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Erwägung, daß dann die landwirtschaftlichen Korporationen keine Sebeeen mehr erhalten hätten, hat wohl manchen für die Wiederbelebung des Syndikats geneigter gemacht. Das Beste an dem zustande gekommenen Gesetz war noch die Fendehes der
Der Abg. Dr. Roesicke hat heute zum soundsovielten Male sein landwirtschaftliches erz entdeckt; aber im vorigen
Jahre stimmten er und seine Freunde gegen alle Preis⸗ herabsetzungen, und der Bund der Landwirte hatte bekanntlich schon vorher mit dem Syndikat zu erheblich erhöhten Preisen ab⸗ geschlossen. Weit schlimmer war die ungesunde Vermehrung der Werke, die sofort eintrat. Als das neue Syndikat gebildet wurde, waren es 68 Werke; jetzt sind 90 neue hinzugekommen, also die Zahl ist mehr als verdoppelt. Wie soll in Zukunft die Ausnutzung der Förderung geschehen? Damit ist es noch nicht genug, denn 26 weitere Werke sind noch im Entstehen. Die 90 neuen Werke werden 320 Millionen kosten, ein lediglich im Interesse der Spekulanten, sonst aber völlig nutzlos weggeworfenes Geld. Natürlich bemühte man sich, alle möglichen schlechten Sachen auf den Markt zu bringen und Gewinne zu machen. Es ist immer unsolider geworden auf diesem Gebiete. Selbst der Felderbesitz wurde vielfach durch Anleihen und Kuxenbesitz gedeckt. Auch die Maschinenlieferanten usw. werden durch Obligationen und Kuxen bezahlt. Durch kleine Bankiers werden die Sachen an alle möglichen Leute gebracht, die kein Urteil über den inneren Wert der Papiere haben, und so ein Schwindel ge⸗ trieben. Solche Papiere werden durch Lagern in der Tat nicht besser. finer so ungesunden und gefährlichen Bewegung hätte man rechtzeitig vorbeugen können. Das haben Sie (rechts) nicht getan. Ich habe diese Gründertätigkeit im vorigen Jahre klipp und klar vorausgesagt. Die Wirklichkeit hat unsere Befürchtungen noch übertroffen. Selbst ie solidesten Werke, nicht einmal der Fiskus kann sich dieser Bewegung entziehen; das ist immer so bei jeder neuen Quoten⸗ vecteilung. Der Bundesrat und der Reichstag haben sich mit diesem Gesetz eine böse Rute aufgebunden. 7 Sitzungen in der Budget⸗ kommission haben wir gebraucht, um jetzt die Sache zu vertiefen. Wir sind den Polen sehr dankbar, daß sie uns zu einem so sach⸗ verständigen Herrn in der Kommission verholfen haben. Das Gesetz hat dem Bundesrat im § 27 eine absolut unlösbare Aufgabe gestellt, nämlich die Verteilung von Propagandageldern. Wie soll die Verteilung erfolgen? Der Bundesrat konnte das nicht, auch wenn er sich den Kopf noch so sehr zerbrochen hätte, auch die Kommission kann es nicht. Wenn man bestimmt, daß soundsoviel für den Doppelzentner für Propaganda verwendet werden soll, so ist das eine Aufforderung zur Vergeudung. Wir hatten beantragt, die Abgaben wenigstens auf die Hälfte zu reduzieren, aber auch das war zu viel. Es ist auch höchst zweifel⸗ haft, ob der Kommissionsvorschlag hier mit dem Geist und Wort⸗ laut des Gesetzes vereinbar ist, und die Vergütung an Kontrolleure und Probenehmer als Propagandamittel anzusehen ist. Es sollen nach dem Kommissionsbeschluß die Propagandagelder verwertet werden für praktische Versuche und wirtschaftliche Arbeiten und Ver⸗ anstaltungen zur Hebung des Kaliabsatzes. Hier ist offenbar hinter Arbeiten das Wort „für“ vergessen. Vir beantragen ausdrücklich, diese Lücke auszufüllen. Die wissenschaftlichen Arbeiten bestehen zum großen Teil in Lichtbildern der Wanderredner, die in wenigen Tagen zurecht gemacht werden. Daß das alles wissenschaftlich ist, wird man nicht behaupten können. Ich habe eben von einem der hervorragendsten Männer der Wissenschaft einen Brief erhalten. Er schreibt mir, daß die 700 000 ℳ als Beitrag zu den Kosten der Untersuchung von Empfängerproben nach näherer Bestimmung des Bundesrats viel zu hoch wären, auch die übrigen Summen; und die landwirtschaftlichen Korporationen haben für Propaganda das ihnen früher zugeflossene Geld zu diesem Zwecke gar nicht verbraucht. Man tut immer so, als wenn die Kali⸗ düngungen allein zweckentsprechend wären. Es gibt auch Fälle, wo diese Düngungsart unpraktisch, und die Stickstoff⸗ und Phosphordüngung vorzuziehen ist. Dringend notwendig ist auch nach der Meinung des Kalisyndikats die kaufmännische Propaganda, und die soll nichts erhalten. Es ist mit dem Wesen des Gesetzes nicht vereinbar, einen bestimmten Betrag herauszunehmen für die Propaganda der landwirtschaftlichen Organisationen. Die wissenschaftlichen Versuche auch der sogenannten Männer der Wissenschaft dienen nicht mehr der Wissenschaft. Ich habe wohl ehört von dem Streit der Professoren Soxhlet in München und agner in Darmstadt. Der erstere hat nachgewiesen, daß von 92 einzelnen Versuchen über Kali 32 nachträglich korrigiert, d. h. gefälscht worden sind. Es ist ein Prozeßverfahren eingeleitet worden, natürlich nicht gegen Professor Soxhlet, sondern gegen Wagner. Warum ist es nicht zu einer Privatklage gekommen? (Vizepräsident Schultz bittet, auf private Angelegenheiten nicht einzugehen) Der Verband der landwirtschaftlichen Versuchs⸗ anstalten hat den Professor Wagner aufgefordert, sich zu äußern; er ist darauf aus dem Verbande ausgetreten. Das läßt tief blicken, würde Sabor gesagt haben. Die deutsche Landwirtschafts⸗ gesellschaft treibt seit 1895 ein großes Vermittlungsgeschäft in Kalidünger usw. In das Handelsregister hat sie sich aber erst einige Jahre später eintragen lassen. Der preußische Land⸗ wirtschaftsminister ist allerdings Vorsitzender, und der Ministerial⸗ direktor Thiel sein Stellvertreter. Die Landwirtschaftsgesellschaft ist der Handelsagent des Kalisyndikats (Vizepräsident Schultz bittet den Redner, nicht von der Sache abzuschweifen), und als solcher muß sie die Interessen des Kalisyndikats wahr⸗ nehmen, und das hat sie redlich getan. Ob die Interessen der Landwirtschaft dabei gut fuhren, ist eine andere Frage. Die Land⸗ wirtschaftsgesellschaft ist wenigstens bestrebt gewesen, wissenschaft⸗ liche Versuche zu machen; sie hat auf diesem Gebiete sehr Gutes geleistet. Aber es ist doch nicht richtig, daß sie sich in ein solches Abhängigkeitsverhältnis zu einem Syndikat begibt. Sie hätten durch Reichsmittel unterstützt werden müssen, und selbst der Staatssekretär Wermuth würde dagegen nichts einzuwenden haben (Rufe: Na, nal), oder es würde ihm wenigstens nichts helfen. Was hat denn der Bund der Landwirte für wissenschaftliche Zwecke geleistet? Politische Vereine müssen von der Beteiligung an den Propaganda⸗ ausgeschlossen werden. Der Abg. Dr. Roesicke hat gesagt, der
und der Landwirte sei ein wirtschaftspolitischer Verein, nicht ein parteipolitischer. Das behauptet auch das Statut des Bundes, im Nachsatz aber ist ausgesprochen, daß die Leute des Bundes gewählt werden. Im Reichshandbuch steht zu lesen, daß Dr. Roesicke Hospitant der konservativen Partei ist. Ein Herr, der aus dem Bunde ausgetreten ist, batte schon bei der Gründung den Eindruck von der allzu durchsichtigen Unwahrhaftigkeit in der beständigen Versicherung, daß der Bund der Landwirte kein politischer Verein sei. Der Polizei⸗ präsident hat dem Bunde bescheinigt, daß er kein politischer Verein⸗ sei. Das war ungefähr um die Zeit, als ein Staatssek ctär sich in die Oeffentlichkeit flüchten mußte, um sich gegen die politische Polige zu schützen. Ueber die Frage, ob ein Verein ein politischer Verein ist oder nicht, könnte doch das Verwaltungsstreitverfahren erhoben werden. Der Bund selbst hat geschrieben, daß ihm die ropagandagelder zufließen, und daß diese zu politischen wecken verwendet werden. Allerdings hat er sich durch dier Verkaufsstelle decken wollen. Das ist nur eine formelle Einrichtung, um die Vorschriften des Gesetzes zu umgehen. Die Entziehung der Korporationsrechte ist beim Bund der Landwirte unbedingt notwendig. (Vizepräsident Schultz bemerkt, daß dies nicht zur Sache gehört.) Hat der Bund der Landwirte die Schenkungssteuer bezahlt, die er von der Verkaufsstelle, die ja eine selbständige juristische Person sein soll, erhalten hat? Ich nehme an, daß ihm sonst alle Strafen wegen Steuerhinterziehung auferlegt werden. (Vizepräsident SLrls. Dies gehört zum Etat des Reichsschatzamts.) Ich werde der Mahnung des Präsidenten folgen und die Frage dann erneut anschneiden. Es ist doch nicht gleichgültig, ob Gelder vom Kalisyndikat bezahlt werden, das natürlich freie Hand hat, oder aus der Reichskasse. Wenn die Abgabe in die Reichskasse fließt und vom Bundesrat verwaltet wird, so ist es eine einseitige Unterstützung politischer Be⸗ strebungen, wenn Propagandagelder an den Bund der Landwirte ge⸗ zahlt werden. Die Behandlung der Frage, inwieweit eine Abhängig⸗
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Bö1u 8 8 1” 1“ ““ E1“ machung der einzelnen landwirtschaftlichen Genossenschaften von den drei großen Verbänden besteht, will ich Dr. Heim überlassen, der sie angeschnitten hat. Wir wollen nicht, daß man diese kleinen Genossen⸗ schaften künstlich und mit Gewalt in die großen Verbände hinein⸗ zwingt, das bezweckt unser Antrag. Uns liegt daran, die Freiheit zu wahren, und ein Zusammenschluß taugt der Landwirtschaft nur dann, wenn er freiwillig ist und nicht mit dem Geldbeutel erzwungen wird. Nichts beweist 1’gg die Unsinnigkeit des Fonds als die ein⸗ getretene Absatzsteigerung, die ohne Zahlung eines Pfennigs aus dem Fonds erfolgt ist. Die Feststellung, ob ein Verein politisch ist, würde Sache der Polizei sein. Beim Vereinsgesetz ist es ja ebenso. Ich kann mir denken, daß dann in verschiedenen Bundesstaaten ver⸗ schieden über ein und denselben Verein geurteilt wird. Das müssen wir eben in den Kauf nehmen. Wenn wir zu dem Prinzip kommen, aus der Reichskasse Subventionen an politische Vereine zu zahlen, wo fangen wir an, und wo hören wir dann auf? Auf eine solche schiefe Ebene soll sich eine Reichsregierung nicht begeben.
Abg. Dr. Arendt (Rp.): Wir haben hier nicht über das Kali⸗ gesetz zu beraten, sondern wir befinden uns in der zweiten Lesung des Etats. In der guten alten 88 auf die der Abg. Gothein hin⸗ gewiesen hat, betrachteten es alle Parteien als ihre erste Pflicht, den Reichsetat rechtzeitig fertig zu stellen. (Lebhafte Zustimmung rechts, Lärm und Unterbrechung links, Zurufe.) Sie werden doch nicht behaupten wollen, daß die Rechte mehr geredet hat wie die Linke. (Fortdauernde Unterbrechung links. Kufe: Jawohl!) Das können Sie nicht, denn es entspricht den Tatsachen. Die Folgen einer Verzögerung der Fertigstellung des Etats sind so schwerwiegend, daß das Reichsinteresse von jedem fordert, sich in seinen Ausführungen Maß anzulegen. Ich mache nur darauf aufmerksam, daß in diesem Etat 5 Millionen für die Veteranen enthalten sind. Um jeden Tag, den der Etat später fertig wird, wird die Auszahlung dieser Beihilfen verzögert. die Er. fahrungen mit dem Kaligesetz reichen noch nicht aus, um jetzt bereits an eine Abänderung denken zu können. Eine Diskussion darüber hat keine praktische Bedeutung. Die ganzen Crörte⸗ rungen in der Budgetkommission und hier hätten unendlich kürzer sein können, wenn man sich vergegenwärtigt hätte, daß es sich hier durchaus nicht um Reichsgelder handelt, daß das Reich viel⸗ mehr hier nur der Treuhänder ist, der Gelder für die Industrie empfängt, um sie wieder für die Industrie zu verausgaben. Das sieht der § 27 des Kaligesetzes vor, und wir können ohne Gesetzesänderung über die Gelder gar nicht anders bestimmen. Selbst⸗ verständlich dürfte man einer Korporation, wie dem Bund der Land⸗ wirte, keine Gelder zuweisen, es ist aber auch gar nicht zu bezweifeln, daß es sich hier nicht um eine Zuwendung an den Bund der Land⸗ wirte als solchen handelt. Es handelt sich nur um die Fortführung eines bestehenden Zustandes. Die Herren an der Spitze des Kalisyndikats 6. sicher dem Hansabund näher als dem Bund der Landwirte.
zir haben aber gehofft, daß wir auf diese Weise den Kaliabsatz am besten fördern. Will man dem Gesetz entsprechen, so kann man nicht anders verfahren, als es durch die Anträge der Budgetkommission ge⸗ schieht. Durch den freisinnigen Antrag würden wir der Absicht des Gesetzes direkt zuwiderhandeln. Die kleinen Verbände sind sämtlich ebenso politisch wie der Bund der Landwirte. Ich kann mich nach jeder Richtung den Ausführungen des Abg. Bärwinkel anschließen. Ich mache den verbündeten Regierungen keinen Vorwurf, daß 18 ein Pauschale in den Etat eingesetzt haben. Wir haben uns bemüht, zu spezialisieren, und ich bin damit einverstanden. Uebrigens handelt es sich bei den Beihilfen von 1 100 000 ℳ um keine Mußvorschrift. Der Ueberschuß kann in den Reservefonds fließen. Ich habe in der Kommission für die Schutzgebiete nicht 100 000 ℳ, sondern 200 000 ℳ zu bewilligen beantragt. Ich bedauere, daß die Nationalliberalen diesen Antrag wieder eingebracht haben; ich halte es für verfrüht, weil der Kolonialstaatssekretär zwischen der zweiten und dritten Lesung eine ausführliche Ermittlung über die Notwendigkeit einer großen Summe anstellen soll und daraufhin die Parteien in der dritten Lesung einen Antrag auf Erhöhung eventuell stellen könnten. Ich bitte, den Antrag vorläufig zurück⸗ zuziehen. Ich bitte Sie, auch die übrigen Anträge abzulehnen. Eine Besserstellung der kleineren Organisationen durch Abänderung der Skala wünsche auch ich. Aber die jetzige Skala ist nicht durch den Bundesrat, sondern durch das Kalisyndikat eingerichtet, und es ist dabei lediglich von geschäftlichen Rücksichten ausgegangen und wird daher seine schwerwiegenden Gründe gehabt haben. Wir können des⸗ halb nicht so ohne weiteres eine Grenze von 20 000 dz einsehen. Der Abg. Gothein ist auf den Streit der Professoren Soxhlet und Wagner eingegangen. Bisher war es Gevpflogenheit des Reichstags, in ein schwebendes gerichtliches Verfahren nicht ein zugreifen. Da es sich hier um Industrie⸗, nicht Reichsmittel handelt, so müssen wir uns darauf beschränken, zu verlangen, daß die Gelder so verwendet werden, wie es dem § 27 des Kaligesetzes entspricht. Wir hoffen, daß damit der Sache am besten gedient wird.
Abg. Korfanty (Pole): Es ist nicht richtig, daß der Abg. Heim sich an mich gewandt hat, um in die Kommission zu kommen. Um der guten Sache zu dienen, habe ich es für meine Pflicht gehalten, ihm meine Stelle in der Budgetkommission abzutreten, denn der Abg. Heim ist einer der besten Kenner auf diesem Gebiete. Diese Abtretung hat bereits ihre guten Erfolge gehabt; ein Beweis dafür ist die Rede, die
estern der Abg. Speck hier gehalten hat. Erst nachdem der Abg. Heim einen Vortrag gehalten hatte, hat die Kommission ein richtiges Bild von der Sache bekommen. (Vizepräsident Dr. Spahn bittet den Redner, nicht von der Sache abzuschweifen.) Mit der Etatisicrung der Regierung konnten wir uns auch nicht einverstanden erklären. Der Gedanke des sozialdemokratischen Antrages, die ganze Einnahme für soziale Zwecke zu verwenden, ist uns ja sympathisch, aber wir müssen im Interesse namentlich der kleineren Landwirte darauf dringen, daß Propagandagelder zur Verfügung stehen. Anderseits müssen wir verlangen, daß alle Organisationen berücksichtigt werden, sofern sie nachweisen, daß sie die Gelder tatsächlich zu Propaganda⸗ zwecken verwenden. Es darf auch keine Rücksicht darauf genommen werden, in welcher Sprache die Propaganda betrieben wird. Der Antrag Ablaß ist uns bedenklich, weil wir befürchten, daß die preußische Regierung auch in diesem Falle unsere wirtschaft⸗ lichen Organisationen ohne weiteres für politische erklären wird. Dagegen ist eine sorgfältige Kontrolle der Verwendung der Pro pagandagelder unbedingt notwendig.
Abg. Hilpert (Süddeutscher Bauernbund): Auch die kleinen Landwirte haben ein großes Interesse an der wissenschaftlichen Förde⸗ rung der Kalifrage, um daraus die notwendigen Konsequenzen für die praktische Verwendung der Kalisalze zu gewinnen. Durch das Kali gesetz sind die Preise wesentlich herabgesetzt worden, diese Preise noch weiter zu ermäßigen, ist Aufgabe der landwirtschaftlichen Organi sationen. Politisch sind diese gewiß nicht, auch kann der Bundesrat darüber keine Entscheidung treffen. 1
Abg. Dr. Heim (Zentr.) hat mit Unterstützung einiger Mitglieder des Zentrums, der Polen und Elsasser folgenden Antrag ceingebracht:
„die verbündeten Regierungen zu ersuchen: die Höhe der
Abzüge für die Abnehmer größerer Mengen Kalisalze gemäß
§ 21 des Kaligesetzes baldigst zu bestimmen; die Staffelung
der Rabattsätze möglichst in gleichmäßigen Abständen auf⸗ zubauen und den öchsten Rabatt bei Bezug von
20 000 dz reinen Kalis zu gewähren, die Probenahme⸗
bestimmungen gemäß § 21 des Kaligesetzes baldigst zu ver⸗
öffentlichen und den seit Jahren geltenden Bestimmungen ver⸗ wandter Industrien (z. B. der vereinigten Thomasmehlfabriken) nfaeasen die Zuwendungen an inländische Korporationen ꝛc. nur egen Verwendungsnachweis zu gewähren und sie direkt an diese orporationen ufw. auszuzahlen unter Umgehung übergeordneter, speziell zum Kalibezug gebildeter Großeinkaufsvereinigungen.“ Es war der ausgesprochene Wille der Mehrheit, die den § 27 angenommen hat, daß die dadurch aufkommenden Mittel nur Verwendung finden sollen zur Bestreitung der Unkosten und für Propagandazwecke. Auch im Plenum ist dies zum Ausdruck gebracht. Der Auffassung der Budgetkommission, es könnte aus diesen Mitteln auch etwas für die allgemeine Reichskasse
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abfallen, ist widersprochen worden, und muß auch ich wider⸗ sprechen. Reserven haben, überhaupt keinen Sinn. Wenn wir Mittel für bestimmte Zwecke, in diesem Falle für die Propaganda, zur Verfügung haben und diese in der Gegenwart vorteilhaft verwendet werden können, so darf man sie doch nicht ander⸗ weit festlegen. Es ist schon auf die Gefahr hingewiesen worden, daß auch im Ausland Kali gefunden werden könnte. Eben deswegen müssen wir im Ausland eine sehr intensive Propaganda treiben mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln, damit wir dann den Markt schon besetzt haben. In der Budgetkommission hat sich schritt⸗ weise eine ganz bedeutende Annäherung an meine Anschauungen ergeben. Ich habe den weitestgehenden Antrag hinsichtlich der Ver⸗ wendung der Gelder für Auslandspropaganda gestellt, 700 000 ℳ. Die bisherige Auslandspropaganda war unzweckmäßig, weil sie ver⸗ säumte, die Aufklärung direkt in den fremden Staaten vorzunehmen unter Umgehung von Fabrikanten und dazwischen geschobenen Ver⸗ kaufsvereinigungen. Die amerikanischen Bauern sind in ganz skrupelloser Weise von den Händlern übers Ohr gehauen, sie haben ihnen eine Mischung mit etwa 2 % Kali zu ganz horrenden Preisen in die Hände gegeben. Bereits im vorigen Jahre habe ich dem Kalisyndikat aus der Art der Auslandspropaganda einen Vorwurf gemacht. Die Propaganda kann ausgeführt werden von staatlichen oder Privatanstalten, auch von harie derenisungen, die Hauptsache ist, daß jemand nachweist, er hat neue Wege gefunden. Jedem soll man etwas geben, der etwas leistet, sei es auf dem Ge⸗ biete der wissenschaftlichen oder der kaufmännischen Propaganda. Ohne Ueberhebung darf ich sagen, daß hinsichtlich des bisherigen Zustandes im Punkte der Verwendung der Propagandagelder so lange keine vollständige Klarheit in der Kommission bestand, als bis ich eingetreten war. Daraus mache ich niemand einen Vorwurf, denn man kann die Verhältnisse nur aus der Praxis kennen. In den alten Verträgen, die vor dem Kaligesetz zwischen den großen Ver⸗ bänden und dem Kalisyndikat abgeschlossen wurden, wurde der höchste Rabattsatz konzediert bei 12 000 dz. Ich habe meinen Augen nicht getraut, als diese Menge nach Erlaß des Kali⸗ gesetzes auf 500 000 dz erhöht wurde. Bei einem solchen un⸗ natürlichen Sprung denke ich mir doch etwas. Vielleicht war es ein Fehler von mir, daß ich mir dabei etwas gedacht habe. Dieser Sprung ist nicht vom Kalisyndikat vorgeschlagen, sondern von den großen Verbänden. Die kleineren Verbände, die vielleicht einen Verbrauch von 20⸗ bis 30 000 dz haben, sind durch die Rabattskalen gezwungen, sich einer höheren Organisation anzuschließen, wenn sie zu den höchsten Rabattsätzen gelangen wollen. Die Rabattpolitik war das Kompelle für die kleinen Verbände, sich übergeordneten Organisationen zu unterwerfen. In meiner Resolution schlage ich vor, die Zuwendungen an landwirt⸗ schaftliche Korporationen sollen nur gegen Verwendungsnachweis ge⸗ währt werden, und übergeordnete Großeinkaufsvereinigungen soll man dabei umgehen. Wird der Verwendungsnachweis gefordert, dann ent⸗ fallen auch alle Bedenken des Abg. Gothein. Wenn dann ein politischer Verband etwas erhält, so stört es nicht. Er muß ja genaue Ab⸗ rechnung vorlegen. Die Rabattsätze müssen natürlich in sich be⸗ gründet sein, und die Staffelung darf nicht tendenziös ausgenutzt werden. Bei 50 000 dz würden nur fünf Verbände den böchsten Rabattsatz erreichen, während 20 000 dz von 80 % aller in Betracht kommenden Organisationen überstiegen wird, und es möglich ist, daß sich zwei oder drei kleine Korporationen zusammenschließen. Ich bedauere, daß die Regierung noch nicht Zeit gefunden hat, gemäß § 21 des Kaligesetzes die Probenahmebestimmungen zu veröffentlichen und den seit Jahren geltenden Bestimmungen verwandter Industrien anzupassen. Ich muß nun gegen meinen Willen einen etwas mehr persönlichen Ton anschlagen. Der Abg. Hue hat auf einen Artikel hingewiesen, der mir von gewisser liebevoller Seite gewidmet worden ist. Ich bin ihm deshbalb nicht gram. Mein Zwischenruf „Lüge“ bezog sich auf den Artikel, nicht auf den Abg. Hue. Wenn ich mir hier Reserve auferlege, so geschieht es nur, weil ich hier unter dem Schutze der Immunität stehe, draußen würde ich anders sprechen, wenn man mir mit offenem Visier ent⸗ gegenträte. Der Artikelschreiber muß wissen, daß ich das ganze Jahr 1907 ein schwerkranker Mann war. Ich nehme an, daß er ein sehr christlicher Mann ist. Er nimmt keine Notiz davon, daß ich 1908 nahezu in demselben Zustand war. Er nimmt auch keine Notiz davon, daß ich auch in dem bayerischen Landtag zurückgehalten werde. Dann aber bin ich nach Berlin zum Kolonialetat gereist; 1909 kam ich hierher, als die schwere Reichsfinanzreform zur Entscheidung stand. Es ist ein wesentlicher Umstand, ob jemand in der glücklichen Lage ist, ein reiner Berufs⸗ politiker zu sein oder nicht. Ich gehe von Hause nur mit den schwersten Opfern fort. Ich arbeite; ich bin nicht so ersetzlich, wie jemand, der nur mit Kleister und Schere arbeitet. Von diesem Gesichtspunkte hat die zuständige Seite gar keine Notiz genommen. Es ist mir vorgeworfen worden, ich käme nur nach Berlin, wenn es ic um etwas handelte, was mich persönlich interessiert oder berührt, das ist eine Unwahrheit. Was wir in meiner Genossenschaft an Gewinn erzielen, verwenden wir in einer Art und Weise, die ich hier öffentlich feststellen will. Wir verwenden den Löwenanteil zum Unterhalt für drei Winter⸗ schulen, die 5 Monate hindurch von staatlich geprüften Lehrern ge⸗ leitet werden. Dort, garantiere ich Ihnen, wird keine Politik ge⸗ trieben. Es sind dort Knaben von 14 bis 18 Jahren. Wir geben . für eine vierte Winterschule wesentliche Stipendien. Wir haben einen landwirtschaftlichen Forthildungskursus für militärfreie junge Bauernsöhne, ferner ständige Haushaltungsschulen für Bauerntöchter. Es gibt keine Genossenschaftszentrale, deren Tätigkeit der Politik so fern liegt wie die unserige. Wenn ich erst mehr Geld habe, trage ich mich mit dem kühnen Gedanken, eine Wanderbühne einzurichten, weil gute Theater den Leuten nicht zugängig sind. Ferner konstatiere ich folgendes: Ich selbst bin mit keinem roten Heller an irgend⸗ einem Kaliwerk beteiligt. Richtig ist, daß ich in einem Auf⸗ sichtsrat bin. Bevor ich dieses Amt übernahm, habe ich der be⸗ rechtigten Stelle gegenüber kategorisch erklärt, daß ich unter keiner Bedingung in meiner Haltung mich irgendwie als Ab⸗ geordneter beeinflussen lassen werde in allen Fragen, die die Kaligesetzgebung betreffen. Ferner habe ich, bevor ich das Amt annahm, demjenigen, der mir die Offerte machte — es handelt sich um einen langjährigen Besitz und darum, daß Fusionen vorgenommen werden sollten, wofür die Herren keinen Sachverständigen hatten —, gesagt, ich werde mich zunächst an Kollegen wenden, denen ich ein Ürteil in der Beziehung zutraue, und ich habe mich an die RKollegen Erzberger und Müller⸗Fulda gewandt. Es hat monatelang gedauert, bis ich die betreffende Stellung angenommen habe. Der Abg. FErzberger hat nichts dagegen gehabt, daß ich in die Budget⸗ kommission kam, denn er hat sich, wofür ich ihm danke, um einen Sitz für mich bemüht; auch der Abg. Müller⸗Fulda hat dies getan. Noch viel schwerer ist ein anderer Punkt. Es heißt nämlich in dem Artikel, ich sei an den Erträgnissen der Zentralgenossenschaft durch den Bezug von Tantieme und daher auch an der Ver⸗ teilung der Gelder interessiert. Wenn der Herr nicht gewußt hätte, daß dies nicht so ist, so hätte er nicht gesagt, „er nähme an“, daß es so wäre. Weil er aber wußte, daß es nicht so ist, hat er „angenommen“. Ich konstatiere, daß ich niemals weder Tantieme bezogen habe in meiner Genossenschaft, noch beziehen werde. Keinen roten Heller! Der Herr wußte das um so besser, als es dreimal im Prozeß festgestellt ist. In meinem ganzen. Geschäft gibt es kein Geheimbuch. Von der ganzen Zentrumspresse haben jenen Artikel auch nur drei Blätter aufgenommen. Die An⸗ nahme des Artikelschreibers ist das Perfideste, Gemeinste und Niedrigste, was man in einer Polemik bieten kann. Der weitere Verlauf der Sache ist ein einfacher: ist der betreffende ein Mann, nicht einer, der nur Hosenröͤcke trägt, so weiß er, was er zu tun hat, ist er keiner, dann ist es schade um die Tinte, d
verschrieben hat. 8
Die Diskussion wird geschlossen.
(Schluß in der Zweiten Beilage.) 8 C11““
(Schluß aus der Ersten Beilage.)
Es folgen persönliche Bemerkungen der Abgg. Gothein, Rösicke, Dr. Arendt.
Bur Geschäftsordnung zieht der Abg. Dr. Arning (nl.) seinen Antrag, der zur Förderung tropischer und subtropischer Kulturen 200 000 ℳ und zur Bildung eines E ebenfalls 200 000 ℳ auswerfen will, zurück.
Abg. Leber (Soz.) bedauert, durch den Schluß der Debatte nicht um Wort gekommen zu sein.
In der Abstimmung werden nach dem Antrage der Kom⸗ mission zur Deckung der dem Reiche aus der Ausführung des Kaligesetzes über den Absatz von Kalisalzen erwachsenden Kosten 500 000 ℳ bewilligt. Zu dem Titel 2, der für praktische Versuche sowie für wissenschaftliche Arbeiten und Ver⸗ anstaltungen zur Hebung des Kaliabsatzes nach näherer Be⸗ stimmung des Bundesrats für das Inland eine Million Mark, davon an landwirtschaftliche Korporationen, Genossenschaften und Verbände 600 000 ℳ vorsieht, wird der Antrag Ablaß, der hinter den Worten „arbeiten und“ das Wort für“ einschalten will, abgelehnt. Ueber den Antrag Ablaß: HOrganisationen, die politische Zwecke verfolgen, dürfen weder mittelbar noch unmittelbar Propagandabeihilfen er⸗ halten, wird nach einem Antrage Müller⸗Meiningen namentlich abgestimmt werden, und zwar nach dem Vor⸗ schlage des Präsidenten bei Beginn der morgigen Sitzung. Dasselbe wird bezüglich des Antrages Albrecht und Gen. Soz.) geschehen, der eine Aenderung des § 27 des Kali⸗ gesetzes nach der Richtung will, daß die Abgabe der Reichskasse zugeführt und für sozialpolitische Zwecke verwendet wird. Weiter werden nach dem Vorschlage der Kommission ur Förderung von tropischen und subtropischen Kulturen in den deutschen Schutzgebieten 100 000 ℳ, zur Propaganda im Aus⸗ lande 2 Millionen Mark, zur Vergütung an von der Ver⸗ teilungsstelle zu bestellende Kontrolleure und Probenehmer 100 000 ℳ, als Beitrag zu den Kosten der Untersuchung von Empfängerproben nach näherer Bestimmung des Bundesrats 700 18 ℳ und zur Bildung eines Reservefonds 300 000 ℳ bewilligt.
Die von der Kommission vorgeschlagene Resolution wegen Vorlegung einer Denkschrift über die Entwicklung der Kali⸗ industrie und über die Entwicklung ihrer Arbeiterverhältnisse wird angenommen. Die Resolution Heim gelangt mit einem usatz des Abg. von Normann zur Annahme, wodurch Absatz 1 olgende Fassung erhält:
„die verbündeten Regierungen zu ersuchen, die Höhe der Abzüge für die Abnehmer größerer Mengen Kalisalze gemäß § 21 des Kaligesetzes baldigst zu bestimmen mit der Maßgabe, daß von den vehhe an die Verbraucher Rückgewährungen geleistet werden ürfen.“
Der Präsident schlägt hierauf vor, die nächste Sitzung Donnerstag um 1 Uhr abzuhalten, mit der Tagesordnung: Nament⸗ liche Abstimmungen über die Kaliresolutionen und Kolonialetat.
Abg. Freiherr von Gamp (Reichsp.) bittet mit Rücksicht auf die Budgetkommission, die Sitzung erst um 2 Uhr beginnen zu lassen. Nach kurzer Geschäftsordnungsdebatte bleibt es bei dem Vorschlage des Präsidenten.
Präsident Graf von Schwerin⸗Löwitz: Es sind gestern und heute einige Telegramme eingegangen aus Anlaß des 40 jährigen Bestehens des Reichstags. Vom Deutschen Nationalverband des bösterreichiscchen Abgeordnetenhauses ist folgendes Telegramm ein⸗ gegangen:
„Der Deutsch⸗Nationale Verband des österreichischen Ab⸗
geordnetenhauses beehrt sich, den Deutschen Reichstag anläßlich
der Feier seines 40 jährigen Bestehens auf das herzlichste zu
beglückwünschen.“ 114“ Ich habe mir gestattet, darauf zu antworten:
„Dem Deutschen Nationalverband spreche ich für seine sehr freundliche Beglückwünschung den allerherzlichsten Dank des Deutschen Reichstags aus.“
Ferner ist folgendes Telegramm eingelaufen: „Der zurzeit in Berlin tagende Seeschiffahrtstag, die Ver⸗ tretung der Seeschiffahrtskreise, entbietet dem Präsidenten des Deutschen Reichstags die herzlichsten Glückwünsche zum 40 jährigen Bestehen der deutschen Volksvertretung.“
Ich habe mir gestattet, darauf folgendes zu erwidern:
‚Dem Deutschen Seeschiffahrtsverein spreche ich für die freund⸗ sen Glückwünsche den verbindlichsten Dank des Deutschen Reichs⸗ ags aus.“
Ich möchte dazu noch eine kurze Bemerkung machen. Die Jahrestage des Bestehens des Reichstags sind bisher als eigentliche Jubiläen nicht angesehen worden. Auch der 30. Jahrestag hat von dieser Stelle aus keine Erwähnung gefunden. Ich habe mich, um in dieser Hinsicht die Traditionen des Reichstags nicht zu durchbrechen, gestern morgen bei Beginn unserer auf die kurze vom Herrn Abg. Dove ganz zutreffend als mehr kalkulatorisch bezeichnete Erwähnung beschränkt. Nachdem indessen dieser Tag von verschiedenen Seiten als ein beachtenswerter aufgefaßt worden ist, so will ich mir dazu heute im Anschluß an die beiden soeben verlesenen Telegramme noch eine ganz kurze Bemerkung gestatten. Meine Herren, zweifellos ist die gesetzgeberische Arbeit, die der Deutsche Reichstag in diesen
Jahren seines Bestehens geleistet hat, eine große, und die
ntwickklung, die das Deutsche Reich auf Grund dieser Gesetz⸗ gebung Feh neg. hat. ist, wie ich dies in meiner Rede zum Geburtstag Heiner; ajestät des Kaisers näher dargelegt habe, eine ewaltige. Aber nicht minder groß sind auch die gesetzgeberischen ufgaben, die heute dem Reichstage obliegen und auf deren baldige Lösung das deutsche Vaterland hofft. Möge es der Arbeitsfreudigkeit und der Arbeitstreue des Reichstags vergönnt sein, auch in dieser Hinsicht 9 bezug auf die jetzt zur Lösung vorliegenden gesetzgeberischen Aufgaben die Hoffnungen des Vaterlandes zu erfüllen, um so die Arbeiten des Reichstags auch jetzt nicht minder fruchtbringend zu ge⸗ kalten als in den hinter uns liegenden 40 Jahren. Mit dieser Hoffnung schließe ich die Sitzung.
Schluß 8 ¼ Uhr. Nächste Sitzung Donnerstag 1
Uhr. Namentliche Abstimmungen; Kolonialetat.) 8
8
“ Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 55. Sitzung vom 22. März 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Ueber den Beginn der Sitzung ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Es falgt die Beratung des Antrages der Abgg. Ecker⸗ Winsen (nl.) und Genossen:
„die Regierung zu ersuchen, die Schaffung eines nord⸗ deutschen Naturschutzparks durch den Verein „Naturschutz⸗ park“ in der Lüneburger Heide durch Gewährung einer laufenden Beihilfe sowie durch die Angliederung fiskalischer Forsten zu er⸗ möglichen“.
Abg. Ecker⸗Winsen 1- weist zur Begründung seines Antrages auf die bisherigen Bestrebungen des Vereins „Naturschutzpark“ hin und wendet sich gegen die Bedenken, besonders diejenigen finanzieller Natur, die gegen den Antrag in der Oeffentlichkeit erhoben worden sind.
„Abg. Freiherr von Wolff⸗ Metternich (Zentr.) erklärt, daß seine Freunde dem Antrage sympathisch gegenüberständen. Etwaige finanzielle Bedenken könnten in der Agrarkommission geprüft werden.
Abg. Dr. Schepp (fortschr. Volksp.) stimmt dem Antrage voll⸗ kommen zu und erklärt sich gleichfalls für Ueberweisung desselben an die Agrarkommission.
Minister für Landwirtschaft, Dr. Freiherr von Schorlemer:
Wenn der Antrag des Abg. Ecker (Winsen) der Agrarkommission überwiesen wird, so werden wir ja dort noch Gelegenheit haben, die Einzelheiten des Antrags eingehender zu besprechen. Aber gegenüber der großen Begeisterung für die Begründung eines Naturschutzparks, die sich nicht allein in dem Verein selbst, sondern auch in der Presse und, wie mir scheint, auch in diesem Hause geltend macht, halte ich mich auch heute schon verpflichtet, auf gewisse Bedenken hinzuweisen, die der erhofften, besonders reichhaltigen Unterstützung dieses Vereins und seines Unternehmens seitens der preußischen Staatsverwaltung entgegenstehen.
Ich habe bereits bei früherer Gelegenheit erwähnt, daß die Ansichten darüber, ob das in Frage kommende Gebiet sich ganz be⸗ sonders und an erster Stelle für die Gründung eines Naturschutz⸗ parkes eignet, doch nicht ungeteilt sind. Es handelt sich um eine zum Teil sehr wenig fruchtbare Fläche, und es ist mindestens zweifelhaft, ob es möglich ist, ohne weitere Bearbeitung und ohne umfassende Tätigkeit der Forstverwaltung die zum Teil jetzt schon aufgeforsteten Flächen weiter in Kultur zu halten. Es hat sich aber trotzdem die Forstverwaltung schon dem Vereinsvorstand gegenüber grundsätzlich damit einverstanden erklärt, den in das Vereinsgebiet fallenden Wald in Zukunft so zu bewirtschaften, daß diese Bewirtschaftung mit den Zwecken des Vereins in Einklang gebracht werden kann. In dieser Beziehung wird also dem Wunsch des Vereins wohl sicher entgegen⸗ gekommen werden können.
Aber im übrigen scheint die ganze Finanzierung des Plans doch noch eine so unsichere zu sein — ein großer Teil der Einnahmen ist basiert auf einer Lotterie, deren Genehmigung vorläufig abgelehnt ist, und deren Genehmigung auch dem wiederholten Antrag gegenüber voraussichtlich nicht zu erwarten ist —, daß es meiner Ansicht nach doch richtiger sein würde, wenigstens noch ein Jahr ins Land gehen zu lassen und gründlichere Vorbereitungen zu treffen, um auch die Finanzierung des Unternehmens nach allen Richtungen hin sicher zu stellen. Soweit mir bekannt ist, hat bis jetzt nur Hamburg einen größeren Betrag in Aussicht gestellt oder bewilligt, aber nur unter der Bedingung, daß sich auch Preußen beteiligt. Dasselbe ist von Braunschweig geschehen. Von den anderen norddeutschen Bundes⸗ staaten sind für den Naturschutzpark im Bezirk Lüneburg Gelder noch nicht bewilligt. Nun werden von der preußischen Staatsverwaltung ‚zunächst 60 000 ℳ und jetzt immerhin noch 40 000 ℳ als jährliche dauernde Beihilfe verlangt. Das ist doch eine verhältnismäßig sehr große Ausgabe, und es fragt sich, ob es notwendig oder auch nur gerechtfertigt ist, gegenüber den großen Anforderungen, die sonst an die preußische Staatsverwaltung gestellt werden, eine solche Summe zur Verfügung zu stellen.
Wie kürzlich bei den Verhandlungen schon erwähnt worden ist, handelt es sich, was die Tierwelt angeht, wesentlich um die Er⸗ haltung des schwarzen Storchs, des Kolkrabens und, wie ich glaube, einer Art von Eidechsen. (Heiterkeit.) Für das übrige Wild würde in einem großen Teil dieses Gebiets ohne Kultur die nötige Nahrung überhaupt nicht zu finden sein. Wenn nun Rotwild, was vereinzelt dort vorkommt, in größerem Maße gehalten würde, so würde es das bischen Fauna, das sich in diesem Bezirk findet, wabrscheinlich ver⸗ nichten, oder es würden, wenn es in der Umgegend dort Wildschaden verursachte, sich bald so erhebliche Klagen hier im Hause der Ab⸗ geordneten erheben, daß auch an den Abschuß dieser Tiergattung herangetreten werden müßte.
Ich erwähne das nur, um Ihnen zu zeigen, daß wirklich nicht unerhebliche Bedenken dagegen obwalten, so ohne weiteres ganz auf den Boden der Herren Antragsteller zu treten. Ich hoffe, daß die bevorstehende Beratung in der Agrarkommission Gelegenheit geben wird, auf der einen Seite den Standpunkt der preußischen Staats⸗ verwaltung noch näher zu begründen und andererseits womöglich auch Mittel und Wege zu finden, um das Ziel der Herren Antragsteller, dem ich durchaus sympathisch gegenüberstehe, zu erreichen. (Bravo!)
Abg. Lüdicke (frkons.) erklärt, daß er der Tendenz des Antrags durchaus sympathisch gegenüberstehe, und daß seine Freunde für Ueberweisung an die Agrarkommission stimmen würden. b
Abg. Heckenroth (kons.): Der Wunsch der Antragsteller ist an sich durchaus berechtigt, wenn wir auch die Bedenken nicht verkennen. Die Kommission wird ja nähere Klarheit bringen.
Abg. Hoffmann (Soz.): Hier können wir wirklich einmal der Mehrheit beistimmen. Es liegt nicht an uns, daß es nicht öfter 89 ieht. Der Plan muß sofort verwirklicht werden, damit dem Verkauf von Grund und Boden ein Riegel vorgeschoben wird.
Abg. Ecker⸗Winsen wendet sich gegen die Bedenken des Mi⸗ nisters und erklärt sich mit Kommissionsberatung einverstanden.
Domänen und Forsten
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Dann folgt die erste Beratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feuerbestattung.
Miiister des Innern von Dallwitz: Miiie Herren! Wiederholt bereits hat die Frage der Feuer⸗
bestattung den Landtag beschäftigt, und zwar war es in früheren Jahren regelmäßig der Herr Abg. Langerhans, der immer wieder die Auffassung vertrat, daß jedem einzelnen das Recht zustehen müsse, darüber Bestimmung zu treffen, daß nach seinem Tode an Stelle der Erdbestattung die Feuerbestattung bei ihm Platz greifen solle.
Von anderer Seite wurden dem stets schwerwiegende Bedenken entgegengehalten, die teils auf kirchlich⸗religiösem Gebiete, teils auf juristisch⸗kriminalistischem Gebiete sich bewegen.
Die vom kirchlich religiösen Standpunkte aus gegen die Feuer⸗ bestattung geltend zu machenden Bedenken gipfeln darin, daß die Erd⸗ bestattung eine uralte, durch jahrhundertlange Uebung fest ein⸗ gebürgerte kirchliche Sitte sei, deren ungeschmälerte Beibehaltung dem Empfinden weiter christlicher Volkskreise und damit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung entspreche. Aus diesem Grunde lehnt die katholische Kirche die Feuerbestattung a limine ab, während die Vertreter der evangelischen Landeskirchen Deutschlands im Jahre 1898 auf dem Eisenacher Kongreß in ihrer Mehrheit sich dahin ausgesprochen haben, daß zwar die Erdbestattung die einzige kirchlich anerkannte, der christlichen Sitte entsprechende Art der Leichenbestattung sei, daß aber ein ausdrückliches Gottesgebot oder ein kirchliches Dogma der Feuerbestattung an sich nicht entgegenstehe. Demgemäß ist vielfach von evangelischer Seite die geistliche Mit⸗ wirkung in beschränktem Umfang als zulässig angesehen worden. Auf diesen Standpunkt hat sich wohl in der Hauptsache auch die evangelische Generalsynode vor 2 Jahren gestellt, während die Vertreter der recht⸗ gläubigen jüdischen Kreise in ihrer Mehrzahl der Feuerbestattung völlig ablehnend gegenüberstehen.
Meine Herren, auch wenn man die Berechtigung des Einwandes, daß die Erdbestattung einer uralten christlichen Sitte entspreche, voll anerkennt, so kann man meines Dafürhalteus doch nur den Schluß daraus herleiten, daß die gebotene Rücksichtnahme auf diese kirchliche Sitte und das Empfinden weiter Volkskreise der Staatsregierung die Verpflichtung auferlegt, dafür Sorge zu tragen, daß unter allen Umständen die Feuerbestattung in den Fällen ausgeschlossen sein muß, in denen sie den religiösen Anschauungen, den Wünschen und dem Willen des Verstorbenen widerspricht. Anders dagegen steht meines Dafürhaltens die Frage, ob aus den von kirchlicher Seite geltend gemachten Be⸗ denken Gründe dafür hergeleitet werden könnten, daß die fakultative Feuerbestattung auch für Andersdenkende ausgeschlossen sein muß. Diese Frage glaube ich verneinen zu sollen. Es ist nicht abzusehen, warum denjenigen Staatsbürgern, die einer kirchlich anerkannten Religionsgemeinschaft nicht angehören, oder auch solchen Staats⸗ bürgern, die zwar einer anerkannten Religionsgemeinschaft angehören, aber, bei dem Nichtvorhandensein dogmatischer Bedenken für sich der Feuerbestattung den Vorzug geben — warum diesen Staatsbürgern die Möglichkeit verschränkt sein soll, über ihren Körper nach ihrem Tode insoweit zu verfügen, als dies ohne Nachteil für Ueber⸗ lebende oder für die Allgemeinheit geschehen kann. Mag dies auch von kirchlichem Standpunkt aus bedauerlich sein, mögen derartige Entschließungen und Vorkommnisse vom kirchlichen Standpunkt unerwünscht erscheinen, so wird man meines Dafürhaltens doch nicht darüber hinwegkommen, daß eine nicht geringe Anzahl von Personen vorhanden ist, die teils aus innerer Ueberzeugung, teils aus sonstigen erheblichen Gründen — ich nenne nur die allgemeine oder doch vielfach verbreitete Furcht vor dem Lebendigbegrabenwerden — für ihre Person der Feuerbestattung den Vorzug geben und auch darüber nicht hinwegkommen, daß ein Zwang in solchen Dingen weder Wandel schaffen kann, noch auch der Billigkeit entspricht.
Dieser Gesichtspunkt scheint mir mit zwingender Notwendigkeit auf den Weg hinzuweisen, den die Königliche Staatsregierung im Entwurf bestritten hat, nämlich auf den Weg der Zulassung der fakultativen Feuerbestattung in den Fällen, in denen dem Ver⸗ langen danach von dem Verstorbenen bei Lebzeiten in zweifelsfreier Weise Ausdruck gegeben worden ist. Hält man aber an dieser Vor⸗ aussetzung fest, so fällt auch die Befürchtung fort, daß Personen, die ihrerseits an der christlichen Sitte festhalten wollen, nach ihrem Tode in einer Form bestattet werden könnten, die ihren religiösen An⸗ schauungen nicht entspricht.
Ich komme nun zu den juristischen Bedenken. Sie bestehen darin, daß durch Zulassung der Feuerbestattung die Möglichkeit er⸗ leichtert werden würde, die Spuren gewisser Verbrechen zu verwischen, daß insbesondere in den Fällen, in denen der Verbrecher bei Lebzeiten in nahen verwandtschaftlichen oder persönlichen Beziehungen zu seinem Opfer gestanden hat, es ihm durch Herbeiführung der Leichen⸗ verbrennung sehr erleichtert werden könne, sich selbst der Strafe zu entziehen. Diese an sich wohlbegründeten Befürchtungen können meines Dafürhaltens bis zu einem gewissen Grade durch die im Ent⸗ wurf für den Fall der Feuerbestattung vorgesehene obligatorische Leichenschau in Verbindung mit dem sonstigen in § 7 des Entwurfs vorgesehenen Kautelen abgeschwächt werden.
Eine fast unbedingt sichere Garantie gegen den Mißbrauch der Feuerbestattung kann aber meines Erachtens geschaffen werden, wenn entsprechend dem § 9 des Entwurfs eine Bestimmung des Inhalts festgesetzt wird, daß die Feuerbestattung nur in den Fällen Platz greifen darf, in denen dies nachweislich und in zweifelsfreier Form von dem Verstorbenen bei Lebzeiten selbst angeordnet worden ist.
Kann mithin den vom juristischen Standpunkt aus erhobenen Bedenken gegen die Einführung der fakultativen Feuerbestattung durch die im Entwurf vorgesehenen Kautelen ausreichend Rechnung getragen werden, so sprechen andererseits eine Reihe von Gründen überwiegend praktischer Art für die Zulassung der Feuerbestattung in dem in dem Entwurfe vorgesehenen beschränkten Umfange.
Bekanntlich ist die fakultative Feuerbestattung nicht nur im Aus⸗
Der Antrag wird der Agrarkommission überwiesen.
lande sondern auch bereits in der Mehrzahl d an Preußen an⸗