1911 / 114 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

seien, allerdings nicht in dem Sinne 1des Sprichworts: Nur die Lumpe sind bescheiden. Abg. von Brandenste in (kons.): Die sozialdemokratischen An⸗ träge gehen weit über den Rahmen des Gesetzes hinaus. Das hat schon der Abg. Cassel treffend gezeigt. Im übrigen hätte ich gewünscht, daß wir uns das gestrige Tempo der Beratung zu eigen gemacht hätten, das alle Seiten des Hauses mit Befriedigung aufgenommen haben. Die Frage, ob Spandau herausgelassen werden soll, ist zum mindesten stritig. Man kann sich einen Zweckverband ohne Schöneberg oder Wilmersdorf allerdings nicht vorstellen, wohl aber einen Zweckverband ohne Spandau. Das Hauptargument für die Petition von Spandau fällt allerdings fort, weil durch eine andere Kostenverteilung etwaige Ungerechtigkeiten in der Walderwerbung verhütet sind. Deshalb wird die größte Mehrzahl meiner Fraktion für die Einbeziehung von Spandau stimmen. Daß man den Kreis Osthavelland hineinbeziehen kann, halten wir für nicht ausgeschlossen. Das darf aber nur im Wege der Gesetz⸗ gebung geschehen und nicht durch einen Beschluß des Verbandes Groß⸗Berlin. Man muß ferner aber auch daran denken, daß nicht nur Osthavelland in Betracht kommt, sondern später vielleicht auch noch andere Kreise, wie Zauch⸗Belzig. Unsere ablehnende Stellung gegen die Hineinbeziehung des Kleinwohnungswesens beruht nicht auf einer Ablehnung gegen die Wohnungsfrage, sondern wir sind der Ansicht, daß man in die Selbstverwaltung nur eingreifen soll, wenn es unbedingt notwendig ist. Gerade die Linke wehrt sich doch immer so scharf gegen jeden Eingriff in die Selbständigkeit der Gemeinden. Die Regierung hat ihren Standpunkt zu dieser Frage geändert, wir aber können diese Aenderung nicht mitmachen. Abg. Lüdicke (freikons.): Die Stadt Spandau betreibt keineswegs kleinliche Sonderinteressen, sondern sie ist gern bereit, den Interessen Groß⸗Berlins entgegenzukommen. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält zweifellos einen Eingriff in die Selbst⸗ verwaltung, der allerdings notwendig geworden ist. Die Re⸗ gierung hat sich einer sehr weisen Zurückhaltung befleißigt. Es würde auch gut sein, dieselbe Zurückhaltung gegenüber der örtlichen Ausdehnung des Zweckverbandes zu beobachten. Spandau braucht um seiner selbst willen nicht hineinbezogen zu werden. Es hat alles getan, was der Zweckverband erst tun soll. Es hat die Verkehrsfrage, den Straßenbau, die Baufluchtlinien, die Waldfrage und die Schaffung von Kleinwohnungen geregelt, ohne daß auch nur der geringste Zwang ausgeübt zu werden brauchte. Spandau steht außerdem in einem durchaus engen Zusammenhange mit dem Kreise Osthavelland. Wenn Spandau irgendwie versagt hätte, dann wäre die Einbeziehung Spandaus vielleicht angezeigt. Nach dem freikonservativen Antrage ist jederzeit die Möglichkeit gegeben, Spandau einzubeziehen, wenn es seine Verpflichtungen gegen Groß⸗Berlin nicht erfüllen sollte. Abg. Fischbeck (fortschr. Volksp.): Die Frage, ob Teltow und Niederbarnim in den Zwangsverband hineinbezogen werden sollen, beantwortet eine statistische Arbeit von Professor Silber⸗ gleit sehr treffend. Er zeigt, wie an der Bervölkerungs⸗ vermehrung die weiter entfernten Gemeinden dieser Kreise gar keinen Anteil haben. In einer Entfernung von mehr als 25 km haben die Ortschaften dieser beiden Kreise nur eine Be⸗ völkerungszunahme von 5,7 % aufzuweisen, während die Gesamt⸗ bevölkerungsvermehrung 7,7 % beträgt. Aber auch innerhalb dieser Zone von 25 km ist die Bevölkerungsvermehrung in den kleineren ländlichen Ortschaften außerordentlich gering; sie beträgt auch da nicht mehr als der Durchschnitt im ganzen Lande. In 73 Ort⸗ schaften des Kreises Teltow, die hineinbezogen werden sollen, ist in den letzten fünf Jahren keine Bevölkerungsvermehrung eingetreten; ebenso liegt es bei 61 Ortschaften des Kreises Niederbarnim. Wenn diese Ortschaften alle einbezogen werden sollen, dann liegt wirklich kein Grund vor, Spandau herauszulassen. Die nes ange, die wir an dem Entwurfe zu machen haben, hat schon der Abg. Cassel dar⸗ gelegt. Vor allem wäre es nötig, 8 ein allgemeines Wahlrecht die kommunale Zusammengehörigkeit dieses Verbandes Groß⸗Berlin u fördern. Abg. Frank (Zentr.) führt aus, daß es in Berlin mit der Förde⸗ rung des Kleinwohnungswesens noch schlecht bestellt sei. Die Stadt Cöln habe sich z. B. diese Aufgabe sehr angelegen sein lassen. Es sei Pflicht der Gemeinde, für den Kleinwohnungsbau Gelände herzu⸗ geben. Er bitte, dem Antrag von Brandenstein nicht zuzustimmen.

Bei der Abstimmung werden sämtliche Abänderungsanträge abgelehnt und dann § 1 in der Kommissionsfassung gegen die Stimmen der fortschrittlichen Volkspartei und der Sozial⸗ demokraten angenommen.

Naach § 2 übernehmen die Landgemeinden die aus § 1 sich ergebenden Aufgaben in Wahrnehmung der Interessen ihrer nicht als selbständige Glieder dem Verbande angehörenden Gemeinden, sowie ihrer Gutsbezirke als Kreisangelegenheit.

§ 3 bestimmt: Der Zweckverband bildet einen Kommunal⸗ verband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten mit den Rechten einer Korporation. Er erhält die Bezeichnung „Ver⸗ band Groß⸗Berlin“. Sein Sitz ist die Stadt Berlin.

Die §§ 2 und 3 werden ohne Debatte angenommen.

§ 4 bestimmt in der Kommissionsfassung im wesentlichen folgendes: 1 8.

(Absatz 1.) Der Verband kann Eisenbahnen erwerben, bauen, betreiben oder durch Dritte betreiben lassen. 1

(Absatz 2.) Die Kreise und Gemeinden des Verbandsgebiets sind verpflichtet, dem Verbande auf Verlangen ihre Bahnen mit allen Rechten und Pflichten zu übereignen, können jedoch ihrerseits beanspruchen, daß die Uebernahme auf diejenigen ihrer Bahnlinien ausgedehnt wird, die eine unmittelbare Betriebsverbindung haben, oder deren Betrieb andernfalls unwirtschaftlich werden würde. Darüber, ob diese Voraussetzung zutrifft, entscheidet die Beschluß⸗ behörde für Groß⸗Berlin. Berete

(Absatz 3.) Der Verband kann für seine Bahnen Kreis⸗ und Gemeindewege benutzen. 16 1

(Absatz 4.) Die Kreise und Gemeinden des Verbandsgebietes sind verpflichtet, den Betrieb der Bahnen des Verbandes auf Er⸗ fordern für seine Rechnung zu übernehmen.

(Absatz 5.) Rechte und Pflichten der Verbandsmitglieder gegen⸗ über privaten Bahnunternehmungen gehen auf den Verband über.

(Absatz 6.) Für die Ueberlassung von Bahnen der Verbands⸗ glieder hat der Verband angemessene Entschädigung zu leisten. Soweit die von den Verbandsgliedern den privaten Bahn⸗ unternehmern gegenüber übernommenen Verpflichtungen die Rechte übersteigen oder soweit lediglich Verpflichtungen übernommen sind, hat der Verband Entschädigung zu beanspruchen, falls die zu Grunde liegenden Verträge nach dem 1. Dezember 1910 abgeschlossen sind. Wenn solche nach dem 1. Dezember 1910 abgeschlossenen Verträge

ustimmungen der Wegeunterhaltungspflichtigen nach dem Klein⸗ Buftimne betreffen, die zeitlich über die staatliche Genehmigung hinausgehen, fällt die Entschädigungspflicht des Verbandes fort. Ueber die Entschädigungspflichten und ⸗rechte beschließt, sofern keine Einigung unter den Beteiligten erzielt wird, die Beschluß⸗ behörde für Groß⸗Berlin; gegen ihren Beschluß ist binnen zwei Wochen die Klage bei dem Oberverwaltun sgericht zulässig.

(Absatz 7.) Ob und unter welchen Bedingungen einem Verbandsglied Anlage und Betrieb einer noch nicht genehmigten eigenen Bahn überlassen werden soll, bestimmt die Verbands⸗ versammlung. Die Ueberlassung darf nur abgelehnt werden, wenn das Unternehmen dem Interesse des Verbandes zuwiderläuft. Gegen die Entscheidung der Verbandsversammlung ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Beschlußbehörde für Groß⸗Berlin und die weitere Beschwerde an die Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern zulässig. 2

Die Abgg. Aronsohn (fortschr. Volksp.) und Genossen beantragen: 3 88

a. L-1a Absatz 2 folgenden Schlußsatz anzufügen: „Gegen deren Bescheid ist binnen zwei Wochen die Beschwerde an die Minister

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der öffentlichen Arbeiten und des Innern zulässig“; b. im Absatz 6 den Schlußsatz zu fassen: „Gegen deren Beschluß steht den Be⸗ teiligten die Klage gegeneinander im ordentlichen Rechtswege binnen einer Frist von vier Wochen zu. 88

Abg. Cassel (fortschr. Volksp): Eine einheitliche Verkehrspolitik ist nicht möglich, wenn der Verband nicht in die Lage gebracht wird, die Eisenbahnen der einzelnen Gemeinden zu übernehmen. Das ist eine ganz natürliche Bestimmung. Selbstverständlich müssen die einzelnen Gemeinden für die Ueberlassung ihrer Rechte entschädigt werden. Die Regierungsvorlage bestimmte eine „angemessene“ Entschädigung; die Kommission hat aber gesagt, daß eine „Entschädigung“ zu eben ist, weil es zweifelhaft sei, was unter „angemessen“ zu ver⸗ ssehen sei. Wir werden in dieser Beziehung neue Anträge nicht stellen, um nicht diese schon schwierige Materie noch weiter zu er⸗ schweren. Daß der Verband bei Verträgen der einzelnen Verbands⸗ glieder, die nach dem 1. Dezember 1910 abgeschlossen sind, gegenüber privaten Bahnunternehmern eine Entschädigung verlangen kann, wenn dadurch für die Verbandsglieder mehr Pflichten als Rechte begründet worden sind, ist eine ganz richtige Bestimmung. Unseren ersten Antrag wegen Zulassung der Beschwerde an die Minister haben wir gestellt, um zu verhindern, daß der Verband den einzelnen Gemeinden nur die rentablen Bahnen abnimmt, ihnen aber die unrentablen allein überläßt. 8 8

Minister des Innern von Dallwitz:

Den Ausführungen des Herrn Abg. Cassel, soweit sie sich auf den Begriff der „angemessenen Entschädigung“ beziehen, kann ich bei⸗ pflichten. Es ist zutreffend, daß in der Begründung des Gesetz⸗ entwurfs davon ausgegangen ist, daß Rechte, welche einzelnen Ge⸗ meinden gegenüber Privatunternehmern zustehen und infolge dieses Gesetzes auf den Verband übergehen, von dem Verbande entschädigt werden müssen, und daß, wie dies an einem Beispiele ausgeführt worden ist, sofern diese Rechte Geldleistungen zum Gegenstande haben, die auf den Verband übergehenden Einnahmen vom Verbande den einzelnen Gemeinden würden erstattet werden müssen. Demgemäß habe ich auch in der Kommission nicht aus materiellen Gründen einem Antrage widersprochen, eine dahingehende Bestimmung aus⸗ drücklich in das Gesetz aufzunehmen, sondern lediglich aus dem for⸗ mellen Grunde, weil es nicht angezeigt sein würde, kasuistische Be⸗ stimmungen für einzelne Fälle zu treffen, die doch den Begriff der angemessenen Entschädigung nicht voll erschöpfen können.

Zu den Anträgen auf 379 habe ich zu bemerken, daß gegen den Antrag unter A regierungsseitig Bedenken nicht geltend zu machen sind. Es ist richtig, daß in ähnlichen Fällen gegen den Bescheid der Beschlußbehörde die Beschwerde an die Minister der öffentlichen Arbeiten und des Innern im Entwurf gegeben ist, daß es mithin folgerichtig sein würde, hier dasselbe Rechts⸗ mittel vorzusehen.

Dagegen muß ich mich gegen den Antrag unter Litera b aus⸗ sprechen, und zwar aus prinziellen Gründen. Es handelt sich in dem § 4 nicht um Entschädigungen für Rechte, die infolge einer Enteignung auf den Verband übergegangen sind, nicht um Privatrechte im engeren Sinne, sondern um öffentliche Rechte. Demgemäß handelt es sich auch lediglich um ein Auseinandersetzungsverfahren, um eine Aus⸗ einandersetzung zwischen den Einzelgemeinden und dem Verbande über Rechte und Pflichten, welche auf öffentlich⸗rechtlicher Grundlage beruhen. Ich kann mich auf die in dem Bericht eingehend wiedergegebenen Kommissionsverhandlungen beziehen, nach denen der Begriff der Entéignung hier nicht zutreffend ist. Darum ist es auch prinziell nicht zulässig, die Entscheidung über die nach § 4 zu leistenden Entschädigungen den Gerichten zu übertragen und nicht das Oberverwaltungsgericht damit zu be⸗ trauen, welches in allen sonstigen Fällen, wo es sich um Auseinander⸗ setzungen zwischen Gemeinden handelt, zu entscheiden hat. Es trifft das beispielsweise zu bei Eingemeindungen, beim Ausscheiden von Gemeinden aus den Kreisen; bei allen solchen Regelungen entscheidet das Oberverwaltungsgericht.

Abg. von Brandenstein (kons.): Meine Ansichten über die Ent⸗ schädigungsfrage weichen von denen des Abg. Cassel ab. Aber in diesem Stadium können wir die noch vorhandenen Differenzen nicht zum Austrag bringen, so schwer es uns auch wird, einem Gesetz zu zustimmen, das noch Bestimmungen enthält, die nicht vollständig klar sind. Wir wollen diese Bedenken im Interesse des Zustandekommens des Gesetzes unterdrücken in der Hoffnung, daß das andere Haus, dessen Mitglieder sich noch nicht auf die eine oder andere Ansicht festgelegt haben, noch eine bessere Fassung finden wird. Eine vollkommene Klarheit über die Bestimmungen des § 4 ist bei niemand vorhanden, aber wir wollen uns weiterer Anträge enthalten. Wie weit die Meinungen voneinander abweichen, ersieht man daraus, daß ein Kommissionsmitglied in der Kommission ausgeführt hat, daß die Große Berliner Straßenbahn nach den Grund⸗ sätzen dieses Paragraphen einen neuen Vertrag mit dem Verband gar nicht würde abschließen können, da wohl die Stadt Berlin, nicht aber der Verband ein Recht auf die unentgeltliche Uebernahme der Schienen usw. habe. Tatsächlich gehen aber nach dem Gesetz alle Rechte auf den Verband über. Der Weg, eine Entschädigung zu geben, ist hier der richtige, da es sich um kommunale Aus⸗ einandersetzungen zwischen den einzelnen Verbandsgliedern handelt; ich meine aber, daß der Ausdruck „angemessene“ Entschädigung“ hier nicht hineinpaßt. Die „angemessene“ Entschädigung steht im Gegensatz zur vollen Entschädigung und bedeutet, daß der entgangene Gewinn ausgeschlossen werden soll. Wir können hier aber nicht sagen, daß die Gemeinden für alle Zukunft diese Bezüge aus den Bahnen behalien sollen, die sie haben würden, wenn es keinen Ver⸗ band gäbe. Wir fassen die Sache so auf, daß es sich um eine partielle Inkommunalisierung handelt; dazu ist die Vorlage ein erster Schritt, ihm werden andere folgen, und das erleichtert es uns, einem Gesetz zuzustimmen, über das wir noch andere Auffassungen haben. Wir können dem ersten Antrag Aronsohn wohl zustimmen, aber der zweite Antrag wegen Zulassung des ordentlichen Rechtsweges wider⸗ spricht der ganzen Konstruktion des Gesetzes und ist für uns völlig unannehmbar.

Minister des Innern von Dallwitz:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat soeben ausgeführt, daß seiner Ansicht nach die materiellen Bestimmungen des § 4, insbesondere die Bestimmungen über die Sperrklausel, noch nicht völlig geklärt seien und zu Zweifeln Anlaß geben könnten und daß er sich der Hoff⸗ nung hingebe, daß event. noch eine bessere Lösung gefunden werden könnte. Ich kann seitens der Königlichen Staatsregierung erklären, daß bei der Staatsregierung eine Unklarheit über die Tragweite der materiellen Bestimmungen des § 4 nicht besteht, und daß die Erklä⸗ rungen, die sie in der Kommission abgegeben hat, ihrer Ansicht nach vollkommen unzweideutig und nicht mißverständlich sind. Ich darf auch die Annahme aussprechen, daß wohl bei der Mehrzahl der anderen Mitglieder der Kommission Zweifel nicht in gleichem Maße bestehen, wie das bei dem Herrn Vorredner der Fall ist.

Abg. Freiherr von ze dli 6 und Neukirch (freikons.): Der Begriff der angemessenen Entschädigung würde nach der

Judikatur vollkommen klar sein. Die Stadt Berlin würde selbst⸗ verständlich von dem Verband beim Uebergang ihrer Bahnen eine

angemessene Entschädigung erhalten. Dem ersteren Antraa Volkspartei werden meine Freunde zustimmen, dagegen wünd der Ersetzung des Oberverwaltungsgerichts durch den ordene Rechkameg nach dem zweiten Antrag eine Verschlechterung vericha etzes sein. 8 Ge. Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Ich kann auf den .8 des Abg. von Brandenstein auf die Berliner Straßentufit nicht eingehen, da ich amtlich darüber schweigen muß Benbahn aber ein neuer Vertrag abgeschlossen würde, so würde enn vollkommen dem § 4 des Gesetzes entsprechen. Bei 8 Eingemeindung geht allerdings die eingemeindete Gemeinde eier ständig unter, hier ist es aber etwas anderes. Ich muß voll Minister und Herrn von Zedlitz vollkommen recht darin geben daß em Bestimmungen des § 4 durchaus klar sind. Allerdings hätten w die anders gewünscht, aber die Anwendung des § 4 wird bei gerichtlichin Entscheidungen keine Schwierigkeiten machen. Der Abg. von S stein will für unseren ersten Antrag anscheinend mildernde Umstä 61 gelten lassen, weil es sich nicht um wichtige Dinge handie Es handelt sich doch um wichtige Angelegenheiten, denn es iste b von Bedeutung, wenn der Verband nur eine Bahn mit Ueberscech übernehmen will. Unseren zweiten Antrag müssen wir aufre 16 erhalten. Wir können nicht einsehen, warum solche rein zivilre f. lichen Fragen, wie hoch eine Entschädigung sein soll, nicht im orde ¹. lichen Rechtswege und nur durch das Oberverwaltungsgericht ent schieden werden sollen. Wir haben uns neulich über die Ueberlaftunn⸗ des Oberverwaltungsgerichts unterhalten und überweisen doch den selben immer neue Aufgaben.

Abg. Dr. Wuermeling (Ztr.): Nach meiner Ansicht lieg⸗ Unklarheiten nach der Kommissionsfassung nicht mehr vor. Daß in Rechte der Großen Berliner Straenbahn auf den Verband Uber gehen, halte ich für ganz selbstverständlich. Den zweiten Teil ds fortschrittlichen Antrags werden wir ablehnen.

Der § 4 wird mit dem Antrage Aronsohn unter a go⸗ genommen; der Antrag Aronsohn unter b wird abgelehnt.

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§ 5 regelt das Recht des Verbandes zur Festsetzung von Fluchtlinien⸗ oder Bebauungsplänen; soweit diese vom Verhunh nicht geregelt sind, bleibt das Fluchtlinienwesen Sache ir⸗ Einzelgemeinden, die aber ihre Fluchtlinien⸗ und Bebaung⸗ pläne dem Verbandsausschusse zur Begutachtung vorneg haben. Der Vorlegung bedarf es nicht, wenn die Pllin mu⸗ die Aufteilung einzelner Baublöcke oder die Verbreitermate stehender Straßen betreffen.

Diesen letzten Satz beantragt Abg. Dr. Keil (ul) n streichen.

Die Kommission hat dem § 5 als Absatz 3 die Bestimmungm⸗ gefügt, daß der Verbandsausschuß nach dem 1. April 1914 ang. wichtigen Gründen des Verkehrs, der Gesundheit und der Vch⸗ nungspolitik die Abänderung von Bebauungsplänen verlanger kann, deren Durchführung bis dahin nicht in Angriff genomma ist. Für die Mehrbelastung infolge solcher Abänderungen von Bebauungsplänen sind die Gemeinden angemessen zu entschädigen. Ueber die Entschädigungen soll im Streitfalle die Beschluß⸗ behörde von Groß⸗Berlin, gegen deren Beschluß das Ober⸗ verwaltungsgericht entscheiden.

Abg. Aronsohn (fortschr. Volksp.) beantragt, daß gegen die Entscheidung der Beschlußbehörde nicht die Klage beim Obe⸗ verwaltungsgericht, sondern der ordentliche Rechtsweg möglich sein seal.

Die Abgg. von Brandenstein (kons.) und Dr. von Kries (kons.) beantragen die Streichung dieses ganzen ditten Absatzes.

sahbe. Dr. von Kries (kons.) empfiehlt die Annahme iech konservativen Antrages. Durch den Absatz 3 würde der Watd zu außerordentlichen Geldausgaben gedrängt werden. Denn fortäkti⸗ lichen Antrag müßten seine Freunde ablehnen, er fordere ebe was eben für § 4 abgelehnt worden sei.

Ein Regierungskommissar wendet sich gegen den heie⸗ vativen Antrag. Daß eine Belastung der Gemeinden eintreten vitdde, sei zuzugeben, aber die Interessen der Allgemeinheit müßten doh in Vordergrunde stehen. Die Bebauungspläne wiesen viele Mängel af, die der Verband zu beseitigen in der Lage sein müsse. 1.“

Abg. Dr. Keil (nl.) erklärt sich kurz gegen den konservatida, aber für den freisinnigen Antrag und bittet gemäß dem Annnge seiner Freunde um Streichung des 121 der die Genehmigung von Aufteilungsplänen einzelner Baublöcke nicht von dem Verbande⸗ ausschuß abhängig machen will. 8

Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch (freikons.D) bittet, alle Anträge abzulehnen. Durch den nationalliberalen Antrag würde eine große Menge von Arbeit und Schreiberei veranlaßt. Absatz 3 ss großen⸗ nötig, damit der Verband einen einheitlichen Bebauungspln für Groß⸗Berlin durchführen könne. 18

Abg. Cassel (fortschr. Volksp.): Den . des Abg. Dr. Keil bitten auch wir abzulehnen. Aber Herr von Kries hat damit recht, diß Fürsorge dafür getroffen werden muß, daß der Verband nicht auf eine Bahn geschoben wird, die ihn zu kolossalen Geldausgaben drängt. Wir müssen ein derartiges Eingreifen in privatrechtliche Verhältnisse ablehnen. Wir werden, falls unser Antrag abgelehnt wird, für da konservativen Antrag stimmen.

Abg. Dr. Wuermeling (Zertr.). Wir erkennen an, daß ver nationalliberale Antrag für die Festsetzung des Bebauungsplans dan Wert sein kann, und werden deshalb dafür stimmen. Die Auträgs Brandenstein und Aronsohn lehnen wir dagegen ab.

§ 5 wird unter Ablehnung aller Anträge in der Kom missionsfassung angenommen.

Um 4 ½¼ Uhr wird die weitere Beratung auf Morui 11 Uhr vertagt.

Nr. 19 der „Veröffentlichungen des Katserlichen Gh⸗

sundheitsamts“ vom 10. Mai 1911 hat folgenden Jgd, gen dhelteanane Arbeiten aus dem Kais. G.⸗A., XXXI ig. 4. (Schluß⸗) Heft und XXXVIII. Bd., 1. Heft. (Ankündlunceäle beclusgtcdn und Gang der Volkskrankheiten. —n egen im März. Zeitweilige Maßregeln gegen Pest. Desh forge Cholera. Gesetzgebung usw. (Deutsches Reich.) Kram⸗ Blachtried⸗ auf Kauffahrteischiffen. Arzneibuch. (Hamburg.) Sch dolen⸗ und Fleischbeschau. (Italien.) Schiffe aus pest⸗ unde rmude⸗ Gegenden, (Großbritannien und Irland. Inseln.) Phosphorzündhölzer. (Französisch⸗Hinterindien) 1 flaschen mit Rohr. —. (Australischer Bund.) 9 Avrl⸗ Rauchzwecken. Tierseuchen im Deutschen Reiche. In g. Desgl. im Auslande. Zeitweilige Ma rege Den Tierseuchen. sPrenber, Baden, Frankreich.) Vermis tes. 8 Reich.) Prüfungen von Seeleuten in der Gesundheitsp 829 Geschenkliste. Monatstabelle über die Sterbefälle n 1 Orten mit 15 000 und mehr Einwohnern, März. Des rößeren Städten des Auslandes. Wochentabelle

falle in deutschen Orten mit 40 000 und mehr Einwo *2 leichen in größeren Städten des Auslandes. sn d Frankenhäusern deutscher Großstädte. Desgleichen in Stadt⸗ und Landbezirken. Witterung.

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Die Jubiläumssitzung des Deutschen Handelstages.

In Heidelberg fand am Sonnabendvormittag in der Aula des neuen Kollegiengebäudes am Ludwigsplatz die Festsitzung des Deutschen Handelstages aus Anlaß der Feier seines 50 jährigen Bestehens statt. Fine große Zahl von Ehrengästen aus allen Teilen des Reiches waren erschienen, unter ihnen befanden sich, „W. T. B.“ zufolge, Seine Königliche Hoheit der Großherzog Friedrich von Baden, der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Staats⸗ minister und Minister für Handel und Gewerbe Sydow, Seine Hoheit der Prinz Wilhelm, Herzog zu Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach, der Chef des Ge heimkabinetts des Großherzogs Dr. Freiherr von Babo, die Unter⸗ statssekretäre Wahnschafee und Dr. Richter, der Direktor im Auswärtigen Amt Dr. von Koerner, der Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Lusensky, der bayerische Geheime Rat Freiherr von

Hirschberg, der württembergische Staatsrat von Mosthaf, die badischen Minister Freiherr von Bodman und Rheinboldt, der badische Landes fommissar Geheimer Rat Dr. Becker, der Oberbürgermeister Dr. Wilckens, der Prorektor der Ruperto⸗Carolina Geheimrat Pro fessor Dr. von Duhn, verschiedene Parlamentarier, Obermeister Plate⸗Hannover, Geheimer Rat Professor Rießer und Oberbürgermeister Knobloch als Vertreter des Hansabundes, ferner der Sohn des Anregers der Gründung des Deutschen Handelstages, Konrad Frey aus Eberbach, Geheimrat Dr. Pfister⸗Heidel⸗ berg, der bei der ersten Vollversammlung des Deutschen Handelstages als Protokollführer war, sowie zahlreiche andere hervorragende Per⸗ fönlichkeiten aus dem Inlande und auch viele ausländische Gäste. Namentlich hatten auch die deutschen Handelskammern vollnöhtig Ab⸗ ordnungen entsandt. An der Spitze des Komitees empfingen der Präsident des Handelstages, Reichstagsabgeordneter Kaempf sowie Generalsekretär Dr. Soetbeer die Gäste. Nachdem Herr Kaempf Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog für Aller⸗ höchstsein Erscheinen gedankt Ihatte, nahm Seine Königliche Hoheit das Wort zu folgender Ansprache:

„Meine Herren! Indem ich Ihnen für die liebenswürdige Be⸗ grüßung, die Sie mir durch Ihren Präsidenten soeben zuteil werden ließen, herzlich danke, ist es mir ein Anliegen, Ihnen auszusprechen, wie ich mich freue, der heutigen Feftstzung anwohnen und Sie per⸗ sönlich in meinem Lande willkommen heißen zu können. Wir Badener gedenken mit besonderer Genugtuung der Tatsache, daß heute vor 50 Jahren gerade hier in Heidelberg der Erste Allgemeine Deutsche Handelstag sich konstituierte und es ist mir wohl bekannt, welch übr Befriedigung mein in Gott ruhender Vater über dieses, in nationaler wie in wirtschaftlicher Beziehung bedeutsame Ereignis empfand. Die 50 Jahre, die hinter uns liegen, haben eine nie geahnte Ent⸗ wicklung auf dem weiten Gebiet des deutschen Handels gebracht, und daß dies in so bedeutsamem Maße möglich wurde, verdanken wir unserer auch schon von den Teilnehmern der damaligen Tagung in ihren Ansprachen erhofften nationalen Einigung. Diese ist in herr lichter Weise vor 40 Jahren in Erfüllung gegangen, und wir dürfen uns seither unter dem Schutze des Reichs einer ungestörten Periode des Friedens erfreuen, einer Zeit, in der unser Handel, beschirmt durch eine starke Flotte, sich eine allseits in der Welt geachtete und ein⸗ flußreiche Stellung erworben hat. Diese Stellung uns zu er⸗ halten, wird uns gelingen, wenn wir auch fernerhin vaterländische Gesinnung pflegen und der jungen Generation vor Augen halten, welch unendlicher Gewinn nach hartem Ringen aus ihr hervor⸗ gegangen. Ein leuchtendes Vorbild dieser Gesinnung ist unser Kaiser, dessen stete Fürsorge allen Gebieten des Erwerbslebens gewidmet ist.

Scharen wir uns denn auch heute um ihn mit dem Ausdruck unserer Liebe und Treue, indem wir rufen: Seine Majestät der Kaiser hoch!“

Das Hoch auf den Kaiser fand begeisterte Aufnahme. Darauf keheif der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg das

ort:

„Im Namen des Bundesrats, der Reichsregierung und des Preußischen Staatsministeriums überbringe ich dem Deutschen Handels⸗ tage zu seinem heutigen Feste aufrichtigen Glückwunsch. In die Tage größten idealen und materiellen Aufschwungs, den unser Vaterland je erlebte, fiel die Jugend des Deutschen Handelstages. Sein Grün⸗ dungsjahr war dasselbe Jahr, in dem Wilhelm I. den preußischen Königs⸗ thron bestieg König Wilhelm, in dem 10 Jahre später der Herrscher dieses blühenden Landes, Badens unvergeßlicher Großherzog Friedrich, als Wortführer der deutschen Fürsten und freien Städte zum ersten Male den Deutschen Kaiser, den Gründer des Reiches, grüßte. Nicht ungenutzt haben die im Deutschen Handelstage vereinten Berufsstände die Gunst des Schicksals ge⸗ lassen, sondern in rastloser Arbeit mitgewirkt am Aufstieg unserer Nation. Vermessen wäre es, zu erwarten, daß das Wachstum in den kommenden Jahrzehnten ebenso gewaltig sorchreiten werde wie in dem abgelaufenen halben Jahrhundert. Bleibt aber den deutschen

kfännern die zielbewußte Beharrlichkeit, der weite Blick, die zuverlässige Redlichkeit und der kühne Wagemut, der bisher aufwärts leitete, dann wird der Wechsel der Zeiten nicht hindern, daß der Deutsche Handelstag wie seinen heutigen, so auch dereinst seinen 100. Geburtstag in voller Manneskraft begeht. Das ist der Wunsch und die Hoffnung, mit der ich Sie, meine Herren, am heutigen Tage berzlich begrüße.“ 1—

Nachdem dann der badische Minister des Innern Freiberr von Bodman den Handelstag begrüßt hatte, hielt dessen Präsident Kaempf die Festrede, in der er ausführte: Als heute vor 50 Jahren in Heidelberg die erste Vollversammlung des Deutschen Handelstages eröffnet wurde, war der Gedanke der deutschen Einigung bereits aus dem Reich der Träume herausgetreten. Der Zollverein umfaßte ein Gebiet von 490 000 qkm, die Deutsche Wechselordnung war in Kraft, und das Deutsche Handelsgesetzbuch stand vor der Einführung. Aber auf fast allen anderen Gebieten waren dem Verlangen nach einer kräftigen wirtschaftlichen Entwicklung durch die Zer⸗ splitterung Deutschlands Schranken gesetzt. Es war daher aus aller Herzen gehandelt, als die badischen Handelskammern 1860 die Initigtive zur Einberufung eines allgemeinen deutschen Handelstages egriffen. Bei seiner Eröffnung sprach der Präsident des badischen Handelsministeriums Weizel die prophetischen Worte: „Mögen zbre Erfolge auf wirtschaftlichem Gebiet dazu führen, daß das teutsche Vaterland auch in politischer Beziehung zu 1-e mnigung gelange und daß ihm diejenigen Einrichtungen tteil werden, welche die Bedingungen seiner Kraft und

tröße sind.“ Und in der Tat war der Zwang der wirt⸗ ftlichen Notwendigkeit einer der mächtigsten Faktoren auch der ttischen Einigung, und in der politischen Einigung wiederum fanden del und Gewerbe die feste Grundlage, auf der der deutsche Unter⸗ mungsgeist seine Kraft und seine schöpferische Tätigkeit entfalten und seinerseits von neuem beitragen konnte zur Festigung der Macht⸗ ung des Reiches. Der weite Weg, den die Entwicklung von utschlands Gewerbe und Handel genommen hat, wird erst recht tlich, wenn man sich die Zustände vergegenwärtigt, die noch im Jahre 1861 bestanden. Die Maße und Muͤnzen der einzelnen Staaten wichen in der mannigfachsten Weise von einander ab, es bestanden nicht weniger als 31 Notenbanken, und 140 verschiedene Sorten von Bank. zirkulierten. Gänzliche Verworrenbeit herrschte im Eisendahn⸗ mrifwesen. Mit freudiger Genugtnung deelhe⸗ wir daber die die auf diesen Gebieten dnd die politische Einigung

ds und die dadurch moͤglich gewordene große Gesctzgebung

er und Anfang der 70 er Jahre erztelt worden sind. werde

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und Handel sind durch sie befähigt worden, den deutschen Bevölkerungs⸗ zuwachs im Inlande zu erhalten. Während 1861 nur rund 35 % der Bevölkerung durch Handel, Gewerbe und Verkehr ihren Unterhalt fanden, waren es bei der letzten Gewerbezählung 1907 über 56 %.. In hervorragender Weise hat dazu das deutsche Schulwesen, namentlich auch das kaufmännische und gewerbliche Fach und Forthildungsschulwesen, beigetragen. Besonders charakteristisch für die Entwicklung der Industrie war aber ihr zielbewußtes Zusammen arbeiten mit der Wissenschaft und Technik. Wir sehen es im Dampf

und Gasmaschinenbau und in der Elektrotechnik, in der Eisengewinnung und verarbeitung, in der Textilindustrie und in den graphischen Ge⸗ werben, wie überhaupt in allen Zweigen der Stoffverarbeitung, nicht zum mindesten auch in der chemischen Industrie und in der Beleuchtungstechnik. Parallel mit der industriellen Entwicklung läuft die des Handels, der nicht minder produktiv gewirkt hat. Neben dem Binnenhandel hat die veränderte wirtschaftliche Stellung Deutsch lands den internationalen Handel entstehen lassen, dessen Bedeutung für die Besserung unserer Zahlungsbilanz noch unterschätzt wird. Seine Grundlagen sind unsere langfristigen Handelsverträge und unsere bewährte Goldwährung, das Palladium des Kredites Deutsch⸗ lands als handeltreibende Nation. Unsere Banken und Bankiers haben die Mittel der Nation gesammelt und in wirkungsvoller Weise Gewerbe und Handel angeführt. Die große Bedeutung unserer Börsen hierfür sowie für den internationalen Handel wird leider noch vielfach verkannt. Auch der Warenhandel sah sich durch die technischen Umwälzungen und die Massenhaftigkeit der Gütererzeugung vor neue Aufgaben gestellt. Sowohl der Großhandel wie der Kleinhandel haben sie gelöst. Der deutsche „Königliche Kauf

mann“ hat im Inlande so gut wie im Auslande für den Absatz des deutschen Gewerbefleißes gesorgt und das Vorurteil gegen das „MNade in Germany“ beseitigt. Er hat sich als würdiger Nachfolger der stolzen Kaufleute der alten deutschen Hanse gezeigt. Auch der Klein⸗ handel, dem freilich starke Krisen nicht erspart blieben, braucht heute den Vergleich mit dem Ausland nicht mehr zu scheuen. Nicht minder glänzend war die Entwicklung des Transport

gewerbes und der Binnen⸗ und der Seeschiffahrt. An Stelle der 155 Dampfer mit kaum 100 000 t, des Jahres 1860 verfügt unsere Handelsflotte heute über 2000 Seedampfer mit 4 Millionen Tonnen Fassungsraum. Bezeichnend für den Aufschwung von Industrie und Handel ist, daß der Verbrauch von Kohle auf den Kopf der Bevölkerung sich verfünffacht, der von Eisen sogar verzehnfacht hat. Vor 50 Jahren legte der Normaldeutsche alljährlich 48 km auf der Eisen⸗ bahn zurück, 1909 dagegen 527 km; sein Anteil am Außenhandel be⸗ trug damals 64 ℳ, heute 247 ℳ. Außerordentlich erfreulich ist auch die Förderung der Lage der Arbeitnehmer. Unsere soziale Gesetz⸗ gebung ist vorbildlich geworden für alle Nationen. Deutschlands Handel und Gewerbe aber vertrauen auf die Zukunft; sie wissen, daß ihnen Sorgen und Schwierigkeiten nicht erspart bleiben werden, und daß es angestrengter Arbeit bedürfen wird, um ihrer Herr zu werden. Aber wie das Reich die schlummernden Kräfte der Nation eweckt hat, so mögen diese Kräfte weiter wirken zum Segen für die Gesamtheit unseres Volkes.“

Weitere Reden uud Ansprachen hielten der Generalsekretär des deutschen Handelstages Dr. Soetbeer, der badische Finanzminister Rheinboldt, der preußische Staatminister und Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow, der Protektor der Universität Heildelberg Dr. von Duhn u. a. An Seine Majestät den Kaiser und König wurde ein Huldigungstelegramm gesandt, für das Seine Mazjestät telegraphisch dankte.

Mit einem von dem Präsidenten Kaempf ausgebrachten Hoch auf Seine Königliche Hoheit den Großherzog schloß die Festsitzung.

Nachmittags fand in dem großen Saale der Stadthalle ein Festmahl statt, bei dem der Reichskanzler Dr. von Bethmann eine Rede hielt, die nach „W. T. B.“ folgenden Wort⸗ aut hatte:

„Lassen Sie mich der Freude darüber Ausdruck geben, daß ich den heutigen, für den deutschen Handel so denkwürdigen Tag in Ihrer Mitte verbringen kann, in einer Stadt, in der uns Deutsch⸗ lands Geschichte, sein schmerzlichstes Unglück, seine Schönheit und Peiftig Größe, sein leidenschaftliches Hoffen und Ringen um Finheit so lebendig ist; in einem Lande, dessen Fürsten⸗ haus wir immer mit besonderer Verehrung nennen, wenn wir von unserer nationalen Einigung sprechen. Auf die Anfänge dieser Einigung führen uns alle Erinnerungen heutigen Tages zurück. Ihr verehrter Herr Präsident hat in sein Festrede die Verworrenheit der wirtschaftlichen Zustände geschildert, in der der deutsche Kaufmann vor fünfzig Jahren bei jedem Schritt seinen Fuß verstrickte. Er hat gezeigt, wie aus der Not unsere politischen Zerrissenheit das Bedürfnis zum Zusammenschlusß deutschen Handels, wie der Deutsche Handelstag erwu dürfen Sie sagen, daß die Geschichte des Deutschen H Stück der Geschichte unserer Einheit geworden ist, daß di die hier vor fünfzig Jahren von den Vätern des Handels wurden, das Gerüst waren, in das der Bau unseres Wirt hineinwuchs, nachdem uns die politische Einheit geschaffen doch wird nicht einer von den Männern, die den ersten der Handelstag einberiefen, die Entwicklung geahnt haben, die der demrsche Handel in diesen fünfzig Jahren genommen hat. Die Zablen unserer Handelsbewegung, die uns so nüchtern und selbstverständlich erschermen, hätten jener Heidelberger Versammmlung wie ein Märchen ge Die Zeit lag ja noch nicht weit zurück, wo man die deutschen K im Auslande in milder Verachtung den Hühnern verglich, die in der Strer die Körner aufpickten, die edle Pferde aus der Kripde sallem Ueken. Das Zaubermittel, durch das das Märchen Wirklichktit nurde, be Einigkeit. Nur weil zuerst das Allgemeine sichergestellt wurd die gemeinsame begeisterte Arbeit aller Stände, hat alles E auf festem Grund und in gesichertem Rahmen wachsen künmnen. alten Probleme der wirtschaftlichen Einheit sind geltst. 5 ihre Stelle getreten. Heute steht der deutsche Kaufmann mitter ir organisatorischen Aufgaben, von denen man vdor fünfigg Jarren znsd nicht einmal eine Vorstellung hatte. Mit tausend Fäden ist mr in die Weltwirtschaft verknüpft; den Gönnern früherer Zrttem mdt er als gleichberechtigter Partner gegenü das Deutsche Rrid zr eine Firma geworden, zu der man sich mit Stolz bekennt. Und darch⸗ meine Herren, die uns Deutschen so besonders frpapathtsche Armrigung gegen den Racker von Staat ist, wenn ich nicht irre, auch auk ernem Teile der Kaufmannschaft noch nicht gewichen. Der alte Gogonsez zwischen Individualismus und Staat wird immer noch durch die Bücher geschleyot. als ob der Posten noch unrnerändert valisdierte. In Wirklichkeit laufen die Interessen und Pflichten der Privatbetriebe so mit den IrroroFcr und Pflichten des Staats ineinander, daß der Gegensatz, wo gr onstruiert wird, ein gekünstelter ist. Kein pridates Ermerbsgrschäft ist beutzutage noch reines Geschäft, es ist in gewissem Simne zugleich Amt. In der Sorge für seinen Betrieb und für die in ihm türigon Personen erfüllt der Landwirt so gut wie der Gewerbetrribende und der Kaufmann Pflichten gegenüber der Allgemcinbeit, ohne dae mir uns unser beutiges staatliches Lrben nicht denken kbnnon. Men kann da nicht mehr scheiden. Das Anschen Deutschlamds in der Welt ist dem deutschen Kaufmann in rrichem Made zu⸗ ute gekemmen. Aber wo bliebe das Ansechen des deusschen Namens im Anklande, wenn der deutsche Kafmann da

1911.

privates Gut verwaltet, soll es heutzutage tun in procura der All⸗ gemeinheit. Darum können Staat und Privatwirtschaft nur gedeihen, wenn sie sich gegenseitig von dem gleichen Geiste durchdringen lassen. Man rühmt deutscher Staatsauffassung Pflichtbewußtsein und Rechtt⸗ gefühl als treibende Kräfte nach. Kann unser Handel ohne diese Tugenden prosperieren, wäre er ohne sie zu seiner jetzigen Bluͤte gelangt? Und wiederum. Nüchternes Kalkulieren, Rechnen mit realen Größen, frei von allem Phrasentum und doch große Ziele im Auge nur so kann der deutsche Kaufmann seinen Platz in der Welt erobern und behaupten. Kann unser Staats⸗ leben unter anderer Flagge segeln? Und noch eins. Wirtschaftliches Leben ist ohne Egoismus undenkbar. So auch das staatliche Leben, so auch das politische Leben der Parteien. Aber es gibt kurzsichtigen und weitsichtigen Egoiszmus. Kein verständiger Kaufmann dünkt sich zur Alleinherrschaft berufen, und ebensowenig gibt er um vereinzelten augen⸗ blicklichen Profits willen notwendige Verbindungen und Beziehungen für die Zukunft preis. Solcher Geist, Blick auf das Ganze, nicht Haften am Kleinen und Kleinlichen, weitherziges Erfassen alles Tüchtigen sollte auch unser politisches Leben erfüllen. In diesem Sinne akzeptiere ich die aus Ihren Reihen so oft erhobene Forderung: Mehr kaufmännischer Geist in unsere öffentlichen Zustände. Die treuesten Wünsche für Sie und in Ihnen für unser Vaterland fasse ich in den Ruf zusammen: Der Deutsche Handelstag hoch! hoch! hoch!“

Verdingungen.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichz⸗und Staatts⸗ anzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr werden.) Oesterreich Ungarn.

Spätestens 22. Mai 1911, 12 Uhr. K. K. Nordbahndirektion in Wien: Bau eines Wasserstationsgebäudes mit zwei Behältern in der Station Mähr.⸗Ostrau⸗Montanbahn. Näheres bei der K. K. Bahnerhaltungssektion Mähr.⸗Ostrau⸗Oderfurt der K. K. Nordbahn und beim „Reichsanzeiger“.

Spätestens 26. Mai 1911, 12 Uhr. K. K. Direktion für die Linien der Staatseisenbahngesellschaft in Wien: Bauausführung eines stockhohen Dienerwohnhauses mit vier Wohnungen und von zwei doppelten Nebengebäuden in der Station Raitz der Linie Brünn- Prag. Näheres bei der vorgenannten Direktion, I., Schwarzenberg⸗ platz 3, 3. Stock, Abteilung 3 (Hochbau), der K. K. Streckenleitung in Blansko, dem K. K. Bahnerhaltungschef in Brünn und beim „Reichsanzeiger“.

9. Juni 1911, 12 Uhr. K. K. Nordwestbahndirektion in Wien: Vergebung der Bauarbeiten anläßlich der Vergrößerung des Auf⸗ nahmsgebäudes der Station Alt⸗Pata. Näheretz bei der vorgenannten Direktion, Abteilung III, Hochbaubureau, bei der Streckenleitung Trautenau I und beim „Reichsanzeiger“.

Rußland. Verwaltung der kaukasischen Mineralbäder (Pjatigor gebiet): Vergebung der Lieferung von 9 000 000 S vLer pfropfen; davon 6 000 000 Stück 30 mm lang und 24 mm. Durchmesser und 3 000 000 Stäck 30 mm lang und 22 mm im Durchmesser. Verdingungstermin⸗ 12. 25. Mai 1911, 12 Ubr Mittags.

auch durch die Post bezogen werden. Itali⸗ Italien.

„Gemeinde Arboro. 20. Mai 1911, Vermittags 10 Unr⸗ B eines Schulbauses. Voranschlag 56 500 Sicerbestslesstunz 2 2q 2 Ir-2. 6n u . 8 9 2 2 5000 Lire. Näheres in italientscher Sprache beim „Kerchtangenger-

Direktion des Militärkommissariats des III. Armeekarrs in Mailand. 22. Mai 1911, Vormittags 11 Ur⸗ Beserm̃mg bvon

Stroh, Brennholz, Koble und Kols verschiedener Tmaltitern, Stenrün⸗ kerzen, Brennöl und Petrolenm. Gesamtmwert 9000 000 A&r. S hbeitsleistung 90 000 Lrre. Offerten M. 5 21. Mai 1911. Müters in italienischer Sprache beim „Reich —2 Direktion des Milttärkemmissarias des II. Armerimcgs üir Genua. 22. Mai 1911, Vermittags 11 UEr⸗ Seserung n Scens, Brennboll, Koblen und Keks versckiedener Omaümkt. Brennöl und Petrolenm üim Werte von 880 000 Trrr.

ischer Sprache beim „Neuteanüger. emeindevermaltung imn Oliena. 2. Muꝛs 1211, Barmüttengs ge Sicberheitslemtung 1000 STrrr. winteme 10 der

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meocferdichtem Duche überzogen und mit Tragringen verschen, in

an das obengenannte Korps.

draußen ecs nicht derstünde, sein Anschen hHoch zu halten? Wer

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MWm n, Bmmmagk I Ulüm irmrung von 1 590 Brhältern

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n. Sicherherlriftung 15 750 Brr. Offerten, Zengnüsse ac.

Mm 1911. Müherek m malienischer Sprache beim „Reichs⸗ unarigem“.

Ornrrion des Haurt Milttärlazaretts in Rom. 31. Mai 1911,

Lieferung von Körben aus B r, mit

8 Sosen. Sicherheitsleistung 2340 Lire. Näheres in Sprrache beim „Reichsanzeiger“. v1“ Drittes Armerckorps in Kirk⸗Kilisse: V. der Srierzvn;g von 12 000 14 000 Paar Tschariks aus nober W. 3 5000 Slme- decken, filbergran oder kaffeefarbig, 40 000 50 000 m meknscder

Beinmwand Marke A, 7000 Gewchrriemen, 2000 Pamr Kereren

stirseln, 1500 Paar kurzen Artilleristenfturs emc nn

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