zehnten nicht.
Wenn die Toten reden könnten, so würden sie gegen eine so leicht⸗ fertige Kontrolle, wie sie jetzt bestehe, energisch protestieren. Er bitte dringend, hier endlich Wandel zu schaffen.
Direktor im Reichsamt des Innern Dr. von Jonquidres: Die Reichsverwaltung stimmt mit dem Vorredner darin überein, daß es Aufgabe der Behörden wie aller Beteiligten ist, dahin zu wirken, daß die traurigen Verluste an Menschenleben auf See auf das möglichst geringste Maß zurückgeführt werden. Es fragt sich nur, ob auf dem vom Vor⸗ redner empfohlenen Wege etwas Besseres erreicht wird als das, was wir haben. Damit will ich nicht sagen, daß dies vollkommen sei. Vollkommen ist nichts in der Welt. Wir werden Verluste an Menschen⸗ leben auf See haben, solange auf See gefahren wird. Das Wasser hat eben keine Balken. Der Vorredner hat die traurigen Einzelfälle dazu benutzt, um Vorwürfe gegen die Seeberufsgenossenschaft in die Welt zu schleudern, als wenn sie ihrer gesetzlichen Aufgabe, den Schiffahrts⸗ betrieb zu überwachen, nicht in genügendem Maße nachkäme. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Den Beweis sind Sie schuldig geblieben. Die Einzelfälle kann ich nicht als Beweis anerkennen. Sie wollen alles, was an Mängeln hervorgetreten ist, der Seeberufsgenossenschaft bezw. ihren Organen zur Last legen. Das geht nicht an. Wenn auf einem Schiffe im gegebenen Falle ein Ausrüstungsstück fehlt, ein Rettungsboot oder dergleichen, so können Sie unmög⸗ lich dafür die Seeberufsgenossenschaft verantwortlich machen. Diese hat allerdings die laufende Kontrolle des Zustandes des Schiffes zu besorgen, aber nicht die Ausrüstung des Schiffes im einzelnen Falle. Diese Aufgabe muß demjenigen verbleiben, der bisher durch das Gesetz dafür verantwortlich gemacht ist. Die Verantwortung für die seetüchtige Ausrüstung liegt dem Schiffsführer ob. (Zuruf von den Sozialdemokraten: Mitschuld.) Mitschuld existiert hier nicht. Wenn die Berufsgenossenschaft bezw. ihre Organe die Besich⸗ tigungen, so wie sie bei der ganzen Organisation des Be⸗ sichtigungswesens eingeführt sind, vorgenommen hat, wenn alles in Ordnung gefunden ist, wenn nicht nachgewiesen ist, daß die Beamten sich pflichtwidrig eine Nachlässigkeit haben zu schulden kommen lassen, so hat die Berufsgenossenschaft das Ihrige getan. Nun wäre es Ihr (zu den Sozialdemokraten) Wunsch, daß bei jeder Abfahrt eines Schiffes ein Beamter der Berufsgenossenschaft hinauf⸗ geschickt wird, um das Schiff zu durchsuchen, ob irgendwo etwas nicht in Ordnung ist, eine Aufgabe, die dem Kapitän zufällt. Wenn Sie das einführen wollen, können Sie den ganzen Schiffsverkehr überhaupt einstellen. Eine solche Kontrolle sieht unser Gesetz vor bei Aus⸗ wandererschiffen, wo es sich um das Leben von Hunderten und Tausenden von Auswanderern handelt. Da wird aber nur unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit der Auswanderer die Be⸗ sichtigung durch den Reichskommissar vorgenommen. Diese Vor⸗ schrift auf alle Frachtschiffe zu übertragen, ist ein Ding der Un⸗ möglichkeit. Auch die Präventivkontrolle gegen die Verhütung von Unfällen hat ihre Grenze in den natürlichen Verhältnissen des Ver⸗ kehrs. (Der Redner verliest darauf den Bericht der Seeberufsgenossen⸗ schaft über die Revisionen der untergegangenen Dampfer „Amalfi“ und „Maria Rust“, um zu beweisen, daß der Seeberufsgenossenschaft ein Verschulden an den Unfällen nicht beigemessen werden kann.) Die Erregung, die sich Hamburger Kreise bemächtigt hat, ist be⸗ greiflich, weil in neuerer Zeit drei, wie ich zugebe, alte Dampfer derselben Reederei innerhalb weniger Tage in See geblieben sind. Das ist ein trauriger Fall, wie wir ihn lange nicht erlebt haben, und dadurch erklärt sich die Erregung. Seit dem Zusammenstoß von „Elbe“ und „Frith“ im Jahre 1895 sind wir im allgemeinen von solchen Unglücksfällen verschont geblieben. Man ist nicht mehr gewohnt, mit derartigen Ereignissen zu rechnen. Unter solchen Umständen gewinnt allerdings der Verlust von drei alten Frachtdampfern und einer Anzahl Menschenleben eine ganz gewaltige Bedeutung in den Augen der beteiligten Kreise, und zwar mit Recht. Aber die Dampfer sind untergegangen in einer Sturmperiode, wie wir sie seit langen Jahren nicht gehabt haben; untergegangen in den gefährlichsten Ge⸗ wässern, die die europäische See aufzuweisen hat, in der Bucht von Biscava; in der gleichen Zeit sind in denselben Bezirken 11 Schiffe sowie ein spanischer und ein portugiesischer Küstendampfer unter⸗ gegangen, 94 Schiffe wurden schwer beschädigt oder haben Not⸗ hafen anlaufen müssen. Es liegen Berichte der Kapitäne vor, die besagen, daß der Sturm so gewaltig gewesen ist, wie seit Jahr⸗ Die Leute haben sich nur kriechend über Deck be⸗ wegen können. Das sind erzeptionelle Vorfälle, bei denen alte Schiffe sehr wohl Unfall erleiden können. Wenn man Ihr Ver⸗ langen, Schiffe von über 30 Jahren nicht mehr in See gehen zu lassen, erfüllen könnte, so wäre das gewiß gut. Aber die See⸗ schiffahrt ist ein Gewerbe, das betrieben werden muß unter dem Gesichtspunkte der Rentabilität und der internationalen Konkurrenz. Unsere Flotte hält den Vergleich bezüglich des Alters der Schiffe mit den Flotten anderer Länder vollkommen aus, namentlich England gegenüber. Die Verhältnisse in Deutschland liegen sogar sehr günstig im Vergleich zu denen der ersten seefahrenden Nation, England. Es ist behauptet worden, die Seeberufsgenossenschaft arbeite nach ganz merkwürdigen Prinzipien. Seit 1893 sei der Grundsatz auf⸗ gestellt, man solle nicht nur auf das Schiff selbst sehen, sondern nach den persönlichen Eigenschaften des Führers urteilen. Ich weiß nicht, ob dies vor 18 Jahren angeordnet ist, würde es aber miß⸗ billigen, denn die Seetüchtigkeit des Schiffes ist unabhängig von der Persönlichkeit des Kommandoführers. Aber wir können doch nicht jetzt eine staatliche Besichtigung einführen. Die Seeberufs⸗ genossenschaft hat die Aufgaben, die ihr durch die Gesetzgebung gestellt sind, bisher in vorzüglicher Weise gelöst. Ich habe mich noch mit dem Referenten im Reichsaufsichtsamt darüber unterhalten; er hat anerkannt, daß die Berufsgenossenschaft tut, was sie kann. Das be⸗ weisen auch die Ziffern. Sie wendet für Unfallverhütung den Betrag von 232 000 ℳ auf. Die nächstfolgende, die Steinbruchberufsgenossen⸗ schaft, wendet 111000 ℳ auf. Die Seeberufsgenossenschaft läßt es also nicht an den nötigen Mitteln fehlen. Sie hat mit einem Personal von 67 000 versicherten Personen und mit einem Bestande von 3534 Schiffen zu rechnen. Diese werden regelmäßig einer gründlichen Untersuchung unterzogen. Daneben wurden 2066 Ueberholungen vor⸗ genommen, wie der technische Ausdruck für diese Kontrolle lautet. Alle 4 Jahre wird das Schiff auf das genaueste untersucht, um die Klasse festzustellen, auf Grund deren allein die Versicherung möglich ist. Mitten in der vierjährigen Periode wird eine Untersuchung derjenigen Schiffsteile eingeschoben, die besonders angegriffen werden, der Unter⸗ wasserteile usw. Diese Untersuchungen werden ausgeführt von einem Stabe von Beamten der Seeberufsgenossenschaft und des Germanischen Lloyd. Die Behauptung, die Berufsgenossenschaft sei nichts weiter als eine Vereinigung von Interessenten, und ihre Beamten seien ab⸗ hängig von den Reedereien, ist unzutreffend. (Der Ministerial⸗ direktor verliest die Bestimmungen der Seeberufsgenossenschaft, wonach die Beamten so unabhängig wie möglich zu stellen sind.) Wo sollten wir das Personal hernehmen, um die Untersuchungen so durchzuführen, wie Sie (zu den Sozial⸗ demokraten) es sich denken, daß bei jeder Abfahrt ein Zivil⸗ oder Polizeibeamter auf dem Schiffe erscheint? Der Gedanke ist ganz schön. habe mir die Idee vor Jahren selbst durch den Kopf gehen lassen, aber ich habe eingesehen, daß, nachdem die Berufsgenossenschaft ihre Aufgabe im großen und ganzen vorzüglich durchgeführt hat, absolut nicht die geringste Veranlassung vorliegt, die Organisation zu ändern, weil in der Wirkung absolut nichts geändert werden kann. Wir werden nicht verhindern können, daß einmal ein Frachtdampfer zu Grunde geht und eine Anzahl Schiffsleute ihr Leben verlieren. Auf Grund solcher Unfälle einen Vorwurf gegen unsere ganzen Schiffahrtsverhältnisse zu erheben, ist bedauerlich, sie werden dadurch dem Ausland gegenüber herabgesetzt. Hier wird der Versuch gemacht, die Ehre unserer Kauffahrteischiffe herunterzuziehen, und die wollen wir hochhalten. (Lärm und Zurufe von den Sozial⸗ demokraten: Unsinn! Der Vizepräsident Schultz rügt diesen Zuruf.)
Abg. Schwartz⸗Lübeck (Soz.): Auf die Untersuchungen der Seeberufsgenossenschaft gebe ich gar nichts; nach ihren Berichten ist auch auf den untergegangenen 175 immer alles in Ordnung gewesen. Die Ursache der Schiffsverluste ist auch vornehmlich in der vielfa ganz unzulänglichen
Besatzungs⸗
mannschaft zu suchen. Das Handbuch der deutschen Handelsmarine gibt leider keinen Aufschluß darüber, wie stark die Besatzungen der einzelnen Schiffskategorien sind; das ist ein großer Fehler dieses Buches. Ich wich die Schulschiffe nicht schlecht machen; aber die Ausbildung, die die Schiffsjungen dort erhalten, ist nicht gleichwertig mit der auf einem in Fahrt begriffenen Handelsschiff, sie ist mehr militärisch und erzieht den angehenden Seemann nicht von Anfang an zu der Selbständigkeit, die er unumgänglich braucht. In England mußten die Schiffsjungen auf einem und demselben Schiffe 7 Jahre fahren, ehe sie zu Vollmatrosen erklärt wurden; die Ausbildung auf den Schulschiffen dauert nur 2 Jahre. Besteht noch dazu die Mehrzahl der unzulänglichen Be⸗ mannung aus Leichtmatrosen und jungen Leuten, dann ist es kein Wunder, wenn so viele Schiffe verloren gehen. Wenn auch der Germanische Lloyd nicht alle Ueberholungen, die nötig sind, wahr⸗ nehmen kann, warum gibt man nicht den Matrosen das Recht dazu? Die Ueberholungen der Seeberufsgenossenschaft sind allesamt für die Katz. Ich bin lange, lange Jahre zur See gefahren, aber nie auf einem Schiff, das zweimal überholt worden wäre. Es heißt die See⸗ mannschaft verleumden, wenn man ihr nachsagt, sie mache den Schiffen aus purem Uebermut Schwierigkeiten. Die schweren Stürme und die Katastrophen der letzten Zeit sollten dem Reichsamt des Innern eine Lehre sein, endlich einmal mit der Untersuchung der Schiffe Ernst zu machen.
Abg. Kirsch (Zentr.): Die Tätigkeit der Kommission für die See⸗ mannsordnung ist von den sozialdemokratischen Rednern angegriffen worden. Es ist uns damals mit der Resolution, an deren Aus⸗ arbeitung ich wesentlich beteiligt war, durchaus Ernst gewesen. (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Das erkennen wir durchaus an!) Was hier angeführt worden ist, genügt nicht, um darzutun, daß die Sloman⸗Dampfer in seeuntüchtigem Zustande in den Meerbusen von Biscaya gelangt sind. Gegen den Reeder Mentz, den Besitzer der „Edith“, hat die Seeberufsgenossenschaft auf die höchste zulässige Strafe, eine Geldstrafe von 1000 ℳ erkannt. Bedauerlich sind ja alle diese Unfälle gerade so wie die im Eisenbahnverkehr; aber bei der gerichtlichen Untersuchung stellen sich die Vorgänge oft ganz anders dar, als sie vorher berichtet worden sind, nur zu oft müssen die Gerichte bezüglich der Schuldfrage zu einem non liquet gelangen.
Abg. Dr. Heckscher (fortschr. Volksp.): Die letzten Schiffs⸗ katastrophen haben in Hamburg allerdings eine starke Erregung hervorgerufen; mit Sorge und zum Teil mit Zorn steht man diesem dreifachen Schiffsuntergang gegenüber. Auch ich gebe dem tiefen Mitleid über den Tod so vieler braver Seeleute Ausdruck. Aber ist man berechtigt, deswegen gegen die Firma Sloman den Vorwurf zu erheben, daß sie bewußt diese Schiffe seeuntüchtig hinausgeschickt habe? Die herumziehenden Gerüchte haben in der unfreundlichsten Weise über die Reederei Sloman gesprochen. Man hat mir zuverlässig berichtet, daß die Firma neben drei Schiffs⸗ offizieren einen vierten angestellt hat, der als Matrose auf dem Schiff Dienst tut, aber als Offizier bezahlt wird. An diesen einen Um⸗ stand haben sich alle diese unfreundlichen Gerüchte über die Firma geknüpft, und die beiden Vorredner von der äußersten Linken haben sie sich zu eigen gemacht, bevor der gerichtliche Spruch ergangen ist. Sie hätten vorsichtiger gehandelt, wenn sie ihre Angriffe bis dabin auf⸗ gespart hätten. Das Seeamt wird, so hoffe ich unerschütterlich, mit peinlichster Genauigkeit die Frage untersuchen, ob der Reederei eine Schuld an den Unglücksfällen und der Seeberufsgenossenschaft irgendein Mangel an ihrer Aufsichtspflicht zuzumessen ist. In diesen Katastrophen it auch ein naher Verwandter des Hauses Sloman unter⸗ gegangen. Etwas Niedrigeres, Gemeineres könnte ich mir gar nicht denken, als daß eine Reederei bewußt eine solche Handlung beginge, wie sie ihr vorgeworfen wird. Der Kollege Metzger hat aus dem Jahresbericht der Seeberufsgenossenschaft von 1893 einen Satz vor⸗ gelesen, der einen gewissen Eindruck machen muß. Es handelte sich dabei aber um kleine Schiffe, die der Aufsicht der Berufsgenossen⸗ schaft nicht unterstanden; da hat die Seeberufsgenossenschaft gemeint, man müsse doch auch dem persönlichen Wagemut einen gewissen Spiel⸗ raum lassen. Seltsam ist jedenfalls, daß die Sozialdemokraten nach der staatlichen Aufsicht rufen, wo diese bezüglich der Kesselrevision zweimal vollständig versagt hat. In meiner absoluten Unabhängigkeit von der Seeberufsgenossenschaft erkläre ich mit besonderer Freude, daß der Vorsitzende der Seeberufsgenossenschaft im Verein mit dem Direktor Schauseil sich mit allen Kräften bemüht hat, die Unfall⸗ verhütungsvorschriften zur denkbar höchsten Vollendung auszubauen. Auf der Tagung des Vereins für Sozialpolitik in Hamburg hat der Vorsitzende der Seeberufsgenossenschaft einen sehr guten Eindruck ge⸗ macht. Diesen geachteten Mann von der Tribüne des Reichstages in dieser Weise anzugreifen, wie es der Abg. Metzger getan hat, ist in keiner Weise gerechtfertigt. Das Seeamt hat festgestellt, daß der Schiffsleitung des Schiffs, das dem Vorsitzenden gehört, eine Schuld an dem Unfall nicht beizumessen gewesen ist. Das Schiff befand sich in Auslande, und während jener Zeit erließ die Seeberufs⸗ genossenschaft eine neue Unfallverhütungsvorschrift. Wie konnte das Schif also diese neue Vorschrift befolgen? Der Vorredner hat sich mit dem Nachwuchs der deutschen Seemannschaft befaßt. Ich wundere mich, daß eine so alte Seeratte wie der Abg. Schwartz eine so einseitige Darstellung in bezug auf die Schiffsjungen ge⸗ geben hat. Die Segelschiffahrt ist doch zurückgegangen, die Reedereien haben auf andere Weise sich Nachwuchs sichern müssen und sind deshalb dazu übergegangen, Schulschiffe auszurüsten. Für die Dampfschiffahrt ist die staatliche Aufsicht nicht erwünscht. Reichen die Seeberufsgenossenschaften zur Aufsicht nicht aus, so würde ich mich sofort auf die Seite der Abgg. Metzger und Schwartz stellen. Der Direktor der Seeberufsgenossenschaft hat auf meine Frage mir versichert, daß er jeder Beschwerde eines Seemanns oder einer Fach⸗ vereinigung in der sorgfältigsten Weise nachgeht, auch wenn es sich um sozialdemokratische Vereinigungen handelt. Wenn die Schiffs⸗ kapitäne ernste Mißstände finden, dann vertraue ich ihnen unbedingt, daß sie ihre Wahrnehmungen auch an zuständiger Stelle mitteilen. Wir können ruhig sagen, daß unsere deutsche Schiffahrt in der Welt voransteht, trotz all der Gravamina, die hier vorgetragen worden sind.
Abg. Raab (wirtsch. Vgg.): Da der Entwurf eines Seeunfall⸗ gesetzes uns hoffentlich recht bald beschäftigen wird, so hätte ich ge⸗ wünscht, daß man diese Debatte bis dahin verschoben hätte. Ich meine aber, daß der Ton des Vertreters der Regierung der Sachlage nicht entsprach. Mit solchen Ausführungen gewinnt man das Ver⸗ trauen der Seeleute nicht. Das Vertrauen der Seeleute zum staat⸗ lichen Schutz steht auf sehr schwachen Füßen. Gewiß hat die See⸗ beisfaoen ssenschaf auf diesem Gebiet in den letzten Jahren sehr viel geleistet. Aber ihre Tätigkeit ist sehr jungen Datums und nur auf unsere Anregung zurückzuführen. Früher war man über diese unsere Anregung auf seiten der Reeder nicht sehr erbaut, wie das Beispiel des Herrn Laeisz beweist. Der Vertreter der Regierung sagte, die Vorschriften der Seeberufsgenossenschaft genügen. Es gibt aber Körperschaften, die anderer Meinung sind, namentlich, was die Vorschriften über die Schotten betrifft. Das Schiff „Werner“ hatte keine Tiefladelinie, weil es nur für die Küstenschiff⸗ fahrt angemeldet war, außerdem war es überladen. In der Ueberwachung der Unfallverhütungsvorschriften kann zweifellos mehr geschehen. Solange wir Schiffahrt treiben, sind aller⸗ dinge Unfälle nicht zu vermeiden. Aber wir können an unsere echg mindestens dieselben Anforderungen stellen wie England. Auf dem Schiffe „Mecklenburg“ war eine künstliche Ventilation nicht vorhanden, sonst hätte der Unfall vielleicht vermieden werden können. Noch immer fahren Schiffe zu schnell; auch darauf sind manche Unfälle zurückzufuhren, z. B. die der Segelschiffe „Rickmers“, „Preußen“, des Küstendampfers „Eduard Bohlen⸗ und anderer. Für den Schutz der Mannschaft könnte jedenfalls noch viel mehr gescheben. Die Kapitäne sind in diesen Dingen schlimm daran. Die Zahl der stellenlosen Kapitäne ist sehr groß, und es ist kein Wunder, wenn sie jeden Antrag eines Reeders annehmen und auch auf nicht ganz brauchbaren Schiffen in See gehen. Wir haben in der neuen Seemannsordnung auch die Reeder haftbar gemacht, aber Strafen von 1000 ℳ wegen Uebertretung der Vorschriften zur Ver⸗ hütung von Seeunfällen fallen überhaupt nicht ins Gewicht. In
letzter Zeit ist man allerdings gegen die Reeder etwas schärfer vor gegangen. Eine durchgreifende T esserung auf diesem Gebiete ver⸗ spreche ich mir von der Errichtung eines Reichsschiffahrtsamtes. Warum sollte diese Einrichtung bei uns unmöglich sein, die in Eng⸗ land möglich ist? Durch Vertuschung und Ableugnung der Schäden erreichen wir nichts. Wollen wir Vertrauen zur Schiffahrt erhalten und ausbauen, so müssen wir dem Vorbilde Englands folgen. Den Segen der deutschen Schiffahrt verstehe ich als Hamburger am besten. Aber ich meine, wir dürfen nicht einer einzelnen Seeberufsgenossen⸗ schaft die ganze Verantwortung überlassen.
Abg. Molkenbuhr (Soz.): Wer zu Argumenten greifen muß, wie dem, daß es Unfälle auf der See geben müsse, solange Schiffahrt getrieben werde, und wer dem Hause die funkelnagelneue Wahrheit mitteilt, daß das Wasser keine Balken han mit dessen übrigen Argumenten muß es in der Tat nicht weit her sein. Solange der Kapitän von der Laune des Reeders abhängig ist und seine Stelle verlieren kann, wenn er gegen das Geldinteresse des Reeders verstößt, so lange ist es recht billig, dem Kapitän die Schuld an den Un⸗ fällen beizumessen. Das Fehlen von Längsschotten und anderen Sicherheitseinrichtungen muß doch sofort auffallen. Für den Verlust der drei Sloman⸗Dampfer wurde das schwere Wetter in der Biscaya⸗ Bucht angeführt, wodurch 11 Schiffe verloren gegangen wären. Damit wird doch nicht widerlegt, daß es sich hier um sehr alte, nicht erstklassige Schiffe gehandelt hat. Wir klagen nicht sowohl die Seeberufsgenossenschaft als die Regierung der Nach⸗ lässigkeit in der Ergreifung von Maßregeln gegen diese Mißstände an. Auch aus dem Schreiben des Germanischen Lloyd ist nicht zu ent⸗ nehmen, wie die Kontrolle bezüglich der Sicherheit der Schiffe voll⸗ zogen worden ist. Die Behörden für die Untersuchung von See⸗ unfällen haben wir charakteristischerweise erst infolge eines gewissen Druckes von England; der Untergang des Lloyddampfers „Deutschland“ gab den Anstoß, und dieser Unfall wurde in England untersucht, und die Begründung der Vorlage, die die deutsche Seeämtereinrichtung ins Leben rief, sagt ganz offen, man müsse in Deutschland ein eigenes derartiges Amt haben, um die eventuell un⸗ bequemen Unfallsuntersuchungern durch das Ausland aus zuschließen, d. h. man wollte eigentlich nur das Dekorum wahren. Nicht um Reeder zu belästigen, sondern um Unfälle noch mehr zu vermindern, verlangen wir hier die Staatsaufsicht; und wenn die alten Kasten dann etwas genauer angesehen und ausrangiert werden, so wird die Reederei vielleicht zu Anfang etwas weniger fette Dividenden geben, aber die Gesamtheit wird den Gewinn haben.
Abg. Hormann⸗Bremen sfortschr. Volksv.): Ich wundere mich meinerseits gar nicht über den Ton, den der Regierungsvertreter an⸗ geschlagen hat; der Ton war die Antwort auf den immer und immer wiederholten Versuch, einzelne Vorfälle zu generalisieren und darauf Angriffe zu basieren. Nicht der Abg. Raab und nicht die Redner der äußersten Linken haben den Beweis erbracht, daß die Seeberufs genossenschaft ihre Pflicht vernachlässigt hat. Es ist überhaupt nicht Sache des Reichstags, solche Dinge in ihren Einzelheiten zu erörtern. Der Abg. Raab hat unserem Schiffsoffizierkorps kein sehr gutes Zeugnis ausgestellt. In England wird sehr scharf darauf gesehen, daß see⸗ untüchtige Schiffe nicht den Hafen verlassen; im Jahre 1909/10 wurden 20 Schiffe aus diesem Grunde angehalten, aber darunter war kein einziges deutsches. Die Verluste an Mannschaften bei den See⸗ unfällen haben in der englischen Handelsmarine im “ der Jahre 1907 — 09 prozentual etwas mehr als in der deutschen betragen; wir stehen also günstiger da als England. Das Schiff „Maria Ruß“ hatte die erste Klasse; was will man da also von der Seeberufsgenossen⸗ schaft? Bei dem dem Vorsitzenden der Seeberufsgenossenschaft ge hörigen Schiffe hat gar kein Versehen vorgelegen, wie schon nach⸗ gewiesen ist. Auch was ein Reichsschifffahrtsamt soll, kann ich nicht einsehen. Einem andern Schiffe wurde nach dem ihm passierten Unfall seine Klasse von dem Germanischen Lloyd unbedenklich erneuert. Man könnte darauf hinweisen, wie viel Schiffsunfälle mit dem Verlust der drei Sloman⸗Dampfer zusammenfallen; wenn alle über 30 Jahre alten Holzschiffe ausrangiert würden, so würde eine merkliche Lücke in unserer Handelsflotte entstehen. Bei der Seeberufsgenossenschaft hatten sich Mängel eingeschlichen, die Beamten haben mit Firmen über Lieferungen verhandelt. Da ist die Berufsgenossenschaft scharf eingeschritten und hat die nötigen Verbote im einzelnen erlassen. Wir bedauern die Verluste ebensosehr wie alle übrigen Redner, aber wir sind der Ueberzeugung, daß die Aufsichtsbehörden wie die Berufs⸗ genossenschaft das Ihrige getan haben, und daß gar kein Anlaß vor⸗ liegt, ein neues Reichsamt zu schaffen. Dazu können wir unsere Zu⸗ stimmung nicht geben, solange nicht nachgewiesen wird, daß dadurch die Verhältnisse noch günstiger gestaltet werden, als sie jetzt sind. Diese Debatte wäre zu vermeiden gewesen, wenn man einiges Ver trauen zu der wirklich hervorragenden Arbeit der Seeberufsgenossen⸗ schaft gehabt hätte und auch zu den Aufsichtsbehörden.
Abg. Dr. Sem ler (nl.): Es hätte gar keinen Sinn und wäre absolut zwecklos, Fälle, in denen eine Schuld vorliegt, in Schutz zu nehmen. Solche Fälle kommen in jedem Betriebe vor. Es ist nichts abscheulicher, als die Dinge zu vertuschen. Mit einer scharfen Ueber wachung bin ich einverstanden, aber nicht daß diese, wie der Abg. Raab sagt, „selbstverständlich“ durch staatliche Organe erfolgen muß. Wir haben alle Ürsache, stolz zu sein darauf, wie unsere Seeberufs⸗ genossenschaft, die über Deutschland hinaus ihre Pflicht erfüllt, durch ihre Vorstände und Vertrauensmänner verwaltet wird. Das muß man als geradezu ausgezeichnet anerkennen. Ich kann nur den drin⸗ genden Wunsch aussprechen, daß man uns unsere gute, staatlich ge⸗ ordnete Selbstverwaltung beläßt.
Bei den Ausgaben für das Statistische Amt be⸗ merkt der
Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Vor zwei Jahren haben wir eine Resolution angenommen auf Vereinfachung der Statistik. Bei der Beratung wurde darauf hingewiesen, daß dieselben statistischen Aufnahmen durch das Reich und durch die Bundesstaaten erfolgen, worin eine erhebliche Zersplitterung und Verteuerung liegt. Diese Anregungen haben das Reichsamt des Innern veranlaßt. die Frage nach zwei Richtungen eingehend zu prüfen, zunächst in oer Richtung der Nutzbarmachung technischer Fortschritte; es sind für weitere Versuche 10 000 ℳ ausgeworfen. Zweitens ist eine Kommission ein⸗ gesetzt, die sich eine Vereinfachung der Statistik durch ein besseres Zusammenarbeiten des reichsstatistischen Bureaus mit den statistischen Bureaus der Einzelstaaten zur Aufgabe gestellt bat. Wir haben uns nicht darüber zu unterhalten, wie die landes⸗ statistischen Bureaus eingerichtet sein müssen, um ihren Aufgaben zu genügen. Aber als Reichsangehörige dürfen wir verlangen, daß nicht dieselbe Arbeit an verschiedenen Stellen ausgeführt wird. Ob die Bearbeitung des Urmaterials im Reichsbureau oder in den Einzel⸗ staaten erfolgen soll, ist eine Zweckmäßigkeitsfrage. Das Reichs⸗ burcau wird jedenfalls die Sache einheitlicher behandeln. Wenn aber die Einzelstaaten wünschen, daß man ihnen die Bearbeitung überläßt, so wäre das für das Reich jedenfalls billiger. Jedenfalls müssen wir Verwahrung dagegen einlegen, daß, wenn diese Be⸗ arbeitung in den landesstatistischen Bureaus vorgenommen wird, dasselke noch einmal im Reichsbureau geschieht. Dazu haben wir keine Mittel. Man kann diese Frage auch lösen, ohne den partikularistischen Neigungen der landesstatistischen Bureaus zu nahe zu treten. Je bedauere und wundere mich, daß in die eingesetzte Kommission kein Mitglied der gesetzgebenden Körperschaften berufen ist. Der Reichs⸗ tag hat ein erhebliches finanzielles Interesse. In den statistischen Mitteilungen der preußischen Eisenbahnverwaltung finden wir genau dasselbe wie in den Nachrichten für Handel und Gewerbe, die vom Reichsamt des Innern herausgegeben werden. Ich möchte no eine kleine Spezialsache erwähnen. Es haben im Reichstage lange Debatten über die Lage der Kleinmüllerei stattgefunden. ist eine Konferenz veranstaltet, und es sind, um die Lage zu klären, statistische Ermittlungen veranstaltet. Wie jeder voraussehen konnte, verlangten die Interessenten ein außerordentlich umfang⸗ reiches Material. Es sind 205 Fragen gestellt, deren Beantwortung eine gewisse Intelligenz voraussetzt und zum Teil unmög⸗ lich ist. Man sollte das Wort beherzigen: In der Beschräͤnkung
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igt sich der Meister, und nicht alle Wünsche der Interessenten auf v. des Materials berücksichtigen. Wir würden eine nutz⸗ bringendere und billigere Statistik bekommen, wenn diese Anregungen
befolgt werden.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück:
Meine Herren! Der Herr Abgeordnete Freiherr von Gamp⸗ Massaunen hat eine Reihe von Wünschen vorgetragen und eine Reihe Ausstellungen zu machen gehabt zu dem, was seitens meines Amtes auf dem Gebiete der Statistik geschehen ist. Ich werde mich be⸗ mühen, seinen Wünschen, soweit ich das kann, zu entsprechen. Aber er wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich mich auch bemühe, seine Ausstellungen, soweit ich sie für unberechtigt halte, zu be⸗ richtigen.
Was zunächst die Kommission betrifft, die bisher getagt hat, und von der der Herr Abgeordnete gewünscht hat, daß auch Mitglieder des Parlaments zugezogen würden, so handelte es sich hier um eine vorbereitende Kommission, in der lediglich Beamte und Statistiker über bestimmte Fragen gehört werden sollten. Das Material wird selbstverständlich dem Reiche zugänglich gemacht werden. Aber zu dieser vorbereitenden, rein technischen Kommission auch nicht un⸗ mittelbar Beteiligte heranzuziehen, würde die Frage nicht vereinfacht, sondern sie kompliziert und die Verhandlungen verlängert haben.
Wenn der Herr Abgeordnete Freiherr von Gamp⸗Massaunen dann der Meinung gewesen ist, daß wir uns ein Uebermaß an Publikation auf statistischem Gebiete zuschulden kommen ließen, so möchte ich doch auf eins aufmerksam machen: Es handelt sich bei der Statistik um zweierlei: einmal, wer schafft das statistische Material und wer druckt es für seine Zwecke ab. Nur die Frage der Aufmachung der Statistik und die Frage der ersten Publikation der Statistik ist meine Sache. Wenn aber andere Behörden und andere Instanzen für ihre besonderen Zwecke das von uns pflichtmäßig aufgearbeitete Material abdrucken und weitergeben, so bin ich selbstverständlich nicht in der Lage, dagegen etwas zu tun. (Sehr richtig!) Wenn die Eisenbahn⸗ verwaltung im Interesse ihrer Angestellten statistisches Material aus unserem amtlichen Material entnimmt und es abdruckt, so kann man daraus weder uns noch der Eisenbahnverwaltung einen Vorwurf machen.
Der Herr Abgeordnete Freiherr von Gamp⸗Massaunen hat dann im Anschluß an seine statistischen Ausführungen auch die Nachrichten und Berichte gestreift, die seitens des Reichsamts des Innern auf dem Gebiete der Versorgung von Landwirtschaft, Handel und Industrie
mit wirtschaftlichen Nachrichten liegen. Ich möchte hier nur kurz sagen, daß die Sache hier ähnlich liegt. Wir sind unter Umständen genötigt, für diese Mitteilungen diese und jene Daten aus anderen Veröffentlichungen zu übernehmen, um unsere Mitteilungen verständlich zu machen, resp. um den Beteiligten bestimmte Zahlen leicht zugänglich zu machen. Denn einer der Hauptmängel unserer großen amtlichen Statistiken ist doch, daß es für den Interessenten nicht immer ganz leicht ist, aus einer solchen Riesenstatistik das heraus⸗ zulesen, was er im Augenblicke braucht, und ich bin der Meinung, daß man allen Beteiligten einen Dienst leistet, wenn man die für sie interessanten Zahlen herausgreift und sie ihnen an einer sichtbaren Stelle geeigneter Publikationen zugänglich macht.
Im übrigen aber möchte ich an das anknüpfen, was ich bereits in der Budgetkommission gesagt habe. Es sind über die Nachrichten und Berichte aus dem Reichsamt des Innern eine Reihe von Aus⸗ stellungen erhoben worden. Ich habe aus Anlaß dieser Beschwerden eine ausgiebige Umfrage bei allen an den Veröffentlichungen inter⸗ essierten wirtschaftlichen Körperschaften und Verbänden veran⸗ staltet. Die Ergebnisse dieser Umfrage liegen jetzt zum großen Teil vor und gehen im wessentlichen dahin, daß, wenn auch im einzelnen Wünsche wegen einer anderweiten Ausgestaltung unserer Nachrichten und Berichte vorliegen, die Be⸗ eiligten doch im allagemeinen die Institution nicht missen möchten. Ich werde nunmehr eine Konferenz von Interessenten zusammenrufen und werde versuchen, mit ihnen ein Programm für die spätere Aus⸗ gestaltung dieser Berichte und Nachrichten zu entwerfen, wobei ich mich einerseits bemühen werde, den Wünschen der Interessenten ent⸗ sprechend eine möglichste Beschleunigung der Bekanntmachungen herbei⸗ zuführen und andererseits alle überflüssigen Sachen, die nur unnötiges Geld kosten, auszumerzen.
Die Herren sehen also, daß ich hier auf dem Wege bin, auf dem sie mich zu sehen wünschen, und ich bitte, zunächst einmal abzuwarten, was bei der vorhin geschilderten Erörterung herauskommt. Ich will wünschen, daß ich bei den Besprechungen mit den Interessenten mehr Glück habe und mir ein etwas weitergehendes Lob erwerben kann, als mir die Besprechung mit den Interessenten bei der Auf⸗ stellung der Produktionserhebungen über das Mühlengewerbe einge⸗ bracht hat. Hier kann man auch sagen: Incidit in Scyllam, qui vult vitare Charybdim. Auf der einen Seite wird uns stets der Vorwurf gemacht, werden, nicht die Beteiligten und die Sachverständigen heranziehen; man ist der Meinung, daß das Reichsamt des Innern die technischen und wirtschaftlichen Fragen der einzelnen Gewerbe nicht so beherrsche,
daß wir angemessen beschaffene Fragebogen aufstellen können, und dann
wird immer gesagt: warum fragt ihr nicht rechtzeitig die Interessenten? das ist hier geschehen, und alle die Fragen, die Herr von Gamp eben als unzweckmäßig und überflüssig bezeichnet hat, sind uns von den Interessenten in tagelangen Verhandlungen direkt wir haben uns schließlich gefügt, weil wir uns gesagt Faben: wenn wir jetzt bei dieser Gelegenheit die Wünsche der Inter⸗ natürlich nachher der Wert einzelne zu beantworten sind, uns im Wir haben das auch den Interessenten gesagt, und darauf haben die Interessenten erklärt: das ist ganz gleichgültig; wenn die Statistik den Zweck erreichen soll, den wir — die Interessenten — damit verfolgen, nämlich eine Grundlage zu schaffen für Maßnahmen mittleren Mühlen, dann müssen diese So ist der Fragebogen ent⸗ daß er hätte kürzer
sein können, und von dem ich selbst gewiß gewünscht hätte, daß er
Nun, meine Herren,
aufgedrungen;
essenten nicht berücksichtigen, dann wird und die Richtigkeit der Statistik angefochten. der Fragen für die Interessenten schwer erkenne ich ohne weiteres an, darüber klaren gewesen.
Daß
sind wir
zum Schutze der kleinen und . Fragen in der Steatistik enthalten sein. standen, von dem ich ohne weiteres anerkenne,
kürzer gewesen wäre. 1 “ Genau so ist es auch mit dem Kreise derer, die wir mit Frage
daß wir, wenn derartige Fragebogen aufgestellt
haben wir uns den Wünschen der
etwas zu wenig Widerstand entgegengesetzt, weil mir daran lag, nun endlich einmal eine Grundlage zu gewinnen, auf der man einwandfrei und ohne sich dem Vorwurf der Ungenaui keit auszusetzen, in der Lage sein würde, die verschiedenen Wünsche des Mühlengewerbes, die hier im Reichstage wiederholt ausgesprochen und vertreten worden sind, zu würdigen und nach Möglichkeit zu erfüllen.
Nun, meine Herren, möchte ich aber dem Herrn Abg. von Gamp auch noch eine Freude machen. Er hat uns ja hier wiederholt die dankenswerte Anregung gegeben, daß wir uns in der Statistik und bei der Drucklegung der Statistik der möglichsten Sparsamkeit, Knapp⸗ heit und Kürze befleißigen möchten, und ich darf den Herren vielleicht an einzelnen Beispielen anführen, auf welch fruchtbaren Boden diese Anregungen bei uns gefallen sind. 8
Die Bestrebungen, eine Vereinfachung der statistischen Angaben zu erzielen, haben beispielsweise zu folgendem geführt. Die Kranken⸗ kassenstatistik umfaßt für den Jahrgang 1909 nur noch 102 Seiten gegen 256 Seiten im Jahre 1904. Also hier ist ein Rückgang von 151 Seiten zu verzeichnen. (Hört! hört! rechts.)
Die Streikstatistik wies 1905 noch 343 Seiten auf, für das Jahr 1909 sind noch 62 Seiten vorhanden (hört! hört! bei den Sozialdemokraten), also eine Verminderung um 281 Seiten. Die Herren sagen „hört! hört!“, das kommt davon! (Heiterkeit und Zuruf bei den Sozialdemokraten: Daß Sie an verkehrter Stelle sparen!) Das Arbeitsblatt hatte im Jahre 1907 1272 Seiten, 1910 nur noch 962 Seiten, also 310 Seiten weniger. (Hört! hört! rechts.) Trotz der Einschränkung ist durch kürzere Behandlung der einzelnen Gegenstände eine größere sachliche Vielseitigkeit erreicht (hört! hört! in der Mitte!) und die Darlegung auf verschiedene neue Gebiete aus⸗ gedehnt. (Sehr gut!)
Viertens, bei der Handelsstatistik enthalten seit dem März 1910 die Monatshefte nur noch 200 Seiten gegen 338 Seiten der früheren Hefte. (Sehr gut! rechts.) In den Jahresbänden ist vom Jahre 1908 ab der Spezial⸗ und gemeinsame Eigenhandel für das deutsche Wirtschaftsgebiet im ganzen nicht mehr zum Abdruck gelangt. In den Darstellungen des Verkehrs mit den einzelnen Ländern wird der gesamte Eigenhandel nur nach Warengruppen und nicht wie früher nach Warengattungen aufgeführt. (Hört, hört!) Eine Darstellung des Veredlungsverkehrs nach Herkunfts⸗ und Bestimmungs⸗ land ist unterblieben, die Berechnung der Zollerträge für das Kalenderjahr fortgelassen. Dadurch sind die handelsstatistischen Veröffentlichungen, die früher 3 Bände umfaßten, vom Jahre 1909 ab auf 2 Bände eingeschränkt worden.
Ferner das Statistische Jahrbuch ist durch das Zusammendrücken der Tabellen im Jahre 1910 um 19 Seiten kleiner geworden als im Jahre 1909, obwohl der Inhalt reichlicher ausgefallen ist. (Sehr gut! in der Mitte.) Die Vierteljahrshefte sind von 1078 Seiten im Jahre 1908 auf 839 Seiten im Jahre 1910, also um 239 Seiten vermindert worden. (Bravo!) Eine weitere Einschränkung tritt ein durch den Wegfall der Aufsätze über Schiffsunfälle, über den See⸗ verkehr in deutschen Hafenplätzen und die Seereisen der deutschen Schiffe, über den Bestand der deutschen Kauffahrteischiffe und den
werden; noch 15 esaů Mechanisierung der Statistik auch forderten maschinen zu bewilligen, 2 aber der Staatssekretär solle dafür r griff in die Rechte der statistischen Landesämter geschehe.
Bitte des Herrn Vorredners eine kurze Bemerkung gestatten.
zurzeit beständen neben dem Kaiserlichen Statistischen Amt statistische Landesämter. Man dürfe die Vorzüge der nicht überschätzen. Die ge⸗
probeweisen Aufstellung von Rechen⸗ sei die Fortschrittliche Volkspartei bereit; Sorge tragen, daß kein Ein⸗
10 000 ℳ zur
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern,
Staatsminister Dr. Delbrück:
der zuletzt ausgesprochenen Ich habe den Eindruck, wenn der Herr Vorredner die Erklärungen ge⸗ lesen hätte, die in der Budgetkommission über diesen Punkt abgegeben und bereits gedruckt in Ihren Händen sind, wenn er in der Presse die Berichte gelesen haͤtte über die inzwischen stattgehabten Be⸗ sprechungen mit den Vertretern der statistischen Landesämter, dann würde er die Bitte, die er eben an mich gerichtet hat, nicht mehr ausgesprochen haben, und er hätte seine Ausführungen erheblich ein⸗ schränken können.
Meine Herren, ich habe den Eindruck, daß hier ein über⸗ triebener Partikularismus Gespenster gesehen und diese Gespenster in der Presse mit einem gewissen Wohlbehagen mu einer ungeheuer⸗ lichen Größe ausgemalt hat.
Die Sache liegt kurz folgendermaßen: Wir sind uns darüber alle klar — und es ist im Hause hier wiederholt getadelt worden —, daß unsere Statistik zu langsam bearbeitet wird (sehr richtig! in der Mitte), daß die Ergebnisse dieser Statistik nicht rechtzeitig heraus kommen. Es ist ferner im Hause wiederholt darüber geklagt worden — nach meiner Ansicht jedenfalls mit Recht —, daß unsere Statistik zu teuer ist. (Sehr richtig! in der Mitte.)
Nun gibt es zwei Wege, um diesen Mängeln abzuhelfen: einmal die Mechanisierung, d. h. die Anwendung von Maschinen bei der Aufarbeitung des Materials. Diese Mechanisierung des Betriebes führt nach den Erfahrungen, die man in Oesterreich, in Amerika und anderswo gemacht hat — die dortigen Einrichtungen sind durch meine Beamten genau studiert —, sowohl zu einer Beschleunigung als zu einer Verbilligung des Verfahrens.
Die andere Möglichkeit ist eine Vereinfachung insofern, daß man Vorsorge trifft, daß das Reichsamt, welches die Statistik zu bearbeiten hat, rechtzeitig in den Besitz desjenigen Urmaterials gelangt, das es für seine Aufgaben braucht. Die 10 000 ℳ, die jetzt von Ihnen an⸗ gefordert werden, haben lediglich den Zweck, Versuche anzustellen, in welchem Umfange man zweckentsprechend mit Maschinen arbeitet. — Daß darin kein Eingriff in die Selbständigkeit der statistischen Landes⸗ ämter liegt, wird mir doch jedermann bestätigen.
Nun ist nebenher darauf hingewiesen, daß eine Vereinfachung auch eintreten könnte, wenn man die Arbeit vielleicht in einigen Punkten zwischen den statistischen Landesämtern und dem Reichsamt teilen könnte. Aber auch dabei ist es keiner Menschenseele eingefallen daran zu denken, die statistischen Landesämter zu unterdrücken oder in ihrem Wirkungskreise beschränken zu wollen. Es wäre doch eine wunderbare Sache, wenn in einer Zeit, wo jede hinreichend große Stadt ein eigenes statistisches Amt hat, das Reich daran gehen wollte,
Meine Herren! Ich möchte mir zu
Verkehr auf den deutschen Wasserstraßen. Im übrigen sind wir wegen einer Verminderung oder Verein⸗
fachung der Steuerstatistik mit den beteiligten Ressorts in Verhand⸗ lungen. Ich hoffe, daß es uns gelingt, auch auf diesem Gebiete den Wünschen der Herren in dem Umfang zu entsprechen, wie es auf den eben erörterten Gebieten geschehen ist. Wenn Sie mehr Zeit hätten, meine Herren, könnte ich Ihnen noch eine ganze Reihe ähnlicher Daten mitteilen; ich glaube aber, das, was ich gesagt habe, genügt, um Ihnen zu beweisen, wie dankbar wir sind, wenn uns Anregungen gegeben werden, denen wir entsprechen können. (Bravo.)
Abg. Dr. Roesicke (dkons.): Die Produktionsstatistik hat nur einen Wert, wenn sie nicht nur Brutto⸗, sondern auch Nettowerte angibt. Um diesem Mangel abzuhelfen, hat der Hansabund ein Buch heraus⸗ gegeben, worin die Produktionswerte durch Figuren dargestellt werden. Dieses Buch hat eine tendenziöse Darstellung der Produklionswerte in Industrie und Landwirtschaft gebracht. Der Bund der Landwirte hat dieser Darstellung eine andere gegen⸗ übergestellt, die von dem [Abg. Stresemann kritisiert worden ist. Stresemann hat die Leidenschaftslosigkeit des Hansabundes rühmend hervorgehoben. Ich habe in dem Buche keine Leidenschafts⸗ losigkeit gefunden, sondern Leidenschaftlichkeit. Der Abg. Stresemann hat bestritten, daß die Produktion der Landwirtschaft im Jahre 2 Milliarden, die der Industrie 9,9 Milliarden betrage. Er berief sich auf die Lohnhöhe der Industriearbeiter, die allein es unwahrscheinlich mache, daß die letzte Ziffer richtig ei. Von den Löhnen gehen zunächst die des Transportgewerbes ab. Außerdem muß auch der Vertrieb der Waren abgezogen werden, die nicht zu den Produktionswerten gehören. Die Löhne sind gezahlt worden zur Herstellung von Produktionswerten. Auch bei den ausgeführten Waren handelt es sich nicht um reine 8* duktionswerte. Der Abg. Stresemann hat die Sache also durchaus oberflächlich behandelt. Es gibt in der Industrie eine ganze Anzahl von Personen, die keine Werte schaffen, sondern die die Werte nur von der einen Hand in die andere geben. Es gibt auch unter den Gewerbetreibenden eine ganze Anzahl von Personen, die im Nebengewerbe Landwirtschaft treiben, die Schweine, Rinder halten, Milchwirtschaft treiben usw. Alle diese Personen schaffen landwirtschaftliche Werte. Dem Abg. Stresemann sind überhaupt bei seiner Statistik eine Menge Fehler untergelaufen, z. B. be⸗ züglich der Einfuhr der Baumwolle. Wer eine zuverlässige Statistik will, muß die reinen Produktionswerte finden. dabei zunächst das on legen. Dies beträgt jaͤhrlich 31 Milliarden. T Miete usw. ab, dann bleiben 21,1 Milliarden, dap die Produktionswerte der Landwirtschaft mit 12 Milliarden, bleiben für die Industrie 9,9 Milliarden, wie
Abg. Brey (Soz.) wünscht eine Uebersicht die durch gewerbliche Vergiftungen hervorgerufen sind, um Grundlage für einen wirksamen Arbeiterschutz zu gewinnen.
Vertrauen entgegengebracht worden. Finfuhr um in solches Mißverhältnis Statistik
zu viel unserer Statistik die 873 Millionen gesteigert; ein † rechtigte Zweifel an der Richtigkeit der
statistischen Ziffern lassen, auch und Agrariern. Verkehr gekommenen die Schätzungen des in den
werden. Allen diesen gegenüber man große Vorsicht walten Streite zwischen Hansabund Verkaufswerte der in den müßten beanstandet werden, da gewichts der einzelnen Tiergattungen und deren statistischen Landesämtern bunt durcheinander
Fleis
Man muß esamte Einkommen in Deutschland zu Grunde Davon gehen die Unkosten, davon noch ab dann wie wir behauptet haben. über die Todesfälle, so die
Abg. Dr. Doormann (fortschr. Volksp.) bedauert, daß wir noch keine hinreichenden statistischen Unterlagen für die Witwen⸗ und Waisen⸗ versicherung haben; es sei zu hoffen, daß das Material noch rechtzeitig vor Erledigung der Fenecea imn Aren sein Ei 1 5 sstatistik sei notwendig; der bisherigen sei Eine genauere Handelss “ 82, die Ausfuhr dagegen um
lasse be⸗
aufsteigen, jedenfalls müßten die Werte der Ein⸗ und Ausfuhr genauer hsah ollte
in ihrer Verwertung beim Auch die berechneten Fleischmengen einzelnen Staaten gingen.
die statistischen Landesämter zu beschränken oder zu beseitigen.
Und wenn mir nun vollends die Tendenz untergeschoben ist, die Bundesstaaten zu zwingen, in dieser Beziehung eine Einschränkung ihrer statistischen Landesämter eintreten zu lassen, so darf ich wohl mal fragen: wie sollte ich denn das machen? Mir fehlt doch überhaupt jede Möglichkeit, einen Zwang auf die Bundesstaaten aus⸗ uüben.
Also, meine Herren, die Bedenken, daß die Versuche, die wir auf dem Gebiete der Statistik machen wollen, und zu denen wir hier die Summe von 10 000 ℳ erbitten, irgendwie darauf gerichtet wären, die Selbständigkeit der statistischen Landesämter zu beschränken, sind un⸗ begründet. Die 10 000 ℳ sind prinzipaliter nur dazu bestimmt, Experimente mit den Maschinen, mit der Mechanisierung des Be⸗ triebes zu machen.
Im übrigen schweben mit den statistischen Landesämtern und mit den einzelnen Bundesregierungen Verhandlungen darüber, wie wir im Wege gütlicher Vereinbarung und unter Wahrung der beiderseitigen Interessen des Reichs und der Bundesstaaten zu einer Vereinfachung des Betriebes kommen können. Darauf, meine Herren, reduziert sich dieser Sturm, der seit 6 Monaten durch den deutschen Blätterwald gegangen und von einigen Leuten entfacht ist, die das Bedürfnis gehabt haben, partikularistischer zu sein als die Bundes⸗ staaten, die keine Bedenken gehabt haben, der dem Etat beigegebenen
Denkschrift zuzustimmen.
Direktor im Reichsamt des Innern Caspar erwidert dem Abg. Brey, daß den Berechnungen über die voraussichtliche Belastung durch die Reichsversicherungsordnung die Ergebnisse der Berufszählung von 1907 zugrunde gelegt seien, soweit sie bereits vorgelegen hätten. Im übrigen seien die Grundlagen für die Belastung an der Hand des sonst verfügbaren statistischen Materials festgestellt worden. 8
Abg. Schefbeck (Zentr.) weist darauf hin, daß eine zuverlässige Statistik der Vereine und Verbände in Gewerbe und Handwerk nicht
vorhanden sei. „Aba. von Czarlinski (Pole) führt Beschwerde über die Anus⸗ Abg. von Czarlins Po f werte ghen de. sga⸗
ührung der Volkszählung vom 1. Dezember in t 8.e Pen Man habe *b behördlicher Hilfe alle möglichen Kunst⸗ griffe angewendet, um bei der Beantwortung der Frage nach der Muttersprache ein den Polen ungünstiges, dem Deutschtum günstiges Resultat zu erzielen. Es wären Leute als deutsch gezählt, die nicht
ein Wort Deutsch können.
Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück:
Meine Herren! Ich darf dem Herrn Vorredner auf seine Aus⸗ führungen erwidern, daß alles das, was er hier gesagt hat, nicht in den Deutschen Reichstag, sondern in das Preußische Abgeordnetenhaus gehört. Es handelt sich um die Durchführung der Volkszählung. Die Durchführung im einzelnen ist aber Sache der Bundesstaaten, G und speziell die Frage nach der Muttersprache ist nicht vom Reich, sondern von Preußen gestellt. Es handelt sich hier um einen von den vielen Fällen, in denen die Bundesstaaten, was ja vorhin von ver⸗ schiedenen Rednern als dringend wünschenswert bezeichnet wurde, eine gewisse Selbständigkeit auf dem Gebiete der Statistik haben. Ich kann also nur anheimgeben, diese Beschwerden in Preußen vorzu⸗ bringen. 1 Ich bedauere es, daß ich unter diesen Umständen auf die inter⸗ essanten Fragen hier nicht eingehen kann, die der Herr Vorredner ge⸗ streift hat, unter anderem die, ob kassubisch tatsächlich polnisch oder
bogen bedacht haben. Auch hier hab⸗ 1 8 1 Interessenten gefügt, und ich habe ihnen in diesem Falle vielleich
t Die Verwendung von Zählmaschinen müßte einheitlich 1XX“ * v“
fixiert
aber ein besonderer Sprachstamm ist. Die Meinungen darüber haben
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