———-—— uun äEn8 —õ 2
In der am 18. Mai unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗
gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde der
Vorlage, betreffend die Behandlung der noch im Umlauf be⸗ findlichen Fünfzigpfennigstücke der älteren Geprägeformen, der Vorlage, betreffend Zollverwaltungskosten⸗Etat für Preußen, owie dem Antrage, betreffend Aenderungen in den für die erzollung maßgebenden Tarasätzen, die Zustimmung erteilt. Zu dem Bericht der Reichsschuldenkommission, betreffend die Verwaltung des Schuldenwesens des Reichs und der ihrer
Aufsicht unterstellten Fonds, nahm die Versammlung Stellung.
Demnächst wurde über mehrere Eingaben Beschluß gefaßt. 1““ 8 “
Der neuernannte Regierungsassessor Russel aus Cöln ist dem Landrat des Kreises Trebnitz zur Hilfeleistung in den landrätlichen Geschäften zugeteilt worden.
Die Regierungsreferendare Freiherr von Nagel in Münster, Dr. jur. Claußen in Schleswig und Boehmer in Oppeln haben die zweite Staatsprüfung für den höheren Ver⸗ waltungsdienst bestanden.
1“
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Condor“ vorgestern von Nagasaki in See gegangen.
S. M. S. „Panther“ ist vorgestern in Duala (Kamerun), S. M. Flußkbt. „Tsingtau“ an demselben Tage in Hongkong und S. M. S. „Iltis“ gestern in Schanghai eingetroffen.
Großbritannien und Irland.
Zu Ehren des Kaisers Wilhelm und der Kaiserin Auguste Viktoria gaben, „W. T. B.“ zufolge, gestern abend Lord und Lady Lansdowne ein Festmahl, an dem außer den Majestäten und der Prinzessin Viktoria Luise der deutsche Botschafter und andere hervorragende Persönlichkeiten teil⸗ nahmen. Am Vormittag war der Kaiser einer Einladung zum Frühstück beim Kriegsminister Haldane gefolgt.
Frankreich.
Der Präsident Fallibres gab gestern zu Ehren des in Paris eingetroffenen dänischen Königspaares ein Früh⸗ stück, an dem auch die Minister Cruppi und Delcassé teil⸗
nahmen. Rußland.
Zum Empfange des deutschen Kronprinzen und der Kronprinzessin Cecilie hatten sich vorgestern auf dem Bahnhof in Zarskoje Sselo, „W. T. B.“ zufolge, außer dem Kaiser Nikolaus und der Kaiserin Alexandra die Großfürstin Miliza Nikolajewna, die Großfürsten Kyrill Wladimirowitsch, Andrei Wladimirowitsch, Dmitri Konstantinowitsch, Nikolai Michailowitsch und Sergei Michailowitsch sowie der Herzog Michael zu Mecklenburg⸗Strelitz eingefunden. Nachdem sich die hohen Herrschaften auf das herzlichste begrüßt hatten, schritt der Kronprinz mit dem Kaiser die Front der vom zweiten Gardeschützen⸗ regiment gestellten Ehrenwache ab und nahm den Rapport ent⸗ gegen. Sodann stellte sich eine Deputation des Kleinrussischen Dragonerregiments Nr. 14 vor, an die der Kronprinz huldvolle Worte richtete. Nach Vorstellung der beiderseitigen Gefolge schritten der Kaiser und die Kaiserin mit ihren hohen Gästen zum Wagen und fuhren nach dem Alexanderpalais. Auf dem ganzen Wege, auf dem die Garnison von Zarskoje Sselo Reihen bildete, wurden der Kronprinz und die Kronprinzessin mit be⸗ geisterten Kundgebungen begrüßt.
In St. Petersburg, wo der Kronprinz und die Kron⸗ prinzessin, wie bereits gemeldet, gestern mittag eintrafen, hatten sich am Bahnhofe der Stadthauptmann und die Spitzen der Militärbehörden sowie eine Abordnung der Stadtverwaltung eingefunden. Der Kronprinz schritt, nachdem der Stadt⸗ hauptmann ihn begrüßt hatte, die Front der Ehrenwache ab, die das dritte Leibgardeschützenregiment gestellt hatte. Der Bürgermeister bot dem Kronprinzen mit einer Ansprache
Saäalz und Brot auf silberner Schüssel und über⸗
eichte der Kronprinzessin einen Blumenstrauß. Der Kronprinz dankte und ließ sich die anwesenden Vertreter der Stadtverwal⸗ ung vorstellen. Hierauf fuhren die Kronprinzlichen Herrschaften
zur Kaisergruft, wo der Kronprinz am Sarkophage des Kaisers
Alexander III. einen Lorbeerkranz und die Kronprinzessin an en Sarkophagen ihrer Großeltern ein Blumengewinde nieder⸗ egten. Im Neuen Mausoleum legten sie an dem Sarkophage des Großfürsten Wladimir einen Kranz nieder und fuhren von
dort nach dem Anitschkowpalais zum Besuch der Kaiserin⸗Witwe, “ ꝙ,h, E g; wo das Frühstück eingenommen wurde. Darnach besuchten der
Kronprinz und die Kronprinzessin die Großfürstinnen Militza Nikolajewna und Alexandra Josiphowna. Später stattete der Kronprinz sämtlichen in St. Petersburg weilenden Groß⸗ ürsten, dem deutschen Botschafter Graf von Pourtaléès, dem Ministerpräsidenten Stolypin, dem Minister des Hofes Baron Frederickss und dem Verweser des Ministeriums des Aeußern Netarow Besuche ab und ließ sich durch den Grafen Pourtaléès im Winterpalais die Spitzen der deutschen Kolonie
vorstellen. Am Abend fand auf der deutschen Botschaft zu
Ehren des Kronprinzen und der Kronprinzessin ein Festmahl
statt, dem sich ein Konzert und ein Rout anschloß. Unter den
Anwesenden befanden sich mehrere Großfürsten, der Minister⸗ präsident, viele hochgestellte Persönlichkeiten und die Vertreter des diplomatischen Korps.
— Die Kommission der Duma hat, „W. T. B.“ fufolge, beschlossen, für Hafenbauten jährlich 15 Millionen Rubel aus Reichsmitteln bereitzustellen. Die Budgetkommission hat mit 20 gegen 9 Stimmen die Gesetzvorlage angenommen, nach der dem Marineministerium die nötigen Mittel zum Bau von vier Linienschiffen für das Baltische Meer ange⸗ wiesen werden.
Belgien.
Nachdem in der gestrigen Kammersitzung der liberale Ab⸗ geordnete Hambursin seine Rede beendet hatte, wurde, wie „W. T. B.“ meldet, auf Antrag der katholischen Mehrheit be⸗ schlossen, am kommenden Mittwoch über die Zulassung des neuen Schulgesetzentwurfs zur Tagesordnung zu debattieren.
Damit entfällt vorerst der Grund für die weitere Obstruktion der Linken. Die Etatsberatung wurde ohne Zwischenfall fort⸗
gesetzt. Türkei.
Die Pforte hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ ihren Geschäftsträger in Athen beauftragt, die Echtheit des von einigen Provinzblättern veröffentlichten Textes einiger zwischen dem König der Hellenen und dem Bürgermeister von Kandia ausgetauschten Depeschen festzustellen und even⸗ tuell von der griechischen Regierung Aufklärung zu verlangen.
Montenegro. Die Regierung hat nach einer Meldung der „Neuen
Freien Presse“ auf die Beschwerde des türkischen Gesandten in Cetinse, daß seit mehreren Tagen drei montenegrinische Batterien an der türkischen Grenze ständen, den Vor⸗ schlag gemacht, sofort eine gemischte Kommission einzusetzen, um zu bezeugen, daß diese Behauptung unbegründet sei.
1 Amerika.
Nach Meldungen der „Associated Preß“ lassen die Ver⸗ handlungen zwischen der mexikanischen Regierung und den Aufständischen den baldigen Friedensschluß erwarten. Madero hat das Anerbieten angenommen, sich nach der Stadt Mexiko zu begeben, um als Hauptratgeber des Ministers des Aeußern de la Barra zu fungieren.
3 Asien.
Ein Kaiserliches Edikt ernennt den ehemaligen Vizekönig von Tschili Tuanfang zum Generaldirektor für den Bau der Eisenbahnen von Canton nach Hankou und von Hankou nach Szetschwan und befiehlt ihm, „W. T. B.“ zufolge, sich unver⸗ züglich nach seinem Bestimmungsort zu begeben, um sich mit den Verwaltungen der interessierten Provinzen zu beraten. Ein zweites Edikt ordnet für den Herbst die Abhaltung von Manövern in der Umgegend von Jung⸗ping⸗fu in der Provinz Tschilirfür die Gardetruppen und die in der Nähe von Peking stehenden Liniendivisionen an.
Afrika. 8
Wie der Agence Havas unter dem 15. Mai aus Merada gemeldet wird, ist bei dem Angriff, den die Marokkaner in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai auf das Lager bei Merada unternommen hatten, ihr Anführer getötet worden. Infolge⸗ dessen bewirkten schon die ersten Salven eine Auflösung unter den Marokkanern. Zur gleichen Zeit unternahm eine starke marokkanische Abteilung einen Vorstoß bis Taurirt, wo sich die verminderte Besatzung auf eine Erwiderung des Feuers beschränken mußte. Die Marokkaner bemächtigten sich eines Teiles einer für Verpflegungszwecke bestimmten Herde, die 180 Rinder und 300 Schafe umfaßte. Sofort ausgesandte Kundschafter brachten die Schafe zurück, mit den Rindern hatten jedoch die Marokkaner bereits den Muluja überschritten. Der General Toutée suchte um die Ermächtigung nach, das ihm zur Durchführung polizeilicher Maßnahmen zugewiesene Gebiet an den Ufern des Muluja zu erweitern.
Nach Meldungen des „W. T. B.“ wurde am 16. Mai eine Erkundungsabteilung, die von Debdu nach Merada ging, von einer Schar Marokkaner in der Nähe von Aluana, 12 Rm westlich von Debdu, angegriffen. Als die Abteilung, die von einem Hauptmann befehligt wurde und aus einer Kompagnie der Fremdenlegion sowie einer Sektion Gebirgs⸗ artillerie bestand, in Aluana eintraf, befahl der Haupt⸗ mann der Artillerie, wegen des dichten Nebels Halt zu machen. Bald darauf hörte die zurückgebliebene Abteilung heftiges Gewehrfeuer, und da sie keine Meldung von der Kom⸗ pagnie erhielt, benachrichtigte sie das Lager von Merada. Den von dort zur Hilfe ausgesandten Truppen gelang es schließlich mit Hilfe von Hornsignalen, die Kompagnie zu erreichen, die im Kampfe ihren Hauptmann und zehn Mann verloren hatte, und den Feind zurückzutreiben. Eine Truppenabteilung wurde ausgeschickt, um die Angreifer zu verhindern, den Mulujafluß wieder zu überschreiten.
Einer Meldung des Generals Moinier zufolge hat die dritte und letzte Staffel der Hilfskolonne vorgestern den Ued Bethr überschritten. Die Kolonne befindet sich gegenwärtig an der äußersten Grenze, von der aus eine Verständigung mit Hilfe des von der Kolonne mitgeführten Funkspruchapparats noch möglich ist. Deshalb wird man mehrere Tage ohne Nach⸗ richt von der Kolonne bleiben.
Parlamentarische Nachrichten.
Die Schlußberichte über die gestrigen Sitzungen des Reichs⸗ tags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Der Reichstag setzte in seiner heutigen (179.) Sitzung, der der Staatssekretär des Innern Dr. Del brück und der Staatssetretär des Reichsschatzamts Wermuth beiwohnten, die zweite Beratung des Entwurfs einer Reichsversicherungs⸗ ordnung auf Grund der Berichte der XVI. Kommission mit dem vierten Buche „Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung“, §§ 1212 bis 1482, fort.
Ueber die „Versicherungspflicht“ bestimmt § 1212 in der Kommissionsfassung folgendes:
Für den Fall der Invalidität und des Alters sowie zugunsten be Hinterbliebenen werden vom vollendeten 16. Lebensjahre an ver⸗ ichert 1) Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge, Dienstboten,
2) Betriebsbeamte, Werkmeister und andere Angestellte in ähnlich gehobener Stellung, sämtlich, wenn diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet,
3) Handlungsgehilfen und ⸗Lehrlinge, Gehilfen und Lehrlinge in Apotheken, .
4) Bühnen⸗ und Orchestermitglieder, ohne Rücksicht auf den Kunstwert der Leistungen,
5) Lehrer und Erzieher,
6) Die Schiffsbesatzung deutscher Seefahrtszeuge und die Be⸗ satzung von Fah zeugen der Binnenschiffahrt.
Voraussetzung der Versicherung ist für alle diese Personen, daß sie gegen Entgelt beschäftigt werden, für die unter 2 bis 5 bezeichneten sowie für Schiffer außerdem, daß nicht ihr regelmäßiger Jahresarbeitsverdienst 2000 ℳ übersteigt.
Nach den Anträgen Albrecht (Soz.) sollen die Worte „vom vollendeten 16. Lebensjahre an“ gestrichen werden, als Ziffer 5 a soll hinzugefügt werden „Hausgewerbetreibende“; im letzten Absatz sollen die Worte „alle diese Personen“ ersetzt werden durch „die unter 1—5 und 6 Bezeichneten mit Aus⸗ nahme der Lehrlinge“; endlich soll statt „2000“ gesetzt werden „5000“. 68 8 8
Von der fortschrittlichen Volkspartei, Abg. Potthoßß Genossen, ist die Streichung der “ thoff m eventuell soll statt „2000“ wie im Antrage der Sozialdean kraten gesagt werden „5000“. b eme
Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) befürwortete für Teil seiner Parteifreunde die Beseitigung 2 Gebaltsgrtezütcn Versicherung der Privatangestellten, oder die Ersetzung der Zahl 5 G durch 5000. Selbst die Arbeiter hätten heutzutage in vielen zuc ein Jahreseinkommen von mehr als 2000 ℳ jährlich. Es m sälla etwa um ½ Million Privatbeamte handeln. Die Erweiterung des g. 8 der Zwangsversicherten würde auch der Reichskasse zugute kommen insaf 1 als sich der Reichszuschuß vermindern würde. Wenn man die W. sicherung der Privatbeamten mit Rücksicht auf das bevorstehon Privatbeamtenversicherungsgesetz abgelehnt habe, so müsse mindeste vom Regierungstisch eine präzise Antwort erfolgen, wann dies Gee⸗ zu erwarten sei. Bis zur dritten Lesung müsse die Frage entschien sein, weil man wissen müsse, wie weit die Regierungsvorlag. der Versicherungsgrenze gehen wolle. Es würde versicherung technisch und finanztechnisch ein grober Fehler sein, wenn man in 8 neuen Gesetz eine andere Gehaltsgrenze einführen wolle als in * vorliegenden Gesetz. Die durch das neue Gesetz zu bildenden Kass⸗ sollten ja nur Ergänzungskassen sein. Es sei der dringende Wus der überwiegenden Mehrheit der Privatangestellten, daß die Gehalt grenze von 2000 ℳ beseitigt oder wenigstens wesentlich erhöht wert Sen bescheidene Wunsch der Privatbeamten sollte doch erhö werden.
Abg. Hoch (Soz): Ich könnte mich mit der Erklärung begnügs⸗ daß wir die Ansichten des Vorredners als richtig anerkennen 1 dieselben Konsequenzen daraus ziehen. Wir hatten den in erst Linie vom Vorredner vertretenen Antrag schon in der Kommissis gestellt. Ueber die eigentliche Streitfrage sind sich alle Lei einig. Trotz alledem erreichen wir nichts, einzig aus de Grunde, weil bei diesen Verhandlungen nach Recht und Billigke überhaupt nicht gefragt wird. Nur das poölitische Interesse ist zi die Kompromißparteien entscheidend. Mit dem Privatbeamten gesetz ist es so gekommen, wie wir bereits vor Jahren vorausgesag haben. Wir haben schon damals darauf hingewiesen, daß nach de Erfahrungen, die wir in sozialpolitischen Fragen mit den Kompromit parteien gemacht haben, die Privatbeamten überhaupt nichts de kommen werden. Dadurch kennzeichnet sich die Bedeutung de gegenwärtigen Situation. Die Regierung hat den unverbindlichg Vorentwurf so spät veröffentlicht, daß es ganz unmöglich ist, ds Gesetz hier noch zu erledigen. Die ganzen Bestrebungen waren da vornherein nicht dazu bestimmt, zu einem praktischen Eigebnis 2 führen. Unsere Aufgabe ist es deshalb, mit allem Nachdruck dare hinzuwirken, die Versicherung der Privatbeamten in diesem Gesth durchzuführen. Hinsichtlich der Altersgrenze haben wir in jeden Versicherungszweige eine andere Bestimmung. Hier bei e Invalidenversicherung ist aus einem nicht erkennbaren Grunde 8- willkürlich das 16. Lebensjahr festgesezt. Wenn man das ab Grundsatz anerkennt, daß jeder versichert werden soll, der der Gefabr⸗ Invalide zu werden, ausgesetzt ist, so muß man konsequenterneit die Altersgrenze beseitigen. Ebenso verlangen wir die Ausdehnm auf die Hausgewerbetreibenden. Unser letzter Antrag zieht n Folgerungen.
Abg. Dr. Stresemann (nl.): Man kann es der sozialde kratischen Fraktion nicht verdenken, wenn sie ihre alte Forderun die Privatbeamtenversicherung im Rahmen des Invaliditätsgefezs zur Durchführung zu bringen sucht. Allerdings kann ich dem Ueg⸗ Hoch nicht folgen, wenn er sagt, dieser Versuch wäre die eirzig Möglichkeit, um den Privatbeamten die Pensionsversicherung a bringen, da es unmöglich wäre, die Vorlage in der Herbstsesim 2. zu verabschieden. Nachdem wir das umfangreiche Werk m† Reichsversicherungsordnung in verhältnismäßig kurzer Zeit bewilliit haben, brauchen wir nicht daran zu verzweifeln, daß ki he Privatbeamtenversicherung über die drei oder vier Hauptpunke e die sich der Streit konzentriert, eine Einigung erzielt werdets Wir verlangen aber eine Erklärung von den verbündeten Reum ob und wann wir das Privatbeamtengesetz erwarten könm Ar würden uns sonst auf den Weg gedrängt sehen, im Rahmen ue baues des Invaliditätsgesetzes etwas zu erreichen.
(Schluß des Blattes.)
— Das Haus der Abgeordneten verhandelte in der heutigen (80.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler⸗ der Minister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. Freiherr von Schorlemer und der Minister des Innern von Dallwis beiwohnten, zunächst in dritter Beratung über den Geset⸗ entwurf, betreffend die Feuerbestattung.
Von den Abgg. Müller⸗Koblenz (Zentr.) und Genosse⸗ liegen Abänderungsanträge zu den §§ 2 und 3 vor. bestimmt, daß die Genehmigung zu Feuerbestattungsanlage nur Gemeinden und Gemeindeverbänden oder solchen andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen die Sorge für de Beschaffung der öffentlichen Begräbnisplätze obliegt, erten werden darf, sofern die Zustimmung der Aufsichtsbehörde vor liegt. Der Antrag des Zentrums will dafür folgende Fahun setzen: „Die Genehmigung darf nur Privatpersonen und pribaten Vereinigungen erteilt werden.“ 88 4
Im § 3 will der Zentrumsantrag die Bestimmung, 22 die Genehmigung u. a. dann zu versagen ist, „wenn nicht dafir gesorgt ist, daß neben der Feuerbestattung auch die Beerdigung Verstorbener dauernd in bisheriger Weise stattfinden kann, durch folgende Fassung ersetzen: „wenn das Unternehmen 4. die Gewähr bietet, daß es dauernd und in würdiger 2. geführt wird“.
In der allgemeinen Besprechung bemerkt
Abg. Müller⸗Koblenz (Zentr.): Gestatten Sie mir noch ei „ Bemerkungen, obwohl ich nicht hoffe, dadurch das Ergehnis vr können. Der Akg. Hackenberg bemängelte es, daß einige Rernge⸗ und damit war das Zentrum gemeint — in dieser Verhandlugn gemacht haben. Bei der Art, wie das Organ der Feuerbi — vereine und die diesen nahestehende Presse Propaganda für 2b 2- bestattung gemacht hat, kann man die Frage nicht aled ver salbungsvollen Worten behandeln, sondern ist berechtigt uacen pflichtet, auch von dem Mittel der Satire Gebrauch⸗ * Es handelt sich in der Tat um eine Angelegenheit, um A uns im innersten Herzen angrelsft. Es handelt afres griffe auf Güter, für die die Zentrumsfraktion seit egacl ihre besten Kräfte eingesetzt hat. Es soll uralte christliche Sitten unternommen werden. De immm es nicht verantworten, einer solchen Vorlage unsere stichhalt zu geben. Die Gründe des Justizministers sind nicscen Sb⸗ der darauf hinwies, daß sich jetzt jeder in außerpreußis rinaliifh verbrennen lassen kann, daß also die Sicherheit in SSbne 9 Beziehung erhöht sein wird, wenn in der Vorlage fer. dem 2 heiten geschaffen sind. Es wird so viel davon gesprochen, enn dosn die Religion erhalten werden soll. Aber was geschieh ligiöser Sit Ein Stück nach dem andern von dem kostbaren Gute re i9 vnmer mh wird genommen. Die materialistische Anschauung durchdringe iträge d unser Staatsleben. Wir glauben, daß durch die vkinderi fin Kommission die schlimmsten Folgen des Gesetzes Mnderkelt rich daß eine Vergewaltigung der Mehrheit durch “ als Eriit mehr möglich ist. Wir wollen haben, daß die Gemeinder große Mel von Krematorien ausgeschaltet werden. Sonst kann d chenverbrecun heit der Bürgerschaft, die nichts von der ür vene werde wissen will, zu den Kosten eines Krematoriums hberang der En Durch die Annahme unseres Antrags würde aber dech 6 über die Frage, ob Erd⸗ oder Feuerbestattung, gantrag iun meinden ausgeschaltet werden. Unser Abänderungs
lärt sich dadurch, daß nach unserm Antrage zu § 2 die Ge⸗ erxklär als Errichter von Krematorien nicht in Betracht kommen meinden die Erdbestattung also auf jeden Fall gesichert ist. lenabg. von Goßler hat gestern gesagt, daß man es bisher bezüg⸗ der Feuerbestattung mit Initiativanträgen aus dem Hause zu tun lich bt habe während jetzt ein Gesetzentwurf der Regierung vorliege, geha daß daraus die veränderte Haltung seiner Freunde zu erklären ind Ich meine, das ist doch das Gleiche. Ich bitte dringend, die sei. ziner Partei gestellten Anträge anzunehmen. Abg. von Goßler (kons.): Es ist in diesem Stadium nicht eckmäßig, nochmals auf die Gründe für und gegen die Feuer⸗ snf ttung einzugehen. Der Vorredner ist aber auf einen Passus besta gestrigen Rede zurückgekommen. Ich habe allerdings stern gesagt, daß unsere Lage insofern anders sei, als wir es bisher gelt Initiativanträgen zu tun hatten, während wir jetzt einem wesetzentwurf der Regierung gegenüberstehen; aber ich habe aus⸗ drücklich, sogar mit erhobener Stimme, hinzugefügt, daß es des⸗ alb anders sei, weil die Bedenken, die wir bisher hatten, durch esen Gesetzentwurf im wesentlichen beseitigt seien. Dieser Nachsatz t hier vielfach überhört worden, weil der erste Satz lebhafte Zwischenrufe hervorrief. Aber von der Presse ist auch vr Nachsatz gehört worden. Ich bin dem Vorredner dafür nankbar, daß er mir Gelegenheit gab, das nochmals zu kon⸗ jatieren. Zu den Anträgen des Zentrums erkläre ich namens des Teils meiner Freunde, den ich vertrete, daß wir alles getan u haben glauben, was getan werden konnte, um die Sicherheiten in das Gesetz zu bringen, die die Bedenken in kriminalistischer und religiöser Hinsicht aus der Welt schaffen. Wir wären gern bereit, den Wünschen des Zentrums entgegenzukommen, wenn sie sich nach dieser Richtung bewegten, aber wir können in diesen Anträgen nicht eine Verbesserung, sondern nur eine Verschlechterung des Gesetzes sehen. An sich wäre es diskutabel gewesen, ob die Grundlagen des Gesetzes auf die öffentlich⸗rechtlichen Körperschaften oder auf die privaten zu sellen seien, aber es wäre erwünscht gewesen, wenn das Zentrum diese Fuge in die Kommission gebracht hätte. Wir würden jedoch auch in der Kemnission nicht dafür zu haben gewesen sein, denn wir haben es gerade alsenen Vorzug des Gesetzes betrachtet, daß es von vornherein die privaten Fwerbestattungsvereine bei der Errichtung von Krematorien ausschloß. gir sehen darin eine Gewähr dafür, daß in der Praxis das Gesetz ictig angewendet wird, wenn die Kommunalverbände die Krematorien michtn. Mit der Annahme des Zentrumsantrages würde die Naitation gerade in die kleinen Städte mehr als jetzt gebracht werden. für eine würdige Ausgestaltung der Krematorien leistet die Be⸗ siinmung im § 3 Gewähr, daß die Genehmigung zu versagen und rventuell auch wieder zurückzuziehen ist, wenn die äußere oder innere Ausgestaltung der dem Zwecke entsprechenden Würde ermangelt. Die Anträge des Zentrums laufen schließlich darauf hinaus, daß in der Praxis das Gesetz überhaupt nicht oder wenigstens nur in den seltensten Fällen zur Anwendung kommen kann. In der Begründung des Gesetzes bieß es, daß von vornherein die privaten Unternehmungen aus⸗ scheiren müßten, weil sie nicht die genügende Sicherheit für eine dauernde Erfüllung der daraus erwachsenden Aufgaben bieten. Wenn die Genehmigungsbehörden konsequent an dieser Ansicht festhalten, so sehe ich überhaupt keine Möglichkeit, einem Genehmigungsantrag Folge zu geben. Nachdem wir gestern der Zulassung der Feuerbestattung zuge⸗ stimmt haben, wollen wir diese unsere Zusage nicht durch eine solche penderung des Gesetzes wertlos machen; wir werden deshalb gegen die Anträge stimmen.
Hierauf nimmt der Minister des Innern von Dallwitz ns Wort, dessen Rede morgen im Wortlaut wiedergegeben rerden wird.
(Schluß des Blattes.) 1
von
meiner
Dem Reichstage ist der am 2. Mai d. J. unterzeichnete bandels⸗ und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reiche und Schweden nebst einer erläuternden Denkschrift zugegangen.
Die Reichstagskommission für die elsaß⸗lothringi⸗ schen Verfassungsgesetze hat, „W. T. B.“ zufolge, das Verfassungsgesetz unter Annahme zweier von der Reichspartei beantragten Paragraphen über die Freiheit des religiösen Be⸗ kenntnisses und über die Sprache mit neunzehn Stimmen der Reichspartei, des Zentrums, der Nationalliberalen, der Volks⸗ partei und der Sozialdemokraten angenommen.
Bei der Ersatzwahl eines Mitglieds des Hauses der Abgeordneten, die am 18. d. M. in den Kreisen Rothen⸗ burg und Hoyerswerda im Regierungsbezirk Liegnitz statt⸗ fand, wurden nach amtlicher Feststellung, wie dem „W. T. B.“ aus Niesky berichtet wird, insgesamt 335 Stimmen abgegeben. Davon entfielen auf den Rittmeister a. D. von Jena⸗Jahmen (kons.) 233, auf den Rentier Nischwitz⸗Niesky (nl.) 102 Stimmen.
Ersterer ist somit gewählt.
Statistik und Volkswirtschaft.
Deutscher Außenhandel im April und in den 4 Monaten Januar bis April 1911.
Nach dem Aprilbefte 1911 der „Monatlichen Nachweise über den auswärtigen Handel Deutschlands“ betrug die Einfuhr im April d. J. im Spezialhandel ohne Eddelmetalle: 5 661 597 t, ferner 15 267 Stück, darunter 15 197 Pferde, gegen 5 504 049 t und 13 122 Stück, darunter 13 022 Pferde, im April v. J., die gleich⸗ zeitige Ausfuhr: 4 395 844 t, ferner 459 Stück, darunter 423 Pferde, gegen 4 435 196 t und 512 Stück, darunter 443 Pferde, im April v. J., während die Gesamteinfuhr in den 4 Monaten J anuar
April d. J. 19 732 502 t und 62 524 Stück (62 358 Pferde) gegen 17 904 805 t und 57 863 Stück (57 669 Pferde) im Vorjahre und die Gesamtausfuhr in diesen 4 Monaten 18 372 685 t und 2397 Stück (2181 Pferde) gegen 16 093 758 t und 2613 Stück (2423 Pferde) im Vorjahre erreichte. .
Der Wert der Einfuhr belief sich in reinem Warenverkehr auf 756,2 Millionen Mark im April und auf 3038,9 Millionen Mark in den Monaten Januar/April gegen 2951,1 Millionen Mark in den slechen Monaten des Vorjahres; der Wert der Ausfuhr machte in April 601,4 Millionen, in den Monaten Januar bis April d. J. 844,8 Millionen Mark gegen 2359,9 Millionen Mark im Vorjahr 0b. Die Goldeinfuhr hatte einen Wert von 16,5 Millionen Mark April und von 61,4 Millionen Mark in den Monaten Januar April d. J., die Goldausfuhr im April einen Wert von 9,8 Rlionen, in den Monaten Januar bis April einen solchen von 79 Millionen Mark. Seit dem 1. April d. J. ist für die Ausfuhr namtlicher Waren mit Ausnahme der Veredelung für ausländische Rechnung der Wert anzumelden, während bei der Einfuhr bis auf 8,9, H. sämtlicher Nummern des Zolltarifs der Wert durch Sach⸗ erständige ermittelt wird. Für die Einfuhr gelten also überwiegend ie Vorjahrswerte.
“
Deutsch⸗schwedischer Handel im Jahre 1910.
gel Die deutsche Einfuhr aus Schweden belief sich im ab⸗
sögufenen Jahre im Spezialhandel und ohne Edelmetalle auf 8 Millionen Mark gegen 141,8 Millionen im Vorjahre, die
Ausfuhr nach Schweden auf 190,5 gegen 156,2 Millionen Mark. Die Einfuhr hob sich gegen das Vorjahr um 15,5 v. H., die Ausfuhr dagegen um 22 v. H.
Die wichtigsten Waren der Einfuhr aus Schweden waren Eisenerze, Bau⸗ und Nutzholz mit 58,5 und 32,5 Millionen Mark. Außerdem erreichten Pflastersteine 7,3, nasse Kalbfelle 5,2, Granit⸗ rohblöcke 4,7, Roheisen 4,1, frische Heringe 3,7, rohe Fensterrahmen, Türen usw. 3,6, Granitrandsteine für Bürgersteige und andere grobe Steinmetzarbeiten, nicht abgedreht usw. 2,7, Rahm 2,6, chemisch be⸗ arbeiteter Holzstoff⸗2,5, natürlicher kohlensaurer Kalk 2,3 Millionen, schmiedbares Stabeisen 1,9, eiserne Röhren 1,6, Preiselbeeren 1,5, gezogener Eisendraht und Milchentrahmungsmaschinen je 1,4, nasse Rindshäute 1,2, Rohluppen 1 Million Mark.
In der Ausfuhr nach Schweden ragten hervor: Wollgewebe mit 8,6 Millionen Mark, Hafer mit 8,1, Roggen und Weizen mit 7,4 und 6,7 Millionen Mark. Elektrische Kabel erreichten 4,3, rohes Kammgarn 3,8, Rindshäute 3,7, Oberleder 3,2, Roggen⸗ mehl 2,9, schwefelsaure Kalimagnesia 2,8, Oelkuchen 2,7, gebleichtes, gefärbtes usw. Kammgarn 2,6, Eisenträger 2,4, gefärbte, be⸗ druckte usw. Baumwollgewebe 2,1 Millionen, Steinkohlenkoks 1,8, Anilinfarbstoffe und Eisenbahnschienen je 1,7, wollene Frauen⸗ kleider und dichte Halbseidengewebe außer Bändern je 1,5, Kokosnußöl und andere Pflanzenfette, Abraumsalze, Merinokammzug, elektrische Glühlampen je 1,4, zugerichtetes Ziegenleder, Sattler⸗, Täschner⸗ waren usw., Bücher, Metallbearbeitungsmaschinen, Spielzeug je 1,3, Pelztierfelle, Margarine je 1,2, Aetzkali, Quebrachoholzauszug, Oefen, Röhren usw., Messingwaren, nicht grobe, ferner elektrische Vor⸗ richtungen für Beleuchtung usw., Fahrradteile je 1,1, Kautschuk 1 Million Mark.
An der Einfuhrzunahme sind namentlich Eisenerze, Bauholz,
Kalbfelle, Rahm, an der Ausfuhrsteigerung Hafer, Kammgarn,
Pflanzenfette, Margarine usw., Roggenmehl beteiligt.
Zur Arbeiterbewegung.
Der Ausstand in den Eisenkonstruktionsbetrieben Berlins (pgl. Nr. 116 d. Bl.), der auf Beschluß einer Arbeiterversammlung am Mittwoch früh begonnen hat und der sich auf zehn Betriebe mit etwa 1500 Mann erstreckt, dauert, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, noch fort und wird wahrscheinlich einen größeren Umfang annehmen. Die Verhandlungen zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern, die unter Leitung Dr. Kühnemanns vom Verband der Berliner Metallindustriellen stattfanden, haben zu keinem Ergebnis geführt. Der von den Arbeit⸗ nehmern unterbreitete Entwurf eines Tarifvertrages sieht eine Herab⸗ setzung der Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden und einen Lohnzuschlag vor. Die von den Arbeitgebern gemachten Zugeständnisse wurden von den Arbeitern für unannehmbar erklärt. Neue Verhandlungen sind noch nicht einaeleitet.
Die Aussperrung in der Memeler Holzindustrie hat gestern, wie das „Memeler Dampfboot“ meldet, nach 2 ½ wöchiger Dauer ihren Abschluß gefunden. Es ist eine Einigung zwischen Arbeit⸗ gebern und Arbeitern erzielt worden. Die Arbeit soll spätestens morgen, Sonnabend, aufgenommen werden. (Vgl. Nr. 86 d. Bl.)
Die in Hannover tagende 7. Generalversammlung des Verbandes der Deutschen Buchdrucker beschloß gestern, wie „W. T. B.“ meldet, daß die Gehilfenschast in einer noch einzu⸗ berufenden Versammlung eine Revision des Tarifs beantragen solle, wodurch die materielle Lage der Gehilfen gebessert, die Arbeitszeit verkürzt, die Ueberstunden eingeschränkt und der Ar⸗ beitsnachweis zweckmäßiger ausgestaltet werden soll. Im übrigen erklärte sich die Generalversammlung ausdrücklich bhereit, die der Hebung des Gesamtgewerbes dienende Tarifgemeinschaft weiter festigen und ausbauen zu helfen und dadurch den Prinzipalen die Möglichkeit zu sichern, den begründeten Anforderungen der Gehilfen⸗ schaft gerecht zu werden. Sodann wurde noch eine Resolution gefaßt, in der sich die Generalversammlung aufs schärfste gegen Kontrakt⸗ bruch und Nichtanerkennung eines tarifamtlichen Urteils durch die Gehilfenschaft ausspricht. “
Die Firma Bauch u. Co., Hessische Basaltwerke in Cassel hat, der „Köln. Ztg.“ zufolge, in ihren drei Steinbrüchen im Nachbardorfe Weimar sämtliche Arbeiter, mehrere hundert, ausgesperrt, weil sie sich weigerten, eine ihnen vorgelegte Arbeits⸗ ordnung zu unterzeichnen.
400 Arbeiter der Firma Philipp Holtzmann u. Co. in Wilhelmshaven, die bei dem Hafenbau beschäftigt sind, legten, wie „W. T. B.“ erfährt, gestern wegen Lohnstreitigkeiten die Arbeit nieder. Ein Vergleich ist angebahnt.
Der Ausstand bei der Niederschlesischen Kleinbahnen⸗ gesellschaft (vgl. Nr. 115 d. Bl.) ist, wie der „Köln. Ztg.“ aus Breslau telegraphiert wird, gestern nach der Entlassung eines beim Fahrpersonal unbeliebten Kontrolleurs für beendet erklärt worden. — Vorgestern hatten, wie „W. T. B.“ meldet, die entlassenen Streikenden der Niederschlesischen Kleinbahngesellschaft in Alt⸗ wasser vor dem Direktionsgebäude eine Massenkundgebung ver⸗ anstaltet. Etwa 2000 Personen verursachten Lärm und bewarfen vorüberfahrende Wagen der Elektrischen mit Steinen. Die Polizei schritt ein und verhaftete 11 Personen.
Nach einer von „W. T. B.“ wiedergegebenen „Reuter meldung aus Newcwastle nähert sich die Frage des drohenden Seemanns⸗ ausstandes ihrer Entscheidung. Als Tag des Beginns wird der 29. Mai genannt, doch ist es schwer, eine offizielle Bestätigung zu erhalten. In Schiffahrtskreisen erhält sich jedoch die Meinung, daß der Versuch, die Drohung, den Schiffsverkehr lahm zu legen, auszuführen, un⸗ mittelbar bevorsteht. Ein Bericht aus anderer Quelle meldet, daß das Boldon⸗Moor bei Newcastle zur Unterbringung Streikender in Zelten gemietet worden sei
“
— 8
s Wohlfahrtspflege.
Hilfstag für Mutter und Kind in Groß⸗Berlin 1911. Die „Hauptstelle für Mutter⸗ und Säuglingsfürsorge in Groß⸗ Berlin“ E. V. wird zur Vorbereitung des Hilfstags eine große An⸗ zahl von Abendveranstaltungen (Kinderhilfsabenden) treffen. Auf Einladung der Hauptstelle hatten sich am Donnerstag im Landes⸗ hause zahlreiche Aerzte zu einer Besprechung über die Anordnung dieser Abende eingefunden. Durch eine größere Anzahl von Veran⸗ staltungen soll in anregender Form Aufklärung über die Ziele des Hilfstags, über die Arbeit der beteiligten Vereine sowie über die Mutter⸗ und Säuglingspflege überhaupt in, die breitesten Massen hinein⸗ getragen werden. Für diese Vorträge haben sich über 70 Redner bereit⸗ willigst zur Verfügung gestellt. Die Hauptstelle hat hierzu von hiesigen Wohlfahrtsanstalten interessantes Illustrationsmaterial erhalten, aus dem sie eine Reihe von Lichtbildern zusammengestellt hat. So wird auch der Laie eingeführt in die weiten Kreisen vielfach noch un⸗ bekannte Arbeit der Mütterberatungsstellen, Wöchnerinnen⸗ und Säuglingsheime, Krippen, Kleinkinderbewahranstalten und Kinder⸗ gärten. Jedermann kann sich also ein Bild von den Anstalten, denen er am Hilfstage seinen Groschen opfern will, verschaffen. Viele Zu⸗ hörer erfahren so auch auf die bequemste Weise, wohin sie sich in einschlägigen Fällen zu wenden haben. Neben der sozialen wird auch die persönliche Gesundheitspflege von Mutter und Kind anschaulich behandelt werden. So wird der Hilfstag, dank der bereitwilligen Mitarbeit der Aerzte, auch für die zweckmäßige Aufzucht des heran⸗ wachsenden Geschlechts in der Familie, die durch keine Anstalt ersetzt werden kann, in bester Weise wirksam sein.
— G
8
Pensionsanstalt deutscher Journalisten und Schrift⸗ steller (Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit) in München. Dem von der Anstaltsleitung ausgegebenen Geschäfts bericht für das Jahr 1910 ist zu entnehmen, daß das verflossene Jahr mit einem Ueberschusse von 31 000 ℳ abschloß. An Mittgglieder⸗ beiträgen und Eintrittsgeldern wurden 119 000 ℳ, an Zinsen .78 000 ℳ vereinnahmt, an außerordentlichen Einnahmen und
sonstigen Gewinnen 31 000 ℳ erzielt. Von den 30 000 ℳ Pensionen, die im verflossenen Jahre ausgezahlt wurden, ent⸗ fallen 21 000 ℳ auf die von den Mitgliedern selbsterwor⸗ benen Alters⸗ und Invalidenrenten und 9000 ℳ auf die Zuschüsse, die die Anstalt aus ihren Erübrigungen leistet. Aus dem Stiftungsfonds wurden 5000 ℳ an Unter⸗ stützungen gewährt. Die Prämienreserve ist mit 1 391 000 ℳ dotiert. Diesem Fonds, der zur Deckung der feststehenden rechnerischen Ver⸗ pflichtungen dient, stehen an Reserven und sogenannten freien Fonds (Reservefonds, Zuschußfonds, Stiftungsfonds) 571 000 ℳ gegenüber. Das Vermögen der Anstalt, das sich Ende 1910 auf 1 995 000 ℳ bezifferte, hat bei Ausgabe des Berichts die zweite Million über⸗ schritten. Von dem Vermögen der Anstalt sind 1 916 000 ℳ in mündelsicheren Hypotheken angelegt. Die Geschäftsstelle der Pensions⸗ anstalt Deutscher Journalisten und Schriftsteller (München, Max⸗ Josephstr. 1/0 I.) versendet den Bericht kostenlos an alle Interessenten.
Die Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Berlin, hat soeben eine Flugschrift „Bekämpfung der Schundliteratur“ veröffentlicht, in der eine vollständige Zusammenstellung der bisher in diesem Kampfe getroffenen Maßnahmen enthalten ist. Die Schrift ist in Carl Heymanns Verlag, Berlin W. 8, Mauerstr. 43/44, er⸗ schienen und zum Preise von 40 ₰ für das Exemplar (25 Exemplare 8,75 ℳ, 50 Exemplare 15 ℳ) zu beziehen. 8
Kunst und Wissenschaft.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Diels am 11. Mai eine Gesamt⸗ sitzung. Herr Dressel las: Ueber die Medaillonprägung in der römischen Kaiserzeit und über die Entwicklung und Be⸗ deutung der Medaillonsammlung des Berliner Münz“⸗ kabinetts. An die gewöhnliche Kupferprägung des römischen Senats schließt sich eine außerordentliche, durch besondere Ereignisse veranlaßte und nur in beschränktem Maße ausgeübte Kaiserliche Kupfer⸗ prägung an. Sie umfaßt, außer einigen als Nominal ausgebrachten Stücken, mehr oder weniger große und beliebig schwere, durch Stil und Technik sich auszeichnende Prägungen (die sog. Medaillons), die nicht für den Verkehr bestimmt waren, sondern wie die Kaiserlichen Gold⸗ und Silbermedaillons bei festlichen Gelegenheiten als Geschenke verteilt wurden. Demselben Zwecke dienten auch die wenigen vom Senat geprägten Kupfermedaillons. — Die Medaillonsammlung des Berliner Kabinetts, die, abgesehen von einigen sehr wertvollen Stücken aus altem Besitze, noch um die Mitte des vorigen Jahr⸗ hunderts ziemlich unbedeutend war, erhielt erst 1873 durch Ankauf eines Teils der Sammlung Tyszkiewicz und dann 1879 mit der Er⸗ werbung der Römersammlung Sandes namhaften Zuwachs und ist seitdem beständig vermehrt worden; heute zählt sie nahezu 250 Stücke, davon 32 von Gold und 30 von Silber. — Herr von Wilamowitz⸗ Moellendorf legte eine Mitteilung des Prof. Dr. Richard Meister in Leipzig vor: Inschriften in Rantidi auf Kypros. Die von Dr. Zahn im Auftrage der Akademie in Rantidi ausge⸗ führten Grabungen haben an Inschriften eine Anzahl Weihungen an Apollon, Aphrodite und weniges andere ergeben. — Herr Rubens legte eine Mitteilung des Geheimen Regierungsrats Prof. Dr. F. Kurlbaum in Charlottenburg vor: Messung der Sonnen⸗ temperatur. Die betreffenden pyrometrisch⸗optischen Beobachtungen hat der Verfasser in Assuan im Jahre 1908 in 160 m über dem Meere angestellt. Die angewendete Methode ist erheblich genauer als alle bisher benutzten Verfahren. Das Ergebnis der Messungen stimmt mit den älteren Werten befriedigend überein. — Herr Koser über⸗ gab den Jahresbericht über die Herausgabe der Monumenta. Germaniae historica.
Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: J. Vahlen, Gesammelte philologische Schriften. Tl. 1. Leipzig und Berlin 1911, und 4οασάnν 5 Aorrivoen e SçJhous, de sublimitate libellus. Ed. O. Jahn a. 1867. Quartum ed. a. 1910 J. Vahlen. Lipsiae 1910; ferner von Herrn Conze: C. Schuchhardt, Snsege. Sonderabdruck aus der Prähistorischen Zeitschrift I1,
eft 4, .
Die Akademie hat durch die philosophisch⸗historische Klasse bewilligt: Herrn Koser zur Fortführung der Herausgabe der „Politischen Correspondenz“ Friedrichs des Großen 6000 ℳ; Herrn von Wilamowitz⸗Moellendorf zur Fortführung der Inscriptiones Graecae. 5000 ℳ; der Deutschen Kom⸗ mission zur Fortführung der Forschungen des Herrn Burdach über die neuhochdeutsche Schriftsprache 4000 ℳ;: für die Bearbeitung des Thesaurus linguae Latinae über den etatsmäßigen Beitrag von 5000 ℳ hinaus noch 1000 ℳ; zur Be⸗ arbeitung der hieroglyphischen Inschriften der griechisch⸗römischen Epoche für das Wörterbuch der ägyptischen Sprache 1500 ℳ; für das Kartellunternehmen der Herausgabe der mittelalterlichen Biblio⸗ thekskataloge als fünfte Rate 500 ℳ.
Die Akademie hat auf den Vorschlag der vorberatenden Kom⸗ mission der Bopp⸗Stiftung aus den Erträgnissen der Stiftung dem Dr. Walter Schubring, Assistenten an der Königlichen Bibliothek zu Berlin, zur Fortsetzung seiner Jainastudien 1350 ℳ zuerkannt.
In der konstituierenden Sitzung der Kommission für die Große Berliner Kunstausstellung 1912 wurden gewählt zum Präsidenten der Maler Max Schlichting, zum stellvertretenden Präsi⸗ denten der Maler Professor Otto H. Engel, zum I. Schriftführer der Maler Leonhard Sandrock, zum II. Schriftführer der Bildhauer Professor Walter Schott, zum I. Säckelmeister der Maler Paul Herrmann und zum II. Säckelmeister der Architekt Geheime Baurat Der Ing. Otto March. 8 1—
Dem Germanischen Seminar der Universität Berlin ist, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, ein sehr kostbares Geschenk zuteil gewordeu. Mrs. Sears in Boston, deren Haus einen Mittelpunkt des dortigen Kunstlebens bildet, hat auf zwei großen Tafeln, unter Glas befestigt, Handschriften Goethes und Schillers aus den verschiedensten Zeiten ihres Lebens, Prosa und Verse, nebst den Locken der Dichter geschenkt, in der hochherzigen Absicht, daß diese Erinnerungen in keiner Bücherei eingeschlossen bleiben, sondern der akademischen Jugend der Reichshauptstadt während ihrer Arbeit auf den Gebieten der deutschen Sprache und Literatur ständig anregend vor Augen stehen sollen. Die Tafeln sind an der Wand des Haupt⸗ raums des Germanischen Seminars angebracht worden. Sie enthalten z. B. ein Briefchen Goethes an Gustchen Stolberg sowie das Gedicht „Donnerstag nach Belvedere“; von Schiller das Manuskript „Laura am Klavier“. Mit den Direktoren haben alle Seminarmitglieder der Spenderin, deren Gemahl einst diese Schriftstücke von Freiligrath erworben hatte, herzlichst gedankt.
LgLiteratur.
Das Heft 4 des laufenden Jahrgangs der mit Unterstützung des Königlich preußischen Meteorologischen Instituts von dem Di⸗ rektor des Königl. preuß. Aeronautischen Observatoriums Dr. Aßmann herausgegebenen Monatsschrift für Witterungskunde „Das Wetter“ (Verlag von Otto Salle in Berlin W. 57) hat folgenden Inhalt: Der milde Winter 1910,1911. Von Dr. Willi König. — Die Ab⸗ hängigkeit des Grundwasserstandes von dem Luftdrucke. Vom K. K. Prof. Franz Weyde. — Uebersicht über die Witterung in Zentral⸗ europa im Februar 1911. Von K. Joester. — Die Temperaturver⸗ hältnisse im Februar 1911 unter etwa 50 ° n. B. Von K. Joester. Die Erscheinungen der oberen Luftschichten im März 1911. Von Fritz Fischli. — Eine Regenbeobachtung auf der Eisenbahn. Von C. Kaßner. — Warme Märztage. — Temperaturumkehr im böhmischen Mittelgebirge. — Meteorologische Notizen und Korrespondenzen: t. Elmsfeuer. Sternwarte. ö