1911 / 67 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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auch bei Ihren (zu den Polen) Landsleuten je nach Lage der Situation gewechselt. Ich kann mich an Zeiten erinnern, wo man die Kassuben als einen anderen Volksstamm ansah, und, soweit ich mich erinnere, gibt es sogar einige Publikationen in kassubischem Idiom. Aber das gehört ja nicht hierher, das würde in Preußen zu erörtern sein.

Nach einer Erwiderung des Abg. Czarlinski (Pole) ent⸗ gegnet der

Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück:

Ich möchte nur nochmals feststellen, daß die Fragen, die hier kritisiert sind und über deren Ausführung sich der Herr Abg. von Czarlinski beschwert hat, überhaupt nicht von Reichs wegen gestellt sind. Von Reichs wegen ist in dem Zählformular lediglich nach folgendem gefragt: Vor⸗ und Familienname, Stellung im Haushalt, Geschlecht, Familienstand, Geburtstag und Geburtsjahr, Hauptberuf und Stellung im Hauptberuf, ob im aktiven Dienst des deutschen Heeres oder der deutschen Marine stehend, Religionsbekenntnis und Staatsangehörigkeit. Die übrigen Fragen stellen die Bundesstaaten kraft ihres verfassungsmäßigen Rechtes. (Zuruf: Vereinsgesetz!) Jawohl, wenn Preußen es für notwendig hält, zur Durchführung des Vereinsgesetzes und der ihm im Vereinsgesetz gegebenen Vollmachten besondere Fragen zur Volkszählung zu stellen, so ist das sein gutes Recht. (Bravol rechts.)

Darauf wird ein Schlußantrag angenommen.

Zur Geschäftsordnung bedauert der

Abg. Hanssen (Däne), daß er verhindert sei, ähnliche Klagen über die Volkszählung in Nordschleswig vorzubringen und zu beweisen, daß die Ergebnisse der Statistik bezüglich der Muttersprache in Nord⸗ schleswig unrichtig seien.

Präsident Graf von Schwerin teilt mit, daß inzwischen folgendes Telegramm des Präsidenten der italienischen Deputiertenkammer ein⸗ gegangen ist:

1u“ „Die Deputiertenkammer hat mich, einmütig zustimmend, be⸗ auftragt, Ihnen, Herr Präsident, und dem Reichstag tiefen Dank auszudrücken für die uns bei Gelegenheit unseres ruhmreichen

Jubiläums ausgesprochenen Gefühle, die die Bande freund⸗

schaftlicher Solidarität zwischen den beiden Völkern bestätigen und

befestigen werden. Der Präsident Marcora.“ Zur Geschäftsordnung bemerkt der Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.), es sei seiner Partei keine Mit teilung von dem Antrage gemacht worden, die Etatstitel, betr. die Kali⸗ abgaben, morgen zu Beginn der Sitzung zu verhandeln. Die Budget⸗ kommission habe dieser budgetär und volkswirtschaftlich gleich wichtigen Frage eine besondere Bedeutung beigelegt und 8 Tage darauf ver⸗

wendet. Dem würde es nicht entsprechen, wenn man jetzt, bevor noch die Beschlüsse der Kommission gefaßt seien, und auch die Proto⸗ kolle der Budgetkommission über diese Frage noch nicht vollständig vorlägen, die Frage im- Plenum in Angriff nehmen wollte.

Nach einer längeren Aussprache, an der sich der Präsident Graf Schwerin⸗Löwitz, der Referent Abg. von Richthofen (kons.) und die Abgg. Ledebour (Soz.), Gröber (Zentr.) und Hue (Soz.) beteiligen, wird der heute gefaßte Beschluß, die Kalifrage morgen an erster Stelle zu erörtern, fallen gelassen. Die Angelegenheit soll erst bei den Einnahmen des Etats des Reichsamts des Innern, etwa Montag oder Dienstag, zur Beratung gelangen.

Schluß 8 ¼ Uhr; nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr Fartseßung der Beratung des Etats des Reichsamts des Innern).

Preußischer Landtag.j Haus der Abgeordneten. 1. Sitzung vom 17. März 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Das Haus setzt die Beratung des Etats des Mi⸗ nisteriums der geistlichen und Unterrichtsan gelegen⸗ heiten bei dem Kapitel der höheren Lehranstalten fort.

Bei dem ersten Titel der dauernden Ausgaben für

ie höheren Lehranstalten auf Grund rechtlicher Verpflichtung findet eine allgemeine Besprechung statt.

Hierzu liegt die auf Antrag des Abg. Viereck (freikons.) von der Budgetkommission gefaßte Resolution vor:

„die Regierung, zu ersuchen, bei einer Anzahl von höheren Lehranstalten der östlichen Provinzen die russische Sprache an Stelle der englischen als fakultativen Unterrichts⸗ gegenstand in den Lehrplan aufzunehmen“. .

Ferner beantragt der Abg. Viereck mit Unterstützung von Mitgliedern aller bürgerlichen Parteien folgende Resolution:

„die Staatsregierung zu ersuchen, auf das Pensions⸗ dienstalter der Oberlehrer, soweit eine Dienstzeit vor dem Jahre 1892 in Betracht kommt, diejenige Ee rer⸗ dienstzeit als öffentlichen Schuldienst anzurechnen, während deren der Hilfslehrer, ohne anderweit angestellt zu sein, an einer öffentlichen höheren Lehranstalt fortlaufenden Unterricht erteilt hat, auch wenn die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden weniger als 12 betragen hat“.

Abg. Dr. von Savigny (Zentr.) berichtet über die Ver⸗ handlungen der Budgetkommission über die höheren Lehranstalten.

Abg. Siebert (kons.): Der Volksmund hat einen Ausdruck geprägt, den ich für schön und wahr halte: „Die Frau ist die beste, über die am wenigsten geredet wird.“ So könnte man auch von den höheren Lehr⸗ anstalten sagen: je weniger über sie geredet wird, um so besser wird es für sie sein. Neues läßt sich über diese Frage kaum noch vor⸗ bringen. Von vornherein darf ich namens meiner politischen Freunde sagen, daß wir unsere Zustimmung geben können zu dem Stand⸗ punkt, den der Minister und die Unterrichteverwaltung in der Kommission eingenommen haben. Wir glauben, daß die Zunahme der Reformschulen 5 staatliche und 8 nichtstaat⸗ liche im Verhältnis zu der Zunahme der höheren Lehr⸗ anstalten im allgemeinen keine zu große ist. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß das humanistische Gymnasium in seiner Eigenart mit seinen besonderen Zwecken und Aufgaben unversehrt beibehalten werden muß. Der Minister hat ja mit⸗ geteilt, daß in den Reformschulen, wenigstens in den höheren Klassen, im wesentlichen der humanistische Lehrplan zugrunde gelegt ist. Ich würde mich von meinem Standpunkt aus nicht abbringen lassen durch Zuschriften, in denen gegen das humanistische Gymnasium zu Felde gezogen wird; allerdings dürfen die Anforderungen an die Gymnasien nicht überspannt werden. Es ist jetzt kaum noch möglich, den Lehr⸗ stoff in der gegebenen Zeit zu bewältigen und zu individualisieren. Deshalb kann ich mich auch nicht dafür aussprechen, daß die Bürger⸗ kunde als besonderer Lehrgegenstand dort eingeführt wird. Andere Fächer, wie deutsche Geschichte usw., bieten Anhaltspunkte genug, um diese Materie nebenbei zu behandeln. Die deutsche Jugend allzu⸗ früh in die politischen Kämpfe einzuführen, kann ich nicht billigen. Schwurgerichts⸗ und Stadtverordnetenverhandlungen sind Angelegen⸗ hbeiten, die die Jugend erst später beschäftigen müssen. Ich kann dem Minister auch darin beistimmen, daß er sich gegen Sonder⸗ schulen oder klassen für hervorragend befähigte Schüler ausgesprochen hat. Unsere Schulen sind für einen allgemeinen Durchschnitt

in die höheren Lehranstalten mitunter auch Kinder hineingezwungen, denen es schwer wird; es ist ja auch menschlich begreiflich, wenn die Eltern alles versuchen, daß ihre Kinder fortkommen. Durch die Sonderklassen würde ein Teil der Schüler eine besondere Stellung erhalten, und es ist auch bedenklich, der Allgemeinheit der Schule die guten Kräfte zu entziehen. Denn gerade die guten Schüler bilden einen Ansporn für die weniger guten; in dem gegen⸗ seitigen Ausgleich liegt der Wert unserer Schuleinrichtungen. Es ist auch schwer zu entscheiden, wer von den Schülern in eine solche Klasse hineingehört; im praktischen Leben leistet mancher nachher das nicht, was man von ihm als Musterschüler erwartet hatte. Anders liegt es mit dem Plan bei dem Joachimsthalschen Gymnasium, das nach Templin verlegt wird. Wenn dort das Familiensystem ein⸗ eführt werden soll, wenn die Schüler dort in schöner Gegend und rischer Luft im Familiensinn alles das genießen sollen, was das Leben bietet, so können wir uns über diesen Versuch nur von Herzen freuen und wollen hoffen, bgs er von gutem Erfolge gekrönt sein möge. Nicht einverstanden bin ich mit der Unterrichtsverwaltung bezüglich der Nationalfestspiele. Ich habe diesen von Anfang an sympathisch gegenübergestanden. Gerade in der jetzigen Zeit, in der den Schülern so zweifelhafte Dinge in Vorträgen, in den Kinematographen⸗ Theatern usw. geboten werden, haben wir alle Ursache, unserer Jugend eine gute Kost zu bieten, und dazu dienen die Nationalfestspiele. Wenn ungünstige Erfahrungen dabei beobachtet sein sollen, so lauten doch die amtlichen Berichte überaus günstig, und ich bitte die Unterrichtsverwaltung, dieser Sache mehr Wohlwollen entgegen⸗ zubringen. Die Oberlehrer sollen für Nebenämter, die mit der Schule direkt zusammenhängen, keine Vergütung erhalten, aber eine Reihe von Nebenämtern erfordert außerordentlich viel Zeit, z. B. die Bibliothekverwaltung; da muß der Oberlehrer nicht nur auf Ordnung im Bibliothekzimmer sehen, sondern auch fortgesetzt dafür sorgen, welche Bücher anzuschafen sind; er muß Konferenzen halten und dergleichen. Dafür muß er entschädigt werden. Ein spezieller Wunsch der Oberlehrerschaft ist auch der, daß schon die Probe⸗ kandidaten vereidigt werden. Der Grund dagegen, daß nicht fest⸗ stehe, ob der Probekandidat in den Staatsdienst übertritt, würde ebenso für die Referendare gelten müssen; diese werden aber ver⸗ eidigt, obwohl sie nachher in andere Berufe übergehen können. Hat der Probekandidat den Diensteid geleistet, so ist er ihm ein Ansporn für seinen Lebensweg. Ich hoffe, daß die Unterrichts⸗ verwaltung sich auch diesem Wunsch wohlwollend gegenüberstellt. Ebenso bitte ich die Unterrichtsverwaltung, den Antrag Viereck über die Anrechnung der Hilfslehrerdienstzeit wohlwollend zu erwägen. Im vorigen Jahre wußte man nicht ganz genau, was in der Dienst⸗ anweisung an die Direktoren zu erwarten war. Jetzt liegt sie vor und gibt doch zu einigen Bedenken Anlaß. So ist z. B. nicht klar, ob unter Ausländern die nichtdeutschen oder die nichtpreußischen Schüler ver⸗ standen werden. Da scheint sich die Dienstanweisung über die großen nationalen Errungenschaften hinwegzusetzen, die wir seit 40 Jahren haben; darüber sollte man doch hinaus sein, daß man Lipper oder Schaumburger als Ausländer bezeichnet. Im übrigen können wir aber mit der Dienstanweisung zufrieden sein. es wird dadurch dem inneren Schulleben sicher neue Nahrung zu⸗ geführt werden. Dem Antrag auf Einführung der russischen Sprache stimmen wir zu. Es ist wohl nicht zufällig, daß wir den Kultusetat an Stelle beraten. In ihm, wie in einem Brennpunkt, laufen die übrigen Etats gleichsam aus. Den Mittelpunkt des Kultusetats wiederum bildet der Etat für die Schulen. Denn die Schule ist da, um die Jugend zu erziehen, und in der Jugend liegt die Zukunft des deutschen Volks. Abg. Dr. Heß (Zentr.): Den Bestrebungen der Realschulmänner stehen wir keineswegs feindlich, sondern sympathisch gegenüber. Nur wollen wir, daß dem humanistischen Gymnasium in keiner Weise Abbruch geschieht. Beide Anstalten müssen friedlich neben einander bestehen. Gerade die humanistische Bildung bildet das beste Gegengewicht gegen die realistischen Anschauungen unserer Zeit. Zu begrüßen ist die Neuerung, daß an dem humanistischen Gymnasium in der Oberstufe das Englische an die Stelle des Französischen treten kann. Als Lehrgegenstand braucht man die Bürgerkunde nicht einzuführen. Der Lehrer kann an der Materie, die man unter Bürger⸗ kunde versteht, gar nicht vorübergehen. Niemand kann römische Ver fassungsgeschichte usw. lehren, ohne die Gegenwart zum Vergleich heran⸗ zuziehen. Tut ein Lehrer das nicht, so ist das nicht den Lehrplänen zur Last zu legen, sondern dem betreffenden Lehrer. Das gilt auch von den Volksschulen. Beim Rechnen z. B. wird auch das Versicherungs⸗ rechnen berücksichtigt. Im allgemeinen sind wir gegen die Einführung neuer Fächer; ob allerdings die Stenographie dazu gehört, will ich dahingestellt sein lassen. er Abg. Hintzmann ist gewissermaßen der Vater der sogen. Kurzstunde, der Stunde mit 45 Minuten; ich habe mich aber von deren Vorteilen noch nicht überzeugen lassen. Die alte Stunde hatte 50 Minuten. Das macht also für neun Jahre ungefähr ein ganzes Schuljahr aus. Wie verträgt sich das mit unseren Lehrplänen 2 Dadurch prägt man dem Gymnasium mehr den Charakter der Lernschule auf, während es doch mehr eine Erziehungsanstalt sein soll. Dann wird dazu noch der Unterricht von 8 bis 1 ½ Uhr aus⸗ gedehnt. Das scheint mir ein sehr gewagtes Experiment zu sein, das zwar modern aussieht, aber große Gefahren in sich birgt. Die ver⸗ nünftigste Unterrichtszeit ist von 8 bis 12 Uhr und 2 bis 4 Uhr. Namens meiner Fraktion bitte ich den Minister, daß er die städtischen Anstalten im Westen der Monarchie etwas besser subventionieren möge, sie werden in dieser Beziehung etwas stiefmütterlich behandelt. Das hat auch der Regierungsvertreter selbst zugegeben. In der Provinz Westfalen gibt es eine ganze Reihe von Progymnasien, die des Ausbaues harren, zumal da die Vollgymnasien alle überfüllt sind. Ueber die neue Dienstinstruktion für Gymnasialdirektoren und Ober⸗ lehrer ist das Urteil der Fachpresse durchaus wohlwollend gewesen. Wir haben hier die erste einheitliche Regelung der dienstlichen Ver⸗ hältnisse der Lehrer an den höheren Schulen. Bisher war diese Regelung in der Monarchie außerordentlich verschieden, so daß sich viele Unzuträglichkeiten ergaben. Diese Dienstordnung bildet einen Markstein in der Standesentwicklung der Oberlehrer. Der eigentliche Vater der Dienstinstruktion im Kultusministerium wird sich sicher darüber klar gewesen sein, daß die Sache hier und da einer Klärung bedarf. Mit dem Gesamturteil der Fachpresse wird er aber durchaus zufrieden gewesen sein, wenn auch einige Bedenken vor⸗ gebracht worden sind. So sind z. B. die Fragen der Konferenzen nicht ganz klar geregelt. Im vorigen Jahre haben wir die Be⸗ fürchtung gehegt, daß die Kuratorien in das private Leben der städtischen Oberlehrer eingreifen könnten. Diese Frage ist durch die Dienstinstruktion so geregelt worden, wie wir es gewünscht haben. Die allgemeinen Grundsätze, die der Instruetion vorausgeschickt sind, sind nach unserer Meinung ausgezeichnet; wenn danach unterrichtet wird, können wir zufrieden sein. Es heißt darin, daß der Unterricht auf der Grundlage der Gottes⸗ furcht und Vaterlandsliebe charakterfeste Männer erziehen soll. Durch diese gesunden Grundsätze erledigen sich manche Bedenken, die bisher geherrscht haben. Der größte Wert liegt in den allgemeinen Grundsätzen darin, daß sie sich gegen den Schematismus richten, daß sie die Persönlichkeit werten und die Selbständigkeit pflegen wollen, und das Wichtigste ist die Grundlage der Gottesfurcht und Vater⸗ landsliebe und der Treue zum angestammten Herrscherhause. Die höheren Schulen sollen diejenigen heranbilden, die zur Leitun, des Volkes berufen sind. Dem Volke muß die Religion erhalten bleiben, und deehalb müssen auch die höheren Schulen auf einem demütigen Christentum aufgebaut sein. Ich gebe dieser neuen Dienstinstruktion den Herzenswunsch mit auf den Weg, daß sie dazu beitragen möge, daß das Wo;t des erlauchten Fürsten wahr werde: „Ich will, daß meinem Volke die Religion erhalten werde“. Abg. Dr. Maurer (nl.): Wenn die höheren Schulen immer Besseres leisten wollen, so darf man es ihnen nicht erschweren, sich den Bedürfnissen des praktischen Lebens anzupassen. Wir haben die Schulreform vor zehn Jahren begrüßt, wir wünschen Freiheit der Entwicklung für unsere höheren Schulen, und wenn sich ein Gym⸗

unbedenklich, wenn ein Oberlehrer den Antimodernisteneid geleistet habe, da er doch nach bestimmten Vorschriften unterrichten müsse. Wenn diese Auffassung maßgebend werden sollte, wird es mit der Srf bes der Persönlichkeit und Selbständigkeit der Oberlehrer vorbei ein. Bei den Schulen muß man auch bedenken, daß man nicht in alte Schläuche neuen Wein gießen darf. Wir stehen in einer Welt der Entwicklung, der Drang nach Bildung ist im ganzen Volke groß, aber damit verbunden ist der Drang nach der äußeren Stellung, der durch das Berechtigungswesen hervorgerufen ist. Der Andrang zu den höheren Schulen wird sich nicht eindämmen lassen, die Zahl der höheren Anstalten nimmt daher immer mehr zu. Aber von dem Oberkursus soll man die weniger geeigneten Schüler fern halten, damit sich die besten Kräfte in dem Oberkursus frei ent⸗ wickeln können. Dann brauchen wir keine Sonderklassen für die be⸗ gabteren Schüler. Ich will nicht die Freiheit des Universitäts studiums beschraͤnken, aber eine praktischere Ausbildung unserer höheren Lehrer auf der Universität wäre doch nötig. Der großen Schulreform, die hinter uns liegt, muß sich die Reform der Lehrer⸗ ausbildung an der Universität anschließen. Der Ausschuß für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht hat z. B. auf die Notwendigkeit einer Zentralanstalt für Mathematik und Naturwissenschaften hingewiesen, d. h. auf die Ergänzung der Universitätsstudien durch Fachseminare. Wir gehen jetzt wieder einer Zeit entgegen, wo wir einen Ueberfluß an Lehrern haben werden, dann kommt wieder das lange Warten auf die Anstellung. Solche Wellenbewegungen können wir nicht ganz vermeiden, aber es sollte doch versucht werden, einen Einfluß auf den Zustrom zum Lehrerberuf auszuüben. Das Verhältnis in der Zahl der evangelischen und katholischen Lehrer war 1896 für die leßteren ungünstig und entsprach nicht dem Bedürfnis nach dem Verhaͤltnis der Be⸗ völkerung; 1901 gab es 33 ½ % katholische Kandidaten, und das entspricht etwa der Zusammensetzung der Berölkerung, fünf Jahre früher waren es nur 16 %, später ist aber die Zahl der katholischen Lehrer weit über das Bedürfnis hinaus gestiegen, und das zeigt sich besonders bei den Lehrern für Deutsch und Geschichte; da gab es 1910 62 % katholische Lehrer. Füüher nahm die katholische Bevölkerung nicht so sehr Anteil an der öheren Bildung; das hat sich sehr geändert. Wir haben jetzt eine Ueberproduktion von katholischen Lehrern für Deutsch und Geßhichte und dieser Andrang der katholischen Lehrer zu diesem Unterricht ist nicht zufällig. Der Minister möge erwägen, ob es nicht angebracht ist, mehr als bisher an den Universitäten Vorlesungen über die serxuelle Aufklärung zu halten. Das Fallenlassen der deutschen Schrift und das alleinige Lehren der Altschrift würde für die höhere Schule große Vorteile bringen. Das Zeugnis vor Weihnachten muß fortfallen, damit die Freude der schönen Weihnachts⸗ 1 getrübt wird. Die Schule hat die Aufgabe, Freude zu schaffen.

Abg. Viereck (freikons.): Den Grundsätzen der Dienstinstruktion kann ich nur voll zustimmen. Die Reformbestrebungen haben eine gewisse Unsicherheit, ein Stadium der Experimente hervorgerufen. Um so mehr müssen wir uns über die in den „Grundsätzen“ nieder gelegten festen Prinzipien freuen. Das humanistische Gymnasium muß in seiner alten, bewährten Eigenart rein erhalten werden, um den Sinn für Ideale weiter zu erhalten. Das schließt aber nicht aus, daß der Unterbau anders gestaltet wird; in dieser Be⸗ ziehung hat sich das Reformgymnasium bewährt. Die Mittel⸗ schulen sollen nicht Vorbereitungsanstalten für die höheren An⸗ stalten sein, sondern Selbstzweck, Anstalten, die den Schüler be⸗ fähigen, im praktischen Leben vorwärts zu kommen. Wir wollen die Mittelschule in ihrer Abgeschlossenheit erhalten und koͤnnen demgemäß die Zusage des Ministers als genügend anerkennen. Das System der „Kurzstunden“ hat sich wohl bewährt; vielleicht gibt uns der Minister darüber nähere Auskunft. Von Vorteil ist jeden⸗ falls die Zusammenfassung der Unterrichtsstunden im Vormittag. Der Unterricht in der Kurzschrift könnte den Schülern manche Vorteile, nicht nur für die Schule, sondern auch für das ganze Leben bringen. Von der deutschen Schrift würde ich mi ungern trennen, aber eine falsche Ansicht wäre es, wenn man glaubte, daß die Frakturschrift unsere angestammte Schrift ist. Sie ist erst im Mittelalter zu uns gekommen. Die größere Einführung der Alt⸗ schrift würde für die Ausbreitung des Deutschtums von großem Nutzen sein. Allerdings muß eine gewisse Uebergangszeit vorhanden sein. Die Vereidigung der Lehrer muß vor Beginn der Probedienstzeit stattfinden. Die Einwände gegen diese frühere Ver⸗ eidigung sind nicht stichhaltig. Der Probekandidat übernimmt ja schon alle Aufgaben des Lehrers, er hat Zeugnisse auszustellen usw. Meinen Antrag, der von allen Parteien unterstützt worden ist und der die Anrechnung der Hilfslehrerdienstzeit vor 1892 wünscht, bitte ich dringend anzunehmen. Es kann auf die Anzahl der gegebenen Stunden nicht ankommen, ebensowenig wie beim Assessor.

Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten D. von Trott zu Solz:

Meine Herren! Die Debatte über das höhere Unterrichtswesen ist bis jetzt wie ein ruhiger Fluß durch eine freundliche Landschaft ge⸗ flossen und hat auch manches anerkennende Wort für die Unterrichts⸗ verwaltung gebracht, wofür ich dankbar bin. Freilich hat die Debatte auch besondere neue Gesichtspunkte nicht hervorgebracht. Ich mache dies den Herren Rednern keineswegs zum Vorwurf. Das ist durchaus erklärlich. Denn, wenn irgend ein Zweig der staatlichen Verwaltung, dann ist es unser höheres Schulwesen, das unter der dauernden Kontrolle, unter der dauernden Kritik und Erörterung der öffentlichen

wir Kinder haben, sind unmittelbar beteiligt an der oöͤffentlichen Schule, an ihrer Gebarung und alledem, was dort gelehrt und getan wird, und so ist es in der Tat schwer, neue Gesichispunkte in eine solche Debatte hineinzutragen. Alle Gesichtspunkte möchte man sagen —, die überhaupt auf diesem Gebiet geltend gemacht werden können, werden dauernd geltend gemacht und nach allen Richtungen hin erörtert. Ich habe es schon bei einer anderen Gelegenheit einmal ausgesprochen, daß die Unterrichtsverwaltung bestrebt ist, dieser öffentlichen Kritik mit Aufmerksamkeit zu folgen und ihre Schlüsse aus dieser Kritik für ihre Verwaltung zu ziehen; sie hat aber doch eine weitgehende Reserve ihr gegenüber zu üben und erst dann aus dieser Kritik auch praktische Folgen zu ziehen, wenn unzweifelhaft feststeht, daß das Gefolgerte auch gut und zweck⸗ mäßig ist. Ich glaube, Sie werden der Unterrichtsverwaltung recht geben, wenn Sie auch in Zukunft der öffentlichen Kritik der Schule gegenüber in dieser Haltung verbleibt.

Nun sind aber doch in der Debatte eine ganze Reihe von Punkten berührt worden, zu denen auch ich einige Worte sagen möchte. In den Vordergrund ist auch in diesem Jahre wieder das Interesse an der Erhaltung des humanistischen Gymnasiums in seiner alten bewährten Form gestellt worden. Ich habe schon in der Kommission dazu Stellung genommen, habe mich für die Erhaltung des humanistischen Gymnasiums ausgesprochen und insbesondere die Befürchtung abgewehrt, daß ihm durch die größere Zunahme der Reformschulen Abbruch getan werden könnte. Es wird dabei nicht bedacht, daß diese Reformschulen in ihren höheren Klassen auf streng humanistischer Grundlage beruhen, und auch die Zunahme der Realschulen, die durchaus erfreulich ist, schadet dem humanistischen Gymnasium nicht. (Zustimmung.)

nasium in ein Realgymnasium umwandeln will, so soll man ihm

bestimmt, es muß mancher Ballast mitgeschleppt werden, es werden

das nicht erschweren. Der Minister sagte in der Kommission, es sei

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Meinung steht. Auch das ist durchaus natürlich; denn wir alle, die

März

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Ich glaube im Gegenteil, daß gerade die Zunahme der Realschulen natürlich in dem angemessenen Umfange nur stärkend wirken kann auf die Erhaltung der humanistischen Gymnasien. (Lebhafte Zu⸗ stimmung.) Meine Herren, es scheint doch in der Tat für unsere höhere Unterrichtsverwaltung das Richtige getroffen zu sein, als man die verschiedenen Typen der höheren Schulen als gleichberechtigte schuf, und ich glaube, wir werden recht handeln, wenn wir daran fest⸗ halten. Tun wir das aber, dann dürfen wir nun auch nicht wieder die einzelnen Systeme miteinander vermischen. Wir müssen an den Typen festhalten, und die Bedürfnisse, die die einzelnen Typen zu erfüllen haben, ihnen auch vorbehalten. (Sehr richtig!) Deswegen, meine Herren, habe ich mich in der Kommission dagegen ausgesprochen, daß nun wieder an den Oberrealschulen der Lateinunterricht in irgendeiner Form in den Lehrplan eingeführt würde; das würde im Widerspruch mit dem System stehen, und ich muß diese meine Meinung auch den Ausführungen gegenüber, die vorhin hier in diesem hohen Hause gemacht worden sind, aufrecht⸗ erhalten.

Gewiß, meine Herren, ist das noch eine zu lösende Frage, wie der große Unterschied, der zwischen der Schule und der Universität für den jungen Menschen besteht, einigermaßen ausgeglichen werden kann. Das ist in der Tat eine Aufgabe, vor die die Schulverwaltung gestellt ist. Aber ich glaube nicht, daß es damit allein getan ist, daß man nun den Unterricht in der Oberprima so frei wie irgend möglich gestaltet. Eine gewisse größere Freiheit in dieser höchsten Klasse des Gymnasiums ist gewiß angezeigt. Aber man kann dabei auch zu weit gehen (Abg. Cassel: Sehr richtig!) und die Erfahrungen, die wir in der Praxis gemacht haben, bestätigen diese Befürchtung. Wenn man also den Graben, der zwischen Universität und Schule liegt, ausfüllen will, so wird man das Mittel dazu nicht nur in der Schule, sondern auch auf der Universität suchen müssen.

Die Instruktion, meine Herren, die im vorigen Jahre so viel Streit hier hervorgerufen hat, ist nun erlassen, und sie hat auch in diesem hohen Hause eine freundliche Beurteilung gefunden. Ich bin dafür dankbar und hoffe, daß sie ihren Zweck erreichen wird, die Dinge auf den Schulen so zu gestalten, wie wir es uns wünschen. Wir wollen, daß dort Disziplin herrscht, aber nicht eine enge Diszi plin, sondern nur eine solche, die erforderlich ist, um Ordnung und Sitte aufrechtzuerhalten, im übrigen aber geeignet ist, freies und frisches Leben auf unseren höheren Schulen nicht zu unterbinden.

Die Direktoren sind die Vertreter dieser Schulen nach außen sie stehen an der Spitze und müssen eine dementspreche Stellung an der Schule haben, auch gegenüber dem Lehrerkollegium. Es ist aber ausdrücklich in der Instruktion betont, und es wird auch von mir darauf besonderer Wert gelegt, daß die Direktoren ihre Aufgabe nicht darin sehen sollen, nun bei jeder Gelegenheit den Vorgesetzten der Lehrerschaft gegenüber herauszukehren (Abg. Eickhoff: Sehr gut!), sondern sie sollen sich auch als Kollegen fühlen und als solche mit ihren Lehrern sich in das richtige Verhältnis stellen. (Bravo!) Gewiß ist es von der größten Bedeutung für das Blühen einer jeden Schule, sowohl der Volksschule als der höheren Schule, wes Geistes die Lehrerschaft ist, die an der Schule beschäftigt ist. Das ist das Wichtigste für das Gedeihen der Schule, und wir sind auch bestrebt, eine Lehrerschaft, die Garantien dafür bietet, heranzuziehen. Wenn vorhin von der Tribüne herab Bedenken erhoben sind, daß es mit der Ausbildung der Lehrer an unseren höheren Schulen für den schwierigen und wichtigen Beruf, den sie erfüllen sollen, noch nicht ganz gut ge⸗ stellt sei, so ist dabei, wie mir scheint, nicht in genügende Rücksicht gezogen worden, was wir für die Fortbildung der Lehrer an den höheren Schulen schon jetzt tun. Ich möchte das mitteilen; es wird vielleicht auch von Interesse für die Allgemeinheit sein.

Wir haben an Ferienkursen einen archäologischen Kursus in Berlin, einen solchen in Bonn und Trier, einen neusprachlichen Kursus in Göttingen, einen neusprachlichen Doppelkursus in Berlin, einen naturwissenschaftlichen Kursus in Berlin, in Göttingen, in Frank⸗ furt a. M. dann sind noch weitere solche Kurse in Aus⸗ sicht —, dann einen Kursus für Gesanglehrer in Königsberg und in Berlin, einen Kursus zur Einführung in die Geschichte, in die neuere Kunst. Für alle diese Zwecke stehen mir nach dem Etat 27 900 zur Verfügung. Dann haben wir für Lehrer der neueren Sprachen Beihilfen zu einem halbjährigen Aufenthalt in Ländern fremder Zunge, Mittel zur Förderung wissenschaftlicher Bestrebungen höherer Lehranstalten in Höhe von 25 000 ℳ. Außerdem finden Veranstaltungen zur naturwissenschaftlichen Fortbildung der Ober⸗ lehrer hier in der alten „Urania“ statt, ein naturwissenschaftlicher Kursus für Kandidaten des höheren Lehramts in Frankfurt a. M. Außerdem haben wir einen naturwissenschaftlichen Ferienkursus in Bonn und einen archäologischen Ferienkursus in Münster, dann einen Ferienkursus für die schlesischen Lehrer in Breslau, einen Alt⸗ philologenkursus in Bonn, einen schulhygienischen Kursus in Göttingen, ferner einen Kursus für Oberlehrer in Hessen⸗Nassau in Marburg. Ferner bietet sich die Gelegenheit zur wissen⸗ schaftlichen Fortbildung für die Oberlehrer in der Natur⸗ geschichte an der zoologischen Station in Neapel und an der biologischen Station in Rovigno, wo Freiplätze für Oberlehrer bestehen. Also eine ganze Menge Einrichtungen, um unsere Ober⸗ lehrer in ihren wissenschaftlichen Kenntnissen zu befördern. Wir werden auf diesem Wege auch ferner fortfahren.

Es ist dann darüber Klage geführt worden, meine Herren, daß doch schon Anzeichen hervortreten, daß der Lehrerberuf bald schon überfüllt sein werde; es ist daran von neuem die Forderung geknüpft worden, daß wir darüber statistisches Material aufnehmen möchten, das dann veröffentlicht wird, um damit eine gewisse Direktive für die Berufswahl zu geben. Meine Herren, das ist eine sehr schwer erfüll⸗ bare Forderung. Wenn die Statistik mit dieser Tendenz veröffentlicht

Berlin, Sonnabend, den 18

dafür übernehmen, welcher Beruf auf Grund dieser Statistik gewählt wird; aber diese Verantwortung kann sie nicht tragen. Diese Statistik kann nicht mit aller Bestimmtheit die Dinge voraussagen; da können leicht Schlüsse gezogen werden, die sich nachher nicht realisieren, und damit wäre, wie gesagt, eine Verantwortung verbunden, die wir ablehnen müssen.

Nun ist es aber keineswegs so, daß die Schulen draußen, wie geklagt worden ist, immerzu mit statistischen Arbeiten behelligt würden, daß die Zahlen dann aber wohlzusammengestellt in den Akten des Kultus⸗ ministeriums verschwänden. Das, meine Herren, ist durchaus nicht der Fall. Wir veröffentlichen diese Zahlen, und es werden insbesondere in der „Monatsschrift für höhere Schulen“ die Zahlen der Studierenden, getrennt nach Fakultäten, und in der philosophischen Fakultät getrennt nach Fächern, außerdem auch getrennt nach Reifezeugnissen, veröffentlicht. Diese Statistik, welche früher nur die preußischen Universitäten betraf, ist durch die Mitwirkung der beteiligten Bundesstaaten auch auf die nicht preußischen deutschen Universitäten ausgedehnt worden. Die Statistik umfaßt einerseits die Gesamtheit der zurzeit vorhandenen Studierenden, andererseits die Zahl der im ersten Semester Stehenden. Gerade letztere Zahl ist von Interesse, weil sie erkennen läßt, nach welchen Berufen jeweils der Andrang größer ist. Diesen Zahlen, welche die Verhältnisse der Studierenden betreffen, stehen andererseits gegenüber die Veröffentlichungen des „Zentralblattes für die Unterrichts⸗ erwaltung“, und aus dem „Kuntze⸗Kalender“, aus dem die Zahlen der Seminarkandidaten und Probekandidaten hervorgehen, sind ebenso wie der anstellungsfähigen Kandidaten und der Oberlehrer. Das ver öffentlichte Material ist also recht umfassend, und man kann aus der Benutzung sehr wohl seine Schlüsse ziehen; aber das müssen wir dem einzelnen überlassen.

Nun ist auch hier, wie schon oft, wieder über die Ueberfüllung der höheren Schulen und über die Erschwernis geklagt worden, die ihrer Verwaltung durch das Berechtigungswesen geschaffen ist. Das ist durchaus zutreffend. Das Berechtigungswesen ist in der Tat eine schwere Last, die die Unterrichtsverwaltung trägt. Ein Abhilfemittel ist aber bisher nicht gefunden und ist auch hier nicht erwähnt worden. Wir haben uns damit abzufinden und müssen versuchen, durch ent⸗ sprechende Maßnahmen wenigstens die Nachteile einigermaßen einzu⸗ schränken. Ein solches Mittel ist das hier schon so oft erwähnte, daß wir die Mittelschulen fördern, daß wir zwischen die höheren Schulen und die Volksschulen noch eine in sich abgeschlossene Schule setzen. (Sehr richtig! rechts.) Damit erhalten die Kinder, die eine höhere Bildung erreichen sollen als auf der Volksschule, die aber doch auf den höheren Schulen nicht zweckmäßig untergebracht werden, eine Schule für sich. Ich habe mich neulich schon darüber ausgesprochen und möchte nur eins nachholen, damit keine Mißverständnisse entstehen.

Ich hatte ausgeführt, daß die Abiturienten der Mittelschulen in Zukunft befugt sein sollen, unmittelbar nach dem Abgang von der Mittelschule vor der Prüfungskommission das Examen für die Ein⸗ jährigen zu machen. Das ist auch ganz richtig; aber es muß hinzu⸗ kommen, daß die Schüler auf der Mittelschule eine zweite fremde Sprache getrieben haben, wozu ihnen dort die Möglichkeit gegeben ist. Im übrigen bleibt es bei dem, was ich neulich hier ausgeführt habe.

Der Wunsch und die Tendenz, den Zudrang nach den höheren Schulen nicht zu vermehren, sondern eher etwas abzudämmen, hat auch die Stellung beeinflußt, die ich zu den Rektoratsschulen von Westfalen und der Rheinprovinz eingenommen habe. Meine Herren, es sind alte und in den dortigen Gegenden beliebte Schularten. Ich habe deswegen keineswegs etwa die Absicht, dieser einmal dort eingebürgerten Sitte entgegenzutreten. Aber sie noch weiter auszubilden, dazu kann ich mich auch nicht entschließen. Ich bin ja entgegengekommen, indem ich den öffentlichen Rektoratsschulen wenigstens zum Teil die Möglich⸗ keit gegeben habe, das Examen an der Schule selbst ablegen zu lassen und dadurch den Uebergang in die höheren Schulen zu erleichtern; das geschieht bekanntlich durch die Verbindung des Direktors eines benach⸗ barten Gymnasiums mit der Schule. Aber eine gewisse Zurückhaltung und Vorsicht muß ich mir auferlegen aus der allgemeinen Tendenz, die ich verfolge, daß nicht in übertriebener Weise der Zugang zu den höheren Schulen erleichtert wird.

Meine Herren, in den Debatten über unsere höheren Schulen hier im Hause sowohl als auch in der Presse spielt jetzt das Wort

habe ich gekennzeichnet; sie ist ja bekannt, sie ist auch hier er⸗ wähnt worden. Gewiß ist es von großem Wert, wenn das, was man gewöhnlich unter der Bezeichnung Bürgerkunde heute zusammen⸗ faßt, auch auf den höheren Schulen gelehrt wird.

Deutschen, auch der Unterricht in den alten Sprachen

weisen, daß man darin zu weit geht. (Hört, hört!)

und ich glaube, sie wird sie erfüllen. (Sehr richtig!) Zeiten, meine Herren, sind in der Tat vorüber, wo im Geschichtsunterricht nur Schlachtendaten lehrte. Der Geschichtsunterricht wird jetzt ganz anders

Kultur⸗, für die Volksentwicklung gehabt haben.

Bürgerkunde eine große Rolle. Meine Stellung zu der Bürgerkunde

Das geschieht aber tatsächlich auch: der Geschichtsunterricht, der Unterricht im und in der Geographie ist durchaus geeignet, anzuknüpfen an diejenigen Dinge, die mit der Bürgerkunde in Verbindung stehen. Ja, meine Herren, es ist vielleicht schon die Befürchtung nicht von der Hand zu Wir sind ja bekanntlich in Deutschland so: wir werfen uns leicht mit Feuereifer auf eine solche Sache und fundieren sie bis in ihre Tiefen hinein. (Heiterkeit.) Also ich glaube, man kann wirklich die Debatte über

diese Frage abschließen; die Schule hat die Aufgabe aufgenommen, Denn die

man (Sehr richtig!) erteilt: er knüpft an die wirtschaftlichen und kulturellen Vorgänge an und an die Bedeutung, die die einzelnen geschichtlichen Vorkommnisse für die

Endlich habe ich noch ein Wort über die körperliche Ausbildung unserer Jugend auf den höheren Schulen zu sagen. Ich brauche nicht zu versichern, daß ich diesem Gebiete mein volles Interesse zuwende. Wir müssen dafür sorgen, daß nicht nur Kenntnisse vermittelt, nicht nur Erziehung in geistiger Beziehung, sondern auch Erziehung in körperlicher Beziehung auf unseren höheren Schulen stattfindet. (Sehr

ist insbesondere auch dafür gesorgt, daß außerhalb des eigent⸗ lichen Schulunterrichts die Lust am Wandern, am Segeln, am Rudern usw. bei unserer Jugend gefördert wird. (Bravo!) Wir haben unter den Oberlehrern eine ganze Reihe von jungen, lebensfrohen Leuten, die bereit sind, mit ihren Schülern zusammen diesen Sport zu treiben (sehr richtig!); sie machen Wanderfahrten, und ich habe die erfreuliche Meldung bekommen, daß gerade diejenigen jungen Sekundaner und Primaner, die im Rudern etwas leisten, die allerbesten Schüler auch in der Klasse sind (hört, hört!); sie waren frisch und froh, und ihre Entschlossenheit, ihre Auffassungsgabe ist nur dadurch gewachsen, daß sie auch ihrem Körper durch den Ruder⸗ sport die entsprechende Pflege haben zuwenden können. Ich glaube, daß wir auf dem richtigen Wege sind. Sie können aber auch ver⸗ sichert sein, meine Herren, daß ich dafür sorgen werde, daß auf unseren Schulen das richtige Maß gehalten wird; denn in der Tat können diese Dinge auch übertrieben werden, und dann wird der Vorteil in Nachteil umgewandelt. Da muß man die richtige Grenze ziehen, und dafür wird hoffentlich überall gesorgt werden, sodaß ich glaube, daß auch hinsichtlich der körperlichen Pflege unsere höheren Schulen auf der richtigen Bahn sich befinden. (Lebhafter Beifall.)

Geheimer Oberregierungsrat Tilmann äußert sich über den Antrag betreffs des Pensionsdienstalters der Oberlehrer. Er bestreitet, daß die Unterrichtsverwaltung nicht nach den gesetzlichen Bestimmungen und den damaligen Absichten des Hauses gehandelt habe. 1 Abg. Eickhoff (ortschr. Volksp.): Die Dienstanweisung hat sich im allgemeinen als befriedigend erwiesen. Die angehenden Oberlehrer müssen, wie die Juristen, schon zu Beginn ihrer Vorbereitungszeit vereidigt werden. Der Justizminister steht ja der Frage sympathisch gegenüber. Die Frage der Anrechnung der Hilfslehrerdienstzeit vor dem Jahre 1892, auch wenn weniger als 12 Stunden gegeben worden sind, ist jetzt akut geworden, weil die betreffenden Oberlehrer jetzt anfangen, in den Ruhestand zu treten. Ich möchte dringend bitten, den Antrag anzunehmen. Das Beschwerderecht der Oberlehrer ist durchaus unzulanglich. Zu seiner Abaäͤnderung bedürfte es einer einfachen Verfünung. Jetzt wird auf einfachen Bericht des Direktors, ohne daß der betreffende Oberlehrer gehört worden ist, vom Provinzial⸗ schulkollegium vorgegangen. Es hat sich vor kurzem ein solcher Fall ereignet, den zu prüfen ich den Kultusminister bitte. Der Oberlehrer muß ein gewisses Taktgefühl haben und darf die Grenzen seines Amtes nicht überschreiten. Aber er muß trotzdem doch das Recht haben, öffentliche Angelegenheiten zu kritisieren. Der Normal⸗ etat ist ja bei den meisten Gemeinden eingeführt; es hat aber unendliche Kämpfe gekostet, bis dieses Ziel erreicht war. Noch jetzt schweben viel Prozesse. Die Kämpfe hätten vermieden werden können, wenn die Bestimmungen nicht so ungenau gewesen wären. Ich will nicht die alte Streitfrage, welches die beste Schulform ist, wieder aufwerfen. Die Meinungsverschiedenheiten beginnen sich aus⸗ zugleichen. Bei der industriellen Entwicktung Deutschlands brauchen wir neben den alten humanistischen Anstalten neue Schulformen. Auch der Antrag, bei Schulen des Ostens die russische Sprache fakultativ einzuführen, ist nur ein Beweis für die Richtigkeit dieser Anschauung. Jede Einseitigkeit ist verpönt, auch auf dem Gebiete des höheren Schulwesens. Die Vielgestaltigkeit unserer Lehrpläne möchte ich niemals missen. Deshalb bedaure ich aber, daß an vielen kleineren und mittleren Orten das Gymnasium die einzige Unter⸗ richtsanstalt ist. Ich freue mich, daß der Gymnasialverein sich damit beschäftigt hat, wie man an diesen Orten neben dem humanistischen Gymnasium eine Realschulbildung geben kann. Von den Abiturienten des Realgymnasiums dürfte eine Nachprüfung im Lateinischen überhaupt nicht mehr gefordert werden; die lateinischen Schulkenntnisse des Realgymnasiums reichen vollkommen aus. Die privilegierte Stellung des Gymnasiums muß fallen. 6 Geheimer Finanzrat Schultz: Die Staatsregierung ist in der Frage der Anrechnung der Hilfslehrerdienstzeit stets entgegenkommend gewesen. Es handelt sich hier um eine reine Rechtsfrage, die sehr weittragende Folgen haben könnte. Zur Aenderung liegt kein Anlaß vor. Das Verwaltungsgericht in Posen hat sich in erster Instanz auf den Standpunkt gestellt, den die Regierung bisher eingenommen hatte. Jetzt wird ja das Oberverwaltungsgericht zu entscheiden haben. Abg. Styczynski (Pole) beklagt sich über die Aufhebung des polnischen Unterrichts an den östlichen Gymnasien, wodurch die polnische Jugend in ihren vitalsten Interessen geschädigt werde. Denn die gründliche Kenntnis der polnischen Sprache sei die Grund⸗ bedingung für ihre Existenz. Dieses Vorgehen müsse einem die Schamröte ins Gesicht treiben, es sei direkt kulturwidrig. Zum Auf⸗ geben ihrer Nationalität könne man die Polen doch nicht zwingen, das sei das Urteil der Kenner der Verhältnisse auf deutscher Seite. Die Polen verlangten mit Recht die Wiedereinführung des polnischen Sprachunterrichts, wenigstens in dem Umfange, wie er bis 1889 be⸗ tanden habe. . . Ah Dr. Liebknecht (Soz.): Dem Proletariat muß die Mög⸗ lichkeit zur Erringung einer höheren Bildung gegeben werden, die höheren Schulen dienen aber nur den Interessen der herrschenden Klassen, sie sollen die sog. „Gute⸗Kinder⸗Stube“ der höheren Schichten ergänzen. Vor sozialer und religiöser Vorurteilslosigkeit sollen die Schüler dieser Schichten bewahrt werden, und sie sollen von vorn⸗ herein zu Scharfmachern erzogen werden. Unser Schulideal ist eine Schule für die Gesamtheit des Volkes, aus der dann nur nach der Berück⸗ sichtigung der Befähigung und ohne Rücksicht auf die soziale und politische Stellung der Eltern die geeigneten Schüler in die höhere Schule übergeben können. Wir verlangen auch für die höheren Schulen die Abschaffung des Religionsunterrichts und die Einführung der Koedukation; innerhalb des Lehrplans muß Freiheit und Selb⸗ ständigkeit herrschen; der Unterricht muß individualisiert werden; die Engherzigkeit des Berechtigungswesens paßt nicht mehr in die heutige Zeit. Mit dem Antrag wegen der russischen Sprache können wir einverstanden sein. Dem Minister stimmen wir darin zu, daß keine Sonderklassen für begabtere Schüler errichtet werden. Daß in der letzten Zeit eine größere Freiheit innerhalb der Lehrpläne gelassen ist, ist zu begrüßen. Es ist unerhört, 8 während auf den höheren Schulen die Körperpflege durch Turnen usw. in jeder Weise gefördert wird, dem Proletariat die Fortbildung im Turnen durch die Behörden unter Mißachtung der Gesetze unterbunden wird. (Präsident von Kröcher ruft den Redner wegen der Be⸗ merkung, daß die Behörden die Gesetze mißachten, zur Ordnung.) Der Geschichtsunterricht wird zur Verballhorni⸗ sierung und Verzerrung der wirklichen Tatsachen in byzantinischem Sinne mißbraucht. Ausgerechnet dem Abg. Dr. Heß war es heute vorbehalten, dem Kultusminister das Kompliment eines mo⸗ dernen Geistes zu machen. Denkt man da nicht an das Sprichwort: clericus clericum non decimat? Dagegen sprach der Ahg Dr. Heß von Königstreue und Vaterlandsliebe, früher wu de es „Vaterlands⸗ feind“ genannt; das zeigt die Wandlungsfähigkeit der Herren vom Zentrum, wie sie jüngst der Simplie simus“ darstellte. Der Antimodernisteneid 85 sowobi d ah 8 8-. evangeli⸗ en Klerikalen sehr gelegen gelommen. nservative 8 auch Gehorsam ist des Christen Schmuck der Minister

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würde, so würde die Regierung gewissermaßen die Verantwortung

gut!) Dafür sind auch die geeigneten Einrichtungen getroffen. Es

sind Feinde der Bürgerkunde; das ist bezeichnend, und mit der