beseelt sind. Der Lehrermangel ist erfreulicherweise im Rück⸗
ange. Von einer gänzlichen Beseitigung des Lehrermangels
ann aber noch nicht gesprochen werden. In einigen Landes⸗ teilen haben wir noch eine hohe Zahl von überfüllten Klassen, und gerade in den zweisprachigen Landesteilen; gerade im Interesse des Deutschtums kann es nicht zugelassen werden, daß ein Lehrer bis zu 200 Kinder unterrichtet. Wir müssen auch mit besserer Be⸗ zahlung für eine Vermehrung der Lehrer sorgen. Die Ausbildung unserer Lehrer ist früher nicht genügend gewesen; es sind jetzt
Fortbildungskurse in Posen und Berlin eingerichtet; und wir werden diese Kurse noch vermehren müssen. Zu dem Universitäts⸗ studium können wir nicht alle Lehrer zulassen, das wäre ein Danaer⸗ geschenk für die Lehrer selbst; es können dafür nur die besten Kräfte in Betracht kommen. In der Besoldungsfrage ist das Ziel, fried⸗ liche Zustände im Lehrerstande herbeizuführen, im allgemeinen erreicht worden, aber in bezug auf die Amtszulage für die Rektoren, deren Festsetzung nicht durch das Gesetz erfolgt, sondern der Ver⸗ waltung überlassen worden ist, ist vielfach der Bedeutung und den Leistungen des Amtes nicht Rechnung getragen worden, es ist der Minimalsatz für die Zulage zu einem Normalsatz gemacht worden. Die Besoldung der Rektoren und Hauptlehrer muß der Bedeutung der Stelle entsprechen, und es darf auch nicht vorkommen, daß die Rektoren zweier benachbarter Orte, wie z. B. in meinem Wahlkreise, verschiedene Amtszulagen bekommen. Die Besoldung der Lehrer ist auf eine neue und gerechte Grundlage gestellt worden, die früheren Ungleichheiten sind ausgeglichen worden, aber es muß noch ein Aus⸗ gleich zwischen den Altpensionären und Neupensionären geschaffen werden. Ferner ist es gar nicht zu verstehen, wie die Regierung in bezug auf die Umzugs⸗ und Reisekosten die Lehrer den Unterbeamten gleichstellen konnte. Das entspricht in keiner Weise der Stellung der Lehrer und muß geändert werden. Die Lehrer können ferner verlangen, daß die Aufsicht von
Fachmännern wahrgenommen wird. Die Kommission hat den Zentrumsantrag in konservativer Form, wonach auch bei ver⸗ mehrter Einführung des Rektorensystems der geistliche Einfluß auf die Schule sichergestellt werden soll, angenommen. Ich billige durchaus die Absicht der Regierung, das Rektorensystem in sechsklassigen Schulen mehr zur Durchführung zu bringen, und ich bitte, die An⸗ forderungen an die Hauptlehrer beim Rektorenexamen nicht zu hoch zu spannen aber der Antrag will lediglich durch eine Hintertür die geistliche Schulaufsicht auch für die Rektoratsschulen einführen. Dem müssen wir im vollsten Maße widersprechen; es ist ein Mißtrauen gegen die Rektoren und die Lehrer, das im höchsten Grade ungerecht ist. Unsere Rektoren können selbst dafür sorgen, baß die Religion und der christliche Geist in der Schule erhalten bleiben. Ein Be⸗ dürfnis für eine solche Häufung von Schulaufsicht liegt nicht vor. Das Band zwischen der Kirche und der Schulaufsicht ist ja noch in keiner Weise durchschnitten; es besteht in der gesetzmäßigen
Beiordnung der Geistlichen in den Schulvorständen und in den Schul⸗ deputationen der Städte, sowie in der Einwirkung der Kirche auf
den Religionsunterricht. Im übrigen hat die Kirche kein Recht für Schulaufsicht; wenn man die Geistlichen in der Schulaufsicht
behalten hat, so ist das historisch zu erklären, weil der Geistliche früher die einzig geeignete Person war. Ein Bedürfnis, neben dem
Rektorat auch noch die geistliche Schulaufsicht einzuführen, ist
ꝛach keiner Richtung gegeben. Ich bitte also, den Zentrumsantrag nit großer Mehrheit abzulehnen. Sollte er angenommen werden, so
ich, daß die Erwägungen der Regierung darüber völlig negativ verlaufen werden. Für die Erweiterung des Turnunterrichtes bin ich durchaus, aber der deutsche Unterricht darf darum nicht gekürzt werden, und in diesem Sinne bin ich für den Zentrumsantrag. Die
Religion sitzt in den Herzen, und der Religionsunterricht muß, wenn er dauernde Früchte tragen soll, so gegeben werden, daß er die Herzen der Kinder ergreift. Dazu müssen die Lehrer von Herzen geben können, damit sie an die Herzen der Kinder herankommen.
4* Abg. Freiherr von Erffa (kons.) bittet den Präsidenten, den Freitag für die Budgetkommission freizulassen, damit diese die Beratung des Kultusetats weiter fördern könne, und statt dessen heute eine Abendsitzung anzusetzen. 8
Präsident von Kröcher erklärt sich dazu bereit.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch ist mit der Abhaltung einer Abendsitzung unter der Bedingung einverstanden, daß über die Anträge heute abend nicht abgestimmt wird, da viele Abgeordnete sich nicht auf eine Abendsitzung hätten einrichten können.
Abg. Dr. Friedberg (nl.) schließt sich dem Vorredner an.
. Abg. Ern t (fortschr. Volksp.) erhebt gegen die Abhaltung einer
Abendsitzung mit Rücksicht auf den parlamentarischen Abend beim
Minister des Innern Widerspruch und empfiehlt, lieber in der nächsten
Woche zwei Abendsitzungen abzuhalten. 3 1
Abg. Dr. Porsch (Zentr.) meint, daß die Abendsitzungen in der nächsten Woche dem Hause auch nicht erspart bleiben würden.
Bei der Abstimmung entscheidet sich das Haus für die Abhaltung einer Abendsitzung.
Abg. von Ditfurth (kons.) beantragt zur Geschäftsordnung, den Titel für die Kreisschulinspektoren an die Geschäftsordnungs⸗ kommission zurückzuverweisen, um über die von der Kommission ge⸗ strichene Stelle des hauptamtlichen Kreisschulinspektors in Rinteln nochmals zu beraten.
Um 4 ½⁴ Uhr wird darauf die Sitzung bis 7 ½ Uhr
Abends ausgesetzt.
1 yAKbendsihung vom 9. März, 7 Uhr. Das Haus setzt die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsange⸗ legenheiten, und zwar die allgemeine Debatte über das Kapitel des Elementarunterrichtswesens fort.
Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten von Trott zu Solz:
Meine Herren! Durch den unerwartet kommenden frühzeitigen Schluß der heutigen Nachmittagssitzung ist es mir noch nicht möglich gewesen, zu der Volksschulverwaltung zu sprechen und auf die Reden, die aus dem Hause zu diesem Teil meines Etats gehalten worden sind, zu erwidern. Ich habe deshalb, um das zu tun, gleich zu Beginn dieser Sitzung um das Wort gebeten.
Meine Herren, ich kann im allgemeinen für die Beurteilung nur dankbar sein, die unser Volksschulwesen bei den bisherigen Herren Rednern gefunden hat. Die Herren haben anerkannt, daß auf diesem Gebiete eine fortschreitende Entwicklung zu verzeichnen ist, und haben mit Recht auf die Zahlen hingewiesen, die im Etat zur Förderung des Volksschulwesens ausgeworfen sind. Ich glaube in der Tat auch, daß man dieses Urteil fällen kann.
Ich möchte dabei nicht unterlassen, auf die Schul⸗ ausstellung in Brüssel hinzuweisen. Ich habe sie jetzt in Berlin zur Aufstellung bringen lassen und hoffe, daß die Herren sie besuchen und sich dort auch davon überzeugen, daß mit Recht der Eindruck, den diese Ausstellung in Brüssel gemacht hat, sehr gut war. Es war für den preußischen Unterrichtsminister bei dem Besuch dieser Ausstellung eine Freude, zu hören, wie allgemein die Anerkennung war, die die preußische Schul⸗ verwaltung dort, namentlich auch von Ausländern, fand.
Nun, meine Herren, sind von den Herren Rednern an diese an⸗ erkennenden Worte doch auch Vorbehalte geknüpft worden; es ist darauf hingewiesen worden, daß manches doch nicht so sei, wie es sein müsse, daß in unserer Schulverwaltung doch auch Mißstände vorhanden
keineswegs, daß nun bei uns im Schulwesen schon alles zum besten bestellt wäre, und daß ich mich ruhig auf den Lorbeeren meiner Herren Amtsvorgänger ausrüuhen könnte. Es ist insbesondere auf die noch vorhandenen Mißstände in den gemischtsprachigen Gebiets⸗ teilen unserer östlichen Provinzen hingewiesen worden und darauf, wie groß noch die Zahl der Schüler in den einzelnen Schulen und Klassen sei, wie sehr es da noch der Abhilfe bedürfe. Das ist durchaus zutreffend. Niemand kann mehr als die Unterrichts⸗ verwaltung bedauern, daß die Zustände dort noch nicht besser sind, als es zurzeit der Fall ist. Aber, meine Herren, auf das, was ich schon im vorigen Jahre darüber hier hervorgehoben habe, möchte ich auch heute nochmals hinweisen; wenn Sie diese Verhältnisse be⸗ urteilen, dann dürfen Sie nicht unterlassen, zurückzublicken und in Vergleich zu stellen, wie die Dinge vor zehn und zwanzig Jahren waren; dann wird Ihr Urteil milder sein. Es sind dort in der Tat für die Schulverwaltung außerordentlich große Schwierigkeiten zu überwinden. Insonderheit erschwert es den Fortschritt, daß es uns dort an geeigneten Lehrern fehlt. Wir haben Mangel an Lehrern, die die polnische Sprache beherrschen, und das erschwert vielfach, die Klassen zu teilen und die Frequenzziffer in den einzelnen Klassen herabzumindern. Es wird aber nach wie vor das ernste Bemühen der Unterrichtsverwaltung sein müssen, dort Wandel zu schaffen.
Wenn darauf hingewiesen worden ist, daß die Verbesserung unserer Schulverhältnisse nach der Richtung hin, daß die Klassenfrequenzen herabgesetzt werden, wesentlich auch dadurch erschwert werde, daß wir das konfessionelle Prinzip in der Volksschule haben, so halte ich diesen Einwand nicht für zutreffend. Denn die wenigen Zwergschulen, die infolge dieses Prinzips bestehen, fallen nicht erheblich ins Gewicht, zumal unter der Zahl dieser Zwergschulen auch die jüdischen Schulen enthalten sind, von denen eine nicht geringe Zahl auf diese Zwergschulen entfällt.
Was mich besonders sympathisch in den Reden, die bisher zu diesem Teile meines Etats gehalten worden sind, berührt hat, das ist das Wohlwollen für unsere Lehrerschaft, welches aus allen Reden hervorging. Sie können es verstehen, daß das der Unterrichts⸗ minister mit Freude vernimmt, weil er darin nur eine wefent⸗ liche Erleichterung seiner Aufgaben der Lehrerschaft gegenüber erblicken kann, die natürlich auch darin besteht, das Seinige zu tun, um berechtigte Wünsche der Lehrerschaft zu erfüllen, soweit das mit wichtigen andern Staatsinteressen irgend vereinbar ist. Und es ist ja auch in der Tat für die Schulverwaltung von der aller⸗ größten Bedeutung, eine gute Lehrerschaft zu haben, eine von idealem und ernstem Sinne getragene Lehrerschaft; denn wir können noch so viel für unsere Schulen tun, noch so große Summen aufwenden, wenn wir nicht eine Lehrerschaft haben, die ihre Aufgabe voll erfüllt, dann werden diese großen Ausgaben nicht ihren vollen Zweck erfüllen können. Deshalb ist es von der größten Bedeutung, die geeigneten Einrichtungen für die Ausbildung unserer Lehrer zu treffen.
Es ist mit Recht von den Herren Vorrednern darauf hingewiesen worden, von welcher Bedeutung es für das Volksschulwesen ist, daß an den Seminaren der richtige Geist herrscht, daß doch diejenigen Einrichtungen getroffen werden, welche dazu dienen, die Lehrerschaft in der gehörigen Weise für ihre Zukunft auszubilden. Es ist ins⸗ besondere darauf hingewiesen worden, daß es doch zweckmäßig wäre, die Präparandien mit den Seminaren in engere Verbindung zu bringen. (Sehr richtig!) Ich erkenne das bis zu einem gewissen Grade an. Wir haben ja tatsächlich eine organische Verbindung schon jetzt, und ich will nicht bestreiten, daß es vielleicht möglich und gut ist, die bestehende organische Verbindung zwischen diesen beiden Schulen noch etwas enger zu gestalten. Ob es aber richtig sein würde, Präparandie und Seminar völlig zu einem Schulsystem zu machen, das steht doch immer noch dahin. Auch die jetzige Einrichtung hat ihre Vorteile. Wenn Sie daran denken, daß ein junger Mensch von 14 Jahren doch noch wenig in der Lage ist, zu übersehen, was der Lehrerberuf, den er erwählt, eigentlich zu bedeuten hat, so werden Sie es für ganz zweckmäßig halten, daß da noch eine gewisse Vorschule besteht, die Präparandie, in der man auswählen, die jungen Leute gewissermaßen noch durchsieben kann, um sie dann erst in einem höheren Alter, drei Jahre später, auf das Semiuar zu übernehmen und sie dort endgültig ihrem zukünftigen Berufe vorbereitend zuzu⸗ führen. Es spricht also auch manches für die gegenwärtige Einrich⸗ tung. Auch ist die Besorgnis, daß wir an den Präparandien nur ganz junge Lehrer hätten, doch nicht voll berechtigt. An der Spitze dieser Anstalten stehen bewährte Vorsteher, unter deren Leitung dann die jüngeren Lehrer auch Gutes dort leisten. Ein gewisser Wechsel liegt auch im Interesse der Schulverwaltung. Gerade die Lehrer an den Präparandien werden die geeigneten zukünftigen Seminar⸗ lehrer sein.
Ganz gewiß wird die größte Sorgfalt auf die Ausgestaltung der Seminare zu legen sein, und wenn in diesem Zusammenhang schon in der Kommission und auch in diesem hohen Hause der Wunsch ausgesprochen worden ist, daß doch an den Seminaren noch ein zweiter Oberlehrer angestellt werden möchte, so sind die Gründe, die dafür angeführt worden sind, für mich doch von solchem Gewicht ge⸗ wesen, daß ich aus den Verhandlungen in der Kommission Anlaß ge⸗ nommen habe, über diese Angelegenheit von neuem mit der Finanz⸗ verwaltung in Erörterung zu treten. (Bravo!)
Nicht weniger wichtig oder beinahe ebenso wichtig wie die Aus⸗ bildung unserer zukünftigen Lehrer ist die Fortbildung der Lehrer. Ich habe gerade diesem Zweige meine besondere Aufmerksamkeit zu⸗ gewandt, weil ich der Ansicht bin, daß es zur Hebung unseres Volksschulwesens vor allem darauf ankommt, die Lehrerbildungs⸗ anstalten entsprechendd zu organisieren und entsprechende Kräfte an diesen Lehrerbildungsanstalten zu haben. Es kommt deshalb darauf an, die Lehrer so feortzubilden, daß sie geeignet zu tüchtigen Seminarlehrern werden. Ich habe aus dem Grunde die Frage eingehend prüfen lassen. Sie wissen, daß wir in Berlin einen solchen Fortbildungskursus haben, ebenso in Posen, und ich beabsichtige, im nächsten Etat die Mittel zu erbitten für einen dritten solchen Kursus im Westen. Wir sind nach den Erfahrungen auf diesem Gebiete jetzt dazu gekommen, für diese Kurse auch ein bestimmtes System aufzustellen, von dem wir hoffen, daß es dem Zwecke dienlich sein wird. Es werden an den Kursen der Lehrer beschäftigt Hochschullehrer und praktische Schulmänner — gerade diese Verbindung halte ich für sehr zweckmäßig; denn es kommt bei den Kursen darauf an, die Lehrer für ihren zukünftigen Beruf vorzubilden;
wären. Meine Herren, das ist mir sehr wohl bekannt. Ich denke
besteht darin, daß gewisse Fächer, wie Pädagogik, Hygiene, Leibesübungen, von allen zu hören sind, dann aber der Unterrichtsstoff sich in zwei Richtungen gabelt: auf der einen Seite die historisch⸗sprachliche Richtung, auf der andern Seite die mathematisch⸗naturwissenschaftliche. Es steht den Lehrern frei, welche von beiden sie auswählen wollen. Wir haben das getan, weil wir glauben, daß es richtiger ist, das Gebiet des Unterrichts zu begrenzen und zu vertiefen, als es zu verallgemeinern und eventuell zu verflachen.
Es ist von einem der Herren Vorredner getadelt worden, daß zu diesen Kursen die Lehrer von den vorgesetzten Behörden ausgesucht und gewissermaßen kommandiert werden. Das ist ein Irrtum; es ist den Lehrern vollständig freigestellt, sich zu melden, und nur wenn die Zahl der Meldungen zu groß ist, wird, wie es nicht anders geht, eine Auswahl getroffen, und diese Auswahl nimmt dann natürlich die Regierung vor. Es ist also jedem Lehrer freigestellt, sich zu diesem Kursus zu melden; auch ist es nicht ausgeschlossen, daß viel⸗ leicht an diesen Kursus eine Abgangsprüfung angeschlossen wird. Es würden dann diejenigen, welche eine solche Abgangsprüfung bestanden haben, in erster Linie dazu ersehen sein, demnächst als Seminarlehrer angestellt zu werden, in den Seminar⸗ dienst einzutreten, wie denn überhaupt für diese Kategorie von Lehrern, welche sich in der Weise fortgebildet haben und außerdem in der Praxis bewährt haben, diejenigen Stellen namentlich offen stehen würden, die für sie ein Aufsteigen in ihrer Karriere be⸗ deuten. Ich denke da an die Seminarlehrer, an die Mittelschullehrer an den höheren Schulen, Kreisschulinspektoren, Rektoren.
Da ich die Rektoren erwähnt habe, so möchte ich gleich zu einer Bemerkung, die heute morgen gefallen ist, sagen, daß es nicht aus⸗ geschlossen ist, den Leiter einer Schule, der in älteren Jahren steht und sich durch langjährige Praxis als tüchtiger Schulmann bewährt hat, auch ohne Examen zum Rektor zu befördern. 8
Da ich bei den Rektoren bin, so möchte ich mir wenigstens einige Worte erlauben über das Rektorensystem, das hier von einigen Seiten Angriffe gefunden hat. Ich habe meine Stellung zu diesem System im vorigen Jahre in diesem Hause des weiteren dargelegt. Ich habe seitdem eine Aenderung meiner Stellung nicht vornehmen können. Ich habe Ihnen damals gesagt, daß dieses System keineswegs eine neue Erfindung ist, sondern daß an seiner Durchführung bereits seit 20 Jahren gearbeitet wird. Man hat absichtlich nur allmählich die Angelegenheit durchgeführt, um nach Möglichkeit schonend vorzugehen. Nachdem wir nun aber am Ende dieser Ent⸗ wicklung stehen, nachdem nur wenige sechs⸗ und mehrklassige Schulen das Rektorensystem noch nicht haben, wird es schon allein aus äußere Gründen unmöglich sein, an dieser Angelegenheit wieder etwas zu
Das System
8
wieder anders zu gestalten, als es bisher der Fall war. Ich glaube nicht, daß wir an dieser Sache etwas ändern können, zumal die Ten⸗ denz, die von mancher Seite mit dieser Angelegenheit verbunden wird, keineswegs besteht. Die Einrichtung erfolgt lediglich aus schultechni⸗ schen Gründen. Ich habe die Gründe dafür ja auch schon hier vor⸗ getragen. Wir bedürfen an der Spitze einer sechs⸗ und mehrklassigen Schule eines Leiters, der tagtäglich in der Schule ist, der die Aufsicht
geschieht, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Schule steht. Wir haben auch nach den Erfahrungen, die bisher gemacht worden sind, keineswegs über die Rektoren zu klagen. Alles, was ich darüber höre, lautet gut; sie erfüllen ihre Aufgabe und fördern die Schule in dem Geist, in dem wir die Volksschule gefördert zu sehen wünschen. Meine Herren, durch die Gehaltsverbesserungen der letzten Jahre, an denen Sie ja so erheblich mitgewirkt haben, sind für unsere Lehrer die Gehaltsverhältnisse in einer Weise geregelt, daß in der Tat aller Grund vorhanden ist, in der Lehrerschaft Zufriedenheit hervorzurufen Das ist auch — ich möchte dies hier aussprechen — im großen und ganzen erreicht worden; mir sind wiederholt Aeußerungen zu Ohren gekommen, daß die Lehrerschaft anerkennt, was für sie geschehen ist, und daß sie dafür dankbar ist. Gewisse Ungleichheiten bestehen ja noch und werden auch immer bestehen bleiben. Das ist auch gar nicht zu verwundern. Wenn Sie sich vergegen⸗ wärtigen, um welches große Staatsgebiet es sich handelt, wenn Sie sich vergegenwärtigen, wie verschiedenartig die Verhältnisse sind, wenn Sie den Westen und den Osten, die Großstadt und das platte Land nehmen, so ist es gar nicht anders möglich, als daß gewisse Verschiedenheiten in den Bezügen der Lehrer bestehen bleiben müssen, und das haben Sie auch anerkannt, als Sie das Lehrer⸗ besoldungsgesetz hier verabschiedeten. Sie haben vorgesehen, daß unter gewissen Voraussetzungen den Lehrern eine Ortszulage gewährt werden soll, daß also eine gewisse Verschiedenheit in den Bes ldungsbezügen der Lehrer stattfinden soll. Sie haben aber auch bestimmt, daß die Gewährung von Ortszulagen von Beschlüssen der Gemeinde abhängig sein soll. Diejenigen Gemeinden, die nach dem Gesetz berechtigt sind, solche Ortszulage zu bewilligen, haben von dieser Berechtigung auch in großem Umfange Gebrauch gemacht. Freilich ist das nicht überall geschehen. Aber da muß man doch auch bedenken, daß in der Tat manche dieser Gemeinden sich in sehr schwierigen finanziellen Verhält⸗ nissen befinden. Ich kenne Beispiele, wo an und für sich die Gemeinden durchaus bereit gewesen wären, ihren Lehrern diese Orts⸗ zulagen zu gewähren, wo sie sich dazu aber schlechterdings aus finanziellen Gründen wegen ihrer finanziellen Belastung nicht ent⸗ schließen konnten. Es ist auch ganz richtig, was von einem der Herren Vorredner hervorgehoben worden ist, daß die Ergänzungszuschüsse von den Orts⸗ zulagen völlig unabhängig sind. Die Ergänzungszuschüsse sollen dann gegeben werden, wenn eine Gemeinde nicht imstande ist, die ihr entstehenden Schullasten aus eigenen Mitteln zu tragen. Ich glaube, ich habe schon früher hervorgehoben, daß nun nicht etwa aus dem Grunde, weil eine Gemeinde ihren Lehrern Ortszulagen bewilligt hat, ihr der Ergänzungszuschuß nicht gegeben werde. Auch diejenigen Gemeinden, die Ortszulagen bewilligt haben, haben, wenn sie leistungschwach waren, die Ergänzungszuschüsse erhalten. Der Ergänzungszuschuß ist also keineswegs benutzt worden, um nach der einen oder andern Rich⸗ tung hin auf die Gemeinden einzuwirken. Das war, glaube ich, von einem der Herren angedeutet worden, das entspricht aber den Tatsachen nicht, soweit ich über sie orientiert bin. In Verbindung mit den Ortszulagen ist dann die Frage der
es muß also diese Fortbildung meines Erachtens einen berufsmäßigen Charatter habeinennnemesrneöö“ “
12 — 27.5 2 75 2 . 8 Mietsentschädigung erörtert worden. Auch auf diesem Gebiete, meine
Herren, haben Sie im Gesetz eine Verschiedenheit der Regelung mit voller Absicht vorgesehen, weil man mit Recht sagte: die Dinge liegen in den verschiedenen Teilen der Monarchie sehr verschieden, und da entspricht es der Sachlage, daß diese Angelegenheit auch verschieden geregelt wird. Nun hatte sich bei der erstmaligen Regelung dieser Frage allerdings ergeben, daß zwischen den einzelnen Provinzen doch sehr er⸗
schiedenheit der Verhältnisse nicht völlig begründet erschienen. In⸗
Provinzen herbeizuführen.
ändern. Es ist unmöglich, die Stellung von so zahlreichen Rektoren
führt und das Lehrerkollegium zusammenhält. Es ist unmöglich, daß das namentlich dann, wenn die Klassen sich noch steigern, von einer Persönlichkeit
8 arten darf.
hebliche Verschiedenheiten entstanden waren, die durch die Ver⸗ folge der Neuregelung der Tarife im Reiche ist es aber erforderlich geworden, auch die Beschlüsse der Provinzialräte über die Mietsent⸗ schädigungen von neuem zu fassen, und bei dieser zweiten Beschluß⸗ fassung der Provinzialräte sind, soviel ich weiß, die Ungleichheiten, die sich bei der ersten Beschlußfassung ergeben hatten, nach Möglichkeit ausgeglichen worden. Es sind auch die Oberpräsidenten von mir noch vor diesen Beschlüssen ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß sie sich mit ihren benachbarten Kollegen in Verbindung setzen möchten, um möglichste Gleichmäßigkeit dieser Angelegenheit in den benachbarten
Der Herr Abg. Freiherr von Zedlitz hat sich mit einer gewissen Schärfe, gegen die Regierung gewendet, daß sie nicht den Wünschen entsprochen habe, die hier im Hause oder in der Kommission schon hervorgetreten wären, und dahin gingen, daß für die Lehrer die Reiseunkosten im Falle einer Versetzung im Interesse des Dienstes nach Maßgabe der Bestimmungen für die Staatsbeamten festgesetzt würden. Meine Herren, Sie haben bei der Gehaltsregulierung der Lehrer in Uebereinstimmung mit der König⸗ lichen Staatsregierung an dem Grundsatz festgehalten, daß die Lehrer eine besondere Kategorie für sich bildeten, daß sie nicht in irgend⸗ welchen Vergleich mit den übrigen Beamten zu stellen wären. Das ist überall festgehalten worden, und ich glaube, das ist auch richtig gewesen, und ich würde es für bedenklich halten, wenn man von diesem Grundsatz abweichen wollte. Die Dinge lassen sich nicht ohne weiteres vergleichen; es geht durch unsere Gesetzgebung hindurch, daß der Lehrer einen besonderen Stand für sich bildet. Kält man aber an diesem Grundsatz fest, dann wird man auch nicht in der Reiseunkosten⸗ entschädigung einfach die Lehrer in eine bestimmte Kategorie von Be⸗ amten einrangieren dürfen; denn damit würde man das Prinzip durch⸗ brechen, und das würde zu Folgerungen führen, die von großer Tragweite wären. Wir haben deshalb die Sätze für die Reiseentschädigung, unabhängig von denjenigen für die Be⸗ amten festgesetzt. Auch haben wir geglaubt, daß mit den Sätzen, die wir eingestellt haben, ausreichend für diesen Zweck gesorgt sei. Da nun auch von verschiedenen Seiten Bedenken erhoben worden in bezug auf die Höhe der Sätze, so bin ich bereit, die bestehenden Sätze noch einmal einer Prüfung unterziehen zu lassen. Aber ich glaube mich doch mit Nachdruck dagegen wehren zu müssen, die Lehrer einfach in eine der Beamtenkategorien mit deren Sätzen einzureihen.
Dann sind auch verschiedene Herren auf die Altpensionäre ein⸗ gegangen. Meine Herren, zu meiner Freude ist es mir gelungen, von dem Herrn Finanzminister für die Altpensionäre 300 000 ℳ mehr in den Etat eingestellt zu erhalten. Das ist immerhin eine Summe, mit der man auf diesem Gebiete etwas machen kann. Es bedeutet, daß die bedürftigen Altpensionäre in ihren Bezügen durchschnittlich um etwa 30 % erhöht werden, und daß sie dann mehr an Pension be⸗ ziehen werden, als sie vorher an Gehalt hatten. Ich glaube also, daß es in der Tat möglich sein wird, damit den Wünschen, die aus diesen Kreisen hervorgehen, zu entsprechen. Ich habe auch in meiner Verfügung an die Regierung ausdrücklich hervorgehoben, daß man bei
der Festsetzung der Bezüge aus diesem Fonds nicht kleinlich vorgehen, nicht ängstlich in die Verhältnisse der Altpensionäre eindringen soll, sondern daß man sich damit begnügen soll, die von ihnen bezogenen Pensionen zugrunde zu legen und dann nach der allgemeinen Kenntnis ihrer Verhältnisse die Bezüge festzusetzen. Es soll milde und liberal verfahren werden, und ich glaube, wir kommen ganz gut auf diesem Wege durch, sodaß wir eine gesetzliche Regelung dieser Angelegenheit nicht brauchen werden.
Meine Herren, der Herr Abg. von Campe hat hier einen Fall vorgetragen, nach dem von einer Regierung einem alten wohlverdienten Lehrer plötzlich und ohne Grund ein 27 jähriger Hauptlehrer vor die Nase gesetzt worden sein soll. Nähere Angaben über die begleitenden Umstände hat der Herr Abgeordnete nicht gemacht. Ich möchte ihm doch zur Erwägung geben, ob es zweckmäßig ist, in solcher Form einen der⸗ artigen Fall hier von der Tribüne herab zu berühren. (Sehr richtig! rechts.) Er kann doch nicht annehmen, daß eine Regierung ohne Grund einen alten verdienten Lehrer in der Weise kränken und ihm einen 27 jährigen Hauptlehrer vor die Nase setzen wird (Abg. Dr. von Campe: Das habe ich nicht gesagt); es müssen doch irgendwelche Um⸗ stände vorliegen, die ihm nicht bekannt gewesen zu sein scheinen. Aber ich glaube, er hätte sich wohl denken können, daß das ohne weiteres nicht richtig sein kann, und wenn er die Güte gehabt hätte, mir davon Mitteilung zu machen, würde ich gern bereit gewesen sein, diesen Fall aufzuklären und, wenn nötig, Remedur eintreten zu lassen. Wenn aber ein solcher Fall hier von der Tribüne dieses Hauses herab in das Land hinausgetragen wird, dann muß das doch verstimmend auf unsere Lehrerschaft einwirken: es muß ihnen das Vertrauen zu ihren Vor⸗ gesetzten nehmen. Und das ist gewiß nicht die Absicht des Herrn von Campe gewesen. Deshalb habe ich geglaubt, ihm zur Erwägung stellen zu dürfen, ob es nicht besser wäre, es in Zukunft zu unterlassen⸗ so wie heute zu verfahren.
Meine Herren, es kommt so unendlich viel darauf an, daß die Lehrerschaft Vertrauen zu ihren Vorgesetzten hat; darauf lege ich den allergrößten Wert. Die Lehrer sollen versichert sein, daß ihre In⸗ teressen von den Vorgesetzten gewahrt werden, und wenn sie berechtigte Wünsche haben und ihren Vorgesetzten vortragen, dann sollen sie dort ein offenes Ohr finden. Selbstverständlich werden wir Vor⸗ gesetzte bei den Lehrern auf Ordnung und Sitte halten müssen; wir werden verlangen müssen, daß die Lehrer voll ihre Schulbigkeit in der Schule tun, aber wenn ein Lehrer diesen Anforderungen entspricht, dann kann er auch versichert sein, seinen Vorgesetzten auf seiner Seite zu haben, und Wünsche, die er ihm vorträgt, werden, soweit es irgend möglich ist, erfüllt werden. (Bravo! rechts.)
Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.). Wir leugnen die Fort⸗ schritte im Volksschulwesen nicht, aber als Abgeordnete haben wir auch die Pflicht, Kritik zu üben, die allerdings nicht in Nörgelei aus⸗
f. Dem Krebsschaden der Volksschule, dem Lehrermangel, ist wenigstens bis zu einem gewissen Grade abgeholfen worden; hoffentlich gelingt es un; auch, die überfüllten Klassen zu vermindern.
besteht bei den Gemeinden eine Abneigung gegen die Lehrerinnen, weil diese viel mehr beurlaubt werden müssen als die männlichen Kollegen. Die Verbindung der Präparandenanstalten mit den Seminaren zu einem sechsklassigen Seminar ist empfehlenswert; eine Durchsiebung der Schüler kann auch bei einem solchen System stattfinden. Wir wünschen eine Fortbildung der Volksschullehrer durch ihre Zulassung zum Universitätsstudium. Die zweite Lehrerprüfung muß reformiert werden, die Probelektion ist überflüssig. Der junge Lehrer in Burg bei Magdeburg, der nach seiner Ueberzeugung nicht mehr den Katechis⸗ mus lehren konnte, ist entlassen worden. Er hat mindestens Gewissen⸗ haftigkeit bewiesen, und ich möchte deshalb den Minister bitten, den jungen Mann in irgend einer andern Weise zu heschäftigen. In unserer Volksschule wird leider ein Spezialistenfystem großgezogen, und es wird viel zu viel experimentiert. In Charlottenburg hat das Mann⸗ heimer System mit den sogenannten Förderklassen für begabtere Schüler vollkommen Fiasko gemacht; man will wieder zu einem anderen System übergehen. Mit dem Zentrumsantrag auf Ver⸗ mehrung der Schulen für schwach begabte Kinder bin ich einverstanden, jedoch muß ich den Teil des Antrags ablehnen, wonach in diesen Schulen der konfessionelle Charakter gewahrt werden soll.ü Ein großer Teil der Lehrer im katholischen Lehrerverein in Baden hat sich gegen die Aufhebung der Simultan⸗ schulen erklärt. Zugunsten der dritten Turnstunde kann eine Stunde Religion aufgegeben werden; ich kann nicht für den ent⸗ gegengesetzten Antrag des Zentrums stimmen. Die Dispensationen von dem Nachmittagsunterricht müssen erschwert werden. In Berlin ist noch ein dritter Schulinspektor über die Lehrer gesetzt, das ist der Schutzmann. Die Regierung muß dagegen einschreiten, daß über Lehrer oder Rektoren durch Schutzleute Erlundigungen eingezogen werden. Die geistliche Schulaussicht verwerfen wir, wir erkennen das Recht der Kirche auf die Schule und den Satz, daß die Kirche die Mutter der Schule sei, nicht an. Wir setzen der Klerikalisierung der Volksschule entschiedenen Widerstand entgegen. Gesellschaftlich sind die Lehrer noch nicht genügend geschätzt, ihre Gleichstellung mit den Beamten der 6. Rangkasse ist eine sehr beschedene Forderung; man hat sie aber mit den Umzugskosten und der Reiseentschädigung in die 7. Klasse verwiesen. Die niederen Küsterdienste müssen den Lehrern abgenommen werden. In der Miets⸗ entschädigung bestehen große Verschiedenheiten. Bei den Schulbauten müssen die hygienischen Anforderungen mehr herücksichtigt werden. Die Ortszulagen sind noch nicht in einer Weise geregelt, wie es dem Gesetz entspricht. Was nützt es den Gemeinden, wenn sie Ortszulagen beschließen, der Regierungspräsident sie aber nicht genehmigt; Vor⸗ schulen sind nach meiner Meinung überhaupt nicht nötig; mindestens sollten sie aber da nicht zugelassen werden, wo die Volksschule noch nicht in vollkommener Weise ausgestattet ist. Ich freue mich, daß auch der Redner vom Zentrum den viel besprochenen Fall des Ver⸗ trags eines Kreisschulinspektors mit einer Papierwarenfirma verurteilt hat; es sollte auch der Postkartenvertrieb durch Lehrer untersagt werden. Heute haben die Lebrer solche Nebeneinnahmen nicht mehr nötig. Wir wünschen die Aufbesserung der Altpensionäre; rach einem Wort des Ministerpräsidenten soll es in Preußen keine Stief⸗ kinder geben. In dem Moabiter Prozeß hat der Rechtsanwalt Ulrich gesagt, daß die Berliner Volksschulen nicht zu frommem Sinn, Königstreue und Vaterlandsliebe erziehen; ich weise dieses Urteil als eine unbegründete Beleidigung der Berliner Lehrerschaft zurück. In dem Unterrichtsverfahren muß eine gewisse Freiheit gelassen werden, ich freue mich, daß ein Erlaß des Ministers dies berücksichtigt, aber es muß auch dafür gesorgt werden, daß dieser Erlaß nicht engherzig usgeführt wird. 9h bo. Stychel (Pole) führt in längeren Ausführungen Klage über die Schulzustände in den ehemals polnischen Landesteilen. Die Ostmarkenzulage demoralisiere die Lehrer; der Staat stelle zu wenig katholische Lehrer aus der polnischen Bevölkerung an; nicht einmal deutsche katholische Lehrer meldeten sich, weil es kein angenehmes Gefühl sei, wenn sich Lehrer und Kinder als Taubstumme gegenüberständen. Polnische Lehrer könnten sich erst recht nicht zu politischen Zwecken für die Germanisation gebrauchen und auf Schritt und Tritt von Spitzeln beaufsichtigen lassen. Die Germanisierungs⸗ und Protestantisierungsversuche seien eine zwecklose Schikane. Die polnische Muttersprache werde selbst beim Religionsunterricht in der Unter⸗ stufe nicht zugelassen, und frage man nach dem Grunde, so sage man einfach: „eigenartige Verhältnisse“. Nicht einmal in der Stadt Posen, wo die polnischen Kinder viel Verkehr mit den deutschen Kindern hätten, seien die polnischen Kinder der deutschen Sprache mächtig genug, ge⸗ schweige denn auf dem Lande. Der Minister müsse die Pofener Re⸗ gierung zur Abkehr von ihren Prinzipien bringen. Der Redner beschwert sich über die Verweigerung der Konzession für eine polnische Privat⸗ schule. Die Germanisierung der Volksschule in den polnischen Landes⸗ teilen sei undurchführbar. Der jetzige Kultusminister habe lobenswerte Grundsfätze, und es sei zu wünschen, daß er sich nicht in die eiserne Rüstung des unpädagogischen Schulsystems zwängen lasse. “ Unterstaatssekretär D. Dr. Schwartzkopff: Der Minister hat mich beauftragt, dem Vorredner zu antworten, soweit es nötig erscheint. Eine grundsätzliche Einigung über das Schulsystem in Posen wird sich mit dem Vorredner nicht erzielen lassen. Die Regierung wird an ihrem System nichts ändern, das liegt an den Verhältnissen und an den inneren Bedürfnissen der Volksschule. Wir haben bis 1872 die polnische Unterrichtssprache gehabt, und der Erfolg war, daß die polnische Bevölkerung die deutsche Sprache nicht lernte und sich die Polen daber im Deutschen Reiche in der Armee, in ihrem Be⸗ rufe usw. nicht frei bewegen konnten. Deshalb muß man bei dem jetzigen System einer einheitlichen Unterrichtssprache bleiben, und diese kann nur die deutsche sein. Eine zweisprachige Volksschule ist schon aus rein technischen Gründen nicht möglich. Der Minister kann nicht an⸗ erkennen, daß das gegenwärtige System zu einer Aenderung Anlaß gibt. Bei dem Uebergange der Kinder, welche in der Unterstufe in der Religion polnisch unterrichtet sind, zu dem Unterricht, der in der deutschen Sprache stattfindet, ergeben sich allerdings gewisse Schwierig⸗ keiten, die nur schwer zu vermeiden sind. Die Konzession für die erwähnte Privatschule ist nicht erteilt worden, weil die Inhaberin der Schule sich weigerte, das Aufsichtsrecht des Staates anzuerkennen. Polnische Lehrer bekommen wir sehr schwer, die polnische Presse warnt eindringlich davor, daß Polen ihre Kinder in die Seminare zur Ausbildung als Lehrer geben; es heißt da immer: „Gebt eure Kinder nicht in die Hände unserer Feinde!“ Es ist auch nicht leicht, deutsche katholische junge Leute dafür zu gewinnen, als Lehrer nach der Provinz Posen zu gehen, weil sie da immerhin gewissen Schwierigkeiten . sind. Die Zahl der katholischen Lehrerstellen in der Provinz Posen hat sich prozentual bedeutend mehr vermehrt als die der deutschen Lehrerstellen. Von Protestantisierungsabsichten kann keine Rede sein, die Unterrichts⸗ verwaltung gibt sich alle Mühe, die katholischen Schulen zu vermehren, aber das scheitert an der Schwierigkeit, aus der polnischen Bevölke⸗ rung Lehrer zu bekommen. .““ Abg. Hiesch (Soz.) führt aus, daß der Unterricht in Religion nicht Aufgabe der Schule, sondern Privatsache sein sollte und daß die Er⸗ teilung des Religionsunterrichts an Dissidentenkinder ein Gewissens⸗ zwang sei. Seine Partei wolle den Religionsunterricht nicht beseitigen, aber er dürfe nur eine Moral⸗ und Sittenlehre sein, während den Herren auf der Rechten der Religionsunterricht zur Verdummung der Massen diene. Eine Verdrehung der Tatsachen sei die Behauptung des Abg. von Heypdebrand, daß die Mittel für Bildungszwecke nur von den besitzenden Klassen aufgebracht würden. Die preußische Volke⸗ chule diene nur dem Hurrapatriotismus. Die Lehrmittel sollten ur⸗ entgeltlich gegeben werden. Dem Lehrermangel im Osten sollte die Regierung mit Energie abhelfen. Im Kreise Rosenberg in West⸗ preußen sei ein Schulgebäude so baufällig gewesen, daß kürzlich das Dach eingestürzt und nur der Schornstein stehen geblieben sei. Re⸗ ligion, Religion und nochmals Religion sei die Tendenz der Unter⸗ richtsverwaltung, sie huldige immer mehr muckersschen Bestrebungen. Sozialdemokraten und solche Personen, die es nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren könnten, in der Kirche zu bleiben, würden nicht
Lehrers, der aus der Landedkirche ausgetreten sei, protestiert werden. Der Redner tritt für die Anstellung von Schulärzten, Förderung der Schulgesundheitspflege und Einrichtung von Hilssklassen für minder begabte Schüler ein. Agrarier und Geistliche hätten die Macht über die Schule. Die Schule müsse vor allem davon befreit werden. Es werde nicht eher bessere Schulverhältnisse geben, als bis 89 Dreiklassenwahlrecht beseitigt sei. Seine Partei verlange eine Volks⸗ schule im wahren Sinne, nicht eine Armenschule. Die herrschenden Klassen hätten auf diesem Gebiete versagt, die Sozialdemokratie werde aber ihre Pflicht tun. 2 Mhe pflicht n., von Bremen stellt einige Angaben des Vor⸗ redners über mangelhafte Schulgebäude richtig. Die preußische Regierung habe sich auch früher schon bemüht, große Aufwendungen für die Volksschule zu machen; von 1870 bis 1880 hätten sich die Ausgaben dafür auf das Zehnfache und von 1880 bis 1890 wiederum auf das Dreifache gesteigert. Der Religionsunterricht werde der Schule erhalten bleiben. Die Behandlung der Dissidentenkinder sei nicht verfassungswidrig, sondern beruhe auf dem Gesetz. Auf das Gebiet der Schlagworte wolle er, der Ministerialdirektor, dem Vor⸗ redner nicht folgen. 1 b
Um 11 ⁴¼ Uhr vertagt das Haus die weitere Beratung des Kultusetats auf Sonnabend 11 Uhr (außerdem Wahl⸗ prüfungen).
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“ Nr. 10 vom 8. März 1911.)
Pest. Aegypten. Vom 18. bis 24. Februar wurden 22 Erkrankungen und 11 Todesfälle) gemeldet, davon 12 (7) in Kuß, 4 (2) in MNanfalut, 2 (1) in Minieh, 2 in Deirut, 1 (1) in Edfu und 1 in Assuan.
China. In Mukden starben vom 6. bis 9. Februar 132 Personen an der Pest, in Dalny am 6. Februar 4 und in Changchun vom 2. bis 5. Februar 411, davon 145 in den Vororten. Nach der amtlichen Pestzeitung vom 9. Februar betrug die Gesamtzahl der Pestfälle in der Mandschurei bisher 9334, davon entfielen u. a. 4190 auf Charbin (bis zum 4. Februar), 1262 auf Hulan (4. Februar), 990 auf Suihua (5. Februar), 823 auf Changchun (3. Februar), 693 auf Mukden (7. Februar), 263 auf Tsitsihar (3. Februar), 223 auf Pinchou (28. Januar), 85 auf Chailar (5. Februar), 65 auf Kirin (3. Februar), 62 auf Hsinmintun (4. Februar), 15 auf Tieling (1. Fe⸗ bruar); die übrigen Fälle verteilten sich auf 16 Ortschaften. Im Gebiete der süd mandschurischen Eisen bah n belief sich die Zahl der Pestfälle nach Mitteilung vom 10. Februar auf insgesamt 188, in Dalny auf 53. In A schiche, einer etwa 120 km östlich von Charbin gelegenen Chinesenstadt mit einer großen Zuckerfabrik, starben angeblich täglich gegen 300 Personen.
In Charbin und Fudjadjen sind vom 20. bis 26. Februar 133 Personen, darunter 3 europäische Krankenwärter, der Pest er⸗ legen; auf den benachbarten Bahnstationen sind vereinzelte Fälle vor⸗
ekommen. 1 1
8 Nach Mitteilung des Deutschen Gouvernements Kiautschou sind bis zum 18. Februar in der Prov. Schantung 1260 Todesfälle gemeldet, davon 61 aus der chinesischen Stadt Kiautschou und 83 aus dem Kreise Tsimo. Das deutsche Schutzgebiet war bis zum 25. Februar pestfrei geblieben. In Tschifu starben vom 9. bis 12. Februar 93 Personen, im ganzen seit dem 12. Januar 290.
Pest und Cholera.
Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben vom 22. bis 28. Januar 14 Personen an der Pest und 57 an der Cholera. 8
Cholera. . Portugal. Der Hafen von Funchal ist am 21. Februar für cholerafrei erklärt worden. Pocken.
Schweiz. Vom 19. bis 25. Januar sind 6 neue Erkrankungen im Kanton Aargau gemeldet, davon 4 in Klingnau und 2 in Windisch⸗Königsfelden, ferner 1 in Basel; diese steht ver⸗ mutlich im Zusammenhang mit der Epidemie in Klingnau.
Hongkong. Vom 15. bis 21. Januar 2 tödlich verlaufen krankungen in der Stadt Viktoria. 8 1“
8 Fleckfieber. “ Deutsches Reich. In der Woche vom 26. Februar bis 4. März wurde 1 Erkrankungsfall bei einem ruthenischen Arbeiter in Kattowitz (Reg.⸗Bez. Oppeln) festgestellt. Oesterreich. Vom 19. bis 25. Febru der Bukowina 5 Erkrankungen. Genickstarre. 8 Preußen. In der Woche vom 19. bis 25. Februar sind 4 Er⸗ krankungen (und 2 Todesfälle) angezeigt worden in folgenden, Re⸗ gierungs bezirken [und Kreisen];: Arnsberg 1 [Bochum Land], Düsseldorf 1 (Essen Land], Merseburg 1 (1) [Schweinitz), Oppeln 1 [Kattowitz Land]s, Potsdam — (1) (Templin]. Oesterreich. Vom 12. bis 18. Februar in Mähren 2 Er⸗ krankungen. Schweiz. Thurgau.
in Ga liz teG
Vom 19. bis 25. Februar 2 Erkrankungen im Kanton
Spinale Kinderlähmung. “ Preußen. In der Woche vom 19. bis 25. Februar ist ein Todesfall gemeldet worden, und zwar im Kreise Lennep des Reg.⸗Bez.
üsseldorf.
F— Dü 8 Verschiedene Krankheiten.
Pocken: Moskau 3, Odessa 2, St. Petersburg 7, 2 Hau Kalkutta (22. bis 28. Januar) 1 Todesfälle; London (Krankenhäuser) 35, Odessa 4, Paris 3, St. Petersburg 33, Warschau Krankenhäuser) 5 Erkrankungen; Varizellen: Budapest 41, New York 135, St. Petersburg 21, Wien 65 Erkrankungen; Fleckfieber: Moskau 33, Odessa 4, Warschau 1 Todesfälle; Odessa 21, Warschau (Krankenhäuser) 3 Erkrankungen; Rückfallfieber: Moskan 1 Todesfall; Odessa 13, St. Petersburg 2 Erkrankungen; Genickstarre: Kopenhagen 1, New York 5 Todesfälle; Nürnberg 1, Kopenhagen 2, New York 5 Erkrankungen; Milzbrand: Reg.⸗Bez. Schleswig, Wien je 1 Erkrankung; epidemische Ohrspeichel⸗ drüsenentzündung: Nüraberg 22, Wien 69 Erkrankungen; In⸗ fluenza: Berlin 13, Braunschweig, Halle je 1, Amsterdam 8, Ant⸗ werpen, Brüssel je 1, Budapest 3, Gdinburg, Kopenhagen je 1, London 24, Moskau 12, New York 26, Odessa 1, Paris 19, St. Petersburg 5, Prag, Rom, Stockholm je 1, Wien 2. Todesfälle; Nürnberg 266, Kopenhagen 3314, Odessa 28, Stockholm 59 Erkrankungen; Körnerkrankheit: Reg.⸗⸗ Bez. Allenstein 96 Erkrankungen. — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/1904: 1,04 %): in Altenessen, Borhagen⸗Rummelsburg — Erkrankungen wurden gemeldet im Landespolizeibezirke Berlin 141 (Stadt Berlin 91), in Breslau 26, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 121, Düsseldorf 135, „Pots⸗ dam 113, in Hamburg 37, Budapest 76, Kopenhagen 70, Loftgg (Krankenhäuser) 138, New York 469, Odessa 23, Paris 71, St. Peters⸗ burg 101, Prag 34, Stockholm 25, Warschau (Krankenhäuser) 26, Wien 88; desgl. an Diphtherie und Krupp (1895/1904: 1,62 %): in Gera — Erkrankungen gelangten zur Anzeige im Landespolizeibezirk Berlin 192 (Stadt Berlin 134), in Breslau 29, in den Neg.⸗
als Mitglieder der Schuldeputationen bestätigt. Das widerspreche
Die Konserv itiven wünschen, das mehr Lehrerinnen angestellt werden. Billiger aber weren die Lehrerinnen den Gemeinden nicht, und es
“ 1“ 9 .—
der Verfassung. Auf das schärfste müsse gegen die Entlassung des
1“
Bezirken Arnsberg 133, Düsseldorf 159, Magdeburg 105, Merse⸗