die Tätigkeit der Ansiedlungskommission sich in etwas beschränken müßte, so darf man auch darin kein Aufgeben der Ansiedlungspolitik erblicken, sondern nur ein vernünftiges Maßhalten, welches nach Lage der Verhältnisse durchaus gerechtfertigt erscheint. Meine Herren, wer bedenkt, daß die Ansiedlung nicht das Werk eines Augen⸗ blicks sein kann, daß sie nicht für die Gegenwart be⸗ stimmt ist, sondern ihre Wirkung für die Stärkung des Deutschtums hoffentlich für Jahrhunderte äußern und sichern soll, der wird auch ohne weiteres zugeben müssen, daß es dann nicht darauf ankommt, in der Besiedlung in jedem Jahre den gleichen Fortschritt einzuhalten, sondern daß das Tempo der Besiedlung sich nach den
Zelt⸗ und Preisverhältnissen und auch nach dem Güterangebot richten muß, und daß es vor allem auch darauf ankommt, den Ankauf nicht in zahlreichen Kreisen zu zersplittern, sondern die Ansiedlungstätigkeit dort fortzusetzen, wo das Deutschtum durch alte und neue Ansied⸗ lungen bereits festen Fuß gefaßt hat.
Wenn ich auf die gegenwärtigen Verhältnisse in der Ansiedlungs⸗ tätigkeit eingehe, so will ich mich für jetzt auf die Mitteilung be⸗ schränken, daß für das laufende Jahr eine wesentliche Einschränkung der Ansiedlungstätigkeit keinenfalls in Frage kommen wird. Nach einer mir vorliegenden Nachweisung sind bis zum 30. April 1911, also seit dem 1. Januar d. J., noch 4762 ha gekauft und zurzeit noch Ankaufsver⸗ handlungen über zirka 14 000 ha in der Schwebe. Von den Ergebnissen dieser Verhandlungen und dem etwaigen weiteren Angebot und auch von einer Prüfung der Frage, inwieweit aus dem fiskalischen Domänen⸗ besitz, der in beiden Ansiedlungsprovinzen über 120 000 ha umfaßt, noch Stellen Land zur Besiedlung abgegeben werden können, wird das weitere Vorgehen der Ansiedlungskommission und auch die Ent⸗ schließung der Staatsregierung über die Anwendung der Enteignung im einzelnen Falle abhängig gemacht werden müssen.
In der Befestigung deutschen Grundbesitzes sind, wie die Denk⸗ schrift erkennen läßt, auch im letzten Jahre erfreuliche Fortschritte erzielt worden. Ich hoffe, daß das auch in dem laufenden Jahre der Fall sein wird, und habe gegenüber den auch in der Budgetkommission schon ausgesprochenen Wünschen kein Bedenken, zu erklären, daß die Staatsregierung auch keine Bedenken tragen wird, gleiche Einrichtungen in den der Ostmark benachbarten Provinzen ins Leben zu rufen.
Das Parzellierungsgesetz ist, wie ich in der Kommission bereits erklärt habe, zurzeit in dem Stadium der kommissarischen Beratung. Trotz der Schwierigkeiten, die sich, vielleicht mehr als hier angenommen wird, der Lösung dieser Frage entgegenstellen, hoffe ich doch, daß es möglich sein wird, demnächst dem Landtage eine Vorlage zu machen, die geeignet ist, der aus wirtschaftlichen und nationalen Gründen unerwünschten Bodenzersplitterung mit Erfolg entgegenzutreten. (Bravo! bei den Freikonservativen.)
Im Laufe der Diskussion wird mir jedenfalls noch Gelegenheit geboten sein, auf solche Fragen näher einzugehen, welche auch bereits in der Budgetkommission Gegenstand der Besprechung gewesen sind. Ich möchte mich deshalb zum Schluß nur noch auf eine persönliche Bemerkung beschränken.
Die Verwahrung, welche ich am 5. Mai dieses Jahres in der Sitzung der Budgetkommission gegenüber einem in der „Ostmark“, dem Vereinsorgan des deutschen Ostmarkenvereins, erschienenen Artikel zum Ausdruck gebracht habe, hat sich nicht, wie irriger Weise in einem großen Teil der Presse angegeben worden ist, auf die allgemeine in diesem Artikel enthaltene Kritik der Denkschrift und der Stellung⸗ nahme der Königlichen Staatsregierung bezogen. Ich muß jedem, und gewiß auch dem Ostmarkenverein die Berechtigung zuerkennen, an den Veröffentlichungen und Erklärungen der Staatsregierung Kritik zu üben und, wenn es für notwendig befunden wird, auchꝛdieser Kritik einen scharfen und entschiedenen Ausdruck zu verleihen. Wenn aber, wie es in diesem Artikel geschehen ist, nicht allein mir, sondern auch dem Staatsministerium in seiner Gesamtheit der Vorwurf ge⸗ macht wird, daß es absichtlich die Vorlegung der Denkschrift verzögert und bei der Feststellung der Denkschrift den von der Ansiedlungs⸗ kommission ausgearbeiteten Jahresbericht so kräftigzretouschiert habe, daß auch die Ansiedlungskommission die Verantwortung für diese Schönfärberei nicht habe übernehmen wollen, so habe ich nicht allein das Recht, sondern meines Erachtens auch die Pflicht gehabt, der⸗ artigen ebenso bedauerlichen wie grundlosen Verdächtigungen mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten. (Bravo! rechts.) Meine Herren, wenn ich Karten spiele, dann muß ich mir den Vorwurf des chlechten Spielers — ebenso wie in der Politik — gefallen lassen.
Wenn mir aber beim Spielen der Vorwurf gemacht wird, daß ich falsche Karten benutzt und meine Partner betrogen habe, dann werfe ich als anständiger und ehrlicher Mensch die Karten auf den Tisch und verzichte auf die Fortsetzung des Spiels. Meine Herren, auch dem Ostmarkenverein gegenüber habe ich nichts anderes getan. Ich habe durch den Wortlaut meiner Erklärung schon zu er⸗ kennen gegeben, daß ich mich allein gegen die Vereinsleitung gewandt habe, die ich für diesen Artikel verantwortlich machen mußte, und die leider auch durch eine nachträgliche und meines Erachtens recht be⸗ dauerliche Erklärung die Verantwortung für diesen Artikel über⸗ nommen hat. Ich habe nicht daran gedacht, den Verein als solchen anzugreifen oder seine zweifellos nicht zu bestreitenden Verdienste auf manchen Gebieten in der Ostmark in Frage zu stellen. Wenn das Vorgehen des Ostmarkenvereins die Folge haben würde, die gewiß notwendige Einigkeit unter den Deutschen in der Ostmark zu beein⸗ rächtigen, so kann ich das meinerseits nur lebhaft bedauern; ich muß aber die Verantwortung für diese Folge und auch die vielfach an mich gerichtete Zumutung ablehnen, meine Erklärung vom 5. Mat ganz oder teilweise zurückzunehmen.
Auf die sonst in den letzten Tagen gegen mich erhobenen Angriffe habe ich keinen Anlaß weiter einzugehen. Ich kann nur den Herren, die das große Kesseltreiben gegen mich veranstaltet haben (oh, oh! links) die Versicherung geben, daß ich mir dadurch meinen guten Schlaf (Heiterkeit), meine gesunden Nerven und vor allen Dingen mein reines Gewissen nicht habe enteignen lassen. (Bravo! und Heiterkeit rechts.) Meine Herren, ich habe mich in meinen Entschließungen und in meinen Aeußerungen entsprechend der Haltung, die die Königliche Staats⸗ megierung eingenemmen hat, nur von sachlichen Erwägungen leiten lassen. Ich muß aber auch gegenüber den übertriebenen Forderungen, welche in den letzten Tagen seitens der dem Ostmarkenverein nahe⸗ stehenden Presse erhoben worden sind, offen und ehrlich die Ueber⸗ zeugung aussprechen, daß eine Befriedigung dieser Wünsche voraus⸗ sichtlich in wenigen Jahren einen Zusammenbruch der Ansiedlungs⸗ politik herbeiführen würde, dem die Staatsregierung durch die von ihr
getroffenen und fernerhin in Aussicht voller Sicherheit zu entgehen hofft. (Bravo! rechts.)
Berichterstatter Abg. von Arnim⸗Züsedom (kons.) referiert unter Hinweis auf den gedruckt vorliegenden Bericht kurz über die Kom⸗ missionsverhandlungen und bemerkt, daß in der Kommission darüber Einmütigkeit geherrscht habe, daß ein Parzellierungsverbot und die Besitzfestigung notwendig sei.
Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.): Die deutsche Bevölkerung, nicht bloß in den Ansiedlungsprovinzen, sondern im ganzen Vaterlande, sieht diesmal dieser Beratung mit ganz be⸗ sonderer Spannung entgegen; es herrscht in weiten Kreisen die Be⸗ sorgnis, daß in der Haltung der Regierung und auch vielleicht in der Haltung derjenigen Parteien, die die Regierung unterstützt haben, eine gewisse Wandlung eingetreten sei, und daß die Regierung mit diesen Parteien nicht mehr so wie früher für dieses nationale Werk eintritt. Man konnte vielleicht mit Recht annehmen, daß nicht die Gründe, die mit der Ansiedlung zusammenhängen, sondern andere Gründe allgemeiner Art für die Stellung der Regierung aus⸗ schlaggebende Bedeutung gehabt hätten. Wenn das der Fall gewesen wäre, so würde das die Billigung meiner Freunde keines⸗ falls gefunden haben, und ich nehme mit Befriedigung davon Akt, daß der Minister auf das bestimmteste erklärt, daß nicht irgend welche anderen als rein sachliche Gründe für das Ansiedlungs⸗ werk maßgebend sind. Die Beunruhigung ist auch dadurch ge⸗ kommen, daß die Aeußerungen des Ministers über den Ost⸗ markenverein hier und da zu Bedenken Anlaß gegeben haben. Wenn die Aeußerungen des Ministers — was aber nicht der Fall war — sich gegen den Gedanken gerichtet hätten, den der Ostmarken⸗ verein vertritt, so würde das gewiß in weiten Kreisen meiner Freunde nicht Zustimmung gefunden haben, denn man kann die Tätigkeit dieser Vereinigung unter Umständen unbequem empfinden, aber man wird nicht leugnen können, daß es in unserer Zeit doch von großem nationalen Wert ist, wenn die roßen Fragen des nationalen Interesses nicht bloß in der organisierten Vertretung des Volkes und nicht bloß bei der Regierung, sondern auch bei allen patriotischen Kreisen vertreten sind. Das ist ein großer nationaler Wert, und wenn solche Vereinigungen sich in diesen Grenzen halten, so werden sie nicht beanstandet werden können. Aber der Minister hat recht, er hat sich nur dagegen ge⸗ wandt, daß die Art und Weise, wie der Ostmarkenverein in seiner Publikation die Regierung kritisiert hat, nicht wohl von der Re⸗ gbiernhg ertragen werden konnte. Das müssen diese Vereinigungen erücksichtigen, sie dürfen nicht vergessen, daß die Ver⸗ antwortlichkeit am letzten Ende nicht sie, sondern die Re⸗ gierung, und schließlich auch das Parlament trägt. Es ist sehr gefährlich, wenn man die Verantwortung dieser Instanzen dadurch einschränken will, daß man in ihre Tätigkeit ein⸗ greift, ohne die genaue Sachkenntnis der Unterlagen zu haben, die notwendig ist, wenn man eine gerechte Kritik üben will. Der Vorwurf kann dieser einen Publikation des Ostmarkenvereins nicht erspart werden, daß der Verein dabei diese Erkenntnis nicht besessen hat, um mit solcher scharfen Kritik einzusetzen, die im nationalen Interesse vermieden werden mußte, um nach außen die Einheitlichkeit der Politik zu wahren. Noch andere Momente begründen bis zur Stunde die Besorgnis der Be⸗ völkerung für die Haltung der Regierung. Man war und ist der Meinung, daß aus der Nichtanwendung der Enteignung eine grund⸗ sätzlich veränderte Haltung der Regierung dem Enteignun sgese gegenüber zu folgern sei, ein Schwanken und vielleicht ein Zurück⸗ geben hinter die Grundlagen, denen dieses Gesetz seine Entstehung verdankt. Wenn das der Fall wäre, so wäre es in der Tat außer⸗ ordentlich bedenklich, aber die Deklaration des Gesetzes durch den Minister, daß es nicht eine allgemeine Befugnis konstruierte, daß die Regierung das Land, das sie braucht, auf diesem Wege nehmen kann, sondern nur ein Akt der Notwehr für begrenzte Bezirke ist, ist in der Tat im Gesetz selbst begründet, und niemand kann verlangen, daß die Regiernng die Gesetze anders anwenden sollte, als sie erlassen sind. Ich möchte die Vorgänge bei der Emanation dieses Gesetzes ins Gedächtnis zurückrufen. Die Regierungsvorlage verlangte damals die Enteignung in einem Umfange und auf einem Boden, der anders war, als was schließlich bewilligt wurde. Die Regierung forderte damals die Enteignung als eine allgemeine Ergänzung des Ent⸗ eignungsgesetzes. Die Mehrheit fand aber einen anderen Weg und der betreffende Antrag wurde von der nationalliberalen, der frei⸗ konservativen und der konservativen Partei gestellt. Der national⸗ liberale Redner erklärte damals im Januar 1908, das Enteignungs⸗ recht stehe nicht im Belieben der Ansiedlungskommission, sondern dürfe nur Platz greifen für bestimmte Ansiedlungsgruppen, wenn das Deutschtum dort gefährdet sei und ein anderes Mittel nicht gegeben sei. Ein anderer nationalliberaler Redner erklärte, daß die Be⸗ stimmung klipp und klar feststelle, daß es sich nur um einen Akt der Notwehr handle, und daß es nicht zulässig sein würde, ein Grundstück beliebig herauszugreifen, wo es einem ge⸗ fiele, sondern nur, wo es zur Sicherung bestehender deutcher Niederlassungen im einzelnen Falle notwendig sei. Der Abg. Viereck, als Vertreter der Freikonservativen, sagte, der neue Vor⸗ schlag beziehe sich auf den äußersten Notfall, er setze voraus, daß das Deutschtum gefährdet und eine andere Rettung nicht möglich set. Und ein Vertreter der Konservativen sagte, die Enteignung dürfe nur in den Grenzen angewendet werden, wo das Deutschtum nur durch Zuführung neuer Grundstücke e werden könne. Der Standpunkt des Mi⸗ nisters ist also derselbe, wie derjenige dieser drei Parteien. Der damalige Ministerpräsident Fürst Bülow hat, nachdem der Antrag in dieser Weise von den drei Parteien begründet war, erklärt, daß sie sich damit den Dank des ganzen Landes und der Regierung erworben hätten. Danach findet der Gedanke, man könne mit dem Enteignungsrecht in der Provinz herumgehen und überall Land erwerben, im Gesetz selbst keine Unterstützung. Ich glaube dem Minister, daß er bisher keine Voraussetzungen gefunden hat, um die Enteignung anzuwenden. Ich will darüber keinen Zweifel lassen, daß wir nicht gewillt sind, hinter die Linie des Enteignungs⸗ paragraphen zurückzugehen. Wir meinen, ohne in die Exe⸗ kutive eingreifen zu wollen, daß doch solche Fälle sich finden lassen, wo in deutschen Ansiedlungen, besonders wenn benachbarte deutsche Besitzungen erst vor kurzem in polnische Hand über⸗ gegangen sind, die Möglichkeit sich bieten würde, das Gesetz anzuwenden. Damit würde man nicht nur den deutschen Besitz stützen, sondern auch den Uebergang des deutschen Besitzes in polnische Hand verhindern. Ich will die einzelnen Möglichkeiten nicht erörtern; die Hauptsache ist nur, daß sowohl bei der An⸗ wendung des Enteignungsgesetzes, wie bei der Befestigung des Besitzes alle Maßregeln der Regierung kein anderes Ziel haben als das, wie das gefährdete Deutschtum am wirksamsten unterstützt werden kann. Die Besitzfestigung kann vielleicht dem Ansiedlungswerk nützlicher sein als die weitere Ausdehnung der Ansiedlungen; aber wo diese Voraussetzung versagen würde, muß das Deutschtum seine Sicherung und seinen Schutz auch auf dem anderen Wege verlangen, und dann würde die Regierung die Zustimmung meiner Freunde nicht haben, wenn sie die Enteignung nicht anwendet. Ich habe aus den Erkläruugen des Ministers entnommen, daß die Regierung die Absicht hat und in vollem Maße noch auf dem Standpunkt steht, den die ganze Ansiedlungsgesetzzebung eingenommen hat. Der Minister will mit allen Kräften dahin streben, das Deutschtum so wirksam zu unterstützen und zu fördern, wie es nur irgend geht.
ch kann mir auch gar nicht etwas anderes denken, ich kann mir solche Regierung gar nicht vorstellen. Es würde ein Moment von gar nicht abzusehender moralischer Wirkung bedeuten, wenn die Regierung in dieser klaren deutsch⸗nationalen Selbst⸗ verständlichkeit auch nur im geringsten schwankte; das würde zur Deroute führen, deren Konsequenzen gar nicht abzusehen wären. Es handelt sich hier um einen festentschlossenen, energischen, grund⸗ sätzlichen Standpunkt; wenn es anders wäre, so würde es alles, was wir in der Stärkung des Deutschtums getan haben, wieder zur Erschütterung bringen. In die Einzelheiten wollen
—
genommenen Maßregeln mit
nach dem, was ich heute
wir dem Minister nicht dreinreden, aber nur, wenn die Regieru diesem Gebiete äußerlich und innerlich ganz treu und fest ist sie auf die Unterstützung meiner Freunde rechnen können. Ich 9 daß d bes he h ) vag der Fan 8 e Ich hof Abg. atzel (nl.): Ich will dem Wunsche des Mini durchaus ruhig und sachlich die Frage behandeln, dgerifere sag nicht diesem seinem Vorschlage gefolgt. Er hat z. B. Erklär 9 des früheren leitenden Staatsmannes mit dem Delphischen Lme verglichen, aber seine eigenen Erklärungen waren nicht weit ente von den Aussprüchen einer Pythia. Ebenso haben die 1 klärungen des Herrn von Heydebrand nicht volle Klarheit 8 Es ist nicht die Frage nach dieser oder jener M es ist die Sorge, ob nicht ein Systemwechsel vorliegt. Mein Freunde sind durch die heutigen Erklärungen des Ministers schn enttäuscht worden. Ich habe dem Minister gern folgen wollen h gehört habe, kann ich es nicht mehr . Minister hätte offen bekennen müssen: wir haben kein Land mehr wir müssen anders vorgehen. Es ist mir nicht klar, ob ich das 8 der Minister vorhat, klar durchschaue. Das Schlimmste ist abt der Systemwechsel an sich. Sicherlich hat dem Ostmarkenverein jed persönliche Berührung des Ministers fern gelegen. Der Ostmarkenvetei ist ein Kampfverein. (Zuruf von den Polen: Hetzverein!) Ich dn⸗ stehe es sehr wohl, wenn die Regierung nicht in allem dem Ostmarken verein folgt. Aber der Ostmarkenverein ist das Bleibende in de Erscheinnngen Flucht. Wer einen Verein mit diesen Tendenzen i dieser Weise bekämpft, der leistet damit den Polen einen positider Dienst. Zu meinem Bedauern hat sich der Minister theoretische Erörterung über die Zweckmäßigkeit der Polenpolitik ein elassen. Es ist der Verdacht nicht von der Hand zu weisen, daß e echsel des Systems vorliegt. Man sucht dafür nach Gründe außerhalb, da sachliche Gruünde nicht vorliegen. In einer s bedeutsamen nationalen Frage dürfen aber keinerlei außer halb der Sache liegende Gründe ausschlaggebend sein, mage sie in innerpolitischen Fragen, in unserem Verhältnis z den Nachbarstaaten oder in persönlichen Anschauungen liegen Das muß ich im Namen meiner Freunde erklären. Iöh will dem Minister gern zugeben, daß zurzeit große Schwierg keiten gegen die Ausführung in der bisherigen Weise vorliegen. D. Frage ist nicht, ob jetzt enteignet werden soll, sondern nur: welch Stellung nimmt die Regierung zur Ausführung des Gesetzes ein, Der Anschauung, daß die Enteignung als ultima ratio damal; angesehen worden sei, muß ich entgegentreten. Wir wollen elbst verständlich nicht, daß der ganze poknäische Grundbesitz enteignet witd aber die Anwendungsmöglichkeit des Gesetzes muß gegeben sein Sicherlich ist in den drei Jahren ein Fall vorgekommen, in dem das Gesetz hätte Anwendung finden können. Wer hat uns denn die Fesseln, die in dem Gesetz enthalten sind, beschert? Miire Freunde haben dem § 13 zugestimmt, aber doch nur, um das Gef nicht scheitern zu lassen. Wir kennen die Vorgänge in der Kom⸗ mission ganz genau. Wer hat denn die Bestimmung in daß Gesetz hineingebracht? Herr von Heydebrand wird es wissen. 1907 betrug der Preis des Grund und Bodens das Hundertfünfunddreißig⸗ fache des Grundsteuerreinertrages, 1908, nach der Annahme des 81- eignungsgesetzes fiel er auf das Hundertfünfzehnfache ( Widerspruch bet den Polen) und stieg oder fiel dann, je nach der Aussicht auf die Anwendung des Gesetzes; 1909 betrug er das Hunderteinunddreißig⸗ fache, 1910 das Hundertundvierzigfache. Wäre das Gesetz angewandt worden, dann ständen wir ießt nicht vor der Gefahr eines Spseen⸗ wechsels. und die Polen hätten ihren Widerstand aufgegeben, Widerspruch bei den Polen; Zuruf: Das ist der große Irrtum!) Ein langsameres Tempo würde den Schein eimer Kapitulation gegenüber den Polen hervorrufen. In dem Ert⸗ eignungsgesetz ist bestimmt worden, daß der volle Wert erseßt werden 1 3 des Verwaltungsstreitverfahrens erwiesen, ausreicht, dann ist ja der Minister am besten gerechtferiit. Dann wird sich zeigen, ob das Gesetz ausreicht oder nicht, cber angewandt muß es erst werden. Gegen eine Verlangsamum la Tempos sprechen auch rein sachliche Gründe. Wir haben Mieälr herbeigezogen und dürfen diese jetzt nicht sitzen lassen. Dee Ansiedler wollen auch für ihre Söhne die Möglichkä ds Landerwerbs haben. Wollen wir die Leute wieder über See gebm lassen? Wir wollen aber nicht nur auf die Festigung des Gynd⸗ besitzes ausgehen, sondern müssen auch den städtischen Mitttelsted kräftigen. Diese Notwendigkeit hat der Minister mit Recht betont. Preußen ist im Kampf und gerade auch im Kampf, der darin bestand, fremde Nationen und Ländermassen sich anzugliedem, roß geworden, aus sich allein heraus. Jetzt, wo Deutschlad 2 ihm steht, ist ihm diese Aufgabe um vieles leichter. Vor der Größe dieses Ziels müssen alle Schwierigkeiten zurückstehen. Wir wollen an dem alten Ziele festhalten. Es ist möglich, daß für die Ostmark noch Jahrzehnte des Kampfes beschieden sind, aber dieser Kampf wird zur Blüte der Ostmarken führen. Wir wünschen eine kraftvolle Ostmarkenpolitik, damit die Polen selbst die Nutzlosigkit ihres Widerstandes einsehen. 4. Abg. Freiherr von Fedrh und Neukirch (freikons.): Es ist zweifellos zu bedauern, daß die Worte des Ministers als eine Absage an den Ostmarkenverein aufgefaßt worden sind. Diese Absicht mußte dem Minister fernliegen, da der Ostmarkenverein eine der festesten Stützen unserer Ostmarkenpolitik ist. Der Ostmarkenverein ist der Vorkämpfer des Deutschtums in den Ostmarken geworden und wird sich hoffentlich darin auch noch weiter bewähren. Der Minister hat klar ausgesprochen, daß die Regierung gar nicht daran denkt, die grundsätzliche Politik in den Ostmarken irgendwie zu ändern, auch nur um eine Linie von ihr abzuweichen.é Er hat heute erfreulicherweise klar ausgesprochen, daß sich die Regierung lediglich von sachlichen Rücksichten leiten läßt. Meine Freunde sind der Meinung, daß wir erwarten, daß keine an⸗ deren als sachliche Rücksichten, als Rücksichten nationaler Natur für die Regierung maßgebend sind und daß keine anderen Gründe, weder persönliche noch diplomatische, dabei mitwirken. Aber es unterliegt keinem Zweifel, daß in weiten Kreisen der Bevölkerung das Ver trauen zur Regierung in der Frage der Bodenpolitik wankend ge⸗ worden ist. Wir brauchen ein vertrauensvolles Zusammenwirken aller Elemente, die zum Schutze des Deutschtums berufen sind. Bie Regierung trägt aber zum großen Teil selbst die Schuld daran, wenn sie nicht das volle Vertrauen hat. Daß in der Ansicht über die Enteignungsbefugnis seit 1908 eine Aenderung eingetreten ist, liegt 8 der Hand. Die Regierung ging s von der Absicht aus, von der Entei nungsbefugnis in gröüßere Umfange Gebrauch zu machen. Man wollte einen Näen fonds für die Ansiedlungstätigkeit gewinnen, der für ean hinaus die Ansiedlungstätigkeit unterstützen könnte. Die jeßige Auffassung des Ministers ist eine Vergewaltigung der ürsprüng, lichen Bedeutung des Enteignungsgesetzes. Wenn aaggv⸗ kennen ist, daß die Regierung bei näherer Betrachtung te. Wortlauts des § 13 des Gesetzes die Auffassung gewinnen 68 daß der Gedanke, einen solchen Reservefonds zu bilden, mit liegt Wortlaut des Gesetzes schwer in Einklang zu bringen ist, 1 ds es doch auf der Hand, daß damals niemand daran gedacht hat, 88 Gesetz erst dann zur Anwendung zu bringen, wenn der Regiern 1 das es unter den Nägeln brennt. Man hat die Absicht get dler daß es zweckmäßig, ja notwendig sei, da zuzugreifen, wo dessen deutschen Besitz in ihre Hände gebracht haben, und wo knfelged-e. eine Gefährdung des Deutschtums eingetreten ist. Es hätte 8eee Reihe von Fällen konstruiert werden können, wo man ohne wei 9 von dem Ansiedlungsgesetz hätte Gebrauch machen können. wischen deutsches Land in polnische Hände zu ausdrücklich antiden nt Zwecken gekommen ist, hätte der Anwendung v eignungsgesetzes auf keiner Seite Widerspruch fntgegense finken, Bezüglich der Preise meinen die einen, daß die Preise beiden die anderen, daß die Preise sseigen würden. Wer vensistellen Teilen recht hat, läßt sich in der Theorie, kaum fe
(Schluß in der Zweiten Beilage.)
daß das Gesetz ui
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8 8
Aber sicher würde sich das in der Praxis schnell ergeben haben. Ich kann alio nicht umhin zu erklären, daß hier eine schwere Unterlassungssünde der Staatsregierung vorliegt. Man hat den Anschein erweckt, als vandle man noch immer in den Spuren der Regierung vom Jahre 1908. Wenn wir zu einer Verlangsamung des Ansiedlungsgeschäfts über⸗ gehen müssen, dann müssen wir erst recht den Schein vermeiden, als wären wir schlapp geworden. Es müssen auf der anderen Seite sompensationen für die geringere Tätigkeit in der Ansiedlung gegeben nerden. Der Minister hat erklärt, daß er als seine nächste Aufgab⸗ ttrachte, den deutschen Grundbesitz zunächst zu festigen. Aber damit ilein wird man nicht den Eindruck einer energischen Ostmarken⸗ volitik gewinnen; das ist nichts Neuecs, das ist etwas, was neben der Ansiedlung hergehen sollte. Wenn man kompensieren wil, so muß man auf anderen Gebieten eine positive Tätigkeit entfalten. Wir haben damals dem Enteignungsgesetz zugestimmt in der Annahme, daß dem Enteignungsgesetz ein Parzellierungs⸗ kontrollgesetz, folgen sollte. Darauf haben wir vergeblich ge⸗ wattet Es ist uns jetzt eine solche Vorlage für die nächste Tagung in Aussicht gestellt worden. Ich begrüße eine solche Inaussicht⸗ steläöng und gebe mich der Hoffnung hin, daß sich diese Aussicht auch vewirklichen möge. Kommissarische Behandlungen sind oft geeignet, wenn man nicht will, die Sache auf die lange Bank zu schieben. Ich „daß der Minister dafür sorgen wird, daß in den Ministerialräten gende retardierende Momente die Vorlage nicht aufhalten werden. die Regierung die Vorlage nicht bringen, so werden wir ge⸗ mügt sein zu glauben, daß sie entweder von der Linie abweicht oder varlaufig nicht die nöͤtige Macht hat, die vorgezeichnete Politik zu befolgen. Da wir die Ostmarkenpolitik für die wichtigste inner⸗ politiscche Aufgabe halten, würden wir unsere Stellung zur Re⸗ gierung revidieren müssen. Der Minister hat mit Recht darauf hin⸗ gewiesen, daß der Besitz von Land allein nicht das Entscheidende it; neben dem Land wird das Deutschtum sich siegend behaupten können, wenn die nötigen Menschen in den Ostmarken sind. Gegen⸗ über den kleinen polnischen s nötig, die kleinen
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Bauern ist es Siedlungen, die Ansiedlungen von landwirtschaftlichen Arbeitern zu fördern. Die Ansiedlungskommission hat auf diesem Gebiete völlig deragt. Hier muß sicher eine Wandlung eintreten; wenn alle diese Maßnahmen zusammen ergriffen werden, dann werden wir einen
Schritt in unserer Ansiedlungspolitik vorwärts kommen. Abg. Graf von Spee (Zentr.): Ich kann mich im Namen meiner partei auf eine kurze Erklärung beschränken. Der Vorredner hat inige Punkte berührt und festgelegt, bei denen nach seiner Ansicht ach die Ansiedlungskommission völlig versagt hat. Unsere Stellung zn Ansiedlungspolitik ist von Anfang an eine ablehnende gewesen, weil vir eine solche Gewaltpolitik verwerfen und in ihr niemals einen Erfolg cüiten können. Gewiß ist ein Erfolg mit der Ansiedlungspolitik er⸗ nihtworden, er besteht aber nur in der Stärkung des Polentums. Das mseige Enteignungsgesetz haben wir mit aller Kraft bekämpft, und wir snd molgedessen ebenso scharfe Gegner seiner Anwendung. Wir bekämpfen ach das sogenannte Parzellierungsgesetz; denn auch dieses stellt f die polnischen Provinzen amnedet werden soll. Mit dieser Zwangspolitik wird man nichts den Systemwechsel durchaus begrüßen, denn
eeifen. Wir würden 8 un durch einen solchen würde der Friede in der Ostmark hergestellt werden können. Wir sind und bleiben Gegner der Ostmarkenpolitik
und lehnen jede Mitverantwortung ab.
MNinister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. schorlemer:
Meine Herren! Der Herr Abg. Glatzel hat seinem Bedauern trüber Ausdruck gegeben, daß ich gegenüber dem Inhalte des schon dünfiger besprochenen Artikels in der „Ostmark“ eine solche Erklärung i der Kommission abgegeben habe. Ich bedaure lebhaft diese seine Etellungnahme. Auch er ist meines Erachtens ebenso wie der größere Lil der Presse und — ich füge hinzu — leider auch die letzte Publi⸗ ktion des Ostmarkenvereins von der Auffassung ausgegangen, daß ich nallgemeinen an der Haltung des Vereins und seinen Aeußerungen Kiitik geübt, und daß ich in einer gewissen Nervosität bestimmte Ueußerungen zu tragisch genommen hätte. So, meine Herren, liegt di Sache nicht. Ich leugne nicht, daß ich ein gewisses Tempera⸗ nent besitze; aber bis heute sind die Nerven mit mir noch nicht durchgegangen, und ich habe nach ruhiger und reif⸗ scher eberlegung mich gezwungen gefühlt, Stellung zu nehmen gegen üngriffe, die die Grenzen einer zulässigen Kritik überschreiten, die in der Aufstellung von Behauptungen beruhen, für welche der Artikel un die hinter ihm stehende Vereinsleitung den Beweis der Wahrheit
uldig bleiben muß, und welche geeignet sind, die Staatsregierung in den weitesten Kreisen in der Achtung, die ihr zukommt, herabzu⸗ len. (Sehr richtig! rechts.) Einen solchen Schritt hätte die Leitung ns Vereins, der, wie ich glaube, bald zur Hälfte aus Staatsbeamten seht ssehr richtig! — Heiterkeit), unter allen Umständen unterlassen isen. Ich hoffe, daß er sich das, was ich gesagt habe, auch zur Uamung dienen lassen wird. (Sehr gut! — Heiterkeit.)
Wenn sodann Herr Abg. Glatzel in einem gewissen Brustton der wretzeugung mir die schwankende und wankende Haltung der Staats⸗
serung zum Vorwurf gemacht hat, so möchte ich nur nochmals Reerholen, daß ich bei allen sich mir darbietenden Gelegenheiten,
4 swar mit Zustimmung und im Auftrage des Staatsministeriums,
Erklärung abgegeben habe, daß die Staatsregierung unentwegt
dem Boden der durch das Gesetz von 1886 und die dazu er⸗
drnen Ergänzungsgesetze inaugurierten Ansiedlungspolitik steht, und ie auch nach Maßgabe des Gesetzes vor dem Wege der Ent⸗ aug nicht zurückschrecken wird. Venn auch von Herrn Abg. von Zedlitz das Wort ultima ratio, Fäbrigens nicht selbst geprägt habe, in gewissem Sinne be⸗ tworden ist, so will ich aufklärend doch auch meinerseits be⸗ set daß auch ich unter ultima ratio nicht den Augenblick ver⸗
8 hdie Staatsregierung genötigt sein würde, ohne Anwendung
n ignung die Tür der Ansiedlungskommission zu schließen.
meine Herren, das wäre auch meines ECrachtens
11 Ich kann nur nochmals wiederholen, daß mir
in damals selbst noch im Herrenhause anwesend gewesen —
den derzeitigen Verhandlungen, auch nach dem Inhalte des Ge⸗
i zweifellos erscheint, daß nicht ins Blaue hinein und bei jeder
unbietenden Gelegenheit, sondern nur im Rahmen des Gesetzes
uter den im Gesetze gegebenen Beschränkungen enteignet werden seb daß z. B., was ja sonst sehr willkommen sein würde, ein 8 Enteignung nicht aus dem Grunde konstruiert werden darf,
Freiherr von
um festzustellen, welche Preise im Falle der Enteignung zu zahlen sind. (Sehr gut! bei den Polen. Heiterkeit.) Ich gebe gern zu, daß die Meinungen darüber geteilt sein können, wie die Enteignung auf die Preise wirken wird. Aber es ist doch zu bedenken, daß nicht allein seitens der Ansiedlungskommission hohe Preise gezahlt werden müssen, und daß die Preise, die sonst im freien Güterverkehr, und zwar leider auch über die Provinzen Westpreußen und Posen hinaus, gezahlt werden, eine Höhe erreicht haben, der die Ansiedlungs⸗ kommission noch keineswegs nachgekommen ist. Ich glaube, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß in dem Augenblick, wo wir enteignen, die Festsetzung der Entschädigung sich richten muß nach den zur Zeit im freien Güterverkehr gezahlten Preisen, (sehr richtig bei den Polen), und ich möchte das Gericht sehen, welches den Entschädigungsbetrag feststellt, ohne gleichzeitig Rücksicht darauf zu nehmen, daß die Aufgabe des Besitzes keine freiwillge, sondern eine un⸗ freiwille gewesen ist. (Sehr richtig; bei den Polen.) Also ich glaube, mit diesem Experiment ist nicht viel zu machen, und wenn wir enteignen — was über kurz oder lang einmal der Fall sein muß —, wird auch die Enteignung den Beweis erbringen, daß wir nicht niedrigere, sondern noch höhere Preise zahlen müssen, als wir bisher im freien Güterverkehr gezahlt haben.
Meine Herren, ich habe nicht alles wiederholt, was ich bereits in der Budgetkommission ausgeführt habe. Aber ich glaube, aus dem Eingang meiner Worte, aus der Stellungnahme gegenüber den groß⸗ polnischen Bestrebungen ist kein Zweifel herzuleiten, daß ich in der Auffassung des Ernstes der Lage, in der Auffassung der Notwendigkeit, das Deutschtum gegenüber dem Polentum in der Ostmark zu erhalten und zu stärken, nicht ganz mit der Mehrheit dieses Hauses überein⸗ stimme. Wenn ich mich vielleicht etwas länger, als manchem notwendig erscheint, bei einzelnen Fragen der Ansiedlungspolitik und vor allen Dingen bei der Enteignung aufgehalten habe, so habe ich damit lediglich den einen Zweck verfolgt, aus der Diskussion über diese gewiß wichtige Frage die Phrase auszuschalten und denen entgegenzutreten, die immer noch die Ansicht verfechten, daß allein mit der Enteignung die An⸗ siedlungsfrage und womöglich die ganze polnische Frage gelöst werden könne. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, das ist nicht der Fall, und ich stimme ganz mit dem Herrn Abg. von Zedlitz überein, daß es noch eine ganze Reihe anderer Maßnahmen gibt, mit denen wir das Deutschtum in der Ost⸗ mark fördern und gleichzeitig im Laufe der Jahre dazu beitragen können, auch geordnete Verhältnisse in diesen Provinzen und auch bessere Beziehungen zu der polnischen Bevölkerung herbeizuführen. (Beifall rechts.) 8
Darauf vertagt sich das Haus.
Schluß gegen 4 ½ Uhr; nächste Sitzung Freitag 11 Uhr (dritte Lesung des Feuerbestattungsgesetzes: Fortsetzung der Beratung über die Ansiedlungsdenkschrift; Bericht der Budget⸗ kommission über die Lage der staatlichen Bergwerke).
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗, maßregeln.
Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankheiten.
(Aus den „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts“, Nr. 20 vom 17. Mai 1911.)
Pest.
Türkei. In Djedda wurden vom 25. bis 29. April keine neuen Pestfälle mehr festgestellt, nachdem dort insgesamt 32 Pest⸗ todesfälle auf angeblich 37 Erkrankungen selt dem 16. Dezember v. J. vorgekommen waren.
Aegypten. Vom 29. April bis 5. Mai wurden 73 Erkran⸗ kungen (und 47 Todesfälle) gemeldet, davon 25 (12) in Ku ß, 24 (18) in Kena, 4 (2) in Manfalut, 4 (1) in Fachu, 3 (3) in Senures, 3 (1) in Abutig, je 2/,(1) in Sammalut und Menuf, 1 (2) in Nag Hamadi, je 1 (1) in Abnub und Assiut, je 1 in Alexandrien, Beni Mazar und Esneh, — (2) in Deirut und je — (1) in Fayum und Assuan. Von den Erkrankten in Kena litten angeblich 22 an Lungenpest.
China. In Tschifu wurden vom 8. bis JM. April 3 Pestfälle gemeldet. 88 3
Chile. Zufolge Mitteilung vom 7. April sind in der Hafenstadt Pisagua in den letzten zwei Monaten 9 Personen an der Pest er⸗
krankt und davon 7 gestorben. 8* Neuseeland. In dem an der Westküste gelegenen Hafen Onehunga, unweit, von Auckland, sind zufolge Mitteilung vom
5. April 3 Erkrankungen und 1 Todesfall an der Pest vorgekommen.
Pest und Cholera. Britisch⸗Ostindien. In Kalkutta starben vom 26. März bis 8. April 199 Personen an der Pest und 78 an der Cholera.
Cholera. Rußland. Im Gouv. Minsk wurden vom 21. bis 29. April 4 Choleraerkrankungen, davon 1 mit tödlichem Ausgang, gemeldet. Straits Settlements. In Singapore wurdem vom 25. März bis 8. April 2 neue Cholerafälle gemeldet. Hawaiische Inseln. In Honolulu ist die Cholera von
neuem ausgebrochen; vom 12. bis 15. April sind dort 3 Personen Pocken.
daran erkrankt.
Deutsches Reich. In der Woche vom 7. bis 13. Mai wurden 11 Erkrankungen (darunter 3 bei Personen aus Rußland) festgestellt, und zwar je 1 in Beeskow (Kreis Beeskow⸗Storkow, Reg.⸗Bez. Potsdam) und in Frankfurt a. O., 2 im Krankenhause in Bleicherode (Kreis Grafschaft Hohenstein, Reg.⸗Bez. Erfurt), je 1 in Winsen a. d. L. (Landkreis Harburg, Reg.⸗Bez. Lüne burg), Neukirchen (Amtshauptm. Meißen, Kreishauptm. Dresden), Bobbin (Mediz.⸗Bez. Gnoien, Mecklenburg⸗Schwerin), Walken⸗ ried und Wiedigshof (Kreis Blankenburg, Braunschweig), ferner 2 in Hamburg. 1
Oesterreich. Vom 30. April bis 6. Mai in Triest und Stadt Laibach je 2 Erkrankungen, in Galizien 1; die Pockenfälle in Triest betrafen 2 Somalikinder auf einem Lloyddampfer.
Serbien. Zufolge Mitteilung vom 5. Mai sind unter den in “ Kreise umherziehenden Zigeunern die Pocken aus⸗ ebrochen. Hongkong. Vom 26. März bis 1. April 12 Erkrank (davon 7 in der Stadt Viktoria) mit 10 Todesfällen.
igen
Fleckfieber. Oesterreich. Vom 30. April bis 6. Mai in Galizien 86, in der Bukowina 2 Erkrankungen.
Genickstarre.
Preußen. In der Weche vom 30. April bis 6. Mai sind 5 Erkrankungen (und 3 Todesfälle) angezeigt worden in folgenden Regierungsbezirkes lund Kreisen: Arnsberg 2 (2) (Gelsen⸗ kirchen Stadt], Schleswig 1 (Eckernförde]!, Stettin 1 (1) [Randow], Trier 1 (Saarbrücken Stadt]. 1
Oesterreich. Vom 23. bis 29. April in Böhmen, Mähren und der Bukowina je 1 Erkrankung. Schweiz. Vom 30. April bis 6. Mai 2 Erkrankungen im Kanton Bern, davon 1 in der Stadt Bern.
Spinale Kinderlähmung. Preußen. In der Woche vom 30. April bis 6. Mai sind 2 Erkrankungen (und 1 Todesfall) gemeldet worden in folgenden Regierungsbezirken und Kreisen): Landespolizeibezirk Berlin 1 [Schöneberg], Reg.⸗Bez. Arnsberg 1 (1) [Brilon]. Oesterreich. Vom 23. bis 29. April in Steiermark 1 Er⸗
krankung.
Verschiedene Krankheiten. „ Pocken: Moskau 5, St. Petersburg 4, Warschau 2, Kalkutta 8 März bis 8. April) 8 Todesfälle: Odessa 1, Paris 2, St. Peters⸗ urg 17, Warschau (Krankenhäuser) 3 Erkrrankungen: Vari⸗ zellen: Nürnberg 21, Budapest 47, New York 157, Wien 90 Erkrankungen: Fleckfieber: Moskau 17, Odessa 1 Todesfälle; Odessa 20, Warschau (Krankenhäuser) 8 Erkrankungen; Rückfallfieber: Moskau 2, Odessa 1. Todesfälle; Odessa 4, St. Petersburg 2 Erkrankungen:; Genickstarre: Konstantinopel (24. bis 30. April), New York, Wien je 2 Todesfälle: New York 8 Er⸗ krankungen: Milzbrand: Reg.⸗Bezirke Allenstein, Gumbinnen, Magdeburg, Potsdam, Schleswig, Herzogtum Braunschweig, Wien je 1 Erkrankung: epidemische Ohrspeicheldrüsenentzün⸗ dung: Wien 57 Erkrankungen; Inflnenza: Berlin, Braunschweig je 1, Budapest 2, London 16, Moskau 9, New York 12, Paris 5, St. Petersburg 7, Prag 1, Rom 5, Stockholm 1 Todesfälle; Kopen⸗ hagen 107, Odessa 37 Erkrankungen: Körnerkrankheit⸗. Reg.⸗ Bezirke Allenstein 99, Gumbinnen 53, Münster 63 Erkrankungen; Nahrungsmittelvergiftung: Beg.⸗Bez. Düsseldorf (Stadt Crefeld) 41 Erkrankungen. — Mehr als ein Zehntel aller Gestorbenen starb an Scharlach (Durchschnitt aller deutschen Berichtsorte 1895/1904: 1,04 %): in Potsdam — Erkrankungen wurden gemeldet im Landespolizeibezirk Berlin 170 (Stadt Berlin 124), in Breslau 32, in den Reg.⸗Bezirken Arnsberg 103, Düsseldorf 138, in Hamburg 44, Budapest 109, Kopenhagen 51, London (Krankenhäuser) 142, New York 596, Paris 74, St. Petersburg 55, Wien 103: desgleichen an Masern und Röteln (1895/1904: 1,10 %): in Dessau — Erkrankungen kamen zur Anzeige im Reg.⸗Bez. Frankfurt 55 (in Kirchhain, Kreis Luckau), in Nürnberg 46, Budapest 142, Christiania 36, Kopenhagen 107, London (Krankenhäuser) 112, New York 1045, Paris 481, St. Peters⸗ burg 82, Prag 52, Wien 286; desgl. an Diphtherie und Krupp (1895/1904: 1,62 %): in Braunschweig — Erkrankungen wurden angezeigt im Landespolizeibezirke Berlin 164 (Stadt Berlin 119), in Breslau 29, in den Reg.⸗Bezirken Düsseldorf, Magde⸗ burg je 107, Schleswig 110, in Hamburg 93, Budapest 29 Kopenhagen 24, London (Krankenhäuser) 81, New York 338, Paris 67, St. Petersburg 59, Wien 70; desgl. an Keuchhusten: in Kaiserslautern — Erkrankungen wurden gemeldet in Kopen⸗ hagen 65, London (Krankenhäuser) 27, New York 65, Wien 30; ferner gelangten Erkrankungen zur Anzeige an T vphus in New York 26, Paris 32, St. Petersburg 36.
1“ 8 E1I1X“ Der Internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel hat für die Herkünfte von Bahrein eine 24stündige Beobachtung nebst Desinfektion und die Anwendung des Reglements über die Vernichtung der Ratten und Mäuse auf Schiffen verfügt. Die Maßnahmen haben in einem Lazarett der Türkei zu erfolgen.
Amsterdam, 18. Mai. (W. T. B.) In der verflossenen Woche waren auf Java 189 Pestfälle zu verzeichnen, darunter vier von Lungenpest. 129 Personen sind der Krankheit erlegen.
Handel und Gewerbe.
Konkurse im Auslande.
Bulgarien.
Ueber das Vermögen des Konfektionshauses Persiado Farchy in Sofia ist durch Beschluß des Sofiaer Kreisgerichts vom 8. d. M. der gerichtliche Konkurs eröffnet worden. Anmeldefrist: 25. Mai 7. Juni d. J. Prüfungstermin: 10./23. Juni d. J. Gegen den flüchtig gewordenen Inhaber Farchy ist ein Steckbrief erlassen worden.
Ueber das Vermögen der Handlung mit landwirtschaftlichen Maschinen und Sämereien Bojan S. Datzoff in Sofia ist durch Beschluß des Sofiaer Kreisgerichts vom 12. d. M. der gerichtliche Konkurs eröffnet worden. Anmeldefrist: 31. Mai/13. Juni d. J Prüfungstermin: 14./27. Juni d. J. “ 1144“
Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts 8 am 18. Mai 1911: Ruhrrevier Oberschlesisches Revier
8 .naes der BSai;
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—
1 Nicht gestellt 11
Auf de rechtsrheinischen Netz der Königlich baverischen Staatseisenbahnen wurden im Monat April d. J. 18 010 000 ℳ gegen 17 100 941 ℳ im selben Monat des Vorjahrs vereinnahmt; von dieser Summe entfielen auf die Beförderung von Personen 6 077 938 (+ 1 299 176), von Gepäck 330 617 (+ 32 234), von Tieren 250 949 (— 67 920) und von Gütern 11 350 496 — 354 431). Die Gesamteinnahmen vom Jannar bis einschließlich April betrugen 65 640 000 gegen 62 578 774 (+ 3 061 226) im selben Zeitraum des Vorjahrs. 1 8
Kohlscheid (Rheinland), 15. Mai. (W. T. B.) Der Esch⸗ weiler Bergwerksverein erzielte im dritten Quartal des Geschäfts⸗ jahrs 1910/11 abzüglich der Verwaltungskosten, Zinsen ꝛc. einen Betriebsgewinn von 1 502 307 ℳ gegen 1 348 759 ℳ im Vorjahr. Das Gesamtergebnis vom 1. Juli 1910 bis 1. April 1911, ohne den Vortrag von 520 189 ℳ, beläuft sich auf 4 636 059 ℳ gegen 4 355 913 ℳ im Vorjahr. Die Zahlen verstehen sich einschließ lich der Betriebsergebnisse der Hüttenabteilung. Die Vergleichszahlen enthalten ebenfalls die entsprechenden Vorjahrsziffern der Eschweile Cöln⸗Eisenwerke.