1911 / 117 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Den Gewerbeinspektionsassistentinnen Schlösser in M.⸗Glad⸗ bach, Reichert in Berlin C., Kummert in Berlin S0. und Conradt in Berlin N. ist eine etatsmäßige Gewerbeinspektions⸗ assistentinnenstelle bei den bezeichneten Gewerbeinspektionen ver⸗ liehen worden.

Ministerium der Lee und Unterrichts⸗ angelegenheiten.

Der bisherige Oberlehrer am städtischen Gymnasium zu Essen Dr. Fritz Thaler ist zum Kreisschulinspektor in Witten ernannt worden.

Dem ehemaligen Kustos am Märkischen Brogascsat nssenha in Berlin Rudolf Buchholz ist das Prädikat Professor bei⸗ gelegt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem Domänenpächter Wilhelm Schlüter zu Eggersen im Regierungsbezirk Hannover ist der Charakter als Königlicher Oberamtmann verliehen worden. ““

8 Die Oberförsterstelle Laska im Regierungsbezirk Marienwerder ist zum 1. Juli 1911 zu besetzen. Bewerbungen müssen bis zum 5. Juni Hrgde. b Die Oberförsterstelle Warlubien im Regierungsbezirk Marienwerder ist zum 1. August 1911 zu besetzen. Be⸗ werbungen müssen bis zum 15. Juni eingehen.

Finanzministerium.

Bei Erörterung der Vorgänge, die zu dem Erlaß der Verfügung vom 24. April dieses Jahres III. 5137 geführt haben, ist zur Sprache gekommen, daß in Versammlungen des preußischen Landesverbandes deutscher technischer Zoll⸗ und Steuerbeamten das Verlangen erhoben worden ist, es hätten die Oberzollinspektoren, wenn sie dem Verbande als Mitglieder an⸗ gehörten, in ihrer amtlichen Wirksamkeit, namentlich bei Be⸗ richterstattungen über Beamtenfragen, den von dem Verbande eingenommenen Standpunkt zu vertreten. Dabei ist angeregt worden, auf die Oberzollinspektoren in diesem Sinne einzuwirken.

Es ist in hohem Grade bedauerlich, daß in einer Versamm⸗ lung preußischer Zollbeamter derartige Anschauungen überhaupt haben geäußert werden können, denn sie zeugen von einer völligen Verständnislosigkeit dafür, daß der preußische Beamte sich bei allen seinen Handlungen und Aeußerungen in erster Linie von seinem Gewissen und seinem Pflichtbewußsein gegenüber dem allgemeinen Staatsganzen leiten lassen und dies unbe⸗ kümmert um ihm daraus etwa erwachsende Unannehmlichkeiten rück⸗ sichtslos vertreten muß, nicht aber sich von Stimmungen beeinflussen lassen darf, die in einem lediglich aus seinen Berufsgenossen zusammengesetzten Vereine herrschen. Es zeugt ferner von einer eben so großen Verständnislosigkeit für das Wesen der Disziplin, wenn den Oberinspektoren oder sonstigen leitenden Be⸗ amten zugemutet wird, sich in ihren amtlichen Handlungen den Mehrheitsbeschlüssen oder Anschauungen eines privaten Vereins zu fügen. 1b - füͤgen hege auch das Zutrauen, daß Zumutungen,

wenn sie wirklich vorkommen sollten, bei den Oberzollinspektoren nc auf einen fruchtbaren Boden fallen würden, diese viel⸗ mehr eingedenk der ihnen als Leitern der Hauptzollämter ob⸗ liegenden hohen Verantwortung in allen dienstlichen Angelegen⸗ heiten lediglich nach Pflicht und Gewissen die an sie heran⸗ tretenden Fragen behandeln werden. Ich darf aber auch weiter von den Oberzollinspektoren er⸗ warten, daß sie, soweit sie Mitglieder von Beamtenvereinen ind, sich ihrer Stellung stets bewußt bleiben und den ihnen zukommenden Einfluß auch in den Vereinen nach der Richtung geltend zu machen sich bemühen werden, daß die Beamten in der Fer slene ihrer Verbandsbestrebungen Maß halten und sich nicht zu unbedachten Schritten hinreißen lassen. 8

. Mai 1911.

Der Finanzminister. Lentze.

An die Herren Präsidenten der Königlichen ddirektionen (einschließlich Erfurt).

Dentsches Reich. Preußen. Berlin, 18. Mai.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten die vereinigten Ausschüsse für Rechnungs⸗ wesen und für Handel und Verkehr, der Ausschuß für Rechnungs⸗ wesen und der Ausschuß für Handel und Verkehr Sitzungen. 8 üs Die Verkehrseinnahmen deutscher Eisenbahnen für April 1911 betrugen nach der im Reichseisenbahnamt

aufgestellten Uebersicht:

gegen das Vorjahr (mehr, weniger)

im ganzen auf 1 km

auf

im ganzen i

66 77.

1.-22 %

Frleresneehr 71 208 499, 1 396 + 12 981 116 + 239 + 20 üterverkehr 143 688 575 2 750% /+ 3 011 506 + 21 + 0 Bei der Beurteilung des Ergebnisses ist die Lage des Osterfestes in Betracht zu ziehen (1910 im März, 1911 im April).

Für das abgelaufene Rechnungsjahr haben aus den im Etat der Staatseisenbahnverwaltung zur Prämiierung nützlicher Erfindungen vorgesehenen Mitteln 52 Beamten und Arbeitern der Staatseisenbahnverwaltung Belohnungen im Gesamtbetrage von 20 000 für Erfindungen und Ver⸗ besserungen, die zur Erhöhung der Betriebssicherheit oder Wirt⸗

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chaftlichkeit beitragen, bewilligt werden können. -

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Laut Meldung des „W. T. B.“ sind S. M. S. „Geier“ vorgestern in Cadiz und S. M. S. „Luchs“ gestern in Schanghai eingetroffen.

S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ ist gestern von Canton in See gegangen.

Gestern mittag gab der deutsche Botschafter zu Ehren des Kaisers und der Kaiserin ein Frühstück in der Botschaft. Am Abend wohnten das Kaiserpaar, der König Georg und die Königin Mary einer Galavorstellung im Drury.

Lanetheater bei. Rußland.

Der deutsche Kronprinz und die Kronprinzessin Cecilie sind gestern nachmittag in Zarskoje⸗Sselo eingetroffen und, „W. T. B.“ zufolge, vom Kaiser Nikolaus und der Kaiserin Alexandra feierlich empfangen und nach dem Palais geleitet worden, wo später auch die Kaiserin⸗Witwe eintraf. Abends fand zu Ehren des Kronprinzenpaares ein Galadiner statt.

Durch ein Manifest des Kaisers wird die Schließung des jetzigen finnischen Landtags durch den Generalgouverneur für den 24. Mai angeordnet.

Die Reichsduma hat gestern, obiger Quelle zufolge, eine Vorlage angenommen, wonach der russischen Gesellschaft für Dampfschiffahrt und Handel eine jährliche staatliche Unter⸗ stützung von 933 000 Rubel für einen regelmäßigen Schiffs⸗ verkehr auf dem Schwarzen Meer und Miitelmeer angewiesen wird. In nicht öffentlicher Sitzung hat die Duma die Gesetzvorlagen über die Anweisung der Kredite für die Verstärkung der Schwarzmeerflotte an das Marine⸗ ministerium und über die Kredite für 1911 zur Verstärkung der Reichsverteidigung sowie die Vorlage über die Schaffung des Postens eines diplomatischen Beamten beim General⸗ gouverneur in Irkutsk angenomm en.

Italien.

Der König empfing gestern eine spanische Militär⸗ mission unter Führung des Generals Primo Rivera zur Ueberreichung der Urkunde über seine Ernennung zum Ehren⸗ obersten des Regiments Savoyen. Abends fand im Quirinal zu Ehren der Militärmission ein Festmahl statt, bei dem der König in einem Trinkspruch erneut für seine Ernennung zum spanischen Obersten dankte.

Italien und Spanien, so führte der König weiter aus, fänden in ihrer glänzenden Vergangenheit und in den raschen Fortschritten der Gegenwart die Berechtigung, Vertrauen zu haben auf eine würdige Zukunft, die das Zusammenwirken an den edlen Werken der Zivilisation und des Friedens immer inniger und wirksamer gestalten werde. So⸗ dann gedachte der König des Geburtstages des Königs Alfons und trank auf das spanische Königshaus und auf das Glück und die Größe Spaniens und seiner glänzenden Armee.

Der General Primo Rivera dankte für die der Mission bereitete glänzende Aufnahme und sagte, er sei glücklich, seine Bewunderung zum Ausdruck bringen zu können für die Lebens⸗ kraft, die Italien augenblicklich durch so glänzende Ausstellungen betätige.

Belgien.

Der Gesundheitszustand der Königin hat sich, wie die Brüsseler Blätter melden, wesentlich gebessert.

In der gestrigen Sizung der Deputiertenkammer setzte die Obstruktion der Linken und Sozialisten gegen das Schulgesetz ein. Der liberale Abgeordnete von Namur, sprach, „W. T. B.“ zufolge, während der ganzen Sitzung zum Etat des Ministeriums des Innern. Als er gegen 5 Uhr seine Rede abbrechen wollte, um sie heute fortzusetzen, brach ein unbeschreiblicher Lärm los. Die Saaldiener waren genötigt, Tätlichkeiten zu verhindern. Der Präsident mußte schließlich die Sitzung unterbrechen; gleichzeitig ließ er die Tribünen, auch die Pressetribüne räumen. Nach einer halbstündigen Pause wurde die Sitzung wieder eröffnet, aber auf dringendes Verlangen der Linken bald wieder ge⸗

schlossen, damit der Sprecher der liberalen Partei seine Rede 1

heute fortsetzen kann. mäe.

Bei der gestern fortgesetzten Beratung der Deputierten⸗

kammer über den Etat des Ministeriums des Innern gab der Minister des Innern laut Bericht des „W. T. B.“ folgende Erklärungen ab:

Es sei behauptet worden, die Regierung sei bestrebt, alle Rassen zu Türken zu machen; demgegenüber erkläre er, daß die Regierung nur auf eine politische Union aller Elemente abziele unter der Be⸗ dingung, daß das Wesen der Nation, die Sprache und die Religion unangetastet blieben. Betreffs des Zionismus erklärte der Minister, daß die Regierung keineswegs die Bildung von mit politischen Zwecken verbundenen zionistischen Kolonien erlauben werde. Betreffs der Nachrichten über den Malissoren⸗ aufstand, bemerkte der Minister, daß sie übertrieben seien. Die Pforte traue den Zusicherungen Montenegros, anderenfalls wäre die Kriegserklärung die Folge. Für den Krieg sei alles bereit. Jedoch sei eine aktive Beteiligung Montenegros an dem Aufstand nicht er⸗ wiesen. Es sei auch nicht anzunehmen, daß Montenegro den Frieden zu stören wünsche.

Serbien.

Die Skupschtina hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern den Gesetzentwurf, betreffend die Apanagen für die Kinder des Königs, in erster Lesung mit 86 gegen 31 Stimmen angenommen. 111“

Schweden. —“ Die beiden Kammern des Reichstags haben gestern nach kurzer Debatte den schwedisch⸗deutschen Handelsvertrag angenommen.

„Wie „W. T. B.“ meldet, wurde in der Zweiten Kammer im Laufe der Debatte darauf hingewiesen, daß der neue Vertrag die Lage der schwedischen Eisenindustrie direkt verschlechtere und daß Schweden mit Bezug auf die Steinindustrie zu große Nachgiebigkeit gezeigt habe. Der Finanzminister gab zu, daß nicht alle Wünsche und Hoff⸗ nungen Schwedens erfüllt worden seien, wies jedoch zugleich auf die eventuellen Folgen eines vertraglosen Zustandes hin und betonte zum Beispiel, daß die Gewinnung eines neuen elapeehn für die schwedische Tischlerindustrie erhebliche Zeit in An⸗ spruch nehmen würde. Dieselben Gesichtspunkte machte der Minister des Aeußern in der Ersten Kammer geltend und betonte nament⸗ lich, daß die Regierung angesichts der schwierigen Lage der Tischlerei⸗ industrie lieber auf den ganzen Vertrag verzichtet hätte, als in diesem M7 eine Verschlechterung des bestehenden Zustandes anzunehmen. Auch in Sachen der Pflastersteine habe die Regierung die Er⸗ füllung ihrer Forderung als conditio sine qua non be-⸗ handeln müssen. Der Minister führte weiter aus: obwohl die schwed Regierun bedeutende Zugeständnisse habe machen

h 3 8 11““

müssen, die der deutschen Eisenindustrie für eine Rei dneeach. s ü⸗ B he von usfuhrziffern nicht zugunsten Schwedens sprächen, sei

nach seiner Ansicht für Schweden doch so wider Vertzg den obwaltenden Umständen zu erreichen war. Aus der Mitte nüe Ersten Kammer wurde außerdem noch geltend gemacht, da ür der schwedischen Eisenexport und speziell für das Holzkohleneisen büdn oder nichts Wesentliches erreicht worden sei. Schließlich wurd chts Vertrag in beiden Kammern angenommen. e der

Amerika.

Das amerikanische Staatsdepartement Entwurf eines allgemeinen Schiedsgerichtsvertra 8 vollendet und dem französischen wie dem britischen Botschafäer übergeben als eine Grundlage, auf der die Regierung der Ver⸗ gE-. Staaten nunmehr gewillt ist, in Verhandlungen ein⸗ zutreten.

Nach einer von „W. T. B.“ verbreiteten Mitteilung des Staatsdepartements ist dieser Entwurf nicht das Ergebnis von Verhandlungen mit irgend einem einzelnen Lande, sondern stellt nur dar, was die Regierung als eine gesunde Grund⸗ lage zu Verhandlungen für die Ausdehnung des Bereichs ihrer Schiedsgerichtsverträge ansieht. Er ist dem fran⸗ zösischen und dem britischen Botschafter zugestellt worden weil sie den Wunsch ihrer Regierungen zu erkennen gegeben haben, die Frage eines allgemeinen Schiedsgerichtsvertrages zu diskutieren, der alle Meinungsverschiedenheiten einschließen würde, die zwischen ihnen und den Vereinigten Staaten ent⸗ stehen könnten. Die allgemeinen Grundzüge des Entwurfs sind folgende:

„Er erweitert den Bereich unserer bestehenden allgemeinen Schieds⸗ gerichtsabkommen dadurch, daß er die in ihnen enthaltenen Ausnahmen beseitigt, nämlich die Fragen des vitalen Interesses oder der nationalen Ehre. Der Entwurf sieht vor, daß alle Streitfragen, die von einem internationalen Gericht entschieden werden können, dem Schiedsgerichts⸗ hof im Haag unterbreitet werden sollen, wenn nicht durch ein he⸗ sonderes Abkommen irgend ein anderer Gerichtshof geschaffen oder gewählt werden sollte. Er sieht ferner vor, daß alle Streit⸗ fragen, die eine von beiden Vertragsmächten als nicht durch ein inten nationales Gericht zu entscheiden ansieht, einer Untersuchun kommission überwiesen werden sollen, welche die Vollmacht erhalten soll, Vorschläge zur Beilegung zu machen. Diese Kommisston sol aus Angehörigen beider Länder gebildet werden, die Mitglieder des Schiedsgerichtshofes im Haag sind. Sollte die Kommission dahin entscheiden, daß die Streitfragen einer schiedsgerichtlichen Beurteilung zu unterwerfen sind, so soll diese Entscheidung bindend sein, und das schiedsgerichtliche Verfahren soll stattfinden. Bevor man also zu einem schiedsgerichtlichen Verfahren seine Zuflucht nimmt, selbst ie den Fällen, in denen beide Länder dahin übereinstimmen, daß die he treffenden Streitfragen sich zu schiedsgerichtlicher Erledigung eignen, so eine Untersuchungskommission die vorliegende Frage prüfen, um eventn eine Beilegung anzuempfehlen, die die Notwendigkeit en schiedsgerichtlichen Aktion ausschließen würde. Der Vorschla einer solchen Kommission soll nicht die Wirkung einer schiedsgericht lichen Entscheidung haben. Die Kommission soll ferner auf das An suchen einer von beiden Regierungen ihr Gutachten ein Jahr lang aufschieben, um die Möglichkeit für eine Beilegung auf diplomatischem Wege zu gewähren.

Die anderen Teile des Vertragsentwurfs behandele hauptsächlich die Einrichtungen für die Kommission und anden Einzelheiten.

Nach einem Telegramm der „Associated Preß“ aus der Stadt Mexiko ist der Präsident Diaz bereit, vor Ende des Monats abzudanken. Derselben Quelle zufolge ist gestem m Juarez ein fünftägiger Waffenstillstand unternicme worden, der sofort für die gesamte Republik Geltung haka iäl.

Asien.

Ein gestern erschienenes Edikt des Kaisers von Chine lehnt, „W. T. B“ zufolge, die Petition der Konstitutions kammer, betreffend die Einberufung einer außerordentlichen Kammersession zur Prüfung der Etatsfragen und der Veraus gabung der letzten Anleihen, ab. Das Edikt mißt diesen Fragen keine Dringlichkeit bei. Rechenschaft über diese Angelegenheiten soll der Kammer, in der Herbsttagung abgelegt werden

Afrika.

Einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus Cas blanca zufolge sind die in Mazagan konzentrierten Streit kräfte des Machsen gestern nach Zemmur und Rabat auf gebrochen. 1 8 8

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten Beilage.

In der heutigen (178.) Sitzung des Reichstags, der der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco beiwohnten, wurd die zweite Lesung des Entwurfs einer Reichsversicherungs ordnung auf Grund der Berichte der XVI. Kommisssion im dritten Buche „Unfallversicherung“ beim zweiten Teil „Landwirtschaft liche Unfallversicherung“, §§ 913 1035, fortgesetzt. Fefern ist für dieses Buch der Abg. Dr. Mugdan sfortschr. Volksp.

§ 915 lautet nach den Kommissionsvorschlägen: ag.

Als versicherungspflichtiger landwirtschaftlicher Beni g⸗ auch die Gärtnerei, die Park⸗ und Gartenpflege sowie der ỹred ler⸗ betrieb, soweit er nicht der gewerblichen Unfallversicherung vn liegt. Kleine Haus⸗ und Sen. die nicht regelmätit äafte erheblichem Umfange mit besonderen Arbeitskräften bereneekain werden und deren Erzeugnisse hauptsächlich dem eigenen Ha dienen, gelten nicht als landwirtschaftlicher Betrieb. vät und

Abg. Busold (Soz.) befürwortete einen Antrag Alb fange⸗ Genossen (Soz.), die Worte „regelmäßig und in erheblichem Umfans zu streichen.

Der Antrag wurde abgelehnt. b

Zu § 918, der die Versicherungspflicht der Arbeiter r Betriebsbeamten, deren Jahresarbeitsverdienst nicht 8 an Entgelt übersteigt, gegen Betriebsunfälle statuiert, fürwortete der d. Gehas⸗

Abg. Dr. Potthoff (fr. Volksp.) einen Antrag, die ühern grenze zu streichen, wie es auch beescns der Seeunfallversichegeit geschehen solle. Die Kommission shabe ja bereits den er00 8 getan, indem sie die bisherige Gehafltegrenze von 3000 au Ld utm höhte; es handle sich jetzt um einen weiteren Schritt, dessen 2die Ver nicht erheblich sei, da nur 3 4000 Beamte in Betracht kämen. IFir dies⸗ tröstung der Beamten auf den Weg der Privatklage sei Haels rt Beamten prekar, da dann der/ Nachweis der Verschuldung, und werden müsse; diese Prozesse Keien außerordentlich unerqa schräntten beschwerlich. Möge die Mehrlzeit wenigstens in diesem bef Umfange den Wünschen der 7b nachkommen..

(Schluß des Blattes.)

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isenerze sicherten, und obwohl die bene äüre

hat den

9 Haus der Abgeordneten setzte in der begs 8e9) Shung, welcher der Justizminister Dr. Beseler heutigen Minister des Innern von Dallwitz beiwohnten, die und dec ratung des Gesetzentwurfs, betreffend die Feuer⸗ vvg* und zwar zunächst die gestern abgebrochene e über § 1 der Regierungsvorlage fort, der lautet: eba Die Feuerbestattung darf nur in landespolizeilich genehmigten

3 folgen. gen se Abgg. von Goßler (kons.) und Dr. Schrock kkons.) sind inzwischen Anträge eingegangen, die, da die vmmifsion schließlich die ganze Vorlage abgelehnt hat, die

giederherstellung der Kommissionsbeschlüsse der zweiten Lesung inzelnen Paragraphen vorschlagen.

den einz 1 8 zu Abg. von Goßl er (kons.): Ein erheblicher Teil meiner ktion ist bereit, dem Gesetz zuzustimmen, und zwar in der Frr ung, die es in der Kommission erhalten hat. Wir motivieren basse Etellung damit, daß durch die Feuerbestattung weder Glaubens⸗ inser der christlichen Kirche noch Grundsätze unseres konservativen 1 veiprogramms berührt werden, und daß auch die Frage mit litik nichts zu nnn Wim Aühb Füher keins E 9 atten, für die gesetzliche Einführung der Feuerbestattung 45 5 lag dies daran, daß es sich erstens fragte, ob diese hewegung im Volke Wurzel schlagen oder ob es nicht eine vorüber⸗ bende Modesache sein werde, und daß zweitens die Anträge een der Feuerbestattung von einer Seite kamen, die wir nicht nur . itisch 8 auch kirchlich als liberal ansehen mußten. Hne it die Lage anders. Erstens müssen wir uns, ob es uns paßt Fer nicht, damit abfinden, daß die Bewegung für die Feuerbestattung eiteren Anklang im Volke gefunden hat und wir damit rechnen nüse daß sie nicht wieder verschwindet; zweitens aber ist für uns maßgebend stehen wir heute nicht mehr einem Übberalen Antrag, sondern einem Gesetzentwurf der Regierung gegenüber, dein nesentlichen Punkten die Bedenken, die auch wir fruͤher hatten, streut. gilt skesgadens rim malistschen. Mchenn. ings sind wir der Ansicht, daß auch nach dieser Richtung hin Phärung des Entwurfs 1e eee süls ir dem S e Fassung geben, daß die Aschenreste von ver⸗ e-e Füchen in einem für jede Leiche besonderen, behörd⸗ lich verschlossenen Behältnis beigesetzt werden müssen, damit eschlossen wird, daß Veränderungen vorgenommen werden können, die es später nicht mehr möglich machen, einem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Ferner wünschen wir § 7 dahin zu ändern, daß im Falle der Leichenverbrennung nicht nur eine Anzeige an die Orts⸗ poltzeibehörde des Verbrennungsortes, sondern deren Genehmigung zazu erfordert wird; diese Genehmigung soll schriftlich erteilt werden und gr. bersagte, nerden, 5* n in dem 5 6n. riebenen Urkunden nicht beigebracht werden. Im § 9 wünschen vsc die Streichung des Regierungsvorschlages, daß der Beweis der Anordnung der Feuerbestattung durch den Verstorbenen auch durch das von einer öffentlichen Behörde beglaubigte Zeugnis zweier glaubwürdiger Personen erbracht werden kann. Wenn diese unsere Vorschläge angenommen werden, halten wir es tat⸗ sichlich für ausgeschlossen, daß aus dem Gesetz sich ein Inteiz ergeben könnte, Verbrechen zu verüben. Wir sind viel⸗ mehr der Ansicht, daß es jetzt viel schlechter damit steht, als nach diesen Vorschlägen; denn es wird tatsächlich verkannt, daß jetzt die Spuren eines Verbrechens sehr leicht dadurch verwischt werden können, dc die Feuerbestattung außerhalb Preußens ohne jede polizeiliche oder michtliche Kontrolle vorgenommen wird, während künftig, wie der Miister gesagt hat, Vorschriften erlassen werden sollen, die auch über dise Fälle die Kontrolle ermöglichen. möchte allerdings den Mmister namens meiner Freunde bitten, daß diese Vorschriften in llere Weise erlassen und durchgeführt werden. Aus dem der Kommission übernichten Material über die Erfolge von Exhumierungen zur Auf⸗ dehmg von Verbrechen haben allerdings die Sachverständigen ge⸗ schlesen, daß noch Bedenken vorliegen können, aber 86 sind durch die estigen Erklärungen des Justizministers doch beseitigt worden. Fin Anfang an erhoben meine Freunde, auch diejenigen, die geneigt waren, dem Gesetz zuzustimmen, sehr ernste Bedenken aus religiösen ö Nren 1 822g8. 8 bäiche nd aber der Meinung, daß sie auf der anderen Seite überschätzt werden. Wir wünschen aus diesen Gesichtspunkten heraus, daß § 2 eine andere Fassung erhält, damit zum Ausdruck kommt, daß die Aufsichtsbehörde die Genehmigung nicht unbedingt zu erteilen hat, sondern eine Prüfung der Vorbedingungen vornehmen kann. In der Praxis kann es vorkommen, daß kostspielige Krematorien erbaut werden sollen, die in keiner Weise den Interessen der Allgemeinheit entsprechen. Es kann aber auch sein, daß ein Beschluß der Ge⸗ meinde mit so geringer Majorität gefaßt wird, daß dadurch eine ernste Beunruhigung der auf anderem Standpunkt stehenden Bürger stattfinden würde. Es muß ferner im § 3 eine Ergänzung dahin statt⸗ finden, daß unter allen Umständen dafür gesorgt werden muß, daß neben der Feuerbestattung auch die Beerdigung Verstorbener dauernd in bisheriger Weise stattfinden kann. Wenn wir den Entwurf in der ursprünglichen Form annehmen würden, dann könnte es passieren, daß eine Gemeinde wohl ein Krematorium hat, aber keinen Beerdigungs⸗ platz. Ferner sind wir dafür, daß § 7 eine Abänderung erfährt, nach 3 jeder Feseeae zerh EEE S.e der ehörde notwendig ist, die versagt werden muß, wenn ni ie nötigen .e-e-e t werden. bn visen enschen ge⸗ agen wird, glauben wir, daß die Befürchtungen, die gegen die Regierungsvorlage geäußert wurden, nicht mehr berechtigt sind. Es handelt sich ja hier um ein Gesetz, das nicht die allgemeine Leichen⸗ ; sagherh muf 88 sebuhttre gesagt oird, das sei nur der erste Schritt, so kann i iese Folgerung nicht mitmachen, und zwar deshalb nicht, weil ich nicht den Zweck einsehe, den die Anhänger der Feuerbestattung damit im Auge haben sollten. Man darf auch aus unserer Zustimmung nicht schließen, daß nr vnbage⸗ der seien. Sepie ich 819 hes zuf keinen meiner Freunde zu. ir sind auch einig in dem Wunsche, daß in Zukunft in möglichst weitem Umfange an der alten christ⸗ ücen Sitte 88 vI 1. weroe Wer. mhen einen Zwang ausüben, wir wollen m esem Gesetze den ünschen der Anhänger der Feuerbestattung Eee.rn. und offen, daß dann aber auch auf der anderen Seite Rücksicht auf unsere Gefühle genommen und nicht eine reklamehafte Propaganda für die seuerbestattung eingeleitet wird. Wenn wir den Gefühlen anderer Benung tragen, wollen wir auch, daß unsere Gefühle geachtet

en.

Schluß des Blattes.)

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

In einer gestern abend abgehaltenen Versammlung der orstände sämtlicher Bäckerinnungen Groß⸗Berlins

t, der „Voss. Ztg.“ zufolge, mitgeteilt, daß die gestrige Bäcker⸗ 1 gsversammlung mit Ausnahme von Rixdorf, Oberschöneweide 4 schtenberg beschlossen habe, die Forderungen der Gesellen juülehnen (vgl. Nr. 116 d. n. Unbekannt waren die Beschlüsse der venngen von Spandau, Zehlendor und Britz. Es wurdebeschlossen, heute BarA. fednung an den Berliner Polizeipräsidenten zu schicken mit der 8 te, ein Backverbot von Sonntag früh bis Montag früh 6 Uhr zu ansen. Im übrigen sind die Meister gewillt, wegen der Lohn⸗

erungen mit den Gesellen in weitere Verhandlungen zu treten. Bam befürchtet, daß trotzdem in den nächsten Tagen ein allgemeiner 88 ergesellenstreik in Groß⸗Berlin ausbrechen wird. Außerdem droht

Bäckermeistern in den Arbeitervierteln ein Boykott. dun In Kopenhagen ist, wie „W. T. B.“ meldet, gestern die

ch den Ausstand der Klempner veranlaßte, etwa 40 000 Arbeiter 1“ ““ X“

bewohnt ließen.) Herr Busse bestimmt die Ze⸗

d Aussperrung aufgehoben worden, nachdem ein Uebereinkommen zwischen Arbeitern und Arbeitgebern in allen strittigen Punkten erzielt worden ist. (Vgl. Nr. 116 d. Bl.)

Wegen des in Oporto fortbestehenden Ausstands der Hafen⸗ arbeiter bewirkten, wie „W. T. B.“ erfährt, die Besatzungen der ausländischen Schiffe unter militärischem Schutz Ladung und Löschung ihrer Schiffe. (Vgl. Nr. 111 d. Bl.)

Die ausständigen Stheßethahnangesternten in Johannes⸗ burg (vgl Nr. 114 d. Bl.) sind, wie der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ tele⸗ -LeJs ., wird, unterlegen. Der Dienst ist in vollem Umfange wieder aufgenommen. Ein Personenmangel ist nicht vorhanden. Die Straßen⸗ barrikaden sind weggeräumt worden. Die Rädelsführer werden gerichtlich bestraft werden.

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten und Zweiten Beilage.)

Wohlfahrtspflege.

Am 15. d. M. tagte im Landeshause der Provinz Brandenburg zu Berlin eine Versammlung der großen deutschen Volksbildungs⸗ organisationen aller Richtungen, um die Gründung einer Zentral⸗ stelle für den Kampf gegen die Schundliteratur zu be⸗ raten. Dr. von Erdberg sprach über die Notwendigkeit einer solchen Zentrale, die an eine neutrale Organisation angeschlossen werden müsse, um den Vereinen aller Richtungen die Möglich⸗ keit zur Mitarbeit zu geben. In einer lebhaften Aussprache wurde von allen Seiten die Notwendigkeit der Gründung anerkannt. Es wurde eine Kommission von 15 Mitgliedern gewählt und mit den weiteren Arbeiten beauftragt. Die Geschäftsführung dieser Kommission soll der Volksbildungsabteilung der Zentralstelle für Volkswohlfahrt übertragen werden, die gemäß der Satzung der Zentralstelle eine Ver⸗ einigung aller Volksbildungsorganisationen auf neutralem Boden zu gemeinsamer Arbeit, soweit dies möglich ist, anstreben soll.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. In der vorgeschichtlichen Fachsitzung der Gesellschaft ür Anthropologie en. jüngst der Rentier Hermann Busse Wolteredorfer Schleuse über „Neue und ältere Aus⸗ grabungen von vorgeschichtlichen Einzelfunden, Gräber⸗ feldern und Wohnplätzen in der Nähe von Woltersdorf, Niederbarnimschen Kreises“. Diese Gegend gehört, wie der Vortragende hervorhob, zweifellos zu den von der Steinzeit bis heute bewohnt gewesenen Teilen der Mark, wie dies jeden Irrtum ausschließend durch zahlreiche, allen vorgeschichtlichen Perioden angehörige Funde er⸗ härtet wird. Zum ersten Male urkundlich erwähnt wird Woltersdorf als „Slawisch Waltersdorf“ in einer Urkunde von 1319. Es gehörte damals zum Schlosse Köpenick. Von 1487 bis 1859 war das Ritter⸗ gut Woltersdorf Eigentum der Stadt Berlin, die es im letztgenannten Jahre für 62 000 Taler verkaufte. Zum Beyweise der steinzeitlichen Bewohntheit der Gegend legte Herr Busse 7 von ihm dort ge⸗ fundene Steinbeile und viele Feuersteinartefakte vor. Ein von der älteren bis zur jüngeren Bronzezeit g 99. Gräberfeld nordwestlich von Woltersdorf an der Klein⸗Schönebecker Grenze ist vom Vortragenden vor einer Reihe von Jahren entdeckt und allen Schwierigkeiten und Hemmnissen zum Trotz auch gänzlich ausgegraben worden. Vorgefunden wurden 96 Gräber, die 568 Ton⸗ gefäße und die Reste von 136 verbrannten Leichen bargen (101 er⸗ wachsene, 18 jugendliche Personen und 17 Kinder). In den Urnen wurden 19 Ringe und viele Bruchstücke aus Bronze gefunden. Fest⸗ gestellt wurden ferner zwei Verbrennungsplätze und eine gewisse nzahl von Steinpyramiden, die wahrscheinlich zur Ein⸗

teilung der Grabstätten und Kennzeichnung von Gräbern ge⸗ dient haben. In vielen trefflichen Lichtbildern zeigte der Vor⸗ tragende die interessantesten der von ihm gefundenen und zu einem guten Teil mit viel Mühewaltung aus den Scherben wiederherge⸗ stellten Gefäße vor. Sie zeigen hübsche Formen, schlichte Ver⸗ zierungen, offenbar aber doch gewisse Unterschiede in feinerer und röberer Ausführung. Es fanden sich aber auch reich ausgestattete

Vräber, u. a. eine Begräbnisstelle, die vier Einzelgräber ent⸗ hielt, aus denen insgesamt 33 Tongefäße und vier Bronze⸗ ringe entnommen werden konnten. Nicht sehr fern von dem hier beschriebenen Gräberfelde liegt der Sprintberg. Wie auf den Hügeln der märkischen Landschaft häufig, ist auch an diesem Punkte schon vor längerer Zeit ein ausgedehntes Gräberfeld entdeckt worden. Aus ihm entnommene Urnen und Bronzen befinden sich im Märkischen Museum, ferner in der Schule und dem Gemeindehaus von Woltersdorf. Da dem Vortragenden bekannt war, daß dies Gräber⸗ feld bei weitem noch nicht erschöpft ist, öffnete er hier noch einige Gräber und bestimmte sie nach den Grabfunden als der jüngeren Bronzezeit angehörig. An weiteren Nachforschungen ver⸗ hinderte ihn jedoch eine merkwürdige Abneigung der Ackerbesitzer gegen den Nachweis, daß ihr Besitztum einst eine heidnische Grabstätte ge⸗ wesen. Auch auf dem Rödenberg lag einst ein bronzezeitliches Urnen⸗ feld, es ist aber bei Rodung des Waldes noch zur Zeit, da Berlin das Rittergut Woltersdorf besaß, derartig vernichtet worden, daß sich weitere Untersuchungen nicht lohnen. Ein viel jüngeres Gräberfeld, nach den Grabbeilagen als mit der römischen Kaiserzeit gleichaltrig erwiesen, lag am Bauernsee, wurde aber bei Anlage des Gartens vom Restaurant Interlaken zerstört; ne sind seinerzeit mehrere Tongefäße und Eisenfunde an das Märkische Museum abgeliefert worden. Noch jüngerer, nämlich slawischer Zeit gehören verschiedene tönerne und eiserne Sachen an, die im Woltersdorfer Kietz gefunden worden sind. Seine reichen Erfahrungen auf dem wichtigen Gebiet der Gräber⸗ forschung zusammenfassend, glaubt Herr Busse auf den merkwürdigen Umstand hinweisen zu müssen, daß sich in der ganzen Gegend kein einziges der La Toͤne⸗Zeit angehöriges Gräberfeld gefunden hat. Darf daraus gefolgert werden, daß während dieser an die jüngste Bronzezeit sich anschließenden, Jahrhunderte dauernden Periode das Land leer von Bewohnern war? Da die gleiche Erscheinung auch im übrigen Teil des Kreises Nieder⸗Barnim in den Nachbar⸗ kreisen Lebus, Beeskow⸗Storkow und in einem Tal von Ober⸗Barnim beobachtet wird, so scheinen sich hieraus Bestätigungen nach ver⸗ schiedenen Richtungen zu ergeben, nämlich einmal, daß die von Tacitus als zwischen Elbe und Oder wohnend verzeichneten Semnonen, die uns nördlich einer Linie, die Berlin etwas südlich läßt, eine Menge Gräberfelder der La Toͤne⸗Zeit hinterlassen haben, ihre Wohnsitze damals nicht bis in die bezeichnete Gegend an der Ober⸗ spree erstreckten, und daß zum andern die brorzezeit⸗ lichen Reste dieser Gegend einem von ihnen verschiedenen Volksstamm angehörten, dessen Leistungen, weil abweichend von anderen, wir als „niederlausitzer Typus“ kennzeichnen. Was das für ein Volksstamm war, ob er der großen ostgermanischen Volksgemein⸗ schaft angehörte oder ob Profeser Kossinna recht hat, ihn einem thrakischen, von Südosten her gekommenen Volke, den Karpodaken, beizuzählen, das ist die große, noch zu lösende Frage. Aber sicher scheint nach allem, daß dies Volk aus irgend welchen Ur⸗ sachen sich zur La Toͤne⸗Zeit zurückgezogen und das Land leer gelassen hatte. (Das stimmt mit ganz ähnlichen Beobachtungen am mittleren Lauf der Oder überein. Auch hier, am rechten Oderufer, im fruchtbaren Land, zwischen Obra und Oder, finden sich bronzezeitliche Grabstätten in großer Menge, Funde der La Toͤne⸗Zeit fehlen aber Hogständig. und offenbar haben die Bewohner etwa um 500 v. Chr. sich zurückgezogen und das Land leer gelassen. Als die Ursache ihres Zurückweichens wird das gleichzeitige Vordringen der den Ostgermanen angehörigen Vandalen gemutmaßt, die in Schlesien ein 1000 Jahre währendes Reich grün⸗ deten, aber die Gegenden in der ö Ecke Schlesiens un⸗ t, welcher die von ihm in der

Woltersdorfer Gegend untersuchten Gräberfelder angehören, auf etwa 1200 bis 600 p. Chr. Zum Schluß seines mit großem Beifall auf⸗ genommenen Vortrags erwähnte er noch merkwürdige Reste an⸗ cheinend vorgeschichtlicher Wohnplätze, die er auf Woltersdorfer Flur im Rosengarten von Klein⸗Schönebeck und beim Rüdersdorfer Seebad aufgefunden hat. Sie bestehen aus Gruben, in denen sich etliche

umfassende

vollständige Herde und viele Tonscherben vorfanden, außerdem Tierknochen in Menge. Der Vortragende darf nach dem Eifer und Erfolge, mit dem er auf märkischem Boden der Gräberforschung und den hiermit zusammenhängenden Fragen sich widmet, als der zurzeit auf diesem Gebiet besonders erfahrene Mann gelten, welcher berufen scheint, eine schöne Idee zu verwirk⸗ lichen, die zuerst von Rudolf Virchow ausgesprochen worden ist. Sie besteht in der aßfhah bei nächstem Fun⸗ einer nahezu unberührten heidnischen Grabstätte diese aus öffentlichen Fonds anzukaufen und dauernd als ein vorgeschichtliches Denkmal zu erhalten. Möchte es dahin kommen, ehe es zu spät damit wird!

Als zweiter Redner des Abends sprach der Bezirksgeologe Dr. Hans Menzel über „Die geologische Entwicklungs⸗ geschichte der älteren Postglazialzeit im nördlichen Europa und ihre Beziehung zur Prähistorie“. Wie Geheimrat Dr. Penck, so führte Dr. Menzel aus, es im Jahre 1908 in dieser Gesellschaft in seinem Vortrage über „Das Alter des Menschengeschlechts“ versucht hat, die ältesten Spuren des Menschen in die geologischen Abschnitte des Diluviums und der Tertiärzeit einzuweisen und 4 eine Vorstellung von ihrem Alter und ihrer Aufeinanderfolge zu geben, so soll hiermit versucht werden, die jüngeren Kulturstufen, vom Schluß der Eiszeit ab bis in das volle Neolithikum hinein, in Beziehung zur geologischen Gliederung dieser Zeit zu setzen. Die Gliederung dieser Schichten geht von den skandi⸗ navischen Ländern aus. Sie wird durch zwei Erscheinungen gestützt: einmal durch eine ständige Aenderung der klimatischen Verhältnisse seit der Eiszeit, die einen Wechsel der Flora und Fauna zur Folge hatte, zum anderen durch beträchtliche Hebungen und Senkungen des Landes in dieser Zeit. Danach haben die Skandinavier für das Gebiet der Ost⸗ und Nordsee nach dem Abschmelzen des Eises verschiedene, charakteristisch benannte Zeiten unterschieden: 1) die Yoldia⸗Zeit (so genannt nach einer arktischen Meeresmuschel Yoldia arctica), 2) die Ancylue⸗Zeit (genannt nach dem Ancylus fluviatilis, einer napfförmigen Sußwofferschnecke, die damals häufig in der Ostsee lebte), 3) die Litorina⸗Zeit (genannt nach der Meeresschnecke Litorina littoria) und 4) die ya⸗Zeit (in der wir heute noch leben und die nach der großen Mya arenaria, der großen Sand⸗Klaffmuschel genannt ist, die heute am Strande der Ost⸗ wie Nordsee vorkommt). Während der Yoldia⸗ und Ancylus⸗Zeit fand Hebung statt, während der Litorina⸗Zeit eine beträchtliche Senkung. Durch die Hebung wurde die Ostsee zum Binnensee, infolge der Litorina⸗Senkung dagegen drang das Meer weit in die Ostsee ein und bespülte die Küsten von Ostschweden, Finnland, der russischen Ostsee⸗ provinzen und Norddeutschland. Danach trat eine mäßige Hebung ein, die im Norden stärker wirkte als im Süden. In⸗ folge derselben wurde die Verbindung der Ostsee mit der Nordsee stark eingeengt und die Ostsee zum schwachsalzigen Meere.

and in Hand mit den Landbewegungen gingen Klimäaänderungen vor ich. Diese sind besonders auf dem skandinavischen Festlande in den Mooren an der Flora nachgewiesen worden. Ganz zu unterst auf den Moränenablagerungen liegen die Ueberreste einer arktischen Pflanzenwelt mit Dryas artopetala, Salix polaris ꝛc., wonach diese Schichten die Dryas⸗Schichten erhalten haben. Sie entsprechen der Yoldia⸗Zeit. Bald stellt sich über ihnen Birke und Kiefer ein, nach denen ein Kiefer⸗ und Birkenhorizont unterschieden worden ist. Dieser ist etwa den untersten zwei Dritteln der Ancylus⸗Zeit gleichzustellen. Das oberste Drittel der Ancylus⸗Zeit ist durch das Einwandern der Eiche gekennzeichnet. Mit der Litorina⸗Zeit beginnt auf dem Festlande die Buche vorzudringen. Klimatisch lassen sich diese Zeitabschnitte in folgender Weise kennzeichnen: Yoldia- (Dryas⸗) 8 ist arktisch, die untere Ancylus⸗Zeit (Kiefer und Birke) subarktisch, der Schluß der Ancylus⸗Zeit zeigt boreales Klima, das zur Litorina⸗ Zeit atlantisch wird infolge der weiteren Ausdehnung des Meeres. Danach haben die Schweden noch eine subboreale (Trockenheits⸗) Periode festgestellt, auf die alsdann unser heutiges subatlantisches Klima folgte. iese Gliederung hat sich zum großen Teil, soweit Pflanzenreste in den Ablagerungen vorhanden sind, auch in Norddeutsch⸗ land wiederfinden lassen, so insbesondere in unseren Mooren. Für die Ablagerungen, die keine Pflanzenreste führen, hat der Vortragende vor kurzem an der Hand der Binnen⸗Mollusken, die in postglazialen Ablagerungen weit verbreitet sind, eine Einteilung versucht, die im ganzen genau dieselbe Entwicklung wie in Skandinavien erkennen läßt. Er konnte von unten nach oben unterscheiden: 1) eine Zone mit arktischen Conchylien, 2) eine Zone mit Planorbis stroeami, einer subarktischen, in Deutschland nicht mehr lebenden Schnecke, 3) eine Zone mit Bithynia tenticulata, 4) eine Zone mit Paludina vivipara- und Planorbis corneus, 5) eine Zone mit Helix pomatia und Dreissena polymorpha, die schon unter dem Einfluß der Menschen steht. Zone 1 entspricht der Yoldia⸗ Zeit, Zone 2 dem untersten 3 der Ancylus⸗Zeit (Kiefer und Birke), Zone 3 der oberen Ancylus⸗ oder Eichen⸗Zeit, Zone 4 der Litorina⸗ (Buchen⸗)Periode, Zone 5 fällt schon in die geschichtliche Zeit. Wenn man in diese Gliederung die bekannten vorgeschichtlichen Kulturen dieser Zeit einreihen will, so wird man an den Schluß der Vereisung, also in die YVoldia⸗Zeit, das Magdalénien stellen. Einen weiteren Anhalt zur Parallelisierung hat man bei der Skivespolt⸗ und älteren Kjökkenmödding⸗Kultur Schleswig⸗Holsteins und Dänemarks. Sie gehört dem Campignien an und ist in die Eichenperiode (Zone der Bithynia tenticulata) zu stellen. In diesem Horizonte sind z. B. die von Weber und Mestorf beschriebenen Artefakte im Kieler Hafen gefunden worden. Auch die Moglemore⸗ schichten, die Saranew der Kiefernperiode zuschreibt, gehören nach Semander und anderen der Eichenzeit an. Zwische Magdalénien und Campignien schiebt sich in Frankreich und Süd deutschland aber die Asplien⸗(Azilien⸗)Kultur ein, in der die Artefakt dem Magdalénien noch sehr ähnlich sind, aber das Renntier stark zurücktritt und vom Rothirsch abgelöst wird. Man könnte das Asylien etwa in die mittlere Ancylus⸗Zeit in den oberen Teil der Zone mit Planorbis stroemi setzen. Das eigentliche Neolithikum (Robenhaunien) findet seinen Platz erst nach dem Höhepunkt de Litorina⸗Zeit in der sogenannten subborealen Zone, in der z. B. auch der von Dr. Frödin bei Alvastra in Schweden ausgegrabene neoli thische Pfahlbau gelegen ist. In geologisch ganz jugendliche Zei sind schließlich die Metallkulturen (Bronze⸗ und Eisenzeit) zu setzen.

Vor kurzem hatte nun A. W. Brögge in der prähistorischen Zeit⸗ schrift über eine Renntierhornwaffe und über Knochenharpunen aus dem Westhavellande berichtet. Der Vortragende nahm hieraus Anlaß, bei Gelegenheit geologischer Untersuchungen im genannten Gebiet das geologische Alter dieser Artefakte näher zu bestimmen: Im West havellande liegen über den Talsanden, den Schichten aus der Ab schmelzzeit des Eises, Tone (Wiesentone, Wiesenlehme, Tonmergel). Darüber folgen an zahlreichen Stellen Wiesenkalke und zum Schluß Torf. Hier und da liegt auch darüber, zumeist über dem Wiesenkalk, auch wohl direkt über dem Ton junger Alluvialsand. In dem oben angedeuteten Normalprofil finden sich in dem Ton die Konchylien der Zone 1 und 2 der von dem Vortragenden empfohlenen Gliederung, in dem Kalk stets die Fauna der Bithynia tentaculata-Schichten und im Torfe wurde mehrfach die Paludina-Fauna bestimmt. Der Ton wird in der weiteren Umgebung von Brandenburg in zahlreichen Gruben zur Ziegelfa rikation ausgebeutet. D sind aus ihm zahlreiche bearbeitete Knochensachen, spitzen, Harpunen, Angelhaken uff. zum Vorschein gekommen, die zum großen Teil aus Renntiergeweih angefertigt sind. Diese Renntierkultur des Westhavellandes gehört nun nach Material, Form der Gegenstände und geologischem Alter unzweifelhaft dem Magda⸗ léönien an. Ein Teil der Artefakte zeigt aber etwas rohere Form und besteht nicht aus Renntiergeweih, sondern aus Edelhirsch⸗ oder Elch⸗ geweih. Es liegt die Vermutung nahe, daß wir es hierbei mit einer Fortsetzung der Magdalénienkultur auch nach dem Ab zuge des Renntiers zu tun haben, einer Kultur, die al Material das viel ungünstigere Hirschgeweih verwandte und die in Frankreich als Asylien bezeichnet worden ist. Indessen steht diese Annahme noch nicht ganz fest, da bisher keine genaueren Unter⸗ suchungen darüber angestellt sind, in welcher Tiefe des Tones die ein⸗

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