Tempelhof hat nicht gekauft, es war nur der Strohmann für die Spekulanten. Die Deutsche Bank hat nach dem Vertrag die ausschließliche Verwertung des Tempelhofer Feldes. Auch der Bau von Markthallen ist Tempelhof verwehrt. Es darf keine Wertzuwachssteuer er⸗ heben, keine Baubeschränkung festsetzen, wohl aber die Deutsche Bank. Der Vertrag sieht überhaupt so aus wie ein Berliner Mietsvertrag, worin es heißt: Der Mieter hat kein Recht, der Mieter hat kein Recht usw. Dagegen übernimmt Tempelhof eine Menge Pflichten. Die enge Verbindung des Fürsten Fürstenberg mit der Deutschen Bank und mit der Terrain⸗Bauaktiengesellschaft hat schließ⸗ lich über den Kopf Berlins hinweg die Sache zustande gebracht. Es ist hier geradezu ein Verbrechen am öffentlichen Wohl verübt worden. Wenn irgendwo die Notwendigkeit und Gelegenheit geboten war, eine Stadt zu bauen mit genügender Luft und Licht, so war sie hier gegeben. Der Kriegsminister hat sich auf den Standpunkt ge⸗ stellt: Geld in meinen Beutel. Berlin ist bereit, Millionen zu opfern, um den Ansprüchen, die die Großstadt stellt, gerecht zu werden. Da heißt es ein Verbrechen an der All⸗ gemeinheit begehen, wenn man dieses Terrain den Spekulanten ausliefert. Nun will die Resolution Wiemer noch retten, was zu retten ist. In der Regel taugen die Resolutionen nicht viel, für die alle Parteien stimmen. Die Resolution geht von der Voraussetzung aus, daß der Kaufpreis dem Reiche nicht verkürzt werden darf. Wer ihr zustimmt, erklärt sich gleichzeitig mit dem Verkauf einverstanden. Damit würden wir weniger sozial denken, als die Deutsche Bank und die Gemeinde Tempelhof, die wenigstens die Bedingung aufgestellt haben, daß bei geringerer Bebauung die Heeresverwaltung sich Abzüge gefallen lassen muß. Es wäre geradezu eine Aufforderung an den Kriegsminister, auch bei künftigen Ver⸗ käufen genau ebenso ohne Rücksicht auf die sanitären und kom⸗ munalen Anforderung zu verfahren. Hier ist das Reich ebenso inter⸗ essiert wie die Stadt Berlin.

Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:

Meine Herren! Einer von den Herren Vorrednern hat sich darüber gefreut, daß die Debatte so ruhig und in geschäftlichen Formen sich abspiele. Etwas lebhafter ist es ja inzwischen geworden. Ehe ich auf die Angelegenheit näher eingehe, möchte ich nur zwei Sachen richtig stellen.

Der Herr Vorrrdner hat erklärt, ich hätte mit einer gewissen Emphase in der Budgetkommission betont, daß das Kriegsministerium mit Herrn Haberland niemals verhandelt hätte. Einer solchen be⸗ sonderen Betonung bin ich mir nicht bewußt. Ich habe nur ein⸗ fach eine Tatsache angegeben, die, daß das Kriegsministerium mit dem Herrn nicht verhandelt hat. Ich kenne ihn nicht, habe also für meine Person mir absolut gar keine Ansicht über ihn gebildet; ich habe mich also auch mit der Ansicht des Herrn Vorredners in der Budgetkommission in keiner Weise im Einverständnis befinden können.

Umgekehrt hat er darauf hingewiesen, daß von verschiedenen hoch⸗ gestellten Persönlichkeiten wenn ich nicht irre, nannte er unter anderen den Fürsten Fürstenberg Einfluß auf die Verhandlungen des Kriegsministeriums geübt worden sei. Ich erkläre hiermit ganz ausdrücklich, daß solche Einflüsse dem Kriegsministerium absolut fern geblieben sind, daß das Kriegsministerium nach keiner Richtung von der Linie abgewichen ist, sachlich die Interessen des Reichs ohne An⸗ sehen des Käufers, der vor ihm stand, zu wahren.

Der Herr Vorredner ist dann auf die staatsrechtliche Seite der Frage eingegangen. Ich glaube, über diese Frage ist wohl genug ge⸗ schrieben, gedruckt und geredet worden. (Sehr richtig! rechts.) Ich möchte ihm auf dieses Gebiet also zunächst nicht folgen, sondern nur auf das eingehen, was er hier aus der Budgetkommission betreffs der Erklärung“ wiederholt hat, welche der damalige stellvertretende Bevollmächtigte zum Bundesrat, der damalige Oberst von Zastrow, in der Budgetkommission im Februar 1910 abgegeben hat. Ich habe schon in der Budgetkommission darauf hingewiesen, daß in der ge⸗ drängten Form, in der die vamalige Aeußerung in dem Protokoll der Kommission wiedergegeben wird, allerdings ein solches Mißverständnis hätte gefunden werden können, daß aber der Oberst von Zastrow durchaus nicht im Sinne gehabt hat, eine derartig weitgehende Zusage im Namen der verbündeten Regierungen in der Budgetkommission zu machen, daß weder ich noch einer von den Vertretern der Reichsfinanzverwaltung der Auffassung gewesen sind, noch das auch eins von den Mitgliedern der Budgetkommission damals der Auf⸗ fassung gewesen ist, daß diese Bedeutung den Worten des Obersten von Zastrow innewohnte. Was das Kriegsministerium versprochen hat, das hat der Referent der Budgetkommission drei Tage später hier m Plenum klipp und klar entwickelt, und das lautet: „daß tunlichst bald ein Nachtragsetat über den Verkauf des Tempelhofer Feldes dem Reichstag zugehen werde, und daß nicht die gesamte Verkaufssumme aus diesem Riesenareal ohne weiteres und ohne Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren zum Ankauf von Truppenübungsplätzen, Schießplätzen usw. Verwendung finden werde.“ Damit ist genau präzisiert, was wir versprochen haben.

Niemand hat dieser Erklärung des damaligen Referenten hier im Plenum widersprochen. Wenn also wirklich irgend ein Zweifel dar⸗ über gewesen wäre, wie sich das Kriegsministerium zu dieser Frage gestellt hätte, dann hätte, nachdem das Plenum des Reichs⸗ tages den angeführten Ausführungen des Referenten beigestimmt hatte, jeder Zweifel schwinden müssen. Gemeint war und da hat der Herr Abgeordnete ganz richtig meine Aeußerung in der Budgetkommission hier wiederholt die grundsätzliche Zustimmung des Reichstags zum ganzen Unternehmen. Das öffentliche Interesse bewegt sich allerdings in zwei Richtungen in dieser Angelegenheit; insbesondere die sozialpolitischen und hygienischen Rücksichten darf dabei in der Beziehung stimme ich dem Herrn Abgeordneten durchaus zu gerade die Heeresverwaltung nicht beiseite stellen; wir haben aber auf der anderen Seite auch ein anderes öffentliches Interesse zu wahren, und das ist das, für welches überhaupt das Tempelhofer Feld verkauft wurde, nämlich um Uebungsplätze für das Heer zu schaffen. Und weshalb brauchen wir solche Uebungsplätze? Um die Bevölkerung draußen zu entlasten. Die vielseitigen Klagen, die über Flurschäden⸗ Absperrungen, Inanspruchnahme von Quartier usw. alljährlich an uns und auch an die Herren Abgeordneten herantreten, geben den deutlichen Beweis, daß eine solche Entlastung für die Bevölkerung eine dringende Notwendigkeit ist. Da aber das Reich die Aus⸗ gaben nicht berahlen kann, die erwachsen, um für jedes Armee⸗ korps einen Uebungsplatz bereit zu stellen, kann nur auf diesem Wege das Ziel erreicht werden. Es ist also eigentlich ein eminent öffentliches Interesse, was bei dem Verkauf des

1Teil Berlins völlig seine Lunge usw. 9

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Tempelhofer Feldes erfüllt werden sollte. Interessen der Allgemeinheit, und auf der anderen Seite um die Interessen, die speziell lokaler Natur sind. Da fragt es sich nun, ob der Gesichtspunkt, der bisher bei derartigen Verkäufen befolgt worden ist, hier außer acht gelassen werden sollte, ob die Allgemeinheit, die Steuerzahler mit anderen Worten, für die Befriedigung dieser gewiß sehr wünschenswerten hygienischen Rücksichten eintreten sollten, oder ob nicht diejenigen Gemeinden, Persönlichkeiten usw., die ein spezielles, lokales, Interesse, einen speziellen Vorteil von der Sache haben, diejenigen sein sollten, die auch diesen Rücksichten entsprechend finanziell beizusteuern hätten. Bei allen anderen Verkäufen, bei all den zahlreichen Festungsverkäufen ist bisher die Auffassung gewesen, daß in allererster Linie diejenigen Gemeinden oder Gemeinschaften, welche Vorteil haben, finanziell beizutragen hätten; wenn einer der Herren Vorredner von den Städten gesprochen hat, die früher Festungen waren und statt der Umwallung jetzt schöne Promenaden usw. haben, so frage ich, wer hat die schönen Promenaden schließlich bezahlt? Die Stadt, indem sie den Kaufpreis, den der Staat gefordert hat, ohne Rücksicht auf solche Anlagen erlegt hat. Auf die Art der Bebauung, ob nach Janssen oder Gerlach, will ich nicht eingehen, welcher Plan schöner und welcher weniger schön ist, darüber sind die Ansichten wahrhaftig sehr verschieden; für uns lag die Sache lediglich so: eine Bauordnung von 1898 war die Unter⸗ lage, auf der wir überhaupt auf nähere Verhandlungen bezüglich des Verkaufs eingehen konnten. Es mußte also vor allen Dingen ein Bebauungsplan aufgestellt werden, der dieser Bauordnung entsprach, einzig zu dem Zwecke, als Unterlage zu dienen für die Wertschätzung und den Verkauf des Geländes; das ist geschehen. Der Resolution des Reichstags entsprechend, haben wir, über das bisher Uebliche um etwa 12 % hinausgehend, in den Vertrag mit Tempelhof 42 43 % Freiland vorgesehen, und damit glaubten wir, soweit es nötig war⸗ von Reichs wegen diesen Interessen überhaupt Rechnung zu tragen, allem Rechnung getragen zu haben. Das Recht, eine Gartenstadt in Tempelhof zu gründen, Reichsgelder für solche, speziell in Groß⸗Berlin, wie ich noch einmal betone, gewiß berücksichtigenswerten Interessen zu opfern, hatten wir nicht, und wir haben auch vom Reichstage kein Recht dazu bekommen. Aber haben denn die betreffenden Persönlichkeiten oder Gemein⸗ schaften, die mit uns verhandelten, damals in der Zeit vor dem August vorigen Jahres, nicht jetzt, die Absicht gehabt, eine derartige Stadt zu gründen? Nach meinem Dafürhalten unter keinen Umständen, wenigstens lassen die Aeußerungen, die aus der Mitte von Berlin gekommen sind, durchaus nicht darauf schließen. Damals hatte man Gelände eingemeinden und bebauen wollen, um die Steuerkraft der dort anzusiedelnden Bewohner im Interesse von Berlin auszunutzen, was ich Berlin an sich gar nicht verdenken kann. Man darf sich aber nicht, nachdem die grenzenlose Agitation eingesetzt hat, auf den Stand⸗ punkt stellen, damals wäre von allen Seiten, auch von Berlin, eine gartenstadtähnliche Bebauung angestrebt worden. Das ist nicht der Fall. Wenn jetzt Tempelhof einen anderen Bebauungsplan wünscht, so ist das nach dem Dargelegten auch dem Kriegsministerium durchaus sympathisch; es darf nur nicht verlangt werden, daß der Reichskanzler oder mit anderen Worten: die Heeresverwaltung die Initiative ergreift und Tempelhof dazu bringt, eine andere Bebauung eintreten zu lassen. Tempelhof ist vom 1. April ab rechtliche Besitzerin der westlichen Hälfte des Tempelhofer Feldes. Wenn die Besitzerin dieses Feldes mit irgend einem anderen eine neue Vereinbarung treffen will, so ist es in erster Linie Sache Tempelhofs. Das Kriegsministerium wird worüber nach meinen Worten wohl niemand im Zweifel sein kann einer solchen Ver⸗ einbarung durchaus wohlwollend gegenüberstehen; aber wir können nicht die Initiative dazu ergreifen; wir können nicht dazu animieren, daß Tempelhof einen Vertrag, den es mit uns rechtskräftig abgeschlossen hat, ändert. Das würde eigentlich einen Vertrauensbruch gegen Tempelhof bedeuten. Den Vertrag,

den Tempelhof mit der Deutschen Bank ab⸗ geschlossen hat, kenne ich nicht; er ist auch niemals zum Gegenstand irgend einer Verhandlung im Kriegsministerium gemacht worden. Ich kann also auf die Bemängelungen, die der Herr Vorredner ihm hat

zuteil werden lassen, absolut nicht eingehen. Ich möchte nur sagen: kann denn überhaupt eine Gemeinde ein so großes Geschäft machen, ohne daß sie mit irgend einem Bankunternehmen einen Abschluß macht? Solchen Abschluß hat Berlin ja auch machen wollen. Es ist doch Voraussetzung, daß eine gewisse Finanzierung des Geschäfts stattfindet, und das kann nur geschehen in Verbindung mit einer Großbank. Man darf also eine solche in den Tatsachen be⸗ gründete Notwendigkeit nicht mit Worten abtun, wie denen: man habe Terrainspekulanten die Sache übergeben usw.

Ich möchte auch den Gedanken einer Bebauung der östlichen Hälfte des Tempelhofer Feldes streifen. Ich habe schon in der Budgetkommission ausgeführt, daß die Frage für die Millitär⸗ verwaltung noch nicht spruchreif ist, daß wir in Erwägungen begriffen sind, daß ich aber gewisse Bedenken dagegen habe. Ich will nicht wiederholen, was ich im einzelnen in der Budgetkommission ausein⸗ andergesetzt habe, da die Frage wesentlich auf militärischem Gebiete liegt. Nur eines möchte ich sagen: wenn es sich darum handelt, einen 50 m breiten Streifen von der östlichen Hälfte abzutrennen, so, glaube ich, gibt es kein schönes Bild für die Zukunft, wenn ich mir denke, daß ich vom Halleschen Tor nach dem Steuerhäuschen herauf⸗ komme und sehe zu meiner Rechten einen schön bebauten Stadtteil, auf der anderen Seite aber nur einen 50 m breiten Hänserstreifen, und davor steht dieses monumentale Tor, wie die Pläne es gezeigt haben. Das kann ich mir, wie gesagt ich will mir keine architektonische Sachkunde anmaßen —, nicht als ein sehr schönes Bild denken. Ich glaube deshalb, daß man zugunsten einer Her⸗ artigen Abtrennung keinen Druck ausüben soll; denn, wenn es der Reichstag auch verbrieft und versiegelt gibt, daß kein Zentimeter mehr von der östlichen Hälfte des Feldes genommen werden dürfe, so würde doch eine höhere Macht, die öffentliche Meinung, uns zwingen, immer weiter zu gehen. Das kann die Garnison Berlin aber nicht vertragen; wir können aus militärischen Gründen die östliche Hälfte des Tempel⸗ hofer Feldes nicht weggeben.

Dazu kommt ein anderer, sozialpolitischer Gesichtspunkt: wir können schließlich auch nicht den freien Platz am Südende Berlins ganz wegnehmen. Es ist ja in der Agitation, die eingesetzt hat, mit grenzenloser Uebertreibung wiederholt behauptet worden, der Verkauf der westlichen Hälfte des Tempelhofer Feldes nehme dem südlichen

Es handelt sich um

Nun, es bleiben noch 420 Hektar

übrig; ich glaube, das ist Luftraum genug, um diese Auffassung als eine grenzenlose Uebertreibung zu kennzeichnen.

Der Herr Vorredner hat, indem er auf verschiedene aus der Denkschrift von Berlin herausgegriffene Einzelheiten einging, gesagt, daß seitens des Kriegsministeriums wiederholt an Berlin das Versprechen gegeben sei, daß irgendwelche Abmachungen mit anderen Käufern nicht getroffen werden sollten, bevor nicht Berlin zu der Ankaufsfrage Stellung genommen habe. Das ist falsch; das habe ich auch in der Budgetkommission als direkt falsch hingestellt. Das Kriegsministerium hat lediglich gesagt: dem Magistrat soll Mit⸗ teilung gemacht werden, sobald der Abschluß der Verkaufsverhand⸗ lungen über das Tempelhofer Feld mit einem anderen Käufer bevor⸗ steht. Diese ausdrückliche Zusage ist im Schreiben des Kriegs⸗ ministeriums vom 1ü1. April 1910 als solche bezeichnet worden. Berlin hat das Schreiben bekommen und hat in keiner Weise dagegen Wider⸗ spruch erhoben.

Der Herr Vorredner hat dann weiter gesagt, das Kriegsministerium hätte ein Schreiben des Magistrats vom 22. Juni 1909 erst nach zehn Monaten beantwortet. Meine Herren, das stimmt auch nicht. Durch das Schreiben vom 11. April 1910 an den Magistrat Berlin ist lediglich die eben von mir zitierte Zusage eingelöst worden. Es ist gar keine Antwort auf das Schreiben vom 22. Juni 1909. Auf das Schreiben vom 22. Juni ist mit dem Vertreter des Magistrats mündlich verhandelt worden; eine schriftliche Antwort erübrigte sich daher. In dem Schreiben vom 11. April 1910 an den Magistrat ist ausdrücklich Bezug genommen auf die inzwischen stattgehabten münd⸗ lichen Verhandlungen. Ich glaube, wenn wirklich der Fall ein⸗ getreten wäre, daß das Kriegsministerium zehn Monate lang geschwiegen hätte, dann würde die Stadt Berlin in den vielen Preßartikeln, die anscheinend in Kreisen, die dem Magistrat nahestehen, entstanden sind, in der Zwischen⸗ zeit bereits mit ihren Anschuldigungen hervorgetreten sein. Aber erst jetzt, in letzter Minute, kommt sie damit. Ich muß das ablehnen.

Es ist dann weiter gesagt worden, Berlin wäre auf ein Schreiben vom 26. April 1910 niemals eine Antwort schriftlich oder mündlich gegeben worden. Meine Herren, das ist direkt falsch. Bereits am Tage darauf, am 27. April, ist mit der Bürgermeisterei telephonisch verhandelt und dabei darauf hingewiesen, daß Berlin reichlich Zeit gehabt hätte, sich über ein Angebot schlüssig zu machen; jetzt könne die Ent⸗ scheidung nicht länger hinausgeschoben werden. Der Magistrat selbst hat diese Verhandlungen ausdrücklich in seinem Schreiben vom 2. Mai, wenige Tage darauf, bestätigt, indem er auf die „inzwischen gepflogenen Verhandlungen“ Bezug nimmt. Also da darf man nicht hinterher mit solcher Anschuldigung kommen.

Ich bin gefragt worden, welche wichtigen Interessen dazu geführt hätten, Ende August abzuschließen. Ich muß noch einmal wieder⸗ holen es ist eigentlich, nachdem vier Denkschriften über die Sache eingereicht sind, nachdem zwei Tage in der Budgetkommission ver⸗ handelt ist und heute auch viele inhaltsreiche Reden hier gehalten worden sind, an sich nicht mehr viel Neues darüber zu sagen —; ich muß aber die Situation kennzeichnen, wie sie tatsächlich gewesen ist, denn das ist durchschlagend. Mitte Juli stand die Sache so: Tempel⸗ hof hatte 74 Millionen Mark geboten und hatte, trotzdem es sich zuerst sträubte, Ende Juni beziehungsweise Anfang Juli sein Ein⸗ verständnis mit einer hypothekarischen Sicherstellung des ganzen Kaufpreises auf das Kaufobjekt unter voller Bürgschaft des Kreises Teltow erklärt; es verlangte aber einen Vertragsabschluß bis zum 15. Juli. Am 7. Juli 1910 teilte auf einmal die Boden⸗ Aktiengesellschaft Berlin⸗Nord mit, daß sie nicht in der Lage sei, ihr Gebot, das bis zum 15. Juli 1910 galt, über diesen Zeitpunkt hinaus aufrecht zu erhalten. Berlin hatte bis dahin vorbehaltlich der Zu⸗ stimmung der Stadtverordneten also auch nur vorbehaltlich 72 Millionen Mark geboten, also 2 Millionen Mark weniger als Tempelhof, versuchte aber nun, die Verhandlungen immer noch in die Länge zu ziehen, und zwar schrieb es dem Kriegsministerium unterm 11. Juli, es halte eine Neuaufnahme des Verkaufsgeländes für er⸗ forderlich trotzdem es zuvor in einem Schreiben vom 21. Mai 1910 erklärt hatte, man hätte wiederholte sorgfältige Ermittlungen des auf dem Verkaufsgelände verfügbaren Baulandes eintreten lassen —; ehe der Magistrat das Ergebnis der Vermessung nicht in Händen hätte, könnte die Stadt kein weiteres Gebot abgeben; sobald das der Fall wäre, würde der Magistrat mi tunlichster Beschleunigung die Verhandlungen vor sich gehen lassen und sehen, bis zu welchem Termin er seine end⸗ gültige Entschließung dem Kiegsministerium mitteilen könnte.

Die Lage, in der ich mich gerade Mitte Juli befand, als ich vor der Entscheidung stand: soll ich nun mit Tempelhof abschließen oder auf Berlin warten? war sehr schwierig. Die ganze Schwere der Entscheidung habe ich damals ehrlich gestanden gar nicht erkannt; denn erst aus der Denkschrift von Berlin auf Seite 16 ist mir klar geworden, weshalb damals die Boden⸗Aktiengesellschaft Berlin⸗Nord ihr Gebot zurückzog. Es trifft nicht zu, wenn Herr von Richthofen vorher sagte: wir wissen es nicht. Jetzt wissen wir es, denn da steht ausdrücklich, daß es Berlin „gelungen“ war, „die Bank für Handel und Industrie (Darmstädter Bank) und eine größere Terraingesellschaft, die bisher selbst auf das Tempelhofer Feld geboten hatte, für Berlin zu gewinnen.“ (Hört, hört! rechts und in der Mitte.) Also mit anderen Worten: Berlin hatte uns einen Käufer abspenstig gemacht; das wußten wir damals nicht. Trotz des Ausfalls des einen Reflektanten und der Gefahr, daß auch Tempelhof zurücktreten konnte, habe ich noch auf Berlin gewartet und nicht mit Tempelhof abgeschlossen, sondern versucht, es noch hinzuhalten.

Es wurde dann an Berlin am 25. Juli nochmals geschrieben, das Kriegsministerium. wäre mit der Vermessung einverstanden, aber die volle Verantwortung für jede etwa aus diesem Anlaß eintretende weitere Verzögerung fiele auf Berlin. Erst als zwei Wochen lang keine Antwort auf dieses Schreiben an das Kriegsministerium kam, wurde der Brief vom 8. August, den ich in der Budgetkommission wohl mit Recht als Branbdbrief bezeichnete, geschrieben, worin Berlin seine Verschleppungen vorgehalten wurden und am Schluß gesagt war, Berlin müsse jetzt damit rechnen, daß die Entscheidung ohne weiteres Zutun von Berlin erfolge.

Der Herr Vorredner hat gesagt, das Schreiben Berlins vom 27. August hätte ein besonders gutes Angebot für das Kriegs⸗ ministerium enthalteu. Nein, meine Herren: 1 Million betrug das Angebot immer noch weniger; aber das war auch nicht einmal ein festes Angebot, sondern es wurde nur in Aussicht gestellt

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Dann folgt das letzte Schreiben de an Berlin erging, ziemlich gleichzeitig, als der vorbereitende Vertrag mit dem Gemeindevorstand von Tempelhof geschlossen wurde. Der Magistrat von Berlin hatte unterm 27. August an das Kriegs⸗ ministerium geschrieben, man bäte mich, ihm noch eine Frist von einigen Wochen zu lassen und keine Entschließung zu treffen, ehe Berlin mir die Sache nochmals mündlich dargestellt hätte. Was sollte ich tun? Die Verhandlungen mit Tempelhof waren so gut wie abgeschlossen, aber sie waren geheim zu halten. Ich hatte sowohl Tempelhof wie Berlin, wie überhaupt allen gegenüber, mit denen verhandelt worden ist, versprochen, die Verhandiungen geheim zu halten. Was sollte ich Berlin darauf antworten? Am sym⸗ pathischsten wäre es mir gewesen, wenn ich hätte schreiben können: die Sache ist erledigt, ihr geht uns nichts mehr an; wir haben das Interesse von Berlin voll und ganz gewahrt, haben aber nun mit Tempelhof abgeschlossen. Das durfte ich nicht. Also ich lehnte die Gewährung einer Frist von einigen Wochen ab. Das Verschieben der Entscheidung bis zu dem erbetenen Vortrag habe ich ganz be⸗ stimmt abgelehnt und damit meines Erachtens eine völlig ehrliche und klare Situation mit Berlin geschaffen. Die Unterredung den Vortrag, wie Berlin es nannte mit einem Mitgliede meines Ministeriums wollte ich nicht ablehnen, erstens um nicht die Ver⸗ handlungen mit Berlin brüsk abzubrechen; denn wie die Sache mit Tempelhof weiterlief, konnte damals im Kriegsministerium nicht übersehen werden. Hinterher natürlich ist es ja leicht, zu sagen, daß die Sache ganz klar und fest war. Wir wußten nicht, wie der Gemeindevorstand Tempelhof sein Geschäft finanziert hatte. Wir wußten nicht, ob die Gemeindevertretung und der Kreis Teltow beistimmen würden, und wir mußten uns darauf einrichten, daß wir nach drei bis vier Wochen wieder da waren, wo wir vor dem Abschluß des vorbereitenden Vertrages mit dem Gemeindevorstand Tempelhof standen. Dann war Berlin diejenige Stelle, an die wir uns halten mußten. Wer objektiv dieses mein Schreiben vom 30. August beurteilt, wird mir recht geben, daß dies ein durchaus legales und loyalen Verhalten gegen Berlin war.

Meiner Ansicht nach geht aus den Denkschriften mit unbedingter Klarheit hervor, daß das Kriegsministerium, wie überhaupt immer die Heeresverwaltung, ganz zweifellos nicht unter irgendwelchen parteipolitischen Gesichtspunkten gehandelt hat. Das sind Gesichtspunkte, die dem Kriegsministerium absolut fern liegen. Das Kriegsministerium hat lediglich sachlich gehandelt, hat die Interessen des Reichs gewahrt und ist in keiner Weise gegen Berlin feindlich gewesen. Wenn das der Fall gewesen wäre, wenn wir gegen Berlin irgend eine Animosität gehabt hätten, dann hätten wir nicht bis Ende August 1910 mit dem Ab⸗ schluß des Vertrages mit dem Gemeindevorstand Tempelhof zu warten brauchen; dann hätte ich schon Ende April Berlin abschreiben können,⸗ als damals das Gebot von 74 Millionen vorlag und Tempelhof darum bat, den Vertrag abzuschließen. Ich hätte auch im Juni schon mit Tempelhof abschließen können. Der Umstand, daß ich immer wieder gewartet und hinausgeschoben, Tempelhof zum Teil künstlich hin⸗ gehalten, auf der anderen Seite aber Berlin bis an die Grenze des Höflichen gedrängt habe, zeigt deutlich, daß wir eine Engelsgeduld mit Berlin gehabt haben (sehr richtig! rechts), daß wir sehr gern mit Berlin abgeschlossen hätten, wenn uns nur Berlin überhaupt die Möglichkeit gegeben hätte. (Bravo! rechts und in der Mitte.)

Abg. Dr. Weber (nl.): Durchaus geklärt ist die etatsrecht⸗ liche Frage trotz der Ausführungen des Abg. Fischer nicht. Das Gutachten der bekannten und berühmten Autorität Laband führt zu höchst eigentümlichen Konsequenzen, denen wir nur entgegentreten können, wenn endlich ein Gesetz über die Ausgaben und Einnahmen des Reiches zustande gebracht wird. Den Vertrag mit Tempelhof halten wir formell juristisch für unanfechtbar; daran halten wir fest, auch wenn wir für die Resolution Wiemer stimmen. Polemik gegen die Stadt Berlin liegt mir fern; der Kollege Fischer sollte aber doch beachten, daß Berlin vom Aufmarschgelände, das es für 6 ½ Millionen gekauft hat, nur einen Teil im Werte von Mill. Mark zum Viktoriapark schlägt, alles übrige aber bebauen wird. Vom Tempelhofer Feld wird doch jetzt nur ein kleines Viertel verkauft. Licht und Luft wird also den Bewohnern nicht geraubt. Ob Berlin in allen Stadien richtig gehandelt hat, müssen wir dem Urteil der beteiligten Instanzen überlassen. Wenn es dem Kriegsministerium möglich wäre, eine Erweiterung der freien Straßen und Plätze zu erreichen dadurch, daß es den Wünschen bezüglich der Abtretung eines Streifens vom östlichen Teile des Feldes entgegenkäme, so würde man das immerhin nur begrüßen können, Verhandlungen mit diesem Ziele würden wir aufs lebhafteste wünschen müssen. Ueber das Aequivalent würden sich die Interessenten mit Berlin zu einigen haben. Die Wohnungsverhältnisse Berlins sind insbesondere in den Hinterhäusern und auf den Höfen keine günstigen; hier ist es das Recht des Reichstags, auf eine Besserung hinzuwirken, und Pflicht auch der Reichsregierung, dabei mitzuhelfen. Von vornherein vorauszusetzen, daß es sich hier um ein unglaublich gutes Geschäft handelt, ist doch von dem Abg. Fischer sehr voreilig geurteilt; es kann sich die Konjunktur so gestalten, daß Tempelhof wünschen möchte, es hätte den Vertrag nicht geschlossen, und dasselbe gilt eventuell für Berlin. Dem Vertrage Berlins mit der Darmstädter Bank lag auch das Gerlachsche Projekt mit 41,8 % freier Fläche zugrunde. Wir wiederholen also den Wunsch, daß der Kriegsminister trotz seiner ablehnenden Erklärung sich die Anknüpfung neuer Verhandlungen angelegen sein lasse; denn Voraussetzung für jede Verhandlung zwischen Berlin und Tempelhof ist nach dem geschlossenen Vertrage die Zustimmung des Kriegsministers.

Sttaatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth:

1 Meine Herren! Der Herr Vorredner meinte, der Herr Kriegs⸗ minister habe die etatsrechtliche Frage nur obenhin gestreift. Das ist geschehen, teils weil der Herr Kriegsminister der Meinung war und sich dabei der Zustimmung dieses hohen Hauses zu erfreuen schien, daß diese Frage schon recht reichlich erörtert worden ist, teils auch weil er, soweit noch Erörterungen zu machen waren, diese Erörterungen mir überlassen wollte, da es sich ja um eine allgemeine etatsrechtliche Angelegenheit handelt.

Auch ich bin nun der Meinung, daß die Frage in der Kommission nach allen Seiten gründlich behandelt worden ist und nicht mehr viel zu sagen übrig bleibt. Immerhin ist es, namentlich mit Rücksicht auf die entgegenstehenden Rechtsgutachten und um zu vermeiden, daß diese Gutachten Nachteile in der Handhabung der Behörden zur Folge haben, vielleicht ganz gut, wenn ich auch hier im Plenum feststelle, daß die große Mehrheit des Reichstags mit den verbündeten Re⸗ gierungen dahin einig ist, daß bei Veräußerung von Grundeigentum den Vorschriften der §§ 10 bis 12 des Reichseigentumgesetzes vom 25. Mai 1873 nachzukommen ist, daß aber die Rechtsgültigkeit des betreffenden Verkaufsvertrages von der Zustimmung des Bundesrats und des Reichstags nicht abhängig ist.

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6 8 16“ 88 EEE1“ 1 8 Die Gründe dafür sind von mir schon dargelegt worden. Bei Beratung des Reichseigentumgesetzes ist ein Antrag, der die Zu⸗ stimmung des Bundesrats und des Reichstags als Voraussetzung der Rechtsgültigkeit festgelegt haben wollte, abgelehnt worden aus dem Grunde, weil man eine derartige Einschränkung für praktisch un⸗ durchführbar hielt. Ich habe den Herrn Abg. Dove so verstanden, als ob er gemeint hätte, ich meinerseits hielte die Durch führung für praktisch unmöglich. Nein, ich habe erklärt, daß diejenigen, die an der Beratung des Gesetzes von 1873 beteiligt gewesen sind, sich mit Bestimmtheit in ihrer großen Mehrheit dahin ausgesprochen hätten, es sei unmöglich, in einem so großen Gemeinwesen wie demjenigen des Deutschen Reichs, wo sich auf ein Jahr im voraus gar nicht über⸗ sehen lasse, was für Besitzveränderungen vorzunehmen sind, eine der⸗ artige Zustimmung als Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit zu fordern. In kleinen Ländern und bei industriellen Etablissements möge dies tunlich sein, hier nicht. Werde die Rechtsgültigkeit von der Zu⸗ stimmung des Bundesrats und des Reichstags abhängig gemacht, während doch selbst bei Gesellschaften und Kommunen der Vorstand nach außenhin rechtsgültig verpflichten könne, so sei die Beweglichkeit der Verwaltung in unverhältnismäßigem Grade gehemmt und eine große Schädigung der Reichsfinanzen unvermeidlich. Diese Erwägung war dafür maßgebend, daß man im Jahre 1873 einen Antrag, der der Verwaltung eine solche Beschränkung auferlegen wollte, mit großer Mehrheit ablehnte.

Ganz richtig ist schon erwähnt worden, daß im Laufe der Geltungs⸗ dauer des Gesetzes⸗von 1873 wiederholt, und zwar mit Zustimmung des Reichstags und seiner Kommissionen, die Rechtsauffassungen, welche 1873 zum Ausdruck gelangt waren und welche ich hier zu vertreten die Ehre habe, als die richtigen bezeichnet worden sind.

Auch ist unbestritten geblieben, daß der Reichstag niemals Ver⸗ anlassung genommen hat, gegen das Verzeichnis aller im Grundbesitz des Reichs eingetretenen Aenderungen, das wir alljährlich nach § 12. des Reichseigentumgesetzes dem Reichstage vorlegen, eine Einwendung zu erheben.

Nun verstand ich es so, als ob der Herr Abg. Dove meinte, eine derartig wichtige Betätigung wie die um das Tempelhofer Feld sei eben bisher noch nie vorgekommen. Da muß ich doch widersprechen. Ein Objekt von 72 Millionen Mark auf einmal ist wohl noch nicht verkauft worden. Aber, meine Herren, wenn Sie die ganzen Finanz⸗ aktionen berücksichtigen, die sich an das Gesetz über die Umgestaltung und Ausrüstung von deutschen Festungen vom 30. Mai 1873 knüpfen, den Verkauf ganzer Umwallungen, die umfassende Erweiterung fast sämtlicher deutschen Festungen seit dem Jahre 1870, so bekommen Sie insgesamt Flächen und Summen heraus, die wesentlich dasjenige übersteigen, was hier in Frage kommt. Auch für die einzelnen Festungen sind die Summen doch als recht beträchtlich zu bezeichnen. Würde man den Grundsatz, den Sie vertreten, bei 72 Millionen adoptieren, so würde es doch wohl auch nötig gewesen sein, bei dem Verkauf von Geländen um Cöln mit 31,5 Millionen Mark, um Mainz mit 15 Millionen Mark und um Königsberg mit 38 Millionen Mark den Grundsatz zur Anwendung zu bringen. Metz und Posen und eine ganze Anzahl von ähnlichen Umgestaltungen aus früheren Jahren brauche ich hier gar nicht zu erwähnen.

Weder der Reichstag, meine Herren, hat bei dieser Gelegenheit irgend eine Einwendung zu erheben für nützlich oder auch nur für zu⸗ lässig erachtet, noch hat jemals, soviel bekannt, ein Grundbuchrichter oder ein Prozeßrichter sich dieserhalb gerührt. Es ist kein Fall be⸗ kannt geworden, wo eine Eintragung abgelehnt worden wäre wegen Mangels der Genehmigung von Bundesrat und Reichstag. Hierauf kommt es allerdings für die Zukunft in hohem Maße an. Ich kann mich nur der lebhaften Hoffnung hin⸗ geben, daß nicht etwa die jetzt gepflogenen Verhandlungen und die Rechtsgutachten, die durch sie veranlaßt worden sind, zu irgend einer Aenderung der bestehenden Praxis führen werden. Träte das ein, so würde unbedingt alsbald Abhilfe geschaffen werden müssen. Ob und in welcher Weise eine Regelung der ganzen Frage einzufügen wäre in das von Ihnen gewünschte Gesetz über die Einnahmen und Ausgaben des Reiches und über den Rechnungshof, darf ich für jetzt dahingestellt sein lassen. Zunächst aber möchte ich die feste Ueber⸗ zeugung hegen, daß die Gerichte an der bisherigen konstanten und wohlbegründeten Praxis festhalten werden.

Daß die verbündeten Regierungen ihren etatsrechtlichen Ver⸗ pflichtungen nachgekommen sind, meine Herren, das ja doch wohl von keiner Seite bestritten worden. Ich verweise einfach auf den Nach⸗ tragsetat von 1909, auf die Erklärungen, welche im Februar 1910 von seiten der Reichsverwaltung abgegeben worden sind, und auf den jetzigen Etat, der die Angelegenheit zur definitiven Regelung bringt. Was diejenigen Einnahmen anlangt, welche bereits in früheren Jahren gemacht waren, so werden wir sie entsprechend den Vorschriften des Reichseigentumgesetzes in der Uebersicht der Einnahmen des be⸗ treffenden Jahres bringen. Damit ist, soweit Verpflichtungen der verbündeten Regierungen vorliegen, meines Erachtens in vollem Maß dem Gesetze Genüge geschehen.

Abg. Dr. Arendt o). Diese etatsrechtlichen Anschauungen sind von der großen Mehrheit der Budgetkommission unterstützt worden; ich stimme denselben in vollem Maße zu. Wenn das vorliegende Objekt sich auch in der Größe besonders auszeichnet, so doch nicht in der Art, denn solche Verkäufe sind häufig gemacht und ihre Rechtsgültigkeit niemals angezweifelt worden. Das Geschäft mit dem Tempelhofer Feld verdient nur noch eine retrospektive Betrachtung. b durch ein Komptabilitätsgesetz die hier ent⸗ standenen Schwierigkeiten werden beseitigt werden können, wird abzuwarten sein. Wenn der Abg. Weber eine Verständigung unter allen Beteiligten jetzt noch wünscht, so hat diese nicht auf Kosten des Reichs zu erfolgen. Das will auch der Abg. Weber nicht, trotzdem meint er, es würde möglich sein, von 41,8 auf 46 % unbebauten Landes zu steigen, indem er dem Reiche zumutet, noch etwas Land mehr herzugeben. Das würde doch auch eine Verringerung des Betrages, den das Reich erhalten soll, bedeuten. Die Wohnungsfrage ist gewiß eine der brennendsten sozialen Fragen, für die Reich, Staat und Gemeinden ihr Interesse betaͤtigen müssen; hier aber handelt es sich nur darum, ob das Reich für eine einzelne Gemeinde besondere Opfer im sanitären Interesse bringen soll. Was für Berlin recht ist, ist für alle deutschen Gemeinden billig. Müßten nicht sonst auch die fiskalischen Waldungen für die Gemeinden hergegeben werden? Bei den Reden der Abgg. Wiemer und Fischer sind doch der Berliner Stadtrat und der Berliner Stadtverordnete zu sehr hervorgetreten, und der letztere hat seine Sache geschickter ge⸗ macht als der erstere .. . wenn der Abg. Fischer nicht Stadt verordneter ist, so ist er doch Vertreter des betreffenden Stadtteils. Das eine können wir unbedingt voraussetzen: kommt eine Ver ständigung zustande, dann wird der Kriegsminister nicht eine eigensinnige Haltung einseitig zugunsten Tempelhofs einnehmen. v.““ v

8 1“ ET“ Kommission stößt keineswegs offene Türen ein, denn der Bauplan für das Feld ist noch gar nicht genehmigt. Weitere Befreiungen auf Kosten des Reiches herbeizuführen, halten wir nicht für angängig. Für die Resolution Wiemer, die ihrerseits offene Türen einstößt, können wir uns nicht erwärmen. Von einer ausgeprägten Abneigung gegen die Reichshauptstadt weiß ich mich und meine Freunde vollständig frei; aber in bezug auf den Wasserkopf 85 ich keinen Unterschied zwischen Berlin und Tempelhof, denn beide sind Groß⸗Berlin. Die Schwierig⸗ keit, die hier vorliegt, ist die Rache für schwere Schuld in der Ver⸗ gangenheit; hätte Berlin rechtzeitig eingemeindet, dann wäre sie gar nicht aufge“ uücht. Der Schwerpunkt für Berlin liegt in der Ein⸗ gemeindung des Tempelhofer Feldes; Berlin konnte es ohne Ein⸗ gemeindung nicht ankaufen, und diese Eingemeindung wollten Gemeinde, Kreis und Provinz nicht zulassen. Was jollte unter solchen Umständen das Kriegsministerium machen? Ich möchte dem Kriegsminister beinahe vorwerfen, daß er Berlin zu weit entgegengekommen ist; jedenfalls ist sein Verhalten vollkommen tadellos, er hat zwischen den beiden gleichberechtigten Gemeinden diejenige gewählt, die kauf⸗ fähiger war, weil sie von der Eingemeindungsfrage un⸗ abhängig war. Tempelhof war nicht etwa bloß ein Vorhängeschild. Auch Berlin hätte keineswegs dort prachtvolle Parkanlagen hergestellt, sondern ebenso fünfstöckige Häuser gebaut, wie es jetzt geschehen soll. Wenn der Stadt Berlin so sehr daran gelegen ist, Licht und Luft zu schaffen, warum verkauft sie dann das Scheunenviertel, das Aufmarschgelände? Und hätte der Kriegsminister nicht gerade von den Sozialdemokraten die schärfste Kritik erfahren, wenn er ungezählte Millionen für neue Truppenübungsplätze forderte? Und auch die Darmstädter Bank würde es nicht anders machen wie Haberland. Für die Beurteilung der Baupläne sind wir nicht das zuständige Forum. Will Berlin den Kostenunterschied decken, so mögen sich Tempelhof und die Deutsche Bank noch heute für den Janssenschen Plan entscheiden. Daß die öffentlichen Gebäude nicht an den Hauptstraßen, an den teuersten Plätzen stehen sollen, ist doch ein sehr vernünftiger Gedanke. Wenn die Konkurrenz nicht da gewesen wäre, hätte Berlin dem Reiche keine 72 Millionen gezahlt, sondern Opfer vom Reich im sanitären Inter⸗ esse verlangt. Auf drei Viertel des Tempelhofer Feldes bleiben Licht und Luft nach wie vor frei. Wir können dem Kriegsminister zu seinem Verhalten nur vollste Anerkennung aussprechen.

Abg. Ledebour (Soz.): Wir müssen unserseits Verwahrung einlegen dagegen, daß dem Kriegsminister noch ein Dank dafür ausgesprochen wird, daß er bei einer rein geschäftlichen Trans⸗ aktion die Rechte des Reichstags unbeachtet gelassen hat. Auch ein nur vorläufiger Verkauf ist auf Grund des bestehenden Rechtes einzig und allein zulässig, wenn ein äußerer zwingender Grund nachgewiesen werden kann. Das ist hier nicht der Fall, und was die prinzipielle Regelung der Frage anbetrifft, so ist gerade die Unklarheit darauf zurückzͤführen, daß man in dem § 10 des Reichseigentumsgesetzes Gegenstände zusammengefaßt hat, die ihrer Natur nach nicht über einen Leisten geschlagen werden. Der Kriegsminister hat ganz recht, wenn er sagt, man könne ihm zutrauen, ch er das Reichsinteresse wahre. Aber es ist eine der bedenk⸗ lichsten Erscheinungen, daß jeder freie Platz verschwindet, und gegen dieses bewußte Zerstören der Volksgesundheit, wie es beispiels⸗ weise auch durch die Verschacherung des Grunewalds verübt ist, muß sich auch der Kriegsminister im öffentlichen Interesse wenden. Die Vorredner haben mit Recht mit einer gewissen Ironie von der Berliner Stadtverwaltung gesprochen, das kann man aber nur, wenn man sich auf den rein fiskalischen Standpunkt stellt, wie es der Kriegsminister tut. Da kann man allerdings zugeben, daß er die Berliner Verwaltung gehörig hineingelegt hat. Das Verlangen an die Verwaltung, mehr geschäftlichen Sinn und mehr geschäftliche Gerissenheit bei ihren Lranshktionen zu zeigen, bezieht sich nur S die privatkapitalistischen Unternehmungen, man hat aber dabei nicht an andere Behörden und Organisationen gedacht, die ebenfalls öffentliche Interessen zu beobachten haben. Die Berliner Stadtverwaltung konnte so viel öffentliches Interesse beim Kriegsminister voraussetzen, daß er den schleppenden Geschäfts gang der Berliner Verwaltung nicht dazu ausnützen würde, die Berliner übers Ohr zu hauen und hinters Licht zu führen⸗ Aus den ganzen Verhandlungen geht hervor, daß der Kriegsminister unbedingt mehr Fühlung hätte nehmen müssen mit den Magistrats⸗ kreisen. Damit meine ich nicht etwa, daß er ein Sonntagnachmittags⸗ rendezvous mit der Frau eines Stadtrats oder Bürgermeisters haben sollte. Wenn man auch nicht umhin kann, der Berliner Stadtverwaltung einen Tadel auszusprechen, daß sie das öffent⸗ liche Interesse nicht genügend gewahrt hat, so 8188 ihr doch zwei Milderungsgründe zur Seite, die Zusammensetzung der Stadt verordnetenversammlung mit ihrem unglücklichen Wahlrecht und dem Hausbesitzerprwwvileg und weiterhin, daß noch heute das Berliner Bürgertum darauf vertraut, daß in der Umgebung von Berlin siska⸗ lische Wälder und Felder vorhanden sind, und deshalb die Stadt Berlin nicht für freies Terrain zur Erholung der Bevölkerung zu sorgen braucht. Wir verlangen, daß jetzt wenigstens der vorhandene Rest unter keinen Umständen mehr bebaut und verkauft wird. Das dürfte höchstens geschehen an die Gemeinde Berlin und unter der Bedingung, daß sie einen öffentlichen Parkoder Spielplatz daraufeinrichtet. Ich hoffe nicht, daß ein späterer Minister hinsichtlich des Teils des Tempelhofer Feldes dieselben Einwendungen macht wie heute der Kriegsminister von Heeringen hinsichtlich der Erklärungen des Obersten von Zastrow. Der Kriegsminister sollte die bündige Erklärung abgeben, daß der östliche Teil des Tempelhofer Feldes auch in Zukunft unbebaut bleibt. Die Bevölkerung müßte ungehindert Zutritt zu ihm haben, und es dürfte nicht vorkommen, daß das Publikum durch Wachtposten von dort vertrieben wird, auch zu einer Zeit, wo gar keine Uebungen auf ihm stattfinden. Im August brauchte der andere Teil des Tempelhofer Feldes nicht verkauft zu werden; man konnte warten, bis der Reichstag zusammentrat und dazu Stellung nahm. Wir werden nur für die Resolution stimmen, die ein Reichs bewirtschaftungsgesetz vorsieht. Der Heeresabsolutismus führt dazu, alle berechtigten kulturellen Forderungen beiseite zu schieben. Preußischer Kriegsminister, General der Infanterie von Heeringen:

Meine Herren! Sie werden nicht von mir erwarten, daß ich auf die Ausführungen des Herrn Abg. Ledebour eingehend antworte⸗ (Sehr richtig! rechts.) Ich glaube, nach den Darlegungen, die in den Denkschriften gegeben sind, und nach den Ansichten, die in den zwei⸗ tägigen Reden in der Budgetkommission zum Ausdruck gekommen und auch heute von der großen Mehrzahl aus dem Hause hier bekundet sind, ist es unmöglich, ihn zu bekehren. Für ihn besteht das Fazit der Verhandlungen des Kriegsministeriums in der ganzen Verkaufs angelegenheit mit Berlin darin, daß er sagt, das Kriegsministerium hat die Stadt Berlin übers Ohr gehauen. Derartige Unterstellungen muß ich für meine Verwaltung auf das allerentschiedenste zurückweisen. (Sehr richtig! rechts.) Wenn er sagt, das Kriegsministerium hätte zur Stadt Berlin engere Fühlung nehmen sollen, ja, meine Herren, seit wann nimmt der Verkäufer mit dem Käufer Fühlung? In der Regel scheint mir doch das Verhältnis das umgekehrte zu sein, daß derjenige, der etwas kaufen will, zum Verkäufer kommt und mit ihm Fühlung nimmt. Trotzdem hat das Kriegsministerium Fühlung mit Berlin genommen. Jetzt, nachdem alles klar liegt, alle Karten auf dem Tische liegen, erkenne ich für Berlin an, daß es nicht vorwärts gehen konnte wegen der leidigen Eingemeindungsfrage. Aber warum hat Berlin nicht gesagt, wie vorher schon: ich kann nur kaufen unter der Bedingung, daß eingemeindet wird, statt zu sagen: ich will auch kaufen, ohne daß die Eingemeindungsfrage berührt wird. Man mußte eigentlich

im Kriegsministerium annehmen, es wollte nicht vorwärts, jetzt weiß