1911 / 59 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 09 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

li8in dem über unnütze und kostspielige Beaufsichtigung eine Schar von Personal Klage geführt wird. Dieser Riesen⸗ aufsichtsapparat ist ganz überflüssig, wie die Privatbetriebe zeigen. Wo eine Aufsicht nötig wäre, ist sie nicht vor⸗ handen. So sind im Telegraphensaal in Frankfurt a. M. unglaub⸗ liche sanitäre Zustände. Es arbeiten darin 180 bis 200 Beamte, aber für Luft und Licht ist nicht genügend gesorgt, 40 bis 50 Beamte sind fast ständig krank. Wo bleibt hier die Aufsicht, wie schützt die Verwaltung die Gesundheit der Beamten? Ein Postbeamter Dorsch in Osterode in Ostpreußen beschwert sich über unerhörte Schikanierung durch seine Vorgesetzten. Er hat von seinem Koalitionsrecht Gebrauch gemacht und sich an die Spitze des Unterbeamtenvereins gestellt. Das war das Signal zu Quälereien von seiten eines Sekretärs. Auf eine Beschwerde wurde eine Untersuchung angeordnet, und der Unterbeamte wurde nach einem Landorte versetzt, wo er weiter überwacht wurde. Schließ⸗ lich wurde er entlassen. Einige Vorstandsmikglieder des Unter⸗ beamtenvereins wurden „im Interesse des Dienstes“ versetzt. Der Staatssekretär sollte das begangene Unrecht wieder gutmachen. ie Wünsche der mittleren und unteren Beamten halten wir für berechtigt. Sie hätten gleich bei der Besoldungsregelung Berück⸗ sichtigung finden sollen. Meine Fraktion hat damals ein Höchstgehalt von 3600 für nicht zu hoch gehalten und ist auf diesem Stand⸗ punkt stehen geblieben, trotzdem die verbündeten Regierungen ihn aus Rücksicht auf Preußen für unannehmbar erklärten. Die Kon⸗ servativen haben sich hinterher entlasten wollen: im Abgeordneten hause erklärte ihr Redner, man könne ja durch Zulagen helfen. Durch Hintertüren wollte man also einführen, was man vorher ver⸗ sagt hatte. Jetzt werden nun aus Rücksicht auf die bevorstehenden Wahlen alle Register gezogen, damit man wenigstens die Oberpost⸗ assistenten vor seinen Wagen spannen kann. Wir haben in der Kommission gegen diesen Versuch gestimmt, denn es wäre eine Durch⸗ brechung der Gehaltsordnung zugunsten einer mittleren Beamten⸗ kategorie. Dagegen sind wir bereit und haben eine entsprechende Resolution eingebracht, die ja ausgedehnt werden kann zugunsten einer neuen Revision der Gehaltsordnung, es würde dann auch darüber zu reden sein, ob nicht bei den höheren Beamten etwas gespart werden könnte. Den Wunsch nach einer Statistik über die Verheiratungen unterstützen wir. Die Unterbeamten sind bei der Besoldungsvorlage am schlechtesten gefahren, es gibt solche, die sich sogar verschlechtert haben. Man hat uns vorgeworfen, daß wir der Postverwaltung nicht die nötigen Deckungsmittel zur Verbesserung der Gehälter der unteren Postbeamten böten. Was hindert denn den Reichstag, zu diesem Zweck die Erbschaften mehr heranzuziehen? Die Reichen sollten doch auch einmal in ihre Tasche greifen; auch die Arbeiter bei der Post dürfen nicht vergessen werden, auch die Arbeiter nicht, die in Privatbetrieben für die Post arbeiten. Wir beantragen deshalb eine Resolution, den Reichskanzler zu er⸗ suchen, Arbeiten und Lieferungen für die Reichspostverwaltung nur an solche Firmen zu vergeben, die in Beziehung auf die Arbeits⸗ bedingungen die gesetzlichen Vorschriften einhalten und sich verpflichten, zur Regelung und Sicherung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen auf den Abschluß von Tarifverträgen hinzuwirken.

Abg. Dr. Dröscher (dkons.): Der Vorredner hat wirklich nur ein ganz armseliges, noch dazu zum Teil aus ollen Kamellen be⸗ stehendes Material an Klagen und Beschwerden vorgebracht; der Staatssekretär kann sich gar keine bessere Anerkennung dafür wünschen, wie gesund in seinem Ressort die Personalverhältnisse und der Sinn der gesamten Postbeamtenschaft sind. Die beiden vorgetragenen Fälle verschwinden gegenüber der einen Tatsache, daß der Personalkörper der Post aus 200 000 Mann besteht. Es bleibt das Geheimnis der Sozialdemokraten, wie ihre uöö auf Besoldungserhöhungen usw. erfüllt werden sollen, da sie doch neue Einnahmen wenigstens auf gangbaren Wegen nicht zugestehen. Die Post ist ein werbendes Unternehmen, das nach kaufmännischen Grundsätzen bewirtschaftet werden soll; die Notwendigkeit, noch einen erheblichen Ueberschuß an die Reichskasse abzuführen, darf nicht so als Nebensache betrachtet werden, wie es der Vorredner getan hat. Die Einnahmen aus den Porto⸗ und Telegraphiegebühren werden nach dem Durchschnitt

der Steigerung der letzten drei Jahre mit abgeschlossener Rechnung

veranschlagt; der Durchschnitt dieser drei Jahre würde 688 Millionen ergeben haben, eingestellt sind aber nur 678 Millionen, eine durchaus dankenswerte Vorsicht. Auf dem Gebiet der Ausgaben ist mit derselben äußersten Vorsicht verfahren. Die Erhöhung der fortdauernden Ausgaben beträgt etwa 3 %; 1910 waren sie noch geringer, aber da waren gar keine neuen Stellen gefordert, ein Vorgang, der hoffentlich vereinzelt bleiben wird. Diese Sparsamkeit ist der Postverwaltung möglich geworden, weil sie im ganzen Dienstbetriebe weitgehende Vereinfachungen hat eintreten lassen; die mannigfaltigsten Geschäfte sind von der Zentralinstanz auf die Oberpostdirektionen und von diesen auf die Betriebsämter übertragen worden. Leider ist die Personal⸗ reform noch nicht weiter gefördert, weil dem die große Fülle des nun einmal vorhandenen Personals entgegensteht. Der Resolution der Budgetkommission, die eine Denkschrift über die ander⸗ weite Organisation der Postbeamten verlangt, werden wir zu⸗ stimmen, ebenso der Forderung, daß die mittlere und höhere Post⸗ arriere bis auf weiteres geschlossen wird. Leider ist der Reichstag an der bisherigen Vermehrung des Postbeamtenpersonals nicht ohne Schuld, indem die von ihm immer wieder geforderte Dienst⸗ erleichterung und gesteigerte soziale Fürsorge für die Beamten die Einstellung immer vermehrter Stellen von Anwärtern notwendig machte. Seit 1908 ist nun der Wind umgeschlagen; die Zahl der Anwärter wurde beschränkt, und heute früh ist uns zugesagt worden, daß neue Anwärter nicht mehr eingestellt werden sollen. Die Reform selbst wird ja sicher mehr als ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen, und die Länge dieses Zeitraums ist im Interesse der Reichseinnahmen zu bedauern; aber die Anstellungs⸗ und Avancementsverhältnisse der Beamten dürfen nicht allzusehr verschlechtert, die Möglichkeit der Familiengründung darf nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Es sind nur 800 neue Postassistentenstellen gefordert worden. Wir haben uns nicht entschließen können, davon auch nur eine zu streichen. Der Personalüberfluß sollte in andere Verwaltungen abgeführt werden. Auf die Straße dürfen die Beamten nicht gesetzt werden. Wenn sie auch einen rechtlichen Anspruch zur Anstellung nicht haben, so haben sie doch ein Recht darauf, daß ihre Erwartungen nicht getäuscht werden. Den unteren Beamten könnte sehr gut ein großer Teil von Dienstgeschäften übertragen werden. Durch eine bessere Schulbildung und Vorbildung sollten sie den Anspruch erwerben dürfen, in eine gehobene Stellung aufzurücken. Das kann natürlich nicht von heute auf morgen geschehen, wie es der sozialdemokratische Redner wünschte. Für Unterbeamten sind nur 1300 neue Stellen gefordert worden, wieder ein Beweis der Sparsamkeit. Die gehobenen Unterbeamten wünschen eine Erhöhung hres Erholungsurlaubs gleich von ihrem Eintritt in die gehobene Stelle. Am schlechtesten sind die so viel geschmähten oberen Beamten daran. Die Referenten im Reichspostamt und die Referenten bei den Oberpostdirektionen sind überlastet und werden es auch in Zukunft bleiben. Es sind nur 12 neue Stellen gefordert worden. Wir wollen davon keine Stelle gestrichen wissen. Die Sozialdemokraten machen ich die Deckungsfrage sehr leicht. Sie werfen die Erbschaftssteuer in die Debatte, und damit glauben sie die Sache erledigt zu haben. Es ommt gar nicht auf die gesamte Revision des Beamtenbesoldungsgesetzes an, sondern darauf, daß den Unterbeamten eingehämmert wird, daß sie bei den nächsten Wahlen für die Sozialdemokraten stimmen müßten. Wir unserseits glauben, daß man vor allem das Erreichbare zu er⸗ eichen suchen muß. Es sind aber Restwünsche aus der Besoldungs⸗ reform übrig geblieben. Die Wünsche der Postassistenten auf eine Erhöhung ihres Gehalts sind von uns stets für berechtigt erklärt worden. Da eine Aussicht auf Erfüllung dieser Wünsche zurzeit besteht, so haben wir uns auf eine Resolution be änkt, die die verbündeten Regierungen ersucht, von

im § 30 des Besoldungsgesetzes vom 15. Juni 1910

entsprechenden Gebrauch zu machen. Dieser Weg erscheint uns praktischer als der von freisinniger Seite vorgeschlagene Weg. Der Reichstag hat bei dem Besoldungsgesetz auch eine Resolution beschlossen, darauf Bedacht zu nehmen, daß den Post⸗ schaffnern, die aus dem Arbeiterstande hervorgegangen sind, ein Teil der Arbeitszeit auf das Besoldungsdienstalter angerechnet werde. Ich möchte die Verwaltung bitten, in diesem Sinne vorzugehen. Den Vorwurf der Verkehrsfeindlichkeit kann man gewiß der Reichs⸗ postverwaltung nicht machen. Sie versteht besser als jede andere Postverwaltung der Welt, den Forderungen des Verkehrs zu folgen. Dies beweist u. a. die Zulassung des Postwechselprotestes, die Ein⸗ führung des Postscheckverkehrs und des Eilabholungsschnelldienstes. In dem Vorgehen gegen die Botenjungeninstitute kann ich eine reaktionäre Maßregel nicht erblicken. Die Postgebühren geben zu Beschwerden keinen Anlaß, und die Post hat viele Einrichtungen ge⸗ troffen, die den Verkehr erleichtern. Meine politischen Freunde schließen sich aber dem Wunsche auf Einführung des einheitlichen Weltportos und auf Einführung von Brieftelegrammen an. Im übrigen ist der Staatssekretär so oft totgesagt worden, daß er nach einem alten Wort noch mindestens 40 Jahre zu leben hat. Ich hoffe zuversicht⸗ lich, daß er nun erst recht lange im Amte bleibt zur Fortbildung der von ihm eingeleiteten Reformen und zur Einleitung neuer Reformen.

Steaatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Aus dem großen Blütenstrauß, der mir an Wünschen überreicht ist, möchte ich auf einiges gleich antworten, da ich überzeugt bin, daß auch von den anderen Herren Rednern noch eine große Zahl von Wünschen geltend gemacht werden wird.

Ich wende mich zunächst zu der Resolution, die der Herr Abg. Gröber vertreten hat, in der mehrere Punkte, die Personalien be⸗ treffen, aufgeführt sind, insbesondere die Wiederaufnahme des Disziplinarverfahrens.

Härten

Wie Ihnen bekannt ist, unterliegt diese Frage der Erwägung der Reichsressorts, und ich hoffe, daß die Sache bald zum Abschluß kommen und Ihnen dann vorgelegt werden wird.

Was den zweiten Punkt betrifft, daß wie im Kolonialbeamten⸗ gesetz eine Vorschrift erlassen wird, wonach in die Akten eines Be⸗ amten Vorkommnisse, die ihm nachteilig sein könnten, nicht auf⸗ genommen werden sollen, wenn er dazu nicht gehört ist, so wird dies bei der Reichspostverwaltung schon jetzt beobachtet. Ich bin der Meinung, daß ein Vorgesetzter, der über einen Beamten eine schlechter Note abgibt, auch den Mut haben muß, ihm das ins Gesicht zu sagen, und ich habe Beamten, die hierher gekommen sind, und nicht darüber unterrichtet gewesen sind, gesagt: gehen Sie nach Hause und sagen Sie ihren Vorgesetzten, daß dies und dies über Sie berichtet ist. Denn in dieser Beziehung muß Offenheit zwischen Beamten und Vorgesetzten sein, sonst geht das Vertrauen verloren. (Sehr richtig! in der Mitte.)

Was den Wunsch nach Aufstellung einer Statistik über den Fa⸗ milienstand der Beamten betrifft, so werden wir eine solche Statistik aufstellen. Natürlich dauert so etwas immer längere Zeit und kostet Geld.

Was dann den weiter geäußerten Wunsch betrifft, die Post⸗ und Telegraphensekretärprüfung ausnahmsweise mit Genehmigung des Reichspostamts zum zweiten Male wiederholen zu lassen, so glaube ich, wird dem nicht zu entsprechen sein. Der Herr Abg. Gröber hat gesagt, bei den höheren Beamten sei das gestattet. Nein, für die neue höhere Karriere ist das auch ausgeschlossen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir sagen: beim ersten Examen, wo es sich um Sein oder Nichtsein handelt, wo also der Beamte, wenn er zweimal durch⸗ gefallen ist, ausscheiden müßte, erscheint es angemessen, daß eine noch⸗ malige Wiederholung stattfinden kann. Bei einem Examen, wo es sich nachher um Beförderung handelt, halten wir eine derartige Ausnahme nicht für angebracht, und ich glaube, daß das auch bei allen Verwaltungen Uebung ist.

Was dann die verschiedenen Wünsche angeht, die betreffs der Personalverhältnisse geltend gemacht worden sind, so ist seitens aller Herren Vorredner anerkannt worden, daß die Reichspostverwaltung den Etat sparsam aufgestellt hat und daß sie auch im vorigen Jahre, den ungünstigen Finanzverhältnissen Rechnung tragend, gar keine neuen Stellen beantragt hat. Aber um so mehr möchte ich Ihnen die dringende Bitte ans Herz legen, die Stellen, die wir in diesem Etat nach reiflicher Ueberlegung und unter Beschränkung nach jeder Richtung eingestellt haben, zu bewilligen. Sie haben bei allen Kategorien die Wünsche berücksichtigt, nur nicht bei den höheren Beamten. Da sind 5 Posträte und 2 Oberinspektoren gestrichen. Ich möchte hier nochmals besonders betonen, daß die Verwaltungs⸗ behörden diese Kräfte durchaus nötig haben, und möchte Sie bitten, die Stellen wieder einzusetzen.

Der vom Herrn Abg. Dr. Dröscher zum Ausdruck gebrachte Wunsch, daß den Bureaubeamten bei den Zentralbehörden eine Zulage bewilligt werden möge, unterliegt der Erwägung, die aber noch nicht abgeschlossen ist.

Was ferner den Antrag betrifft, der in der Budgetkommission gestellt worden ist, den älteren Oberassistenten eine Zulage von 300 zu bewilligen, so möchte ich nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß die Erfüllung dieses Antrages für 1911 eine Aus⸗ gabe von 882 600 herbeiführen würde, und daß nach den Grund⸗ sätzen, die dieses hohe Haus aufgestellt hat, Deckung für diese Summe vorhanden sein muß.

Der Herr Abg. Eichhorn hat mehrere Personalfälle angeführt und unter andern einen Beamten aus dem Dortmunder Bezirk ge⸗ nannt, der zu Unrecht versetzt worden sei. Der Beamte ist versetzt worden, weil er weder mit seinen Vorgesetzten, noch mit seinen Mit⸗ arbeitern, noch mit dem Publikum sich zu stellen verstand. Die Ober⸗ postdirektion hat sich für verpflichtet gehalten, nach dem Grundsatz, daß Ordnung und auch eine gewisse Harmonie herrschen muß, den Beamten nach Hagen zu versetzen, also nach keinem schlechten Ort. Er hat namentlich durch Zeitungsschreibereien unangenehme Weite⸗ rungen herbeigeführt. Als er abgereist ist, hat er sich bemüßigt ge⸗ sehen, durch die Zeitungen folgenden Abschied zu veröffentlichen:

Bei meiner Abreise nach Hagen sage ich allen Freunden und Bekannten ein herzliches Lebewohl. Denjenigen, die mir lieber auf den Rücken, als in das Gesicht sehen, diene zur Nachricht, daß Hagen nicht so weit liegt!

(Große Heiterkeit.)

Dann hat der Herr Abg. Eichhorn sich darüber beklagt, daß der Briefträger Dorsch versetzt und ungerecht behandelt worden sei. Der betreffende Unterbeamte hat sich an das Reichs⸗ postamt gewendet und hat dadurch herbeigeführt, daß seine Beschwerde eingehend untersucht worden ist, und nach eingehender Prüfung an der Hand der Akten hat das Reichspostamt die Entscheidung, die die Ober⸗ postdirektion getroffen hat, milde gefunden. Es ist dem Landbrief⸗

(Heiterkeit und Zuruf bei den Sozialdemokraten.)

zu seiner Bestrafung gegeben habe, seiner Zeit eingehend geprüft worden sei, und daß der ihm durch Verfügung vom 5. September 1906 erteilte ablehnende Bescheid aufrechterhalten werde. Bescheid ist ausgeführt worden, daß die Bestrafung eine sehr milde gewesen sei, sein Einspruch gegen die Straffestsetzung zurückgewiesen werde und seinem Gesuch um Rückversetzung nach Osterode (Ostpr.) nicht zu entsprechen sei.

In diesem

Man muß immer beurteilen, wie die

einzelnen Fälle liegen. In seiner Eingabe vom 15. Dezember 1906

findet sich folgender von ihm selbst geschriebener Passus:

Ich bereue meinen völlig unüberlegten Schritt. Bei der Ab⸗ fassung der gehorsamen Beschwerden war mir jedes Maß besserer

Einsicht verloren gegangen. Also nicht nur

neun Zehntel, wie der Herr Abg. Eichhorn sagte, sondern zehn Zehntel ist nicht aufrechtzuerhalten. Sie werden daraus den Eindruck be⸗

kommen, daß die Reichspostverwaltung sich wirklich hütet, jemand

unrecht zu behandeln, und wenn ein Mann von sich selbst sagt, daß er jedes Maß überschritten habe, so wird die Sache wohl nicht so liegen, daß der Behörde ein Vorwurf gemacht werden kann.

Es ist dann darauf Bezug genommen worden, daß man bei der Verteilung von Lieferungen darauf sehen möchte, daß die Lieferanten die Arbeiter angemessen bezahlen, und wir haben infolgedessen auch die Bestimmung getroffen, nur solche Bewerber zu berücksichtigen, welche für die bedingungsmäßige Ausführung sowie für die Erfüllung ihrer Verpflichtungen gegenüber ihren Handwerkern und Arbeitern die erforderliche Sicherheit bieten. Bewerber, von denen der ausschreibenden Behörde bekannt ist, daß sie ihren Beitrags⸗ pflichten bei der Kranken⸗, Unfall⸗ und Invalidenversicherung nicht nachzukommen pflegen, sind ausgeschlossen. Dann ist der weitere Wunsch ausgesprochen worden, daß man solche Bewerber berücksichtigen sollte, die die Tarifverträge beobachten. Das sind Wünsche, die natürlich ein einzelnes Ressort nicht erfüllen, kann, sondern es muß da eine Verständigung zwischen allen Ressorts stattfinden. Eine gleiche Erklärung hat ja, wie ich glaube, der Herr Staatssekretär des Reichsmarineamts bei seinem Etat auch schon abgegeben.

Ich wende mich nun den Wünschen zu, die betreffs des Betriebes ausgesprochen worden sind. Da heißt es immer, die Reichspost verwaltung sei allen Reformen abhold. Das können Sie doch nicht sagen. Es macht uns Vergnügen, nach jeder Richtung hin den Be⸗ dürfnissen des Verkehrs zu entsprechen. Aber alle Wünsche sind doch nicht immer so schnell zu erfüllen, wie man erwartet. Was zunächst die Vereinheitlichung des Portos im Weltpostverein anbetrifft, so verstehe ich den dahin gehenden Wunsch vollständig, und ich nehm nicht Anstand zu erklären, daß mir das viele Flickwerk am Weltpost⸗ verein nicht sehr sympathisch ist. Aber, meine Herren, Sie werden wissen, daß Deutschland sich hier nicht allein zurückhält, sonder daß alle Länder zögern, an diese Sache heranzugehen, weil man sich bewußt ist, daß gewisse Ausfälle damit verbunden sind. Der Postverwaltung der Vereinigten Staaten von Amerika kann man doch wahrhaftig nicht den Vorwurf machen, daß sie Vereinfachungen nicht zugänglich wäre. Sie arbeitet ja mit einem sehr großen Defizit Gleichwohl führt sie Vereinfachungen ein. Aber einer Herabsetzung des Briefportos für alle Wege zwischen Deutschland und die Vereinigten Staaten auf den Satz von 10 hat der Generalpostmeister nicht zugestimmt. Man hat seinerzeit, als die Frage der Ermäßigung des Briefportos zwischen Amerika und Deutschland verhandelt wurde, nur erreichen können, daß für den Verkehr mit den direkten Dampfern, die zwischen Amerika und Deutschland verkehren, das billige Port G zugestanden werde, weil nur auf diese Weise die Transit gebühren, die immer noch ziemlich hoch sind, erspart werden können; denn alle mit anderen Schiffen beförderten Briefe müssen entwede Frankreich oder England passieren und kosten Transitgebühr.

Nun sagen die Herren, wir sollten uns mit den Nachbarstaaten in Verbindung setzen, um wenigstens für diesen Verkehr eine Er mäßigung herbeizuführen; es sei doch bedauerlich, daß ein Brief nach Holland 20 koste, da man für 20 ja auch bis nach Australien schreiben könne. Das ist aber die Folge des Einheitssatzes. Was bei dem einen Verkehr zugesetzt wird, kommt bei dem anderen Ver⸗ kehr wieder heraus; deswegen kostet ein Brief auf nahe Entfernungen ebensoviel wie auf sehr weite.

Die Herren haben ja wohl aus den Zeitungen ersehen, daß de Generalpostmeister von Großbritannien mit großer Offenheit den Deputationen, die bei ihm vorstellig geworden sind, erklär hat, man könne gegenwärtig auf eine Ermäßigung des Welt posttarifs nicht eingehen; das lasse sich auch nicht gut mi einem Nachbar machen, denn wenn England das mit Frank reich allein machen wollte, dann würde alsbald die Konsequenz ent stehen, daß man das auch mit Deutschland machen müßte. Dies Konsequenz ist in der Tat nicht abzuweisen. Auch wir waren einmal eintreten sollte. Da wurde uns aber dann gesagt: nein, wir könner uns doch nicht darauf einlassen, denn wir müssen es auch mit den anderen Nachbarstaaten machen, und diese wollen das nicht.

Bei einer Ermäßigung des Weltpostportos tritt sicher zunächst ein großer Ausfall ein, der sich für uns auf etwa 10 Millionen Mark beziffert. Dieser Ausfall kommt nicht sofort wieder herein, auch nich durch eine starke Zunahme des Verkehrs; denn ein sehr viel stärkere Verkehr verursacht eben neue Ausgaben, und diese neuen Ausgaben zehren einen großen Teil der erhöhten Einnahmen wieder auf. Ich kann auf das Beispiel von England hinweisen. Als unter Rowland Hill das Einheitsporto eingeführt wurde, hat zwa der Briefverkehr immens zugenommen, aber es hat 17 Jahre gedauert, bis der Ueberschuß der Postverwaltung wieder der gleiche war wie vor Einführung des Pennyportos Es ist ja selbstverständlich, daß durch solch eine Reform für Handel und Verkehr große Vorteile und daß dadurch vielleicht die Steuerfähigkeit erhöht wird. Aber in schnell vorgehen, wie die Herren es vielleicht wünschen. (Zuruf links In Madrid!) Der Weltpostkongreß in Madrid wird wahrschein lich 1913 stattfinden. Ob bis dahin die Finanzen aller diese Länder so gut geworden sind, daß dieser große Sprung gemacht werden kann, dahinter möchte ich doch ein sehr großes Fragezeichen setzen.

gesetzt hätten, um zu erzielen, daß der Paketdienst nach Persien usw.

Bundesrat erteilten Ermächtigung der Einreihung einzelner in eine höhere Ortsklasse zur Beseiti ung hervorgetretener

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träger Dorsch eröffnet worden, daß die Angelegenheit, die den Anlaß

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leichtert wird. Ich möchte ihm die Versicherung geben, daß von

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uns alles geschieht, was geschehen kann.

mit einem Staat beinahe soweit, daß die Ermäßigung des Portos

große herausspringen,

dem Moment fehlt eben das Geld, und deshalb kann man nicht so

Die Beigabe von 5 Dekla⸗ rationen halten wir auch für etwas sehr Mißliches. Aber im diplomatischen Verkehr sind solche Sachen nicht so schnell zu erledigen, wie man sich das vielleicht manchmal denkt. J denfalls sind wir bestrebt, Erleich⸗ terungen herbeizuführen.

Die Herren sind dann mehrfach auf den Eilbotendienst zu sprechen gekommen und haben Klage darüber geführt, daß wir den Messenger⸗ boyinstituten nicht gestatten, verschlossene Eilbriefe zu befördern, und daß wir ihnen nicht freundlicher gegenüberstehen. Nun, ich will sagen, freundlich stehen wir ihnen gegenüber. (Heiterkeit.) Gewiß, wir stören sie in ihren Kreisen gar nicht, aber wir wollen auch nicht gestört sein. Denjenigen Herren ich habe das heute schon in der Kommission erwähnt —, die diesem hohen Hause hier schon angehört haben, als im Jahre 1899 diese Aenderung beschlossen wurde, muß doch gegen⸗ wärtig sein, daß wir seinerzeit ausdrücklich gesagt haben, diese Be⸗ förderung von geschlossenen Briefen im Orte darf nicht stattfinden. Und weshalb sind wir denn gegen die Anstalten vorgegangen? Doch nur deshalb, weil sie nur in den größeren Orten, wo etwas zu ver⸗ dienen ist, aufgetreten sind und in den kleineren Orten, wo nichts zu haben ist, die Sache der Post uberlassen haben.

Wir haben seinerzeit 7,5 Millionen Mark ausgegeben, weil wir sagten: es ist nützlich für die Allgemeinheit. Nun aber wieder ein Loch zu machen und wieder zu gestatten (Zurufe links: Einzelbriefe!) ja, was heißt „Einzelbriefe? Auf dem Papier macht sich das sehr nett: „ein Brief“ oder „Einzelbriefe“. Wer soll das kontrollieren? Ich habe mir schon gestattet, in der Kommission Ihnen zu sagen, daß es doch eine ganz wunderbare Sache sein würde: jetzt dürfen sich die Gesellschaften nicht einmal mit offenen Briefen, die adressiert sind, beschäftigen, und nun wollen Sie ihnen ge⸗ schlossene Briefe gestatten! Das geht doch nicht. Wir legen ja das Gesetz nicht nach unserem Belieben aus, sondern, wie die Herren richtig angeführt haben, unsere Auslegung ist verschiedentlich vom Reichsgericht geprüft, und es ist zu unseren Gunsten entschieden worden. Das höchste Gericht hat erklärt: das ist nicht zulässig, und dabei sollten Sie sich wirklich beruhigen.

Erinnern Sie sich, welche schweren Vorwürfe Sie seinerzeit meinem großen Vorgänger wegen der Privatanstalten hier im Reichstage gemacht haben. Ich habe mich gefreut, als Sie ihn heute gelobt haben. Aber damals haben die Herren ich weiß nicht, ob Sie (nach links) es gewesen sind gesagt, es wäre unerhört, daß nicht früher eingeschritten worden wäre. Wenn nachher nachteilige Folgen kommen, will es immer keiner gewesen sein, kein einziger. Erinnern Sie sich an die Zweipfennigpostkarte. Die bleibt an mir haften (Heiterkeit), obgleich Sie die Portoerhöhung einfach hier beschlossen haben. Also, meine Herren, dem sind wir ausgesetzt. Wenn wir Ihnen folgen, und die Sache geht schief, dann heißt es: du mußtest es doch besser wissen. (Heiterkeit.) Sage ich aber, oder „wage“ ich zu sagen: ja, meine Herren, das müssen wir doch ein bißchen besser verstehen, dann sagen Sie: Solche bureaukratische Ueberhebung! Nicht wahr? (Große Heiterkeit.)

Also, meine Herren, ich kann Ihnen die Erfüllung dieses Wunsches nicht in Aussicht stellen. Dienstmännern und Dienstmanninstituten soll es auch weiter gestattet sein. Ich habe am Gesetz seinerzeit selbst mitgearbeitet und weiß also, was man gewollt hat. Man hat den Messengerinstituten das aber nicht geben wollen, sondern nur dem einzelnen Dienstmann, weil man da sicher war, [daß kein gewerbs⸗ mäßiger Betrieb vorkommt.

Dann ist ich glaube, von dem Herrn Abg. Eickhoff der Wunsch ausgesprochen worden, daß man doch Brieftelegramme zulassen möchte. Ich mache kein Hehl daraus, daß ich dieser Angelegenheit sehr sympathisch gegenüber stehe. Aber die Erwägungen zwischen den einzelnen Ressorts sind noch nicht zu Ende geführt, und ich kann daher noch nicht sagen, ob und wann es angängig sein wird, diese Wünsche zu erfüllen.

Der Bitte, die Scheckämter zu vermehren, stehe ich nicht freund⸗ lich gegenüber. Ich habe das schon erklärt und habe Sie besonders darauf aufmerksam gemacht: sobald man damit beginnt, etwa im Rheinland, in Cöln, Düsseldorf oder Barmen neue Scheckämter ein⸗ zurichten, also die Zahl zu vermehren, so würde eine Legion von Wünschen an uns herantreten, und wir wären gar nicht in der Lage, diese oder jene abzulehnen. Mit der Erfüllung würde eine große Verteuerung eintreten, womit Ihnen auch nicht gedient ist. Im übrigen glauben wir, die Aemter so gewählt zu haben, wie es dem Betrieb nützlich ist, und wenn Sie sagen, man müßte mehr haben, so möchte ich Sie an Oesterreich er⸗ innern, wo die Entwickelung eine sehr gute ist, und wo man sich mit einem Scheckamt in Wien begnügt.

Was dann die Wünsche betrifft, den Postscheckverkehr billiger zu gestalten, so sind wir im Versuchsstadium, und den meisten Herren ist bekannt, daß wir zugesagt haben, die Sache durch Gesetz zu regeln. Im Jahre 1912 muß eine Gesetzesvorlage gemacht werden.

Nun sind bei der Einführung und Ausübung dieses Betriebes von vielen Seiten Wünsche an uns herangetreten. Das ist ganz natürlich. Ich denke mir die Sache so, daß wir noch in diesem Jahre durch Anhörung von Sachkundigen aus allen Ständen erfahren, wohin die Wünsche gehen, und prüfen, welche erfüllbar sind, und daß wir dann bei der Vorlegung des Gesetzes das, was wir für erfüllbar halten, Ihnen zur Einführung vorschlagen. Jetzt sind wir jedenfalls noch im Versuchsstadium, und wenn Sie glauben, die Sache bringe viel Geld, so kann ich Ihnen sagen, daß das nicht der Fall ist; denn aus der Denkschrift, die wir Ihnen überreicht haben, können Sie ersehen, wie die Zahl der Postanweisungen abgenommen hat. Es sind im vorigen Jahre 37 Millionen weniger eingeliefert worden, und der kleine Verdienst, den wir an der Postanweisung haben, fällt natürlich fort.

Ich glaube, damit vorerst die Wünsche, die zum Ausdruck ge⸗ kommen sind, beantwortet zu haben.

C18 Stresemann (nl.): Der Abg. Beck⸗Heidelberg, der sonst unseren Standpunkt zum Postetat in erster Linie zu vertreten pflegt, ist durch eine körperliche Indisposition heute leider ver⸗ vindert, an den Verhandlungen teilzunehmen. Der Ueberschuß der Postverwaltung ist von dem Abg. Eichhorn zum Angriff auf die oͤde Plusmacherei des Postressorts benutzt worden. Wir können doch nicht in einemfort den Einzug kaufmännischer Grundsätze in die vo schüssen ären; wir können auch nach dem Stande unserer Finanzen auf solche Ueberschüsse nicht verzichten. Hier besteht also ein Widerspruch. Die Post ist der größte Arbeitgeber des Reiches; daher verlangt die Volksvertretung mit Recht von ihr,

und auf die Stellung Organisationen. 8 amtenzahl ist unzweifelhaft sehr angeschwollen; die einzelnen Kategorien sind in den Postdienst eingetreten unter den Voraus setzungen, die zur Zeit ihres Eintritts für die Erlan ung der Beamten qualifikation gegeben waren; es besteht also sicherlich eine Art moralische Verpflichtung ihnen gegenüber. Der Gedanke, denen, die überflüssig werden, die Möglichkeit zu geben, in den Ein⸗ richtungen der sozialen Fürsorge unterzukommen, sollte noch nicht als definitiv begraben angesehen werden. Es gibt keinen Privatbetrieb, der sich in bezug auf Dezentralisation mit der Postverwaltung messen kann; darauf muß auch Rücksicht genommen werden. Es geht nicht an, etwa aus Popularitätshascherei⸗ den großen Beamtenkörper jetzt als das Karnickel hinzustellen, das abgeschlachtet werden muß. In der höheren Postkarriere werden wir im Jahre 1911 den ersten 9 ostreferendar in den Dienst treten sehen, 1914 den ersten Postassessor und das Wort vom Assessorismus in der Verwaltung wird wieder aktuell werden. In den Kreisen der Post⸗ und Oberpostpraktikanten hat man eine gewisse Unruhe bezüglich der Neugestaltung des höheren Post⸗ beamtentums; vielleicht kann der Staatssekretär hier beruhigend wirken. Die Oberpostassistenten glaubten sich früher in einer Beförderungsklasse gegenüber den Postassistenten, sie hatten einen Stern mehr und eine besondere Bestallungsurkunde; seit 1895 bilden beide Kategorien nur noch eine Klasse. Den billigen Wünschen der Oberpostassistenten sollte nach Möglichkeit entgegengekommen werden. Auch die Forderung des Antrages Gröber wegen der Wiederholung des Sekretaͤrexamens sollte man erfüllen. Gegen die Oberpostassistentenorganisationen hat man Vorwürfe erhoben, weil sie sich über ihre Rechte in dieser Be⸗ ziehung Rechtsgutachten haben ausarbeiten lassen. Ich kann diese Vorwürfe nicht als begründet ansehen; ich halte das soziale Streben auch dieser Beamtenkategorie und die Versuche zu einer Organi⸗ sation für etwas durchaus Berechtigtes, und so sehr ich die Hypertrophie auf diesem Gebiete in unserem ganzen öffentlichen Leben beklage, so wenig darf man doch im einzelnen dazu scheel sehen. Die oberen Unterbeamten verlangen mit Recht, daß entsprechend ihrer höheren geistigen Leistung auch bre Dienstzeit vermindert wird. Sie beklagen sich, daß sie ihren Erholungsurlaub durch Ueberstunden einbringen müssen. Ich weiß nicht, ob die Sache sich wirklich so verhält. Die Anforderungen an die Unterbeamten haben sich be⸗ deutend erhöht. Das ist bei der Entwicklung des Verkehrs ganz natürlich. Um so mehr sollte man diese Beamten, soweit es irgend geht, aufbessern. Namentlich die Postschaffner sollten auf⸗ gebessert werden. Auch durch den Wohnungsgeldzuschuß könnte manche Härte ausgeglichen werden. Der Bundesrat sollte nun endlich seine Entscheidung treffen. Die Frage der Reklassierung ist eine dringende. Eine Liste der benachteiligten Orte will ich nicht aufführen und nur an Leipzig und Dresden erinnern. In allen diesen Fragen sollte es einen großen Arbeitsblock im Hause geben, der alles vergessen läßt, was uns sonst trennt. Wir hätten für die Post⸗ beamten mehr tun können, wenn wir einig geblieben wären gegenüber der Reichsregierung und das „Unannehmbar“ der Regierung bei der Finanzreform nicht tragisch genommen hätten. Dann hätten wir auch mehr für die Beamten erreichen können. Im vorigen Jahre hat der Staatssekretär sich gegen die Postbeiräte erklärt, weil es eine Kulisse für die Verwaltung werden könnte. Er hat nun Konferenzen einberufen, um sich über bestimmte Fragen zu informieren. Aus Sachsen sind aber Vertreter von Handel und Industrie nicht zugezogen worden. Wenn aber der Staatssekretär Beiräte von Fall zu Fall zuzieht warum schafft er daraus nicht eine ständige Einrichtung? Er hätte damit einen Stab von Persönlichkeiten, der jahrelang die Einrichtungen der Postverwaltung verfolgt und sich dadurch ein objektives Urteil bilden kann. Der Staatssekretär hat sich über das Wort „Einheits⸗ porto“ ziemlich pessimistisch geäußert. In solchen Fragen kommt man mit Optimismus weiter. Dem gehört die Zukunft, der Zukunfts⸗ möglichkeiten einstellt in seine Gegenwartsrechnung. Die Frleichte rung des Verkehrs bringt auch größere Einnahmen. Die Telegramm⸗ briefe haben sich in Frankreich so eingeburgert, daß diese Einrichtung auch bei uns Erfolg verspricht. Au die Barbestellung der Briefe, das heißt die Möglichkeit, z. B. 300 Briefe zur Post zu bringen und 30 bar zu zahlen, wäre eine bedeutende Erleichterung des Verkehrs. Automatische Zählapparate dafür zu schaffen, wäre doch ein Kinderspiel. Briefmarkenautomaten sollten auf allen größeren Plätzen aufgestellt und damit der Post viel Arbeit abgenommen werden. Die Post will sich ihr Monopol nicht einschränken lassen. Das wollen wir auch nicht. Aber ist denn die Einrichtung der Botenjungenanstalten eine Konkurrenz für die Postverwaltung? Die Post kann mit ihrem Eilbotendienst nicht das leisten, was die Messenger⸗Boys leisten. Wer sich aus der Apotheke ein Rezept durch einen solchen Boten holen läßt, darf doch nicht mit 3 bestraft werden wegen Uebertretung des Postregals. Daß diese Institute nicht in kleinen Orten etabliert werden, ist doch natürlich. Die Reichshauptstadt mit ihren Vororten und ihrer großen Ausbreitung bedarf solcher Institute. Darum, Herr Staatssekretär, seien Sie großstadtfreundlich! Diese Institute geben sich doch mit Dingen ab, mit denen die Post⸗ Wenn neue Postscheckämter er

verwaltung sich nie befassen kann. richtet werden sollten, dann würde ich dem Staatssekretär Dresden zur Berücksichtigung empfehlen. Hoffentlich ist in der Frage der Herabsetzung der Gebühren noch nicht das letzte Wort gesprochen. Unsere Staatsbetriebe dürfen gegenüber dem Mittelstand sozial⸗ politische Rücksichten nicht außer acht lassen. Denselben Wunsch habe ich aber auch in bezug auf die Privatindustrie. Der Resolution Albrecht wegen der Tarifverträge können wir nicht zustimmen, schon weil ihre Fassung viel zu unklar und kautschukartig ist. Auf unsere Reichspostverwaltung können wir stolz sein. Möge sie den berechtigten Wünschen der Beamten und den Ansprüchen des Verkehrs möglichst Rechnung tragen.

„Abg. Linz (Rp.): Die Teilung des Oberpostdirektionsbezirks Düsseldorf ist nur eine Frage der Zeit; denn ein Bezirk von drei Millionen Bewohnern mit seinem enormen Verkehr stellt fast un erfüllbare Forderungen an die Leistungsfähigkeit eines einzelnen Be amten, und nur eine weitgehende Dezentralisation vermag den stetigen Fortschritten wie den Individualbedürfnissen der einzelnen Bezirke Rechnung zu tragen. Bei seiner Teilung ist eine neue bergische Oberpostdirektion mit dem Sitz im Wuppertal zu bilden, der auch für die Bildung und Entwicklung eines selbständigen Scheckamts die allergünstigsten Vorbedingungen bietet. Stehen doch die beiden Städte Elberfeld und Barmen hin⸗ sichtlich des Postanweisungsverkehrs, der zum Teil dur den Scheckverkehr ersetzt werden soll, sowie dinfichtlich des Scheckverkehrs selbst unter allen rheinischen Städten fast obenan. Die Misere des gegenwärtigen Zustandes für die unteren und mittleren Beamten beruht größtenteils auf der zu geringen Zahl der verfügbaren etatsmäßigen Stellen, auf den ungünstigen Be soldungsverhältnissen, sodaß die Zahl der Anwärter aufs äußerste einzuschränken ist. Die an und für sich berechtigte Forde⸗ rung der Postverwaltung im Interesse der Korrektheit, Sicher⸗ heit und Schnelligkeit des Betriebs über eine größere Zahl von Bewerbern verfügen zu können, findet ihre Grenze an dem sozialen Gesichtspunkte der Möglichkeit der Verwendung. Für die Forderung der Assistenten, die Oberassistentenstellen als Beförderungsstellen gewertet zu sehen, ist ein klagbarer Anspruch nicht vorhanden; um so durchschlagender aber sind die Billigkeitsgründe, die zugunsten dieser Beamtenkategorie geltend gemacht werden können, und die für sie, wie für die Unterbeamten bei Regelung der Besoldungsverhältnisse eine andere Normierung des Anfangs⸗ und Endgehalts als berechtigt erscheinen ließen. Die Gefahr, durch Annahme der Assistenten⸗ forderung auf Umwegen das frühere System der Remunerationen und Zulagen wieder in das Reichsbudget einzuführen, liegt nicht vor, da es sich um eine absterbende Beamtenklasse handelt. Die früheren Ortszulagen für größere Städte sind bestir als ihr Ruf, da sie in vielen Fällen eine ausgleichende Wirkung auszuüben vermochten. Ihrem Wegfall ist es zuzuschreiben, daß die Gehälter der Unterbeamten in unseren Großstädten in ihren unteren Stufen keine oder doch nur eine fast belanglose Aufbesserung erfahren haben. Die Deklassierung

vorbildlich zu sein in bezug auf die Stellung der Beamten

mancher Städte hat große Unzufriedenhein erzeugt; hoffentlich

wird die eingeleitete Revision vorhandene Härten in größerem Um⸗ fange beseitigen. Die Absetzung einer größeren Zahl von Stellen für höhere Beamte bedeutet eine schwere Enttäuschung und Benachteiligung der beteiligten Kreise; die Verhältnisse der Telegraphenarbeiter und Handwerker bedürfen einer befriedigenden Lbösung. Eine Reihe von Neuerungen im postalischen Verkehr hat freudige Zustimmung in der Geschäfts⸗ und Handelswelt gefunden, dahin ist zu rechnen die Er leichterung des Drucksachenverkehrs, die Neuordnung der Bestimmunge über Nachnahme⸗Packetadressen und Nachnahmekarten, die Ueber weisung einer summarischen Zusammenfassung der Bestimmungen über den Scheckverkehr an alle Konteninhaber, die Einrichtung der Frei markenheftchen, die Organisierung eines Eilbestelldienstes durch besondere Boten nach dem Vorbilde der Messenger⸗boys⸗Institute Hinsichtlich der letzteren Einrichtung ist bei einer etwaigen Aus⸗ schaltung der Privatkonkurrenz zu verlangen, daß die Reichspost ihre Monopolstellung nicht auf Kosten des Verkehrs in der rücksichts⸗ losesten Weise zur Erzielung von Betriebsüberschüssen verwendet. Die Einführung eines europäischen Einheitstarifs von 10 oder. 10 Centimes für Briefe im Gewicht von 20 Gramm ist 8 Kräften zu fördern. Bei dem Paketverkehr nach Persien via Rußland, für den augenblicklich neben einer besonderen Adresse für jedes Postpaket 9 Inhaltserklärungen erforderlich sind, sollte die Reichsregierung einer Schikanierung unserer Handelswelt auf diplo⸗ matischem Wege entgegentreten. Um eine Unterbrechung des telegraphischen und telephonischen Verkehrs durch elementare Ereignisse fast unmöglich zu machen, ist die Anlage telegraphischer und telephonischer Kabel erforderlich. Ein telegraphisches Kabel besteht zwischen Barmen⸗Elberfeld und Cöln, ein telephonisches, das weit⸗ schauenden Bedürfnissen Rechnung tragen wollte, müßte von Berlin 1ene 8 Nene ten gelegt etwa 50 Leitungspaare en. In allen Fragen Verkehrs ß Wahl

lauten: Deutschland in . v

Staatssekretär des Reichspostamts Kraetke:

Meine Herren! Ich muß Protest dagegen einlegen, daß mein Kollege vom Schatzamt schuld daran sei, daß in dem Etat nicht die Kosten für ein Fernsprechkabel angefordert sind. Der Etat, wie er vorliegt, ist mit meiner Zustimmung so aufgestellt.

Der Herr Vorredner hat ganz richtig ausgeführt, die moderne Technik war bis vor kurzem nicht so weit, um unterirdische Kabel für Fernsprechzwecke auf längere Strecken herzustellen. Man wird daher auch jetzt noch nicht in der Weise vorgehen können, daß man gleich Kabel bis Essen usw. legt, sondern man muß Versuche machen. Wir haben Erkundigungen eingezogen, und es unterliegt der Erwägung, bis zu welchen Strecken man solche Versuche macht. Wir streben das an, um für alle Fälle bei Witterungsereignissen den Fernverkehr auch telephonisch sicherzustellen. Es ist den Herren bekannt, daß wir für Telegraphen⸗ zwecke ein unterirdisches Netz haben. Aber wir erstreben es auch für Fernsprechzwecke an. Das ist erst möglich, durch Einschaltung von Papinrollen. Früher war das nicht ausführbar, aber jedenfalls ist es mit meiner vollen Zustimmung geschehen, daß in diesem Etat noch kein Kabel aufgenommen worden ist. Die Nachricht, daß Elberfeld jetzt schon in eine andere Wohnungsgeldstufe gekommen ist, ist mir un⸗ bekannt. Wie schon in der Budgetkommission ausgeführt ist, finden Ermittlungen statt, ob eine Deklassierung von einzelnen Orten not⸗ wendig ist. Diese Ermittlungen müssen sehr umfangreich sein. Wie den Herren bekannt ist, haben seinerzeit die Deklassierungen auch auf Grund eingehender Ermittlungen stattgefunden, und man ist natürlich jetzt auch verpflichtet, wieder Ermittlungen anzustellen, ob nun wieder eine Aenderung notwendig ist. Ich würde ebenso wie der Herr Vor⸗ redner und viele meiner Beamten mit Freuden begrüßen (Abg. Linz: Bravo!), wenn sich eine solche als möglich herausstellt, weil es ja ganz zweifellos ist, daß viele Beamte, die einen höheren Wohnungsgeldzuschuß gehabt haben, nun mit diesem Faktor auch weiter gerechnet haben. Ich möchte dann dem Herrn Vorredner auch erwidern, daß ein Heiratskonsens seitens der Reichspostverwaltung nicht gefordert wird; dazu wären wir gar nicht berechtigt.

Es würde mir leid tun, wenn sich herausstellte, daß die Ver⸗ hältnisse des Sonntagsdienstes zwischen nahegelegenen Orten so sind, wie der Herr Vorredner angeführt hat, in Burgdorf 12—1 Uhr und in einem nahegelegenen Orte 11—12 Uhr, weil durch Verfügung von uns angeordnet ist, daß man so viel als möglich dahin wirken soll, daß nahegelegene Orte möglichst die gleiche Zeit für Fernsprech⸗ zwecke haben.

Daß für Nachnahmepakete immer für jedes Paket eine Adresse ausgefertigt werden muß, ist immer gewesen und muß sein zur Ver⸗ einfachung des Betriebs, weil man sonst nie weiß, auf welchem Pakete lastet diese oder jene Nachnahme, es können leicht Verwechslungen vorkommen und die Beamten sowie die Verwaltung könnten haftpflichtig gemacht werden. Das ist ganz richtig, wie der Herr Vorredner an⸗ geführt hat, daß die Stempelmaschinen, die manchen Vorteil bieten, klarere und deutlichere Stempel, auch Nachteile haben und daß diese Nachteile sich besonders bei Postkarten geltend machen; wir sind seit langer Zeit beschäftigt, eine Maschine zu ermitteln, die bei Postkarten die linke Seite vom Stempel frei läßt, und ich hoffe, daß es auch gelingen wird.

Der Herr Vorredner hat sich sehr freundlich über die Marken⸗ heftchen geäußert und dabei dem Wunsch Ausdruck gegeben, es möchten noch Heftchen mit höheren Beträgen herausgegeben werden. Ich glaube, ihm die Erfüllung dieses Wunsches nicht in Aussicht stellen zu können mit Rücksicht auf die vielen Uebergaben, die zwischen Beamten bei Ablösungen stattfinden. Wir müssen alle zu verkaufenden Gegenstände einfach gestalten und nicht zu viel Sorten haben, es macht viel Mühe; wer für 4 Marken haben will, möge 2 Heftchen kaufen.

Was den Wunsch der Bausekretäre auf Anrechnung der Zeit betrifft, die sie als Architekten im Vertragsverhältnis zurückgelegt haben, so sind ähnliche Wünsche auch bei manchen anderen Beamten geltend gemacht. Die Frage kann nur für alle Ressorts erledigt werden und unterliegt der Prüfung.

Dann hat der Herr Vorredner den Wunsch ausgesprochen, in seinem Bezirk möglichst eine neue Oberpostdirektion einzurichten. Ich möchte gerne die Erfüllung dieses Wunsches zusagen, weil sich dann Gelegenheit böte, die schlechten Beförderungsverhältnisse der Beamtern etwas zu verbessern; ich muß aber mit Rücksicht auf die früheren Er⸗ örterungen, die hier stattgefunden haben, erklären, daß wir bei unsere Finanzlage, solange es noch möglich ist, den Dienst gut wahrzunehmen, keine kostspieligen neuen Behörden schaffen können.

Ich möchte noch auf einzelne Wünsche des Herrn Abg. Dr. Strese⸗ mann zurückkommen. In erster Linie hat er wieder hier den Beirat erwähnt. Ich glaube aber, daß er mich hier etwas unrichtig taxiert hat, als er sagte, ich hätte mich energisch gegen den Beirat gesträubt. Ich habe nur hervorgehoben, ich stehe dem Beirat ziemlich gleich⸗

gültig gegenüber. Ich habe, da ich über 10 Jahre Beiräten als Mit⸗