1911 / 67 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Mar 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Unterweisung in der Bürgerkunde innerhalb der anderen Fächer wird man es nicht gerade sehr ernst nehmen. Im vorigen Jahre sind hier die Zustände am Essener Gymnasium besprochen worden, wo besondere Cöten für die Schüler der besseren Stände eingerichtet werden. Ist darin inzwischen Remedur geschaffen worden? In der Schule wird auch Politik getrieben. Der Sohn eines „Vorwärts“⸗Redakteurs war Mitglied einer jener Jugendorganisationen, die Sie mit Feuer und Schwefel verfolgen, er wurde wegen Uebertretung des Vereinsgesetzes angeklagt und vom Gericht zu drei Mark Geldstrafe verurteilt. Darauf wurde ihm die Zulassung zum Abiturientenexramen unmöglich gemacht, und der Minister bestätigte die Entscheidung des Provinzial⸗ schulkollegiums, weil eine gerichtliche Strafe erkannt sei. So wurde dem jungen Mann in kleinlicher, engherziger Weise die Existenz un⸗ möoglich gemacht. Im Jahre 1907 haben die Gymnasiasten unter Billigung der Schulverwaltung bei den Wahlen in regierungs⸗ freundlichem Sinne Schlepperdienste geleistet. Die preußische Unter⸗ richtsverwaltung wird ihren Pflichten gegen die Allgemeinheit nicht gerecht, sie schlägt den Verfassungsgrundsätzen ins Gesicht. Abg. Dr. Glattfelter (Zentr.): Wir sind Vaterlandsfeinde gescholten worden, aber wir sind es nicht ge⸗ wesen und werden es nicht werden. Wie denkt sich der Vor⸗ redner das zukunftsstaatliche Schulsystem? Es wäre interessant, darüber etwas zu erfahren. Die Zahl der katholischen Kan⸗ didaten für das höhere Lehramt soll zugenommen haben, insbesondere die Zahl der Lehramtskandidaten für Deutsch und Geschichte. Nun, die Befürchtung ist jedenfalls unbegründet, daß mehr evangelische Schüler von katholischen Lehrern unterrichtet werden, als katholische Schüler von evangelischen Lehrern.

Die Debatte wird geschlossen.

Der Kommissionsantrag betreffs der russischen Sprache und der Antrag Viereck betreffs des Pensionsdienstalters der Oberlehrer werden angenommen. Die Ausgaben für die höheren Lehranstalten auf Grund rechtlicher Verpflichtungen werden bewilligt.

Um 5 Uhr wird die Sitzung abgebrochen, um Abends 7 ½ Uhr fortgesetzt zu werden.

allerdings

Abendsitzung vom 17. März, 7 ½ Uhr.

Die Spezialberatung des Etats des Ministeriums der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten wird im Kapitel „Höhere Lehranstalten“ fortgesetzt.

Bei den Zuschüssen für die vom Staate zu unter⸗ haltenden Anstalten fragt

Abg. Quehl (kons.) an, weshalb die Regierung die Genehmigung zur Umwandlung der Realschule in Glogau in eine Oberrealschule ver⸗ sagt habe, da doch ein Bedürfnis für diese Umwandlung vorliege. Auf die Einwohnerschaft Glogaus komme es nicht allein an, sondern auch auf den umliegenden Kreis. Glogau sei der Sitz von mehreren Be⸗ hörden und besitze eine große Anzahl von Offizieren. Den Kindern der Beamten und Offiziere müsse Gelegenheit gegeben werden, nicht nur ein Gymnasium, sondern auch eine Oberrealschule zu be⸗ suchen. Es handele sich hier geradezu um eine Lebensfrage für Glogau. Vor hundert Jahren sei Glogau der Sitz der Regierung gewesen; die Regierung sei damals nach Liegnitz verlegt worden, und Glogau habe sich von diesem Schlage nur allmählich erholen können. Nachdem die Festungsmauern gefallen seien, sei das Festungsgelände unter schweren Kosten erworben worden. Zur Entwicklung einer Industrie fehle es an den Vorbedingungen; Glogau sei im Begriff, eine Art Pensionopolis zu werden. Die Errichtung einer zweiten höheren Lehranstalt würde dazu wesentlich beitragen.

Abg. Freiherr von Reitzenstein⸗Pilgramsdorf (Zentr.) be⸗ fürwortet die Petition des Magistrats in Rybnik um Ausbau des Königlichen Progymnasiums in Rybnik zum Vollgymnasium, welche die Kommission der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen empfiehlt, auf das wärmste.

Abg. Hoff (fortschr. Volksp.) spricht sich für eine Herabsetzung der Pflichtstunden der älteren Vorschullehrer aus.

Bei den Zuschüssen für die von anderen zu unterhaltenden, aber vom Staate zu unterstützenden Anstalten empfiehlt

Abg. Graf Moltke (freikons.) die Umwandlung des in Blankenese bestehenden Progymnastums in eine Vollanstalt unter staatlichem Zuschuß, wie ihn auch andere holsteinische höhere Lehranstalten er⸗ halten.

Abg. Siebert (kons.) bittet die Regierung, das Real⸗ progymnasium in Bünde in Westfalen auf den Staatshaushaltsetat zu übernehmen, da die Stadt unter der Tabaksteuer schwer zu leiden habe und 240 % Kommunalsteuerzuschläge erheben müsse. Außerdem empfiehlt er den Ausbau des Progymnasiums in Rietberg.

Abg. Humann (FZentr.) unterstützt diesen Wunsch. Das Be⸗ dürfnis der Umwandlung des Progymnasiums in eine Vollanstalt sei mit der Zeit immer dringlicher geworden. Andere Gymnasien in Westfalen seien überfüllt. Der Amtsbezirk Rietberg zähle rund 11 300 Seelen, was im Vergleich mit anderen Orten, die Vollgymnasien haben, vollkommen ausreiche. Man müsse den kleinen Orten doch auch etwas gönnen, schon um das fortwährende Abwandern nach großen Städten zu verhindern. 3 1

Abg. Bartscher (Zentr.) schließt sich diesem Wunsch an. Solche kleinen, gesunden, sittenreinen Städte müßten in erster Linie berück⸗ sichtigt werden.

Abg. Kirsch (Zentr.): Die Art und Weise, wie diese Sachen vorgetragen werden, erinnert an die Art, wie die Kleinbahnwünsche vorgebracht werden. Was ich selbst vorzubringen habe, geht in erster Linie den Finanzminister an. Mein Wunsch betrifft den Ausbau des Progymnasiums in Ratingen bei Düsseldorf. Es würde sich um einen Staatszuschuß von etwa 15 000 handeln. Ratingen selbst hat erheb liche Lehrerbesoldungszuschüsse zu leisten und erhebt ziemlich hohe Kom⸗ munalsteuerzuschläge. G

Abg. Busch (Zentr.) bittet um möglichste Beschleunigung des Stiftisch⸗katholischen Gymnasiums in Düren. 1

Die Abgg. Dr. Hintzmann (nl.) und Reinhard (Zentr.) unter⸗ stützen den Wunsch des Abg. Siebert für die Stadt Bünde und bitten um einen höheren Ergänzungszuschuß.

Bei den Ausgaben für Reisestipendien für Lehrer der neueren Sprachen bittet

Abg. Ernst (fortschr. Volksp.), auch Lehrerinnen und Lehrern der Mittelschulen solche Stipendien zu gewähren.

Zu Einrichtungen behußs Ausbildung von Beamten im praktischen Gebrauche der russischen Sprache sind 11 000 ausgeworfen.

Abg. Viereck (freikons.) weist auf die auffallende Unkenntnis der russischen Sprache in den interessierten Kreisen hin. Kaufleute und Gewerbetreibende, namentlich im Osten, könnten die Kenntnis des Russischen nicht entbehren. Norwegen, Schweden und Dänemark hätten das Russische in ihren Schulen eingeführt, selbst Bayern habe dies getan. In Preußen werde Russisch nur in den Militärschulen getrieben. Es müsse deshalb, seinem Antrage entsprechend, die russische Sprache an Stelle des Englischen als fakultativer Unterrichtsgegenstand in den Lehrplan bei einer Anzahl von höheren Lehranstalten der östlichen Provinzen eingeführt werden. Er denke in erster Linie an die Real⸗ schulen. Die erforderlichen Lehrer könnten durch das orientalische Seminar in Berlin vorgebildet werden. Die Förderung der russischen Sprache sei im Interesse des Handels und freundlicher Beziehungen zu Rußland in hohem Grade erwünscht.

Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Köpke: Die Oberpräsidenten von Ost⸗ und Westpreußen haben 1900 diesen Plan befuͤrwortet. Die Kaufmannschaft von Königsberg hat aber ein Bedürfnis dazu nicht anerkannt. Das Ergebnis der kommissarischen Verhandlungen im Ministerium des Innern war die Einrichtung von Kurfen in Danzig und Bromberg für

Beamte. Auch in Posen wurden Kurse eingerichtet. Die Unter⸗ richtsverwaltung ist bereit, der Anregung des Vorredners zu ent⸗ sprechen, verkennt aber die großen Schwierigkeiten, die in der Be⸗ schaffung geeigneter Lehrer liegen, nicht. Dazu kommt, daß an der Grenze Dialekte gesprochen werden.

Die Anträge Viereck und der gleichlautende Antrag der Kommission werden angenommen.

Bei den Ausgaben für die Auskunftsstelle für Lehr⸗ bücher des höheren Unterrichtswesens weist

Abg. Dr. Schmitt⸗Düsseldorf (Zentr.) auf ein Buch mit dem Titel „Angewandte Geschichte, eine Erziehung zu politischem Denken“ hin, das in die Hände der Schüler gelange und große Verbreitung finden werde, weil es von einem Professor verfaßt sei, der seit einer Reihe von Jahren den Geschichtsunterricht in den oberen Klassen des Gymnasiums in Düsseldorf erteile. Das Buch sei auch von dem Direktor des Reformrealgymnasiums in Düsseldorf günstig beurteilt worden. Das Buch sei aber seiner Tendenz nach in radikalem alldeutschen und schroff antikatholischem Geiste geschrieben. Obwohl der Verfasser im Vorwort schreibe, daß die Politik nicht in die Schule gehöre, werde die dauernde Verbesserung der politischen Zu⸗ stände empfohlen. In dem Buch selbst würden die germanische und die römische Kirche einander gegenübergestellt und die letztere als intolerant und deutschfeindlich bezeichnet und ihr planmäßige Geschichtsfälschung vor⸗ geworfen. Das Buch wende sich auch gegen das Zentrum und dessen Zoll⸗ politik. Das Tollste sei, daß in dem Buch stehe, im 19. Jahrhundert habe ein Kardinal ausgesprochen, jedermann könne einen Exkommunizierten un⸗ gestraft ermorden. Das Buch sei in 500 Exemplaren für Schulen geschenkt worden und werde damit in fast allen Vollgymnasien ver⸗ Herset werden. Eine Stelle sei in dem Buch besonders empörend, wo es heiße: der Ausgang der Ereignisse von 1870 war für die klerikale und jesuitische Parkei zerschmetternd. Eine solche Insinuation müsse das Zentrum mit der größten Entrüstung zurückweisen. Es wäre im höchsten Grade bedauerlich, wenn durch ein solches Buch die konfessionellen Gegensätze verschärft werden sollten. Den kon⸗ fessionellen Frieden zu fördern, habe die Rechte sich neulich bereit er⸗ klärt. Katholische Oberlehrer, die den Antimodernisteneid geleistet haben; würden niemals eine Methode verfolgen wie jenes Buch. Er bitte die Unterrichtsverwaltung, dieser einseitigen tendenziösen Ge⸗ schichtspolitik keinen Eingang in die Schule zu verschaffen.

Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Dr. Köpke: Dieses Buch ist keineswegs ein Lehrbuch, kann auch als ein Schulbuch nicht in Frage kommen. Daß die vorgelesenen Stellen nicht unbedenklich sind, wird unbedingt anerkannt werden müssen. Von einer Schenkung des Buchs ist uns nichts bekannt. Es ist ein anderes Buch geschenkt worden; es liegt eine Verwechslung vor.

Abg. Dr. Schmitt (Zentr.) weist darauf hin, daß nach seinen Informationen 500 Exemplare an Schulen verschenkt worden sind.

Bei den Zuschüssen für die vom Staate zu unterhaltenden höheren Mädchenschulen bedauert

Abg. Graf Clairon d- Haussonville (kons.), daß die Frage der Frauenbildung in einer Abendsitzung besprochen werden müsse. Was den sogenannten vierten Weg betreffe, d. h.-die Möglichkeit des Universitätsbesuchs durch Damen, so müsse man sein Urteil darüber zurückhalten, bis Erfahrungen vorliegen. Bei der Konzessionierung der Privatschulen müsse die Befähigung des Leiters, die finanzielle Leistungsfähigkeit und die Bedürfnisfrage streng geprüft werden. Eine gesetzliche Aenderung des Privatschulwesens sei notwendig. Die älteren Privatlehrer befänden sich in einer schwierigen Lage. Ihre Beiträge zur allgemeinen deutschen Pensionskasse seien verhältnismäßig hoch und die Pensionen gering. Die Kasse müsse mehr alimentiert werden.

Abg. Dr. Kaufmann (Zentr.) führt aus, daß die Entwicklung des deutschen höheren Mädchenschulwesens nach dem Erlaß von 1908 im allgemeinen eine günstige sei. Man müsse aber zwischen höheren Mädchenschulen und Studienanstalten unterscheiden. In die letzteren sollten nur die geistig bevorzugten Mädchen geschickt werden. Die wissenschaftlichen Anforderungen an diesen An⸗ stalten seien besonders hoch. Darum könnten sie auch nur körperlich kräftige Mädchen besuchen, die durch gesellschaftliche Verpflichtungen nicht in Anspruch genommen werden. Der „vierte Weg“ müsse für die Lehrerinnen offen stehen, obwohl er seine Schattenseiten habe. Einige Fakultäten hätten die Prüfungsbestimmungen für die Stu⸗ dentinnen verschärft, ohne die Genehmigung des Ministers einzuholen. Das sei bedenklich.

Abg. Ernst (fortschr. Volksp.) bedauert ebenfalls, daß man bei nachtichefende Zeit diese wichtige Frage behandele; als ehrlicher Christenmensch und Staatsbürger sei er gewohnt, um 10 Uhr zu Bett zu gehen. (Es ist gegen 10 ½ Uhr geworden.) Der Redner be⸗ spricht die ungünstigen Gehaltsverhältnisse der Oberlehrer und Lehrerinnen an den höheren Mädchenschulen, die Vorschriften über die Zulassung der Lehrerinnen zum Universitätsstudium und die Rang⸗ und Dienstverhältnisse der Lehrerinnen und Oberlehrerinnen.

Abg. Dr. Hintzmann (nl.) tritt der Auffassung bei, daß dieser Gegenstand würdiger und dienlicher in einer Tagessitzung und vor besser besetztem Hause erörtert würde. Die Mädchenschulen seien bisher als Stiefkind behandelt worden. Ein endgültiges Urteil über die Reform der Mädchenschulen sei heute noch nicht möglich. Die Staatsregierung müsse dafür sorgen, daß bei Neu⸗ gründung von Mädchenschulen der paritätische Charakter gewahrt werde. Zu begrüßen sei es, daß in den höheren Mädchenschulen Kurzstunden eingeführt werden. Bei der Ueberbürdungsmöglichkeit unserer höheren Töchter, besonders an den Studienanstalten, sei eine solche Erholung durchaus notwendig, aber auch den Knaben zu gönnen. Die neue Ferienordnung habe zu Mißständen geführt. Bei den Mädchen⸗ oder Rcalschulen, wenn er sie so nennen dürfe, könnte viel⸗ leicht der Lateinunterricht eingeführt werden.

Bei den Beihilfen zur Unterhaltung nichtstaatlicher höherer Mädchenschulen usw. bittet

Abg. Felisch (kons), die Altersversorgung der Privatlehrerinnen möglichst bald gesetzlich regeln zu wollen.

Abg. Ernst schließt sich diesem Wunsche an.

Der Rest des Ordinariums wird ohne Debatte bewilligt. Das Extraordinarium wird ebenfalls genehmigt, nachdem die Abgg. Dr. Gottschalk⸗Solingen, Dr. Hintzmann und Sauer⸗ mann (Zentr.) einige Wünsche geäußert haben.

Die oben erwähnte Petition der Stadt Rybnik wird der Staatsregierung zur Erwägung überwiesen.

Damit ist die Beratung des Kultusetats beendet. ScVchluß 11 ½ Uhr. Nächste Sitzung Sonnabend 11 Uhr (Etat des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten; Aus⸗ führungsgesetz zum Reichswertzuwachssteuergesetz; Etat des Finanzministeriums).

Parlamentarische Nachrichten.

Dem Hause der Abgeordneten ist der Entwurf eines Gesetzes über den Erwerb von Fischerei⸗ berechtigungen durch den Staat und das Aufgebot von Fischereiberechtigungen nebst Begründung zugegangen. Der Gesetzentwurf lautet, wie folgt:

Für Fischereiberechtigungen an Gewässern, die durch Bau⸗ ausführungen der staatlichen Wasserbauverwaltung betroffen werden, gelten die nachfolgenden Vorschriften.

§ 2. 1 Die Fischereiberechtigungen können als selbständige Gerechtig⸗

keiten ganz oder für Teile der Gewässer auf den Staat übertragen

1“

Zu der Uebertragung ist die Einigung der Fischereiberechtigten und des Staats über die Rechtsänderung und die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch erforderlich.

8 3.

Die Einigung bedarf der gerichtlichen oder notariellen Beur⸗ kundung oder der Beurkundung nach Maßgabe des Artikels 12 §§ 2, 4 des Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Gesetz⸗ samml. 1899 S. 183).

Die Eintragung erfolgt auf Grund des bloßen Nachweises der Einigung durch die Anlegung eines besonderen Blattes für die selb⸗ ständige Gerechtigkeit. 1b

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§ 4.

Für die Anlegung und Führung des besonderen Grundbuchblatts ist, wenn die Fischereiberechtigung mit dem Eigentum an einem Grundstücke verbunden war, das Grundbuchamt zuständig, welches das Grundbuch über das Grundstück zu führen hat. 3

Im übrigen ist für die Zuständigkeit die Lage des Gewässers maßgebend, das den Gegenstand der Fischereiberechtigung bildet. Er⸗ streckt sich die Berechtigung über den Bezirk eines Grundbuchamts. binaus, so ist das zuständige Grundbuchamt nach § 20 des Aus⸗ führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz (Gesetzsamml. 1899 S. 276) zu bestimmen. üäag

Bei Fischereiberechtigungen, die mit dem Eigentum an einem Grundstücke verbunden sind oder auf dem Eigentum an einem im Grundbuch eingetragenen Gewässer beruhen, wird die Anlegung des Blattes für die selbständige Gerechtigkeit auf dem Blatte des Grund⸗ stücks oder des Gewässers vermerkt.

Eingetragene Rechte Dritter an dem Grundstücke oder an dem Gewässer, die sich auf die Fischereiberechtigung erstrecken, sind auf das Blatt der selbständigen Gerechtigkeit zu übertragen, sofern nicht der Dritte die Löschung bewilligt.

Sind mit der Fischereiberechtigung Nebenrechte verbunden, insbesondere das Recht zum Trocknen der Netze, zur Rohrnutzung oder zum Fischen auf überschwemmten Wiesen, so gehen sie mit der Fischereiberechtigung auf den Staat über.

Das Gesetz, betreffend die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten, vom 2. April 1887 (Gesetzsamml. S. 105) findet auf gemeinschaftliche Fischereiberechti⸗ gungen auch dann Anwendung, wenn sie zwar nicht durch ein Aus⸗ einandersetzungsverfahren begründet, aber in einem Auseinandersetzungs⸗ rezeß aufrechterhalten sind.

§ 8.

Auf die selbständigen Fischereigerechtigkeiten finden die Vor⸗ schriften Anwendung, die nach Arrir.g0 Abs. 1, 2 des Ausführungs⸗ gesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (Gesetzsamml. 1899 S. 201) und nach den Artikeln 22, 28 des Ausführungsgesetzes zur Grundbuch⸗ ordnung (Gesetzsamml. 1899 S. 312, 313) für andere eingetragene selbständige Gerechtigkeiten gelten.

Die Fischereiberechtigungen können im Wege des Aufgebots⸗ verfahrens mit der Wirkung ausgeschlossen werden, daß sie dem Staate gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden können. Das Aufgebot ist nur für bestimmte Gewässer oder Strecken von Gewässern (Auf⸗ gebotsgebiet) zulässig.

Für das Aufgebotsverfahren gelten die besonderen Bestimmungen der §§ 10 bis 15.

§ 10.

Zuständig ist das Amtsgericht, zu dessen Bezirke das Aufgebots⸗ gebiet gehört. Erstreckt sich dieses Gebiet über den Bezirk eines Amtsgerichts hinaus, so ist das zuständige Gericht nach § 20 des Aus⸗ führungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze (Gesetzsamml. 1899 S. 276) zu bestimmen.

§ 11.

Antragsberechtigt ist die für die Bauausführung 1) zuständige Provinzialbehörde.

Der Antrag muß eine genaue Bezeichnung des Aufgebotsgebiets, soweit erforderlich, nach einer dem Antrage beizufügenden Karte, und die Angabe der mit ihrem Bezirk an dem Aufgebotsgebiete beteiligten Amtsgerichte, Regierungen, Kreise und Gemeinden enthalten.

Die Antragstellerin hat die ihr bekannten Fischereiansprüche unter Angabe des Wohnorts der Berechtigten, und zwar auch nach der räumlichen Ausdehnung und der Art der Fischerei, soweit ihr diese be⸗ kannt sind, anzuzeigen. ““

In das Aufgebot ist aufzunehmen:

1) die genaue Bezeichnung des Aufgebotsgebiets;

2) die Aufforderung, Fischereiberechtigungen, die für das Auf⸗ gebotsgebiet oder einen Teil des Gebiets in Anspruch genommen werden, nach der räumlichen Ausdehnung und der Art der Fischerei spätestens im Aufgebotstermin anzumelden, widrigenfalls sie mit der Wirkung ausgeschlossen werden würden, daß sie dem Staate gegenüber nicht mehr geltend gemacht werden Inen.

§ 13.

Die öffentliche Bekanntmachung des Aufgebots erfolgt:

1) durch Anheftung an die Gerichtstafel bei den beteiligten Amtsgerichten;

2) durch Einrückung in den Deutschen Reichsanzeiger sowie in die Amtsblätter der beteiligten Regierungen und die Kreisblätter der be⸗ teiligten Kreise;

82 durch ortsübliche Bekanntmachung in den beteiligten Ge⸗ meinden.

Das Aufgebot soll den von der Antragstellerin angezeigten Fischereiberechtigten von Amts wegen unter Mitteilung der Anzeige zugestellt werden, und zwar, sofern auch die räumliche Ausdehnung. und die Art der Fischerei angezeigt sind, mit der Eröffnung, daß es der Anmeldung der Ansprüche nicht bedürfe, soweit nicht weitergehende Rechte, als angezeigt sind, in Anspruch genommen werden. Im übrigen erfolgt die Zustellung mit der Aufforderung, Fischereiberechti⸗ gungen, die für das Aufgebotsgebiet oder einen Teil des Gebiets in Anspruch genommen werden, nach der räumlichen Ausdehnung und der Art der Fischerei spätestens im Aufgebotstermin anzumelden. Die Zustellung kann durch Aufgabe ür Post erfolgen.

§ 14

§ 14. Die Aufgebotsfrist muß mindestens drei Monate betragen.

In dem Ausschlußurteile sind die von der Antragstellerin unter Angabe der räumlichen Ausdehnung und der Art der Fischerei an⸗ gezeigten Fischereiansprüche auch dann vorzubehalten, wenn sie nicht angemeldet sind.

§ 16.

Dieses Gesetz tritt am 1. April 1911 in Kraft.

Die Vorschriften der §§ 2 bis 6 finden auch dann Anwendung, wenn die Einigung vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes zustande gekommen ist.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die deutschen Aktiengesellschaften im Jahre 1910.

Nach den Ermittelungen des Kaiserlichen Statistischen Amtes auf Grund der Bekanntmachungen der Gerichte im „Reichsanzeiger“ wurden im Jahre 1910 186 Gesellschaften mit einem nominellen Aktienkapital von 241,3 Millionen Mark neu gegründet, gegenüber 179 Gesell⸗ schaften mit 230,8 Millionen Mark im Jahre 1909. Auf die ein⸗ zelnen Vierteljahre des Jahres 1910 verteilen sich die Neugründungen, wie folgt: veaetaslten

Nominelle Zahl Aktienkapital 8 39 46 134 000 54 61 917 000 1112“ 79 144 000 8 54 140 000 „.

8

1

Von den 186 neuen Gesellschaften des Jahres 1910 wurden 68 Gesellschaften mit 101,8 Millionen Mark Atienkapital u bringung bestehender Unternehmungen gegründet; für die Sacheinlagen wurden hierbei 74,1 Millionen Mark in Aktien gewährt. Im Jahre 1909 waren 73 bestehende Unternehmungen in Aktiengesellschaften mit zu⸗ sammen 93,4 Millionen Mark Aktienkapital umgewandelt worden. Bemerkt sei hierbei, daß das Kaiserliche Statistische Amt nur die⸗ jenigen Sacheinlagen feststellen kann, die unter Beobachtung der Schutz⸗ vorschrift des § 186 Abs. 2 des Handelsgesetzbuchs eingebracht werden.

Kapitaler höhungen erfolgten im Jahre 1910 bei 340 Ge⸗ sellschaften um 599,4 Millionen Mark, während 100 Gesellschaften Kapitalherabsetzungen in Höhe von 64,0 Millionen Mark vor⸗ nahmen. Von den letzteren erfolgten nur 12 durch Rückzahlung oder Ankauf von Aktien, und zwar im Gesamtbetrage von 1,8 Million Mark. In den übrigen 62,2 Millionen Mark wird man Kapital⸗ verluste der Aktionäre infolge von Sanierungen zu erblicken haben.

1 25 Gesellschaften mit einem Aktienkapital von zusammen 133,0 Millionen Mark wurden wegen Fusion mit anderen Gesell⸗ schaften 899 Hünels eeister gelöscht.

Neben den tätigen Gesellschaften ermittelt das Kaiserliche Statistische Amt die Gesellschaften in Liquidation und in Fönture. Im Jahre 1910 traten gin Liquidation 64 Gesellschaften mit 49,6 Millionen Mark und gerieten in Konkurs 14 Gesellschaften mit 21,6 Millionen Mark Nominalkapital.

Auf der Grundlage der Bestandsstatistik vom 30. September 1909 und mit Hilfe der Bewegungsstatistik seit diesem Zeitpunkt ist voee Förtfehre bang, 88 81 I der Kgnne Gesellschaften und der Gesellschaften in Liquidation und in Konkurs Hier bestanden am 31. Dezember 1910: .“ Zahl Nominelles Aktien⸗ kapital Tätige Gesellschafteren.. .5295 15 466,3 Millionen Mark, Gesellschaften in Liquidation.. 295 335,6 Gesellschaften in Konkurs 71 64,2

Wohnungsmiete und Einkommen, Miete und Wohnungsgröße.

Wenn man von einer Wohnungsfrage spricht, so meint man dabei die Wohnungen der unteren Schichten und allenfalls die des unteren Mittelstandes, und mit Recht. Denn wenn es auch einige Städte geben mag, in denen es um die Wohnungen der wohlhabenden Schichten traurig genug bestellt ist man denke an die Zustände in rasch wachsenden Beamtenstädten oder in zurückgebliebenen Klein⸗ städten —, so ist doch im ganzen genommen kein Zweifel daran, daß nur die Verbesserung der Wohnungsverhältnisse für die großen Massen der städtischen Bevölkerung ein dringendes soziales Problem unserer Zeit darstellt. In den meisten Städten herrscht in Wohnungen der wohlhabenden Klassen sogar ein gewisser Ueberfluß. Die Behaglich⸗ keit und Geräumigkeit einer Wohnung scheint gewissermaßen im geo⸗ metrischen Verhältnis des Mietpreises, nicht nur im arithmetischen zu steigen. Ja, man hat in manchen modernen Großstädten geradezu das

Gefühl, als ob die Wohnungen der wohlhabenden Klassen darum so

preiewert seien, weil der Hauseigentümer für die der ärmeren einen um so höheren Mietzins erzielen könne. Aber diese Auffassung, die sich dem Betrachter großstädtischer Wohnungsverhältnisse oft aufdrängt, muß. so lange als praktisch wertlos gelten, als sie nicht durch bestimmte Feststellungen der Wohnungsstatistik bestätigt wird. Erst dann erhebt sie sich in die Sphäre wissenschaftlicher Erkenntnis und kann als Grund⸗ lage für eine Reformbewegung dienen. Deshalb sind die statistischen Erbebungen, die sich auf das Verhältnis zwischen Einkommen und Wohnungsmiete beziehen, von großer wissenschaftlicher und praktischer Bedeutung. Der Direktor des Statistischen Amts der Stadt Schöne⸗ berg, Kuczynski, hat in einer kürzlich erschienenen Arbeit ) die bis⸗ herigen Ergebnisse dieser Erhebungen kritisch beleuchtet. Die Arbeit verdient, allgemein bekannt zu werden.

Die früheste Untersuchung der gedachten Art wurde im Jahre 1868 von dem damaligen Leiter des Statistischen Bureaus der Stadt Berlin, Schwabe, veranstaltet. Sie stieß auf dieselben Schwierig⸗ keiten, die auch heute noch dieser Statistik entgegenstehen. Einmal äßt sich das Einkommen der ärmeren Klassen sehr schwer richtig fest⸗ stellen. Der Verdienst ist unsicher und wechselnd, und der Gesamt⸗ verdienst der Familie wird oft durch die Mitarbeit der Ehefrau oder anderer Familienmitglieder oder durch Nebeneinnahmen bedingt, die sich der Feststellung entziehen. Auf der anderen Seite aber rklärt sich die Höhe der Wohnungsmiete oft auch dadurch, daß ein Teil der Wohnung zu gewerblichen Zwecken oder zu Ab⸗ vermietungen dient. Schwabe suchte der ersteren Schwierigkeit dadurch zu entgehen, daß er die Untersuchung bei den geringeren Einkommen auf die wenigen staatlichen ünd städtischen Beamten beschränkte, deren Einkommen sich genau feststellen ließ, und daß er im übrigen nur die Personen mit mehr als 1000 Talern Einkommen berücksichtigte. Leider ist die Untersuchung in Berlin nicht wiederholt worden. Dagegen hat das Statistische Bureau in Hamburg, das der Berliner Anregung alsbald folgte, die Untersuchung von vornherein auf breiterer Grund⸗ lage aufgebaut und sie seitdem mehrmals in derselben Weise wieder⸗ holt. Die hamburgische Wohnungsstatistik ist in dieser Beziehung die bei weitem wichtigste. Sie umfaßte stets etwa 20 bis 30 % aller Wohnungen, wobei diejenigen mit gewerblicher Benutzung und Ab⸗ vermietung ausgeschlossen wurden. Aehnliche Untersuchungen sind 1875, 1885 und 1900 in Leipzig, 1880 in Dresden, 1880 und 1900 in

Breslau, 1886 in Magdeburg und 1900 in Essen veranstaltet worden.

Ueberall konnte die Aufnahme sich wegen der geschilderten Schwierig⸗

keiten nur auf einen Teil der Wohnungen erstrecken.

22,5 %

„Die Ergebnisse der einzelnen Städte können nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden, da bei der Auswahl der für die Untersuchung herangezogenen Wohnungen in verschiedener Weise verfahren wurde. Immerhin lassen sich einige überein⸗ stimmende Züge feststellen. Der wichtigste ist der, daß der Teil des Einkommens, der für Wohnungsmiete ausge⸗ geben werden muß, um so höher steigt, je niedriger das Einkommen selbst ist. Wir wollen dafür einige Beispiele an⸗ führen. So wurden bei einem Einkommen von etwa 900 bis 1200 (die Klassen sind in den Städten nicht immer gleich⸗ mäßig abgegrenzt) für Wohnungsmiete folgende Prozente des Einkommens ausgegeben: in Berlin (1865) 20,3 %, in Hamburg (1867) 19,8 % und (1900) 24,7 %, in Leipzig (1875) 20,9 % und (1900) 18,8 %, in Dresden (1880) 17,3 %, in Breslau (1880) 21,0 % und (1900) 20 %, in Magdeburg (1886) 22,7 bis 23,1 %, in Essen (1900) 21,4 bis 4 dagegen bei Einkommen von etwa 3000 bis 600 ℳ: in Berlin (1865) 27,5 %, in Hamburg (1867) 19,6 %

und (1900) 19,2 %, in Leipzig (1885) 18,2 bis 16,9 % und (1900)

18,6 bis 16,3 %, in Dresden (1880) 15,8 bis 15,3 %, in Breslau

(1880) 19,8 % und (1900) 16,9 %, in Magdeburg (1886) 18,4 %,

in Essen (1900) 22,0 bis 21,7 %. Bis hierher sind also die Unterschiede nicht sehr erheblich. Im

allgemeinen ist zwar bei Einkommen von 3000 bis 3600 der

(1880) 13,7 % und (1900)

Prozentanteil der Miete etwas geringer als bei dem Einkommen von

900 bis 1200 ℳ; es gibt aber auch Städte, wo er wenigstens an en betreffenden Zählungsterminen größer war. Von nun an fällt der Prozentsatz aber sehr beträchtlich. Er betrug bei Ein⸗ ommen von etwa 10 000 bis 12 000 ℳ: in Berlin 865) etwa 17,5 %, in Hamburg (1867) 13,2 bis 15,9 % und (1900) 13,1 %, in Leipzig (1875) 12,0 % und (1900) 13,7 bis 12,2 %, in Dresden (1880) 12,0 bis 11,4 %, in Breslau 11,3 %, bei Einkommen von 30 000 bis 36 000 ℳ: in Berlin (1865) 9,1 %, in Hamburg

(1867) 11,4 bis 7,4 % und (1900) 7,3 bis 6,7 %, in Leipzig (1895)

¹) Einkommen und Miete. Von R. Kuczynski, Direktor des Statistischen Amts der Stadt Schöneberg, Sonderabdruck aus dem 1I. Heft des 3. Jahrgangs der „Vierteljahrsberichte des Statistischen Amts der Stadt Schöneberg“. ¹“ 8*

1111XA1X“

6,7 bis 5,9 % und (1900) 8,9 bis 5,3 %, in Dresden (1880) 10,1 bis 7,0 %, in Breslau (1880) 6,9 0 ho—h 5,5 %.

Bei dem hohen Einkommen wird also für Miete nur die Hälfte bis ein Drittel desjenigen Einkommensprozentsatzes ausgegeben, der bei dem niedrigen Einkommen von 900 bis 1200 gezahlt werden muß. Dabei lassen die Hamburger Zahlen, die nach der ganzen An⸗ lage der dortigen Zählung die züuverlässigsten sind, däran schließen, daß der Prozentsatz in den unteren Einkommensklassen immer noch weiter steigt (1867 bis 1900 von 19,8 auf 24,7 %!), während er in den oberen sinkt. Zu bemerken ist auch, daß die Erhebungen bei Ein⸗ kommen von weniger als 900 oft Ausgaben von 40 bis 50 % des Einkommens ergeben. Doch sind diese Angaben, wie oben bemerkt, weniger zuverlässig. 1t ee.s

In einer zweiten Untersuchung*) beschäftigt sich Kuczynski mit dem Verhältnis zwischen Wohnungsgröße und Miete und stellt dabei die Ergebnisse einiger statistischer Erhebungen zusammen, ohne damit, wie bei der anderen Arbeit, eine erschöpfende Darstellung des vorhandenen Materials geben zu wollen. Die Schwierigkeiten des Vergleichs zwischen den einzelnen Städten sind hier noch größer. Handelt es sich doch dabei um denjenigen Begriff, der als einer der schwierigsten auf dem Gebiete der Wohnungsstatistikbezeichnet werden muß, den des Zimmers oder Wohnraums, einen Begriff, der in einzelnen Städten je nach Bauweise und Gewohnheit sehr verschieden inter⸗ pretiert wird. Man kann also hier noch weniger einen Vergleich zwischen den einzelnen Städten anstellen. Wohl aber läßt sich auch hier 1.. daß alle einen übereinstimmenden Zug aufweisen, und dieser besteht darin, daß die Wohnungsmiete verhältnismäßig immer mehr steigt, je kleiner die Wohnung wird. 4

Die beiden ehernen Gesetze des Wohnungswesens kann man also dahin präzisieren: Je kleiner das Einkommen, desto größer der Teil, der für Miete ausgegeben werden muß, und ferner: Je kleiner die Wohnung, um so höher ist ver⸗ hältnismäßig die Miete.

Land⸗ und Forstwirtschaft. Weizeneinfuhr in Marseille.

Nach den Wochenberichten der in Marseille erscheinenden Zeitung „Le Sémaphore“ hat die Weizeneinfuhr nach Marseille auf dem Seewege betragen: in der Zeit vom 12. bis 17. Februar. 1 35 493 dz debon ahs hkbööööö —,— in der Zeit vom 19. bis 24. Februar .. 161 049 davon aus Rußland . . . . 72 117 in der Zeit vom 26. Februar bis 3. März 58 622 dabb ..6ö286586 in der Zeit vom 5. bis 10. März . . . . . 228 473 d davon aus Rußland . . . . .. . 95 457

In den Zollniederlagen in Marseille befanden sich am s. März 282 810 dd. 8 sich

Der Kaiserliche Konsul in Varna berichtet unterm 8. d. M.: Im Anfang des Monats Februar setzten eisige Stürme ein; obgleich der Schnee vielfach verweht war, sollen die Stürme den Winter⸗ saaten indessen keinen nennenswerten Schaden verursacht haben, nur Raps gilt als stark beschädigt, teilweise als verloren. Mit der Aus⸗ saat der Sommerfrucht konnte gegen Ende Februar begonnen werden. Infolge der schlechten Wegeverhältnisse waren die Zufuhren schwach; sie betrugen während des Monats Februar: in Waggons in Wagen in Tonnen 3 024

1 224

Zusammen

3 183 1 292

in Weien.. . Gerste. Mais 10 332 10 630 Roggen 816 824 Hafer 4 8 108 112 Bohnen 1 36 Wicken. 1“ 165 88 Das Getreidegeschäft im allgemeinen war im Monat Februar nicht besonders lebhaft, denn die sinkenden Preise hielten einerseits den Bauer vom Verkauf zurück, andererseits nahm die Spekulation eine abwartende Haltung ein, da die Ware zu höheren Preen eingekauft worden war. In Weizen wurden bei mäßigem Interesse nur kleinere Mengen nach Rotterdam, Antwerpen und Marseille exportiert. Ziemlich gesucht war dagegen Gerste; die Ausfuhr ging hauptsächlich nach Antwerpen. Die fallenden Preise hemmten den Maishandel, der trotzdem größere Umsätze erzielte: Abnehmer waren Antwerpen, Tunis und England. In Roggen wurden einige Partien gehandelt, die nach Rolterdam gingen. Die sonstigen Artikel blieben für den Markt belanglos. Im Berichtsmonat notierten für den Doppelzentner tob Varna: Weizen I. Qualität . 17,00 Fr. v114“ 15,50 Gerste (Anfang Februar) 11,00 8 Ende Februar). 12,50 Mais (Anfan 1 11,40 (Ende ge ruar). 10,90 Roggen. 11,80

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.

(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 11 vom 15. März 1911.)

Pest. Britisch⸗Ostindien. Vom 22. bis 28. Januar wurden in Indten 25251 Erkrankungen und 20 929 Todesfälle an der Pest an⸗ gezeigt. Von letzteren kamen 12062 auf die Vereinigten Pro⸗ vinzen (davon 2280 auf die Division Benares), 2317 auf Bengalen, 1780 auf das Punjabgebiet, 1455 auf die Zentralprovinzen, 1406 auf die Präsidentschaft Bombay (davon 45 auf die Stadt Bombay und 17 auf Karachi), 679 auf Rajputana, 388 auf die Präsidentschaft Madras, 282 auf den Staat Mysore, 279 auf Hyderabad, 277 auf Burma, je 2 auf die Nordwest⸗ grenzpropinz und Kaschmir. Im Vergleiche mit den beiden ersten Wochen des Januar hat die Zahl der Pesttodesfälle in Indien während der letzten beiden Berichtswochen um fast zwei Drittel (65,6 %) zugenommen.

China. In Mukden starben vom 10. bis 15. Februar 212 Personen an der Pest, in Changchun vom 6. bis 11. Februar 601, davon 329 in der eigentlichen Stadt und 272 in den Vororten. Nach der letzten amtlichen Pestzeitung die Gesamtzahl der Todesfälle in der Mandschurei (zum Teil bis zum 12. Februar) 14 729 und im Gebiete der südmandschurischen Eisenbahn 205. Allein in den Provinzen Kirin und Heilungkiang waren danach 12 960 Personen der Pest erlegen. Niutschwang war am 16. Fe⸗ behge Fenchenfres. 21. Feb z

In arbin sind am 27. Februar bis 5. März 2 Europäer und 38 Chinesen, in Fudjadjen 11 Chinesen der Pest Fäöher

und Absperrungs⸗

Auf den benachbarten Eisenbahnstationen wurden einige Chinesen⸗

leichen aufgefunden. 1

MNach Mitteilung des Deutschen Gouvernements Kiautschou wurden

in der mit dem 23. Februar endenden Woche in der Provinz chantung, hauptsächlich im östlichen Teile, 458 Pesttodesfälle ge⸗

meldet. Das deutsche Schutzgebiet war bis zum 6. März pe⸗

9 Wehmunegfoce und Miete. Von R. Kuczynski. Sender⸗

2—

abdruck aus Heft III des 3. Jahrgangs der „Vierteljahrsberichte des Statistischen Amts der Stadt Schöneberg.. Biisest

frei geblieben. In Tschifu erlagen vom 13. bis 17. Februar 132 P“ der Pest. 1

Vereinigte Staaten von Amerika. Bezirk Alameda wurden von 130 auf Pestbazillen untersuchten in der am 28. Januar endenden Woche 3 unden.

Eeuador. Vom 1. bis 15. Januar sind in Gugyaquil an der Pest 30 Personen erkrankt (und 11 gestorben), in 3 anderen

Orten 23 (10).

Pest und Cholera. Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben vom 29. J nuar bis 4. Februar 13 Personen an der Pest und 60 an der

Cholera. Cholera.

Rußland. Nach neuerer amtlicher Mitteilung ist in der Woche vom 29. Januar bis 4. Februar noch 1 todlich verlaufener Cholerafall aus dem Gouvernement Kiew gemeldet worden. Vom 5. bis 198 Februar wurden keine Erkrankungen oder Todesfälle angezeigt.

Türkei. In Medina sind vom 4. bis 13. Februar 211 Cholera⸗ todesfälle festgestellt worden.

Portugal. Auf Madeira wurden vom 26. Januar bis 8. Februar 39 Erkrankungen (und 4 Todesfälle) an der Cholera fest⸗ gestellt, davon 7 (2) in Fün Gak⸗ 3 (2) in Camara de Lobes 1 —) in Ponta do Sol, 24 (—) in Machico und 4 (—) in

anta Cruz. Vom 9. bis 14. Februar sind keine Fälle gemeldet worden. Die Gesamtzahl der seit Beginn der Epidemie auf Madeira Erkrankten (und Gestorbenen) betrug 1774 (555), da⸗ von kamen 635 (210) auf Funchal, 513 (160) auf Camara de Lobes, 195 (71) auf Ponta do Sol, 278 (75) auf Machico, 89 (26) auf Santa Eruz und 64 (13) auf Pertg Santo.

Persien. In einer Ortschaft des Bezirks Talesch waren am 4. Januar 5 Cholerafälle festgestellt worden; seitdem ist kein weiterer Fall im ganzen Lande mehr gemeldet. Demgemäß hat die Regierung e Februar das ganze Land für cholerafrei seit dem 20. Januar erklärt.

Niederländisch⸗Indien. In Batavia wurden vom 2. bis 29. Januar 44 Choleraerkrankungen (darunter 9 bei Europäern) gemeldet, in Samarang vom 21. Dezember bis 10. Januar 25, davon 18 mit tödlichem Ausgang.

Siam. In Bangkok sind in der Zeit vom 4. Dezember v. J. bis 28. Januar 338 Personen an der Cholera gestorben, darunter auch einige Europäer.

Gelbfieber.

erkrankten vom

1“ ö“

Deutsches Reich. In der Woche vom 5. bis 11. März wurde 1 Erkrankungsfall bei einem russischen Arbeiter in Niederroßla (Bezirksamt Apolda, Sachsen⸗Weimar) gemeldet.

chweiz. Vom 26. Februar bis 4. März 8 neue Erkrankungen im Kanton Aargau, davon 6 in Klingnau.

China. In Schanghai sind zufolge Mitteilung vom 16. Ja⸗ nuar die Pocken heftiger als sonst aufgetreten, und zwar nicht nur unter den Chinesen, von denen während der ersten Hälfte des Ignuar 27 daran gestorben sind, sondern auch unter der fremdländischen Be⸗ völkerung, von der letzthin 2 bis 5 wöchentlich erkrankten.

Fleckfieber.

Deutsches Reich. In der Woche vom 5. bis 11. März wurde Erkrankungsfall in Königshütte (Reg.⸗Bez. Oppeln) fest⸗ gestellt.

Oesterreich. Vom 26. Februar bis 4. März in Galizien

69 Erkrankungen. Genickstarre. 0

Preußen. In der Woche vom 26. Februar bis 4. März sind 3 Erkrankungen (und 2 Todesfälle) angezeigt worden in folgenden Re⸗ serchgsbetseken lund Kreisen]: Landespolizeibezirk Berlin 1 Schöneberg], Reg.⸗Bez. Düsseldorf 1 (Essen Land]!, Münster (1) [Recklinghaufen Stadt], Schleswig 1 (1) [Husum]. VVon den in der Vorwoche gemeldeten Erktankungen (und Todes⸗ fällen) haben sich folgende nachträglich nicht als Genickstarre erwiesen: Reg.⸗Bez. Düsseldorf 1 (Essen Land], Merseburg 1 (1) [Schweinitz].

Schweiz.

Kanton Zürich. Spinale Kinderlähmung. Preußen. In der Woche vom 26. Februar bis 4. März sind Erkrankungen und Todesfälle nicht vorgekommen. Oesterreich. Vom 19. bis 25. Februar in Steiermark

1 Erkrankung. Verschiedene Krankheiten.

Pocken: London 1, Moskau 4, Odessa 1, St. Peters burg 7, Warschau 2, Kalkutta (29. Januar bis 4. Februar) 1 Todesfälle; London (Krankenhäuser) 16, Paris 8, St. Peters⸗ burg 24, Warschau (Krankenhäuser) 5. Erkrankungen; Vari⸗ zellen: Budapest 22, New York 178, St. Petersburg 27, Wien 75 Erkrankungen; Fleckfieber: Moskau 35, Odessa 3 Todesfälle; Odessa 20, St. Petersburg 2, Warschau (Kranken⸗ häuser) 7 Erkrankungen; Rückfallfieber: Moskau, Odessa je 1 Todesfall; Odessa 3, St. Petersburg 6 Erkrankungen; Genick⸗ starre: Nürnberg, Kopenhagen je 1, New York 4 Todesfälle; Nürn⸗ berg 1, Kopenhagen 2, New York 5 Erkrankungen; epidemische Ohrspeicheldrüsenentzündung: Nürnberg 24, Wien 56 Er⸗ krankungen; Influenza: Berlin 10, Braunschweig, Charlotten⸗ burg, Halle je 1, Nürnberg 5, Amsterdam 7, Budapest 19, Kopenhagen 1, London 23, Moskau 10, New York 27, Odessa 1, Paris 10, St. Petersburg 13, Prag 3, Rom, Wien je 1 Todesfälle; Nürnberg 157, Kopenhagen 448, Odessa 51, Stockholm 47 Erkrankungen. Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Diphtherie und Krupp (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/1904: 1,62 %): in Cassel Er⸗ krankungen kamen zur Anzeige im Landespolizeibezirk Berlin 201 (Stadt Berlin 140) in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 106, Düsseldorf 114, Magde⸗ burg 113, Merseburg 101, Potsdam 102, Schleswig 116, in Hamburg 101, Kopenhagen 51, London (Krankenhäuser) 128, New York 299, Paris 78, St. Petersburg 72, Stockholm 34, Wien 61; desgl. an Keuchhusten in Borhagen⸗Rummelsburg Erkrankungen wurden gemeldet in Nürnberg 27, Hamburg 26, Kopenhagen 32, London (Krankenhäuser) 45, New York 101, Wien 46; ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Scharlach im Landespolizeibezirk Berlin 160 (Stadt Berlin 99), in Breslau 23, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 120, Düsseldorf 136, in Hamburg 44, Budapest 102, Edinburg 21, Kopenhagen 47, London (Krankenhäuser) 129, New York 522, Odessa 23, Paris 53, St. Petersburg 99, Prag 24, Wien 66; desgl. an Masern und Röteln in Nürnberg 35, Ham⸗ burg 59, Budapest, 41, Kopenhagen 35, London (Krankenhäuser) 211, New York 347, Paris 224, St. Petersburg 58, Wien 176; desgl. an Typhus in New York 31, Paris 38, St. Petersburg 36.

Das Kaiserliche Gesundheitsamt meldet den Ausbruch der Maul⸗ und Klauenseuche aus: Flinsbach, Amtsbezirk Sinsheim, Großh. Baden, und Schwerin, Medizinalbezirt Schwerin, Großh. Mecklenburg⸗Schwerin, am 16. März, aus Golzengut, Kreis Dram⸗ burg, . Köslin, am 15. März, sowie aus Waltersberg, Be⸗ zirksamt Weilheim, Reg.⸗Bez. Oberbayern, am 16. März 1911.

Das Erlöschen der Maul⸗ und Klauenseuche ist gemeldet vom Schlachtviehhofe zu Breslau am 16. März 1911.

Malta.

In Malta sind durch eine Regierungsverfügung vom 9. d. M. Athen und Piräus als durch Genickkrampf (moaingitis cerebrospinalis) verseucht erklärt worden. Herkünfte von dort unterliegen den vorgeschriebenen gesundheitspolizeilichen Maßnahmen.

In Guägyaqui starben 6 Personen. ü8

Vom 26. Februar bis 4. März 1 Erkrankung im