schaffung von Wohnungen eingestellt würden. Das Koalitionsrecht für die Eisenbahnarbeiter und die Vorteile der Arbeitskammern
sind den Eisenbahnarbeitern wohl zu gönnen.
Preußischer Minister der öffentlichen Breitenbach:
Meine Herren! Der Herr Abg. Wetzel hat warme Worte ge⸗ funden im Interesse einer weiteren Vereinheitlichung der deutschen Eisenbahnen. Die Reichseisenbahnverwaltung im Zu⸗ sammengehen mit der preußischen Staatseisenbahnverwaltung ist stets bemüht gewesen, in diesem Sinne zu wirken, und wir können uns darauf berufen, daß im Laufe der letzten Jahre gerade auf diesem Ge⸗ biete ganz Außerordentliches erzielt worden ist.
Der Herr Abg. Wetzel erwähnte bereits den deutschen Staatsbahnwagenverband und rühmte dessen Erfolge. Ich kann daher davon absehen, auf diese Erfolge des näheren einzugehen. Ich weise aber darauf hin, daß unter starker Einwirkung der preußischen Staats⸗ und der Reichseisenbahnen im Jahre 1905 Vereinbarungen mit sämtlichen deutschen Bahnen ge⸗ troffen wurden über die einheitliche, zweckmäßige, den Be⸗ triebs⸗ und Verwaltungsinteressen entsprechende Leitung des ge⸗ samten Güterverkehrs und daß auf Grund dieser Vereinbarungen eine große Zahl von Mißbräuchen, Umfahrungen u. dgl. beseitigt worden sind. Ferner darf ich an die Schaffung eines einheitlichen deutschen Personentarifs erinnern, dessen wir uns seit nunmehr drei Jahren erfreuen können. Endlich haben wir im vergangenen Jahre eine deutsche Eisenbahntarifgemeinschaft für alle Verhandlungen gegen⸗ über dem Auslande geschaffen, die sich bereits als in hohem Maße wirtschaftlich gezeigt hat. Es bleibt heute kaum noch ein Gebiet des Eisenbahnwesens innerhalb der deutschen Eisenbahnen, das nicht als einheitlich und gemeinsam bezeichnet werden könnte. Wir haben ein⸗ heitliche Bestimmungen für den Verkehr in der Verkehrsordnung, einheitliche Bestimmungen für den Betrieb, für den Signaldienst, für den Fahrdienst, einheitliche Bestimmungen über die Konstruktion der Eisenbahnen. Wir haben einen einheitlichen deutschen Güter⸗ tarif, eine einheitliche deutsche Güterklassifikation; wir haben mit geringen Ausnahmen einheitliche Tarifsätze. Wir haben die einzelnen Verwaltungen zu großen Verbänden zusammen⸗
Arbeiten von
. geschlossen, die zum Nutzen und Segen des Verkehrs innerhalb ihres
Bezirks wirken — immer unter dem Gesichtspunkt, das allgemeine deutsche Interesse zu fördern.
Der Herr Abgeordnete wünscht, daß wir, wie wir für das große Gebiet der preußischen Staatseisenbahnen im Verkehr einen einheitlichen Tarif geschaffen haben, auch nunmehr für das gesamte Gebiet der deutschen Eisenbahnen einen solchen Tarif schaffen. Ich glaube, die Frage ist der Erwägung wert und soll meinerseits geprüft werden.
Die Fortbildung der Gütertarife ist schon jetzt in eminentem Maße durch die Wirksamkeit der ständigen Tarifkommission gesichert, die ja alle deutschen Eisenbahnen begreift, die wieder zu⸗ sammenwirkt mit dem Ausschusse der deutschen Verkehrsinteressenten, in den die gesamten Erwerbsgruppen des Deutschen Reichs ver⸗ einigt sind, und die Beschlüsse dieser beiden Körperschaften werden dann von der Generalkonferenz der deutschen Eisen⸗ bahnen sanktioniert. Das Zusammenwirken aller dieser Organe hat es dahin gebracht, daß wir tatsächlich durch ganz Deutsch⸗ land nicht nur eine einheitliche Güterklassifikation, sondern auch ein⸗ heitliche Bestimmungen für den Güterverkehr haben und daß die Fort⸗ bildung dieser Vorschriften im Sinne der gesamten deutschen Inter⸗ essenten gesichert ist.
Wir haben neuerlich noch eine Einrichtung geschaffen, die uns davor bewahrt, daß von den einzelnen Verwaltungen verschiedenartige Entscheidungen gerade auf dem Gebiete des Gütertarifwesens getroffen werden. Die deutschen Eisenbahnen haben aus der Tarifkommission heraus einen Auslegungsausschuß geschaffe, der in zweifelhaften Fällen eingreift, der viel beweglicher ist als die große Kommission und segensreich wirkt. Die Mitwirkung des Ausschusses der Verkehrs⸗ interessenten ist dadurch gesichert, daß Beschwerden an die Ständige Tarifkommission gehen, welche sie im Zusammengehen mit dem Aus⸗ schusse der Verkehrsinteressenten erledigt.
Der Herr Abg. Wetzel ist auch auf die Frage der Dienst⸗
und Ruhezeit der Beamten eingegangen. Ich habe bereits vorhin gebeten, über diese Frage den Herrn Präsidenten des Reichseisenbahn⸗ amts zu hören. Es ist eine Frage, die die gesamten deutschen Eisen⸗ bahnen angeht und zweckmäßig von dieser Stelle beantwortet wird.
Ich darf aber feststellen, daß die Reichseisenbahn über die Be⸗ stimmungen, die in früheren Jahren von den deutschen Eisenbahnen unter der Autorität der Reichseisenbahnamtes geschaffen worden sind, hinausgegangen ist und unserem Betriebspersonal nicht unwesentlich erleichterte Dienst⸗ und Ruhezeiten gewährt hat.
Meine Herren, der Herr Abg. Carstens hat eine Reihe von Fragen erörtert, von denen ich die Auffassung habe, daß sie sowohl den Etat der Reichseisenbahnen als die Verhältnisse der gesamten deutschen Eisenbahnen, teilweise auch nur die Verhältnisse der preußischen Staatsbahnen, in deren Bezirk ja der Herr Abgeordnete lebt, angehen. Soweit es sich um spezielle Verhältnisse der preußischen Staatsbahnen handelt, muß ich es mir an dieser Stelle versagen, darüber Rede zu stehen; soweit allgemeine Gesichtspunkte erörtert worden sind, werde ich gern meine Auffassung hier kundgeben.
Der Herr Abgeordnete fragte an erster Stelle: wie steht es mit der Reform der Fahrkartensteuer? — und da schlug er eine Saite an, die in meinem Gemüte nachklingt. Ich wünsche als Chef der preußischen Staatsbahnen und der Reichseisenbahnen — und ich glaube auch aussprechen zu dürfen: ich wünsche es im Sinne der ge⸗ samten deutschen Bahnen —, daß die Reform der Fahrkartensteuer
alsbald durchgeführt wird. (Bravo!) Wenn wir das hohe Haus mit einem dahingehenden Gesetzentwurf nicht haben belasten wollen, so ist ies ausschließlich mit Rücksicht auf die Geschäftslage geschehen; ich glaube aber in Aussicht stellen zu können, daß in der nächsten Session dem Hause ein Gesetzentwurf wegen Aenderung der Fahrkartensteuer und Beseitigung der erheblichen Anstände, zu denen die heutige Steuer Anlaß gibt, zugehen wird. (Bravo!)
Meine Herren, meine Ausführungen über die Verwendung von Z'hntonnenwagen hat dem Herrn Abg. Carstens Veranlassung ge⸗ geben, an mich zu appellieren, daß ich für eine regelmäßige, gleich⸗ mäßige Vervollkommnung und Ausgestaltung des deutschen Wagenparks Sorge treffen möchte. Diese Frage liegt mir außerordentlich am Herzen, denn sie ist eine der wesentlichsten Fragen für das gesamte wirtschaftliche Leben. Ich bin nun aber in
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der Lage, nachzuweisen, daß der deutsche Staatsbahnwagenverband gerade im vergangenen Jahr ganz ungewöhnliches auf dem Gebiete der Wagengestellung geleistet hat. Wir haben die Nachweisung für jeden einzelnen Monat des vorigen Jahres, und es ergibt sich daraus, daß wir im Herbst und Winter eine Mehrgestellung pro Monat von 6 bis 12 % mit dem Wagenpark der vereinigten Staatsbahnen ge⸗ leistet haben. Daß in den Zeiten des Oktober und November Fehl⸗ wagen vorhanden waren und daß wir nicht allen Ansprüchen genügen konnten, das sollte eigentlich jedem, der mit den Verhältnissen des Verkehrs Bescheid weiß, nicht unnatürlich erscheinen. Es tritt dann eben ein solch ungeheurer Konfluxus an die Verwaltung heran, daß sie nicht in der Lage ist, an jedem Tage die geforderten Wagen zu stellen.
Es muß aber die Frage aufgeworfen werden, in welchem Umfange an solchem Tage Ueberbestellungen erfolgen — und die erfolgen stets, wenn die Versender wissen, daß ihnen nicht alle Wagen gestellt werden, die sie bestellen —, und die weitere Frage, wie lange denn der Versender auf den Wagen gewartet hat, den er angefordert hat⸗ Dann wird sich ergeben, daß die Belastung durch die zeitweilige Nicht⸗ gestellung aller Wagen keine sehr große gewesen ist. Im vorigen Jahre lagen aber ganz ungewöhnliche Verhältnisse vor, die den Wagenpark des deutschen Staatsbahnwagenverbandes außerordentlich in Anspruch genommen haben. Die Rübenernte war eine besonders große, die Kartoffelernte desgleichen, beide wurden außerordentlich ge⸗ fördert durch ein glänzendes Herbstwetter, in dem die Verlader sich alle auf den Stationen zusammenfanden. Wer diesen Verhältnissen nach⸗ geht, wird, glaube ich, nicht verkennen können, daß die Leistungen des Verbandes bedeutende gewesen sind.
Aber auf der anderen Seite muß ich auch wieder feststellen, daß die deutschen Staatsbahnen bestrebt sein müssen, ihren Wagenpark den Bedürfnissen des ständig steigenden Verkehrs entsprechend aus⸗ zugestalten. Dazu gehört in erster Linie, daß sie sich vornehmen, regelmäßig, wie auch die wirtschaftlichen Verhältnisse liegen, ihren Wagenpark zu ergänzen, und zwar auf Grund der Durchschnittsergeb⸗ nisse eines Zeitraums von mehreren Jahren. Sie dürfen nicht in Zeiten, in denen der Verkehr zurückgeht, zeitweilig mit der Wagengestellung anhalten, denn sonst würden wir in Verhält⸗ nisse hineintreiben, wie wir sie in früheren Jahren gekannt haben. Die Vervollständigung des deutschen Staatsbahnwagen⸗ parks erfolgt aber in rapidem Tempo. Diejenigen Ver⸗ waltungen, die mit einem Manko in den Betrieb eingetreten sind, sind lebhaft bestrebt, dieses Manko auszugleichen, und zu diesen Ver⸗ waltungen, die ein Manko haben, gehört auch die Verwaltung der Reichseisenbahnen. Um den Etat, um die Anleihe nicht zu stark zu belasten, haben wir uns diesmal dazu verstanden, nur die Häͤlfte unseres Mankobedarfs anzufordern. Im nächsten Jahre werden wir die zweite Hälfte anfordern, und dann ist das Manko für die Reichs⸗ eisenbahn ebenfalls gedeckt. Ich nehme an, daß, wenn die gesamten deutschen Eisenbahnen das Manko gedeckt haben werden, dann der deutsche Staatsbahnwagenpark als voll leistungsfähig anerkannt werden kann.
Der Herr Abg. Carstens hat dann an mich appelliert, ich möchte den obsoleten Standpunkt aufgeben, den ich in bezug auf die Presse einnehme. Ich kann heute nur als Chef der Reichseisenbahnen sprechen und stelle fest, daß wir auf den Verkauf der Presseerzeugnisse auf der Reichseisenbahn gar keinen Einfluß ausüben. Das geschieht durch die Landesverwaltung; wir lassen diese hier frei wirken, und die tut es nach denjenigen Grundsätzen, die sie für richtig hält.
Dann hat der Herr Abgeordnete noch auf die Lohnfrage zurückgegriffen und hat gemeint, ich hätte anerkannt, daß kein Lohnsatz unter dem ortsüblichen Tagelohn stehen dürfe. Das ist ein Irrtum (Zuruf: Budgetkommission!); ich habe nur festgestellt, daß innerhalb des Gebiets der Reichseisephahnverwaltung sich kein Lohnsatz mehr unter dem ortsüblichen Tagelohn befindet. Ich kann nämlich nicht anerkennen, daß der ortsübliche Tagelohn für die Feststellung der Löhne, die die Eisenbahnverwaltung zu zahlen hat — in diesem Falle die Reichseisenbahnverwaltung — ein Gradmesser sein kann. Der ortsübliche Tagelohn wird unter ganz anderen Gesichtspunkten er⸗ mittelt, lediglich um die Beitragsleistung für die Krankenkassen fest⸗ zustellen. Sie erfolgt von Behörden, auf die wir nicht den geringsten Einfluß ausüben, auch nicht ausüben wollen. Wir müssen uns auf den Standpunkt stellen, daß wir unsere Löhne nach den Bedürfnissen jeder Station oder eines größeren Bezirks bemessen, aber jedenfalls immer angepaßt den Bedürfnissen des Orts oder des Ver⸗ kehrsbezirks. Da kann der ortsübliche Tagelohn kein Grad⸗ messer sein. Ich erwähne dies ausdrücklich, weil ich die Empfindung habe, daß Herr Abg. Carstens daraus seine Konsequenzen für die Verhältnisse innerhalb anderer Bezirke ziehen möchte (Abg. Carstens: Sehr richtig!), besonders innerhalb des Gebietes der preußischen Staatseisenbahnen.
Dann ist der Herr Abgeordnete auf das Koalitionsrecht ein⸗ gegangen. Er ist der Meinung, daß die Reichseisenbahnverwaltung auf dem unrichtigen Wege sei, wenn sie das Koalitionsrecht ihrer An⸗ gestellten antasten wolle. Meine Herren, das geschieht nicht; wir
stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß sich unsere Angestellten
nicht zum Zwecke der Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Lage zu einem Streik koalieren dürfen — und da begegnet sich meine Auffassung mit der des Herrn Abg. Carstens —, und wir dulden ferner nicht, daß sich unsere Angestellten Vereinigungen anschließen, die wir als ordnungsfeindlich bezeichnen. Es erübrigt sich für mich, auf diesen Begriff näher einzugehen. Also meine Meinung deckt sich mit der des Herrn Abg. Carstens in der wesentlichsten Frage; aber bezüglich des Anschlusses an Vereinigungen, die wir als ordnungsfeindlich be⸗ zeichnen, stehe ich, wie es scheint, auf einem anderen Standpunkte.
Ich bestätige dem Herrn Abgeordneten zum Schluß, daß der Urlaub an Bahnunterhaltungsarbeiter gewährt wird wie an andere Arbeiter. Es ist lediglich der Vorbehalt gemacht, daß sie Urlaub nur erhalten sollen, wenn die Betriebsverhältnisse auf den be⸗ treffenden Strecken schwierig sind. Ich glaube, für das Gebiet der Reichseisenbahnen wird das für die meisten Strecken zutreffen.
Abg. Behrens (wirtsch. Vg.): Die in Aussicht gestellte Reform der Fahrkartensteuer begrüßen wir. Auch wir wollen das Koalitions⸗ recht der Staatseifenbahnakbeiter aber unter Ausschluß des Streik⸗ rechts, denn die Sicherheit des Verkehrs muß unter allen Umständen garantiert sein. Die Resolution des Reichstags auf Ces Pugg der Löhne ist berücksichtigt worden, wenn auch Füct alle Wünsche befriedigt worden sind. Wir begrüßen diese Aufbesserung der daß sie noch weiter erhöht werden. Die Löhne
Löhne und wünschen i ht laf en viel zu wünschen übrig, und ich möchte
der Rottenarbeiter
——
“
ihre Petition der Regierung zien. gegwzaun empfehlen. Leider erregen die Verhandlungen über Eisenbahnarbeiterfragen nicht die erforderliche Aufmerksamkeit, wie die Besetzung des Hauses zeigt. Deshalb wünschen wir einen Ausbau der Arbeiterausschüsse, in denen die Arbeiter ihre Lohnwünsche auf geordnetem Wege zum Ausdruck bringen können. In der national organisierten Arbeiterschaft wird auf einen ut ausgebauten Arbeiterausschuß im Interesse des Friedens großes ewicht gelegt. Die Arbeiterausschüsse sollten möglichst alle Eisen⸗ bahnarbeiter umfassen; deshalb muß die Zahl der Ausschüsse vermehrt werden. Die Sicherung der Mitglieder der Ausschüsse ist ja vom Minister schon verfügt. Wir wünschen ferner, daß an Stelle der vom Bundesrat verweigerten Arbeitskammern den Arbeitern ein Er⸗ satz gegeben wird durch Zentralisierung der Arbeiterausschüsse. 2 die Befugnisse der Arbeiterausschüsse sollten erweitert werden. C wäre zu erwägen, ob ihnen nicht bei Regelung des Stücklohnwesens eine Mitwirkung zugestanden werden könnte. In dem Bericht der E““ sollte über die Tätigkeit der Arbeiterausschüsse eine umfassende Uebersicht gegeben werden. Die Frage der Sicherung derjenigen Eisenbahnarbeiter, die eine mehr als zehnjährige Dienstzeit hinter sich haben, ist hier schon öfter erörtert worden. Für die Forderung, Arbeiter mit eamtenqualität auszustatten, hat sich eine Mehrheit nicht ge⸗ funden; daher die jetzt von den Arbeitern erhobene Forderung einer weitergehenden Sicherung unter Aufhebung der 14 tägigen Kündigung für die Arbeiter mit meßr als zehnjähriger Dienstzeit. Wir können diese Forderung. die Schaffung einer Art von Diplomverhältnis, nur befürworten. Das nationale Kartell deutscher Gasthofsangestellten und die Organisation der Angestellten in Bahnhofswirtschaften haben ebenfalls eine Reihe von Reformen in bezug auf ihr Arbeitsverhältnis gefordert, die die Verwaltung hoffentlich zur Kenntnis nehmen und wohlwollend berücksichtigen wird. Die sehr weit gehenden Petitionen des Verbandes deutscher Eisenbahnhandwerker und ⸗Arbeiter in Elberfeld, sowie diejenigen des Verbandes deutscher Eisenbahnhandwerkerkolonnenführer in Siegen empfehle ich gleichfalls einer wohlwollenden Berücksichtigung.
Minister der Breitenbach:
Den Ausführungen des Herrn Abg. Behrens, soweit sie der Be⸗ gründung der Resolution dienen, kann ich in vielfacher Beziehung nur beistimmen, und ich glaube auch in Aussicht stellen zu können, daß die Ausführung der Resolution in ihren wesentlichsten Punkten erfolgen wird. Wenn unter 1 gewünscht wird, daß für alle Arbeiter in unseren Betrieben Arbeiterausschüsse eingesetzt werden möchten, so ist ja bereits im Vorjahre ein erheblicher Schritt getan durch die An⸗ ordnung, daß Arbeiterausschüsse gebildet werden sollen auch dann, wenn nur eine Zahl von 50 Arbeitern an einer Arbeitsstelle vorhanden ist, während bisher 100 gefordert wurden. Dadurch ist die Zahl der Arbeiterausschüsse sehr erheblich vermehrt worden. Ich habe nun neuerdings bestimmt, daß auch das Personal der Bahnunterhaltungs⸗ arbeiter, soweit es irgend möglich ist, in die Ausschüsse ein⸗ gegliedert wird; damit wird ein nennenswerter Bruchteil unseres Personals auch in den Ausschüssen vertreten sein; ob es in ganzem Umfang gelingen wird, ist mir zweifelhaft, das Personal ist teilweise so sehr verteilt auf den Strecken, daß sich zweckmäßigerweise Arbeiterausschüsse nicht bilden lassen. Ich glaube auch, daß der Wunsch zu 2, den Arbeiterausschüssen bei Gestaltung der Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen eine geeignete Mitwirkung zu er⸗
Arbeiten von
öffentlichen
möglichen, eigentlich schon erledigt ist, indem wiederholt von mir ein⸗
geschärft ist und auch immer wieder eingeschärft werden wird, daß
man den Arbeitern Gelegenheit geben muß, in den Ausschußsitzungen
über allgemeine Lohnfragen, die sie angehen, und über die Frage der Arbeitsbedingungen sich ausgiebig zu äußern. Gerade im Gebiete der Reichseisenbahnverwaltung wird auf die Durchführung dieser Bestim⸗ mung sehr großer Wert gelegt; mir ist ganz jüngst zur Kenntnis gebracht worden, daß die Generaldirektion in einem Falle eingegriffen hat, in dem die Verhandlungen eines Arbeiterausschusses nicht mit der genügenden Sorgfalt geleitet worden waren. Ich meine, damit wird sichergestellt sein, daß die Arbeiterschaft sich über diese wesentlichste Frage so aussprechen kann, wie es in der Tat von mir gewünscht wird. Auch darüber, glaube ich, läßt sich fehr wohl reden, daß in dem Be⸗ richte über die Verwaltung der Reichseisenbahnen alljährlich Mit⸗ teilungen über Tätigkeit der Arbeiterausschüsse gebracht werden, die für das hohe Haus von Interesse sind, und gewissermaßen Rechen⸗ schaft ablegen, wie diese staatliche Organisation sich weiter ent⸗ wickelt hat.
Was den letzten Wunsch betrifft, alle Arbeiter und Hand⸗ werker der Reichseisenbahnen nach zehnjähriger einwandsfreier Dienst⸗ zeit aus dem Arbeitsverhältnis mit vierzehntägiger Kündigung in ein gesichertes Arbeitsverhältnis, wie man sagt: in ein Diplomverhältnis, überzuführen, so halte ich auch diesen Wunsch für menschlich durchaus berechtigt, und ich habe für den Bezirk der preußischen Staatseisen⸗ bahnen schon in Aussicht genommen, eine solche Sicherung dahin ein⸗ treten zu lassen — ganz im Sinne der Resolution —, daß nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums der Arbeiter, der sich gut geführt hat, nur entlassen werden darf, wenn die Direktion seine Entlassung bestätigt. In welcher Form das zu geschehen hat, steht heute noch nicht fest; man wird sich davor hüten müssen, dem Arbeiter, der ent⸗ lassen wird, eine Instanz zu nehmen, die er heute hat. Wenn ihn das Amt entläßt und er sich beschwert, kann er jetzt an die Direktion gehen; man wird eine Form finden müssen, wonach ihm diese Beschwerdeinstanz nicht entzogen wird. Wenn das geschehen ist, so ist, meine ich, das Arbeitsverhältnis in weitestem Maße gesichert; es kommt in dieser Beziehung demjenigen des Beamten außerordentlich nahe, und es bleibt eigentlich nichts zu wünschen übrig, nach⸗ dem ausgesprochen ist, daß Arbeiter nur entlassen werden dürfen, wenn sie die ihnen obliegenden Pflichten gröblich vernachlässigt haben oder wenn sie nicht mehr leistungsfähig sind. Im letztern Falle müssen unsere gesetzlichen und außergesetzlichen Wohlfahrtseinrichtungen eintreten. Geschieht dies alles, so wird, glaube ich, im wesentlichen der Inhalt der Resolution erfüllt sein.
Was die Frage der Akkordlöhne betrifft, so will ich, in Er⸗ gänzung dessen, was ich vorhin mitteilte, weiter ausführen, daß für den Bereich der preußischen Staatseisenbahnen und der Reichseisen⸗ bahnen eine Enquöte darüber angestellt wird, in welcher Weise die Beschwerden gegen die Festsetzung der Löhne und gegen die Durch⸗ führung der Akkordlohnsysteme, die ja ganz verschiedenartige sind, beseitigt werden können. Diese Enquste soll nicht nur durch Beamte der Zentralstelle und der Provinzialbehörden vorgenommen werden⸗ sondern sie soll erfolgen unter Zuziehung von mittleren Beamten und auch von geeigneten Arbeitern. Ich glaube, auf Grund dieser Untersuchungen werden wir in vielen Fragen viel klarer sehen, und ich hoffe, daß ich dem hohen Hause im nächsten Jahre über das Er⸗ gebnis dieser Untersuchungen Mitteilungen machen kann. 1 8
Abgg. Behrens und Carstens sehr zufrieden sei, wenn diese für ihn
zum
. 1
Was endlich den Wunsch anlangt, die Arbeitsverhältnisse
der Gehilfen und Lehrlinge in den Bahnw irtschaften und Speisewagen zu verbessern, so bin ich in dieser Frage ganz kürzlich eingeschritten, und zwar auf Grund des von dem Herrn Abg. Behrens mitgeteilten Schreibens der Gesellschaft für soziale Reform. Die Behörden der Verwaltung sind darauf hingewiesen worden, daß die Bestimmungen des Bundesrats, betreffend die Be⸗ schäftigung von solchen Gehilfen in Gast⸗ und Schankwirtschaften, strikte durchgeführt werden sollen, und zwar nicht nur in den Bahn⸗ hofswirtschaften, sondern auch in den Speisewagen. Ich glaube, daß dadurch die wesentlichsten Anstände beseitigt werden werden, und werde es 88 angelegen sein lassen, die Durchführung dieser Maßregel nach⸗ zuprüfen. 8.
8 . . 2. 1 IBI 8 8 Hierauf wird ein Schlußantrag angenommen. Die ordent⸗ lichen Ausgaben für die Zentralverwaltung werden bewilligt. Bei den Ausgaben für die Betriebsverwaltung geht der
Abg. Emmel (Soz.), nachdem er darüber Beschwerde geführt hat, daß der Abg. Behrens, der aus dem Hause das letzte Wort gehabt, selbst den Schluß der allgemeinen Debatte mit⸗ beautragt hat, auf die neue Besoldungsordnung ein und sucht nachzuweisen, daß eine sehr große Zahl von Unterbeamten nichts⸗ destoweniger genötigt gewesen seien, mit Petitionen an den Reichstag zu kommen, weil für sie nicht genügend gesorgt sei. Entgegen dem Kommissionsantrage auf Uebergang zur Tagesordnung empfiehlt er, die betreffenden Petitionen den verbündeten Regierungen zur Berücksichtigung zu überweisen. Auch die Altpensionäre, die gar nicht berücksichtigt worden seien, litten unter der horrenden Lebens⸗ mittelteuerung ebenso wie die Beamten; sie sollten ebenfalls der Vorteile teilhaftig werden, welche die Besoldungsordnung der Be⸗ amtenschaft gebracht habe.
8 Abg. Hor mann (fortschr. Volksp.) befürwortet nochmals die Pe⸗ tition der Lokomotivführer zur Berücksichtigung. Die Dienstzeit für diese so angestrengten und für die Sicherheit des Verkehrs hauptsächlich verantwortlichen Beamten sei ganz entschieden zu lang. Ein großer Teil dieser Beamten leide an Herz⸗ und rheumatischen Krankheiten, der Durchschnitt ihres Lebensalters gehe immer mehr zurück; bei einer Kasse sei ihr durchschnittliches Dienstalter auf nur 19, ihr durchschnittliches. Lebensalter auf nur 45 ½ Jahre festgestellt worden. Diese bedenklichen Ziffern sollten den Eifer anspornen, der Ueber⸗ bürdung der Lokomotivführer ein Ende zu machen. Von sämtlichen pensionierten Lokomotivführern hätten erst 75 % das höchste Ge⸗ ni das sei ein weiterer Beweis, wie sehr diese Beamten abgenutzt verden. 8
Preußischer
Breitenbach: 8 Meine Herren, wir haben uns in der Budgetkommission über diese Frage unterhalten, und ich habe die Bitte ausgesprochen, daß mir die Fälle bekannt gegeben werden, in denen eine so außerordent⸗ liche Beanspruchung des Personals vorgelegen hat, wie sie behauptet wird. Nach unserer durchaus zuverlässigen Statistik ist die Sache total anders. Es ergibt sich daraus, daß im Monatsdurchschnitt nur ein verschwindender Bruchteil des Lokomotivpersonals, nämlich 0,4 %, eine längere als 10 stündige und zwar eine 10—11 stündige Dienstzeit hat, während 9—10 Stunden Dienstzeit 50 % des Personals haben, 8 —9 Stunden 38 % und bis 8 Stunden 10 %, fast 11 %. Das sind Zahlen, die doch zu denken geben gegenüber den Mitteilungen, die der Petition zu Grunde liegen,« einer Statistik, die der Verband der Lokomotivführer aufgestellt hat. Ich bin aber durchaus bereit, nach⸗ zuprüfen, ob und in wie weit die Zahlenangaben der Petition zu⸗ treffend sind.
Ebenso muß ich lebhafte Zweifel geltend machen gegen die Zahlen, aus denen erkennbar wird, wie früh der Lokomotivpführer in den Ruhestand tritt und welcher Prozentsatz der Lokomotivführer das Höchstgehalt erreicht. Mir liegen hier die Zahlen für die letzten 10 Jahre für das Gebiet der Reichseisenbahnen vor. Daraus ergibt sich, daß von 168 pensionierten Lokomotivführern 145 das Höchst⸗ gehalt erreicht haben. Es ergibt sich ferner, daß von jenen 168 Loko⸗ motivführern 53 im Lebensalter von 60 bis 65 Jahren aus dem Dienst getreten sind und 52 im Alter von 55 bis 60 Jahren. Das sind doch Zahlen, die durchaus anders lauten als die, die uns hier in der Statistik bekannt gegeben sind.
Es ist ganz selbstverständlich und braucht von mir nicht bestätigt zu werden, daß wir einem so wichtigen Berufszweig, wie dem der Lokomotivführer und Heizer — die ihren schweren Dienst auf der Maschine auszuüben haben, die die Verantwortung tragen für die Millionen von Reisenden, die über die Strecken fahren —, daß wir diesem wichtigen Dienstzweig unsere größte Aufmerksamkeit schenken und daß wir stets bestrebt sein werden, berechtigte Beschwerden abzu⸗ stellen, sobald sie zu unserer Kenntnis gelangen, und das wird auch für die Folge geschehen.
Abg. Hormann ffortschr. Volksp.): Es ist seinerzeit im preußischen Abgeordnetenhause die Zahl von 75 % einer amtlichen Statistik entnommen worden; sollte die Ziffer für die Reichseisen⸗ bahnen eine günstigere sein? Jedenfalls stimmen hier die Angaben nicht überein.
Preußischer Breitenbach: 8 Meine Herren! Meine Aufklärungen und Erklärungen können sich in solchen Personalfragen doch nur auf die Reichseisenbahnen be⸗ ziehen, deren Etat wir hier verhandeln. Die Zahlen, die ich eben bekanntgegeben habe, sind diejenigen Zahlen, die für die letzten zehn Jahre in bezug auf die Pensionierung und den Tod von Lokomotiv⸗ führern im Gebiete der Reichseisenbahnen ermittelt worden sind.
Bei den Ausgaben für „Arbeitslöhne“ greift der
Abg. Emmel (Soz.) auf die allgemeine Erörterung zurück. Er hält es für unverständlich, wie man dem Eisenbahnarbeiter das Streik⸗ recht wegdisputieren wolle. Ein Recht, nicht zur Arbeit zu gehen, habe jeder einzelne Arbeiter. Unbegreiflich sei der Standpunkt des Abg. Behrens, eines Vertreters der christlichen Gewerkschaften, der den Eisenbahnarbeitern verweigern wolle, was jeder andere Arbeiter für sich in Anspruch nehmen könne. Daß der Minister mit den
Minister der öffentlichen Arbeiten von
Minister der öffentlichen Arbeiten von
Zweite eiger und Kön
Berlin, Mittmoch, den 20
in die Bresche springen, darüber könne man sich erdings nich wundern. Die Resolution Behrens zu Gunten “ nüh mehr als zehnjähriger Dienstzeit sei nichts als weiße Salbe; den nachgeordneten Stellen werde es gar nicht einfallen, sich danach zu richten. Ueber die Bespitzelung der Arbeiterversammlungen durch Beamte seien die Arbeiter aufs höchste empört; das Ver⸗ trauen der Arbeiter zur Verwaltung werde dadurch gänzlich zerstört. Der Abg. Behrens möchte für die Eisenbahnarbeiter einen Ersatz für die Arbeitskammer schaffen, er scheint also die Eisenbahn⸗ arbeiter vom Arbeitskammergesetz ausschalten zu wollen. Des Abg. Carstens Rede erinnerte au die Echternacher Springprozession zwei Schritt vorwärts, einen zurück, er scheint Neigung für diese Politik zu haben. Daß die Reichsregierung auf die Gestaltung des ortsüblichen Tagelohnes keinen Einfluß ausübt, kann ich mir nach den bisherigen Erfahrungen nicht denken. Die Regierung übt darauf Einfluß aus, um den ortsüblichen Tagelohn möglichst niedrig zu halten. Das Akkordsystem müßte vollständig beseitigt werden. Die Akkordsätze werden ohne vorherige Befragung der Arbeiter fest⸗ gesetzt, diese erfahren erst nach der Arbeit, was sie daran ver⸗ dient haben. Es ist überhaupt kein richtiges Akkordsystem, denn Akkord heißt Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Andrang zu den Stellen bei der Eisenbahn erklärt sich daraus, daß die Arbeiter möglichst dauernde Anstellung suchen, aber nicht daraus, daß die Eisenbahnen Musteranstalten wären. Wenn auch die Löhne seit 1904 im Höchstfalle um 24,8 % gestiegen sind, so sind die Lebensmittelpreise um 30 % gestiegen. Wenn man hier den Lohn nicht als ausreichend ansieht, sollte man nicht bloß schöne Reden halten, sondern die Petition zur Berücksichtigung über weisen. Die sozialdemokratische Lektüre ist als unangemessen für die Eisenbahnarbeiter bezeichnet worden. (Präsident Graf von Schwerin erklärt, daß das mit dem Titel der Arbeiterlöhne nichts zu tun habe.) Die Arbeiter müssen doch mit ihren Löhnen sich die sozialdemokratische Lektüre verschaffen. Der Minister hat sich nicht über die Beschwerde des Abg. Böhle über die Aeußerung eines Vorgesetzten, daß der Diebstahl milder zu beurteilen sei als das Lesen einer sozialdemokratischen Zeitung, geäußert. Das zeigt einen solchen Tiefstand dieses Vorgesetzten, daß er nicht wert ist, Beamter zu sein. (Abg. Ledebour: Der Minister schweigt.)
Abg. Hauß (Zentr.): Die Rottenarbeiter in Elsaß⸗Lothringen be⸗ kommen nach 10 Dienstjahren 3,10 ℳ, nach 15 Dienstjahren 3,20 ℳ Tagelohn, das ist für elsässische Verhältnisse nicht auskömmlich, und nach dem Urteil der Aerzte nimmt die Unterernährung dieser Arbeiter erschreckend zu. Der Andrang zu den Stellen der Rottenarbeiter ent⸗ spricht der traurigen Tatsache, daß sich ahes zur Staatskrippe drängt. Wenn die Leute aber erst daran stehen, petitionieren sie um mehr Geld. Ich bitte dringend um Aufbesserung der Rotten arbeiter.
Abg. Behrens (wirtsch. Vgg.): Es ist nicht richtig, daß ich den Schlußantrag vorhin mit unterzeichnet habe. (Abg. Emmel: Dann nehme ich meine Bemerkung zurück.) Unsere ‚Mesolution wird nicht nur eine weiße Salbe sein, sondern praktische Csegee Wenn die Kritik hier keinen Zweck haben soll, dann weiß ich nichk, weshalb der Abg. Emmel so lange kritisiert. Wenn wir für die Eisenbahnarbeiter nach einem Ersatz für die Arbeitskammern suchen, so geschieht es, weil wir das Arbeitskammergesetz nicht daran scheitern lassen wollen, daß die Eisen⸗ bahnarbeiter ihm nicht unterstellt werden, weil der Bundesrat das nicht will. Das Streikrecht ist nach den Ersahrungen in Frankreich weder für den Staat, noch für die bürgerlichen Stände, noch für die Arbeiter selbst zu empfehlen. Auch die Verbände der Eisenbahn⸗ arbeiter stehen auf diesem Standpunkt. Die schönen Reden für das Streikrecht sind nur bombastische Phrasen.
Phengi. Minister der öffentlichen Arbeuen von Breitenbach:
Der Herr Abg. Hauß wies darauf hin, daß mein Argument, der Andrang der Arbeiter zur Reichseisenbahnverwaltung beweise, daß die Verhältnisse im großen und ganzen befriedigend seien, nicht zuträfe. Meäns Heiren, ich habe ja dieses Argument nicht als ausschließliches Argument verwerten wollen; ich habe nur darauf hin⸗ weisen wollen, daß die Verwaltung nach wie vor in guten wie schlechten Zeiten eine außerordentliche Anziehungskraft auf alle die⸗ jenigen ausübt, die Arbeit suchen, und diese Anziehungskraft übt sie überwiegend aus, weil die Leute eine gesicherte Lebensstellung finden, sowohl, wenn sie Arbeiter bleiben, als nachher, wenn sie in ein Beamtenverhältnis übergehen. Ich habe auch hier ausführen können, ein wie großer Prozentsatz unserer Arbeiter⸗ schaft tatsächlich in das Beamtenverhältnis übergeht, ein Prozentsatz, von dem die meisten keine Ahnung haben. Die Sache liegt so, daß gut die Hälfte der gesamten Arbeiter im Laufe der Jahre Beamte werden und dann die Sicherung der Lebensstellung finden, die sie suchen.
Die Frage der Arbeiterlöhne bleibt ständig im Fluß. Die Regelung dieser Frage unterscheidet sich grundsätzlich von der Regelung der Beamtengehälter. Die Regelung der Beamtengehälter erfolgt in längerer Zeitperiode, die Regelung der Arbeiterlöhne muß sich immer den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen anpassen.
Ich will es nicht ablehnen, daß die Rottenarbeiter der Reichs⸗ eisenbahnen eine Aufbesserung erfahren. Das setzt aber eine Prüfung im ganzen Reichsland voraus. Die Prüfung muß eine örtliche oder in einem Verkehrsbezirk begrenzte sein, und es kann eintreten, daß in einem Bezirke eine Aufbesserung erfolgt, in dem anderen nicht.
Dem Herrn Abg. Emmel fehlt offenbar jedes Verständnis dafür, daß zwischen der Arbeiterschaft und der Verwaltung ein Vertrauens⸗ verhältnis besteht, und weil dieses Vertrauensverhältnis besteht und bestehen muß — und daß ein solches besteht, dahin streben wir ständig —, darum können wir auch mit Recht verlangen, daß, wenn unsere Arbeiter sich vereinigen und in ihren Versammlungen zusammentreten, um ihre Lohnfragen und Arbeitsbedingungen zu ver⸗ handeln, dann die Verwaltung informiert wird. (Sehr richtig! rechts — Zuruf von den Sozialdemokraten: Aber nicht gespitzelt!) Ich bin überzeugt, daß der ganz überwiegende Teil der Arbeiter selbst wünscht, daß unsere Angestellten, mögen es höhere oder mittlere Beamte sein, sich an ihren Verhandlungen beteiligen, damit sie unter dem unmittelbaren Eindruck dessen stehen, was verhandelt wird. Das ist ein berechtigtes Verlangen. Nur derjenige Teil der Arbeiterschaft, der agitatorisch beeinflußt wird, stellt die Forderung, daß keiner von uns aus der Verwaltung an den Versammlungen teilnimmt. Dieser Forderung trete ich grund⸗ sätzlich entgegen. (Bravo! rechts.) Wenn die Arbeiterschaft den Versuch machen wollte, diese Forderung durchzusetzen, dann würde ich
meinerseits die Konsequenzen ziehen,
Forderung ist auch, soviel mir bekannt, in dem großen Gebiete, das mir untersteht, nur im Reichslande an einer oder der anderen Stelle erhoben worden, und es mir sehr wohl bekannt, auf welche Veranlassung die Forderung der Arbeiterschaft zurück⸗ zuführen ist. (Hört! hört! rechts.) Es sind die Vereinigungen, deren der Herr Abg. Emmel vorhin Erwähnung tat, deren Versammlungen er oder einer seiner Herren Kollegen wohl bei⸗ gewohnt haben wird. Ich muß aber entschieden dagegen Einspruch erheben, daß diejenigen Angestellten — es sind Beamte von uns, meist mittlere Beamte, tüchtige, zuverlässige Männer —, die den Versamm⸗ lungen der Arbeiter beiwohnen, als Spitzel bezeichnet werden. (Sehr gut! rechts.) Das ist eine völlige Verkennung der Situation, das ist eine Schändung der Beamten, gegen die ich Einspruch erhebe. (Bravo!) Und wenn Sie (zu den Sozialdemokraten) diese Pflicht⸗ erfüllung der Leute als schmutzige Arbeit bezeichnen, dann spricht das nicht für Sie! (Sehr gut! rechts, in der Mitte und bei den National⸗ liberalen.)
Der Herr Abg. Emmel hat sich nicht mal die Mühe gegeben, zuzuhören, als ich dem Herrn Abg. Böhle erwiderte; sonst hätte er feststellen können, daß ich den Kausalnexus, den der angeblich sich schuldig machende Angestellte — ich weiß nicht, ob es ein Arbeiter oder Beamter ist, der sich brutal gegen die Arbeiter verhalten haben soll — durch die Hereinziehung der Diebstahlsfrage veranlaßt hat, meinerseits nur mißbilligen kann. (Hört, hört! und sehr gut! rechts.) Ich hatte das ausdrücklich ausgesprochen.
Dann befindet sich der Herr Abg. Emmel in völligem Irrtum, wenn er annimmt, daß ich in der Akkordlohnfrage irgendwie zurück⸗ wiche. Ich stehe nach wie vor auf dem Standpunkt — und, wie ich weiß, teilt ihn ein großer Teil der Arbeiterschaft —, daß der Akkordlohn eine absolute Notwendigkeit ist, wenn eine gesteigerte, eine bessere Arbeitsleistung angemessen bezahlt werden soll. Es liegt im Interesse unserer Arbeiterschaft, es liegt im Interesse der Ver⸗ waltung.
Ebenso unrichtig ist die Behauptung des Herrn Abg. Emmel, daß wir dem Akkordverdienst unserer Arbeiter irgendwelche Grenzen ziehen. Er sprach davon, daß wir die Leute nicht 50 % über den Tagelohn verdienen lassen. Das ist tatsächlich vollkommen unzutreffend. (Lebhafter Beifall.)
3 Abg. C arstens (ortschr. Volksp.) tritt den Ausführungen des Abg. Emmel wegen des Streikrechts der Eisenbahnarbeiter entgegen Abg. Hormann (fortschr. Volksp.) weist auf den circulus vitiosus hin, der zwischen den Löhnen in den Eisenbahn⸗ werkstätten und den ortsüblichen Tagelöhnen in der Industrie besteht. Die Rücksicht der Verwaltung auf die Industrie drücke die Löhne in den Werkstätten der Eisenbahnverwaltung herab und schließlich auch die ortsüblichen Tagelöhne selbst. Die Arbeiterausschüsse müßten möglichst ausgestaltet und öfter zu⸗ sammenberufen werden. Durch diese Erweiterung könnte einigermaßen ein Ersatz für das Streikrecht geschaffen werden, auf das die Eisen⸗ bähner im Verkehrsinteresse keinen Anspruch erheben dürfen. Das von dem Eisenbahnarbeiterverbande geschaffene, auf nationalem Boden stehende Kartell sollte auch seitens der Verwaltung unterstützt werden. Leider habe der Staatssekretär des Innern eine Beteiligung an einer Sitzung dieses Kartells wegen Geschäftsüberbürdung abgelehnt. Wenn die Verwaltung zu einer solchen Versammlung einen Beamten schicke, so könne er hierin nicht eine Bespitzelung der Versammlung erblicken, wie es der Abg. Emmel bezüglich der Arbeiterausschüsse getan habe. „Abg. Wetzel (nl.) nimmt sich der Petition an, die eine Lohn⸗ erhöhung ded Eiercehnatbeiter mie Rücksicht auf die außerordentlichen Teuerungsverhältnisse in den Reichslanden wünscht. Abg. Emmel (Soz.): Ein Streikrecht gibt es allerdings nicht für die Eisenbahnarbeiter, sondern nur ein Koalitionsrecht: aber jeder einzelne hat das Recht zu kündigen und zu Hause zu bleiben. Angebliche Streikmißbräuche der Eisenbahnarbeiter in Frankreich können doch nicht eine Entrechtung der deutschen Eisenbahner begründen. Wenn wirklich ein Vertrauensverhältnis zwischen Verwaltung und Arbeitern besteht, dann ist doch diese ganze Bespitzelung unnötig. Der bayerische Verkehrsminister hat sich über die sozialdemokratischen Eisenbahnarbeiter hans anders und vernünftiger ausgesprochen als de preußische, der glaubt, durch eine Unterdrückungspolitik die sozialdemo⸗ kratischen Arbeiter aus den Eisenbahnwertkstätten verdrängen zu können. Der preußische Minister sollte seine Beamten von einer Tätigkeit fernhalten, die nicht anders als Spitzelei genannt werden kann. 8 Abg. Werner (d. Reformp.) kommt nochmals auf die zu lange Arbeitszeit der Lokomotipführer zurück. Der Erholungsurlaub für diese Beamten müßte einheitlich geregelt werden.
„Die mehrfach erwähnte Resolution Behrens für die Presse vor. Sie lautet: Den Reichskanzler zu ersuchen, die Verwaltung der Reichs⸗ eisenbahnen anzuweisen, daß b 1) möglichst für alle Arbeiter in den Werkstätten, Betrieb und Bahnunterhaltung Arbeiterausschüsse errichtet werden: 2) den Arbeiterausschüssen bei Gestaltung der Lohn⸗ und “ eine geeignete Mitwirkung ermöglicht wird; in dem Bericht über die Verwaltung der Reichseisenbahnen auch über die Tätigkeit der Arbeiterausschüsse berichtet wird: alle Arbeiter und Handwerker der Reichseisenbahnen nach zehnjähriger einwandsfreier Dienstzeit aus dem Arbeits⸗ verhältnis mit 14 tägiger Kündigung in ein gesichertes Arbeitsverhältnis (Diplomverhältnis) überführt werden.“ „Zu den einmaligen Ausgaben, und zwar zu der Position für den Umbau des Hauptbahnhofs Straßburg fragt der 8 Abg. H auß (Zentr.), ob der Umbau derart ausgeführt wird, daß er auch für die Einführung neuer Linien in Zukunft Platz biete. Es sei ein wahres Wunder, daß bei dem ungeheuren Verkehr keine Unglücksfälle vorgekommen seien.
Eine erste Rate von 100 000 ℳ ist für den Bau einer eingleisigen, vollspurigen Nebenbahn von Münzthal über Wolmünster bis zur pfälzischen Grenze in der Richtung auf Zweibrücken in das Extraordinarium eingestellt. „Abg. Göring (Zentr.) trägt der Verwaltung die Wünsche der pfälzischen Bevölkerung um Vermehrung der Eisenbahnverbindungen nach dem Elsaß vor und beschwert sich darüber, daß die Ausführung einiger bereits bewilligter Bahnstrecken gar nicht vorwärts kommen will. Die erste Rate von 100 000 ℳ für den Bau der Linie Münzthal- Wolmünster, deren Kosten auf 10 ¾ Millionen veranschlagt seien, erscheine doch gar zu winzig, zumal daraus Bodenankäufe und
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Tunnelarbeiten bestritten werden sollen.
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