Ministerium des Innern. Dem Oberregierungsrat Dr. Haaselau ist die Stelle des
Dirigenten der Abteilung X — für Verkehrspolizei — des Polizeipräsidiums in Berlin übertragen worden. 1 1 *
Finanzministerium.
Die Rentmeisterstelle bei der Königlichen Kreiskasse in Fraustadt, Regierungsbezirk Posen, ist zu besetzen.
Angekommen: 1
Seine Erzellenz der Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydow, von Dienstreisen.
Preußen. Berlin, 17. Mai.
In der am 16. Mai unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekreäärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde der Vorlage, betreffendd den Handels⸗ und Schiffahrts⸗ vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Schweden, sowie der Vorlage, betreffend die Beschlüsse des Landesausschusses zu dem Entwurfe des Landeshaushalts⸗ etats von Elsaß⸗Lothringen für das Rechnungsjahr 1911, die Phücnmmneh erteilt. Der Antrag der Ausschüsse, betreffend rgänzungen des Warenverzeichnisses zum Zolltarif und der nleitung für die Zollabfertigung, gelangte zur Annahme.
8 Der Kaiserlich russische Botschafter Graf von der Osten⸗ Sacken ist nach Berlin zurückgekehrt und hat die Leitung der
Botschaft wieder übernommen.
Der Präsident des Ober⸗-⸗Landeskulturgerichts, Wirkliche Geheime Oberregierungsrat Dr. Metz ist in Dienstgeschäften nach Thüringen abgereist.
Dex weltliche Stellvertreter des Präsidenten des Evange⸗ lischen Oberkirchenrats, Wirkliche Ob konsistorialr ist mit Urlaub abgeresst.
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Panther“ vorgestern von Cap Lopez und gestern sind S. M. S. „Möwe“ von Ferrol und S. M. S. „Luchs“ von Tschingkiang (Nangtse)
abgegangen.
Großbritannien und Irland.
Gestern ist in London das Denkmal für die Königin Viktoria vom König Georg in Gegenwart des deutschen Kaiserpaares, der Königin Mary, der Mitglieder der Königlichen Familie, einer Anzahl von Premierministern der Kolonien, die sich jetzt zur Teilnahme an der Reichskonferenz in England befinden, des diplomatischen Korps und einer glänzenden Zuschauerversammlung feierlich enthüllt worden. Nach dem Bericht des „W. T. B.“ überreichte der Viscount Esher, der Vorsitzende des Denkmalsausschusses, als die Majestäten und ihr Gefolge unter dem vor dem Denkmal errichteten Baldachin Platz genommen hatten, den Bericht und die Adresse, worauf der König Georg eine Ansprache hielt, in der er zunächst auf des Königs Eduard Anteil an der heutigen Gedenkfeier und den der Dominien und Kolonien hinwies und sodann hervorhob, daß das Denkmal den Tribut von Rassen und Ländern von größerer Verschieden⸗ heit in Charakter und Lebensweise darstelle, als sie jemals zuvor zu einem gemeinsamen Zweck vereint gewesen seien. Der König fuhr fort:
Es ist für mich und, meine Familie eine Quelle tiefer Be⸗ friedigung, daß mein lieber Vetter, der Deutsche Kaiser, begleitet von er Kaiserin, bei dieser historischen Feier anwesend ist. Seine Kaiser⸗ liche Majestät ist der älteste Enkel der Königin Viktoria, die er immer mit natürlicher Zuneigung geliebt und verehrt hat, und seine Anwesenheit und die Sympathien, die er uns in den letzten Tagen ihres Lebens und später entgegengebracht hat, werden von mir und meinem Volke niemals vergessen werden. Starke und lebendige Bande der Verwandtschaft und Freundschaft vereinigen unsere Throne und Personen, und mein Volk freut sich mit mir darüber, daß er heute hier ist, um an der Ent⸗ hüllung dieses Denkmals teilzunehmen. Ich bitte Gott, daß dieses Denkmal in London immerdar den Ruhm der Regierung der Königin Viktoria künden und den zukünftigen Geschlechtern die Liebe und Ver⸗ ehrung dartun möge, die das Volk für sie und ihr Andenken hegt.
Der König schloß, indem er mit warmen Worten der Hin⸗ gebung gedachte, die Königin Viktoria ihren öffentlichen Pflichten gewidmet habe.
An die Ansprache des Königs schloß sich ein vom Erz⸗ bischof von Canterbury und dem Bischof von London geleiteter Gottesdienst, worauf unter dem Salut der Geschütze und unter den Klängen der Nationalhymne die n vrs⸗ des Denkmals erfolgte. Nach der Enthüllung legte der Kaiser an dem Denkmal einen Lorbeerkranz nieder, ebenso die Abordnung des preußischen Gardedragonerregiments Königin Viktoria von Großbritannien und Irland. Die Feier schloß mit einem Vorbeimarsch der zur Enthüllung befohlenen Truppen.
— Im Oberhause brachte gestern der Viscount Morley die Veto⸗Bill ein, die, einer Meldung des „W. T. B.“ zufolge, in erster Lesung formell angenommen wurde.
— Im Unterhause brachte der Schatzkanzler Lloyd George gestern das Budget ein. Es zeigt, obiger Quelle zu⸗ folge, einen tatsächlichen Ueberschuß von 5 607 000 Pfund, von denen 2 357 000 Pfund für Schuldentilgung und 1 500 000 Pfund des Restes für die Sanatorien bestimmt sind, die in dem Ver⸗ sicherungsentwurf vorgesehen sind. Ein Posten von 250000 Pfund ist für die Entschädigungen der Parlamentsmitglieder vorge⸗ sehen, die je 400 Pfund jährlich ohne Reisekosten erhalten sollen. Die Minister sind von dieser Entschädigung aus⸗ geschlossen. Der Voranschlag der Ausgaben für das Jahr 1911/12 8 sich auf 181 234 000 Pfund und die 5 Grund der bestehenden Besteuerung geschätzten Einkünfte au 181 716 000 Pfund, was, einen gewissen Spielraum vorbe⸗ halten, einen geschätzten Ueberschuß von 337 000 Pfund ergibt.
Bei der Erörterung der künftigen Ausgaben, besonders in Verbindung mit dem Versicherungsgesetzentwurf, nahm Lloyd George Bezug auf die nach dem deutschen Flottengesetz er⸗ lülgenc. Verminderung der Aufwendungen für Schiffsbauten und sagte:
Dies mache auch eine Verminderung der englischen Flotten⸗ rüstungen notwendig, wenn nicht eine neue Drohung, die man nicht voraussehen könne, dazwischen kommen sollte. Der Erste Lord der Admiralität MeKenna habe bereits angedeutet, daß England die höchste Steigerung in seinen Flottenausgaben erreicht habe, und man könne für das nächste Jahr einer wesentlichen Verminderung und in dem darauf folgenden Jahre einer noch größeren entgegen sehen. Er hoffe, daß das für das Versicherungsgesetz notwendige Geld in den folgenden Jahren ohne Steuererhöhung werde beschafft werden können.
Frankreich.
Der Senat hat gestern seine Arbeiten wieder auf⸗
genommen. G Spanien.
In der Kammer unterzog gestern der Republikaner Ascarate die Operationen bei Ceuta einer Kritik und führte, „W. T. B.“ zufolge, aus:
Die militärischen Maßnahmen seien geeignet, einen Zusammen⸗ stoß heraufzubeschwören. Das Land wolle keinen Krieg. Welches auch immer die Haltung Frankreichs sei, Spanien 6 Frankreich nicht folgen, denn das wäre sein Verderben. In seiner Antwort versicherte der Ministerpräsident Canalejas, Spanien wolle weder Krieg noch Streit, sondern vollkommene Neutralität bewahren. „Aber“, fuhr der Ministerpräsident fort, „wir haben die Pflicht, Un⸗ ordnung in der Umgebung unserer festen Plätze hintanzuhalten. Spanien hat polizeiliche Aufgaben in seiner Einflußzone zu erfüllen und hierbei darf es sich von keiner Nation er⸗ setzen lassen. Wir haben unsere Stellungen in der Umgebung von Ceuta besetzt, um freien Durchzug und freie Ausübung des Handels zu sichern. Wir werden nicht vorrücken, wenn das Ansehen unserer Waffen das gegebene Ziel erreicht. Im entgegengesetzten Falle, wenn sich nämlich Dinge ereignen sollten, die wir nicht voraussehen können, müßte die Linie der von uns eingenommenen Stellungen vor⸗ geschoben werden. Das Vorgehen Frankreichs kann in verschiedenen Gebieten einen Rückschlag ausüben. Wenn es einen Zustand der Anarchie schaffen und Angriffe auf die spanischen Waffen in der spanischen Einflußzone mit sich bringen sollte, würden wir zu allen Mitteln greifen, um dies zu verhindern.
Türkei.
Die von den ersten Dragomanen der Botschaften der Schutzmächte der Pforte gemachte mündliche Mitteilung
über die Entsendung von Kadis nach Kreta lautet, wie das „Wiener K. K. Telegraphen⸗Korrespondenzbureau“ meldet, authentischen Informationen zufolge, daß die Kreta⸗ mächte der Pforte den freundschaftlichen Rat erteilen, Kadis nach Kreta nicht zu entsenden, damit die Pforte nicht großen Schwierigkeiten ausgesetzt werde.
— Die Deputiertenkammer hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, den Antrag der Bautenkommission angenommen, wo⸗ nach für den durch den Staat auszuführenden Bau der Bahn Samsum —Siwas ein auf vier Jahre verteilter außerordent⸗ licher Kredit von 3 105 000 Pfund bewilligt wird. Das Ver⸗ langen der Regierung nach einem Vorschuß in Höhe von 100 000 Pfund für den Bau der ersten Teilstrecke, die mittels einer in Frankreich aufzunehmenden Anleihe gebaut werden sollte, wurde abgelehnt.
Serbien. 8
Die Skupschtina hat gestern, „W. T. B.“ zufolge, endgültig mit 62 gegen 58 Stimmen einen Gesetzartikel ange⸗ nommen, der allen Staatsbeamten die aktive Beteiligung an der Politik verbietet. Heute gelangt das Apanagegesetz zur Verhandlung.
Amerika.
Das amerikanische Repräsentantenhaus hat gestern, „W. T. B. zufolge, eine Resolution Stanley angenommen, die eine Untersuchung gegen den Stahltrust durch den Neunerausschuß des Repräsentantenhauses vorsieht.
— Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ haben die Aufständischen in Mexiko den 60 Meilen nordöstlich der Hauptstadt gelegenen Ort Pachuca, der in einem der reichsten Bergwerksdistrikte liegt, ohne Widerstand genommen. Der Gouverneur ist geflüchtet.
Asien. 18 Der neue Vizekönig der Mandschurei ist nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ bei der Regierung in Peking vorstellig geworden, daß die Gouver⸗ neure von Kirin und Zizikar ihre Berichte an die Re⸗ gierung nur durch den Generalgouverneur senden sollen. Die beiden Gouverneure haben erklärt: falls ihnen der unmittelbare d mit Peking verboten würde, würden sie ihren Abschied nehmen.
Koloniales.
Zu den Gerüchten über Unruhen in Süd⸗Kamerun.
Ueber das bereits in der Tagespresse kurz mitgeteilte Ein⸗ schreiten der Station Dume gegen den Oberhäuptling Betugge ist nunmehr ein Bericht des Bezirksleiters von Dume eingegangen, dem das „Deutsche Kolonialblatt“ folgende Einzelheiten entnimmt:
Am Abend des 9. Februar traf auf der Station ein Brief des Kaufmanns Greve, Vertreters der Firma Randad und Stein (Pagen⸗ stecher u. 8 in Betugge (an der Straße Dume —Bertua—Deng⸗ deng), ein. Greve meldete, er fühle sich nicht mehr sicher, und bat den Stationschef, rasch zu kommen; alles weitere werde dieser an Ort und Stelle erfahren. Sofort verließ der Kompagnieführer, Oberleutnant Wegelin mit den augenblicklich verfügbaren Sol⸗ daten — 2 Dienstgraden und 23 Mann — die Station, erreichte in elfstündigem Nachtmarsche Bertua, am gleichen Tage Jangelli und am 11. Februar Morgens Betugge, das etwa 100 km von Dume entfernt ist. Er gewann den Eindruck, daß die Bevölkerung bei und nördlich von Betugge bis Belongo, wo ebenfalls ein europäischer Kaufmann sitt und wohin am 12. Februar ein Orientierungsmarsch gemacht wurde, ruhig war. Dagegen mußte der Oberhäuptling Betugge am 13. Februar mit zwei Beratern festgenommen werden. Dies geschah in seinem Dorf und in An⸗ wesenheit seiner Unterhäuptlinge und eines Teils seiner Leute.
Aus der gegen Betugge geführten dreitä igen Verhandlung ge⸗ wann der Kompagnieführer zwar den sicheren Fendruck daß Betugge die Ermordung des Kaufmanns Greve in der allernächsten Zeit be⸗ absichtigt hatte, daß jedoch die Ausführung seines Plans an der Nicht⸗ einwilligung seiner Großleute und der Bevölkerung gescheitert war. Ein einwandfreier Beweis konnte aber nicht erbracht werden. Dagegen ist einwandfrei festgestellt, daß der Ober⸗ häuptling Betugge sich dem letzten Aufstand der Nord⸗Makas anschließen wollte. Wenn der Anschluß tatsächlich nicht er⸗ folgte, so war dies begründet in den Mißerfolgen der aufständischen
[Maka und darin, daß die Unterhäuptlinge Betugges und d
völkerung sich — in Erinnerung an die früheren, im die Be. Major Dominik und Polizeimeister Müller — gegen luste — seinen Aufreizungen gegenüber zunächst passiv ee Ver⸗ ablehnend verhielten. Betugge wurde wegen versuchten Hoch. nicht Landesverrats zu 15 Jahren Kettenhaft, zwei seiner Berater ne- Fnkersbelfes e 9. 8 1 ZFaarfn Kettenhaft unter Uennd ührung na olundu verurteilt. Zugleich wurde die d Nen dea Sö u B ie dauernde Ver⸗ ie Untersuchung gegen Betugge gab ein lehrreiches? der Denkart des Negers. Als Betugge sah, daß fiche Selspie. 8— Mehrzahl auf seine Pläne nicht eingehen wollten, sagte er th er „Ich bin ein alter Mann, ich werde bald sterben; mir Se ven: gleich sein. Aber ein Weißer muß mit mir in die Grube. Ihr 8 les ja, wie es der Weiße macht. Er packt dann mich nicht allein 82 üst Schuldigen, sondern er bekriegt den Stamm in seiner Gesamth en und dann müßt Ihr wohl oder übel auch mittun. chlagt 1 lieber sofort mit mir los.“ Und so wäre es wohl auch Ueldehe⸗ so wenn nicht rasch eingegriffken worden wäre. Man sieht, wie een, übles Element einen ganzen Stamm ins Verderben ziehen kann 88 Das überraschende Erscheinen der — wenn auch schwachen — Truppe und die Verurteilung Betugges und seiner nächsten Berat haben bei der Bevölkerung sichtlich großen Eindruck gemacht; es st kaum anzunehmen, daß sie in nächster Zeit feindlich wird. Sie zahlt ihre Kopfsteuern und hält die Wege imstande, ist aber im übrigen furchtsam und vor allem arbeitsscheu. Zur Beruhi ung des Kauf manns Greve und zur Sicherung der Karawanenstraße im Bereiche von Betugge wurden 3 Soldaten dort belassen. Der Kompagnie führer kehrte am 20. Februar nach der Station zurück.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Der v.ecs setzte in seiner heutigen (177.) Sitzung der der Staatssekretär Dr. Delbrück die Spezial⸗ diskussion des Entwurfs einer Reichsversicherungs⸗ ordnung auf Grund der Beschlüsse der XVI. Kommisston im dritten Buch EEE11ö6 §§ 560 — 1212, (Referent; Abg. Dr. Mugdan (fortschr. Volksp.) fort. Der erste Al⸗ schnitt, Umfang der Versicherung, §§ 560—573, ist gestern bis einschl. § 569 erledigt worden. § 569 a ist von der Kommission zugefügt und besagt:
„Betriebsunternehmer, die nach der Satzung der Versicherungs pflicht unterliegen, aber keiner besonderen Unfallgefahr ausgesett sind, kann der Vorstand der Berufsgenossenschaft für versicherungt⸗ eeeee Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt endgültig.
Abg. Busold (Soz.) befürwortete einen Antrag Albrecht, statt „versicherungsfrei“ Uu Fegen „beitragsfrei“. Der kleine Handwerker, namentlich der kleine Baugewerbetreibende, müsse heute einen gewissen Wohlstand heucheln, hinter dem aber vielfach nichts stecke. Diese Kategorie von Arbeitgebern dürfe nicht ein Privileg erhalten, indem man sie für versicherungsfrei erkläre; wolle man ihnen einen Vorteil zuwenden, so möge man ihre Beiträge herabsetzen oder sie nach dem Antrage Albrecht von der Beitragspflicht befreien.
Der Antrag Albrecht wurde abgelehnt, dagegen ein Kompromißantrag Schultz angenommen, wonach dem § 5694 hinzugefügt wird: „Er widerruft die Befreiung, sobald ihre Voraussetzung nicht mehr vorliegt.“ 1
§ 572a ist ebenfalls von der Kommission eingefügt:
Die Satzung kann bestimmen, daß die freiwillige Versicherung außer Kraft tritt, wenn der Beitrag nicht rechtzeitig bezahlt worden ist, und daß eine Neuanmeldung so lange unwirksam bleibt, bis der rückständige Beitrag entrichtet worden ist.
8s. Albrecht (Soz.) befürwortete einen Antrag, statt nicht rechtzeitig“ zu sagen „trotz wiederholter Mahnung nicht“. Es handle sich hier um die Wahrung der wohlerworbenen Rechte der freiwillig Versicherten, und es sei charakteristisch, daß es der Sozialdemokratie vorbehalten bleiben müsse, für sie einzutreten. Es handle sich um geße Kreise des kleinen Handwerks; die Behauptung, daß diese freiwillig Versicherten den Berufsgenossenschaften eine große Last wären, sei durchaus nicht zutreffend. Um finanziell besonders ungünstig gestellte kleine Unternehmer .. . (Die Verhand⸗ lung erfuhr eine Unterbrechung, indem eine auf der allgemeinen Tribüne anwesende Zuhörerin, die wiederholt den Ruf „Lauter“ ausgestoßen hatte, von den Galeriedienern und einem Hausinspektor gewaltsam von der Tribüne entfernt wurde und sich der Hinausführung mit lautem, anhaltendem Schreien widersetzte). Wolle man dem kleinen Handwerk wirklich und nicht mit Worten nützlich sein, so müsse man den sozialdemokratischen Antrag annehmen. 4
Abg. Irl (Zentr.): An sich ist uns dieser Antrag sympathisch, wir müssen ihn aber im Interesse der Berufsgenossenschaften ablehnen, weil der Begriff „wiederholte Mahnung“ zu unbestimmt ist. Die kleinen Unternehmer, um die es sich hier handelt, würden durch eine Prozeßverschleppung durch leichtsinnige Zahler geschädigt werden.
Abg. Albrecht (Soz.): Ich kann diesen Einwand nicht gelten lassen; nur in der von uns vorgeschlagenen Form ist der Paragraph annehmbar. —
Abg. Semler (nl.): Ich beantrage, über das Wort „wieder⸗ holt“ in dem Antrag Albrecht gesondert abzustimmen.
Der Antrag Albrecht wurde ohne das Wort ‚„wiederholt“ angenommen und mit dieser Aenderung der § 572a.
Der zweite Abschnitt, §§ 574 —637, betrifft den „Gegen⸗ stand der Versicherung“.
§ 577 setzt fest, daß bei Verletzungen vom Beginne der 14. Woche nach dem Unfall Krankenbehandlung und Rente zu gewähren ist. 1
Die Anträge Albrecht und Genossen wollen die Unfal-⸗ versicherung vom Tage des Unfalls ab eintreten lassen und die 13 Wochen Karenzzeit, für die bisher die Krankenversicherung aufzukommen hat, beseitigen. a, aabl
Abg. Büchner (Soz.) befürwortete diesen Antrag. Die zat der in den ersten 13 Wochen auf dem Schlachtfelde der Arbeit Ge⸗ fallenen sei erschreckend groß. Die Berufsgenossenschaften müßten den Verletzten vom ersten Tage des Unfalls in sachgemäße Behandlung durch sachkundige Aerzte geben, 2. würde das Heilverfahren ver⸗ kürzt und der Berufsgenössenschaft geholfen sein, ebenso den Kranken⸗ kassen, die jetzt für die 13 Wochen aufkommen müßten.
Der Antrag wurde abgelehnt.
Nach § 578 beträgt die Vollrente (Rente für völlige Or werbsunfähigkeit) ⅛ des Jahresarbeitsverdienstes, die Teilrenke den Teil der Vollrente, der dem Maße der Einbuße und Er⸗ werbsfähigkeit Se
he- Lehmann⸗Wiesbaden (Soz.) befürwortete einen Antrat den vollen Betrag des Jahresarbeitsverdienstes als Vollrentf. 8 gewähren. Das Zentrum habe auch in dieser Sache in der Kommis g- wieder eine sonderbare Rolle gespielt und sei vor den Scharfmache 8 zurückgewichen, zu denen vor allem Alexander Thiele mit semem 4 kannten Buch gehöre. Wollten die Herren wirklich arbeiterfreun sein, so müßten sie den sozialdemokratischen Antrag annehmen.
Der Antrag Albrecht wurde abgelehnt. 1
§ 581 besagt nach der Kommissionsfassung:
Solange der Verletzte insolge des Unfalls vngerscen arbeitslos ist, kann die Genossenschaft auf Zeit die T Hacgs zur Vollrente erhöhen.
diefes Gese
1 Soz.) trat für einen sozialdemokratischen Antrag Abg. 25 ee 8 aghsem Falle die Genossenschaft zur Erhöhung recht ente für die ganze Dauer der Arbeitslosigkeit verpflichtet 8 dhe Seine Partei verlange nicht de für die Arbeiter,
sondern Recht.
Der Antrag wurde abgelehnt.
4 ist u. a. bestimmt, daß der Arbeitsverdienst für 2 8 . Rente nur zu einem Drittel angerechnet
s er 1800 (Vorlage 1500) ℳ übersteigt. Abg. Molkenbuhr (Soz.) trat für die Streichung dieser Bestim⸗ 8 So groß sei die Zahl derer nicht, die in einem Großbetriebe 1s 1800 ℳ verdienten. Es handle sich immer nur um einen eringen Bruchteil, und die Belastung würde nicht zu den anz, uerlichkeiten gehören. Die Parteien, die sich sonst so für die Ungenbeamten verwendeten, sollten gerade an dieser Stelle für den
Püioldemokratischen Antrag eintreten.
8 die Abgg. Sachse (Soz.) und Hue (Soz.) traten namentlich im Interesse der Bergarbeiter, der Steiger usw. für die H
treichung ein. 8 G (Schluß des Blattes.) 8
— Das Haus der Abgeordneten verhandelte in der (78.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler Minister des Innern von Dallwitz beiwohnten, zu⸗
nächst in zweiter Lesung über den Gesetzentwurf, betreffend die Feuerbestattung. — 16“
Die 15. Kommission hat die Vorlage, nachdem sie einige erschwerende Bestimmungen eingefügt hatte, bei der Gesamt⸗ abstimmung im 8 mit 7 gegen 7 Stimmen v
§ 1, der auch bei der Einzelabstimmung in der Kommission mit Stimmengleichheit abgelehnt worden ist, lautet in der Fassung der Regierungsvorlage: 20ꝙDie Feuerbestattung darf nur in landespolizeilich genehmigten
Anlagen erfolgen.“ b 8 b
Berichterstatter Abg. Dr. Schmitt⸗Düsseldorf verweist in
kurzem Referat auf den gedruckt vorliegenden Bericht über die Ver⸗ handlungen der Kommission.
Abg. Freiherr von Richthofen (kons.): Die Mehrheit meiner
reunde hält an dem Standpunkt fest, daß sie nicht für dieses Gesetz eintreten kann. Geschäftsordnungsmäßig liegt heute wieder der Regierungsentwurf der Beratung zugrunde, da die Kommission das ganze Gesetz abgelehnt hat. In der Kommission sind verschiedene Aenderungen vorgenommen worden, um weitere Ventile vorzuschieben, um denjenigen, die an sich die Leichenverbrennung nicht befürworten, die Zustimmung möglich zu machen. (Lebhafte Rufe links: Feuer⸗ bestattung!)) Sie werden mir doch nicht verdenken, daß ich hier von Leichenverbrennung spreche. Soll ich etwa in den Aus⸗ drücken der „Flamme“ davon reden, daß, was aus Feuer ge⸗ kommen sei, wieder zu Feuer werden solle, nachdem die Seele durch Feuer geläutert sei? Das sind die Ausdrücke der Flamme“. (Abg. Hoffmann (Soz.): Wenn eine Seele vorhanden ist!) Dafür ist Herr Hoffmann nicht ganz zuständig; darüber, ob eine Seele vorhanden ist oder nicht, entscheiden andere Instanzen. Die Mehrheit meiner Freunde kann also von ihrem früheren Stand⸗ punkt nicht zurückkommen, kann hier nicht einen Schritt tun, den sie für bedenklich hält, kann also auch der fakultativen Feuerbestattung nicht zustimmen. Die Regierung hat bei der ersten Lesung für die Aenderung ihres früheren Standpunktes gegenüber der fakultativen Feuerbestattung sich darauf berufen, daß die Majorität des Hauses in vorigen Jahre sich dafür entschieden habe, daß also das Haus selbst seinen früheren Standpunkt in der Mehrheit verlassen habe. Von einer Veränderung des Standpunktes des Hauses kann man nur sprechen, wenn heute eine Mehrheit für das Gesetz zustande käme; im vorigen Jahre war es nur eine Zufallsmajorität. Es stand damals eine Petition zur Beratung, und wohl keine Partei des Hauses hatte damals den Gesichtspunkt, daß es fics imn eine große neue gesetzliche Aktion handeln solle. Der vorjährige Beschluß konnte für die Regierung keinen Anlaß bieten, ihren Standpunkt zu ändern. Auch sonst liegen keine Gründe für die Vorlage vor. Nach dem Standpunkt meiner Freunde, die ich vertrete, sind unsere Bedenken nicht entkräftet worden, weder nach der kriminalistischen Seite, noch nach der Seite der Aufrechterhaltung der christlichen Sitte. Die Regierung hat vor zwei Jahren und früher immer gesagt, wenn die fakultative Leichenverbrennung eingeführt werde, ser die Leichenöffnung notwendig. Es ist gar keine Rede davon, daß die Mehrheit meiner Freunde den Antrag auf Einführung der Leichen⸗ öffnung zu dem Zweck gestellt hat, das Zustandekommen des Gesetzes zu hintertreiben, sondern wir haben nur den Standpunkt, den früher die Regierung hatte, als unseren eigenen bezeichnet, daß nur durch die Leichenöffnung die Bedenken gegen die b beseitigt werden können, die in kriminalistischer Beziehung vor⸗ liegen. (Abg. I Bei der Einbalsamierung auch!) Eine genaue Statistik darüber, wie weit Exhumierungen von Leichen dazu. gedient haben, Verbrechen aufzuklären, hat die Regierung uns nicht vorlegen können, aber sie hat uns doch eine dem Kommissions⸗ bericht beigegebene Zusammenstellung darüber mitgeteilt, und aus dieser ergivt sich, daß sehr viele Verbrechen erst durch die Ex⸗ humierung entdeckt und festgestellt worden sind, sodaß viele Juristen anch heute noch der Ansicht sind, daß die ige ea n. Bedenken ducch die Beschlüsse der Kommission nicht beseitigt sind. Die Mehrheit meiner Freunde meint, daß die Bedenken in bezug auf die christliche Sitte auch nicht beseitigt werden; allerdings pandert die Leichenverbrennung nichts an unserem Auferstehungs⸗ lauben, aber es fühlen sich doch die christli gesinnten Kreise verletzt, wenn ein Krematorium errichtet wird. Schließlich ist dies auch der Weg zur obligatorischen Leichenverbrennung. Die Hauptverfechter der Feuerbestattung gehören gerade nicht zu den positiv gerichteten Christen. In der „Flamme“ jeigt sich doch eine etwas phantastische Anschauung. Wir Christen unterwerfen uns dem Wort: Von Erde bist du und sollst wieder zu Erde werden. Die Kirchhöfe haben eine große Be⸗ deutung für die Aufrechterhaltung der Pietät; die Hinterbliebenen, die die Kirchhöfe besuchen, halten fest an den alten Traditionen und wandeln in den Fußtapfen ihrer Vorfahren. Wir sind mit dieser Luffassung in keiner Weise rückständig. Ich bitte deshalb die Re⸗ serng, ihren früheren Standpunkt, den sie jahrzehntelang vertreten at, auch fernerhin aufrechtzuerhalten.
Abg. Dr. Krause (nl.): Die Frage muß rein sachlich behandelt werden. Der Vorredner mag durch den Ausdruck „Leichenverbrennung“ niemand haben verletzen wollen, aber geeignet war der Ausdruck dazu.
z handelt sich nicht allein um die Verbrennung, sondern auch
in die Bestattung, und beides zusammen ist die Feuerbestattung. . habe den Feuerbestattungsverein in Hagen in seinem Prozeß der dem Oberverwaltungsgericht vertreten. Dieses Gericht hat aisschieden, daß gesetzliche Hinderungsgründe gegen die Feuer⸗
mattung in Preußen nicht vorliegen, daß aber besondere Maß⸗
neln, um die Feuerbestattung auszugestalten, in Preußen
8 nicht vorliegen, und sie deshalb verboten werden könne.
Besen letzteren Punkt kann ich nicht anerkennen, ich meine vielmehr,
ba die Polizei die Feuerbestattung nicht verbieten kann. Der Minister
e Mllärt, daß, was jetzt durch Gesetz gemacht wird, auch durch Er⸗ erwaltung gemacht werden könne, und das halte ich auch für dem enntnis des Gerichts entsprechend, und ich nehme an, daß, wenn
nicht zustande kommt, die Sache auf dem Verwaltungs⸗
emacht wird. Der Gedanke des Vorredners, daß es hier der
Schritt sei, dem die obligatorische Feuerbestattung folgen werde, unmöglich; ich habe mich darüber gewundert, daß der
Freiherr von Richthofen diesen Gedanken ausgesprochen
Es handelt sich hier gar nicht um einen Zwang, sondern
die freie Entschließung des Einzelnen. Niemand kann auf 6n edanken kommen, doß man die Erdbestattung verbieten sollte,
r man kann auf diesen Gedanken höchstens kommen, wenn man
auf dem Standpunkt der Intoleranz steht. Im Lande ist die Miß⸗ stimmung über dieses Gesetz nur dadurch erregt worden, daß man die Leute glauben machte, daß es sich hier um einen Zwang handeln solle. Ein großer Teil in den Parteien, die für das Gesetz eintreten, ist gar nicht Anhänger der Feuerbestattung und denkt nicht daran, für die Konsequenzen aus dieser Vorlage zu ziehen. Ich selbst habe mir meine Begräbnisstätte gekauft und denke, an der alten Form festzuhalten, aber wir wollen es niemand verbieten die Feuerbestattung für anzuordnen. Nach Friedrich dem Großen sollte jeder in seinem Staate nach seiner Fasson selig werden können, deshalb sollte man es in diesem Staate auch jedem überlassen, wie er sich bestatten lassen will. Die alte christliche Sitte wird nicht verletzt, wenn einer dem anderen seinen Willen und seine Meinung überlassen will. Das ist gerade Achtung vor der Meinun des anderen. In der Kommission ist der Gedanke ausgesprochen worden, daß man durch Hintertüren die Wirkung des Gesetzes doch verhindern könne; das ist nicht gerade eine sachliche Behandlung. Wenn der Justizminister für dieses Gesetz eintritt, sind alle juristi⸗ schen Bedenken beseitigt; wenn das gesamte Staatsministerium auf diesem Standpunkt steht, brauchen wir keine Bedenken mehr zu haben. Die kirchliche Seite will ich nicht ausführlich behandeln, aber Freiherr von Richthofen hat anerkannt, daß auch ein posi⸗ tiver Christ in seinem Glauben nicht Anstoß an dem Gesetz zu nehmen brauche. Die Kirche selbst ist ja dem Erdbegräbnis nicht treu geblieben; sie hat doch die Einbalsamierung zugelassen. Sehr fromme Menschen haben die Feuerbestattungsform gewählt. Es ist ein Akt der Toleranz, daß Sie diesem Gesetzentwurf zustimmen, ein Akt der Toleranz gegen diejenigen, die An⸗ hänger der Feuerbestattung sind. Die Feuerbestattung entfremdet niemand der Kirche; aber sorgen Sie, wenn Sie niemand der Kirche entfremden wollen, dafür, daß die Hindernisse hinweggeräumt werden, die den Geistlichen bezüglich ihrer Teilnahme an der Feuerbestattung entgegenstehen. Dann werden Sie manchen, der entfremdet ist, wieder der Kirche zurückgewinnen. 8 85 8 8
(Schluß des Blattes.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Die deutsche aerse Auswanderung im April 1911 und in dem gleichen Zeitraume des Vorjahrs. Es wurden befördert deutsche Auswanderer im Monat April “ über 1911 1910 8 Iio“ 1 321 1 608 LHC 11616““ 936 deutsche Häfen zusammen . . 1 973 2 544 fremde Häfen (soweit ermittelt) 709 491 überhaupt 2 682 3 035.
Aus deutschen Häfen wurden im April 1911 neben den 1973 deutschen Auswanderern noch 15 204 Angehörige fremder u davon gingen über Bremen 8917, über Ham⸗ urg 6287.
Die endgültigen Ergebnisse der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 in Bayern.
Das bayerische Statistische Landesamt, das das vorläufige Resultat der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 bereits am 10. Dezember bekannt hat, Fhec nunmehr die endgültigen Ergebnisse dieser Volkszählung zur Veröffentlichung. Danach betrug am 1. De⸗ zember 1910 die Bevölkerungsziffer Bayerns 6 887 401 gegen⸗ über 6 524 372 am 1. Dezember 1905. Die Bevölkerung ist somit in den letzten fünf Jahren um 363 029 Personen gleich 5,6 % ge⸗ wachsen. An dieser Mehrung sind die unmittelbaren Städte mit 148 055 und die Bezirksämter mit 204 974 beteiligt.
Für die einzelnen Regierungsbezirke sind die Ergebnisse folgende:
Zunahme absolut 118 277
16 964 51 252 25 601 24 162 62 022
1905
1 413 788 707 367 885 833 574 693 637 700 868 846
1910 Oberbayern . . 1 532 065 Niederbayern 724 331 falz 937 988 berpfalz 600 294 Oberfranken 661 862 Mittelfranken 930 868 Unterfranken ... . 710 943 682 532 28 411 Schwaben 789 953 753 613 36 340 Dem Geschlechte nach gliedert sich die Bevölkerung in 3 379 684 männliche und 3 507 717 weibliche Personen. Auf 1000. Männer treffen also jetzt 1038 Frauen gegenüber 1041 im Jahre 1905. Was den Familienstand betrifft, so sind 8 1 absolut 1 4 1698
8 ⸗ —
—
—
—
ücUeEno
Dobo oOnog
111“ verheiratet 2 333 8903 e“ geschieden. 8 997 2 In 590 Fällen blieb der Familienstand unbekannt.
Die Ausscheidung nach dem Religionsbekenntnis hat er⸗
geben: absolut 2% 4 862 343 70,6 1 942 385 28,2 Israeliten. 55 065 0,8 Sonstige “ 27 608 0,4. Nach der Staatsangehörigkeit endlich wurden gezählt: absolut 1“ ““ 6 550 733 95,1 andere Reichsangehörige 202 075 2,9 Ausländer. 1111292 1,9. . Bei 471 Personen konnte die Staatsangehörigkeit nicht ermittelt werden.
Katholiken. Evangelische.
“ Bayern.
8 9„
Zur Arbeiterbewegung.
Eine gestern abend abgehaltene, außerordentlich stark besuchte Versammlung der in den Eisenkonstruktionswerken Berlins und der Umgegend beschäftigten Arbeiter erklärte die Inßestingräfs⸗ der Arbeitgeber für unannehmbar und beschloß, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, in geheimer Abstimmung, die Arbeit heute (Mitt⸗ woch) nicht wieder aufzunehmen. — Zwei öffentliche Ver⸗ sammlungen der Bäckereiarbeiter Groß⸗Berlins tagten gestern in Berlin, um zu dem Schiedsspruch des Einigungs⸗ amts des Berliner Gewerbegerichts (vgl. Nr. 113 d. Bl.) Stellung zu nehmen. Die Versammlungen gaben dem Schiedsspruch ihre Zustimmu ng und nahmen eine Erklärung an, in der es u. a. heißt: „Von den Arbeitgebern erwarten die Versammelten, daß sie, von denselben Grundsätzen der Friedensliebe nicht nur annehmen, sondern auch für führung Sorge tragen werden. ollte wider Erwarten der Schiedsspruch von den Arbeitgebern abgelehnt werden, dann abe die Lohnkommission unumschränkte Vollmacht zu allen ihr geeignet erscheinenden Maßnahmen.’ Eine Ver⸗ sammlung der Konditoren und Tagesbäcker faßte den gleichen Beschluß. Die 17 Bäckerinnungen Groß⸗Berlins werden in besonderen Generalversammlungen über die Annahme oder Ablehnung des Schieds⸗ spruchs die Entscheidung treffen.
us Witten meldet die „Rh.⸗Westf. Ztg.“, daß die Beleg⸗ schaft der „Wittener Steinkohlenwerke“ vorm. Feche Berg⸗ mann, die seit dem 13. März d. J. streikte, gestern früh unter den früheren Arbeitsbedingungen die Arbeit wieder aufnahm.
beseelt, den Tarif seine loyale Durch⸗
„Bei einzelnen Rheinschiffahrtsgesellschaften waren, wie wiederholt mitgeteilt worden ist, die Maschinisten und Heizer in eine Lohnbewegung eingetreten. Die Köln⸗Mülheimer Gesell⸗ schaft nahm jetzt, wie die „Voss. Ztg.“ erfährt, die Forderungen der Angestellten, die in der Hauptsache Lohnerhöhungen enthalten, an. Auch wurden für alle Monate drei freie Tage bewilligt. Die Ma⸗ schinisten und Heizer der Köln⸗Düsseldorfer Gesellschaft haben nunmehr auch ähnliche Feeee erhoben. Die bisher ge⸗ pflogenen Verhandlungen haben bisher zu keiner Verständigung geführt.
Ueber fünfhundert Arbeiter der Pianofortefabrik Julius Blüthner in Leipzig haben, wie „W. T. B.“ berichtet, heute wegen Maßregelung des Vorsitzenden des Arbeitsausschusses die Arbeit niedergelegt. 8
Aus Hmbnig wird dem „W. T. B.“ telegraphiert: Auf der Werft von lohm u. Voß, haben heute vormittag 500 Maschinenbauer wegen Lohnstreits die Arbeit niedergelegt.
Eine Krisis droht, wie „W. T. B.“ meldet, im Baum⸗ wollindustriebezirk von Lancashire auszubrechen infolge des Beschlusses der Gewerkschaften, gegen die Nichtorganisierten Schritte zu unternehmen. Die Arbeitgeber betrachten die Frage als sehr be⸗ deutend, da sie einen Grundsatz einschließe, der die ganze Baumwoll⸗ industrie des Landes berühre. Beide Parteien sind gut organisiert.
In Paris hielten, „W. T. B.“ zufolge, gestern abend die Post⸗ und Telegraphenbeamten eine Versammlung ab, in der sie eine 20 prozentige Erhöhung der Gehälter aller derjenigen Beamten verlangten, die weniger als 6000 Francs jährlich verdienen.
Alle Installateure der Warschauer Gasanstalten sind, 8 88 „Voss. Ztg.“ telegraphiert wird, gestern in den Ausstand getreten.
Aus Kopenhagen wird dem „W. T. B.“ gemeldet: Gestern nahmen die Klempner in einer Generalversammlung mit 292 gegen 185 Stimmen den Entwurf zu einem Arbeitsübereinkommen mit den von dem Vermittler vorgeschlagenen Zusätzen und Abänderungen an. Hierauf wurden von dem Vermittler die Vertreter der beiden Par⸗ teien für heute vormittag zu einer abschließenden Beratung einberufen. (Vgl. Nr. 115 d. Bl.)
(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Zweiten Beilage.)
Wohlfahrtspflege.
Die „Norddeutsche Allgem. Zeitung“ schreibt:
Der bekannte, auch durch vielfache Akte der Wohltätigkeit aus⸗ gezeichnete Sir Ernest Cassel, London, hat unter dem Namen „König Eduard VII. Britisch⸗Deutsche Stiftung“ mit einem Kapital von 2 Millionen Mark eine Stiftung zugunsten in Deutschland sich aufhaltender, hilfsbedürftigen Engländer errichtet und den Antrag auf landesherrliche Bestätigung der Stiftung gestellt.
Seine Majestät der Kaiser und Ihre Majestät die Kaiserin haben das Protektorat übernommen. Die Stiftung soll von einem Verwaltungsrat und Verwaltungsausschuß geleitet werden, deren Mit⸗ glieder erstmalig von Seiner Majestät dem Kaiser ernannt werden.
Zu Mitgliedern des Verwaltungsrats hat der Katser ernannt: den Staatssekretär a. D. Freiherrn von Thielmann, den Staats⸗ minister a. D. Grafen von Posadowsky, den Vizeoberzeremonienmeister und Kammerherrn von dem Knesebeck, Oberpräsident a. D. von Loebell, Generaldirektor Ballin, Geheimen Kommerzienrat Ed. Arnhold, Ministerialdirektor Lewald und Bankier Max M. Warburg. Den Verwaltungsausschuß sollen die Herren Warburg, von Loebell und Lewald bilden.
Diese Stiftung findet Anlehnung und Ergänzung in einer von Sir Ernest Cassel gleichzeitig in England errichteten gleichartigen Stiftung, die sich die Fürsorge für hilfsbedürftige Deutsche in Eng⸗ land zur Aufgabe stellt und deren Protektoren der König und die Königin von England sind.
Die hochherzige Tat Sir Ernest Cassels kann auch hier nur mit Freude begrüßt werden und läßt die Hoffnung berechtigt erscheinen, daß auch sie sich zu einem neuen Bindeglied zwischen den beiden stammverwandten Nationen entwickelt.
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In der Rentengutkolonie Bothfeld der Hannoverschen Wohnungs⸗ genossenschaft, aus Mitgliedern des evangelischen Arbeitervereins in Hannover bestehend, sind weitere 45 Einfamilienhäuser fertiggestellt und schon bezogen worden. “
Bauwesen. VVon Mitte Januar bis Mitte März wurde der Außenhafen in Emden von zwei Baggern vertieft und hierbei 414 500 cbm ausgebaggert, von denen rund 367 200 chm auf das Watt nestlich des Außenhafens gepumpt und 47 300 chm in der Aa verstürzt wurden. Seit Mitte März wird an dem Aufstellen eines Peabl- gerüstes vor dem Wybelsumer Watt zur Aufnahme einer Druck⸗ “ zum Aufspülen von Baggergut aus dem Gatje ge⸗ arbeitet.
Die Arbeiten zur Instandhaltung der Buhnen auf den friesischen Inseln konnte wegen der günstigen Witterung fast ununterbrochen fortgesetzt werden.
Der Bau des neuen Hellings am Liegehafen des Bauhofes in Emden ist soweit vorgeschritten, daß das in Auftrag gegebene Windwerk nebst Hellingwagen demnächst aufgestellt werden kann. An der neuen Verladebrücke, deren Aufbau Anfang Februar beendet war, werden die elektrischen Anlagen eingebaut.
Die Vertiefung und Verbreiterung der Mündungsstrecke des Dortmund — Ems⸗Kanals auf 9 m Tiefe und 150 m Breite wurde seit dem 20. März wieder in Angriff genommen. Es wurden rund 35 000 chm Boden gebaggert, die auf das Gelände des neuen Hafenpolders gepumpt wurden. Der Bau der neuen Ostmole, der im vergangenen Vierteljahr begonnen wurde, konnte seit dem 20. März weiter fortgesetzt werden. Die Packwerklage ist auf eine Länge von rund 50 m einschließlich Schüttsteinlagerung fertiggestellt.
Beim Bau der neuen Seeschleuse in Emden sind bisher rund 160 000 cbm Mauerwerk (hiervon rund 30 000 cbm im ver⸗ gangenen Vierteljahr) eingebaut worden; das Außenhaupt ist bis zur entwurfsmäßigen Höhe fertiggestellt, desgleichen 80 bezw. 40 Ilfd. Meter der Kammerwände; die übrigen Strecken der Kammerwände sowie das Binnenhaupt sind im Durchschnitt bis Ord. 1,0 unter M. H. W. fertig. Zur Hinterfüllung der fertigen Bauteile sind rund 120 000 cbm Boden eingebaut (im letzten Vierteljahre rund 48 000 cbm). Die Pflasterung der Kammer⸗ sohle und der Vorböden ist fertig. Das westliche Widerlager ist bis 2,0 über M. H. W., der Drehpfeiler und der kleine Pfeiler bis 0,0 über M. H. W. fertiggestellt. Die Rammarbeiten für das Fundament des östlichen Widerlagers sind beendet, in nächster Zeit mit der Aufmauerung begonnen werden kann. ür die Herstellung der und der Anschlußdämme sind rund 32 000 cbhm Boden eingebaut.
Die Arbeiten zur Vollendung des Durchstichs bei Mark⸗ Hilkenborg wurden wieder aufgenommen. b
Die Hafenerweiterungsbauten in Wilhelmshaven konnten bei der günstigen Witterung gut gefördert werden.
Anfragen über den Bau oder das Gewicht der Güter⸗ wagen des Deutschen Staatsbahnwagenverbandes. Die Ueberwachung des gesamten Bestandes der preußisch⸗hessischen Eisenbahngemeinschaft an freizügigen Güterwagen, an stationierten und nichtstationierten Spezialwagen, an Arbeitswagen sowie an Privat⸗ güterwagen und Privatbahngüterwagen ist vom 1. April 1910 ab dem Königlichen Eisenbahnzentralamt in Berlin übertragen. Anfragen über den Bau oder das Gewicht dieser Güterwagen sind daher nicht