1911 / 123 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 26 May 1911 18:00:01 GMT) scan diff

bedürftigen Studierenden des Baufaches jüdischen Glaubens verliehen werden.

Geeignete Bewerber werden aufgefordert, ibre Gesuche bis zum 15. Juli d. J. an das Kuratorium genannter Stiftung, zu Händen des unterzeichneten Professors Dr. Kalischer in Berlin W. 15, Konstanzer Straße 2, einzureichen und ihnen beizufügen:

1) einen kurzen Lebenslauf, 1

9 eine Urkunde, daß Bewerber jüdischen Glaubens ist,

3) ein amtliches Bedürftigkeitsattest mit spezieller Angabe der Vermögensverhältnisse des Bewerbers,

4) ein öö von der Technischen Hochschule,

5) ein Zeugnis über Fleiß und Fortschritte während des Studiums. Beerlin, den 25. Mai 1911.

Das Kuratorium der Julius⸗Adelheid⸗Stiftung. Professor Dr. Kalischer. Martin Meyer.

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 26. Mai.

8 In der am 24. Mai unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde dem Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Gewährung einer außer⸗ ordentlichen Entschädigung an die Mitglieder des Reichstags, die Zustimmung erteilt.

Der Bundesrat versammelte sich heute zu einer Plenar⸗ sitzung; vorher hielten der Ausschuß für Han el und Verkehr eine Sitzung. 8

8 8

Am Sonnabend, den 3. Juni d. J., Nachmittags, bleiben die Bureaus und Kassen der Reichshauptbank 6“ ʒ 88

Sachsen.

Seine Majestät der König hat gestern sein 46. Lebens⸗ jahr vollendet. Anläßlich des Geburtstages des Monarchen fand Mittags auf dem Alaunplatz in Dresden eine Königsparade statt. Nach der Gratulationscour im Residenzschloß traf, „W.T. B.“ zufolge, Seine Majestät der König um 1 Uhr auf dem Parade felde ein, wo er von den Truppen mit einem dreimaligen Hurra begrüßt wurde. Nach der Parade nahm der Köni militärische Meldungen entgegen und begab sich hierauf na

Villa Wachwitz, wo um 3 Uhr Familientafel stattfand, an außer den Mitgliedern des Königlichen Hauses Seine Hoheit

Herzog von Sachsen⸗Altenburg teilnahm.

1

Desterreich⸗Ungarn.

Durch ein Kaiserliches Handschreiben wird, wie „W. T. B.“ meldet, eine Kommission von 20 Mitgliedern zur Förderung der Verwaltungsreform eingesetzt. Die Kommission soll an der Reform der inneren sowie der Unterrichts⸗ und Finanzverwaltung beratend mitwirken.

. Im ungarischen Abgeordnetenhause widmete vorgestern, obiger Quelle zufolge, der Präsident des Hauses dem verstorbenen früheren Ministerpräsidenten Baron Banffy einen warmen Nachruf. Die Führer der geseg Graf Apponyi und Justh hoben die Verdienste und die großen Charaktereigenschaften des Toten hervor. Justh pries den Verstorbenen als Vorkämpfer des Liberalismus und der Demokratie. Die Sitzung wurde hierauf zum Zeichen der Trauer geschlossen. 1

Großbritannien und Irland. Im Oberhause wurde vorgestern die Beratung der Vetobill fortgesetzt. Im Laufe der Debatte empfahl, „W. T. B.“ zufolge, der Erz⸗ bischof von Canterburv in dringender Weise, einen Kompromiß zu schließen. Der Lordkanzler erklärte, die Regierung werde in dem gegenwärtigen Stadium der konstitutionellen Krisis die Vetobill nicht aufgeben. Er deutete jedoch an, daß es möglicherweise zu einem Abkommen über das Problem der Reform des Oberhauses kommen werde, aber ein solches Abkommen werde nur dann möglich sein, wenn die Notwendigkeit einer wirklichen Gleichheit zwischen beiden Parteien im Oberhause anerkannt werde. Wenn eine wirkliche Gleichheit gegeben sei, so könnten vielleicht nachher neue Beziehungen zwischen den beiden Häusern des Parlaments geschaffen werden. Der Staatssekretär des Innern Churchill hat im Unterhause einen Gesetzentwurf zum Schutze des Publikums gegen Gefährdung durch Flugzeuge eingebracht. Frankreich. . Das Kolonialministerium hat die Nachricht von einem

Gefecht an den Grenzen des Oberen Senegal erhalten. Wie „W. T. B.“ meldet, ist ein Detachement von Eingeborenen, das am 12. d. M. von Kifa in östlicher Richtung entsendet worden war, von Räuberbanden bei Zirafiet 75 km südöstlich von Kifa überfallen worden. Die Verluste auf französischer Seite betrugen an Toten 1 Leutnant, 9 senegalesische Schützen, an Verwundeten 1 Sergeant und 5 Schützen. Der Angriff wird als vereinzelter Zwischenfall angesehen.

Rußland.

Das Ministerium des Innern hat ein Rundschreiben an die Gouverneure erlassen über genaue Befolgung der Kaiser⸗ lichen Erlasse aus den Jahren 1905 und 1906 über die Gewissensfreiheit. Wie „W. T. B.“ meldet, soll der

Uebergang vom orthodoxen Bekenntnis zu anderen Be⸗ kenntnissen von den Ortsbehörden nicht gehindert werden; die Förmlichkeiten beim Glaubenswechsel sollen inner⸗ halb eines Monats erledigt werden. Orthodoxe dürfen religiöse Versammlungen Andersgläubiger besuchen, doch bleibt die Katechisation orthodoxer Kinder durch Prediger anderer Konfessionen strafbar. Insbesondere wird erklärt, daß

ddie Bestimmungen über die Taufe von Juden, die nur mit

Genehmigung des Ministers des Innern vorgenommen werden darf, unverändert bleiben. .

Auf der Tagesordnung der Reichsduma stand vor⸗ gestern ein von vierzig Abgeordneten eingebrachter Antrag, . beibefsend einige Abänderungen der Budgetvorschriften aus dem Jahre 1906 und Verlegung des Anfanges des

-h a⸗ vom 1.e. auf den 1. April, damit die gesetzg Körperschaften genügend Zeit für die sorg⸗ fältige Beratung des Budgeis hätten, die bisher in drei Mo⸗

naten zu erledigen gewesen sei. Der Dringlichkeitsantrag wurde mit 110 gegen 42 Stimmen angenommen.

Wie „W. T. B.“ berichtet, erklärte der Finanzminister Kokowtzow, die Regierung lehne eine Durchsicht der Budgetvorschriften nicht ab und sei auch damit einverstanden, den Anfang des Budgetjahres auf den 1. April zu verlegen, jedoch enthalte die Gesetzvorlage Bestimmungen,

egen die die Regierung Einspruch erheben müsse. Da der ringlichkeitsantrag angenommen sei, sehe die Regierung von Wider⸗ legungen im allgemeinen ab und werde erst bei der Verbhand⸗ lung über die einzelnen Paragraphen ihren Standpunkt darlegen. Die Redner der Opposition wiesen darauf hin, daß der Fesk bas die gegenwärtige Lage weni ändere, da viele Kredite danach doch nicht in den Bereich der Budgetrechte der Duma fallen würden. Die Mitglieder der Rechten erklärten hingegen die Vorlage für einen Angriff auf die Grundlagen der Staatsordnung. Der Finanzminister Kokowtzow erhob Einspruch gegen die Ab⸗ schaffung des Paragraphen der Budgetvorschriften, der dem Minister⸗ rat in Notfällen, wenn es unmöglich ist, die legislative Bestätigung abzuwarten, das Recht zuspricht, Kredite auf eigenen Beschluß an⸗ zuweisen.

Darauf beschloß die Duma gegen die Stimmen der Rechten mit allen übrigen Stimmen entgegen der Ansicht des Ministers die Abschaffung des betreffenden Paragraphen.

Der Führer der Progressisten und Präsident der Inter⸗ parlamentarischen Gruppe hat vorgestern in der Reichsduma im Namen von 118 Mitgliedern des Hauses eine Erklärung abgegeben, worin auf das Anwachsen der Rüstungen der Mächte hingewiesen und an den Vorschlag des Kaisers vom 24. ne 1898, den Rüstungen Einhalt zu tun, erinnert wird. Sowohl die erste wie die zweite Haager Konferenz hätten nicht zur Lösung der Frage geführt, doch hätten die Vertreter der gesetzgebenden Versammlungen der fortschrittlichen Staaten Europas den Gedanken der Abrüstung nicht fallen lassen.

„Die Mitglieder der Duma,“ heißt es in der Erklärung weiter, „sind überzeugt, daß die dem Abrüstungsgedanken günstige Stimmung der gesetzgebenden Kammern den Regierungen die Lösung dieser großen dringenden Aufgabe erleichtern wird. Deshalb vereinigen sie ihre Stimme mit der Stimme anderer Parlamente und sprechen den Wunsch aus, die Regierung möge im Einverständnis mit anderen Mächten Maßregeln ergreifen, damit dem Programm der dritten Haager Konferenz die Frage einer gleichzeitigen Einschränkung der Rüstungen eingefügt werde.“

Die Tagung des finnischen Landtags ist vor⸗ gestern geschlossen worden, nachdem das Haus das Budget mit Ausnahme der für Heereszwecke erforderlichen Kredite an⸗ genommen hatte. 8 1““ .“

In der Deputiertenkammer hat vorgestern die Be⸗ ratung über die Zulassung des Initiativantrags der Katholiken, der den Schulgesetzentwurf der Regierung wieder anfnimmt, be⸗ gonnen. Nach der Begründung durch den Antragsteller Limburg⸗Stirum erklärten, „W. T. B.“ zufolge, je ein Ver⸗ treter der Liberalen und der Sozialisten, daß der Entwurf gegen die Verfassung verstoße. Die Debatte, zu der noch etwa 30 Redner gemeldet sind, wurde vertagt. 8

Türkei.

Der Sultan hat vorgestern den deutschen Botschafter Freiherrn Marschall von Bieberstein, der am 31. d. M. seinen Urlaub antritt, in Abschiedsaudienz empfangen.

Der russische Botschafter in Konstantinopel hat sich vorgestern zu dem Minister des Aeußern begeben, um den von der St. Petersburger Telegraphenagentur angekündigten Schritt zu unternehmen. Wie das Wiener K. K. Telegraphenkorre⸗ spondenzbureau meldet, bewahrt man in Regierungskreisen über den genauen Inhalt der Unterredung Stillschweigen, doch betont ein nach der Unterredung erlassenes Communiqué des Ministe⸗ riums des Aeußern, daß der freundschaftliche Geist und Sinn, ja selbst der Wortlaut der Unterredung keinesfalls mit der Meldung der St. Petersburger Telegraphenagentur überein⸗ stimmten.

Der bulgarische Gesandte hat, „W. T. B.“ zufolge, entgegen einer früheren Meldung des genannten Bureaus bis jetzt keine Note wegen der Erschießung des Hauptmanns Gorgieff überreicht.

Der Kriegsminister hat an die Militärbehörden eine Zirkulardepesche gerichtet, in der er den Offizieren die Teilnahme an der Politik verbietet. Der Kriegs⸗ minister erkennt laut Meldung des „W. T. B.“ an, daß die Offiziere, die bei dem Werke der türkischen Revolution große Dienste geleistet hatten, sich noch mit Politik befassen mußten, bis der Zweck der Revolution gesichert war. Nunmehr aber erfordere das Interesse an der Fortentwicklung der Armee, daß die Offiziere sich ausschließlich ihren militärischen Pflichten widmeten, und er werde Zuwiderhandelnde streng bestrafen.

In der Deputiertenkammer erklärte gestern im Verlaufe der Budgetdebatte der Großwesir Hakki Pascha, daß die Lage der Finanzen gut sei und das Defizit mit der neuen Anleihe in Höhe von 51 ½ Millionen Pfund gedeckt werden könne. Da die Votierung des Budgets bis zum Sonn⸗ abend unmöglich ist, gilt, obiger Quelle zufolge, eine Ver⸗ längerung der Session bis zum 4. Juni als sicher. In diesem Falle reist der Sultan am 6. Juni nach Albanien ab.

Da die Regierung dem Verlangen der Kammer nach Vor⸗ lage eines Gesetzentwurfs über die Regelung der Tabak⸗ steuerfrage bisher nicht nachgekommen ist, haben einige Ab⸗ geordnete eine Initiativvorlage eingebracht, die die Bandorole⸗ sieuer vom 14. März 1913 ab einführen will, was die Kün⸗ digung des Vertrags mit der Tabakregie bedeuten würde.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ haben die von Muheddin Bey geführten Truppen vorgestern den Berg Schechtappe besetzt haltende Aufständische angegriffen und sie nach siebenstündigem Kampfe vertrieben, wobei die Aufständischen

20 Mann, die Truppen vier Mann und einige Verwundete verloren. 8.

Da die aus Mali Hotit verdrängten Rebellen mit Ver⸗ stärkungen zurückkehrten, wurden auch die türkischen Truppen durch zwei Bataillone verstärkt. Nach heftigem Kampfe zogen sich die Rebellen mit einem Verlust von etwa zwanzig Toten zurück. Das Kriegsministerium hat die vk. ae. e Verbindung aller Posten an der üürkisch⸗montenegrinischen Grenze angeordnet.

Amerika.

Wie das „Reutersche Bureau“ aus Mexiko meldet, ist es vorgestern in der Stadt zu Unruhen gekommen infolge der Weigerung des Präsidenten Diaz und des Vizepräsidenten Corral, vor Donnerstag abzudanken. Truppen und Polizei er⸗

ten das Feuer auf die Menge und töteten und verwundeten viele. Aus Tehuantepec, Guadalajara und Zacatecas werden gleichfalls Unruhen gemeldet.

Gestern nachmittag ist der Präsident Diaz, „W. T. B zufolge, zurückgetreten und die provisorische Präsidentschaft auf den Minister des Aeußern de la Barra übergegangen.

Asien.

Wie die „Associated Preß“ aus Tokio meldet, wird in effchsnen Kreifen erklärt, Japan 5 bereit, Unterhandlungen über einen allgemeinen Schiedsgerichtsvertrag mit Amerika fnece sas und Vorschläge für einen solchen Vertrag zu unterbreiten, falls es dazu eingeladen würde. Die Regie⸗ rung interessiere sich lebhaft für den Vertragsentwurf.

Afrika.

Wie die „Agence Havas“ aus Casablanca vom 24. d. M. meldet, ist der General Ditte, der sich mit einer Eskadron Chasseurs d'Afrique auf dem Marsche nach Rabat befand, bei Dar el Araussi von einer beträchtlichen Anzahl Marokkaner angegriffen worden. Er hatte fünf Tote, unter ihnen ein Leutnant, und vier Verwundete.

Aus Tanger wird berichtet, daß bei Sidi Rogani zwischen dem Kaid der Beni Malek und dem Scherifen der Djebbala, der sich kürzlich zum Sultan ausrief, ein Kampf stattgefunden habe, der mit der Niederlage und der Flucht der Djebbala endete.

Der Zwischenfall, der die Besetzung des außerhalb der spanischen Zone gelegenen Ued Negro durch die Spanier veranlaßt hat, beschränkt sich, obiger Quelle zufolge, auf einen

Streit zwischen sechs spanischen .Sa. und einem Ein⸗ geborenen. Man versichert, daß die Besetzung, die die Spanier mit diesem unbedeutenden Zwischenfall begründen, eine vorüber⸗ gehende cfein würde.

Nach Mitteilungen von Reisenden, die aus Ceuta in Gibraltar eingetroffen sind, haben die spanischen Truppen weitere Punkte der Défilés von Aixa, sieben Kilometer westlich vom Negronberge, besetzt. v11““

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die vorgestrigen Sitzungen des Reichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Zweiten und Dritten Beilage.

Der Reichstag erklärte in seiner heutigen (184.)

Sitzung, welcher der Reichskanzler Dr. von Bethmann Hollweg, der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück, der Staatssekretär des Reichsschatzamts Wermuth, der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Lisco und der Staats⸗ sekretär in Elsaß⸗Lothringen Freiherr Zorn von Bulach bei wohnten, zunächst eine Anzahl von Petitionen, die die Petitions⸗ kommission zur Erörterung im Plenum für ungeeignet erachtet hat, für erledigt und trat sodann in die erste Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Gewährung einer außerordent⸗ lichen Entschädigung an die Mitglieder des Reichs⸗ tags ein. Nach dieser Vorlage sollen die Reichstagsmitglieder für Oktober und November 1911, wenn der Reichstag in dieser Zeit versammelt ist, eine Entschädigung von 700 er⸗ halten. Abg. Bebel (Soz.): In der Begründung sind einige Bemerkungen gemacht, die unangenehm berühren müssen. Die Regierung hätte sich die ganze Begründung schenken können. Diese Bemerkungen sind außerordentlich kleinlich. Es wäre viel richtiger, den Reichstag recht⸗ zeitig einzuberufen. So wie jetzt gearbeitet wird, kann es nicht weiter⸗ gehen. Wir wollen dech soziale Fürsorge treiben, aber an einen soziala Schutz des Reichstages denkt man nicht. Die Vorlage beweist nun, daß das jetzige Diätengesetz unhaltbar ist und einer Revision bedarf. Hoffentlich wird der nächste Reickstag hierin Wandel schaffen. Wenn der ö zu einer ungewöhnlichen Arbeit außerhalb der sonst üblichen Zeit zusammenberufen wird, so muß er selbstverstänglich da⸗ für entschädigt werden. Aber gegen die ganze Art, wie die Vorlage begründet worden ist, müssen wir Verwahrung einlegen.

Abg. Bassermannenl.): Wenn das Däätengesetz einer Revision bedarf, so kann sie jedenfalls der jetzige Reichstag nicht machen. Ob die jetzige Regelung der Diäten notwendig war, und ob sie das Arn⸗ sehen des Reichstags erhöht, darüber haben allerdings auch meine Freunde Zweifel. 8 1““

Abg. Dr. Müller⸗Meiningen (fortschr. Volksp.): Daß diese unwürdige Vorlage, wenigstens in ihren Motiven unwürdige Vorlage, uns vorgelegt worden ist, daran ist allein das unwürdige Diätengesetz schuld. Auch wir sind der Meinung, daß dies geändert werden muß. Mit unserer Arbeitskraft wird jetzt geradezu Raubbau getrieben.

Damit schloß die erste Beratung. 8 18 In zweiter Beratung wurde der Gesetzentwurf unverändert

angenommen. 1

Es folgte die erste Beratung der Novelle zum Zünd⸗ warensteuergesetz.

Abg. Enders (fortschr. Volksp.): Der Vorschlag der Regierung bedeutet lediglich eine Erhöhung der Steuer auf Zündwaren um 20 % und eine Liebesgabe für die bestehenden kontingentierten Fabriken. Einen Notstand der Zündwarenfabrikation erkennen auch wir an, glauben aber, daß eine Abhilfe nur möglich ist durch eine Aufhebung des ganzen Gesetzes. b 8

Abg. Brey (Soz.): Die unheilvollen Wirkungen des Zündwaren⸗ steuergesetzes haben sich sehr bald gezeigt. Die Arbeitslosigkeit in dieser Vndustrie hat erschreckend um sich gegriffen. Dabei ist der Zweck der Kontingentierung nach keiner Seite erreicht worden, obwohl gerade diese die Arbeitslosigkeit verhindern sollte. Heute hat auch die Regierung eingesehen, daß wir mit unseren Bedenken von vornherein im Recht gewesen sind. Regierung und Mehrheit wollen aber die abschüssige Bahn weiter wandeln, die mit der Reichsfinanzreform betreten wurde, anstatt das verhängnisvolle 1e einfach aufzuheben. Der Preis der Produkte ist 2 ½ mal höher als vor dem Sommer 1909; die Vorlage a denkt gar nicht daran, hier den Hebel anzusetzen, sie will vielmek diese Preisgestaltung konservieren, also die Belastung der Ver⸗ braucher, auch der allerärmsten, vervielfachen; wir stimmen gegen dit Vorlage. 5 8

bg. Dr. Thoma (nl.): Durch die Ausführungen des ersten

Vorredners klang das Bedauern hindurch, daß überhaupt die Zünd⸗ waren mit einer Steuer belegt werden. Wir keilen dieses Bedauern, erklären aber gleichwohl zu der heutigen Vorlage unsere Zustimmung, da sie die Unstimmigkeiten beseitigen will, die sch durch die Kon⸗ tingenticrung in der Zündwarenindustrie herausgestellt haben. Der bwas bältnismäßigen Herabsetzung des Kontingents darf aber auf „e Fall rückwirkende Kraft gegeben werden. Die Fabriken, denen es ch lungen ist, bis zu 70 % des Kontingents zu erreichen, haben doch vem schon große Abschlüsse gemacht, die durch die rückwirkende Kraft 3 erfüllbar gemacht werden könnten. Wir stimmen der Vorlage lich in dem Sinne zu, daß sie die Erhaltung der mittleren und kleine

Betriebe erleichtern wird. b 1 Damit schloß die erste Lesung. In zweiter Lesung nahm die Mehrheit die Vorlage ohne Diskussion unverändert an. d Zur dritten Beratung kam nunmehr die Vorlage, betreffend die Verfassung Elsaß⸗Lothringens und das as gesetz für die Zweite Kammer des Landtags e Elsaß⸗Lothringen. In der Generaldiskussion führte

Abg. Winckler 8 aus: Obwohl das endgültige Ergebnis der Abstimmung bereits feststeht, halten wir es doch für nötig, unserer⸗ seits die Gründe für unser ablehnendes Votum nochmals darzu⸗ legen. Im Sinne des alten Cato, von dem gesagt ist „victrix causa diis placuit, sed victa Catoni“ ergreife ich für unsere Fraktion das Wort; aber ohne den Jubel der Linksliberalen fritisieren oder irgendwelche Schärfe des Tones einfließen lassen zu wollen. ir haben hier aus voller Ueberzeugung ein Nein sagen müssen; aber schon beim nächsten Gegenstand der Tagesordnung, bei der Reichsversicherungsordnung, wird sich eine andere Gruppierung der Mehrheit zeigen, werden 8 die Zusammengehörigen wieder zusammenfinden. In den Reichslanden sat sich das Zusammen⸗ arbeiten der Regierung mit dem Landesausschuß schließlich als un⸗ möglich erwiesen; aber gibt die neue Vorlage eine Garantie dafür, daß in Zukunft die Zustände dort W werden, daß das deutsch⸗ nationale Element mehr in den Vordergrund treten wird? Ist Elsaß⸗Lothringen schon so weit vom Reichsgedanken erfüllt, daß man 8 als Bundesstaat absondern kann? Man will den bisherigen Zu⸗ sammenhang zwischen dem Lande und den Organen des Reichs lösen. Die Organe des Landes waren bisher Organe des Landes und des Reichs zugleich. In Zukunft wird der Bundesrat und der Reichstag aus⸗

eschaltet; ob das richtig ist, wird die Zukunft lehren. Bundesrat und Keichstag geben große, autem Gewissen dieses Recht und damit diese Pflicht aufgeben? Wird das Schiff, das jetzt in See sticht, immer in deutschem Sinne segeln? Für uns ist in erster Linie bestimmend das deutsche Interesse. Vom beschränkten preußischen Standpunkte sehen wir auch die Ge⸗

währung der Bundesraksstimmen an Elsaß⸗Lothringen nicht an.

(Schluß des Blattes.)

In der heutigen (84.) Sitzung des Hauses der Abgeordneten, welcher der Finanzminister Dr. Lentze beiwohnte, wurde in dritter Beratung der von dem Abg. von Pappenheim (kons.) eingebrachte Gesetzentwurf, be⸗ treffend die Schulversäumnisse in dem ehemaligen Kurfürstentum und in den zum Regierungs⸗ bezirke Cassel gehörenden ehemaligen bayerischen Gebietsteilen (Bestrafung der Schulversäumnisse mit Geld⸗ strafe bis zu 3 oder Haft von einem Tag für jeden Tag Versäumnis), ohne Debatte angenommen.

Dann folgte die zweite Beratung des Entwurfs eines Ausführungsgesetzes zum Reichszuwachssteuergesetz vom 14. Februar 1911 auf Grund des Berichts der 14. Kommission.

Berichterstatter Abg. Lieber (nl.) bemerkt, daß die Kommission die Veranlagung der Zuwachssteuer den Gemeindebehörden bezw. dem Kreisausschuß gelassen habe, und befürwortet die einzelnen Aende⸗ rungen, die die Kommission beschlossen hat.

Nach § 1 in der Kommissionsfassung wird die Zuwachs⸗ steuer in den Stadt⸗ und Landgemeinden mit mehr als 5000. Einwohnern (Regierungsvorlage: 3000 Einwohnern) durch den Gemeindevorstand, in den Landgemeinden mit nicht mehr als 5000 Einwohnern und in den Gutsbezirken durch den Kreis⸗ ausschuß veranlagt. In den Landgemeinden der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen liegt die Veranlagung dem Land⸗ vürgermeister bezw. dem Amtmann ob. Die Kommission hat den Zusatz gemacht:

„Denjenigen Landgemeinden mit nicht mehr als 5000 Ein⸗ wohnern, in denen eine Zuwachssteuer schon vor dem 1. Januar 1911 in Kraft war, kann auf ihren Antrag die Veranlagung durch Beschluß des Kreisausschusses überwiesen werden.“

Nach § 2 finden auf die Rechtsmittel gegen die Veran⸗ lagung zur Zuwachssteuer die Vorschriften des Kommunal⸗ abgabengesetzes bezw. des Kreis⸗ und Provinzialabgabengesetzes mit der Maßgabe Anwendung, daß in erster Instanz stets der Bezirksausschuß zuständig ist. (Die Bestimmung der Re⸗ gierungsvorlage, daß das Oberverwaltungsgericht auf Revision seine Entscheidung in nicht öffentlicher Sitzung, in der Regel ohne vorherige mündliche Anhörung der Parteien, erläßt, jedoch den Parteien Gelegenheit zur persönlichen Verhandlung ge⸗ währen kann, hat die Kommission gestrichen.)

Abg. Graf von Carmer⸗Zieserwitz (kons.) beantragt, hinter den Worten „zur Zuwachssteuer“ einzuschalten: „und zu den etwa erhobenen Zuschlägen“, sowie den Passus der Regierungsvorlage über das Oberverwaltungsgericht statt des Bezirksausschusses wieder herzustellen.

§ 3 betrifft die Abführung der Zuwachssteuer an die Gemeindekasse bezw. Kreiskommunalkasse sowie die des Reichs⸗ anteils an das Reich. Die Kommission hat den Zusatz ge⸗ macht, daß von dem nach dem Reichsgesetz dem Staate zu⸗ stehenden Anteil von 10 Proz. des Steuerertrages der Kreis, bezw. die Gemeinde die Hälfte für die Verwaltung und Erhebung der Steuer erhält.

§ 4 bestimmt:

8 Von dem Anteil an der Zuwachssteuer, der nach dem Reichs⸗ peset den Gemeinden verbleibt, erhält die kreisangehörige Gemeinde ei nicht mehr als 15 000 Einwohnern zwei Drittel, bei mehr als 15 000 Einwohnern drei Viertel; den Rest erhält der Kreis. Aus den Gutsbezirken erhält der Kreis den vollen Steueranteil. Die Kreise haben ihren Anteil für ihre eigenen Aufgaben oder zum Teil auch für diejenigen einzelner Gemeinden und Gutsbezirke zu ver⸗ wenden.

Die Abgg. Westermann (nl.) und Genossen beantragen zu § 4 die Aenderung, daß die Grenze bei 10 000 Einwohnern gezogen wird.

Zum § 1 beantragen die Abgg. Marx (gentr.) und Genossen die folgende Fassung:

Die Zuwachssteuer wird 1) in den Stadtgemeinden mit Bürger⸗ meistereiverfassung durch den Gemeindevorstand und vier von der Stadtverordnetenversammlung zu wählende Beisitzer, in den übrigen Stadtgemeinden durch den Gemeindevorstand sowie zwei vom Magistrat und zwei von der Stadtverordnetenversammlung zu wählende Beisitzer, 2) in den Landgemeinden mit mehr als 10 000 Ein⸗ wohnern durch den Gemeindevorstand und vier von der Gemeinde⸗ vertretung zu wählende Beisitzer, 3) in den anderen Landgemeinden und in den Gutsbezirken durch den Kreisausschuß veranlagt.

Für den Fall der Ablehnung dieses Antrags beantragen dieselben Abgeordneten die Streichung der Bestimmung im § 1, nach der in der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen die Veranlagung dem Landbürgermeister bezw. Amtmann obliegt.

Abg. Graf von Carmer⸗Zieserwitz (kons.): Die Heraufsetzung der Grenze auf 5000 Einwohner im § 1 ist jedenfalls gegenüber der Regierungsvorlage ein Fortschritt. Die Regierungsvorlage hatte vor⸗ gesehen, daf das Oberverwaltungsgericht die Revisionsentscheidung hat; die Kommission hat dafür in erster Instanz den Bezirksausschuß eingesetzt. ir halten die Fassung der Regierungsvorlage für die

ser denn sie d analog dem (. intommenfteservefanlagungegesee ge⸗ bildet. Die Tätigkeit des Oberverwaltungsgerichts in dieser Beziehung ist überall anerkannt worden. Wir werden deshalb die Wiederherstellung der Regierungsvorlage beantragen, da wir es für nötig halten, daß sich möglichst schnell durch die Entscheidungen des Oberverwaltungs⸗ gerichts eine konstante Praxis herausbildet. Mit der von der Kom⸗ mission vorgenommenen Verteilung der 10 % von dem Ertrage sind wir einverstanden. Die Gemeinden haben die Erhebung der Zuwachefteuer be⸗ chlossen, darum gebührt ihnen auch in erster Linse die Entschädigung; dasselbe gilt von den Gemeindeverbänden, also den Kreisen. Zu be⸗

chwerwiegende Rechte auf. Können wirsmit

grüßen ist auch, daß die Kreise den auf sie entfallenden Steueranteil nicht nur für ihre eigenen Aufgaben, sondern auch für diejenigen ein⸗ zelner Gemeinden und Gutsbezirke zu verwenden haben. 8

(Schluß des Blattes.)

1111“1“

Statistik und Volkswirtschaft.

„Nach dem vorläufigen Ergebnis der in diesem Jahre in Groß⸗ britannien vorgenommenen Volkszählung haben, wie „W. T. B.“ aus London berichtet, England und Wales zusammen 36 075 26 Einwohner gegen 32 527 843 im Jahre 1901. Die Bevölkerung von Groß⸗London beträgt 7 252 963 gegen 6 581 402 im Jahre 1901.

Frankreich hatte, wie dem genannten Bureau aus Paris ge⸗ meldet wird, nach der im Amtsblatt veröffentlichten Statistik der Be⸗ völkerungsbewegung im Jahre 1910 774 358 Geburten und 703 777 Todesfälle, sodaß der Ueberschuß der Geburten über die Sterbefälle auf 70 581 sich beläuft. Im Jahre 1909 betrug dieser Ueberschuß nur 13 4244..

L1“

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausstand der Eisenkonstruktionsarbeiter in Berlin (vgl. Nr. 118 d. Bl.) ist jetzt auch auf Spandauer Gebiet über⸗ getreten. Die Metallarbeiter, die an den Ueberführungsbrücken der neuen Grunewaldbahn über die alten Bahngleise bei Ruhleben arbeiten, haben, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, vor einigen Tagen auch die Arbeit 8

Die Bäckergehilfen Elberfelds sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie fordern, der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ zufolge, u. a. 32 Mindestlohn für Tischarbeiter und 34 für Ofenarbeiter und 37 für Schichtführer, ferner 10 stündige Arbeitszeit statt bisher 11 stündige mit einer Stunde Pause, 6 Tage Sommerferien mit Bezahlung des Lohnes, 60 für jede Ueberstunde.

In Essen traten, wie die „Frkf. Ztg.“ erfährt, die Schuh⸗

machergehilfen wegen Lohnstreits in den Ausstand. Deer Ausstand der Automobildroschkenführer in Dresden ist, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, durch Vermittlung des Oberbürgermeisters beendet worden. ie Droschkenführer erhielten eine Lohnzulage (vgl. Nr. 113 d. Bl.).

Aus Hamburg wird der „Köln. Ztg.“ gemeldet: Der Arbeit⸗ geberschutzverband für die Holzindustrie lehnte einstimmig den Schiedsspruch des Einigungsamts ab, da er die obligatorisch Einführung des paritätischen Arbeitsnachweises vorsehe. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen der Werft Blohmu. Voß und den ausständigen Maschinenbauern sind nach demselben Blatte beigelegt worden. Die Maschinenbauer haben die Arbeit wieder aufgenommen.

In einer gestern in Wien abgehaltenen Versammlung der von der Aussperrung betroffenen Stückmeister und Gehilfen der Herrenschneider wurde, „W. T. B.“ zufolge, mitgeteilt, daß trotz des vorgestrigen Beschlusses in einigen Betrieben die Stück⸗ meister arbeiten dürfen; infolgedessen wurde der Ausstand der Stück⸗ meister verkündet. (Vgl. Nr. 122 d. Bl.)

Der Vorsitzende des in Swansea bestehenden Zweigvereins

der Vereinigung der Seeleute hat, „W. T. B.“ zufolge, in einer Unterredung erklärt, die Leute seien ausgezeichnet organisiert und bereit, die Arbeit im richtigen Augenblick niederzulegen. Das Lager in Süd⸗ Wales, in dem die Ausständigen untergebracht werden sollen, werde bei Cardiff am 10. Juni benutzbar sein. Einer Blättermeldung zufolge hat ein Vertreter der Vereinigung der Seeleute erklärt, daß ein internationaler Ausstand jetzt jeden Augenblick erklärt werden könnte (vgl. Nr. 119 d. Bl.). In einer Versammlung der Bergleute des Cambrian Kohlenreviers (vgl. Nr. 121 d Bl.) wurde, wie „W. T. B.“ meldet, mit großer Mehrheit beschlossen, die Bedingungen des Ab⸗ kommens vom 15. d. M. abzulehnen und den Ausstand bis zum äußersten fortzusetzen.

Brüsseler Blättern zufolge sind in der sozialistischen Weberei Vooruit in Gent 200 Weber, die bessere Behandlung und andere Arbeitszeit verlangen, in den Ausstand getreten. g

1

s. i. d. Dritten Beilage.)

Die Gaälerie Eduard Schulte eröffnet ihre nächste Aus⸗ stellung am 27. Mai. Den Mittelpunkt bildet eine Sammlung von 50 Werken der bedeutendsten modernen Künstler Spaniens, wie S Anglada, Aureliano de Beruete, Claudio Castelucho, Manuel

amirez, R. u. V. Zubiaurre, Ignacio Zuloaga u. a. Weitere Werke sandten Giulio Beda⸗Dachau, Hermann Frobenius⸗Eppan, Elsa Herener.Sen, Theodor Johannsen⸗Berlin, Dr. W. H. Lauter⸗

erlin, Hans Licht⸗Berlin, 8,8 Prentzel⸗Berlin und Prof. Dr. W. Steinhausen⸗Frankfurt a. M. Von Eduard Zetsche⸗Wien kamen o1ö1ö111.“*“*

.“ ““ Land⸗ und Forstwirtschaft.

Wiie alljährlich, veranstaltet die Königliche Gärtnerlehr⸗ anstalt zu Dahlem bei Steglitz⸗Berlin wieder einen Obst⸗ und Gemüseverwertungskursus für Damen, der auf vielfachen Wunsch in diesem bereits in der Woche vom 19. bis 24. Juni stattfinden wird. as reichhaltige Programm umfaßt das gesamte Gebiet der Obst⸗ und Gemüseverwertung, sodaß die Teilnehmerinnen Gelegenheit haben, ihr Wissen und Können nach dieser Richtung zu mehren. Der Unterricht theoretisch und praktisch wird von Spezialisten auf diesem Gebiete erteilt. Programm mit Angabe der Unterrichtszeit versendet obengenannte Anstalt. Anmeldungen sind an die Direktion der Anstalt einzureichen. Das Unterrichtshonorar beträgt für Deutsche 9 ℳ, für Ausländer 12 4M. 8

Paris, 25. Mai. (W. T. B.) Nach amtlicher Schätzung vom 1. Mai d. J. ist eine Fläche von 5 765 990 ha mit Winterweizen und 522 720 ha mit Sommerweizen bestellt gegen 6 282 200 und 248 740 ha im Vorjahr. Die beiden letzten Ziffern betrugen nach endgültiger Richtigstellung zusammen 8 559 900 ha. Der mittlere Stand des Winterweizens am 1. Mai ist 69,1 gegen 60,2 am 22. Januar 1911 und gegen 70,2 am 1. Mai des Vorjahres. Der Stand des Sommerweizens ist 69 gegen 72,3 am 1. Mai 1910. Mit Winterhafer sind 748 510 ha, mit Sommerhafer 3 278 600 ha, zusammen also 4 027 110 ha bestellt gegen 3 952 530 ha im Vorjahre. Der mittlere Stand des Winterhafers am 1. Mai ist 68,5 gegen 62,3 am 22. Januar 1911 und 72,4 am 1. Mai 1910, des Sommerhafers 71,8 gegen 72,7 am 1. Mai 1910.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln. .“

85 &☛½ 1 4 8 Italien.

““ ““ 1“ 11166“*“ Die italienische Regierung hat durch seesanitätspolizeiliche Ver⸗

ordnung vom 17. d. M. die gegen Herkünfte aus Batavia an⸗

geordneten Quarantänemaßregeln 881 den Hafen von

Semarang (Java) ausgedehnt. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vem

3. d. M., Nr. 104.)

Rumänien.

Nach einer Bekanntmachung vom 3./16. Mal d. J. im Amtödlatt Nr. 26 hat die rumänische Reglerung die früher gegen Reisende

*

und Herkünfte aus Smyrna verhängten Sperr⸗ und Ueberwachungsmaßregeln von neuem angeordnet. (Vergl. „R Anz.“ vom 1. Dezember v. J., Nr. 282.)

Schweden.

Das Küesgach schwedische Kommerzkollegium hat die Häfen Persischen Meerbusen sowie Niederländisch⸗Ostindien für pestverseucht erklärt.

Indien. .“ Niaach einer Mitteilung der Regierung von Bengalen vom 27. v. M. ist wegen der in der Hafenstadt Bushire ausgebrochenen Pest dieser Hafen für verseucht erklärt und für Schiffe, die von dort in den Häfen von Odrissa ankommen, Quarantäne angeordnet worden.

China. Das Kaiserliche Konsulat in Canton hat die Verfügung vom 6. Februar d. J., betreffend die EI““ Kon⸗ trolle der aus Dairen, iutschwang, Chinwangtao, Tientsin oder Tschifu kommenden und den Hafen von Canton anlaufenden deutschen Schiffe wieder aufgehoben. 1 8 Die Einfuhr von Lumpen, altem Papier, alten Säcken, trockener und feuchter Erde und Särgen mit Leichen aus den genannten Häfen bleibt auch fernerhin vorläufig verboten. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 8. März d. J., Nr. 58.) 3 Das Kaiserliche Konsulat in Swatau hat durch Verordnung vom 28. v. M. seine Verordnung vom 12. April 1911, betreffend die gesundheitspolizeiliche Kontrolle der aus den Häfen der Mandschurei, einschließlich Dairen, sowie aus Tientsin (Tongku) und Tschifu kommenden und den Hafen von Swatau anlaufenden deutschen See schiffe, wieder aufgehoben. Die Einfuhr von Lumpen, altem Papier, alten Kleidern, altem Bettzeug, Särgen mit Leichen sowie von trockener und feuchter Erde aus den bezeichneten Häfen unterliegt auch fernerhin den Bestimmungen in Artikel 9 der Provisional Sanitary Regulations for the Port of Swatow von 1911. (Vergl. „R.⸗Anz.“ vom 12. d. M., Nr. 112.) Der Kaiserliche Konsul in Tientsin hat die Verordnungen vom 23. Januar und 4. März d. J., betreffend die gesundheitspolizeiliche Kontrolle der aus den Häfen der Mandschurei sowie aus Dairen (Dalny), Tschifu und Lungkou kommenden und die Häfen von Tongku⸗Tientsin und Tschinwangtau anlaufenden deutschen Schiffe, wieder aufgehoben. 1 Die Einfuhr von Lumpen, altem Papier, Särgen mit Leichen, trockener und feuchter Erde sowie alten Säcken aus den genannten ist auch fernerhin verboten. Hhent „R.⸗Anz.“ vom 20. Fe⸗ ruar d. J., Nr. 44, und vom 6. v. M., Nr. 11.)

7

Amsterdam, 25. Mai. (W. T. B.) Auf Java sind vom 19. bis zum 24. Mai 105 Pestfälle, darunter ein Fall von Lungen pest, vorgekom 74 Personen sind gestorben.

W“

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

Die Aufführung von „Bankban“, Tragödie in fünf Akten von Joseph Katona (übersetzt von Joseph Vészi), am Mittwoch im Deutschen Theater, wäre nur dann zu rechtfertigen gewesen, wenn dicses ungarische Nationaldrama dichterischen Wert hätte. Die Tat⸗ sache allein, daß es fast hundert Jahre alt ist und in Ungarn als vaterländisches Schauspiel geschätzt wird, ist dafür kein genügender Grund, ebensowenig der Umstand, daß es den gleichen geschichtlichen Stoff behandelt, den Grillparzer seinem „Treuen Diener seines Herrn“ zugrunde gelegt hat und den zweieinhalb Jahrhunderte vor ihm schon Hans Sachs zum Inhalt eines siebenaktigen Dramas „Andreas der Ungarische König mit Bancbano seinem getreuen Statthalter“ machte. Der allen drei Stücken gemeinsame Vorgang ist in der Katonaschen Fassung folgender: König Andreas II. von Ungarn hat, während er selbst in den Krieg zog, seine Gemahlin Gertrud, eine Meraner Fürstin, in der Hut seines getreuesten Vasallen, des Banu Bank, den er zum Reichsverweser bestellte, zurückgelassen. Prinz Otto von Meran, Gertruds Bruder, verliebt sich in Melinda, Banks Gattin, und vergewaltigt sie. Bank, der durch die Ränke eines schurkischen deutschen Ritters in den Glauben versetzt wird, die Königin habe bei dieser verbrecherischen Tat die Hand im Spiele gehabt, tötet die Königin. Der heimkehrende Andreas kann nach Klärung der Sachlage seinen Vasallen nicht ver⸗ urteilen. Auch Banks Weib ist zur Sühne für den Tod der Königin von den deutschen Landsleuten erdolcht worden. Zwischen den Bahren der beiden Frauen vollzieht sich der versöhnende Schluß dieses blutigen Dramas, das umständlich und schwerfällig in fünf Akten über die Bühne schreitet. In langen Monologen, Erzählungen und Betrachtungen erfährt der Zuschauer das meiste; die handelnden Personen reden alle die gleiche Sprache (im ungarischen Urtext vielleicht schöne Verse, in der Uebersetzung Vészis ein recht schlechtes Deutsch), kommen und gehen, wie es deren Verfasser gerade beliebt. Die Magyaren sind im Besitz sämtlicher Tugenden, während den Deutschen sämtliche Untugenden und Laster eigen sind. Für den schurkischen Ritter Biberach hat Jago offenbar Modell gestanden, für den ebenso dummen wie lüsternen Prinzen Otto Jagos Gimpel Rodrigo. Selbst die vollendetste

arstellung hätte hier für das Drama kein Interesse zu erwecken vermocht. Eduard von Wintersteins treuherziger Bankdan berührte sympathisch, und der blutleeren Gestalt der Königin verlieh Marp Dietrich, eine verheißungsvolle neue Kraft, wenigstens den Schein des Lebens. In der wenig dankbaren Rolle der Melinda bewährte sich Leopoldine Konstantin als gute Sprecherin und zielbewußte Dar tellerin. Die undankbarste Aufgabe war Herrn Diegelmann zugefallen, der als verarmter Bauer eine Flut von Jammer und Wehklagen ins Ohr der Zuhörer zu gießen hatte. Schade um die aufg

Mühe!

Im Königlichen Opernhause findet morgen, Sonnabend, eine Aufführung von „Cavalleria rusticana“, mit Frau Saypaltint als Gast in der Rolle der Santuzza statt. Die Lola singt Fräulein Gates, die Lucia: Frau von Scheele⸗Müller, den Turiddu; Herr Maclennan, den Alfio: Herr Habich. Den Beschluß des Adends dilden „Bajazai“, in welcher Oper Fräulein Hempel zum ersten Male die Nedda, Herr Berger zum ersten Male den Canio singt. Im üdrigen Iantet die Besetzung; Tonio; Hert Bischoff; Sildio: Herr Bronsgeest; Berpo: Herr Henke aus Wiesbaden als Gast. Dirigent beider Opern ist der Kapellmeister Dr. Besl. 8

Im Königlichen Schauspielhause sindet morgen die 16. und letzte Vorstellung im Lustspielmklns zu crmäßigten Prrisen statt, und zwar wird „Der Schwur der Treue“ don Oekar Blumenthal aufgeführt. Die Damen Arnstädt, von Mapdurg und H§cisler sowir die Herren Staͤegemann, Pohl, Eggeling, Kraußneck und Werrack sind darin beschäftigt.

Das Kuratorium und der Lehrkörder der Marie Secbachschule veranstaltete am Mittag des Dimmclfahrtstages im Konzertsaal des Königlichen Schanspielhauses cine Gedächtnisfeier für Wildelmine Seeha ch. Die Fezer, die, entsprechend der Stnnedart der Entschlafenen, in dnappen, schlichten Formen gehalten war, ersch gerade dadurch dieleicht umse weidedoller. Im Hintergrunde des gegliederten Saales erdod sich Palmen und blühenden Numgn die Bäste Wilhelmine Seebachs. Ges träge des Körbrhchen Hofopernchors Neiteten die Feier cin und schlossen sie ad in durchemkt würdiger Form. In der Gedächtnisrede entwarf der Dbeneche Dof⸗ schauspieler Patrvd ein ergrehendes Bild von der

nene und Pflegederrirschaft Wildelminens Uber Arer Fgrüßen Schwes arte Seebach, und wie sich dnn

restios trugen auf die dinterlassenen