anstalten von der Heilbehandlung in Bädern, Luftkurorten, Ge⸗ nesungsheimen, Heilanstalten für Lungenkranke usw. in immer er⸗ höhtem Maße Gebrauch gemacht. Einzelne Versicherungsanstalten haben bis zu 24,5 % der Beiträge für Heilverfahren ausgegeben. Es würden aber auch diejenigen geschädigt werden, die heute an Berufskrankheiten erkranken. Wir bitten dringend um Annahme unseres Antrags.
Abg. Dr. Hetther (fortschr. Volksp.): Der Regierungs⸗ entwurf enthielt eine einzige Einschränkung des finanziellen Selbstverwaltungsrechts der Versicherungsanstalten; das war in
diesem Paragraphen: gegen Gese und Satzung verstoßende Beschlüsse unterlagen der Beanstandung. Diese Vorschrift hielt das Reichsamt des Innern für ausreichend. Die Kom⸗ mission aber war bureaukratischer als die Bureaukratie. Ein Haushaltsplan, durch den die Erfüllung 8 Ver⸗ pflichtungen gefährdet wird, verstößt an sich schon gegen Gesetz und Satzung. Es besteht die Wahrscheinlichkeit, daß § 1341 so ausgelegt waaßr Es muß unbedingt zunächst das Geld sichergestellt werden für die Bezahlung der Rente, die nach dem gegenwärtigen Zustande für die Zukunft erwartet werden kann, und dahinter zurückstehen muß die Aufwendung von Geldern zu dem Zwecke, diese Renten in Zu⸗ kunft herabzumindern, denn dies letztere ist ja durch Gesetz nicht vor⸗ geschrieben. Leider ist es ja abgelehnt worden, die Heilbehandlung in wichtigen Fällen obligatorisch zu machen. Dieses ganze v ist volkswirtschaftlich verkehrt und verderblich, viel wichtiger ist die Ver⸗ minderung der Invalidität.
Die namentliche Abstimmung wird bis Montag ausgesetzt
und soll nicht vor 5 Uhr Nachmittags stattfinden.
Zu § 1342 begründet der
Abg. Brühne (Soz.) einen Antrag, wonach die Versicherungs⸗ anstalten insbesondere auch das Arbeiterwohnungswesen sollen fördern können. Das Wohnungselend der Arbeiterfamilien sei unbeschreiblich. In Berlin komme es vor, daß Mann, Frau und vier bis fünf zum Teil erwachsene Kinder in einem einzigen Zimmer oder einer Küche wohnten und unter ihnen Kranke oder Schwerkranke vorhanden seien. Man klage über die Verwahrlosung der Jugend, aber durch das dest angewandte Mittel der Fürsorgeerziehung würden die Zöglinge nicht ebessert, sondern eher verschlechtert. Jeder wahre Menschenfreund ollte deshalb für den Antrag stimmen.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die §§ 1345— 1365 handeln von den Sonderanstalten. Zu 8 1345 befürwortet der
Abg. Molkenbuhr (Soz.) einen Antrag Albrecht, der das Entstehen neuer Sonderanstalten unmöglich machen will. Je mehr Sonderanstalten, desto komplizierter sei das Berechnungsverfahren. Die verbündeten Regierungen möchten angeben, zu welchem Zwecke fie denn noch neue Sonderanstalten zulassen wollten. Sollte sich ein dringendes Bedürfnis in der Zukunft dafür ergeben, so könnte eine entsprechende Gesetzesvorlage gemacht w —
Der Antrag wird abgelehnt. § 1379 besagt: 8 8
„Die Versicherungsanstalten verwalten ihre Einnahmen un ihr Vermögen (Gemeinvermögen und Sondervermögen) selbständig. Sie decken daraus die Gemeinlast, die alle Träger der Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung gemeinsam aufzubringen haben, und die dem einzelnen verbleibende besondere Last.“
Nach § 1380 bilden die Gemeinlast: Die Grundbeträge der Invalidenrenten und die Zuschüsse für Kinderrenten, die Anteile der Versicherungsanstalten an den Altersrenten, Witwen⸗, Witwer⸗, Waisenrenten, Witwengeld und Waisenaussteuer, die Steigerung der Renten infolge von Militärdienst⸗ und Krank⸗
heitswochen und die Rentenaufrundungeu. Alle übrigen Ver⸗ pflichtungen bilden die Sonderlast. Abg. Molkenbuhr (Soz.) will die Steigerung der Renten in⸗ folge von Militärdienstwochen aus der Gemeinlast ausgeschieden wissen. Eine bestimmte Angabe über die Höhe der bezüglichen Summe im Beharrungszustand habe man nicht machen können. Bisher sei diese Last aus Reichsmitteln getragen worden; dabei müsse es bleiben. Der Antrag wird abgelehnt.
Ueber die „freiwillige Zusatzversicherung“ bestimmt § 1453:
„Alle Versicherungspflichtigen und alle Versicherungsberechtigten können zu jeder Zeit und in beliebiger Anzahl Zusatzmarken einer beliebigen Versicherungsanstalt in die Quittungskarte einkleben. Sie erwerben dadurch Anspruch auf Zufsatzrente für den Fall, daß sie invalide werden. Der Wert der Zusatzmarken beträgt 1 ℳ. Die durch Zusatzmarken erworbene Anwartschaft erlischt nicht.
Abg. Dr. Mugdan (fortschr. Volksp.): Es wird die freiwillige Zusatzversicherung immer als ein besonderes Glück für den Handwerker gepriesen. Damit ist es aber nicht weit her. In den Besitz dieser Rente gelangt der Handwerker nur, wenn er das große Glück hat, invalide im Sinne dieses Gesetzes zu werden, in keinem anderen Falle. Um ihm wenigstens einen kleinen weiteren Vorteil zu gewähren, beantragen wir den Anspruch auf Zusaßrente auch auszudehnen auf den Fall,
daß er in den Besitz einer Altersrente gelant. Sonst ist der er⸗ worbene Anspruch bei weitem zu hoch bezahlt und wäre billiger zu haben gewesen, wenn der Handwerker eine Sparkasse in Anspruch enommen hätte, dann hätte er die Zinsen, und ihm verbleibt das apital, während hier sowohl Kapital als auch Zinsen ihm verloren gehen können, was doch eine grobe Ungerechtigkeit ist. Das beste wäre freilich, die Zusatzrente überhaupt zu streichen.
Abg. Molkenbuhr (Soz.) schließt sich diesen Ausführungen an. Wolle man dem hochgelohnten Arbeiter nützen, so müsse man ihn zwangsversichern in höhere Lohnklassen, wie sie von der Sozial⸗ demokratie beantragt, aber vom Hause abgelehnt worden seien.
Abg. Irl (Zentr.) vermißt eine Erklärung der Regierung, über die Tragweite dieses Antrages.
Der Antrag wird abgelehnlt. 8
Der Rest des vierten Buches „Invaliden⸗ und Hinter⸗ wird ohne Debatte nach den Kommissions⸗ vorschlägen erledigt.
Es folgt das fünfte Buch „Beziehungen der Versicherungs⸗ träger zu einander und zu anderen Verpflichteten“, §§ 1483 bis 1527, Referent ist der Abg. Dr. Dröscher (dkons.).
§ 1491 a ist von der Kommission eingeschaltet worden:
„Die Satzung der Krankenkasse kann bestimmen, daß bei einer
Krankheit, die Folge eines entschädigungspflichtigen Unfalles ist, für die Zeit, für die Unfallrente oder Heilanstaltpflege gewährt wird, Krankengeld nur insoweit zu gewähren ist, als es den Betrag der Unfallrente übersteigt. Dabei wird der Unterhalt in der Heilanstalt gleich der Vollrente gerechnet.“ 1
Abg. Schmidt⸗Berlin (Soz.) befürwortet die Streichung dieser Bestimmung, die nur auf Andrängen des Grafen Westarp aufgenommen sei, damit der Arbeiter nur ja nicht zu viel Krankenunterstützung oder Unfallrente erhalte. Die Sozialdemokraten müßten anerkennen, daß gerade das fünfte Buch relativ nach seiner ganzen Gestaltung das vorzüglichste sei; lediglich durch diese kleinliche Bestimmung sei es verunstaltet worden.
§ 1491 a bleibt unverändert.
8 1502 (Verhältnis von Unfallversicherung und Invaliden⸗ versicherung) wird nach kurzer Erörterung, an der sich der Abg. Mugdan und der Regierungskommissar, Geheime Ober⸗ regierungsrae Wuermeling beteiligen, unverändert genehmigt.
Nach Erledigung des fünften Buches wird nach 4 Uhr die Weiterberatung auf Montag, 12 Uhr, vertagt. Außerdem: Erste Lesung des Schwedischen w Ssskünitas und kleinere Vorlagen. “]
8
Preußischer Landtag. ““ Haus der Abgeordneten. 81. Sitzung vom 20. Mai 1911, Vormittags 10 Uhr. “ (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
UHeber den Beginn der Sitzung ist in der vorgestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Das Haus setzt zunächst die Besprechung der Denk⸗ schrift fuͤr 1910 über die Ausführung der An⸗ siedlungsgesetze für Westpreußen und Posen fort.
Abg. von Dewitz (freikons.): Unter den Mehrheitsparteien besteht kein Zweifel daran, daß der alte Kurs fortgeführt wird. Der Minister hat gestern den Ostmarkenverein nochmals auf die Tages⸗ ordnung gebracht. Bisher war die Stellungnahme des Ministers die: ich kann mich mit einer Vereinsleitung, die mich in dieser Weise öffent⸗ lich behandelt, mich der Unwahrheit bezichtigt hat, nicht einlassen. Gestern hat er das Moment hineingetragen, daß die Hälfte der Mit⸗ glieder des Ostmarkenvereins Beamte sind. Ich habe die Absicht gehabt, zwischen dem Minister und dem Ostmarkenverein eine Brücke zu bauen. Das ist mir durch die gestrige Erklärung des Ministers, daß der Ostmarkenverein zur Hälfte aus Beamten besteht;/ unmöglich gemacht worden. Ich bin vollkommen einverstanden mit dem Minister, wenn er sagt: wenn mir jemand falsches Spiel vorwirft, so werfe ich die Karten auf den Tisch. Ich gehe sogar noch weiter; ich würde sie dem Betreffenden an den Kopf werfen. Aber wir können diesen Standpunkt nicht auf die Politik übertragen. Es müssen Mittel und Wege ge⸗ funden werden, um diesen Konflikt auszugleichen. Das wichtigste Ergebnis der Debatte ist das, daß die Mehrheitsparteien aus⸗ drücklich erklärt haben, daß die Voraussetzungen der Anwendung des Gesetzes von 1908 verschiedentlich vorgelegen haben. Das Gesetz muß angewendet werden, wenn deutscher Besitz in polnische Hände über⸗ geht. 1908 haben uns beide Ressortminister in der Kommission erklärt, daß die Enteignung unmittelbar angewendet werden solle; allerdings hat dann Für Bülow wenige Tage später erklärt, daß die Enteignung na Möglichkeit nicht angewendet werden solle, aber er hat auch erklärt, daß das ““ unmittelbar folgen solle. Es wäre mögli gewesen, durch die Enteignung die Preise auf einer niedrigeren Höhe gewissermaßen u fixieren. Die Voraussetzungen für die Enteignung sind vorhanden; sie würde auf die Polen wirken. Die Unsicherheit, die in dieser Frage besteht, muß bald beseitigt werden. Einer meiner Freunde hat gesagt, das Enteignungsgesetz sei zu einer Vogelscheuche geworden, an der die Sperlinge picken. Das Parzellierungsverbot würde den polnischen Banken das Handwerk legen. Nur durch die Ausbeutung der kleinen Leute können sich die Parzellierungsbanken aufrecht er⸗ halten. Der Kauf in der Nähe der Ansiedlungsbezirke ist allerdings für uns nicht mehr möglich, aber an anderen Stellen, mitten im polnischen Besitz, ist noch Land im freien Verkauf zu haben. Mit dem Schlagwort der Enteignung kommen wir allerdings nicht weit, wir müssen durch andere Maßnahmen den polnischen Landerwerb paralysieren. Die Polen verkennen uns, wir wollen sie nicht verdrängen, aber im Besitz der Mehrheit, wollen wir auch in den Besitz der Macht kommen, die Polen dulden zu können. Mit Ansiedlern mit einem Besitz von 10 bis 12 ha. kann man nicht vorwärts kommen. Es fehlen auf dem Lande in der Provinz Posen 70 000 Wohnungen, wir müssen also Arbeiter ansiedeln. Jährlich kommen 150 000 Galizier und andere Ausländer, um bei uns zu arbeiten. Sollte es nicht möglich sein, statt dessen Arbeiter seßhaft zu machen? Ich habe wiederholt in der Budgetkommission empfohlen, eine Kolonisierung der Arbeiter im großen vorzunehmen. Dann kann man aber nicht die Siede⸗ lungen der Arbeiter sich selbst überlassen, sondern man muß sie der Siedelungsgenossenschaft unterstellen. Wenn die Siedelungs⸗ genossenschaft die Tätigkeit in einem gewissen Grade überwacht, wird die Arbeiteransiedlung von großem Nutzen sein können. Mit der Erledigung der Landfrage allein können wir auf die Dauer die Polenfrage nicht lösen. Wir müssen an die Arbeiteransiedlung in der von mir vorgeschlagenen Weise herangehen, damit Arbeiter da sind. Es gibt in den Städten viel Leute, die gern wieder hinaus wollen. An mich allein sind im letzten Jahre drei Familien herangetreten, die erklärten, sie wollten gern wieder fort. (Zuruf von den Sozialdemokraten.) Drei
amilien an mich allein, das ist genug. Es sind Hunderte von Fomnlen, die gern aus den Städten hinaus wollen.
Abg. Dr. Friedberg (nl.): Die Erwiderung, die der Land⸗ wirtschaftsminister meinem Freunde Glatzel hat zuteil werden lassen, zeigt, daß er eine gewisse Schärse des Tones aus diesen Ausführungen entnommen zu haben glaubt. Der Abg. Glatzel hat aber nicht schärfer gesprochen als Freiherr von Zedlitz. Und wenn der Minister sich doch nur gegen meinen Freund Glatzel wendete, so ist das nur darauf zurückzuführen, daß es eine Gewohn⸗ beit der Regierung ist, die rechte Seite des Hauses etwas anders zu bebandeln als die linke. Die Enttäuschung, die der Abg. Glatzel zum Ausdruck gebracht hat, hat er im Namen der ganzen Fraktion ausgesprochen. Man muß vielleicht einen Unter⸗ fteh machen zwischen dem materiellen Inhalt der Erklärungen des Ministers und der Wirkung, die sie im Lande ausgeübt haben. Die Form, in der sie abgegeben waren, war geeignet, einen Verdacht gegen die Regierung hervorzurufen, als ob ein veränderter Kurs ein⸗ treten sollte. Der Minister hat jetzt erklärt, daß die Bodenpolitik nicht das einzige Moment ist. Was folgt daraus? Daß an der Frage nicht nur der Landwirtschaftsminister mit seinem Ressort, sondern auch die anderen Minister beteiligt sind. Trotzdem sehen wir keinen der anderen Minister hier. Bei der großen Wichtigkeit dieser Frage wäre es nötig, daß auch der preußische Ministerpräsident hier erschienen wäre und erklärt hätte, daß an eine Aenderung des Kurses nicht zu denken ist. Es ist eine Aeußerung des Fürsten Bülow zitiert worden, daß er die Enteignung nicht habe anwenden wollen. Nun sind ja die “ über die Tätigkeit des Fürsten Bülow, namentlich in seinen letzten Jahren, sehr geteilt. Bei der letzten Reichstagsauflösung hatte er das Zentrum zum un⸗ versöhnlichen Gegner, zuletzt sagten sich auch die Herren auf der rechten Seite des Hauses von ihm los. Herr von Kröcher, der überhaupt keine geistreichen Minister haben will, hat in seiner großen Rede in Cöln sich besonders auch über den Fürsten Bülow geäußert. Ich begreife den Standpunkt des . von Kröcher vollkommen. Aber wie man auch über die politische Tätigkeit des Fürsten Bülow denken mag, das wird man zugeben müssen, daß er in der Polenfrage ein sehr energischer Vorkämpfer war. Fürst Bülow hat sich damals gesagt: vielleicht genügt schon das Vorhandensein des Enteignungs⸗ gesetzes, um die Möglichkeit des Landerwerbs zu sichern. Er hat sich getäuscht. Die von ihm erwartete Wirkung ist nicht eingetreten. Der Landwirtschaftsminister ist nicht in der Lage zu sagen, ob Fürst Bülow nicht das Falsche seines Standpunktes erkannt häͤtte. Der Ostmarkenverein ist ein Förderer für das Deutschtum in den Ostmarken gewesen. Der Artikel in dem Organ des Ostmarkenvereins muß aber als eine Ent⸗ gleisung erscheinen. Wenn der Landwirtschaftsminister sich dagegen wehrt, so kann man es ihm nicht verdenken. Eine Remedur in der Sache muß doch wohl möglich sein, aber leider ist durch die Bemerkung des Ministers das Gegenteil eingetreten, zumal da der Minister eine besondere Schärfe in seine Worte hineingelegt hat, die ich für bedenklich halte. Auch der Hinweis des Ministers darauf, daß der Verein zur Hälfte aus Beamten bestehe, ist bedenklich. Was sollen die Beamten daraus schließen? Sollen sie daraus entnehmen, daß sie besser täten, aus dem Verein auszutreten? Wir verlangen von den Beamten der Ostmark, daß sie deutsch⸗ nationale Politik treiben, wir geben ihnen Ostmarkenzulagen, damit sie sich dort wohlfühlen, und entziehen sie ihnen, wenn sie sich gegen diese Ziele wenden. Wir finden es sehr natürlich, daß diese Beamten in sehr großer Zahl dem Ostmarkenverein, dem Träger des Deutsch⸗ tums, angehören. Und nun dieser kalte Wasserstrahl! Wenn die Beamten infolge der Bemerkung des Ministers austreten würden, so
würde ich geradezu fur eine Kalamität halten. Der be Streit wird g 2 der Gegn
8 11“
dienen. Der Minister stützt sich auf die „Leipziger Nachrichten“ für die Behauptung, es gehöre 89 Prnevese des Ostmarkenvereins, daß die letzte Scholle polnischen anda in deutsche Hände komme. Wenn das so wäre, so wäre das eine 8 sinnige ee Ich glaube, daß die große Mehrheit düch. Hauses durch den Minister zum ersten Male von diesem Artikel 88 Blattes Kenntnis erhalten hat. Der Minister machte die Bemertues daß mein Freund Glatzel mit dem Brustton der Ueberzeugung 2 der schwankenden Haltung der Regierung gesprochen 2 habe im Parlament die Erfahrung gemacht, daß man, wenn man einem Gegner Brustton der Ueberzeugung vorwirft, die Absicht hat ihn von dem hohen Piedestal herunterzustürzen. Wenn der Abg. Slqhel etwas warme Töne gefunden hat, so sind wir ihm daftr dankbar, zumal nachdem wir diese warmen Töne bei dem Minister vermißt haben. In der Enteignungsfrage hat der Minister seine erste Erklärung eingestanden. Die erste Erklärung hat Herr von Zedlitz als Vergewaltigung des § 13 bezeichnet So weit gehe ich gar nicht, ich stehe immer auf milderem Stand. punkt, aber es ist nicht richtig, wenn der Minister immer die Schwierigkeiten besonders stark unterstreicht. Die Waffe der Enteignung ist allerdings etwas stumpf geworden durch die Gestaltung des Gesetzes. Wir sind daran unschuldig. Zwar ist damals der betreffende Antrag in der Kommission von meinen Freunden unterstützt worden, aber wir haben ausdrücklich nur zu⸗ gestimmt, um nicht die ganze Vorlage scheitern zu lassen. Sympathisch war uns die Bestimmung nicht, aber wir waren dafür, wenn wir de Regierung diese Waffe geben, daß sie auch üeese. wird. W. wollen auch der Regierung weitere Mittel bewilligen, wenn es neo wendig ist. Die Erklärungen des Ministers machen den Eindrut als befände sich die Regierung in der Rolle eines Mannes, der ein übernommene Aufgabe pflichtgemäß nach dem Wortlaut des Gesetze durchführt, aber doch nur mit einem gewissen Widerstreben. Das war uns eine Enttäuschung, und dieser mußte der Abg. Glatzel Ausdruck geben. Wir hätten erwartet, daß die Regierung unter voller Würdigung der Schwierigkeiten doch ein freudiges Bekenntnis zu der Polenpolitik abgeben würde. Gerade wenn die vorhandenen Mittel versagen, hätte die Regierung uns andere Mittel zeigen müssen, anstatt die Sache so darzustellen, als ob eigentlich im e nichts weiter zu machen sei. Ein Mittel ist z. B. die Arbeiteransiedlung, aber wenn man überall Schwierigkeiten sieht, so macht das nicht einen erhebenden Eindruck. Wenn die Regierung uns gezeigt hätte, was sie in Zukunft leisten wolle, so wäre es uns leicht gewesen, uns mit einer temporären Einschränkung der Ansiedlung abzufinden, die jetzt mehr den Eindruck einer Kapitulation macht. Das halte ich für einen schweren Fehler. Wie die Resonanz der Rede des Ministers bei den national gesinnten Kreisen im Lande sein wird, darüber kann kein Zweifel sein. Wir wissen, daß eine wirksame Polenpolitik nur durchgeführt werden kann bei Einmütigkeit der Parteien des Hauses mit der Regierung. Wenn diese Aussprache dazu führt, Klarheit zu schaffen und Einigkeit unter diesen herbeizuführen, so wird damit dem Ziele gedient, daß das
eutschtum in der Ostmark erhalten wird, einem Ziele, dem jeder Deutsche nachstreben muß.
Minister für Landwirtschaft ꝛc. Dr. Schorlemer:9†
Ich kann dem Herrn Abg. Dr. Friedberg darin beistimmen, daß, wie jede große politische Frage, so auch die Polenfrage nur dann in nationalen und deutschen Sinne gelöst werden kann, wenn alle wirklich national und deutsch gesinnten Elemente in der Behandlung und Erledigung dieser Frage in den leitenden Gesichtspunkten überein⸗ stimmen. Anderen Ausführungen dagegen, die der Herr Vorredner gemacht hat, möchte ich entschieden entgegentreten.
Wenn auch er wieder auf einen Wandel in der Ansiedlungs⸗ und Polenpolitik der Regierung hingewiesen und dafür das Nicht⸗ erscheinen der übrigen beteiligten Herren Staatsminister, insbesondere
Freiherr von
des Herrn Ministerpräsidenten angeführt hat, so kann ich ihn i
dieser Beziehung beruhigen. Der Herr Ministerpräsident und übrigen Herren Staatsminister sind lediglich deshalb nicht erschiem, weil sie der Ansicht waren, daß es beim Festhalten an dem altn
Kurs auch völlig genügen würde, wenn der zunächst beteiligte Resson⸗
minister die Denkschrift der Ansiedlungskommission hier im Hause vertrete; sie würden zweifellos erschienen sein, wenn sie die Net⸗ wendigkeit gefühlt hätten, für eine Aenderung in der Ansiedlungs⸗ politik vor diesem hohen Hause Rechenschaft zu geben.
Nun ist mir sowohl von Herrn Abg. Dr. Friedberg wie auch ven Herrn Abg. von Dewitz zum Vorwurf gemacht worden, daß ich gestern nochmals wieder auf den Ostmarkenverein zurückgekommen bin und dabei auch die Bemerkung gemacht habe, daß der Ostmarken⸗ verein nahezu zur Hälfte Beamte zu seinen Mitgliedern zaͤhle. Meine Herren, nicht ich bin zunächst auf den Ostmarken⸗ verein zurückgekommen, sondern Herr Abg. Glatzel, und dieser hat, wie ich nochmals bedauernd hervorheben muß, nicht, wie Herr Abg. Dr. Friedberg mir darin recht gegeben, daß ich dieser Artikel in der „Ostmark“, den der Vorstand des Ostmarkenvereins nachher ausdrücklich als den seinigen anerkannt hat, sehr unangenehn empfinden mußte, sondern mir vorgeworfen, daß ich mich mit einer gewissen Nervosität, also ohne genügenden Grund, dagegen ver habe. Meine Herren, ich bin der letzte, der die Freiheit und Be· weglichkeit der Beamten, auch in politischer Beziehung, unnötig an⸗ tastet; aber ich gehe anderseits von der Ueberzeugung aus, daß, Gott sei Dank, in unseren preußischen Beamten doch noch derjenige Eeist die Oberhand hat, der es unangenehm empfindet, wenn die den ⸗ amten vorgesetzte Regierung in unbegründeter und — ich sage d ausdrücklich — verleumderischer Weise angegriffen wird (sehr ge rechts). Ich bin der Ansicht, daß diesem Gefühle der Verein nich im Interesse der Staatsregierung, sondern in seinem eigenen Intertsse hätte Rechnung tragen müssen; er kann nicht darauf bv daß die Beamten so wie bisher und mit gleichem Eifer ihm * 4 wenn sie die Erfahrung machen müssen, daß der Vorstand die Vereins in der Weise, wie es geschehen ist, das Ansehen der Regieruns diskreditiert. (Zustimmung rechts und im Zentrum.) E
Meine Herren, in ähnlicher Weise hat man mir das dwennrken, des Fürsten Bülow in die Debatte zum Vorwurf gemacht. ch 8 nicht derjenige gewesen, der den Fürsten Bülow an erster ves nannt hat, sondern es waren die verschiedenen, der Richtung des 4 markenvereins angehörenden Blätter, die immer wieder darauf 8 gewiesen haben, welche Stellung Fürst Bülow in dieser Frage 2 2 genommen habe, und wie gerade die gegenwärtige Staatsregierung 88 diesem Standpunkt des Fürsten Bülow abweiche. Ich glaube, ferua Herren, es war vollauf gerechtsertigt, daß ich auch hier in diesem bose⸗ Hause einmal darauf aufmerksam machte, daß die Antwort des Füͤ Bülow, den ich sehr verehre und dessen hervorragendes Wirken e durchaus anerkenne, die von ihm verlangte Aufklärung nicht geg S. hat. Ich war vollständig berechtigt, darauf hinzuweisen, daß F. klätung des Fürsten Bülow im Herrenhause doch dahin zu ver) ni war, daß er seinerseits die Hoffnung hatte, das Enteignungsgesetz den, zur Anwendung zu bringen, und daß man, nachdem er nahezu a
halb Jahre auch dieser Hoffnung praktischen Ausdruck gegeben hat
1ah noch nicht getan ist. vw Herrn Abg. von Dewitz toete ich auch bei: wir können nicht allein
4 gegenwärtigen Staatsregierung jedenfalls ein Abweichen von dem bewährten Kurs des Fürsten Bülow nicht zum Vorwurf machen kann. Nun haben auch die Aeußerungen noch einen Gegenstand des Instoßes gebildet, die ich bezüglich der „Leipziger Neuesten Nach⸗ iichten⸗ gemacht habe. Die „Leipziger Neuesten Nachrichten“ haben, vbschon sie nicht in Preußen, sondern in Leipzig erscheinen, seit onaten sich an dem gewissen Kampf gegen die Staatsregierung und bi den letzten Tagen an dem Kampf gegen meine Person lebhaft be⸗ kiligt. Sie haben sich expressis verbis immer als Organ des Ostmarkenvereins zu erkennen gegeben, und sie haben in diesem Artikel Ziel, das ich gerügt habe, nämlich den Erwerb der letzten polni⸗ chen Scholle seitens der deutschen Hand ausdrücklich als Programm des Ostmarkenvereins — und bis jetzt unwidersprochen — hingestellt. gegenüber diesen Uebertreibungen bin ich, wie ich auch gestern und vrgestern schon bemerkt habe, doch wirklich genötigt, einmal wieder uf die realen Verhältnisse, auf die Tatsachen hinzuweisen, und ich glaube, ich habe auch gegenüber den „Leipziger Neuesten Nachrichten“
icchtt zu viel gesagt. (Sehr richtig! rechts.)
Meine Herren, wenn dann im allgemeinen auch von dem Sprecher der konservativen Partei so etwas der warme Ton vermißt und dessen Mangel auch heute wieder bei mir ganz besonders gerügt worden ist, so kann ich nur wiederholt darauf hinweisen, daß ich beim Eingang der Rede, die ich am ersten Tage der Beratung gehalten habe, doch mit sehr deutlichen und nicht mißverständlichen Worten auf die bestimmte Stellung der Königlichen Staatsregierung in der Polenfrage und auf wene Anschauung in dieser Richtung hingewiesen habe. Ich glaube, de var ein so offenes und klares Bekenntnis, daß es auch durch die Vime des Tons nicht besser hätte hervorgehoben werden können.
gan ich im übrigen vielleicht etwas sachlicher gesprochen habe, als gsonst meine Art ist — ja, meine Herren, nehmen Sie es mir nicht lel: nachdem ich in den letzten Tagen die verschiedensten Zuschriften ahalten und alle diese Aeußerungen in der Presse gelesen hatte, bin sch doch zu der Erkenntnis gekommen, daß in weiten Kreisen die Temperatur auf wenigstens 42 heraufgegangen war, und daß es sich unter diesen Umständen empfahl, in einer ruhigen sachlichen Er⸗ örterung sie wieder auf 37,5 herabzusetzen. (Sehr richtig! rechts und im Zentrum.)
Meine Herren, ich glaube, daß ich es mir im Augenblick versagen darf, auf die Ausführungen des Herrn Abg. von Dewitz über die An⸗ siedlung von Arbeitern noch näher einzugehen. Ich darf mich vielleicht noch bei anderer Gelegenheit eingehender mit ihm darüber unterhalten. Ich habe ja auch schon in der Budgetkommission bei der Beratung der Denkschrift auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die der Lösung dieser Frage entgegenstehen, und möchte heute nur wiederholen: wenn wir in der Lage wären, 500 000 deutsche Arbeiter zu beschaffen, würden wir nicht schon seit Jahren in die Notwendigkeit versetzt sein, jährlich eine gleiche Anzahl von Arbeitern aus anderen Ländern zu beziehen. (Sehr richtig! rechts.) Wir kranken ja eben daran, daß wir keine 500 000 Deutsche für diesen Zweck zur Verfügung haben, und ich glaube nicht, daß es möglich sein wird, diese 500 000 Menschen, deren Zuzug in die Provinz Posen vielleicht aus anderen Gründen sehr erwünscht sein würde, überhaupt anderswoher zu bekommen, denfalls keine Ansiedler, die in Wirklichkeit der deutschen Sache nützen könnten. Ich glaube, wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dcß wie jede andere Ansiedlung auch die Arbeiteransiedlung eine ge⸗ vise Zeit erfordert, und daß es da mit einem Massenimport allein (Sehr richtig! rechts.) Aber der Ansicht
Hern ansiedeln, wir müssen auch immer die Ansiedlung von Arbeitern luge behalten. Das ist auch von der Ansiedlungskommission, sweit es bisher möglich war, geschehen; wir haben, wie ich schon in
„Budgetkommission erwähnen konnte, 16,5 % sämtlicher Ansiedlungen
uit Arbeitern besiedelt.
Darauf wird die Debatte geschlossen.
Abg. Glatzel (nl.) erklärt in persönlicher Bemerkung, daß er den Vorwurf der “ gegen den Minister sich nicht zu eigen gemacht habe, sondern nur bemerkt habe, daß der Minister die Sache etwas
n tragisch genommen habe. Dem Ostmarkenverein hätte sicherlich jede persönliche Verletzung des Ministers ferngelegen.
Abg. Wamhoff (nl.) bedauert, durch den Schluß der Debatte
berhindert zu sein, dem polnischen Redner zu widersprechen. Abg. Graf Praschma (Zentr.) bedauert gleichfalls, am Wort ver⸗ bindert zu sein; seine Ausführungen hätten sich aber in der entgegen⸗ gesetzten Richtung bewegt, wie die des Abg. Wamhoff.
Abg. Ernst (fortschr. Volkep.) bedauert ebenfalls, nicht mehr zum Wort gekommen zu sein.
Gemäß dem Kommissionsantrag wird die Denkschrift durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
„IEs folgt der Bericht der Budgetkommission über die Prüfung der Lage der staatlichen Bergwerke.
Die Kommission beantragt, die Regierung um Maß⸗ uhmen zu ersuchen, um
I. den Mängeln a) in den Verhältnissen der höheren Beamten, b) in den Verhältnissen der mittleren Beamten, c) in den Ver⸗ hältnissen der Arbeiter abzuhelfen, unter besonderer Prüfung, ob die Lohnpolitik im Saarrevier im Interesse des staatlichen Berg⸗
es wie der Arbeiter aufrecht erhalten werden kann,
II. eine Verbilligung des Staatsbetriebes bei den Selbstkosten, ramentlich den Materialkosten, sowie eine Hebung der Förder⸗ seistungen zu gewährleisten,
III. eine stetige, angemessene Preispolitik und Tarifpolitik in die Wege zu leiten, unter Beteiligung des staatlichen Bergbaues am Rheinisch⸗westfälischen Kohlensyndikat und unter Erstellung geeigneter Tarife für den Absatz der deutschen Kohlenindustrie; Iv. wird die Regierung um übersichtliche Aufstellung des Etats der Bergverwaltung und jährliche Nachweisungen der Be⸗ tiebsergebnisse der einzelnen Werke unter Hervorhebung der Selbstkosten für die Tonne, ferner um feste Bestimmungen über die Verteilung der Aufwendungen auf Ordinarium, Extraordinarium und Anleihe, sowie
V. um Feststellung des im staatlichen Bergbau angelegten bctels unter Anrechnung der Grubengebäude und des Felderbesitzes
ucht. p, Berichterstatter Abg. Hirsch⸗Essen (nl.) erwähnt in seinem Fat. daß das Haus im vorigen Jahre eine Unterkommission der getkommission eingesetzt habe, um die Ursachen des Rückganges in in Ergebnissen der Bergverwaltung zu prüfen. Die Ursachen der Vergleich mit den Ergebnissen des Privatbergbaues unzureichenden
üigebnisse des staatlichen Bergbaues seien nicht in den Lasten zu üien, die auch dem privaten Bergbau erwüͤchsen; denn auch dieser — edie ihm obliegenden volkswirtschaftlichen Aufgaben zu erfüllen nd die aus der sozialpolitischen und steuerlichen Gesetzgebung er⸗
vachsenden Lasten zu tragen. Auch die Unterschiedlichkeit in den Pro 8 tionsgebieten des staatlichen Bergbaues begründe nicht die un⸗ smeschenden Erträgnisse. Dagegen werde die Rentabilrtät des staat⸗ ichen Bergbaues zunächst durch die Lohnpolitik ungäͤnftig beiafage.
e
che die staatliche Bergverwaltung im Hinblick auf die historis
8.
Entwicklung der Arbeiterverhältnisse im Saargehiet und am Harz aus sozialpolitischen 1e heraus befolgt. Die staatliche Berg⸗ verwaltung dürfe keine Versorgungsanstalt sein. Ferner leide die Bergverwaltung unter Mängeln organisatorischer Art auf dem Ge⸗ biete der Beamten⸗ und Arbeiterverhältnisse. Und schließlich trage die Bergverwaltung durch ihre Preispolitik nicht den Produktions⸗ und Absatzverhältnissen des Bergbaues genügend Rechnung.
Abg. von Pappenheim (kons.): Der vorliegende Bericht ist das Ergebnis der Beratung der Budgetkommission, die es versucht hat, sich eine Uebersicht über die Bergwerksverwaltung zu verschaffen. Das Bestreben einer Reorganisation der Bergverwaltung hat sich schon seit Jahren geltend gemacht. Andere Betriebe sind schon auf diese Weise unter die Lupe genommen worden, und wir haben gesehen, daß wir in der Lage gewesen sind, einen guten Einfluß auf die Betriebs⸗ verwaltungen auszuüben. Es handelt sich hier nicht um Parteimaß⸗ nahmen, sondern um das Bestreben, in objektiver Arbeit eine Grund⸗ lage für unsere Beschlüsse zu schaffen. Ich erkenne gern an, daß der heutige Bericht nicht das Ergebnis einseitiger parteipolitischer Auf⸗ fassungen, sondern das Ergebnis rein sachlicher Beratung ist. Die Sachverständigen hier im Hause haben viel dafür getan, uns über die Materie zu belehren und uns das Verständnis zu vermitteln. Wir haben uns aber nicht darauf beschränkt, uns nur an die Sach⸗ verständigen dieses Hauses zu wenden, sondern wir haben mit hervor⸗ ragenden Männern der Privatindustrie, besonders der Bergwerks⸗ industrie, verhandelt. Ich nehme Anlaß, den Herren für ihre Hilfe zu danken. Ich muß auch weiter ausdrücklich feststellen, daß Meinungs⸗ verschiedenheiten in dem Beschluß der ige nicht hervorgetreten sind. Wenn die Budgetkommission schon seit Jahren bestrebt ist, eine Reform einzuleiten, so ist das eine Folge unserer ganzen finanz⸗ politischen Lage. Das Ergebnis der preußischen Finanzen hängt von den Ergebnissen unserer Betriebsverwaltungen ab. Die Ueberschüsse der Betriebsverwaltungen decken den bei weitem größten Teil der Einnahmen der Staatsverwaltung. Es ergibt sich daraus die Notwendigkeit einer pfleglichen Behandlung unserer Betriebseinnahmen. In der Forst⸗ verwaltung, bei der Seehandlung, im Lotteriewesen, bei der Zentral⸗ Fnosgerschäfts asf haben wir gesunde Verhältnisse geschaffen.
uch die Eisenbahnverwaltung ist endlich in ihrem Etat klar und durchsichtig geworden. Als wir an dieselbe Arbeit auch bei der Berg⸗ verwaltung 84 en, waren wir uns bewußt, daß sie sich viel sEieriger talten würde. Bei näherer Prüfung haben wir uns in der Kommission überzeugt, daß weder die sozialpolitischen Ausgaben, noch die Steuern der Grund für die schlechten Ergebnisse der Berg⸗ verwaltung sind. Denn dieselben Aufgaben hat auch die hr hes⸗ industrie zu leisten. Es finden allerdings Mehrbelastungen statt in sozialer Beziehung, aber noch nicht in so ö Maße, wie man vorher annehmen mußte. Um den wahren Grund für die kolossalen Schwankungen in den Ergebnissen der Berg⸗ werksverwaltung zu finden, war es nötig, sich mit der Privat⸗ industrie in Verbindung zu setzen. Da fiel zunächst ein fort⸗ währender Wandel in den Stellen der höheren Beamten auf. Ich weiß sehr wohl, daß den Bergwerksbeamten das Bestreben innewohnt, nicht immer an einer Stelle fest zu sitzen, sondern daß sie höher kommen möchten. Aber da muß man mit anderen Mitteln helfen, um diesen Krebsschaden unserer Bergwerksverwaltung zu beseitigen. Zu festen Vorschlägen sind wir in der Kommission nicht gekommen; wir haben nur die Fehler festgestellt. Es wird Aufgabe der Staats⸗ regierung sein, die entsprechenden Vorschläge zu machen. Das hohe Haus ist an den Mißständen und Fehlern aber auch mitbeteiligt. Wir müssen den Mut haben, das anzuerkennen. Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich es für einen Fehler halte, daß wir so viel Beamtenstellen geschaffen haben, daß wir so viel mittlere Beamte, die nur im Vertragsverhältnis zum Staate standen, in den Staatsdienst übergeführt haben. Ich glaube aber auch, wir uns denselben Vorwurf in der Arbeiterfrage zu machen haben. Wir haben die Regierung zu Maßnahmen gedrängt, die sis nicht als günstig für die Entwicklung der Bergwerksverwaltung erwiesen haben. Wir haben zu sehr zu einer Gleichmacherei der Löhne gedrängt, sodaß sie nicht mehr im Verhältnis zu den Leistungen standen. Anders sind die Unterschiede der Arbeitsleistungen in der staatlichen Industrie und der Privatindustrie nicht zu erklären. Wir dürfen uns nicht von theoretischen Gründen oder gar humanitären Sonderbestrebungen leiten lassen. (Lebhafter Widerspruch bei den Sozialdemokraten.) Daß Sie (zu den Sozialdemokraten) von der Unruhe leben, das glaube ich, und ich gehe deshalb nicht auf Ihre Zwischenrufe ein, weil Sie von einem ganz andern Standpunkt ausgehen. Ich will das Wohl des Staats, Sie wollen die Unruhe im Staate, Sie wollen die Unruhe in der Arbeiterschaft. (Abg. Hoffmann: Sie leben vom Wohl des Staats!) Gewiß, wir wollen das Wohl des Staats, das Sie mit Ihren Bestrebungen untergraben. Wir sind weiter der Memnaf — das auszusprechen, bin ich von meinen Freunden beauftragt —, daß sich der Staat an den Be⸗ strebungen zur Neubildung des Kohlensyndikats beteiligen soll. Es können für keinen Stand die Schwankungen in der Konjunktur efährlicher sein als gerade für den Arbeiter. Der Unternehmer kann fein Werk still legen, aber der Arbeiter, der von der Hand in den Mund lebt, wird dadurch zu Grunde gerichtet. Ebenso leidet der Arbeiter darunter, wenn seine Lebenshaltung u gute Konjunktur vorübergehend gehoben und er nachher wieder in hlechte Verhältnisse zurückgestoßen wird. Auch wir im fandeee Beruf haben einsehen gelernt, daß es nicht auf einmalige hohe Konjunkturen ankommt, sondern daß die Vermeidung von Schwankungen das Beste für die Landwirtschaft ist. Deshalb sind wir auch zu der Feber e gekommen, daß die Industrie Schutzzölle ein unbedingtes Erfordernis (Zuruf von den Sozialdemokraten: Kohlenausfuhrzoll!) Auf den Kohlenzoll gehe ich nicht ein. (Abg. Leinert: Ausfuhrzoll!) Herr Abg. Leinert, wenn Sie nichts davon verstehen, dann können Sie still sein. Ebenso wie wir im Reichstage be⸗ strebt sind, alles zu tun, was auf dem Gebiete der Schutzpolitik nötig ist, so werden wir hier für alle notwendigen Maßnahmen auf dem Gebiete der Tarifpolitik und der Preispolitik eintreten. Dieser Zweck liegt auch der heutigen Arbeit zu Grunde. G
Minister für Handel und Gewerbe Sydow:
Meine Herren! Ich trete dem Herrn Vorredner durchaus darin bei, daß die von Ihnen vorgenommene Erörterung der wirtschaftlichen oder, wenn Sie wollen, wirtschaftlicheren Ausgestaltung des preußischen Staatsbergbaues von hoher Wichtigkeit ist, nicht nur für diesen Staatsbergbau selbst, sondern darüber hinaus auch für den von Privaten betriebenen Bergbau, vor allem aber auch für die Gestaltung des gesamten preußischen Etats, und ich erkenne gern die Gründlichkeit an, mit der die Budgetkommission, der Wichtigkeit dieser Aufgabe entsprechend, in die Erörterung der einzelnen Fragen eingetreten ist. Ich fühle das Bedürfnis, für diese Gründlichkeit und Objektivität allen daran beteiligten Herren hier auch von seiten der Regierung den wärmsten Dank auszusprechen.
Wir sind über eine Reihe Punkte zum Einverständnis gekommen. Wo aber auch noch Meinungsverschiedenheiten bestehen, da hat die Erörterung jedenfalls den Nutzen gehabt, die Gründe dieser Meinungs⸗ verschiedenheiten klarzustellen, und die Erkenntnis dieser Gründe ist der erste Schritt zu einer Verständigung.
Wenn ich nun hier auf die einzelnen Punkte der vorgeschlagenen Resolution eingehe, so werde ich mich, um die Erörterung nicht zu sehr zu zersplittern, an die Sätze der Resolution selbst halten und die Verhandlungen der Budgetkommission, die sich noch auf eine Reihe von anderen Fragen, die in loserem Zusammenhange mit den Punkten der Resolution stehen, erstreckt haben, nur soweit berühren, wie es nachweislich ist, daß diese Gründe zu dem Beschluß der Resolution
geführt haben, daß sie mit ihr also in notwendigem Zusammendang
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stehen. Die Resolution hat zwei Teile. Der erste Teil behandelt die materiellen Fragen, der zweite Teil, Punkt IV und V, gewisse formale Fragen⸗ Lassen Sie mich die letzteren als die einfacheren, als diejenigen, die wahrscheinlich später hier weniger zu Eröͤrterungen Veranlassung geben werden, vorausnehmen.
Punkt IV wünscht eine übersichtlichere Aufstellung des Etats und regelmäßige Nachweisungen über die Betriebsverhältnisse, um dem Landtage jeweils einen Einblick in die Lage des staatlichen Bergbaues zu ermöglichen. Hiermit ist die Staats⸗ regierung vollkommen einverstanden. Ich glaube auch, daß das Schema für die künftige Etatsaufstellung, wie es hier in Drucksache Nr. 307 C auf Seite 91 ff. enthalten ist, allen Wünschen des hohen Hauses entsprechen wird.
Im zweiten Teil des 4. Punktes wird dann verlangt, daß feste Bestimmungen über die auf das Ordinarium, Extraordinarium und Anleihen zu übernehmenden Aufwendungen getroffen werden. Die Grundzüge sind in denselben Drucksachen auf Seite 87 enthalten und bedürfen vielleicht nur noch einer Ergänzung hinsichtlich der auf An⸗ leihen zu übernehmenden Aufwendungen.
Also zu Punkt 4 besteht Uebereinstimmung. Zu Punkt 5 auch im ersten Satz. Die Regierung ist bereit, eine Feststellung des im staatlichen Bergbau angelegten Kapitals vorzunehmen. Auch hier ist Ihnen in der erwähnten Drucksache auf Seite 47 das Schema zu zu einer Bilanz, wie wir sie Ihnen künftig vorzulegen bereit sind, gegeben.
Dem weiteren Satz gegenüber muß ich, wie der Herr Bericht⸗ erstatter auch schon erwähnt hat, einen Vorbehalt entgegensetzen. Es wird da verlangt, daß auch die Grubengebäude und die im Betriebe befindlichen aufgeschlossenen Felder, in deren Besitz der Staat ohne besondere Kapitalsaufwendungen gelangt ist, auf Grund schätzungs⸗ weiser Bewertung eingestellt werden. Ich habe mich in der Kommission dagegen ausgesprochen und halte diesen Widerspruch auch aufrecht. (Abg. Imbusch: Bravo!)
Was zunächst die Grubengebäude betrifft, so sind sie nur zum geringen Teil aus Anleihen bestritten. Soweit das der Fall ist, werden sie in den Bilanzen erscheinen; soweit sie dagegen aus den laufenden Einnahmen bestritten worden sind, würde ich ihre Ein⸗ stellung in die Bilanz für falsch halten; denn sie sind tatsächlich dadurch amortisiert in dem Jahre gleich, wo sie errichtet worden sind⸗
Was die Felder, die ohne besondere Kapitalsaufwendungen, also auf Grund des Regals oder durch Einverleibung neuer Landesteile oder vor allem durch Mutung erlangt sind, betrifft, so habe ich zu⸗ nächst das Bedenken, daß eine solche Schätzung immer eine recht un⸗ sichere sein wird. (Abg. Imbusch: Sehr richtig!) Allerdings hat die Kommission hier im Laufe der Beratung das Wort „aufgeschlossenen“ vor dem Worte „Felder“ eingefügt. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Ausdruck doppeldeutig ist. Im allgemeinen versteht man darunter die Felder, die von einer vorhandenen Schachtanlage aus nach bergmännisch rationellem Grundsatz abgebaut werden können. Sie sind nur zum Teil bekannt; nur das, was bereits durch Vorrich⸗ tungsarbeiten im engeren Sinne aufgeschlossen ist, ist wirklich bekannt. Das letztere aber kann man nicht allein einer solchen Schätzung zu⸗ grunde legen, denn das würde zu eng sein. Mein Hauptgrund aber, weshalb ich mich nach wie vor gegen ein solches Verlangen wehre, ist ein anderer. Diese ganze Einstellung des Schätzungswertes in die Bilanz soll doch erfolgen, um die Rentabilität des fiskalischen Berg⸗ baues nach kaufmännischen Gesichtspunkten beurteilen zu können. Dann bitte ich Sie aber, auch keine andere Grundlage zu geben, als sie der Kaufmann selber zu nehmen hat. Nun ist es Grundsatz unseres Aktienrechts — das kommt ja für die großen Bergbaugesell⸗ schaften hauptsächlich in Betracht, die meisten sind Aktiengesellschaften, nur wenige unterliegen anderen Rechtsnormen —, daß die Vermögens⸗ gegenstände, abgesehen von Wertpapieren und Waren, höchstens nach dem Anschaffungs⸗ oder dem Herstellungswert in die Bilanz eingesetzt werden dürfen. Statt dessen soll hier ein höherer Schätzungswert angegeben werden, der Preis, der bei einem Verkauf voraussichtlich erreicht werden würde. Dadurch würde in der Tat der fiskalische Bergbau in ein schiefes Licht gesetzt und einer ungünstigeren Beurteilung ausgesetzt werden als der private Bergbau, der die Form der Aktiengesellschaft gewählt hat. IIch muß mich aber dagegen wehren, daß die Rentabilität des Staatsbergbaus nach anderen und ungünstigeren Gesichtspunkten berechnet wird als die des Privatbergbaus.
Dies waren die formalen Fragen. Nun komme ich zu der materiellen Punkten. Die wichtigsten materiellen Punkte sind die beiden ersten, die eigentlichen Bergbaufragen. Die Beantwortung dieser beiden Fragen wird der Herr Oberberghauptmann nach mir übernehmen, da er seit zehn Jahren die Leitung des fiskalischen Berg⸗ baus in Händen hat und, wie Sie wohl alle anerkennen werden, über die bergbaulichen Verhältnisse nicht bloß des preußischen Staatsberghaus, sondern des preußischen Bergbaus überhaupt die am meisten unterrichtete Persönlichkeit in diesem Hause ist. (Abg. Spinzig: Sehr richtig!) Ich gehe gleich zur dritten Frage über, zur Frage der Preispolitik und der Tarifpolitik.
Was zunächst die Tarifpolitik betrifft, so- sind die Kohlen⸗ ausfuhrtarife, um deren Wiedereinführung es sichzia hierbei handelt seinerzeit, wie ich feststellen kann, auf Drängen aus diesem doben Haufe heraus abgeschafft worden. (Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: Sehr richtig!) Zuständig für diese Frage ist in erster Limie der Herr Minister der öffentlichen Arbeiten, und ich din gernsbereit, mich mit
erklären.
Was sodann die Preispolitik betrifft, so wird in dem ersten Absatz der Nr. III „eine stetige, den jeweiligen Verhältnissen an⸗ gepaßte Preispolitik“ verlangt. Vollkommen einderstanden, obmohl eine gewisse Schwierigkeit besteht, die beiden Worte „setig“ und „den jeweiligen Verhältnissen angepaßt“ in Ueberein- stimmung zu bringen. (Heiterkeit und Zustimmung.) Die Verhältnisse sind örtlich und zeitlich verschieden. Aber ich der⸗ stehe das so, daß derselbe Grundgedanke leitend sein soll., dee Ams. führung aber den örtlichen und jeweiligen Zeitverhältnissen amgerest sein muß. Ich glaube, diesen Anforderungen hat schon dar Haderge
Preispolitik entsprochen. Maßgedend kann im fiekalischen Bengden doch nur der Gesichtspunkt sein, für die Bergbauprodulde Adsatz m lohnenden Preisen zu gewinnen, aber zu Preisen, der mmde se dech
sind, um mit dem Wohle der Allgemeinheit, der Kensmmenden ih
Kolliston zu kommen. Danach ist bisher derfahren norden. Gerade
die Rücksicht auf die Verschiedenheit der Adsfag⸗ und Wetrtbemerbe⸗
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ihm dieserhalb ins Benehmen zu setzen; mehr kann ich deute nicht
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