1911 / 79 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 01 Apr 1911 18:00:01 GMT) scan diff

wenn andere Staaten Vorschläge machen, die deutsche Regierung hre Geneigtheit zu Abmachungen über eine Entlastung aussprechen oll. Der Reichskanzler zeigte sich dankbar für die vorsichtige Form unserer Resolution; ich glaube, daraus die Bitte ableiten zu ürfen, daß das Haus der Resolution zustimme. Ein Ver⸗ uch muß doch endlich einmal gemacht werden. Berechtigte Wünsche der Beamten aller Staaten können erst erfüllt werden, wenn in der Rüstung nicht mehr so fortgefahren wird wie bisher. Wenn unsere Resolution nicht abgelehnt wird, so wird der Eindruck nicht aufkommen, als ob g8 - Kanitz spricht sich en Prinzip der istigen 8⸗ und der Meischegüͤnstigung aus. Unser Lond ist aber ein exportierendes Land, unsere Industrie muß deshalb auf mehrere Jahre oraus den Export übersehen können. Graf Westarp und der Abg. Roesicke haben sich bemüht, den Abg. Bassermann zu widerlegen, nzugreifen, runterzumachen, und haben gesagt, daß Bassermann hen guten Ton nicht hebe. Ach Gott, wie oft haben Sie auf der Rechten das Niveau nicht heruntergedrückt, ehe der Hahn dreimal gekräht hat. Der Abg. Roesicke spricht von dem Stroh, das der Sturmwind bei den Wahlen wegwehen werde, und dabei ist hm im Süden so heiß unter den Füßen geworden, daß er ich nach einem schleswig⸗holsteinischen Wahlkreis umgesehen hat. ie Herren rechts, besonders Graf Westarp, haben sich in endlosen ückblicken auf die Finanzreform ergangen; es ist jetzt die Zeit, wo vornehmlich mit Zeitungsausschnitten die Debatten dieses Hauses be⸗ chwert werden. Graf Westarp sprach von einem Rückzugsgefecht: o nein, es ist nicht ein Rückzugsgefecht, sondern das 2 or der Hauptschlacht, vor der Sie (Vrechts) Angst haben Der Abg. Graf Westarp meinte, die Wähler hätten ein kurzes Gedächtnis; vielleicht ist das der Grund, weshalh Sie die Wahlen ein Jahr hinausschieben. hre ganze blau⸗schwarze Mehrheit ist ja schon verschwunden; die 6 Stimmen, die die Ab⸗ lehnung der Erbschaftssteuer entschieden haben, sind ja schon in den Nachwahlen verloren gegangen. Den beweglichen Bitten der Rechten, daß der Kanzler ihnen doch attestieren möchte, daß sie eine gute Finanzreform gemacht haben, hat er jetzt insoweit nachgegeben, als er gestern von „gesunden Finanzen“ sprach. Diese „gesunden Finanzen“ werden nicht nur in den Punkten desavouiert, die der Akg. Fuhrmann anführte, sondern auch durch die 147 Millionen neuer Anleihen, die aufgenommen werden mußten, durch den Ruin der Zündholzindustrie und ihrer Arbeiter; die Schecksteuer hat dem Scheckverkehr einen ganz bedeutenden Stoß versetzt. Es gibt ja viel Heuchelei und besonders politische chelei, was aber an sol bei den Stichwahlen geleistet wird, geht über alle Begriffe; ich darf zur an den nach Württemberg gehörigen Fall Vogt erinnern. In unserer Partei haben die Wahlkreise selbst die Entscheidung über ihre Haltung in den Stichwahlen. Wir gehen in den Wabl⸗ kampf mit bester Entschlossenheit und mit dem denkbar besten Mut; wir haben das Bewußtsein, daß die öffentlichen Interessen in ein ise in den letzten zwei Jahren durch die Rechte geschädigt worden sind, daß der ganzen Wählerschaft die Augen darüber auf⸗ geben müssen; das war die Lebre, die die Finanzreform als An⸗ schauungsunterricht erteilt hat. Graf Westarp stellt sich als Hüter der onservativen Gedanken hin. Die Rechte predigt gegen den Materialis⸗ mus und lehnt die Erbschaftssteuer aus Familiensinn ab; sie schafft ich Kalikulis aus öffentlichen Mitteln, um ihre Geschäfte zu betreiben. Die Rechte stürzt einen Minister, der auch die Mitarbeit der Linken in Anspruch nehmen wollte; sie protestiert gegen den Parlamentarismus und tritt für die Kronrechte ein, und sie stürzt wissentlich mit parla⸗ mentarischen Mitteln den Kanzler Bülow. Das ist auch ein Stück ppolitischer Heuchelei. In wenigen Monaten geht der Reichstag auseinander, und noch weiß kein Mensch, welche Gesetze noch zustande gebracht werden sollen; immer überläßt ein Reichskanzler dem anderen ein Trümmer⸗ feld. Die Sozialdemokratie hat die Gewerkschaften als Hilfstruppen, as Zentrum verfügt über die ganze katholisch⸗kirchliche Organi⸗ as sind außerordentliche Machtmittel, die es erklären, Liberalismus nicht stärkere Ziffern aufzuweisen hat.

Aber für die öffentliche Meinung ist der Liberalismus immer noch das stärkste Ferment. Bei den nächsten Wahlen werden wir eine Stärkung erfahren durch die Niederlage, die Sie sicher erleiden werden. Ein Schlußantrag wird hierauf von der gesamten Rechten und dem Zentrum angenommen.

Zur Geschäftsordnung stellt der .“

Abg. Dr. Frank⸗Mannheim (Soz.) fest, daß es durch den Schluß der Debatte dem Herrn Reichskanzler unmöglich geworden is (Vizepräsident Schultz: Das war keine A zur

eschäftserdnung.) 1 Abg. Gröber (Zentr.): Der Abg. Frank kennt die Geschäfts⸗ ordnung nicht; danach kann der Reichskanzler jederzeit das Wort

Abg. Dr. Stresemann (nl.): Zur Geschäftsordnung stelle ich

fest, daß der Schlußantrag von konservativer Seite eingebracht worden ist, nachdem der dritte Redner dieser Partei sich aus⸗ schließlich in Angriffen auf die nationalliberale Partei ergange und auf einen Zwischenruf von mir zugegeben hat, daß er In wiederhole, um mir zur Antwort Gelegenheit zu n Abg. Dr. Roesicke (kons.): Es hat sich bloß um eine Abwehr unserseits gehandelt. Ledebour (Soz.): Wenn wir les zur Abstimmung „so halte ich doch für nötig, von dem Gebrauch des Hauses in diesem Falle abzuweichen und eine gesonderte Abstimmung zu ver⸗ langen, damit diejenigen Mitglieder des Hauses, die nach den estrigen und heutigen Vorkommnissen zu der Erkenntnis gekommen sind, daß der gegenwärtige Reichskanzler absolut unfähig ist, sein Amt zu verwalten . (Große Unruhe; Vizepräsident Schultz: Ein solcher Antrag bedarf keiner Begründung und eine solche ist auch nicht üblich es wird mir mitgeteilt, daß Sie den Ausdruck „gänz⸗ iche Unfähigkeit“ in bezug auf den Reichskanzler gebraucht haben; as it ordnängswidrig: ich rufe Sie zur Ordnung)

Das Gehalt des Reichskanzlers 100 000 wird gegen die Stimmen der Soji okraten und Polen bewilligt. Hierauf erfolgt die Abstimmung über die zu diesem Ausgaben⸗

titel vorgelegten Resolutionen. Angenommen wird 1) die Reso⸗ lution des Zentrums, den Reichskanzler zu ersuchen, die Zusammen⸗ stellung der Entschließungen des Bundesrats auf die Beschlüsse des Reichstags alljährlich mit dem Reichshaushaltsetat vorzulegen“; 2) die Resolution der wirtschaftlichen Ver⸗ einigung, wonach die Reichsverwaltungen angewiesen werden sollen, bei Vergebung von Arbeiten und Lieferungen für das Reich möglichst nur solche Firmen zu berücksichtigen, die sich verpflichten, auf den Abschluß von Tarifverträgen 1 und bei den Bundesstaaten in derselben Richtung hingewirkt 5 3) die Resolution der Deutschkonser⸗ vativen auf endliche Bereitstelung der Mittel r Errichtung eines Kolonialkriegerdenkmals in Berlin; 4) die Resolution der Polen wegen eines Gese behufs Regelung des Aufenthalts der Ausländer im geasche Reiche: 5) die Kesolution der fortschrittlichen Volkspartei, „den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die Bereitwilligkeit zu erklären, in gemeinsame Verhandlungen mit ein⸗ zutreten, sobald von einer Großmacht Vorschläge ü eine 8 gleichzeitige und gleichmäßige Begrenzung der Rüstungsaufgaben gemacht werden“, diese durch eine aus der gesamten Linken, der Mehrheit des Zentrums und einem Teil der Reichspartei bestehende Mehrheit; 6) die Resolution derselben Partei, betreffend den Abschluß von Schiedsgerichts⸗ verträgen. 8 Abgelehnt werden gegen die Stimmen der Antragsteller und der Polen die sozialdemokrattiche Resolution auf sofortige

vH

8

Einleitung von Schritten zur Herbeiführung einer inter⸗ Leeöne. Verständigung über die allgemeine Einschränkung der Rüstung und Abschaffung des Seebeuterechts, und die sozial⸗ demokratische Resolution, die den Reichskanzler ersuchen will, Arbeiten und Lieferungen für die einzelnen Zweige der Reichs⸗ verwaltung nur an solche Firmen n vergeben, die die gesetz⸗ lichen Vorschriften über die Arbeits gungen einhalten und sich verpflichten, auf den Abschluß von Tarifverträ hinzu⸗ wirken usw., diese gegen die Stimmen der Antragsteller, der Polen, der fortschrittlichen Volkspartei und einiger National⸗ Ütberal

Der Etat für die Reichskanzlei wird ohne Debatte be⸗ willigt. Es folgt der Etat für das ver elt Amt.

Zu den fortdauernden Ausgaben liegt folgende Resolution der Abgg. Eickhoff (fortschr. Volksp.), Dr. Görcke⸗Brandenburg (nl.), von Liebert (Rp.) und Genossen vor:

den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, den in diesem Etat zur Förderung deutscher Schul, und Unterrichtszwecke im Auslande ausgeworfenen Betrag von 900 000 im Rechnungs⸗ jahre 1912 auf mindestens 1 Million Mark zu erhöhen.

Bei den Ausgaben für das Gehalt des Staatssekretärs kommt der

Abg. Dr. Pfeiffer (Zentr.) auf unsere Handelsbeziehungen zum Auslande zu sprechen und bese⸗ namentlich über die Be⸗ lästigung deutscher Reisenden durch die Zollbehörden in Rußland.

ür den Fall, daß Finnland zu einer russischen Provinz gemacht werden sollte, sei eine n. weitergehende Schädigung unseres

Exportes dorthin zu befürchten, und er bitte deshalb den Staats⸗

sekretär um Auskunft, wie weit die Re * in der Lage sei, die

Interessen unseres Handels in Finnland wahrzunehmen. Der Redner er⸗

klärt sich für die Resolution Eickhoff und bringt schließlich noch einen

Fall zur Sprache, wo die Interessen deutscher Kaufleute in Alaska

geschädigt worden sind.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

Ich möchte gleich den letzten Fall, den der Herr Abgeordnete zur Sprache gebracht hat, vorwegnehmen; uns ist von diesem Fall absolut nichts bekannt. Der Herr Abgeordnete hat mir zwar gestern gesagt oder geschrieben, daß er einen Fall wegen mangelnden Schutzes seitens eines Konsuls zur Sprache bringen werde, wir haben in unseren Akten nachgesehen und nichts gefunden. Ich kann also den Herrn Abgeordneten nur bitten, uns schriftlich die Sache genau anzugeben, daß wir ihr nachgehen können, vor allem auch den Namen des jungen Herrn aus Alaska, wir werden ihn vielleicht noch finden.

Was unsere Handelsbeziehungen zu Finnland betrifft, so hat der Herr Abgeordnete etwas vorgegriffen, Finnland ist noch nicht in das russische Zollgebiet einbezogen worden, es ist nur die Möglich⸗ keit dazu gegeben durch ein Gesetz aus dem Juni v. J.; ob die rmussische Regierung zu dem Zollanschluß schreiten wird, ist noch sehr fraglich. Es gibt natürlich in Rußland Stimmen, die dafür sind aus nationalistischen Gründen, es sind aber gerade in Rußland sehr starke Strömungen dagegen, weil eine Menge russischer Industrieller nicht wünschen können, daß Finnland dasselbe Zollgebiet mit Rußland bildet, Finnland, das für die industriellen Betriebe billige Wasserkräfte hat und daher den Russen ein sehr unangenehmer Konkurrent werden kann. Es gelten daher in Finnland noch immer die alten Zölle, die allerdings in einigen Punkten erhöht worden sind, und zwar nicht auf russische Anregung, sondern auf Betreiben finnländischer Industrieller; es sind wie Sie wissen werden namentlich zwei Positionen: Schuhzeug und Tauwerk.

Wir können es natürlich nicht hindern, wenn Rußland seine finnische Provinz (Zuruf von den Sozialdemokraten) seinem all⸗ gemeinen Zollgebiet einverleibt. Wir haben uns aber dagegen ge⸗ sichert, daß unsere Interessenten überrascht werden, indem wir in dem Vertrag mit Rußland vorgesehen haben, daß uns Rußland zwei Jahre zuvor unterrichtet, wenn es diese Einverleibung vornehmen will. Ich glaube, mehr können wir nicht tun. (Bravo!)

Abg. Dr. David (Soz.) führt aus, daß die Einverleibung Finnlands mit Rußland den Widerspruch der ganzen zivilisierten Welt erfahren müßte, die den Tag mit Jubel begrüßen würde, wo das russische Schandregiment den längstverdienten v. ruch er⸗ leide. eer Redner bringt dann zwei Fälle zur Sprache, die bereits in der österreichischen Delegation durch den Abg. Dr. Ellenbogen zur Sprache gebracht worden sind. Es handelt sich dabei um einen Handelsgehilfen und um ein Brautpaar, die von Wien kommend nach London reisen wollten, aber in Rheine an der holländischen Grenze von einem Polizeibeamten untersucht und in Haft genommen worden sind. Der Beamte soll versucht haben, ihnen Billette des Norddeutschen Lloyds aufzudrängen. Dem tpaare wurden 80 Kronen abgenommen, und sie wurden dann nach der Kontroll⸗ station in Bingerbrück in 12 stündiger Fahrt transportiert und dort von einem Arzt untersucht, obwohl sie gar nicht krankheitsverdächtig waren. Auf ihre Kosten wurden sie n der österreichischen Grenze nach Passau transportiert. Sie mußten sogar die Transportkosten bezahlen. Personen, die einen Schnellzug benutzen, können bis zur holländischen Grenze durchfahren, Personen mit einem gewöhnlichen Billett werden aber in Leipzig oder Bingerbrück . halten und gezwungen, ein Billett des Norddeutschen Llopds zu nehmen. Das sei ein Zustand, dessen sich das Deutsche Reich müsse. Was würde man dazu sagen, wenn so etwas in Frankreich oder Italien passierte? Gegen eine solche Konfiskation des Eigentums und gegen eine solche Freiheits⸗ beraubung müsse die entschiedenste eingelegt werden. Was ist und was soll gef um solche schmähli Vorkomm⸗ nisse zu verhindern? Solche Dinge müssen ja auch unsere aus⸗ wärtige Politik, zumal unser Verhältnis zu Oesterreich berühren; sie sind eine Illustration, wie die preußische Polizei das Verhältnis zu Oesterreich zu pflegen und zu würdigen weiß. Sollte hier nicht eine Ge heit für den Reichskanzler sein, sich zu fragen, wie solches auf das Volksempfinden in Oesterreich wirkt? Es liegt hier nicht bloß ein Bruch mit den Gesetzen der Humanität, sondern auch ein Bruch der internationalen rträge vor. Wäre der Staatssekretär ein Mann (Heiterkeit) .. . ich bezweifle das noch nicht (Erneute große Heiterkeit), so wird er in diese das Ansehen des Deutschen Reiches so schwer schädigende preußische Polizeiwirtschaft mit einem Donnerwetter dreinfahren!

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

Der Herr Abgeordnete hat eine Beschwerde österreichisch⸗unga⸗ rischer Untertanen (Rufe bei den Sozialdemokraten: Staatsbürger!) gegen die preußischen Behörden vorgebracht. Das geht zunächst das Reich nichts an, da wir nicht in der Lage sind, in die den Einzel⸗ staaten zustehende Fremdenpolizei einzugreifen. (Hört, hört! und Zu⸗ rufe bei den Sozialdemokraten: Schwach!) Schwach mag es sein, aber richtig ist es (Sehr richtig! rechts), und der Herr Ab⸗

schämen

1 nicht meine Sache. (Zurufe bei den Sozialdemokraten. Glocke des Präsidenten.)

Wir sind mit der Sache nur so weit befaßt worden, als der österreichisch⸗ungarische Botschafter vor einiger Zeit bei uns angefragt hat, wie die Sache liege, und darauf haben wir das getan, was wir allein tun konnten qua Auswärtiges Amt; wir haben bei dem preußischen Minister des Innern angefragt: wie steht die Sache 2 und bis jetzt ist die Sache noch nicht ganz aufgeklärt. (Zurufe bei den Sozialdemokraten.) Wenn Sie das nicht glauben, ich kann Ihnen nichts weiter sagen. (Wiederholte Zurufe bei den Sozialdemo⸗ kraten. Glocke des Präsidenten.)

Daß wir noch keine vollständige Antwort haben, das sage ich Ihnen, und das ist so, und was wir da anderes hätten tun sollen, wüßte ich nicht. Wir hatten in der Sache vor allem bei dem preu⸗ ßischen Minister des Innern anzufragen: wie steht die Sache? Die Auskunft, die wir darauf bekommen, die wir teilweise haben, aber noch nicht ganz haben, bin ich gern bereit, Ihnen mitzuteilen. Wenn der Herr Abgeordnete mir vorher gesagt hätte, daß er diesen Spezialfall, den ich nicht so genau im Kopfe haben kann, vorbringen wollte, dann hätte ich ihm heute schon dasjenige Material, das wir bekommen haben, zur Verfügung stellen können. rechts.)

Abg. Dr. Görcke⸗Brandenburg (nl.): Die Klagen über Be⸗ handlung der Deutschen im Ausland, die auch ich bisher mehrfach vortragen mußte, scheinen ja in den letzten Jahren weniger geworden zu sein. In manchen Fällen erhält man immer noch den indruck, daß dem Umstand, daß es sich um deutsche vee; vge: handelt, nicht genügend Rechnung getragen wird. Der Titel im Etat, der die Mittel zur Rückbefö g mittelloser Auswanderer hergibt, wird in auffallend geringem Maße in Anspruch genommen. Das neue Berufskonsulat in Wladiwostok üßen wir mit großer Genugtuung und möchten nur wünschen, daß auch in Westsibirien ein solches errichtet wird. Für die außerordentliche Tätigkeit, die unsere Konsuln bei der chinesischen beausstellung in Nanking ent⸗ faltet haben, können wir nur die größte Anerkennung aussprechen, es ist ihnen auch gelungen, einen Katalog in deutscher und chinesischer Sprache herzustellen, der einen brauchbaren Führer für die Aus⸗ stellung abgab, den einzigen übrigens, der den Besuchern zur Ver⸗ fügung stand. Die Ausstellung gab einen b Ueberblick über die gesamte Entwicklung des Gewerbes und der Industrie in ganz China und war ein sehr wesentlicher Fingerzeig für unsere deutschen Industriellen. Weshalb ist denn der Bericht der Industrie so spät herausgekommen? Der Konsulatsneubau in Tientsin ist nicht so aus⸗ gefallen, wie man es wohl gewünscht bätte; der Bau ist sehr teuer geworden. Die deutsche Schulfrage hat sich in den letzten Jahren immer mehr als eine der wichtigsten für die Ausbreitung deutscher Sitte und Kultur sowie deutschen Handels und Exports im Auslande erwiesen. Wir haben nicht nur in Ostasien solche Schulen, sondern auch sonst auf dem Erdenrund in großer Zahl. Es mu aber ein neuer Anstoß gegeben werden, den Fonds hierfür im nächsten Jahre auf eine angemessene Höhe zu bringen; deshalb haben wir beantragt, den Reichskanzler zu ersuchen, in den Etat für 1912 den Fonds mindestens in Höhe von 1 Million einzustellen. Den diplomatischen Verkehr soll man nicht als ein Reservat exklusiver Kreise betrachten; man soll auch Kaufleuten den Weg in den Konsularberuf ebnen. Einem früheren deutschen Reichsan

zurückgekehrt ist, ist die Reichsangehörigkeit nicht wieder zugespr worden! Wo bleibt das längst, seit langen Jahren in Aussicht ge⸗ stellte Gesetz über den Erwerb und Verlust der Reichsangehörigkeit?

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

angehörigkeitsgesetzes nur sagen, daß das Gesetz von den Behörden vollständig fertiggestellt ist und fertig daliegt. Mit Rück⸗ sicht auf die Geschäftslage dieses Hauses ist aber vorläufig darauf verzichtet worden, es den gesetzgebenden Körpern vorzulegen.

Was die Anfrage wegen einer Anzahl noch nicht erledigter Reklamationen betrifft, möchte ich antworten, daß das alles

ziehen. das bekannt gegeben —, hat die englische Regierung alle unsere

afrika verhandelt worden sind, abgelehnt, und es auch abgelehnt, dieselben schiedsgerichtlicher Entscheidung zu⸗ zuführen. (Hört, hört!) Sie hat gesagt es ist das ein Beweis, wie manchmal auch Schiedsverträge versagen —, sie hat gesagt, das

was England bewilligt und gegeben hat, hat es nur aus gutem Willen getan. Wir haben daraufhin und darauf steht die Ant⸗ wort noch aus den Antrag bei der englischen Regierung gestellt,

deutsch⸗britischen Schiedsabkommens von 1904 handelt. schlag haben wir jetzt gemacht, und darauf erwarten wir wort. (Hört, hört!)

feiffer schließe ich mich vollkommen an. Der Resolution Eickhoff und en bitten wir zuzustimmen. 3

fremden Ländern bedarf jeder Förderung. Im ““ mich schon beklagt über die Unbilden, denen Kaufleute jüdischen Glaubens in Rußland ausgesetzt sind. Diese Beschwerden bezie sich auf die Bestimmungen über den Aufenthalt und die Paßvorschriften. Worüber wir uns beschweren, ist, daß die deutschen Behörden den russischen dadurch entgegenkommen, daß sie bes igen, daß der Betreffende ein Jude ist. Das ist eine Bevormundung, die nicht gerechtfertigt ist. Es muß jedem überlassen werden, ob er eine Be⸗ zeichnung über seinen Glauben haben will oder nicht. Die Amerikaner und Engländer jüdischen Glaubens sollen in Rußland behandelt werden; ich glaube das nicht. die nischen englischen Behörden kümmern sich um die en. ehörigkeit der Reisenden nicht. Im vorigen Jahre hat der Staatssekretär ehag. die russische Regierung neue Paßvorschriften in A gesteblt. Sind neuerdin der deutschen Regierung in der hSeeuin IeS Angehöriger bekannt geworden? Eine andere Frage ifft die Ausweisung galizischer Arbeiter. Diese Frage tangiert das Ansehen des Deutschen Reichs wesentlich, und der Staatssekretär hätte wohl Veranlassung, den preußischen Minister des Innern auf diese Mißstände hinzuweisen. Auf einzelne Fälle gehe ich nicht ein, weil ich sonst die einzelnen Fälle dem Staatssekretär hätte vorher mitteilen müssen. Miech interessiert die generelle Seite der Frage. Es wird vielfach über Härten bei der Ausführung der Ausweisungen geklagt. Wiederholt ist ein Aufschub der Ausweisungen auf R ationen erfolgt. Das ist erfreulich. Aber ich frage, warum wird denn der Aufschub, wenn der Betreffende sich nichts hat zu schulden kommen lassen, dann nicht verlängert? Vor kurzem ist einem fleißigen Arbeiter, der seit Jahren hier tätig war, eine Frist gewährt worden, aber mit dem ausdrücklichen Be⸗ merken, daß er auf eine Verlängerung nicht rechnen dürfe. So Härten müßten vermieden werden.

geordnete überschätzt mich, wenn er glaubt, ich könnte in die preußische Regierung wie ein Donnerwetter hineinfahren. (Heiterkeit.) Das ist

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(Sehr richtig!

gehörigen, der aus Deutschland fortgegangen und nach 35 Jahren mit einem bedeutenden Vermögen

Dem Herrn Abgeordneten kann ich bezüglich des Staats⸗

Reklamationen sind, die sich auf den Krieg in Britisch⸗Südafrika be⸗ Wie Ihnen wohl aus der Presse bekannt ist wir haben 8

Reklamationen, die vor den britischen Kommissionen in Süd⸗ 8 zwar hat sie

ist nicht Gegenstand für eine schiedsrichterliche Entscheidung; denn

die Frage schiedsgerichtlicher Entscheidung zu unterwerfen, ob es sich bei unseren Ansprüchen um streitige Rechtsfragen im Sinne des Diesen Vor-. ꝛoch die Ant⸗

Abg. Kämpf (fortschr. Volksp.): Den Beschwerden des Abg. Dr. Der deutsche Gewerbefleiß in behe

Aber die amerikanischen und

anzeiger und Königlich Preusischen Staatsanzeiger.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

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Abg. Frank⸗Ratibor (Zentr.): Ich kenne einen Geistlichen, der im origen Jahre nach Rußland gehen wollte und die größten EE hatte, einen Paß zu bekommen. n meinem Wahl⸗ kreise haben Massenausweisungen ausländischer Arbeiter stattgefunden, die doch höchst bedenklich sind, die doch zu unliebsamen Repressalien führen können. Auch in bezug auf

usfertigung von Hausier⸗

scheinen an Ausländer sind Klagen laut geworden, ebenso üb r die 1 Dieselbe Klage ereg

Ueberschwemmung der Grenzbezirke mit Z über die Zigeunerplage wird auch in Elsaß⸗

ringen erhoben. Die S sollte auf internationalem Wege geregelt werden; denn die Fälle mehren sich, wo Ueberfälle und Terliche Angriffe durch Zigeuner vorkommen. 8

Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Unsere Generalkonsulate unter⸗ scheiden sich von denen anderer Staaten dadurch, daß sie ihre Briefe an die Kaufleute nicht frankieren. Hierin müßte endlich Wandel ge⸗ schafft werden. Auf die paar Groschen kann es wirklich dem Deutschen Reiche nicht ankommen. Erstaunt bin ich, daß der Staats⸗ sekretär von einer Provinz reichischen Untertanen gesprochen hat. es in Oesterreich nicht. 8 ff „Untertan“ keine Aufnahme sinden. In

Solche Untertanen bezug auf das

Paßvisum für jüdische Reisende sollte der Staatssekretär gründliche

Abhilfe schaffen. Ueber die unglaublichen Fälle, die der Abg. David mitgeteilt hat, erhält der Staatssekretär hoffentlich von dem Minister des Innern bis zur dritten Lesun Auskunft. Es handelt sich in der Tat um einen Skandal, um eine lizeiwillkür schlimmster Art, der gegenüber man eigentlich beinahe sprachlos ist. Die deutschen Schiffahrtsgesell⸗ schaften dürfen nicht in den Verdacht kommen, auswärtige Reisende zu vergewaltigen und sich zu bereichern. Ich bin überzeugt, daß, wenn diese Fälle zur Kenntnis der großen Schiffahrtsgesellschaften kommen, sie sofort Remedur eintreten lassen werden. Bei Millionengesell⸗

schaften können so kleine Summen doch keine Rolle spielen, und unser

gutes Verhältnis zum Auslande beruht doch nicht bloß auf den Ver⸗ trägen und unserer diplomatischen Vertretung, sondern auf der Stim⸗

mung. Die heute angeführten Fälle müssen im Auslande Entrüstung

und Empörung hervorrufen. Was den G. E. über die Staatsangehörig⸗ keit betrifft, so sollte er wenigstens schleunigst veröffentlicht werden. Abg. Dr. David (Soz.): Der Staatssekretär hat mir vorgeworfen, daß 2 ihm nicht vorher mitgeteilt habe, daß ich die Fälle zur Sprache bringen werde. Er hat doch diese Fälle schon durch den österreichischen Botschafter erfahren. Wird denn das, was in der Wiener Presse erscheint, nicht von der Botschaft in Wien verfolgt? Ueber die Vorgänge selbst sind zwei Monate ins Land gegangen und fünf Wochen, seitdem sie in der Delegation in Pest besprochen worden sind. Ich kann den Staatssekretäar doch nicht erst instruieren. Daß es sich hier um eine preußische Angelegenheit handelt, wird wohl niemand im Hause glauben. Der Staatssekretär muß doch so viel staatsmännische Einsicht haben, daß es sich hier um eine Reichs⸗ sache handelt. Eine Kontrollstation besteht doch v9 in Leipzig. Es handelt sich hier um einen Verstoß gegen die Ha rechte und gegen die persönliche Freiheit. Durch solche Vorgänge muß das Ausland in höchstem Grade gegen Deutschland aufgebracht werden. Oesterreich ist doch eine verbündete Macht, an deren Sympathien uns liegen muß. Als dem Staatssekretär die Sache von dem Botschafter mit⸗ geteilt wurde, hätte er mit der Fauft auf den Tisch schlagen müssen, wenn auch nur Statt dessen hat er in sich hinein⸗ eeschmunzelt. Sein Verhalten hat etwas Beschämendes, und es kann ein Ansehen bei seinen Kollegen im Auslande nicht heben, wenn er dabei den Ohnmächtigen spielt.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

Es ist von neuem bestritten worden, daß ein Akt der Fremden⸗ polizei eine preußische Sache sei. Daß es sich auch um eine Statio in Leipzig handelt, kann dabei nicht in Betracht kommen; dann ist es eben eine preußische und eine sächsische Sache.

der Aufsicht des Reiches untersteht. Aber diese Aufsicht kann doch nur insoweit ausgeübt werden, als sich bisher das Reich auf diesem Ge⸗ biete gesetzgeberisch betätigt hat, und das hat das Reich bisher nicht getan. Speziell berührt die Sache das Auswärtige Amt nur insoweit, als es sich um Verträge mit anderen Mächten handelt, und ein solcher Vertrag kommt in den hier zur Sprache gebrachten Fällen nicht in Betracht. (Zurufe bei den Sozialdemokraten: Die Meistbegünstigungsklausel mit Oesterreich!) Es ist kein Vertrag da, der gegen die Ausweisung irgend eines Fremden sprechen könnte. (Zuruf bei den Sozial⸗ demokraten: Es ist niemand ausgewiesen!) Das war die Ausweisung eines mißliebigen Fremden! (Zuruf bei den Sozialdemokraten: Nein, sie wollten ja hinaus, aber man hat sie nicht fortgehen lassen!) Weil keine Sicherheit gegeben war, daß sie über die Grenze gehen! So habe ich den Fall aufgefaßt. Ich kann Ihnen aber eine detaillierte Auskunft nicht geben, wie ich bereits betont habe, weil mir selber die Auskunft vom Herrn Minister des Innern noch nicht vollständig zur Verfügung steht.

Was nun den diplomatischen Weg anlangt, und wie sich die Sache mit dem Botschafter von Oesterreich⸗Ungarn abgespielt hat, das bitte ich doch den Herrn Abgeordneten, mir zu überlassen. Ich weiß ja, als ich selber draußen als Gesandter mit den Herren Ministern umgegangen bin, wie man mir da gesagt hat: zunächst muß ich mich bei den inneren Behörden befragen. Ferner, wie soll ich dem Botschafter eine Antwort geben oder gar Entrüstung zeigen, ehe ich weiß, was da vorgekommen ist! Nur auf Grund dessen, was die Partei auf einer Seite aussagt? Und wenn dann der Herr Abgeordnete gesagt hat, daß wir zu schlecht informlert seien, so kann ich ihm versichern, daß die Botschaft uns eine ganze Menge Artikel eingeschickt hat. Außerdem lag ein Protokoll über die Interpellation der Note des österreichischen Botschafters bei. Also darüber waren wir vollständig informiert, aber doch nur immer einseitig informiert, und es ist unsere Pflicht, darüber zunächst unsere Behörden zu hören. Der Herr Reichskanzler ist auch von der Sache unterrichtet worden. Er kann aber nicht jeden einzelnen Fall selber vornehmen; er würde auch gar nichts anderes tun lönnen, als zunächst den Minister des Innern auf⸗ zufordern, sich zu äußern, und der muß wieder seine Behörden fragen.

Der Herr Abg. Gothein hat nun aber noch verschiedene Wünsche vorgebracht. Was die Frage betrifft, daß unsere Konsulats⸗ behörden ihre Briefe nicht frankieren, so liegt das daran, daß

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Finnland und von den öster⸗

In künftige Handelsverträge sollte der unserer büee 8. ihre Konfession zu

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Zweite Beilage

Berlin, Sonnabend, den 1. April

sie dazu keine Mittel haben. Wie käme der Konsul dazu, eine umfangreiche Korrespondenz aus seinen eigenen Mitteln zu be⸗ streiten? Im Etat sind Mittel dafür nicht ausgeworfen. Ein ge⸗ wandter Kausmann und Geschäftsmann wird aber sehr wohl in der Lage sein, seinem Briefe Freimarken oder jetzt einen internationalen Antwortschein beizulegen. Ich glaube also, der Fehler liegt eher an dem Kausmann, der, ohne Freimarken beizulegen, schreibt, als an dem Konsul, der unfrankiert zurückschreibt. Etwas sehr Umständliches wäre es, wenn wir hier noch die Kosten einziehen sollten und sie sehr häufig dann nicht bekommen würden. (Seiterkeit.)

Was die Pässe für Juden nach Rußland betrifft, so hätte es nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten scheinen können, als ob wir ihnen zwangsweise den Juden⸗ stempel aufdrücken. So ist es nicht, sondern wer über die Grenze nach Rußland will, muß für das russische Visa seine Konfession nachweisen. (Zuruf: Die Engländer nicht!) Es ist im Interesse unserer ich hätte beinahe gesagt Untertanen (Heiterkeit) Staatsangehörigen, eine behördliche Bescheinigung über erhalten, damit sie ohne Schwierig⸗ keiten hinüberkommen. Daß die jüdische Konfession im Paßvisa vermerkt wird, liegt daran, daß für sie noch besondere weitere Bestimmungen bestehen. Es sind für sie gewisse Bedingungen gestellt. Wir können die russische Gesetzgebung nich ändern; da sich unsere Untertanen (Heiterkeit) oder Staatsangehörigen danach richten müssen, so erleichtern wir es ihnen nur, wenn wir bei Erteilung unserer Pässe auf die Vorschriften der russischen Regierung Rücksicht nehmen. (Zuruf links.)

Der Herr Abg. Gothein hat es mir als einen schweren Vorwurf vorgehalten, daß ich den Ausdruck „Untertan“ noch dazu bei einem Oesterreich⸗Ungarn gebraucht habe. Ja, meine Herren, das ist doch ein landläufiger Ausdruck, so landläufig, daß ich mich erinnere, in der Budgetkommission ihn sogar von einer noch weiter links stehenden Seite als der Herr Abg. Gothein ich glaube, von dem Herrn Abg. Ledebour gehört zu haben. (Abg. Ledebour: Leider über die Zunge gekommen!) Staatsrechtliche Folgen habe ich daran nicht knüpfen, sondern nur einen landläufigen Ausdruck gebrauchen wollen.

Ebenso ist es mit dem Ausdruck „Provinz Finnland“. Ich will hier keine staatsrechtlichen Auseinandersetzungen darüber beginnen, ich habe mit diesem Ausdruck nur die Zugehörigkeit Finnlands z Rußland bezeichnen wollen, die gerade in diesem Spezialfall der Zölle in Betracht kam.

Was die Veröffentlichung des Gesetzes über die Staats⸗ angehörigkeit betrifft, so kann ich dem Herrn Abgeordneten von mir aus keine Zusage machen; das hängt nicht von mir ab.

Damit schließt die Debatte. Das Gehalt des Staats⸗ sekretärs wird bewilligt, ebenso ohne Diskussion die sonstigen

Ausgaben für das Auswärtige Amt sowie für die Gesandt⸗

schaften und Konsulate.

Bei den „Allgemeinen Fonds“ ist eine Erhöhung des Postens zu „Geheimen Ausgaben“ von 1 Million auf 1 300 000 eingestellt. Die Kommission hat die Mehrforde⸗ rung von 300 000 abgesetzt, und dafür einen neuen Tite einzustellen beantragt: „Förderung des deutschen Nachrichten⸗ wesens im Ausland 300 000 ℳ“. Der Kommissionsantrag

wird ohne Diskussion angenommen; eine Wortmeldung des

Es ist auf die Ver⸗ Abg. Ledebour wird für verspätet erklärt.

fassung aufmerksam gemacht worden, wonach auch die Fremdenpolizei

Bei dem Fonds von 900 000 für Förderung deutscher Schul⸗ und Unterrichtszwecke im Auslande be⸗ anstandet der

Abg. Kohl (Zentr.), daß an den deutschen Schulen im Auslande nur 17 katholische Lehrer sich be n, ein ganz außerordentliches Mißverhältnis. Noch schlimmer as Mißverhältnis zwischen den protestantischen und katholischen Direktoren; an den höheren Schulen seien sie fast ausnahmslos protestantisch, nur in Belgrano, in

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Argentinien und in Madrid sei ein katholischer Direktor.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter: 1

Ich kann dem Herrn Abgeordneten auf seine Frage nur er⸗ widern, daß die Anstellung der Lehrer nicht vom Auswärtigen Amte abhängt. Das sind alles selbständige Schulen, die ihre Lehrer selbst beziehen, selbst auswählen und selbst anstellen. Wir zahlen an die Schulen nur einen Zuschuß, haben aber keinen direkten Einfluß auf die Schulen. Das einzige ist, daß man, wenn eine Schule nicht das

leistet, was man von ihr erwartet, ihr den Beitrag entziehen kann;

aber auf die Auswahl der Lehrer an diesen Schulen haben wir keinen Einfluß.

Der Titel wird bewilligt, die Resolution Eickhoff wegen Erhöhung der Position im nächsten Etat angenommen.

In den einmaligen Ausgaben hat die Kommission statt der

angeforderten dritten Rate für den „Erwerb eines Botschafts⸗

ebäudes in St. Petersburg 450 000 ℳ“ zum „Neubau

s Botschaftsgebäudes in St. Petersburg einschließlich der anderweitigen Unterbringung der Botschaft während der Bau⸗ zeit“ als Schlußrate 401 640 zu bewilligen beantragt. Abg. Dr. Heckscher (fortschr. Volksp.) geht auf die Vorgeschichte dieses Titels näher ein. 1909 seien 612 960 zum Erwerb des alais Michael, 1910 eine zweite Rate von 685 400 im Etat er⸗ chienen. Jetzt erscheine eine dritte Rate für den Erwerb, und es

stelle sich heraus, daß dieses Palais noch gar nicht erworben ist, daß

man vielmehr jetzt damit umgehe, das bisherige, früher als ganz unzulänglich und gesundheitsschädlich hingestellte, nicht einmal kanali⸗ ierte Botschaftsgebäude auszubauen! Dieses Vorkommnis müsse der

kergessenheit entrissen werden; der Staatssekretär müsse erklären, wie es sich rechtfertigen lasse, daß der Reichstag über den Verlauf der Dinge völlig im dunkeln gelassen worden sei.

Staatssekretär des Auswärtigen Amts von Kiderlen⸗ Waechter:

Meine Herren! Es war für ein neues Botschaftsgebäude in St. Petersburg das Palais Michael in Aussicht genommen. Der Kauf war auch so gut wie fest abgeschlossen, unter der Bedingung jedoch, daß der Großfürst noch verschiedene Besitztitel beizubringen habe, die er uns bestimmt zugesagt hatte. Die Besitztitel kamen und

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ändern, daß man sagt statt Erwerbung eines

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kamen nicht. Wir haben immer wieder gemahnt. Der Großfürst Michael hatte uns gesagt, er sei noch mit einzelnen Behörden in Unterhandlung; denn es hatte sich herausgestellt, daß das Haus nicht überall die richtigen Grenzen einhielt (große Heiterkeit) das kann och auch vorkommen, meine Herren —, es war teils auf Marine⸗ terrain, teils auf sonstiges fremdes Gebiet überbaut worden. Es hatte sich namentlich auch herausgestellt, daß sich die unterirdische Leitung für die Heizung, die von einem Nebengebäude aus nach dem Palais hinüberging, unter einer der Stadt gehörenden öffentlichen befand. Es war nicht sicher, daß die der Botschaft gegenüber diese Unterführung ebenso dulden würde, wie sie es dem Großfürsten gegenüber hatte; da wir die Titel immer noch nicht bekamen, so sahen wir uns schließlich gezwungen, einen Termin für die Herbei⸗ schaffung dieser Besitztitel zu stellen, und haben erklärt, wenn sie nicht bis zu einem bestimmten Termin uns heschafft würden, so müßten wir vom Vertrag zurückstehen. Das ist auch geschehen. (Beifall rechts.)

Nun kam natürlich die Frage: sollen wir nun wieder ein neu Gebäude suchen? Das war sehr schwer zu finden. Oder sollten wir an einen Neubau auf dem alten Grundstück denken? Zwei Gründe waren es, die immer gegen einen solchen Neubau sprachen und auch von

en Sachverständigen dagegen geltend gemacht wurden. Einmal die schwere nd teuere Fundamentierung. Bekanntlich ist ja St. Petersburg auf

sumpfigem Terrain gebaut. Man hätte also nach der alten Praxis Dadurch werden ganz

da Stämme einlassen müssen usw.

Kosten hervorgerufen. Es ist aber jetzt ein neues Verfahren der Fundierung in Anwendung gekommen, das jetzt auch aber ganz neuerdings erst von einer Firma in St. Petersburg angewandt wird. Es handelt sich um die Einlassung von gegossenen Zementquadern. Dadurch wurde der Neubau wesentlich billiger und leichter er⸗

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Die zweite Frage, die gegen den Umbau der alten otschaft sprach, waren die enormen Kosten für Unter⸗ ingung der Botschaft in der Bauzeit. Es war schwer möglich, ein

Haus zu finden, das dafür geeignet war, und da man natürlich wußte, sich in dem Moment der Botschafter in einer Notlage befand, so waren die Preise ganz eminent hoch. Es sich nun wieder durch einen glücklichen Zufall ergeben, eines anderen Groß⸗ fürsten zur Verfügung stand, das H es Großfürsten Alexei, das später verkauft werden soll, uns aber ie Zwischenzeit zu einem relativ sehr billigen Preise überlassen w kann. Wir haben des⸗ halb der Budgetkommission, der wir iese Sachen genau vor⸗ getragen haben, damals den Vorschla ht, den Titel dahin zu

Wir hoffen, daß der Neubau vollständig zur Befriedigung aller Bot⸗ schafter, die einmal darin wohnen sollen, ausfallen wird. Es handelt sich nicht um die Aufsetzung eines zweiten Stockwerks, wie der Herr Abgeordnete gesagt hat, sondern die Botschaft soll von Grund auf neu gebaut werden. Dadurch werden auch sehr viel mehr Räume gewonnen, und die Platzverteilung, die bisher sehr schlecht war, soll eine andere und bessere werden. (Bravo!)

Nachdem noch der Abg. Erzberger als Referent dem Abg. Heckscher erwidert hat, daß ein Verstoß gegen budgetäre Grundsätze hier nicht vorliege, indem die Titelverschiebung durchaus im Einklang mit dem Rechnungshof erfolge, wird der Kommissionsantrag angenommen und der Rest des Etats ohne weitere Diskussion bewilligt.

Um 7 ¾ Uhr wird die Fortsetzung und Beendigung der zweiten Lesung des Reichshaushaltsetats (Zölle und Steuern, Reichsschatzamt, Reichsschuld, Etatsgesetz) auf Sonnabend 11 Uhr vertagt. 3

traß Strat

Mieöhs *† Stadt

getan

Nr. 17 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, beraus⸗ gegeben im Reichsamt des Innern, vom 31. März hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ermächtigung zur Vornahme von Zivilstands⸗ handlungen; Exequaturerteilung. 2) Marine und Schiffahrt: Er⸗ scheinen der amtlichen Liste der deutschen Seeschiffe mit Unter⸗ scheidungssignalen für 1911. 3) Versicherungswesen: Beaufsichti⸗ ung einer privaten Versicherungsunternehmung durch die Landes⸗ hebörde. 4) Zoll⸗ und Steuerwesen: Veränderungen in dem Ver⸗ zeichnis der im Ausland zur Ausstellung von Zeugnissen über die chemische Untersuchung von zollbegünstigten Gerbstoffauszügen er⸗ mächtigten wissenschaftlichen und Fachanstalten. 5) Poltzeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Nr. 13 der „Veröffentlichungen des Kaiserliche sundheitsamts“ vom 29. März 1911 hat folgenden Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten. Zeitm Maßregeln gegen ansteckende Krankheiten. Desgl. gegen Pest. Desgl. gegen Cholera. Desgl. gegen Pocken. Bevölkerun bewegung in Bosnien und der Herzegowina, 1909/10. Mit aus Britisch Ostindien, 1908. Gesetzgebung usw. Impfung. Kinderlähmung. Dauerausscheider, Keimträger. (Reg.⸗Bez. Potsdam.) Pflegeschwestern. (Berlin.) Beförderung

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kranker Personen. (England). Hafengesundheitsbehörde.

(Bulgarien.) Bleihaltige Waren. Tierseuchen im Auslande.

Maul⸗ und Klauenseuche in Großbritannien. Tierseuchen in Belgien, 4. Vierteljahr 1910. Desgl. in Serbien. Zeitweilige Maßregeln gegen Tierseuchen. (Preuß. Reg.⸗Bez. Allenstein; Bayern, Niederbavern, Sachsen, Württemberg, Mrcler. burg⸗Schwerin, Mecklenburg⸗Strelitz, Oesterreich, Frankreich, Luxem⸗ burg, Schweden.) Verhandlungen von gesetzgehenden Körper⸗ schaften, Vereinen, Kongressen usw. (Deutsches Reich.) III. inter⸗ nationaler Kongreß für Wohnungshygiene. sen.) Feuer⸗ bestattung. (Italien.) VII. internationaler Tuberkulosekongreß. Vermischtes. (Deutsches Reich.) Schlachtvieh⸗ und Fleischbeschau, 4. Vierteljahr 1910. (Deutsche Schutzggebiete.) Medizinalberichte, 1908/09. Geschenkliste. Wochentabelle über die Sterbefälle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwohnern. in größeren Städten des Auslandes. Erkrankungen in . häusern deutscher Großstädte. Desgleichen in deutschen Stadte und Landbezirken. Witterung. 11“