1911 / 108 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

RNettung verdanke.

Preußen. Berlin, 8. Mai.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. am 5. Mai in Newportnews (Virginia) und S. M. S. „Scharn⸗ horst“ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders vorgestern in Nagasaki eingetroffen.

S. M. SS. „Gneisenau“ und „Leipzig“ sind am 5. Mai in Itsukushima (Japan) eingetroffen. S. M. J. „Hohenzollern“ ist vorgestern in Gibraltar St und hat an demselben Tage die Reise nach Vlissingen ortgesetzt. 9 8 1

Schaumburg⸗Lippe. Die „Schaumburg⸗-⸗Lippesche Landeszeitung“ veröffentlicht folgenden Erlaß Seiner Durchlaucht des Fürsten

Adolf: An mein Ministerium!

Die allgemeine herzliche und innige Teilnahme, welche bei dem Heimgange und bei der Beisetzung meines geliebten Herrn Vaters in zahlreichen Kundgebungen Mittrauernder von nah und fern zum Ausdruck gebracht worden ist, hat mir und den Meinigen, besonders auch meiner vielgeliebten Frau Mutter, großen Trost in unserem tiefen Schmerz bereitet. Ich habe daraus ersehen, welche große Liebe und Verehrung mein nun in Gott ruhender teurer Herr Vater in allen Bevölkerungskreisen seines Landes und weit über die Grenzen seines Fürstentums hinaus genossen hat. Der hohe Entschlafene, allezeit gütig und gerecht, hing aber auch mit jeder Faser seines Herzens an seinem angestammten Lande und dem lieben deutschen Vaterlande. Allen, welche durch ihre Teilnahme unserem Herzen wohlgetan haben, spreche ich dafür meinen, meiner vielgeliebten Frau Mutter und der Meinigen tiefgefühlten herzlichen Dank aus. Ich beauftrage mein Ministerium, diesen Erlaß zur allgemeinen Kenntnis zu bringen.

Bückeburg, 5. Mai. 8 1 2

Großbritannien und Irland.

Der König, die Königin, die Königin⸗Witwe Alexandra und viele andere Mitglieder der Königlichen Familie wohnten vorgestern in Windsor einer Gedächtnisfeier für den König Eduard aus Anlaß seines Todestages bei.

Frankreich. In dem vorgestern unter dem Vorsitz des Präsidenten Fallières abgehaltenen Ministerrat teilte der Minister des Aeußern Cruppi die am 30. April durch den französischen Konsul in Fes abgesandten Nachrichten mit. Der „Agence Havas“ zufolge ist danach die Einschließung der Stadt vollständig. Die am Sebu wohnenden Stämme sind abgefallen. Man be fürchtet, daß die Lebensmittelteuerung einen Aufstand hervor⸗ Aufen wird. Die Munition der Artillerie ist sehr zusammen⸗ geschmolzen. Der Sultan drang bei dem französschen Konsul und dem Oberstleutnant Mangin darauf, daß die Kolonne, deren Entsendung er erbeten habe und die der euro⸗ päischen Kolonie sowie der scherifischen Streitmacht zu Hilfe kommen solle, ihren Auftrag sobald wie möglich erledige. Der Kriegsminister Berteaux erklärte, daß die Hilfskolonne des Generals Moinier ihren Marsch unter den vorher angegebenen Verhältnissen fortsezen werde. Er gab sodann Bericht über die Besetzung von Debdu und sprach dem General Toutée seine Glückwünsche aus für seine zweckmäßigen Anordnungen sowie für die gute Haltung der Truppen. Eine Abordnung von Einwohnern von Debdu habe der Militärbehörde erklärt, daß sie ihr ihre Der Kolonialminister Messimy sprach sodann über die Maßregeln, die er ergreifen werde, um zu verhindern, daß die Kuilu⸗Niari⸗Gesellschaft, die im äquatorialen Afrika ein Gelände von drei Millionen Hektar besitze, ausgedehnte Gebietsteile an eine fremde Unternehmer⸗ gruppe abtrete.

Der Unterrichtsminister Steeg hat gestern auf einem Bankett der republikanischen Partei in Angers eine Rede gehalten, in der er das soziale Programm der Regierung ent⸗ wickelte und dann auf die marokkanische Frage anspielte, indem er, „W. T. B.“ zufolge, sagte,

Frankreich erfüllt, stark in seiner Loyalität und gestützt auf die Zustimmung des Landes, die Mission, die ihm von ganz Europa über⸗ tragen worden ist, ein Werk der Beruhigung, von dem alle zivilisierten Völker Nutzen haben werden. Keine Einflüsterungen von mehr oder weniger interessierter Seite, keine mehr oder weniger verletzenden Ver⸗ dächtigungen können uns von dem graden und ehrenvollen Wege ab⸗ lenken, auf dem wir uns entsprechend den Verpflichtungen bewegen, die uns die internationalen Verträge auferlegen.

Die Eisenbahner hielten vorgestern abend in der Pariser Arbeitsbörse eine Versammlung ab, die sich mit der srage der Wiedereinstellung der infolge des Aus⸗ tandes entlassenen Kollegen beschäftigte. Es wurde eine Tagesordnung angenommen, in der, obiger Quelle zufolge, fest⸗ gestellt wird, daß die Eisenbahngesellschaften durch die Ent⸗ lassungen vornehmlich die Syndikatsorganisation treffen wollten, und in der die Hoffnung ausgesprochen wird, daß die Re⸗ gierung die Gesellschaften zu zwingen wissen werde, sich der Entscheidung des Parlaments zu fügen. Aehnliche Versamm⸗ lungen wurden in vielen anderen Städten abgehalten. Von irgendwelchen Zwischenfällen ist nichts bekannt geworden.

Rußland.

Die Vorlage des Ministers des Innern über Einschränkung der Ansiedlung von Nichtrussen in den Gouvernements Wolhynien, Witebsk und Podolien ist, „W. T. B.“ zufolge, von der Kommission der Reichsduma angenommen worden. Der Gehilfe des Ministers des Innern erklärte, die Regierung beabsichtige, auch für das Zartum Polen eine Vor⸗ lage zur Verhütung der Ansiedlung von Fremden einzubringen.

Spanien.

Der Ministerpräsident Canalejas hat, wie „W. T. B.“ meldet, gestern bekannt gegeben, daß zum Zwecke militärischer Operationen eine Truppenabteilung nach Ceuta ent⸗ sandt worden sei. Die dortige Polizeitruppe habe einen strategischen Punkt besetzt, der als Stützpunkt zur Beruhigung der Gegend unentbehrlich sei.

Das republikanisch⸗sozialistische Komitee hat gestern in ganz Spanien Versammlungen oder Kundg ra veranstaltet zu Gunsten einer Reform des Militerstrasg etz⸗ buchs und einer Revision der aus Anlaß der Unruhen in Bar⸗ celona eingeleiteten Prozesse, ferner zu Gunsten der Einführun

rischen Militärdienstes und zum Protest

gegen alle kriegerischen Abenteuer der Regierung in 8 Die Versammlungen waren in den größeren Städten zahlreich besucht. Ueber Störungen der öffentlichen Ordnung liegen keine Meldungen vor. 116“

Belgien. 8 CC 111““ .““ Die Sozialisten haben gestern ein Manifest gegen den Besuch des Präsidenten Fallisères veröffentlicht, in dem es, „W. T. B.“ zufolge, heißt, das heutige Frankreich berge unter seinem republikanischen Mantel monarchistische Institutionen und stütze mit seinem Gelde den russischen Zarismus. Ferner kritisiert das G das Verbot der Maifeierkundgebungen und fordert die Arbeiterschaft auf, sich während des Besuches Falliéres' vollständig neutral zu verhalten. vb Türkei. 1“ Der Großwesir und die Minister des Innern, des Aeußern, der Justiz und des Unterrichts haben vorgestern eine lange Be⸗ ratung abgehalten, an der auch der Finanzminister Dschavid Bei teilnahm. Die Minister kamen 88 Meldung des „W. T. B.“ überein, daß außer Dschavid Bei niemand de⸗ missioniere. Das Finanzportefeuille wurde dem ehemaligen Finanzminister Zia Pascha angeboten, der aber ablehnte. Der

Großwesir bot darauf das Portefeuille dem früheren Unterrichts⸗

minister Nail Bei an, der sich Bedenkzeit bis heute erbat. Die definitive Entscheidung über die Demission des Finanzministers erfolgt nach Regelung der Frage der Nachfolgerschaft.

Der montenegrinische Geschäftsträger in Kon⸗ stantinopel hatte vorgestern eine Unterredung mit dem Minister des Aeußern, in der er, obiger Quelle zufolge, ausführte, daß Montenegro nach den Schwierigkeiten, die die Lage Abbanien⸗ zwei Jahre lang Montenegro bereitet hätte, eine anerkennende Haltung von der Türkei erwartet habe. Die letzte Kammer⸗ rede des Ministers des Aeußern Rifaat Pascha habe aber Drohungen gegen Montenegro enthalten. Der Geschäftsträger erklärte, daß die Grenzzwischenfälle auf türkische Befehle zurüͤck⸗ zuführen seien, die Montenegriner am Betreten ihrer in türki⸗ e Gebiet gelegenen Güter zu verhindern, und bat um Er⸗ teilung von Gegenbefehlen.

Wie aus Skutari gemeldet wird, sind vorgestern drei Torpedoboote in Schindjin eingetroffen und haben den Wachtdienst übernommen, um an der Küste die Landung von Freischärlern und Waffenschmuggel zu verhindern. Nachdem alle für das Wilajet Skutari bestimmten Bataillone in ihren Bestimmungsorten eingetroffen sind, wird nun mit der Nieder⸗ werfung der Rebellen nach den Weisungen der Regierung be⸗ gonnen werden. Die am Freitag und Sonnabend eingetroffenen Truppen sollen von Uesküb nach den verschiedenen strategisch wichtigen Plätzen an der Grenze weitergehen. 5

Amerika. 1“

Wie das „Reutersche Bureau“ aus El Paso meldet, hat der Unterhändler der mexikanischen Regierung Carabaial dem Vertreter der Aufständischen Gomez offiziell mitgeteilt, daß es ihm unmöglich sei, die Verhandlungen fortzusetzen. Auf die Forderung der Revolutionäre, daß Diaz abdanken solle, erteilte er keine Antwort.

Der Waffenstillstand ist von Madero offiziell auf⸗ gehoben worden, da die für ihn vereinbarte Frist vorgestern nachmittag abgelaufen war. Um Verwicklungen mit den Ver⸗ einigten Staaten zu vermeiden, hat Madero den Aufständischen Befehl erteilt, sich von der Grenze zurückzuziehen. Mit seiner eigenen Streitmacht beabsichtigt er nach Süden gegen die Hauptstadt anzurücken.

Der Präsident Diaz hat, „W. T. B.“ zufolge, ein Manifest erlassen, in dem er erklärt, er habe die Absicht, zurückzutreten, sobald der Frieden wiederhergestellt sei. Diaz kündigte seine Entscheidung in einer Versammlung des Kabinetts an. Er behält sich das Recht vor, nach seinem Urteil zu entscheiden, wann der Friede tatsächlich wiederhergestellt sei. Dies werde der Fall sein, wenn er die gewisse Ueberzeugung habe, daß seinem Rücktritt nicht die Anarchie folgen würde. Er gppelliert an den Patriotismus der Bevölkerung und fordert sie auf, für den Frieden und den Fortschritt der Nation in Einigkeit zu handeln. Madero befand sich bereits auf dem Vormarsch nach dem Süden gegen die Hauptstadt, als die Nachricht von Diaz' Ankündigung eintraf. Er erklärte, er werde Diaz ein Telegramm senden, in dem er ihn zu diesem Akt höchster Selbstaufopferung und des höchsten Patriotismus beglückwünsche. Madero kündigte weiter an, er werde in einen neuen Waffenstillstand willigen, um die Friedens⸗ verhandlungen wieder aufzunehmen. 1

Infolge einer Hungersnot ist in Ispahan ein Aufstand ausgebrochen. Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ berichtet, zerstörte eine Volksmenge das Polizeibureau und das Stadtamt und stürmte sodann das Haus des Gouverneurs, wurde jedoch zurückgeworfen. An dem Aufruhr nahmen auch Soldaten und Bachtiaren teil. Die Bewegung trägt einen antikonstitutionellen, klerikalen Charakter. Der russische Konsul hat von den Behörden gefordert, die Sicherheit der russischen Untertanen zu gewährleisten.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche des Oberkommandierenden im Yemen haben die Truppen alle von den Rebellen eingenommenen oder belagerten Plätze besetzt. Kasa Hadje ist unterworfen. Im ganzen Wilajet ist die vor dem Aufstand herrschende Lage wiederhergestellt

worden. Afrika.

Ein aus Fes am 27. April abgegangener Bote gibt, der „Agence Havas“ zufolge, über die Rückkehr der Mahalla des Majors Brémond folgenden Bericht:

Vom 21. April ab hörten die Kämpfe nicht mehr auf. Am 21. griffen 5000 Feinde die Mahalla an. Am 22. waren die Feinde weniger zahlreich. Eine erbitterte Reiterattacke wurde durch Infanteriefeuer zum Stehen gebracht, als sie bis auf zehn Meter an die Geschütze herangekommen war. Am 23. setzte der Kampf wieder ein, nachdem die Kontingente der Beni Mtir angekommen waren. Am 24. mußte sich die Mahalla auf den Sebu stützen, während die Geschütze die Rebellen verhinderten, den Fluß zu überschreiten. Der Feind war 7000 Mann stark und verlor 200 Mann, wich aber nicht zurück; 150 Kanonenschüsse wurden abgefeuert. Am 25. griffen die Sidi Ben Hassen an. Der Kampf dauerte von 10 Uhr Morgenz bis 10 Uhr Abends. Es wurden 93 Kanonenschüsse abgegeben. Die Truppen waren sehr ermüdet. Am 26. mußte die Nachhut die Angriffe des Gegners bis an die Tore von Fes zurückwelisen. Es wurden 60 Kanonenschüsse abgegeben. Die Artillerie hatte nur noch für zwei Gefechte Munition.

Wie die „Agence Havas“ ferner aus Rabat meldet, scheinen die Beni Hassen und die Zemmur die Absicht zu haben, sich dem Marsche der französischen Hilfskolonne ent⸗

gegenzustellen. Etwa hundert Zemmur warteten am 5. d. N einen Kameeltransport auf dem Wege von Saleh nach Mejen ab. Ein plötzlicher Angriff ermöglichte es den Zemmur, sn einiger Kameele zu bemächtigen. Die Begleitmannschaft 8 öffnete das Feuer und es entspann sich ein kurzer Kampf 8 dessen Verlauf ein französischer Unteroffizier getötet und d Trainleutnant Vallade und zwei Mann verwundet wurden. Der General Moinier hat an die Stämme des Semur⸗ tales eine Proklamation gerichtet, in der es, „W. T Be zufolge, heißt: Wir haben eine große Zahl von Soldaten und Kanonen hierh gebracht, nicht um Länder zu erobern, denn deren haben wir wir wollen nux und darin werden wir unnachgiebig sein —, N unsere europäischen Bruͤder, die in eurer Mitte wohnen, nicht ü ihrem Leben und in ihrem Eigentum bedroht sind. Um den Gewalträͤtz keiten ein Ende zu machen, hat Seine Scherifische Majestät die Hirt stämme zu Hilfe gerufen. Wir wollen mit unseren Kanonen nur die Verteidiger der Ordnung und der althergebrachten Autorität Landes unterstützen. Wenn die Drohungen fortdauern, dann wir uns keine Macht hindern, die Anstifter der Unordnung zu züchtigen und alle Keime des Aufruhrs in diesem Lande zu beseitigen. Der Gouverneur von Französisch⸗Westafrika melde „W. T. B.“ zufolge, daß die Operationen, die in Guinen im Fouta Djalondistrikt zur Unterdrückung der Em pörung des Walis Gumba unternommen worden sind, unte; günstigen Bedingungen zu Ende gehen. Die von den Banden des Walis besetzten Dörfer wurden nach geringem Widerstande genommen. Der Generalgouverneur benutzt den durch den Durchzug der Kolonne hervorgerufenen Eindruck, um die Fe völkerung entwaffnen zu lassen.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden” sich in der Ersten Beilage.

Der Reichstag setzte in seiner heutigen (169.) Sitzung, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delchann beiwohnte, die zweite Lesung des Entwurfs einer Reichsversicherungsordnung auf Grund des Berichtz der XVI. Kommission im zweiten Buche „Krankenver⸗ sicherung“ (Referent Abg. Horn⸗Reuß) fort und wiederholke zunächst die Abstimmung über den sozialdemokratischen Antrag, den § 181 der Vorlage, den die Kommission gestrichen hat, wiederherzustellen. Die Abstimmung, die vorgestern niche hatte vorgenommen werden können, weil der Abg. Bebel de Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifelt hatte, ergab heute be besser besetztem Hause die Ablehnung des Antrags.

Nach dem zu Beginn der Spezialdiskussion der Reiche versicherungsordnung auf Antrag des Präsidiums gefaßte Beschlusse werden diejenigen Paragraphen, zu denen Anträ⸗ und Wortmeldungen nicht vorliegen, ohne weiteres als ange⸗ nommen angesehen.

§ 182 besagt: Der Bundesrat bestimmt, wieweit vorüber⸗ gehende Dienstleistungen versicherungsfrei bleiben.

Abg. Schmidt⸗Berlin (Sbr) befürwortete einen Antrag Albrecht, hinter „Dienstleistungen“ hinzuzufügen: „die nicht über 88 Woche hinausgehen“. Würde diese Beschrantung nicht angenommen, so sei zu befürchten, daß namentlich in der Landwirtschaft junge Bursche und auch Frauen der Wohltaten der Versicherung nicht teilhaftig werden würden. Es kämen sehr umfangreiche Kategorien von land⸗ wirtschaftlichen Arbeitern in Betracht.

§ 182 blieb unverändert.

Nach § 183 sollen versicherungsfrei bleiben die im Reichs⸗ Staats⸗, Gemeinde⸗ oder Versicherungsträgerdienst Angestellten, wenn ihnen gegen ihren Arbeitgeber ein Anspruch mindestem entweder auf Krankenhilfe wie bei den Regelleistungen de Krankenkassen oder auf Gehalt usw. in Höhe des 11⁄fache Betrages des Krankengeldes gewährleistet ist.

Abg. Sepering (Soz.) befürwortete unter großer Unruhe daß Hauses einen Abänderungsantrag dahin, daß diese Bezüge mindesten den Leistungen der maßgebenden Krankenkasse entsprechen sollten.

Das Haus lehnte den Antrag ab. Auf Anregung des Abg. Hoch (Soz.) ersuchte der Präsident das Haus um etwas mehr Ruhe.

Isin 184 der Vorlage lautet nach den Beschlüssen der Kom mission:

Die oberste Verwaltungsbehörde kann auf Antrag des Arbeit gebers bestimmen, wieweit auch die in Betrieben oder im Diense nicht öffentlicher Körperschaften oder als Lehrer und Erzieher ar nicht öffentlichen Schulen oder Anstalten Beschäftigten versiche rungsfrei sind, wenn thnen gegen ihre Arbeitgeber einer der in § 183 bezeichneten Ansprüche gewährleistet ist oder sie lediglich fr ihren Beruf ausgebildet werden.

Abg. Göhre (Soz.) befürwortete einen Antrag auf Streichun dieser Bestimmung. Man müsse die in solchen Anstalten befindliche jungen und auch die angestellten älteren Leute, zumal die Lehrling

da sie keineswegs durchweg 2000 Jahreseinkommen hätten, dara

schützen, in Krankheitsfällen in Nachteil zu geraten.

Abg. Dr. Mugdan (fortschr. Volksp.): Denjenigen, die blo Privatunterricht geben, würde man mit der Streichung keinen Gefale tun. Ein Teil davon, insbesondere die Studenten, wollen gar nich versichert sein.

Abg. Göhre (Soz.): Daß ein Teil der Studenten, denen de Reserveoffizier das höchste Ideal ist, nicht versichert werden will, zuzugeben; es gibt aber eine ganze Reihe von jungen Leuten, dem der Reserveoffiziertitel nichts bedeutet. Diesen liegt an der Wo sicherung. 1 3

Abg. Dr. Mugdan (fortschr. Volksp.): Der sozialdemokratift Antrag würde gar nicht durchführbar sein, denn es fehlt das Kriterie der JEE diese Versicherten. Dazu kommt, daß in dier Kreisen für die Versicherung gesorgt ist. Für diese Personen eigen sich die freien Hilfskassen mehr. Der Student hat von einer Oms krankenkasse so gut wie gar nichts. Der Begriff der Erwerbsfäbn keit usw. ist bei ihm ein ganz anderer als bei den Arbeitern.

Abg. Molkenbuhr (Soz.): Auch akademisch gebildete Lebr⸗ mit einem Einkommen bis 2000 sollen doch nach diesem Gesch zwangsweise versichert sein. Es ist also nicht einzusehen, warum Probekandidat an seiner Würde verlieren soll, wenn er mit ein festangestellten Lehrer in derselben Kasse sein soll.

Der Antrag Albrecht wurde gegen die Stimmen Sozialdemokraten, der Polen und eines Teiles der fortschri lichen Volkspartei abgelehnt. 1

§ 186 lautet nach der Kommissionsfassung:

Auf seinen Antrag wird von der Versicherungsflicht befte⸗ wer auf die Dauer nur zu einem geringen Teile arbeitsfähig in solange der vorläufig. unterstützungspflichtige Armenverband einee tanden ist.

Abg. Hue (Soz.) beantragte, diesen Farnaraahen zu streich⸗ der dem 3a des heutigen Krankenversicherungsgesetzes entspracg⸗ Dieser § 3a sei in der Praxis in skandalöser Welse mißbrauec⸗ worden. Es kommen hier namentlich die sogenannten Berginvaliee in Betracht, die über Tage unter schlechten Löhnen weiterarbeiter

Eo steht zu befi⸗

rchten, daß § 186 in rigorosester Weise gegen dien

1 *

Berginvaliden angewandt

werden 1“ dese b

li Folgen entstehen würden. Man würde in Zukun behenhästet ZeZehgrug darauf sehen, daß sich die Halbinvaliden in Zubunft von der bee entbinden ließen, darüber ließe

zie Erklärung eines Reg EE

je her halbinvaliden Bergarbeiter gäbe. Es werde hier in d pihe gacfonon Zehntausenden und aber Zehntausenden halbinvalider

Bergleute schneidend eingegriffen. (Schluß des Blattes.)

6“ In der heutigen (69.) Sitzung des Hauses der Abge 88* neten, welcher der Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach beiwohnte, wurde die erste Beratung des

Entwurfs eines Eisenbahnanleihegesetzes fortgesetzt.

Abg. Graß (freikons.) dankt für die Aufnahme der Linie Torgau

Belgern in die Vorlage.

Abg. Wallenborn (Zentr.) wünscht die Inangriffnahme des

Beaues der Linie Adenau Dann bezw. Rengen. Der Hochwald,

Hunsrück und Westerwald müßten durch Bahnanlagen dem Verkehr

Hlekossen werden. Für Ahrweiler und Neuenahr müßten bessere Verbindungen hergestellt werden.

Abg. Heine (nl.) gibt seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Vorlage das Projekt der Bahn Uelzen Dannenberg und die Kosten des Grunderwerbs für eine Hauptbahn von Nienburg a. d. Weser nach Minden i. Westf. mit Abzweigung nach Stadthagen vorsehe, wünscht aber zur Vervollständigung der Wesertalbahn noch die Linie Hameln Holzminden sowie ferner zur Erschließung des südlichen Teiles des Göttinger Bezirks eine Bahn von Göttingen nach Helligenstadt oder Leinefelde. Schließlich wünscht der Redner einen Abendschnellzug von Hannov. Münden über Dransfeld nach Göttingen im Interesse der Stadt Dransfeld. 8

Abg. Ernst (fortschr. Volksp.) spricht seine Freude darüber aus, daß die Linie Schneidemühl- Posen zur Hauptbahn ausgebaut werden foll, fügt aber den Wunsch hinzu, daß die Linie von Schneidemühl nach Czarnikau über Wronke und Pinne nach Bentschen weitergeführt, mindestens zunächst die Teilstrecke Wronke Pinne gebaut werde.

Abg. Dr. Grunenberg (Bentr. bemängelt die Unzulänglich⸗ keit des Hauptbahnhofs von Gelsenkirchen, legt eine Photographie des Bahnhofs auf den Tisch des Hauses nieder und childert eingehend die lokalen Verhältnisse. Bei der großen Bedeutung des Industriebezirks bitte er, möglichst bald die Mittel für einen Umbau des Bahnhofs Gelsenkirchen bereitzustellen. Sodann beklagt der Redner die Vernachlässigung Gelsenkirchens in bezug auf Zugverbindungen; es sei allerdings im letzten Jahre etwas besser geworden, aber immerhin werde noch die nördliche Strecke der Cöln— Mindener Linie S. zugunsten der süd⸗ lichen Linie über Bochum. Gelsenkirchen brauche bessere Zugver⸗

bindungen nach Berlin.

Abg. Dr. Dumrath (nl.) bittet um die Fortsetzung der Linie

Rotenburg— Bremervörde nach Norden zur Elbmündung, mindestens

zunächst, und zwar möglichst schon im nächsten Jahre, bis Bederkesa. Abg. Dr. Keil (nl.) beklagt sich über die Zurücksetzung seiner Vaterstadt Halle durch Einlegung eines D⸗Zuges Hamburg-Leipzig über Dessau statt über Halle; die Interessen von Halle würden hinter die von Leipzig zurückgesetzt. Auch die Verbindungen von Halle nach Berlin seien zugunsten Leipzigs verschlechtert worden. Es fehle namentlich ein guter Abendeilzug. 8 Abg. Mertin⸗Oels (freikons.): Es wird vielfach so dargestellt, als ob in der Hauptsache hier Wünsche von den Parteien des Rechten vorgebracht würden. Wir wollen doch den Schluß der Debatte ab⸗ warten. Wenn es aber wirklich so sein sollte, so liegt es daran, daß die städtischen Bezirke, die vorwiegend von Liberalen vertreten werden, bereits ausreichende Verbindungen haben. Wir bedauern, daß das Projekt Oels Ohlau in der Vorlage nicht enthalten ist, und wir wünschen, daß auf der Schnellbahn Berlin Gr.⸗Lichterfelde der Zehn⸗ Aing wie er auf der Wannseebahn bereits besteht, einge⸗ ührt wird. Abg. Graf von Spee (Zentr.) bittet um den Ausbau der Bahn Neuß Rummerxskirchen. 1 8 Abg. Heckenroth (kons.) wünscht eine Verbindung zwischen Westerwald und Siegerland.

(Schluß des Blattes.)

8 Zur Arbeiterbewegung. 1 —8

Die organisierten Angestellten der Niederschlesischen Elektrischen Kleinbahn, Aktiengesellschaft, in Waldenburg i. Schl. sind, wie „W. T. B.“ meldet, in den Ausstand getreten; der Betrieb ruht.

Die Bäckergesellen von Hamburg⸗Altona und Wands⸗ bek beschlossen, wie der „Berl. Lok.⸗Anz.“ erfährt, gestern die so⸗ fortige Arbeitseinstellung, da ihre Hauptforderungen, achtstündige Arbeitszeit und eine gewisse Ruhezeit in der Woche, bei den Klein⸗ betrieben abgelehnt wurde. 88 v“

11“ Kunst und Wissenschaft.

8

(Geesstern nachmittag erfolgte von Bremerhaven bei herrlichem Wetter die Ausreise des für die

. Südpolexpedition des Oberleutnants Filchner bestimmten Schiffes „Deutschland“. Zu Ehren der Expedition war, „W. T. B.“ zufolge, vom bremischen Senate eine Abschiedsfeier veranstaltet worden, deren auswärtige Teilnehmer mit einem Sonderzuge beim Kaiserhafen, wo das Expeditionsschiff lag, eintrafen. Unter diesen Gästen befanden sich der bayerische Staatsminister Freiherr von Feilitzsch, der baverische Gesandte in Berlin Graf von Lerchenfeld,fast sämtliche Mitglieder des bremischen Senats, zahlreiche deutsche Universitätsprofessoren, unter ihnen der Rektor der Berliner Universität, Geheimer Medizinalrat, Professor Dr. Rubner, mehrere Offiziere des Großen Generalstabes, darunter der Generalmajor von Bertrab, sowie Offiziere des Ersten Bayerischen Infanterieregiments König, dem der Oberleutnant Filchner angehört. Als Vertreter des Reichsmarineamts war der Kapitän zur See Behm erschienen, ferner waren Vertreter verschiedener anderer staatlicher und städtischer Behörden aus allen Teilen Deutschlands anwesend. Der Bürgermeister Senator Dr. Barkhausen brachte ein Hoch auf den mächtigen Schützer des großen nationalen Unternehmens, Seine Majestät den Kaiser, sowie auf den hohen rotektor, Seine Königliche Hoheit den Prinz⸗Regenten Luitpold aus. er bayerische Gesandte in Berlin, Graf von Lerchenfeld, wünschte im Auftrage des Prinz⸗Regenten dem Expeditionsschiffe gute Ausfahrt, Erreichung des Zieles und glückliche Heimkehr. Er dankte dann allen, die zur Durchführung der Expedition beigetragen, und schloß mit einem Hoch auf den kräftigen Förderer der Forschungsreise, den bremischen Senat. Der Generalmajor von Bertrab feierte den Expeditionsführer Oberleutnant Filchae⸗ dem er nach glücklich vollendeter Aufgabe glückliche Heimkehr wünschte. Der Oberleutnant Filchn er brachte allen Förderern der Expedition ein Hoch. Die Glückwünsche der Deutschen Gesellschaft für Erdkunde und der Erdkunde studierenden deutschen akademischen Jugend, welche die Expedition mit Begeisterung begrüßte, brachte der Geheime Regierungsrat, Professor Dr. Penck aus Berlin dar und überreichte als Abschieds⸗ Frnß einen silbernen Becher. Die Abschiedsgrüße seiner bayerischen degimentskameraden vom Regiment König übermittelte der Major 2 bel und überreichte ein Regimentsandenken. Als ältester deutscher Geograph wünschte der Professor Wagneraus Göttingen der Expedition Blüc auf den Weg. Es waren zahlreiche Abschiedstelegramme ein⸗ gegangen, darunter von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten St pold, Seiner Hoheit dem Herzog von Sachsen⸗Altenburg, vielen aatswürdenträgern und Vertretern wissenschaftlicher Körperschaften.

8

Um 3 Uhr Nachmittags erfolgte die Ausfahrt des Schiffes. Bevor die ahrt angetreten wurde, wünschte der Direktor im Reichsamt des Innern r. Lewald im Namen des Reichskanzlers, der Staatssekretäre von

Tirpitz und Dr. Delbrück dem Schiffe eine güͤckliche Fahrt. Gleiche

Wünsche brachte der Generalmajor von Bertrab zum Ausdruck.

In Begleitung des Lloyddampfers „Vorwärts“ trat das Expeditions⸗

schiff dann seine Fahrt an. Auf der Höhe von Fort Brinkamahof

wurden zwischen den beiden Schiffen noch herzliche Abschiedsgrüße gewechselt. Dann steuerte die „Deutschland“ der offenen See zu, wehrend das Begleitschiff nach Bremerhaven zurückkehrte.

g 8

ESPp. In der letzten Sitzung der Vorderasiatischen Ge⸗ sellschaft am 3. Mai heet vor Eintritt in die Tagesordnung der Vorsitzende Professor Dr. von Luschan zweier besonders merz⸗ licher Verluste, welche die Gesellschaft jüngst durch den Tod des Professors Dr. Puchstein und des Dr. sesferschmndt erlitten hat. An Stelle des Letztgenannten wurde der Professor Dr. Sobernheim zum Schriftführer der Gesellschaft gewählt. Den angekündigten Vortrag des Abends hielt der Generalkonsul Dr. Paul Schroeder über die phönizischen Inschriften des Eschmun⸗Tempels in Sidon und die Eschmunazar⸗Dynastie. Im Jahre 1900 entdeckte man, etwa 2 ½ km nordöstlich von Saida (E dong nicht weit von der Mündung des Flusses Nahr el⸗Awala (Bostrenus) in dem Garten „Bostan el⸗Scheich“ die Ruinen eines Tempels des phöni⸗ zischen Gottes Eschmun, den die Griechen mit Asklepios identifi⸗ zierten. Durch den Vortragenden, der damals deutscher Konsul in Beirut war, auf die Bedeutung dieses Fundes aufmerksam gemacht, unternahm der türkische Museumsbeamte Macridy Bey für das otto⸗ manische Museum in Konstantinopel in den Jahren 1901 bis 1904 an der Fundstätte Ausgrabungen und fand in der Nordmauer der Tempelterrasse eine ganze Reihe gleichlautender phönizischer Inschriften, in denen „Bodaschtart, König der Sidonier, Enkel König Eschmunazars, Königs der Sidonier“ als Erbauer des Eschmun⸗Tempels zu Sidon genannt wird. Später fand Macridy Bey noch eine zweite Reihe von Bauinschriften desselben Inhalts, die aber etwas kürzer efaßt sind und neben dem König Bodaschtart noch den Kronprinzen Fber sa ddi†—) Jathonmilk erwähnen. Alle diese Inschriftsteine waren so in die Grundmauer des Tempels eingefügt, daß sie nicht gesehen werden konnten. Der Name des Vaters von König Bodaschtart wird in keiner der Inschriften genannt, vermutlich, weil er nicht zur Regie⸗ rung gelangt war. Bodaschtart war wahrscheinlich ein Vetter des Königs Eschmunazar II., dessen Sarkophag mit Grabschrift 1855 zu Sidon ent deckt wurde, und folgte letzterem, der kinderlos starb, in der Regierung.

Sein Vater, dessen Namen wir nicht kennen, war vermutlich ein:

jüngerer Bruder König Tabnits (des Vaters Eschmunazars II.), dessen Sarkophag und Mumie 1887 von Hamdi Bey gefunden wurde. Wir kennen somit jetzt fünf Mitglieder der Eschmunazar⸗Dynastie: Eschmunazar I., Tabnit (dessen Sohn), Eschmunazar II. (Sohn Tabnits), Bodaschtart (Enkel Eschmunazars I.) und Jathonmilk (Sohn Bodaschtarts). Ueber das Zeitalter, in dem diese Dynastie herrschte, gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander. Die einen verlegen sie in die Zeit der Perserherrschaft, die andern in die Ptolemäerzeit. Der Vortragende fuüͤhrte an der Hand dessen, was wir aus den alten Autoren über die Geschichte Sidons in nach⸗ alexandrinischer Zeit wissen, den Nachweis, daß in der Diadochenzeit kein Platz für die Eschmunazar⸗Dynastie sei, und kam, gestützt auf die Untersuchungen Rouviers über die sidonischen Münzen der Perserzeit, zu dem Schlusse, daß Eschmunazar I. und seine Nachfolger gegen Ende des sechsten oder Anfang des fünften Jahrhunderts v. Chr. an⸗ zusetzen sind. ““ Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

In Dresden ist am Sonnabend die Internationale Hygieneausstellung eröffnet worden, die, von allen Kulturstaaten reichlich beschickt, eine Heltausstellung für Hygiene genannt werden kann. Seit der Internationalen Hygieneausstellung in Berlin im Jahre 1883 hat sich die Gesundheitspflege in Wissenschaft und Praxis ungeahnt entwickelt; die junge Wissenschaft der Hoygiene besitzt jetzt an allen Universitäten Lehrstühle, und die staatlichen Behörden, die städtischen Verwaltungen, die industriellen Unternehmungen haben seither gewett⸗ eifert, ihre Lehren und Erfahrungen im praktischen Leben an⸗ zuwenden und den Kampf gegen die Gefahren, die der Volks⸗ gesundheit von jeher drohten oder ihr aus der modernen Kultur⸗ entwicklung neu entstanden sind, mit Nachdruck aufzunehmen. So bietet die Hresdner Ausstellung ein lebendiges Zeugnis für den sozialen Zug, den unsere Zeit trägt, und im besten Sinne volkstümlich, wird sie die Lehren der Gesundheitspflege in weite Volkskreise tragen und so die Bemühungen der Hygieniker um die Volksgesundheit dankenswert fördern. Das große Gebiet der gesamten Hygiene ist auf der Ausstellung in fünf große Abteilungen gegliedert: eine wissen⸗ schaftliche, eine geschichtlich⸗ethnographische, eine volkstümliche, eine sportliche und eine industrielle. Diese Abteilungen zerfallen wiederum in 44 Gruppen, in denen jeder Zweig der öffent⸗ lichen oder privaten Gesundheitspflege behandelt und an deren Spitze je ein hervorragender Fachmann gestellt wurde. Die Trennung in wissenschaftliche und volkstumliche Darstellungen verdient besonders hervorgehoben zu werden; sie allein ermöglichte es, die Ausstellung sowohl für Fachleute wie für das große Publikum be⸗ lehrend und anregend zu gestalten. Die Reichhaltigkeit der vielen Abteilungen der Ausstellung läßt es nur zu, hier Einiges hervorzuheben. Die volkstümliche Abteilung träat über ihrem Eingang die umfassende Aufschrift „Der Mensch“. Alles, was den Menschen vom Standpunkt der Gesundheits⸗ pflege angeht, wird hier in einer geradezu vorbildlichen Ueber⸗ sichtlichkeit und Anschaulichkeit dem Besucher vorgeführt. So ist z. B. jeder Infektionskrankheit ein besonderer Raum angtewiesen, in dem auf Bildern und in Wachspräparaten die Erscheinungsformen der einzelnen Krankheiten, ihre Erreger, ihr Verlauf, ihre Gefähr⸗ lichkeit, ihre Verbreitungsgrenze usw. dargestellt sind, und zwar so anschaulich und auch dem Laien faßlich, daß sich ihm ein Bild von dem Wesen der Krankheit, und den ihr gegenüber obachtenden Vorsichtsmaßregeln fest einprägt. Namentlich Gebiet der Tuberkulose und dem der Geschlechtskrankhetten darf man sich von dem auf der Ausstellung dargebotenen Anschauungsmaterial die besten Folgen für die Volksgesundheit versprechen. Großes Interesse in Laienkreisen dürften auch die entsprechenden Abteilungen über die

ocken, Cholera, Malaria und Pest erwecken. Daß die Gefahren des Alkohols eine eingehende Darstellung gefunden haben, versteht sich von selbst. An diesen Abteilungen der Ausstellung haben sich neben dem Reichsgesundheitsamt das Institut für Infektions⸗ krankheiten, das Biologische Institut in Dahlem, das Tropen⸗ hygienische Institut in Hamburg und zabhlreiche andere wissenschaftliche Anstalten beteiligt. Der soziale Charakter der Ausstellung tritt auch besonders in der Gruppe zutage, die über den Einfluß der deutschen Arbeiterversicherung auf die Gesundbeitspflege unterrichtet. Das Reichsversicherungsamt, Landesversicherungsanstalten und Berufs⸗ genossenschaften, Ortskrankenkassen, die Betriebskrankenkasse der Firma Krupp u. a. haben in dieser Abteilung ein reiches, wohlgeordnetes und überzeugendes Material zusammengestellt, aus dem die große Bedeutung der deutschen sozialen Gesetzgebung für die Gesundheit der Arbeiterklassen und damit des gesamten Volks⸗ körpers hervorleuchtet. Die Industrie hat zum Teil in großen Ver⸗ bänden gemeinschaftlich ausgestellt und dargestellt, wie und in welchem Umfang sie die ihr von der Wissenschaft gelieferten Hilfsmittel praktisch bei hygienischen Maßnahmen in ihren Betrieben verwertet hat. Sehr reich⸗ haltig ist auch die Abteilung für Schulhpgiene und die für Sport. In der

letzteren sollen auch durch praktische Versuche auf wissenschaftlicher Grund⸗

lage die Grenzen festgestellt werden, innerhalb deren die einzelnen Sport⸗ arten gesundheitsfördernd wirken; angesichts der Ausartung, die viele Sport⸗ ausübungen gezeitigt haben, jedenfalls ein verdienstliches Unternehmen. Hingewiesen sei noch auf eine Abteilung, in der die Geschichte der

Hygiene bis in das graue Altertum verfolgt wird, auf die Adteilungen für

Nahrungs⸗ und Genußmittel, Ansiedlung und Wohnung, Kleidung und Körperpflege, für Militär⸗, Marine⸗ und Kolonialhygiene und auf die für Krüppelfürsorge. Das Ausstellungsgelände, das sich um den städtischen Ausstellungspalast ausdehnt und in das mit Königlicher Genehmigung

ein Teil des mit schönem Baumschlag bestandenen „Großen Gartens’⸗ einbezogen ist, umfaßt über 320 000 qm, ist also erheblich

größer als das gesamte Gelände der vorjährigen Brüsseler Welt⸗ ausstellung; mehr als 10 000 qm werden von den Gebäuden be⸗ deckt, die meist auch äußerlich ein sehr geschmackvolles Bild bieten. An der breiten Herkulesallee des „Großen Gartens“ liegen die Ausstellungsgebäude der fremden Staaten, deren Ein⸗ richtung am Eröffnungstage zum großen Teil noch nicht fertig gestellt war, die aber auch demnächst werden eröffnet werden

können. Im ganzen sind 65 Gebäude errichtet, deren Baukosten sich auf etwa 2 ½ Millionen Mark belaufen. Der hohe Wert der aus⸗

gestellten Gegenstände entzieht sich naturgemäß einer auch nur an⸗ nähernden Schätzung. Mit großem Geschick und Fleiß ist auf der Ausstellung eine anschaufiche Uebersicht alles dessen geschaffen, was in treuer Arheit und in zähem Forschen die Wißenschaft bisher auf hygienischem Gebiete geleistet hat und was in der Erkenntnis ihrer sozialen Pflichten der Staat, die Kommunen und die industriellen Anstalten praktisch für die Volksgesundheit ausgeführt haben. Hoffent⸗ lich trägt die Dresdner Ausstellung die Erkenntnis von der großen Bedeutung der Gesundheitslehre und ⸗pflege in die weitesten Kreise. Wenn sie in dieser Beziehung aufklärend und anregend wirkt, hat sie ihren hohen Zweck erreicht, und die auf sie gewandte Arbeit und Mühe wird reiche Früchte tragen.

(Weitere Nachrichten über Gesundheitswesen ꝛc.

8 Literatur. 8 9.

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Komische Oper.

In der Komischen Oper fand am Sonnabend als drittes der Maifestspiele eine Aufführung des „Don Juan“ statt, die von Direktor H Gura Regisseur und Dirigent geleitet

Trotz der aufgebotenen bedeutenden Mittel, ein beruhmter sang die Titelrolle, blieb

1

der Ge . durchaus zwiespältig. Zum Tel liegt das an dem nischen Oper, der in seiner Be⸗ schränk die Bewegungsfreiheit der Spieler behindert, was sich gerade bei der Darstellung einer großen Oper fühlbar macht, z. T. ag es am Sonnabend in der Besetzung der Hauptpartie. Friz Feinhals ist als Interpret einiger Wagnerrollen unübertrefli und die Vorzüge seiner vornehmen Sangeskunst sowie die kernige Fülle seines Organs bewährten sich, auch bei Mozart. er ist seinem innersten Wesen nach kein Don Juan und es ihm nicht, bei seiner in Spiel, Erscheinung und musikalischer heit urdeutschen Künstlerpersönlichkeit, den diabolischen Spamnier nichts heilig ist und der nichts fürchtet, glaubhaft zu machen glücklichsten wirkten im Stil ihrer Aufgaben Hertha Stolzenz die eine temperamentvolle Elvira verkörperte, Bachrich, deren Zerline in Spiel und Gesang von 1 war. Das edle Liebespaar, Donna Anna und Okt Felicitas Hallama und Adalbert geeigneten Vertreter und auch der . Mantler deckte sich in seiner etwas schm̃f ümtenen Ar nicht durchaus mit der Mozartschen Gestult. Rüchaerd Wissiak gab einen sehr echten bämerischen Mrsenr umd Karl Armster einen würdig⸗Üüberlegenen Kruntur. Das Drcherter hielt sich unter Direktor Guras Leitung, bescmders ir un zmeeen Hälfte des Abends, befriedigend. Rhörthmisch häne mar fich ellc⸗ manches straffer und lebhafter gewünscht, amch Muiunm rnim er dramatische Wirkung steigernde Kontrafte angemmst. Sperikh üncen vieles, wenn man die Einschränkung des kleinen eraanmn erie sichtigt, recht gut. Sehr stimmungsvoll war z. B. di Krrüshmmfrem unter dem dunstigen Sternenhimmel. Das zuülterih ifmenem Publikum fand sich schließlich zu Beifallskundgeemngern zusmmmmen. die zum größten Teil dem am Schluß am günstigtmn mriertermer bedeutenden Gast galten. 8

Im Königlichen Opernhause wirt morger, Derssr „Die Zauberflöte“ in der bekannten Besetzung der Smurullter wiederholt.

Im Königlichen Schauspielhause geit morger Schilten „Wilhelm Tell“, mit Herrn Sommerstorff in der Srem. Im übrigen lautet die Besetzung: Geßler:- Herr Zimmarmr Attmp⸗ hausen: Herr Eggeling; Rudenz: Herr Boettcher Scauffuche Sien Kraußneck; Walter Fürst: Herr Mannstädt: Melchthual Hen Geften dörfer; Gertrud: Frau Meyver; Hedwig: Frau Butze Bartir Fräulein Steinsieck; Armgart: Fräulein vnn Arnauld Leutunkhd Herr Vollmer.

Die Direktoren des Berlin raters Karl Meinhrrt und Rudolf Bernauer haben Sertener 1811 is zum 31. August 1921 das ehemalige Hebbeltheuater gepachtat, dus sie unter dem Namen Theater in der Königgrätzersteuße zugleich mit dem Berliner Theater führen werden. ö“

Mannigfekriges.

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12 Sekunden Lin. Spuäter fulgten noch et e Stöße. Die

Entfernung beträgt 7850 km von Potsdam Richtung

Nordnordost. Der Herd ist entweder die Halbinsel Kamtschatka

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