assessoren bei den Intendanturen des XVII., XVI. und
VII. Armeekorps und 8
der wissenschaftliche Hilfslehrer Hensel bei der Oberreal⸗ schule der Franckeschen Stiftungen in Halle a. S. ist vom 1. 4. 11 ab zum Oberlehrer des Kadettenkorps ernannt worden.
Nichtamtliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 13. März.
Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute
vormittag im Auswärtigen Amt die Vorträge des Reichs⸗
kanzlers Dr. von Bethmann Hollweg und des Staatssekretärs
des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗Wächter und nahmen
später im Königlichen Schlosse den Vortrag des Chefs des
Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini ent⸗ gegen.
11“ 8 “ “ 8
Anläßlich des 90. Geburtsfestes Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten von Bayern fanhen vor⸗ gestern in der hiesigen Hedwigskirche eine gottesdien tliche Feier und gestern mittag bei Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin im Königlichen Schloß Galatafel statt, zu der der Königlich bayerische Gesandte Graf von Lerchenfeld sowie die sämtlichen Mitglieder der bayerischen Gesandtschaft und die hier anwesenden bayerischen Bevollmächtigten zum Bundesrat geladen waren. Ferner nahmen an der Tafel teil die hier weilenden Königlichen Prinzen, der Reichskanzler, die sämtlichen Staatsminister und Staatssekretäre, die Generalität, die Chefs der Kabinette und die Hofstaaten. Während der Tafel erhob Sich Seine Majestät der Kaiser und trank auf das Wohl Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗ Regenten als eines Sinn⸗ und Vorbildes aller Fürsten⸗ tugenden. Seine Majestät der Kaiser verglich, 8. B., zöufolge, die kernige und mannhafte Persönlichkeit des e mit der tief im Boden wurzelnden deutschen Eiche. Während die Jugendtage des Herrschers in die Anfänge des vorigen Jahrhunderts zurückreichten, habe ihm die Mittagshöhe des Lebens die aktive Teilnahme an dem großen Aufschwung des deutschen Volks gebracht und ihm gestattet, sich gleich hervorragend im Kriege wie im Frieden zu bewähren. Ein Förderer der Kunst und aller kulturellen Interessen, werde er getragen von der Liebe seines Bayernvolks, von der Verehrung jedes echten Deutschen. Treu seinem Volke, treu dem deutschen Vaterlande habe er sich allezeit erwiesen, und ebenso habe sich um ihn und die drei deutschen Kaiser allezeit das Band gegenseitiger Treue geschlungen. Zum Schluß bat der Kaiser den bayerischen Gesandten, seinem Souverän der Dolmetsch der Gefühle zu sein, die den Kaiser und sein Volk an diesem Tage bewegten.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Sperber“
am 10. März in Sansibar eingetroffen und geht am 15. März von dort nach Tanger in See. c 9
S. M. Flußkanonenboot „Tsingtau“ ist am 10. März in Kongmoon am Westfluß eingetroffen und geht heute von dort wieder in See. 3
Potsdam, 11. März. Seine Königliche Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Coburg und Gotha nebst Gemahlin ist, „W. T. B.“ zufolge, vorgestern zu einem mehr⸗ tägigen Aufenthalt in Potsdam eingetroffen und hat bei Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prin⸗ zessin August Wilhelm in der Villa Liegnitz Wohnung ge⸗ nommen. 3
Posen, 12. landtag der Provinz gegangener gottesdienstlicher 85 Landta gskomn issar eröffnet worden.
März. Der diesjährige Provinzial⸗ Posen it heute nach voran⸗ durch den Königlichen
8 8 1
1 Bayern. b
Vorgestern mittag empfing Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent anläßlich seines 90. Geburtstages in der Residenz das diplomatische Korps, dessen Doyen, der Apostolische Nuntius Monsignore Frühwirth, „W. T. P zufolge, die Glückwunschansprache hielt, auf die Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent mit herzlichen Dankesworten erwiderte. In beiden Reden fanden die Beziehungen gegenseitiger Herzlichkeit und gegenseitigen Wohlwollens, die Bayern mit allen Kulturländern verbinden, beredten Ausdruck. Darauf übergaben sämtliche Diplomaten Handschreiben ihrer Souveräne oder Staatschefs.
Im Laufe des Vormittags fanden in sämtlichen Schulen des Landes und in den Universitäten Festakte statt. In München wurde der mit einem Kostenaufwand von zwei Millionen Mark “ neue Luitpold⸗Park mit einer Ansprache des Oberbürgermeisters, Geheimrats Dr. von Borscht feierlich ein⸗ geweiht. Abends waren die Hauptstraßen der Stadt festlich beleuchtet. Auf acht Plätzen fanden Festveranstaltungen mit Musik und Gesang statt, an denen Vereine und die Schüler der oberen Klassen teilnahmen. Die Hauptfeier fand auf dem glänzend beleuchteten Max Joseph⸗Platz vor der Residenz statt, wo die vereinigten Militärkapellen eine Serenade darbrachten. Der bayerische Sängerbund mit 15 000 Mitgliedern trug einen Festgesang vor. Seine König⸗ liche Hoheit der Prinz⸗Regent nahm, umgeben von den? ürrstlich keiten, von offenem Fenster die Huldigung der vie tausend⸗ köpfigen Menge entgegen, die wiederholt stürmische Hochenß ausbrachte und nach einem vom Oberbürgermeister von Borscht ausgebrachten Hoch gemeinsam mit den Musikkapellen die Regentenhymne sang. 1 8
Am gestrigen Tage fanden in allen Kirchen der Stadt Festgottesdienste statt, nach deren Beendigung auf dem Maximiliansplatz von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Ludwig eine Parade der Truppen der Garnison ab⸗ gehalten wurde. Im Anschluß hieran wurde vor dem Armee⸗ museum das Denkmal Ottos von Wittelsbach enthüllt. In einer Ansprache schilderte hier Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig die Geschichte des Hauses Wittelsbach und das Leben des Prinz⸗Regenten, dessen Treue gegen das Reich sich stets vewährt habe. Der Kriegsminister Graf von Horn antwortete mit einer Dankesansprache und schloß mit einem Hoch auf Seine
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Feh Hoheit den Prinz⸗Regenten. Am Nachmittag fand in der Residenz Familientafel statt, an der sämtliche Mitglieder der Königlichen Familie, Ihre Majestät die Königin von Neapel, Ihre Königlichen Hoheiten der Herzog und die Herzogin von Calabrien, Seine Durchlaucht der Prinz Ernst von Sachsen Meiningen und andere teilnahmen. Im Verlauf der Tafel brachte Seine Königliche Hoheit der Prinz Ludwig einen Toast auf den Prinz⸗Regenten aus, indem er nochmals die Glück⸗ wünsche der Königlichen Familie zum Ausdruck brachte. Die Münchener Faü ge schaft versammelte sich im alten Rathaus zu einem Festessen, an dem mehrere Minister und Staatsräte, der preußische Gesandte von Schlözer, Gesandte der übrigen Bundes⸗ staaten sowie von Oesterreich⸗Ungarn, Angehörige aller Stände und zahlreiche Mitglieder der Münchener Presse teilnahmen. Den Abend beschloß eine Festvorstellung im Hoftheater und ein großer Rout beim Ministerpräsidenten Grafen von Podewils, zu dem auch die Prinzen und Prinzessinnen erschienen waren.
Im Laufe des Tages trafen von über hundert Fürstlich⸗ keiten Glückwunschtelegramme ein, darunter äußerst herzlich ge⸗ haltene von Ihren Majestäten dem Kaiser Wilhelm, dem Kaiser Franz Joseph und dem Kaiser von Rußland, dem Präsidenten Falliores sowie von allen Bundesfürsten. Ferner sind ein⸗ gelaufen Telegramme vom Reichskanzler, vom preußischen Kriegsminister im Namen der preußischen Armee, vom Staats⸗ sekretär von Tirpitz im Namen der Marine und vom Deutschen Reichstag. 1
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat dem Dank für die Kundgebungen der verflossenen Festtage, „W. T. B.“ zufolge, durch nachstehenden Erlaß Ausdruck gegeben: b “
Bewegten Herzens blicke ich in diesen Tagen zurück auf ein langes, wechselvolles, reichgesegnetes Leben. “
Fast ein Jahrhundert ist an mir vorübergezogen, eine Zeit un⸗ geahnter nationaler Entwicklung, bewundernswerter Fortschritte auf allen Gebieten des menschlichen Wissens und Könnens. Mein liebes Bayern hat an den Errungenschaften dieser Zeit lebhaften und mit⸗ tätigen Anteil genommen. Mit Stolz und Freude ruhen meine Augen auf dem Lande, dem von Jugend auf meine ganze Liebe gehörte, und auf dem Volke, dessen Gluͤck und Wohlergehen durch 25 Re⸗ gierungsjahre all mein Denken und Sorgen war und das mir und meinem Haus in altbewährter Liebe und Treue so innig verbunden ist.
Ueberwältigende Beweise dieser Liebe und Treue habe ich in den Tagen der Feier meines 90. Geburtstages erfahren.
Wohl hatte ich prunkvolle Ehrungen und Feste dankend ab⸗ gelehnt, das Volk selbst hat jedoch in allen Berufskreisen und in allen Gauen unseres lieben Vaterlandes, ja auch außerhalb des Landes, meinen Geburtstag in herzlicher Feier zu seinem Festtag gemacht. Arm und Reich, Hoch und Nieder, Stadt und Land, Körperschaften und Einzelpersonen haben sich in dem Bestreben vereint, mir auf sinnige Weise ihre Glückwünsche darzubringen durch festliche Ver⸗ anstaltungen, in Schrift und Bild, durch Gedenksteine und Anlagen, die meinen Namen tragen werden, durch Stiftungen und Spenden für edle Zwecke. 1
Dank, innigsten Dank sage ich allen, die an diesem Tage meiner gedacht haben. 1
Mit besonderem Danke nehme ich die bedeutende Landesspende entgegen, die mir für wohltätige und gemeinnützige Zwecke gewidmet wurde und die ich um so höher anerkenne, als gerade die vergangenen Jahre mit ihren mannigfachen schweren Heimsuchungen die Opfer⸗ willigkeit und den Gemeinsinn des Landes in außerordentlichem Maße in Anspruch genommen haben. Ich habe das Erträgnis der Spende zur Förderung der Jugendfürsorge auf den verschiedensten Gebieten, zur Unterstützung bedürftiger Vekeranen aus den Kämpfen, an denen unser Vaterland Anteil genommen hat, und zu anderen wohltätigen Zwecken bestimmt. Von Herzen, wünsche ich, daß die Gaben im Sinne der Spender reichen Segen wirken und stiften mögen.
Treu und warm schlägt allen mein Herz entgegen, die mich in den vergangenen Tagen huldigend umstanden haben, meiner braven Armee und meinen bebtdeten Beamten, der pflichttreuen Geistlichkeit, den Männern und Frauen der Arbeit in Wissenschaft und Kunst, in Unterricht und Erziehung, in Industrie, Handel und Gewerbe, in Landwirtschaft und in allen anderen Berufen, sowie der lieben lebens⸗ frohen Jugend, deren Wohl mir besonders angelegen ist.
Die Erinnerung an die vergangenen Tage wird wie heller warmer Sonnenschein leuchten auf das Leben, das mir noch beschieden ist. Dieses Leben wird auch künftig in liebevoller Sorge und Arbeit dem Wohl und dem Frieden meines teuren Vaterlandes geweiht bleiben. Der Allmächtige, der Bayerns Volk bisher so gnädig geleitet hat, halte über ihm seine schirmende, segnende Hand für alle Zeiten.
München, den 13. März 1911.
Luitpold, Prinz von Bayern.
Seine Königliche Hoheit der Prinz⸗Regent hat bestimmt, daß das Erträgnis der Landessammlung, die u seinem 90. Geburtsfeste veranstaltet worden ist, in folgender Weise verwendet werden soll: 8
1) 500 000 ℳ zur Errichtung einer Landesheilstätte für tuber⸗ kulose Kinder; 1 ” 1
2) 500 000 ℳ als Luitpold⸗Jubiläumsspende für Jugendfürsorge zur Unterstützung der Bestrebungen auf dem Gebiete der Jugend⸗ ürsorge;
8 9 300 000 ℳ zur Unterstützung hilfsbedürftiger Kriegsteilnehmer aus dem Kriege 1870/71 sowie aus den Feldzügen und Kämpfen früherer und späterer Jahre; 8
4) über den Restbetrag behält sich der Regent die Verfügung zu Gunsten von wohltätigen oder gemeinnützigen, dem ganzen Lande zugute kommenden Zwecken vor. .“
Frankreich.
Igm gestrigen Ministerrat unter dem Vorsitz des Prä⸗ sidenten Fallières legte der Minister des Auswärtigen Cruppi die Lage in Marokko dar und erklärte, „W. T. B.“ zufolge, daß sie nicht das beunruhigende Aussehen habe, das ihr tendenziöise und unwahre Meldungen gäben. Cruppi wird morgen dem Ministerrat Vorschläge in bezug auf Marokko
unterbreiten. Rußland.
Aus Anlaß des 90. Geburtstages des Prinz⸗ Regenten von Bayern fand gestern in der katholischen Kirche in St. Petersburg ein Festgottesdienst statt, an dem, „W. T. B.“ zufolge, der deutsche und der österreichisch⸗ ungarische Botschafter sowie der bayerische Gesandte nebst ihren Gemahlinnen, ferner Vertreter des Ministeriums des Aeußern und zahlreiche Mitglieder der deutschen Kolonie teilnahmen.
Die Reichsduma beschäftigte sich am Freitag und Sonnabend mit der Beratung des Etats des Ministeriums des Innern. 5.
Im Laufe der vorgestrigen Sitzung beschuldigte der Oktobrist Schidlowski die Regierung, daß sie der Staatspolizei zu große Bedeutung beimesse. Die Staatspolizei beeinflusse nicht bloß das Ressort des Innern, sondern die ganze Regierung. Die Oktobristen hielten sich verpflichte, mit der Regierung zu⸗ sammenzuarbeiten, machten aber einen Unterschied zwischen Zusammenarbeit und moralischer Unterstützung, die sie der Regierung
nur insoweit gewähren würden, als sich deren Aufgabe mit dem Pro⸗ I 1” 5
8
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er Partei decke. Die Vertreter der Kadetten, der Arbeiter⸗ Eö“ beantragten, den Etat des Innern. abzulehnen. 1““
Nach längerer Debatte wurde der Etat des Ministeriums
des Innern angenommen. 8 Italien.
Aus Anlaß des 90. Geburtstages des Prinz⸗ Regenten von Bayern fand gestern vormittag in der Kirche Sa. Maria dell' Animna ein Festgottesdienst statt, wobei der Staatssekretär Kardinal Merry del Val das Tedeum an⸗ stimmte. Wie „W. T. B.“ meldet, wohnten der Feier der bayerische, der preußische und der belgische Gesandte sowie die Kardinäle Vincenzo und Serafino Vannutelli, Agliardi, Ferrata⸗ und Lorenzelli und zahlreiche Mitglieder der deutschen Kolonie bei.
Türkei. Die Kammer hat vorgestern die Generaldebatte über das
Bud get beendet.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ rechtfertigte der Finanz⸗ minister die Finanzpolitik der Regierung und erklärte, daß diese alles aufbiete, um die Stellung der Türkei in Europa zu stärken, da sonst die Regierung nichts erreichen könne. Die steigenden Militär⸗ ausgaben seien durch die fortwährend steigenden Rüstungen aller Staaten gerechtfertigt. Der Minister wies das Verlangen des oppositionellen Deputierten Ferid zurück, als Pressionsmittel zur Er⸗ langung der Ausdehnung der Patensteuer auf Fremde den Boykott an⸗
zuwenden. ““ b 1 1 Die Kammer sprach dem Minister mit großer Mehrheit
ihr Vertrauen aus. Griechenland.
Die Deputiertenkammer hat nach Meldungen des „W. T. B.“ zwei Tage lang über eine Anzahl Vorschläge be⸗ raten, die darauf hinauslaufen, daß in die Verfassung eine Klausel, betreffen die Erhaltung der Sprache, auf⸗ genommen werden soll. Diese Frage ruft im Volke eine ge⸗ wisse Erregung hervor, infolge deren gestern in Athen eine große Straßenkundgebung stattfand. Die Demonstranten begaben sich zum König und zum Ministerpräsidenten Venizelos,
um ihnen eine Petition zu überreichen.
Serbien.
Das Amtsblatt veröffentlicht einen Ukas des Königs, wonach eine Armeegeneralinspektion errichtet wird. Zum Generalinspektor ist laut Meldung des „W. T. B.“ der Kronprinz Alexander ernannt worden, der gleichzeitig zum Hauptmann zweiter Klasse befördert wurde. Dem General⸗ inspektor werden ein Stabschef im Range eines Divisions⸗ kommandanten und zwei Adjutanten im Range von Regiments⸗ kommandanten untergeordnet.
In der Skupschtina stand gestern die Interpellation des Abg. Nowakowitsch über die Lage auf dem Balkan zur Verhandlung. B
Der Ministerpräsident Paschitsch legte, obiger Quelle zufolge, in Beantwortung der Interpellation die friedfertige Politik Serbiens dar, das sowohl mit der Türkei und Oesterreich⸗Ungarn als auch ins⸗ besondere mit Bulgarien und Montenegro gute und freundschaftliche Beziehungen unterhalte. Der Minister des Aeußern Milowa⸗ nowitsch stellte fest, daß am Balkan gegenwärtig keine gegen die Interessen Serbiens gerichtete Kombination bestehe und zuversichtlich auch in der nächsten Zukunft nicht bestehen werde.
Nach einer längeren, lebhaften Debatte nahm die Skupschtina mit großer Mehrheit eine Tagesordnung an, in der die Be⸗ friedigung über die Erklärung der Regierung ausgesprochen wird.
Amerika.
Die mexikanische Regierung hat, „W. T. B.“ zufolge, be⸗ schlossen, die konstitutionellen Garantien zeitweilig aufzuheben. Dies bedeutet eine milde Form des Kriegs⸗ rechts. Personen, die der Zerstörung von Eisenbahnen, elektri⸗ schen Lichtanlagen und Telegraphen sowie der Plünderung von Plantagen beschuldigt werden, sollen hinfort summarisch ab⸗ geurteilt werden.
Nach einem Telegramm aus Douglas (Arizona) hat bei Aguprieta in Meriko am Sonntag ein Gefecht stattgefunden. 500 Aufständische tauchten aus einer Bergschlucht auf und wurden sofort von einer 300 Mann starken Truppenabteilung angegriffen, die sich schließlich zurückzog. In dem Gefecht sind 35 Mann gefallen.
Das amerikanische Marinedepartement hat das Kanonen⸗ boot „Princeton“ nach der Golfküste und das Kanonenboot „Yorktown“ nach der pazifischen Küste von Mexiko beorder sodaß nunmehr vier Kanonenboote dorthin beordert sind. “
Asien.
Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung des Oberkommandanten der Expedition im Yemen ist von Menakha und Hadschile her ein kombinierter Angriff unternommen worden, um die Orte Lehab und Sulus im Distrikte Haras von Aufständischen zu säubern. Nach dreitägigen Kämpfen seien die meisten der Dörfer und Befestigungen in die Hände der Truppen gefallen und weitere Aufständische hätten
sich ergeben. .“ 1 Afrikag. Nachrichten aus Fes vom 7. und 8. d. M. besagen, „W. T. B.“ zufolge, daß die rebellischen Stämme ein neue Niederlage erlitten haben. Die Wiederherstellung
Feinden gegenüber Menschlichkeit walten zu lassen, und hat von einer Expedition gegen die Beni Mter abgeraten, da der Effektivbestand der Truppen des Machsen zu gering sei.
Wie der „Kölnischen Zeitung“ aus Tanger berichtet wird, hätten die Scherarda und Udaia Friedensverhand⸗ lungen angeknüpft, wozu sie besonders durch die zahlreiche Artillerie des Heeres des Sultans veranlaßt worden seien. Auch andere Stämme hätten sich darauf dem Heere an⸗ geschlossen. Wenn die Erfolge andauerten, sei der Aufbruch des Sultans in kuͤrzer Zeit zu erwarten.
8 Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen de
sich in der Ersten und Zweiten Beilage. — Das Haus der Abgeordneten setzte in der heutigen
heiten D. von Trott zu Solz beiwohnte, die Beratung des
richtsangelegenheiten bei den dauernden Ausgaben fü
die Präparandenanstalten fort.
nicht abgeschlossen.
8 daß die dritte Turnstunde au
der regelmäßigen Verbindungen mit Tanger stehe zu erwarten. Die französische Militärmission hat den Befehl erteilt, den
Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden
(47.) Sitzung, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗
Etats des Ministeriums der geistlichen und Unter⸗
Abg. Goebel (Zentr.): Der jetzt noch in Königshütte bestehende Präparandenkursus soll eingehen. Die in Myslowitz bestehenden Prä⸗ parandenklassen werden infolgedessen nicht ausreichen, und es ist des⸗ halb dringend nötig, daß ein Parallelkursus eingerichtet wird, zumal da sich 1909 100, 1910 125 Schüler zur Aufnahme gemeldet hatten und in diesem Jahre wahrscheinlich 150 Anmeldungen zu erwarten sind.
Abg. Ernst (fortschr. Volksp.) wünscht, daß die Präparanden⸗ anstaltsvorsteher den Titel „Direktor“ erhalten. 3
Abg. von Hagke⸗Schilfa (kons.): Bei der Beratung des Kultusetats im vorigen Jahre hatte ich dem Minister eine Petition der Stadt Sömmerda um Verstaatlichung der dortigen städtischen Präparandenanstalt befürwortend unterbreitet, und der Regierungs⸗ vertreter erklärte, daß die gestellten Bedingungen für den Staat an⸗ nehmbar seien. Er sicherte eine wohlwollende Prüfung und eine baldige Antwort an Sömmerda zu. Ein Jahr ist verflossen, eine Antwort ist aber noch nicht eingegangen. Ich würde es dankbar be⸗
grüßen, wenn eine für Sömmerda günstige Auskunft mir gegeben würde.
Geheimer Oberregierungsrat Altmann: Verhandlungen über die Uebernahme der Präparandenanstalt sind eingeleitet, aber noch
Zu den Ausgaben für das Turnlehrerbildungs⸗ wesen liegt der Antrag der Budgetkommission vor:
„die Regierung zu ersuchen, dafür Sorge zu tragen, daß bei Einfuͤhrung einer Vermehrung von Turnstunden in Volksschulen die Fächer, insbesondere Religion und Deutsch, nicht gekürzt werden“.
Berichterstatter Abg. Heckenroth referiert über die Entwicklung
des Turnlehrerbildungswesens in Preußen und befürwortet die An⸗
nahme der Kommissionsresolution.
Abg. Meyer⸗Tilsit (kons.): Der Erlaß des Kultusministers
über die Einführung einer dritten Turnstunde beruht auf einem Be⸗
schluß des Hauses von 1908; dieser Beschluß dachte wesentlich an die städtischen Schulen, und auch jetzt ist dieser Gesichtspunkt in der Kemmission hervorgehoben worden. Ich empfehle die Annahme des Kommissionsantrags. . Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.): Wir sind der Meinung, seeec Lande mindestens ebenso wichtig Es ist zu bedenken, daß es gerade auf dem Man sagt, die Jugend auf dem Lande
ist wie in den Städten. Lande keine Turnhallen gibt.
könne sich auch sonst austoben; das ist aber etwas anderes als Turn⸗
übungen. Sehen Sie sich nur die Haltung der Jugend an. Die herabhängenden Schultern der Jugend sind gerade so auf dem Laude zu finden wie in den Städten. Ich wäre bereit, in Berlin zugunsten der dritten Turnstunde eine Stunde Religion aufzugeben. Angesichts
der Haltung der Regierung haben wir in Berlin den Ausweg ge⸗
unden, daß wir eine Stunde im Schreibunterricht gekürzt haben, und wir hoffen, daß uns dies auch ferner gestattet werden wird. Bei der Ausbildung der Turnlebrer wird leider zu viel Gewicht auf die Theorie gelegt. Der Minister sollte darauf hinwirken, aß die praktischen Uebungen in den Vordergrund gerückt werden. Fs ist viel die Rede davon, daß das Turnen den Heeresersatz vor⸗ bereiten soll, und ich bin in dieser Hinsicht mit dem Zentral⸗ usschuß für die Jugendspiele einverstanden. Die Militärspielerei er Jugendwehr muß ich verwerfen; diese Ansicht hat in gewissem Grade auch der Kriegsminister in seinem Erlaß vom 5. Dezember origen Jahres ausgesprochen. Sehr empfehlen muß ich das Wandern er Jugend, warne dagegen vor den Uebertreibungen des Turnens ach der Selte des Sports, wie sie zum Beispiel beim Rudern vor⸗ kommen. Für Personen mit Herzfehlern ist das eher von Schaden als zum Nutzen. In bezug auf Kommandos und Ausführung der Uebungen könnte eine gewisse Gleichmäßigkeit zwischen dem Schul⸗ turnen und der militärischen Ausbildung herbeigeführt werden.
Abg. Dr. von Campe (nl.): Die Haltung meiner Freunde zu allen beim Elementarunterrichtswesen besprochenen Fragen ist dieselbe wie früher; wir billigen auch die Einrichtung der dritten Turnstunde, können dagegen der auf Antrag des Zentrums von der Kommission angenommenen Resolution nicht zustimmen. Wir bitten vielmehr, der Anregung in der Kommission zu folgen, daß es den einzelnen Schulen überlassen bleibe, welches Unterrichtsfach sie zugunsten der dritten Turnstunde kürzen wollen.
Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.): Für die Landschulen wäre die dritte Turnstunde nicht so nötig, wenn es auch richtig ist, daß in der Haltung der Landjugend noch viel zu wünschen ist. Das Zentrum wünscht durchaus, daß das Turnen und die körperliche Ausbildung gepflegt werden, in der Bewegung ist aber schon ein bedeutendes Mement für die Körperpflege gegeben. Der Redner empfiehlt den Kommissionsantrag.
Abg. Dr. Maurer (nl.): Den deutschen Turnvereinen kann man im großen und ganzen nur ein günstiges Zeugnis ausstellen. Doch werden auch Klagen laut; besonders in konfessionell gemischten Gegenden wird der Vorwurf gegen die Turnvereine erhoben, daß in ihnen das sittliche Moment nicht genügend beachtet werde. Ich kann diese Klagen als berechtigt nicht anerkennen und müßte es ohne weiteres als tief bedauerlich bezeichnen, wenn auch auf diesem neutralen Gebiet ein konfessioneller Gegensatz sich ausbildete.
Die Resolution der Kommission wird von einer aus den Konservativen und dem Zentrum bestehenden Mehrheit an⸗ genommen.
Die Titel, welche die Ausgaben für die Schulaufsicht enthalten, werden in der Diskussion verbunden. Dazu beantragt die Budgetkommission:
1. die Regierung zu ersuchen, in Erwägung darüber einzutreten, wie auch bei vermehrter Einführung der Rektoren an Volksschulen der Einfluß der Kirche auf die Schule sicherzustellen ist; II. die Petition um Uebertragung der geistlichen Schulaussicht nur an Fach⸗ männer der Regierung als Material zu überweisen.
Die im Etat geforderten 14 neuen hauptamtlichen Kreisschulinspektorenstellen sind von der Kommission be⸗ willigt worden, darunter nachträglich auch die vorher abgelehnte Stelle in Rinteln.
Ein Antrag der Abgg. Hoff und Genossen (fortschr. Volksp.), die Regierung aufzufordern, die notwendigen Maß⸗ nahmen zu treffen, um a. die geistliche Ortsschulinspektion auf⸗ zuheben, b. mit tunlichster Beschleunigung die nebenamtliche Kreisschulinspektion durch die hauptamtliche zu ersetzen und hier⸗ für in erster Linie im Dienst der Volksschule erfahrene Männer zu berufen, wird auf Antrag des Abg. Freiherrn von Zedlitz und Neukirch (freikons.), mit dem sich der Abg. Hoff ein⸗ verstanden erklärt, vorläufig aus der Debatte ausgeschieden.
(Schluß des Blattes.)
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Koloniales
Die vom Reichskolonialamt unter dem Titel „Die Baum⸗ wollfrage“ veröffentlichte Denkschrift über Produktion und Verbrauch von Baumwolle sowie Maßnahmen gegen die Baumwollnot, die wir in Nr. 56 des „Reichs⸗ und Staats⸗ anzeigers“ vom 6. d. M. besprochen haben, ist im Verlage von Gustav 8 in Jena erschienen (geh. 7,50 ℳ). Sie bildet den ersten Band einer Sammlung von wissenschaftlichen Arbeiten, die unter dem Gesamttitel heraus⸗ gegeben wird.
— Das Märzheft der Zeitschrift für tropische Landwirtschaft „Der Tropenpflanzer“, Organs des Kolonialwirtschaftlichen Komitees (Berlin, Unter den Linden 43), enthält an erster Stelle einen Aufsatz von Dr. Eduard Marckwald und Dr. Fritz Frank über den „Kautschukplantagenban in seiner Bedeutung und seinen Gefahren für die deutsche Kolonialwirtschaft“. Die Verfasser weisen zunächst
„Veröffentlichungen des Reichskolonialamts“
und in der dadurch bedingten abweichenden Qualität des deutschen lantagenkautschuks liegen, sodaß er als Folge hiervon bis heute eine Standardmarke darstellt und selbst hochwertige Erzeugnisse weit unter ihrem wirklichen Werte bezahlt werden. Ferner wird die Not⸗ wendigkeit einer billigeren und rationelleren Produktionsweise betont, um mit Erfolg den Wettkampf mit dem asiatischen Plantagen⸗ kautschuk und gegebenenfalls mit dem künstlichen Produkt aufnehmen zu können. Ein kräftiger Zusammenschluß aller Interessenten sei hierzu unbedingtes Erfordernis. In einem weiteren Aufsatz gibt Dr. W. F. Bruck über den Hanfbau in Italien interessante Mitteilungen. Der Verfasser behandelt die Bedeutung des italienischen Hanfes auf dem Weltmarkte, die Ge⸗ schichte, Verbreitung und die Kultur der Hanfpflanze in Italien. Dr. L. Reh legt in einem Aufsatz über „phytopathologische Zoologie für unsere Kolonien“ dar, daß in den deutschen Schutzgebieten zur Bekämpfung der Schädlinge, besonders der Insekten, im Ver⸗ hältnis zu anderen Ländern noch recht wenig geschehe, und tritt für eine vermehrte Stationierung von zoologischen Sachverständigen in den Kolonien ein. Durch die Gründung des hamburgischen Kolonialinstituts, in dem sich alle kolonialwissenschaftlichen Be⸗ strebungen vereinigen, sei in Deutschland auch für die phyto⸗ patholegische Zoologie eine Zentralstelle geschaffen. Der Reisebericht von Dr. A. H. Berkhout „Nach den Kautschuklanden“ wird fort⸗ geführt. Ferner enthält das Heft wieder eine Anzahl kürzerer Mit⸗ teilungen aus dem Gesamtgebiet der tropischen Agrikultur, wie über Ceylon⸗Plantagenprodukte, Hanfgewinnung auf den Philippinen, über Kapok u. a. m. Miit dem Märzheft erschien als Beiheft zum „Tropenpflanzer“ eine ausführliche Arbeit von Dr. Jentsch, Professor der Forst⸗ wirtschaft in Hann.⸗Münden: „Der Urwald Kameruns, Folgerungen aus den auf der Expedition 1908/1909 gewonnenen Erfahrungen in bezug auf den ö und die Nutzbarmachung des Waldes“ (IV und 199 Seiten). In dem mit anschaulichen Ab⸗ bildungen ausgestatteten Hefte sind die forstwirtschaftlichen Ergebnisse der vom Verfasser gemeinsam mit Professor Dr. Büsgen 11”“ Holzexpedition nach Kamerun niedergelegt.
Die Ergebnisse der deutschen Erntestatistik für das Jahr 1910 neuesten „Vierteljahrshefte zur Statistik des Deutschen ilt und besprochen. Danach wurden geerntet: öö dagegen im Jahre 1910 1900/09 8 vom vom im ganzen Hektar Hektar Tonnen 3 428 686 1,94 432 793 2,06 387 931 1 1,48 10 371 855 1,62 Sommerroggen 139 305 1,14 Sommergerste 2 902 938 1,90 vLELI11““ 1,82 Kartoffeln. 43 468 395 13,19 13,45 davon gesunde 39 983 652 12,81 Kleeheu. 11 943 657 1 Luzerneheu. 1 658 219
„ Wiesenheu. .88 250 115 “
Dem Vorjahre gegenüber beträgt die Minderernte an Brotgetreide 841 956 t oder — 5,4 v. H.; Sommergerste und Hafer, die hauptsächlich zur tierischen, in gewissem Umfang aber auch zur menschlichen Ernährung dienen, ergaben zusammengefaßt eine Minderernte von 1 818 118 t oder — 14,4 v. H., Klee⸗, Luzerne⸗ und Wiesenbeu ergab einen Mehrertrag von 9 401 472 t oder + 29,0 v. H.; die Minderernte an gesunden Kartoffeln betrug 4 383 811 t oder — 9,9 v. H.
Für das Erntejahr vom 1. Juli 1909 bis 30. Juni 1910 standen bei Berücksichtigung der Aussaat sowie der Ein⸗ und Ausfuhr für mensch⸗ liche und tierische Ernährung und für gewerbliche Zwecke zur Ver⸗ fügung auf den Kopf der Bevölkerung an Roggen 152,0, an Weizen 86,4, an Spelz 6,9, an Gerste 94,2, an Hafer 130,8 und an Kartoffeln 624,9 kg.
4 mitge
Winterweizen. Sommerweizen Winterspelz
Winterroggen.
Konkurse im Deutschen Reich im 4. Vierteljahr 1910. Nach vorläufigen Mitteilungen des Kaiserlichen Statistischen
Amts zur Konkursstatistik gelangten im 4. Vierteljahr 1910 im Deutschen Reiche 2744 neue Konkurse zur Zählung, gegen 2679 im 4. Vierteljahr 1909. Es wurden 613 Anträge auf Konkurseröffnung wegen Massemangels abgewiesen und 2131 Konkursverfahren er⸗ öffnet; von letzteren hatte in 1234 Fällen der Gemeinschuldner die Konkurseröffnung beantragt. Beendet wurden im 4. Vierteljahr 1910: 2078 (im 4. Vierteljahr 1909: 2237) Konkursverfahren, und zwar durch Schlußverteilung 1428, durch Zwangsvergleich 452, in⸗ folge allgemeiner Einwilligung 44 und wegen Massemangels 154. In 953 beendeten Konkursverfahren war ein Gläubigerausschuß bestellt.
1 Von den 2744 neuen und den 2078 beendeten Konkurs⸗ verfahren betrafen:
natürliche Personen 1936
W11I111
Handelsgesellschaften . 117
Genossenschaften .. 18
andere Gemeinschuldner 116
Ein Berliner Tapezierergewerbe. Die Tarifverhandlungen zwischen dem Tapeziererverband einerseits und dem Arbeitgeberschutzverband, dem Verein der Polstermöbelfabrikanten und der Tapeziererinnung sind gescheitert, weil die Gehilfen das Angebot der Arbeitgeber als ungenügend ablehnten, wonach der Stundenlohn 73 ₰, nach zwei Jahren 75 ₰, und die wöchentliche Arbeitszeit 50 Stunden betragen sollte. Die Ge⸗ hilfen sind nun in einzelnen Betrieben vorgegangen, um dort Forderungen durchzusetzen, die zum Teil noch die bei den allgemeinen Tarifver⸗ handlungen gestellten überschreiten. Für den heutigen Montag ist eine allgemeine Versammlung aller Arbeitgeber des Tapezierer⸗ gewerbes einberufen worden, in der beschlossen werden soll, daß, falls nicht innerhalb 24 Stunden sämtliche Streiks und Sperren vom Tapeziererverband aufgehoben werden, die Aussperrung erfolgt.
In Elberfeld haben, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die Damenschneider die Kündigung eingereicht, weil die bisherigen Verhandlungen mit den Arbeitgebern wegen eines neuen Lohntarifs zu keiner Verständigung geführt haben.
In Wiesbaden sind nach demselben Blatte die Herren⸗ b neider in eine Lohnbewegung eingetreten; den zwischen den Ge⸗ ilfen und Meistern bestehenden Tarif haben sie zum April gekündigt. Die Gehilfen verlangen einen Aufschlag von 5 bis 10 % 8 die bis⸗ herigen Stückgrundpreise, Bezahlung der Extraarbeit, 15 % Aufschlag für Heimarbeit und Abkehr von dem System, daß die Gehilfen einen Teil der Produktionskosten zu vergüten hätten. — Auch die dortigen Tapezierergehilfen sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie ver⸗ langfn⸗ der „Frkf. Ztg.“ zufolge, festere Gestaltung des Arbeits⸗ verhältnisses und fordern neunstündige Arbeitszeit ohne Kündigung, am Sonnahend achtstündige, als Stundenlohn für jüngere Gehilfen 40 ₰, nach 2 Jahren 45 und dann 55 ₰, für alle jetzt in Arbeit stehenden Gehilfen 10 % Zuschlag. Vor den drei hohen Festen soll um 4 Uhr Feierabend gemacht werden. Für Ueberstunden fordern sie 33 ½ % Aufschlag. Der neue Tarif soll auf drei Jahre geschlossen werden. Die Meister haben in einer Versammlung beschlossen, zu⸗
8 Zur Arbeiterbewegung.
auf die Nachteile hin die in der Verschiedenheit der Aufbereitung
W von Saint Malso und St. Pierre haben, wie „W. *meldet, gemeinsam abgelehnt, die Arbeit wieder auf⸗ zunehmen. Man fürchtet, daß es zu Zwischenfällen kommen wird.
Wie dem „W. T. B.“ aus Bayonne gemeldet wird, kam es daselbst gestern nachmittag wiederholt zu ernsten Zusammenstößen zwischen ausständigen Dockarbeitern und Truppen. Die Verhaftung einiger Rädelsführer, unter ihnen eines aus Bordeaux entsandten Agitators, verursachte große Ansammlungen vor dem Polizeikommissariat. Kapallerie trieb die Menge mit blanker Waffe auseinander. Die Ausständigen wehrten sich mit Knütteln, bewarfen die Soldaten mit Steinen und feuerten mehrere Revolverschüsse
ab. Ni wurde verletzt. (Vgl. Nr. 61 d. Bl.)
Kunst und Wisfenschaft.
Antike Plastiken wurden vielfach in kleinerem Maßstabe kopiert. Viel stilistische Treue ist von derartigen Statuetten nicht zu er⸗ warten, die lediglich in der Absicht auf dekorative Verwendung ge macht wurden. Ein paar solcher antiken Kopien sind jetzt durch Kauf in den Besitz der Berliner Skulpturenabteilung gelangt; si stammen nach der Angabe des Händlers aus Cypern. Das eine Stück ein kopfloser Torso, ist als kleine Replik der Aphrodites erkennen, die zwar aus guten Kopien, z. B. der Ap Fréjus im Loupre, bekannt ist und der ionischen Kunst des 5. Jahr⸗ hunderts v. Chr. zugewiesen werden muß, aber noch nicht mit Sicherheit einem aus der Literatur bekannten antiken Werke gleichgesetzt werden konnte. Das zweite Stück ist die Verkleinerung einer Asklepiosstatue. Der Gott steht mit entblößtem Oberkörper die rechte der jetzt fehlenden Hände war auf die Hüfte gestützt, während ich die linke auf den Stab stützte. Reste der sich auf der linken Seite hinaufringelnden Schlange sind noch deutlich kenntlich. Aehnliche Asklepiosstatuen sind in roßer Menge erhalten, in Berlin befinden sich zwei Exemplare; ie alle gehen auf eine Erfindung des 4. Jahrhunderts zurück, die ein in Relief und Malerei schon vorher unendlich oft behandeltes Motiv in die statuarische Rundplastik einführte. Für ähnliche Verkleinerungen lassen sich aus der Berliner Sammlung eine Menge von Figuren so eine Wiederholung des praxitelischen Sauroktonos. Hingegen scheinen die in Priene efundenen Statuetten dionysischer Gestalten von vornherein als Kleinplastik gedacht zu sein. Noch einen Schritt weiter in der Verbilligung des großen Kunstwerkes geht die Nach⸗ bildung statuarischer Werke in tönernen Nippfiguren, deren das Berliner Antiquarium einen kleinen bogenspannenden Eros als Abbild eines bekannten Werkes des 4. Jahrhunderts besitzt. Auch von der oben erwähnten Aphrodite gibt es eine kleine tönerne Abbildung, die bei den Ausgrabungen in Myrina gefunden wurde. Selbst Stůcke solcher Art können als Ersatz für zerstörte Kunstwerke nützlich sein, haben doch sogar die winzigen Abbildungen statuarischer Werke auf Münzen und geschnittenen Steinen in dieher Hinsicht un⸗ schätzbare Dienste geleistet. — Aus der Versteigerung der Sammlung des Freiherrn A. von Lanna in Stuttgart hat das upferstichkabinett eine Porträtstudie des jüngeren Lukas Cranach erworben. Das an den Seiten etwas unregelmäßig beschnittene Blatt ist 387 cm hoch und 284 cm breit. Der auf ihm dargestellte Mädchenkopf hat annähernd Lebensgröße. Auf dem ölig getrübten Grunde sind Haar, Kopfputz und Gewandung mit bräunlicher Pinselzeichnung leicht angegeben, während das schwach modellierte Antlitz mit fein verriebener Oelfarbe in hellen, fast süßlichen Tönen durchgeführt ist. Im Auktionskatalog war das Blatt wie ein Gegenstück (Knabenkopf) als „Frangois Clouet“ verzeichnet. Dem Stile nach waren beide Arbeiten als solche des jüngeren Lukas Cranach leicht zu erkennen. C harakteristische Eigen⸗ schaften sind: die auffällige Helligkeit des Fleischtones, die gemächlich⸗ kühle Auffassung, die geringe Plastitz die Augenstellung und Form des Ohres. Diese Art, Porträtstudien in Oelfarbe auf Papier auszuführen mit Fortlassung oder Andeutung der Gewandun war Brauch in der Cranach⸗ Werkstatt. Unser Porträtkopf stellt Elifabetg, Tochter des sächsischen Kur⸗ fürsten August, die spätere Gemahlin des Pfalzgrafen Johann Kafimir von der Pfalz, dar. Sie war 1552 geboren; die Aufnahme ist, da sie ein etwa 12 jähriges Mädchen wiedergibt, auf etwa 1564 anzusetzen. Unter den Arbeiten des jüngeren Cranach sind die Bildnisse offenbar der beste Teil, und unter den Bildnissen zeichnen sich die Naturstudien, die Vorbereitungen der Gemälde durch Frische und Wahrheit aus. Der Meister behielt diese Blätter im Atelier, wie heute die Photo⸗ graphen ihre Platten, um Nachbestellungen genügen zu können. Für Kostüm und Haartracht, die sich rascher wandelten als das Antlitz, wurde in anderer Weise gesorgt. Gewandung und Schmuck konnten dem Meister ins Atelier gebracht werden, auch wenn die ürstlichkeit in 8b sich nicht noch einmal zu einem Atelierbesuch verstehen wollte.
In der islamischen Kunstabteilung sind eine Anzahl ver⸗ goldeter und emaillierter syrischer Gläser als Leihgaben ausgestellt. Auf der vorjährigen Münchener Ausstellung von Meister⸗ werken mohammedanischer Kunst übten 12 kostbare Gläser eine besondere Anziehung aus; sieben von ihnen sind jetzt hier wieder vereinigt, zu⸗ sammen mit zwei kostbaren Moscheenlampen, einer köstlichen Flasche und einigen anderen wertvollen Gläsern aus verschiedenem Privatbesitz. Der künstlerische Wert dieser Stücke beruht auf der zeichnerischen Feinheit der Dekoration und dem Farbenreiz, den die Vergoldung und die leuchtenden Emaillen zusammen mit den Reflexen des Glases ausüben. Die z. 3. in Berlin ausgestellte Moscheen⸗ lampe zeigt die für diese Stücke typische Dekorationsform: auf dem Halse dunkelblaue, auf dem Körper jetzt fast ganz verblaßte goldene
e Aussperrung droht, wie die „Voss. Ztg.“ meldet, im
nächst mit der Gehilfenschaft weiter zu verhandeln.
Schriftzüge, die sich von mehrfarbigen Blumenranken abheben. Die Inschriften enthalten Koranverse und den Namen und die Titel des Mameluckensultans Malik Nasir Muhammed (1293 — 1341 n. Chr.) Derartige Lampen hingen an Ketten von der Decke der Moschee herab und enthielten ein in einem Draht estell befestigtes Oellämpchen. Von größerer Bedeutung als diese Lampen sind drei andere Gefäße, die nach Form und Verzierung zu den bemerkenswertesten uns erhaltenen syrischen Gläsern zahlen. Eine große Henkel⸗ vase und eine Flasche sind aus hellgelblichem Glas und reich vergoldet. Als Wappenmotiv haben beide eine fünfblättrige rote Rosette auf weißem Grunde; beide Stücke sind nachweislich aus China nach Europa gelangt. Der Hauptschmuck der Flasche besteht in der figür⸗ lichen Dekoration, die in ihrer impres ionistischen Frische an die Malerei der persischen Keramik des 13. Jahrhunderts erinnert. Den Körper umgibt ein Band mit hintereinander galoppierenden Polo⸗ spielern, deren Pferde in kräftigen, teilweise unnatürlichen Email⸗ farben wiedergegeben, während die Reiter in Blattgold ausgeführt sind. Wo diese, für die Ausfuhr nach China bestimmte Flascke — eine ähnliche befindet sich im kunsthistorischen Hofmuseum in Wien — hergestellt wurde, ist nicht bekannt. Vielleicht kann man an Aleppo und an die Mitte des 13. Jahrhunderts denken: die Moscheenlampen dürften in Damaskus angefertigt sein. — Die Aegyptische Abteilung hat von Herrn James Simon, dem sie schon viele wertvolle Zuwendungen verdankt, wieder eine Anzahl aus⸗ erlesener Kunstwerke als Geschenk erhalten, nämlich: as vor⸗ trefflich erhaltene Sitzbild des Maja, eines hohen Beamten unter Thutmosis III. (um 1475 v. Chr.). Er nennt sich Priestervorsteher der Götter von Aphroditopolis in Oberägvpten und trägt um Hals und Arme einen Goldschmuck, der ihm nach der Inschrift vom Könige angesichts des ganzen Landes verliehen worden war. Das Standbild ist aus alabasterähnlichem Kalkstein hergestellt und 75 em hoch. — Das zweite Stück ist eine reizende Gruppe von zwei kleinen Steinfiguren auf antikem, gemein⸗ samem hölzernen Postament: Ein chreiber hockt vor dem Bilde des affenartigen Gottes der Schrift auf dem Boden. Die mit einer interessanten Inschrift versehene Gruppe stammt etwa aus d. J. 1450 v. Chr. Unter den Geschenken befinden sich ferner ein goldener Siegel⸗ zylinder, das Amtssiegel eines Hofgoldschmiedes unter König Mykerinos (um 2800 v. Chr.); zwei kleine, gegossene goldene Figuren, ein König und die Göttin Sachmet; ein Schmuckstück aus Gold und eingelegten farbigen Steinen in Zellentechnik, den Seevogel darstellend, sowie das kleine Sitzbild eines falkenköpfigen Gottes aus Hämatit. Die Stücke