1911 / 63 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 14. März.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten heute vormittag im Auswärtigen Amt den Vortrag des Staats⸗ sekretärs des Auswärtigen von Kiderlen⸗Waechter und nahmen im Königlichen Schloß den Vortrag des Chefs des Militär⸗ kabinetts, Generals

Seine Durchlaucht der Fürst Leopold ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern mit Gefolge

zur Lippe hier eingetroffen.

Der Botschafter der Vereinigten Staaten von Amerika The Honourable David Jayne Hill hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Botschaftsrat Laughlin die Geschäfte der Botschaft. 1 6

8

Mecklenburg⸗Schwerin.

Die Großherzogliche Regierung hat an die Landtags⸗ kommissare ein Reskript und dazu eine Anlage erlassen, die die Grundzüge einer anderweitigen Zusammens etzung des Landtags enthält. Wie „W. T. B.“ meldet, wird in der Anlage u. a. ausgeführt:

Der Landtag besteht für Mecklenburg⸗Schwerin aus 92 Abgeordneten, nämlich aus 24 Abgeordneten der Ritterschaft, aus 24 Abgeordneten der Landschaft und der beiden Seestädte Rostock und Wismar, aus 7 Abgeordneten des ländlichen Großgrundbesitzes, aus 12 Abgeordneten des ländlichen Kleingrundbesitzes und der übrigen ländlichen Bevölkerung, aus 10 Abgeordneten der städtischen Bürger⸗ schaften und der Fleckengemeinden, aus 1 Abgeordneten der Landes⸗ universität, 1 Abgeordneten der Geistlichen, 3 Abgeordneten der übrigen wissenschaftlichen Berufsstände mit Hochschulbildung, 2 Ab⸗ geordneten der Handelskammer. 2 Abgeordneten der Handwerkskammer, 2 Abgeordneten der Landwirtschaftskammer und 4 vom Großherzog zu ernennenden Abgeordneten.

Das Großherzogtum soll für die Wahlen des ländlichen Großgrundbesitzes in sieben Wahlkreise eingeteilt werden. In jedem Wahlkreise wird ein ländlicher Abgeordneter gewählt. Die Wahl erfolgt unmittelbar und öffentlich. Der Sitz des Amtsgerichts ist in der Regel der Wahlort. Hierzu heißt es in einer Anmerkung: „Zu erwägen wird sein, ob die Wahl nicht durch Ausfüllung und Zurückreichung eines dem einzelnen Wähler von dem Wahlkommissar übersandten Stimmzettels erfolgen kann.“

Die Kleingrundbesitzer wählen 12 Abgeordnete. Zu dieser Wahl werden folgende Vorschriften als grundlegend aufgestellt: Das Großherzogtum wird in 12 Wahlkreise eingeteilt. In jedem Wahl⸗ kreise wird ein Abgeordneter gewählt. Die Wahl erfolgt hier nicht unmittelbar, sondern durch Wahlmänner, die von den Ur⸗ wählern in den einzelnen Wahlbezirken gewählt werden. Ur⸗ wähler ist, wer ein im Wahlbezirke gelegenes Grundstück als Eigentümer, Nutzeigentümer oder kraft baäuerlichen Rechts besitzt und bewohnt. Zum Wahlmann kann nur gewählt werden, wer zu den im Bezirke stimmberechtigten Urwählern gehört. Den Urwählern werden angegliedert alle Personen, die indestens zwei Jahre ihren Wohnsitz oder Hausstand in dem Beziste haben, und zwar ein Gewerbe der Landwirtschaft, oder eine Wissenschaft oder eine Kunst als Haupterwerbsquelle betreiben und ein Einkosimen von mindestens 1200 haben. Gewählt wird Abteilungen.

Großbritannien und Irland.

In der gestrigen Sitzung des Unterhauses beantragte der Abgeordnete Murray Macdonald (liberal) die folgende Resolution:

Das Haus betrachtet mit Beunruhigung das enorme Anwachsen der Ausgaben für das Heer und die Flotte während der letzten Sübre und ist der Ansicht, daß diese Ausgaben vermindert werden ollten.

8 Wie „W. T. B.“ meldet, führte Macdonald in der Be⸗ gründung seiner Resolution aus, daß die Flotte stärker ei, als es der Zweimächte⸗Standard erfordere, und fragte, welcher Art die vom Ausland drohende Gefahr sei, daß sie die Fortsetzung der enormen Ausgaben für Flotte und Heer rechtfertige.

„Der Radikale Ponsonby unterstützte die Resolution und er⸗ klärte, 8c alle nicht zu rechtfertigenden Ausgaben für Rüstungen nicht nur eine Belastung der Steuerzahler, sondern auch eine ernste Heraus⸗ forderung fremder Nationen seien. Das ganze Machwerk der Be⸗ rechnungen MeKennas im Jahre 1909 sei zusammengebrochen, aber die darauf gegründete Politik sei geblieben. Gerade die Tatsache, daß trotz des Schreckens Deutschland in so freundlichen Beziehungen mit England geblieben sei, beweise, daß Englands freundliche Be⸗ ziehungen zu Deutschland tief eingewurzelt und gesund seien. Er freue sich, daß Aussicht vorhanden sei, die Beziehungen mit Deutschland auf einen besseren Fuß zu bringen. Ponsonby nahm auf die kürzlichen Reden des Großadmirals von Tirpitz und des Abg. Schrader Bezug und richtete die dringende Aufforderung an Sir

Edward Grey, er möge jede Gelegenheit ergreifen, um Deutschland Freundlichkeiten zu zeigen.

G Der Liberale Kingy beantragte hierauf das folgende Amendement: Das Haus bedauert das Fortbestehen der Notwendigkeit der Auf⸗ rechterhaltung großer Rüstungen und würde die Herbeiführung einer nternationalen Vereinbarung für die Beschränkung der Rüstungen willkommen heißen. 1 Der Erste Lord der Admiralität Me Kenna führte in seiner Erwiderung aus: Ponsonby habe das Bezugnehmen auf Deutschland deutsche Flotte in dieser Debatte gemißbilligt. Er könne ihm die Versicherung geben, daß es absolut unmöglich sei, auf an ihn gestellte Fragen zu antworten oder die Politik der Admiralität zu erläutern, wenn nicht auf fremde Flotten Bezug genommen werde. Die Re⸗ ierung habe ihre Politik nie verhüllt. Sie gebe den Rat, Schiffe n solcher Anzahl zu bauen, daß die britische Flotte in den Stand esetzt werde, in allen möglichen Fällen die Freiheit Groß⸗ britanniens auf der Hochstraße des Ozeans zu sichern. Diese Freiheit könne aber nicht gesichert werden, wenn die britische Flotte icht jeder fremden Flotte überlegen sei, und zwar jeder denkbaren nd wahrscheinlichen Kombination, der Großbritannien vielleicht allein entgegentreten müsse. Nachdem MoKenna betont hatte, daß diese faste keine Feindseligkeit gegen irgend eine Nation in sich schließe,

und die

ragte er, wie er die Vermehrung erklären könne, wenn er nicht in estimmter Weise auf die von den Mächten gemachten Vorbereitungen Bezug nehme. Natürlich sei die Macht, die er auswähle, diejenige, die die zweitstärkste Flotte besitze. Darum müsse er die Stärke und Vermehrung der britischen Flolte mit derjenigen der deutschen veigleichen. In Erwiderung auf die Beschwerde der Radikalen, daß

9r 2 der Infanterie Freiher n von Lyncker

wies MeKenna e hin, daß die 1906 und 1908

Ponsonby, erklärte MeKenna, habe ihn in die Lage Verteidigung die Worte zu erklären, de er bei de Budgets für 1909 gebraucht habe.

nur fünf vollendet gewesen seien, und daß, habe, im 8 1912 würden

er für a

solut richtig ansehe, die 17 Schiffe von den nicht vor

dem Frühjahr 1913 abgeliefert sein würd

egeben“, fuhr MesKenna fort, „daß das, was atsache mitgeteilt habe, wahr gewesen, es daß meine Schlußfolgerung irrig gewesen sei. Verteidigung zeigen, wie ich zu 1 Ich kann jetzt noch rechtfertigen, daß ich

Juli 1909 die vier Eventualschiffe verlangt ha deutschen Schiffe werden in

Bauraten waren bis auf 90 000 Pfd. Sterl. dem

Ich zog den Schluß, daß beabsichtigt war, vollenden. treter der Admiralität in Deutschland hatte kein N teilige Information zu erlangen, und ich ko Schlüsse ziehen, wie sie die Tatsachen gestatteten

größere Betrag der ersten zwei Bauraten Schiffe bedeuten mußte, bedeutete. Die 1 800 000 Pfund die ich im Sinne die Vergrößerung des Deplacements Stärke von den ersten Schiffen, die die Dreadnoughts waren, zu diesen neuen

wenn er nicht eine Beschleu

und die drei in hatte, kosten je 2 300 000

wies darauf hin, daß der Uebergang vom Lord Nel noughttyp, der so viel Erstaunen erregt habe, erhöhte Kosten für das Schiff verursacht habe. im Juli 1909 sagen können, daß

Er

folgerung bezüglich der Daten falsch Schlußfolgerung bezüglich der Größe gewesen sein müsse. Ab Er habe nicht nur der Kritik der Radikalen begegr auch der Opposition gegenüber verteidigen müssen. klärung, die man, mierend hätte bezeichnen können, alarmierendere Behauptungen außerhalb benutzt w habe damals nichts sagen wollen, was irgendwie hervorrufen können, aber er trage kein Bedenken, heu sich im Jahre 1908 ereignet habe. Diese größeren

gewesen sei, und der 2

sei die Feit für eine Panik vorüber. MeKenna k

auf die Zukunft und erklärte: „21 deutsche Schiffe

Werften im Füühiat⸗ en

werden zum sclb SZektpunkt votendet sein.

.

ist eine irrige. gesch

Wenn

2

minderung im Vergleich mit dem für 1911/12 zeigen. keine Verpflichtung übernehmen, bevor wir

erklärte Balfour, er habe kein großes Interesse an Me Kennas in bezug auf Schlüsse, die er vor zwei

üben. klärung über ihren Standard in bezug auf die S Admiral Wilson in seinem Memorandum vertreten zwei neue Schiffe für jedes fremde neue.

Hierauf wiederholte Sir Edward Grey Asq von dem Zweimächte⸗Standard in bezug auf die eur und betonte, besser als der Zweimächte⸗Standar Mesenna gebrauchte Satz „eine Flotte, die stark genu

haupten.“ Die Resolution Macdonalds könne er weil sie eine Einschränkung der Ausgaben fordere,

anzuerkennen, daß Englands Ausgaben von anderen Mächte abhängig seien. siht, fuhr Sir

ür die nächsten das erforderliche

darf die Meinung

den

Edward Grey fort, beiden Jahre nichts

vorsie Maß hinausginge.

Keinen

hat das deutet eine Hochwassermarke, Mächte ihren normalen

Wenn diese Erwartung erfüllt wird,

wenn die

was wir reicht, und es werden Verminderungen unserer Sicherheit vereinbar sind. Unsere

Worte Asquiths in bezug auf Frankreich müssen Gedächnis des Hauses sein. Zuerst beglichen die bei ihre Differenzen, und dann folgte auf beiden Seiten der Nationen. Lassen Sie mich sagen, daß gerade al den letzten Jahren seine Differenzen mit Deutschland frage beilegte, dies dem herzlichen Frankreich keinen Abbruch tat. herzliche Verhältnis zwischen uns und der russischen

Fuß stehen, sucht.

und empfinden darüber nur Genugtuung,

2

den alten

lesen.“ Grey zitierte sodann die von Bethmann Hollweg in bezug auf die deutsch ziehungen, beginnend mit den Worten England in dem Wunsche, Rivalitäten zu vermeiden usw.“ und endigend mit den Worten das sich nicht bei den Regierungen, wohl aber in Mei ung leider vielfach geltend gemacht hat“. großen Nachdruck auf die Worte „nicht bei den R fügte hinzu: ich bedenke,

was alles in der Presse veröffentlicht a

es der Regierung nicht gelungen sei, die Ausgaben zu vermindern,

jederzeit innerhalb der letzten drei Jahre gewesen ist,

änderungen des deutschen Flottengesetzes die Bestimmungen für die deutsche Flotte in den darauf folgenden Jahren in Zweifel gelassen hätten.

Ponsonby habe seine (des Redners) Worte angeführt, um zu beweisen, daß entgegen seiner Annahme, Ende 1910 würden neun deutsche Dreadnoughts vollendet sein, tatsächlich während er vorausgesetzt 17 Schiffe vollendet sein, mehr zugäbe, daß nach den ihm gemachten offiziellen Erklärungen, die

an, das Haus im Jahre 1909 irregeführt zu haben.

wird aber behauptet, Ich soll zu meiner diesem Irrtum gekommen bin.

vier Jahresraten Winter 1908/09 ersah ich aus dem mir vorliegenden deutschen Budget für 1909/10, daß die ersten beiden Bauraten für vier Schiffe, die 1908 auf Stapel gelegt waren und zum Bauprogramm 1908/09 gehörten, fast 1 300 000 Pfd. Sterl. betrugen. Das b

ersten Bauraten für die Schiffe des Programms für 1906/07 gleich. die Schiffe Ich hatte keine Mitteilung vom Gegenteil.

habe ich meine ursprüngliche Erklärung korrigiert und dem Hause die offiziellen deutschen Daten der Ablieferungstermine mitgeteilt. den Grund anlangt, warum ich nicht die Forderung der vier Eventual⸗ schiffe zurückgezogen habe, so wird sich das Haus erinnern, daß der eine Vergrößerung der

ersten vier Schiffe der Nassau⸗Klasse kosten je 1908 begonnenen

und vermutlich auch Antwort auf Superdreadnoughts, die im Jahre 1908 auf den Stapel gelegt wurden, eine Erhöhung der Bau⸗ kosten um je 500 000 Pfund für das Schiff bedeutet.“

nur um 50 000 Pfund

1 5 9 er zwar die Erklärung der deutschen Regierung rückhaltlos angenommen habe, daß aber seine Schluß⸗

er würde das von Nutzen gewesen sein?

wenn auch nur im geringsten Grade, als alar⸗ würde zum Anlaß für

sich jetzt im Bau und England habe seine Antwort erteilt, und daher

014 abgeliefert werden und 30 britische Schiffe Ponsonbys Annahme, daß das vermehrte Bu het in Zukunft 50 Millionen betragen wird, eine weitere Aenderung des deutschen Flotten⸗ es erfolgt, und wir haben allen Grund, zu glauben, daß dies nicht der Fall sein wird, so wird das Budget für 1912/13 eine Ver⸗

b wissen, wie die künftigen Entwicklungen der fremden Flotten beschaffen sein werden.“” Nach weiterer Debatte, an der verschiedene Redner teilnahmen,

habe, aber er sei der Ansicht, daß die Verteidigung gut sei, und er nehme deshalb zur Zeit davon Abstand, an dem Budget Kritik zu Er forderte sodann von der Regierung eine endgültige Er⸗

stellte die Frage, ob die N den Standard annehme, den

macht zur See gegen jede denkbar wahrscheinliche Kombination zu be⸗ ohne die Tatsache

„Die Regierung ist „daß

aufkommen, daß, weil das diesjährige Budget höher ist, unsere auswärtigen Beziehungen gespannt 88 8 Budget als eine Hochwassermarke bezeichnet, und es be⸗ ie Programme der anderen und beabsichtigten Verlauf

haben zu glauben, haben wir unzweifelhaft die Hochwassermarke er⸗ eintreten,

2 auswärtigen ziehungen, erklärte Grey weiter, sind und waren nicht gespannt. Die

Verhältnis zwischen uns und Ebensowenig heeinträchtigte es das

diese kürzlich eine freundliche Zwiesprache in Potsdam hatte. nichts mehr, als daß unsere Freunde mit anderen Mächten auf gutem

Was Oesterreich⸗Ungarn anbelangt, so hat dessen Minister des Aeußern vor kurzem erklärt, daß beide Regierungen willens seien, zu G vertrauensvollen Beziehungen zurückzukehren. diese Erklärung nur warm begrüßen und genau ebenso erwidern. Ich komme jetzt zu Deutschland. Der deutsche Reichskanzler hat im zember gesprochen, und ich möchte seine Worte gern dem Hause vor⸗ Erklärung des Reichskanzlers Dr.

„Auch wir begegnen uns mit in Beziehung auf Rüstungen „Das Mißtrauen, Hierbei legte Grey „Ich nehme ganz und gar dieselbe Stellung ein. Wenn

worden ist, so würde man erstaunt sein, zu erfahren,

beschlossenen Ab⸗

r Einfü⸗

ve seßet zu seiner ührung des

er nun⸗

deutschen Werften en. Er klage sich „Es wird zu⸗ ich damals als

vom Hause im be. Die großen bezahlt. Im

eißt, die beiden Betrage der drei

früher zu Der Ver⸗ kittel, eine gegen⸗ unte nur solche . Am 29. März

Was

nigung des Baues

Schiffe, so daß der unsere

Pfund,

MeKenna son⸗ zum Dread⸗

hätte dem Hause

und daß seine Zaukosten richtig

nen, sondern sich Und jede Er⸗

viel orden sein. Er eine Panik hätte te zu sagen, was Schiffe befänden

am zum Schluß werden von den

Aber wir können

der Verteidigung Jahren gemacht

eestreitkräfte und habe, nämlich uiths Definition opäischen Mächte d sei der von g sei, ihre Ueber⸗ nicht annehmen, Ausgaben der der An⸗

das Budget ht, was über Augenblick aber MeKenna nehmen. guten Grund

wie sie mit

Be⸗ noch frisch im den Regierungen die Annäherung 3 Frankreich in in der Marokko⸗

Regierung, als Wirwünschen

aber keine Cifer⸗

Ich kann

De⸗

englischen Be⸗

der öffent ichen egierungen“ und

der gemutmaßt wie leicht es

sagen, eine Einigung zu erreichen, wohl aber Differenzen zwischen den beiden Regierungen in freundlichem Sinne zu besprechen. Das bedeutete keine Aenderung der Politik auf unserer Seite. Wir haben nicht den Wunsch abseits zu stehen, und wir hatten nicht den Wunsch, daß unsere Beziehungen zu irgend einer Macht so be⸗ schaffen sein sollten, daß dadurch herzliche Beziehungen zu Deutschland unmöglich würden. Man hat von den Großmächten Europas gesagt, daß sie getrennte Gruppen bildeten. Das stimmt; aber während der letzten fünf Jahre schwinden die Anlässe, die diese Gruppen in Widerstreit mitemander hätten bringen können, mehr und mehr.“ Sir Edward Grey führte weiter aus, es sei paradox, daß die Rüstungen bei den tatsächlich bestehenden Beziehungen zwischen den Mächten mit solcher Beschleunigung vermehrt würden. Die Bürde der Rüstungen sei eine größere Gefahr als der Krieg selbst. Sie bedeute ein Verbluten in Friedenszeiten. Es sei gesagt worden, daß vieles durch Abkommen erreicht werden könnte, und es sei speziell ein Abkommen mit Deutschland angeregt worden. Dazu sei ein sehr vorsichtiges Vorgehen notwendig. Er habe stets den Ausdruck „Beschränkung der Rüstungen“ vermieden; es werde im Auslande so gedeutet, als ob England anderen Ländern eine Beschränkung auferlegen wollte. Kein Land würde sich das gefallen lassen, Deutschland am wenigsten von allen. Er habe stets den Ausdruck gebraucht „wechselseitige Be⸗ schränkung der Ausgaben“. Wenn er irgend eine Hoffnung machen würde, daß Deutschland infolge eines Abkommens von seinem Flotten⸗ gesetz abstehen oder es ändern würde, so würde ihm sofort widersprochen werden. Nur innerhalb der Grenzen jenes Flotten⸗ gesche könne vielleicht etwas zwischen den beiden Regierungen geschehen. Er sei stets der Meinung gewesen, daß ein offner Austausch von Informationen zwischen den beiden Re⸗ gierungen durch die Marineattachés gegen Ueberraschungen sichern und jede von beiden Nationen überzeugen würde, daß keine von beiden versuche, der anderen einen Vorsprung abzugewinnen. Ein Abkommen könnte vielleicht zu einer Verlangsamung der Aus⸗ 8 führen oder dazu, daß das gegenwärtige Programm

eutschlands keine Steigerung erfahren würde. Alles dies könne Gegenstand der Erörterung zwischen beiden Regie⸗ rungen sein, und es wäre in jeder Beziehung vorteilhaft, wenn ein Abkommen erzielt werden könnte. Deutschland habe seiner⸗ seits Englands Budgets nie als Herausforderung angesehen. Was man anstreben müsse, sei eine heilsame Bewegung, die das Uebel an der Wurzel fasse und die öffentliche Meinung aller Länder so beeinflusse, daß sie die Flut der Ausgaben der Welt zum Stillstand bringe. Voraussichtlich lasse sich nur auf dem Wege des Schiedsgerichtswesens auf diese Ausgaben einwirken, aber die öffentliche Meinung müsse darin noch einen großen Schritt vorwärts tun. Zweimal im letzten Jahr, im März und im September, habe der Präsident Taft Maßnahmen zur Förderung des Schiedsgerichtswesens angeregt, die von größerer Bedeutung seien als irgend etwas, was ein praktischer Staatsmann in seiner Stellung je zuvor zu unternehmen gewagt habe. Der Gedanke Tafts sollte nicht ohne Echo bleiben. Die Regierung würde einen Vorschlag dieser Art mit Freude begrüßen, aber es würde sich dabei um einen so gewaltigen und in seinen möglichen Folgen so weit reichenden Schritt handeln, daß er der entscheidenden Sanktion des Parlaments bedürfen würde. Er glaube allerdings, daß man diese erhalten könnte.

8 Das Haus lehnte hierauf die Resolution Macdonald mit 276 gegen 56 Stimmen ab und nahm das von der Regierung gebilligte Amendement King an.

Fraukreich. Ein heute veröffentlichtes Dekret über die legion hebt, „W. T. B.“ zufolge, nuar 1910 auf und

Fremden⸗ . das Dekret vom 15. Ja⸗ setzt die Artikel 6 und 7 des Gesetzes vom

10. März 1831 wieder in Kraft. Die Deputiertenkammer hat gestern die Beratung beendet und mit der des Kriegsbudgets

des Marinebudgets begonnen. Rußland.

In einem Allerhöchsten Reskript an den Marine⸗ minister wird, „W. T. B.“ zufolge, darauf hingewiesen, daß die Kommission zur Untersuchung der Tätigkeit der Haupt⸗ verwaltung des Schiffsbaues, der Marinewerke und der Kriegshäfen nach dem von ihr erstatteten Bericht nichts gefunden hat, was Grund zur Annahme von Mißbräuchen geben könnte. Abweichungen von der festgestellten Ordnung hätten bereits die Aufmerksamkeit des Ministers Gehilfen auf sich gelenkt. sicht, daß, da dem Marineministerium die nötigen Mittel zur Verfügung gestellt würden, jede Veranlassung, einem de wichtigsten Zweige des Marineressorts Mangel an Planmäßig⸗ keit vorzuwerfen, wegfallen werde. Um jedoch einer Störung der regelmäßigen Tätigkeit des Marineministeriums in Zukunf vorzubeugen, beauftragt der Kaiser den Minister, ein Reglement über die Zusammenstellung und Bestätigung von Schiffsprojekten seiner Sanktion vorzulegen, die Frage der Reorganisation der Hauptverwaltung des Schiffsbaus und des technischen Marine⸗ komitees der Beratung des Admiralitätsrats zu unterbreiten und die Beschlüsse des Admiralitätsrats hierüber sowie das Projekt einer allgemeinen Reorganisation der Zentralverwaltung des Marineressorts dem Kaiser vorzulegen. Endlich fordert das Reskript die Beseitigung der Mängel in der Verwaltung der Marinewerke sowie die schnellste Ausarbeitung eines neuen Reglements für die Verwaltung der Kriegshäfen.

der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer be⸗

antwortete der Unterstaatssekretär im Ministerium des Aeußern

Fürst di Scalea eine Anfrage des Abg. Guiccia rdini

bezüglich der Meldung eines Berliner Blattes über die Porträtausstellung in Florenz, nach der diese Aus⸗ fhenung. lediglich eine Mache der Florentinischen Geschäfts⸗

eute sei.

Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Unterstaatssekretär, daß

dieses Urteil durchaus der Wahrheit widerspreche. Denn die Aus⸗

stellung sei in rein künstlerischem und patriotischem Geiste von

einem Komitee organisiert worden, das großes Ansehen und hohe

Verdienste genieße und an dessen Spitze der Bürgermeister von Florenz stehe. Der Minister des Aeußern habe den italienischen Botschafter in Berlin telegraphisch ersucht, die falsche Meldung ganz

entschieden zu dementieren. Der Unterstaatssekretär begrüßte freudig

die Gelegenheit, der Dankbarkeit des italienischen Volks Ausdruck

geben zu können gegenüber den auswärtigen Regierungen und Völkern,

die dazu beigetragen haben, die Ausstellung zu einer glänzenden und

vollständigen zu machen. 111““ Spanien.

In der Deputiertenkammer griff gestern der ehemalige Minister Urzais die wirtschaftliche und finanzielle Politik der Regierung, insbesondere die letzten Vorlagen des Finanzministers, aus denen sich ein Verlust von mehreren Millionen für den Staatsschatz ergeben würde, und den Plan der Anderthalbmilliardenanleihe heftig an und fügte laut Be⸗ richt des „W. T. B.“ hinzu, daß seine Worte den Zweck hätten,

ich will nicht

die Aufmerksamkeit des Königs auf die sonderbare Finanzpolitik der Regierung zu lenken.

ers und seiner Das gebe dem Kaiser die Zuver⸗

Ministerpräsident Canalejas antwortete dem Redner mit

Der 2. ner Ausdrücken der Entrüstung. Urzais widersprach dem Minister⸗

äsidenten und nannte den vom Finanzminister vorgelegten Entwurf hescoen. Amorkisierung der äußeren Schuld unmoralisch. Darauf sprang der Finanzminister, vor Erregung zitternd, auf und ver⸗ langte, Urzais möge erklären, welchen Sinn er dem Worte Sic beilege, in dem er einen direkten Angriff auf seine Ehrenhaftigkei sehe. Urzais hielt jedoch seine Behauptungen aufrecht und lehnte es ab, weitere Erklärungen zu geben.

Die Debatten werden heute fortgesetzt.

Türkei.

Ein Irade verlängert, „W. T. B.“ zufolge, den Belagerungszustand noch auf einige Zeit mit der Be⸗ gründung, daß die Aufhebung vor Abän erung einiger die öffentliche Ordnung betreffender Gesetze und vor Vervollständi⸗ gung der Organisation der Polizei und Gendarmerie unstatt⸗

ei. 1 b Wie Nachrichten aus Kreisen der Pforte, obiger Quelle zufolge, besagen, haben vorgestern die beiderseitigen Kommissare an der türkisch⸗griechischen Grenze ein Protokoll über Maßnahmen zur Vorbeugung von Grenzzwischen⸗ fällen unterzeichnet. E16““

11“ 8. ½

Griechenland. X“ Der Ministerpräsident Venizelos empfing gestern eine Abordnung von Studierenden und tadelte ihnen gegenüber die Parteien, die die Sprachenfrage in ihrem Interesse auszu⸗ beuten versuchten. Der Ministerpräsident versicherte, wie „W. T. B.“ meldet, den Studierenden, daß die altgriechische SEprache nicht gefährdet sei. Um der politischen Erregung ent⸗ gegenzutreten, würden die Kammer und die Regierung die er⸗ forderlichen Beschlüsse fassen.

Serbien. Der deutsche Gesandte von Reichenau hat, „W. T. B.“ zufolge, gestern in einer Privataudienz dem König sein Ab⸗ berufungsschreiben überreicht.

8

Amerika. Nach Meldungen des „W. T. B.“ erklärt der mexi⸗ kanische Botschafter in New York, daß zwischen den Re⸗ gierungen der Vereinigten Staaten und Mexiko das beste Einvernehmen herrsche. Der Präsident Taft habe ihm abermals die Freundschaft Amerikas ausgedrückt. Auch der amerikanische Staatssekretär des Krieges erklärt, daß zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten die freundschaft⸗ lichsten Beziehungen beständen. Mexiko verstehe die Mobil⸗ machung vollkommen. 1 Mach einem Telegramm aus El Paso herrschen in Nord⸗ mexiko sehr traurige Zustände. Die Insurgenten in den Staaten Chihuahua und Sonora zerstören Eisenbahnen und Telegraphenleitungen und belagern zahlreiche Städte, in denen sich Tausende von Frauen und Kindern ohne Nahrung und in hilfloser Lage befinden. Telegramme aus der Hauptstadt Mexiko geben Gerüchte wieder, nach denen die Landpolizei am Sonnabend 120 Insurgenten bei San Bartolito aufgerieben habe, von denen 50 Mann gefallen seien. Asien. Der russische Gesandte in Peking hat nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“” den Auftrag erhalten, dem Waiwupu eine Note zu überreichen, in der erklärt wird, die russische Regierung erblicke in der Antwort der chinesischen Regierung über die Beschränkung des russischen Handels durch Monopole und über die Errichtung von russischen Konsulaten im Bezirke von Kobdo Beweise unfreundlicher Beziehungen seitens Chinas. Dieses entstelle den genauen Sinn der Vertragsbestimmungen durch sein Bestreben, den den russischen Untertanen und dem russischen Handel ge⸗ währten Vertragsrechten jede Bedeutung zu nehmen. Die russische Regierung fordert die chinesische Regierung auf, die Folgen einer derartigen Handlungsweise zu erwägen, die unvermeidlich zu einer Störung der freundschaftlichen Be⸗ ziehungen zwischen Rußland und China führen würden.

Afrika.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ berichten eingeborene Regierungsbeamte, die gestern aus Fes in Tanger angekommen sind, daß die Straßen mit Aufständischen angefüllt seien. Das ganze Gebiet von Fes bis Alcazar stehe in Waffen gegen den Sultan. Sie hätten Schwierig⸗ keiten gehabt, durchzukommen und hätten heftiges Feuern im Gebiete der Scherarda gehört, wo die scherifischen Truppen die Aufständischen angegriffen hätten. Ueber das Ergebnis des Kampfes hätten sie nichts vernommen.

8 Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichs und der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

Der Reichstag setzte in seiner heutigen (147.) Sitzung, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück beiwohnte, die Spezialberatung des Etats für das Reichsamt des Innern fort und nahm die allgemeine Debatte beim Gehalt

des Staatssekretärs wieder auf.

Abg. Hanssen (Däne) schloß sich hinsichtlich der Kritik der Handhabung des Reichsvereinsgesetzes den Ausführungen des Abg. Dr. Müller⸗Meiningen an und brachte eine Anzahl von Fällen parteiischer und ungerechter Handhabung dieses Gesetzes gegenüber der dänischen Bepölkerung in Nordschleswig vor. Trotz entgegen⸗ stehender Entscheidungen des Reichsgerichts hielten die preußi⸗ schen Behörden auch in den höheren Instanzen an einer Auslegung des Gesetzes fest, die man nur als ungesetzlich bezeichnen könne. Ganz besonders charakteristisch sei in dieser Beziehung das Ver⸗ bot der Erteilung von Turnunterricht an jugendliche Personen, wenn nicht ein besonderes, auf Grund alter preußischer Kabinetts⸗ orders von 1834 verlangtes amtliches Attest für die Befähigung zur Erteilung von Turnunterricht vorgezeigt werden ‚könne. (Die Einzeldarstellung des Falls wurde von dem Vizepräsidenten Dr. Spahn als nicht zur Sache gehörig bezeichnet.) Das Reichsgericht habe festgestellt, daß für die Erteilung von Turnunterricht an schulentlassene jugendliche Personen nicht das Unterrichtsministerium zuständig sei, sondern daß hierauf lediglich § 35 der Gewerbeordnung Anwendung finde. Der Redner ging dann auf einen anderen Fall ein, in dem eine junge Dame wegen desselben angeblichen Delikts zu 200 Geldstrafe ver⸗ urteilt und, weil sie nicht zahlen konnte, in das Gefängnis zu

Justizressort fallend, bezeichnet.) Der Redner brach hierauf seine Nalherlort. ab, indem er den Staatssekretär ersuchte, dem Fall seine Aufmerksamkeit zuzuwenden und der Mafjestät des Gesetzes Achtung zu verschaffen. ““

8 Tö“ verwandte sich für die Zulassung auch der kleineren elektrotechnischen Installateurfirmen bei der Herstellung von Ueberlandzentralen, damit nicht den Großfirmen ein Monopol auf diesem Gebiete zufalle. Für den Mittelstand müsse endlich etwas Positives geschehen, lange genug sei der Bundesrat jetzt mit Erwägungen beschäftigt. In dieser Richtung sei zunächst entsprechend der Resolution von Hertling dem Reichstage ein Gesetz vorzulegen, das die Vorschriften der Gewerbeordnung über Wanderlager und Warenauktionen erheblich verschärft. Es müsse für die betrefftenden Waren ein Ursprungszeugnis verlangt und ferner die Wanderlagersteuer erheblich erhöht werden. Der heimliche Waren⸗ handel, der das stehende Gewerbe ganz bedeutend schädige und gegen den auch Petitionen vorlägen, müsse durch energische Maßnahmen unterdrückt werden, wie es ebenfalls die Resolution Hertling fordere. Ferner liege von seiner Partei ein Antrag Gröber vor wegen Vorlegung eines Gesetzentwurfs auf Aenderung der Gewerbeordnung über Detail⸗ reisende und Hausierer nach der Richtung, daß die Einzelstaaten nach Lage ihrer Verhältnisse weitergehende Einschränkungen treffen können. Besonders in Süddeutschland seien solche Einschränkungen notwendig. Die Hausierer machten den kleinen Kaufleuten und der Heimarbeit eine unheilvolle Konkurrenz. 16“ .“

(Schluß des Blattes.) 8

In der heutigen (48.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher der Minister der geistlichen ꝛc. Angelegen⸗ heiten D. von Trott zu Solz beiwohnte, wurde zunächst eine Reihe von Petitionen für nicht geeignet zur Erörterung im Plenum erklärt und sodann die Beratung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten im Kapitel des Elementarunterrichts⸗ wesens fortgesetzt.

An gesetzlichen Staatsbeiträgen auf Grund des Lehrer⸗ besoldungsgesetzes sind 37 690 000 ℳ, an Besoldungen und Zuschüssen für Lehrer und Lehrerinnen, sowie für Schulen aus besonderer rechtlicher Verpflichtung und aus Spezialf onds sind 544 293 ausgesetzt.

Hierzu liegt der Antrag der en vor:

„die Regierung zu ersuchen, die untergeordneten Behörden zu

veranlassen, auf Vermehrung von Hilfsschulen für schwach veranlagte Kinder der Volksschulen hinzuwirken und darüber zu wachen, daß der konfessionelle Charakter dieser Schulen gewahrt werde“. 1

Berichterstatter Abg. Heckenroth referiert über die Kommissions⸗ verhandlungen. 1 1

Abg. Goebel (Zentr.): Sowohl im vergangenen wie auch in diesem Jahre ist wiederholt darauf hingewiesen worden, daß durch das Lehrerbesoldungsgesetz leider nicht dasjenige für die Volksschullehrer erreicht worden ist, was man sich davon versprach, weil die Aus⸗ führung dieses Gesetzes nicht überall denjenigen Erwartungen ent⸗ sprochen hat, die man in Lehrerkreisen daran geknüpft hat. Ich hatte im vergangenen Jahre hervorgehoben, daß die Volksschullehrer durch die Nhtbewilligung der Ortszulagen in denjenigen Gemeinden sich benachteiligt fühlten, in denen für die Lehrer die Voraus⸗ setzungen des § 20 des Lehrerbesoldungsgesetzes gegeben sind. Die von einzelnen Provinzen beschlossenen Tarife der Miets⸗ entschädigungen entsprachen zumeist den Anforderungen des § 12 des Lehrerbesoldungsgesetzes insofern nicht, als sie nicht eine ausreichende Entschädigung für die nicht gebotenen Dienstwohnungen darstellten. Man hatte lediglich die Mindestsätze für den Wohnungsgeld⸗ zuschuß der mittleren Beamten gewährt, und nur in einzelnen Provinzen war man über diese Mindesisätze hinausgegangen. Schon im vergangenen Jahre war von Rednern verschiedener Parteien be⸗ tont worden, daß eine derartige Regelung nicht im Einklang stehe mit den Absichten, von denen das Haus bei Beratung und Erlaß des Lehrerbesoldungsgesetzes geleitet worden sei. Die Festsetzung von Gehaltssätzen, die geringer sind als die der mittleren Beamten, war unter anderem auch damit gerechtfertigt worden, daß die Lehrer

egenüber den Beamten dadurch bevorzugt seien, daß sie die volle Ulettentschaͤdigung erhielten, während die Beamten nur einen Woh⸗ nungsgeldzuschuß bezögen. Im vorigen Jahre hatte ich die Hoffnung ausgesprochen, daß die Provinzialräte bei der Revision der Miets⸗ entschädigungstarife nach endgültiger Regelung der Wohnungsgeld⸗ zuschuͤsse in Preußen die Härten nach Möglichkeit beseitigen würden. Ich kann mit Genugtuung feststellen, daß dieser Wunsch nicht ganz ungehört verhallt ist. Ich muß anerkennen, daß in Schlesien eine Verbesserung der Mietsentschädigungssätze erfolgt ist. In an⸗ deren Provinzen bestehen aber nach wie vor Härten. Die Höhe der Mietsentschädigung entspricht auch in ihren neuen Tarifen noch nicht dem Verhältnis zwischen Wohnungsgeld und Mietsentschädigung. Namentlich in Hannover besteht noch Grund zur Klage, und auch in den Vororten von Berlin ist den örtlichen Mietspreisen nicht ge⸗ nügend Rechnung getragen. Die Ortsklasseneinteilung ist hier schon wiederholt einer Kritik unterzogen worden, weil sie außerordentlich mechanisch vorgenommen ist. In Zabrze und Zaborze werden ver⸗ schiedene Mieteentschädigungen gezahlt, obwohl beide Oete ganz zu⸗ sammenhängen, sodaß auch der Ortskundige die Grenze nicht zu unterscheiden vermag. 5 gehört Zabrze zur Ortsklasse C, Zaborze zur Ortsklasse B. Ich bitte den Minister, hier und in anderen Fällen, wo gleiche Härten bestehen, Abhilfe zu schaffen. Die Gemeinden sind oft nicht in der Lage, Ortszulagen zu bewilligen. So hat z. B. der Oberbürgermeister von Königshütte in seiner Etats⸗ rede bedauert, daß Königshütte sich bei seiner finanziellen Lage nicht habe entschließen können, Ortszulagen zu bewilligen, obwohl die Notwendigkeit dieser Zulagen allgemein anerkannt werde. Ich verkenne durchaus nicht die vielen Schwierigkeiten, bei den ver⸗ schiedenen Verhältnissen der einzelnen Gemeinden den richtigen Weg zu finden. Sehr geklagt wird darüber, daß in bezug auf die Lese⸗ bücher zwei Verlagsfirmen, eine für den Westen und eine für den Osten, eine gewisse Monopolstellung haben. Dadurch ist es nicht möglich, die Forderungen der Pädagogik und die Erfahrungen der Lehrer⸗ schaft in dem Maße zu berücksichtigen, wie es wünschenswert wäre. In Schlesien besteht der anormale Zustand, daß die Lehrer an manchen katholischen Schulen einen Anspruch auf Umzugskosten nicht haben. Es muß eine einheitliche Regelung für die Umzugskosten herbeigeführt werden, und bei der Belastung der Gemeinden muß der Staat mitwirken.

Abg. Dr. Heß Gentr): Im Regierungsbezirk Marienwerder be⸗ steht in Mewe eine Schule mit 530 bis 540 katholischen und 80 bis 90 evangelischen Kindern; der Lehrkörper hat 7 katholische und 5 evangelische Lehrer, während nach dem Prozentverhältnis der Kinder nur 2 evangelische Lehrer da sein dürften. Die Schule wünscht, daß bei einem Wechsel an Stelle einer evangelischen Lehrkraft eine katholische an⸗ gestellt wird, und daß auch ein katholischer Rektor start des evan⸗ gelischen an die Spitze der Schule Seteh wird. In dem amt⸗ lichen Schulblatt für die Regierungsbezirke Danzig und Marien⸗

werder wird trotzdem jetzt wieder eine Stelle für eine evangelische Lehrkraft ausgeschrieben. Ich bitte den Minister um eine An⸗ ordnung, daß dem Wunsche der Schule nachgekommen wird. In Annahütte im Regierungsbezirk Frankfurt a. O. gibt es 228 katho⸗ lische Kinder, und 8 ist die Errichtung einer besonderen katholischen Schule nicht zu erreichen. Die Regierung in Frankfurt a. O. hat er⸗ klärt, daß die Entwicklung der dortigen Schule nicht durch überstürzte Maßnahmen gestört werden solle, und daß für die religiösen Interessen durch eine katholische Lehrkraft, die den Religionsunterricht erte ilt, ausreichend gesorgt sei. Es gibt dort ein Schulsystem mit zwei Schulen, an deren Spitze ein gemeinsamer Rektor steht. Der Religionsunterricht für die katholischen Kinder wird nur

in übertriebener Weise für die Interessen gesorgt. Auf der Oberstufe in Annahütte hieß ein Aufsatzthema: Wogegen wandten sich die Reformatoren?“ Bei der Besprechung dieses Themas hat der Lehrer nicht gerade die katholischen Gefühle geschont. Wir rechnen auf das Wohlwollen des Ministers und hoffen auf Aenderung in den erwähnten Fällen. Wiederholt hat mein Freund Marvx hier über den Fall in Bütow gesprochen. Schon 1906 verlangte man dort für die 135 katholischen Kinder die Errichtung einer besonderen konfessionellen Schule. Fünf Monate nach der ersten Eingabe erging der Beschluß, daß es bei der vorhandenen Schuler sein Bewenden haben müsse, da die Schule nicht konfessionell, sondern simultan sei. Das ist nicht richtig. Der Beschluß von 1907 wurde der Regierung überreicht, und 1908, nach 9 Monaten, genehmigte die Regterung in Köslin den Be⸗ schluß; der katholische e. in Bütow erhielt einen entsprechenden Bescheid. Offenbar infolge der Besprechung des Falles durch meinen Freund Marx forderte der Minister die Regierung in Köslin zum Bericht auf, und diese vertrat ihren Standpunkt auch dem Minister gegenüber in einem Bericht vom 30. April 1908. Der Minister hat einen ganz anderen Standpunkt eingenommen, als die Regierung in Köslin. Er hat der Schule einen konfessionellen Charakter zugesprochen, da der Magistrat die Anstellung weiterer katholischer Lehrkräfte abgelehnt habe. Auch sei § 39 des Volksschul⸗ unterhaltungsgesetzes als vorliegend anzusehen. Es folgten nun im Anschluß an diesen Erlaß des Ministers Verhandlungen zwischen der Regierung in Köslin und dem Magistrat von Bütow über die Kosten des Baues usw., aber die Gemeinde machte Schwierigkeiten. Nach 11 Monaten griff dann der Minister durch einen neuen Erlaß ein. Der Magistrat wendete ein, es handle sich nicht um eine Konfessions⸗ schule, sondern um eine Simultanschule, die katbolischen Lehrer an dieser Schule erteilten in der Hauptsache nicht Religions⸗ unterricht, sondern Unterricht in anderen Fächern. vm zember 1909 fragte der Bezirksausschuß beim Magistrat an, ob die katholischen Hausväter, die im Jahre 1906 den Antrag gestellt hatten, auch am 1. April 1908 noch mindestens 120 Schul⸗ kinder vertreten hätten. Am 7. Januar 1910 erklärte der Magistrat, daß nicht mehr 120, sondern nur noch 107 Schulkinder vertreten gewesen seien. Auf Grund dieser Mitteilung beschloß der Bezirks⸗ ausschuß, daß der Feststellungsantrag abzulehnen sei. Gegen diesen Beschluß erfolgte nun seitens der katholischen Väter Be⸗ schwerde beim Provinzialrat. Dieser entschied, daß die Beschwerde der Regierung zurückzuweisen sei. Es wurde anheimgegeben, nunmehr einen neuen Antrag auf Grund des § 39 des Volksschulunterhaltungs⸗ gesetzes zu stellen, und bei diesem Punkt steht die Sache nun heute. Man kann sich ungefähr denken, wie die Sache sich weiter entwickeln wird. Wenn es der katholischen Gemeinde in Bütow gelingt, nach⸗ zuweisen, was ihr nicht schwer fallen wird, daß die gesetzliche Kinderzahl vorhanden ist, dann wird die Stadtgemeinde dazu übergehen, die Frage auf eine neue Basis zu stellen und Erhebungen darüber anzustellen, ob es sich überhaupt um eine konfessionelle oder Simultanschule handelt, und dann wird mit derselben Genialität die Sache in die Länge gezogen werden, wie es bisher bereits der Fall gewesen ist. Es können noch zehn Jahre darüber vergehen, bis die Sache überhaupt zur Erledigung kommt. Dieser Fall ist, wie gesagt, typisch dafür, wie man bei Mangel an gutem Willen billige Ansprüche einer konfessionellen Minderheit unberücksichtigt läßt. Wenn die Stadt Bütow geltend gemacht hat, daß die Errichtung einer konfessionellen Schule ihr zu hohe Opfer auferlege, so könnte der Minister ihr ja mit seinen Mitteln unter die Arme greifen. Wenn sie aber die Frage aufgeworfen hat, ob es sich überhaupt hier um eine konfessionelle Schule handelt, so sollte in allen olchen Fällen ein⸗ für allcmal bestimmt werden, daß, wenn ein dolcher der konfessionellen Minderheit zur des Religionsunterrichts angestellt wird, dann gleichzeitig festgestellt wird, daß es sich hier nicht um eine Simultanschule, sondern um eine Konfessionsschule handelt. Dann würden künfrig solche Irr⸗ tümer nicht vorkommen wie in Bütow. „Nach dem von Wredeschen Kommentar unterliegt es keinem Zweifel, daß die Entscheidung über die Frage, welchen Charakter eine Schule trägt, unbedingt der Schulaufsichtsbehörde zusteht, nicht dem Ermessen einer einzelnen Stadtverwaltung oder dem Bezirkkausschuß usw. Die Frage, ob sich

efunden hat, 1 a WDer Redner führt die betreffenden Zahlen an.) Die katholischen Gemeinden haben sich der evangelischen Minderheit gegenüber in zahl⸗ reichen Fällen viel entgegenkommender verhalten als Bütow der katholi⸗ schen Minderheit gegenüber. Einzelne sind sogar so weit gegangen, daß sie für 10 bis 12 evpangelische Kinder eine Konfessionsschule eingerichtet haben, ohne dafür die sehr erheblichen Kosten zu scheuen; sie haben sich also viel weitherziger gezeigt als die evangelischen Gemeinden. Sonderbar sind auch die Gründe, welche die Stadt Bütow für die

katholischen Schule würde man sich an den katholischen Kindern ver⸗ crans. 88 eigentlich nur einen Dorfunterricht genießen würden, und eine solche Schule würde die konfessionellen Gegensätze verschärfen

Wir meinen, daß gerade das Gegenteil eintreten würde Die katholi⸗ schen Eltern machen doch nur von einem ihnen gesetzlich gewähr⸗ leisteten Recht Gebrauch, und es streift an das Unerhörte, wenn die Stadtverwaltung von Bütow ihnen daraus einen Vorwurf macht. Ich bitte den Minister, seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß diese langweilige Geschichte etwas beschleunigt wird. Daß er gan seinem Standpunkte festhält, halte ich für selbstverständlich. Im Interesse der Einheit in diesen Rechtsfragen müßte eine Berufungs⸗ instanz beim Oberverwaltungsgericht eingerichtet werden. In Lauen⸗

es uͤber 250 katholische Kinder, und die Stadtgemeinde hat ebenfalls die Errichtung einer Konfessionsschule verweigert. Hier hat sich der Bezirksausschuß vollständig auf den Boden der atholi⸗ schen Minderheit gestellt und die Errichtung einer Kon⸗ fessionsschule angeordnet. Auch der Minister hat für den katholischen Antrag Stellung genommen. Ich habe im vorigen Jahre bereits dem Minister die Bitte ausgesprochen, daß er den Fonds zu Entschädigungen an Lehrer und Lehrerinnen für die Teilnahme an amtlichen Kreiskonferenzen erhöhen möge. Ich freue mich, daß in diesem Jahre eine Erhöhung eingetreten ist. Vielleicht wäre es möglich, einen Dispositionsfonds für die Kreisschulinspektoren für diese Zwecke zu schaffen. 1“ c Bin 5 beklagt sich über ungleichmäßige Bemessung der Amtszulagen für evangelische und katholische Schulleiter im Re⸗ gierungsbezirk Münster. Es werde sogar von der Königlichen Re⸗ gierung in Münster ein Druck auf die Gemeinden ausgeübt, die einen Ausgleich schaffen wollen. Es kämen Benachteiligungen der katholi⸗ schen Schulleiter bis zu einer Höhe von 500 im Jahre vor. Geheimer Oberregierungsrat Klotzsch: Die Regierung ist be⸗ müht, die Schwierigkeiten, die sich bei der Ausführung der Bestim⸗ mungen über die Amtszulagen ergeben haben, auf dem Verwaltungswege zu beseitigen. 8. bei den Mietsentschädigungen Differenzen bestehen, ist ganz selbstverständlich. Hätten wir eine einheitliche Regelung haben wollen, dann hätte die Mietsentschädigung einheirlich für die ganze Monarchie geregelt werden müssen. Mit der Regelung der Mietsentschädigung ist aber ein ganz ungeheurer Fortschritt erreicht worden. Es sind allein 6 Millionen Mark dadurch den Lehrern mehr zugefallen.

(Schluß des Blattes.)

Nr. 11 des Zentralblatts fürdas DeutscheReich“, heraus⸗ moehen im Fesrzgen⸗ des Innern, vom 4. März hat folgenden Inhalt:

und Weizenkleie.

Tondern abgeführt worden sei. (Auch hier wurde die Einzeldarlegung vom Vizepräsidenten Dr. Spahn als nicht hierher gehörig, sondern in das

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von einer Lehrerin in beiden Schulen erteilt, es ist also nicht gerade

in Bütow die gesetzlich vorgesehene Mindestzahl der Kinder von 120 ch dng der amtlichen Statistik unbedingt zu bejahen.

Ablehnung angeführt hat. Sie hat gemeint, durch die Errichtung einer

burg liegt ein ähnlicher Fall vor, der noch schlimmer ist. Da gihbt

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Zoll⸗ und Steuerwesen: Anleitung für die Zollabfertigung von Roggen⸗