1911 / 128 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 01 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

In der Verhandlung über den § 847 und die Anträge der Sozialdemokraten und Polen bemerkte der Staatssekretär: 1 Meine Herren! Ich muß an der Auffassung festhalten, daß es nicht angängig ist, daß bei Gelegenbeit einer gesetzgeberischen Aktion über Unfallverhütung allgemeine Vorschriften erlassen werden, die in

ddie Rechte der Bundesregierungen auf dem Gebiete der

polizeilichen Exekutive in dieser Weise eingreifen. Ich will nicht sagen, daß es unbedingt und überall unzulässig ist; das wird sich ja nach den einzelnen Materien verschieden regeln. Wir kommen aber zu unerträglichen Konsequenzen, wenn der Reichstag in dritter Lesung, ohne daß die verbündeten Regierungen im einzelnen dazu Stellung nehmen können, derartige grundsätzliche Beschlüsse faßt. Was nun die Frage des Bergbaues betrifft, so ist die Sache muteriell gleichgültig. Für Oberschlesien besteht meines Wissens breits die Vorschrift, daß bergpolizeiliche Bestimmungen auch in polnischer Sprache bekannt gegeben werden müssen, und in Westfalen besteht andererseits die Vorschrift, daß Arbeiter, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, bei gefährlichen und verantwortungsvollen Arbeiten nicht beschäftigt werden sollen. (Hört, hört! links.) Also materiell, meine Herren, sehen Sie, sind die preußischen Behörden bereits auf dem Wege, auf dem sie sich auch nach Ihren Wünschen bewegen sollen. Aber aus grundsätzlichen Erwägungen muß ich mich dagegen wehren, daß hier bei Gelegenheit eines Gesetzes über die Unfallversicherung Bestimmungen getroffen werden, die eingreifen in die Rechte der Bundesstaaten auf dem Gebiete der polizeilichen Exekutive.

Auf die Ausführungen der Abgg. Hoch (Soz.), Gothein (fortschr. Volksp.) und Sachse (Soz.) erwiderte der Staats⸗ sekretär:

Meine Herren! Ich möchte auf die Ausführungen der Herren Vorredner bloß noch feststellen: gewiß, es ist richtig, daß wir im Wege der Reichsgesetzgebung beispielsweise auf dem Gebiete der Ge⸗ werbepolizei auch Vorschriften für die Exekutive der bundesstaat⸗ lichen Polizeiorgane erlassen haben. Das haben wir getan, und das konnten wir tun, weil die Gewerbepolizei zur gesetz⸗ Kompetenz des Reichs gehört. Anders liegt die

auf dem Gebiete des Bergbaus. Der Bergbau an Grundsatz halten die verbündeten Regierungen fest

darauf hingewiesen wird, daß dieser Grundsatz durchbroche etz auf dem Gebiete des

seinen Grun

es sich in diesem Falle um landesgesetzlich organisierte Ein⸗

handelt, die als Ersatz für reichsgesetzlich vorgeschriebene

du Bergwesens

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238.

Debatte über die Inwaliden⸗ und Hinterbliebenen⸗

erklärte der Staatssekretär bezüglich der Herauf⸗ Einkommensgrenze und der Ausdehnung der idenversicherung auf die Heimarbeiter:

1 ufsetzung der Einkommensgrenze kann im nicht gedacht werden. Wir haben die Gründe in iederholt dargelegt, und der Herr Abg. Dr. Potthoff auch erinnern, daß wir nach unserer ausdrücklichen

rklärung in der Kommission aus einer eventuellen Erhöhung der Einkommensgrenze bei der Krankenversicherung Konsequenzen für die Invdalidenversicherung nicht ziehen können.

Was die andere Frage betrifft, so haben wir in der Kommission ebenfalls dargelegt, aus welchen Gründen wir einer generellen Aus⸗ dehnung der Invalidenversicherung auf die Heimarbeiter nicht zustimmen können. Ich kann aber im Anschluß an das, was der Herr Abg. Giesberts ausgeführt hat, hier erklären, daß auch ich hoffe

esege 382.

rünsche, daß es uns gelingen wird, in der Herbstsesston das über die Heimarbeit zu verabschieden. Ich kann ferner erklären, meiner Meinung die Durchführung dieses Gesetzes über

lei Verhältnisse der Heimarbeit Klarheit schaffen wird, und achten werde, daß diese Fest⸗

5 vgrden und daß Sepmüit „–

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in die Indalidenvdersicherung möglich ist oder nicht. 8

Zu den Anträgen, betreffend Herabsetzung der Altersgrenze auf das 65. Lebensjahr, erklärte der Staatssekretär:

Meine Herren! Ich habe im Anschluß an die im Namen der verbündeten Regierungen in der zweiten Lesung zu den gleichlautenden

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en Antröügen abgegebenen Erklärungen zu erklären, daß 9 L

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Nr. 1057 der Drucksachen ad 3, sowohl in der

in a wie in der Formulierung zu b, nach wie vor für erbündeten Regierungen unannehmbar sind. So wenig wir uns it einperstanden erklären können, daß heute eine Mehrbelastung des Reichs einritt, ohne daß wir wissen, wie die Deckung beschafft werden soll, so wenig können wir uns damit einverstanden erklären, im Jahre 1917 ecine Mehrbelastung des Reichs eintritt, ohne daß wir wissen, wie die Deckung beschafft werden soll. Wenn also diese UAnträge, sei es in der Fassung zu a, sei es in der Fassung zu b, an⸗ genommen werden wärden, so würde damit die Reichsversicherungs oranung gescheitert sein. (Hört, hört! bei den Nationalliberalen und rechts.)

werde ich an anderer Stelle zurück⸗

kommen.

Im weiteren Verlauf der Debatte führte der Staatssekretär zu dem Antrag Schultz aus:

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen werden der Auf⸗ nahme einer Bestimmung, wie sie der Antrag Schultz bezweckt, nicht widersprechen. Ich habe aber, im Auftrage des Herrn Reichskanzlers, hierzu folgende Bemerkungen ju machen:

Der Antrag bezweckt, daß die Bemessung der Altersgrenze im Jahre 1915 von den beiden gesetzgeberischen Faktoren erneut geprüft wird. Sollte eine dahbingehende Bestimmung in dem Gesetz Auf⸗ nahme finden, so übernehmen die verbündeten Regierungen hierdurch die Verpflichtung einer erneuten Prüfung, deren Ergebnis entweder in einer Denkschrift oder in einem Gesetzentwurf dem Reichs⸗ tag vorzulegen sein

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(Hört, hört! links.) Jeder der gesetzgebenden Faktoren wird also zu erwägen haben, ob nach seiner Ueberzeugung eine Herabsetzung der Altersgrenze zweckmäßig und tunlich ist. Die verbündeten Regierungen werden dabei das kann ich schon jetzt voraussagen vor allem prüfen, ob die vermehrten Lasten von allen Beteiligten, von den Arbeitgebern und von den Arbeitnehmern sowie vom Reiche getragen werden können. Jas insonderheit das Reich anlangt, so wird auch gegenüber dem hier zum Ausdruck gelangenden Wunsche unbedingt an dem der ge⸗ samten Finanzgebarung zur Richtschnur dienenden, vom Bundesrat und Reichstag gleich einmütig vertretenden Grundsatz festgehalten werden müssen, daß keine neue Ausgabe bewilligt werden kann, welcher nicht eine für sie verfügbare Deckung gegenübersteht. (Sehr richtig! rechts.) Aehnlich müßte die erneute Prüfung beider gesetzgebender Faktoren sich auch hier darauf richten, in welcher Weise der Mehrbedarf des Reichs durch gleichwertige neue Einnahmen gedeckt werden kann. (Abg. Dr. Südekum: Oder Ersparnisse!) Wie die danach der Be⸗ völkerung aufzuerlegenden neuen Opfer zu gestalten sein würden, ent⸗ zieht sich für jetzt der Erörterung. (Hört! hört! links.) Insbesondere steht dahin, ob für die Beschaffung der nötigen Mittel die Einführung neuer (Zuruf links: Erbschaftssteuer! Lachen rechts) oder der Ausbau bestehender oder die Aufrechterhaltung solcher Steuern in Betracht kommen würde, deren künftiger Wegfall ins Auge gefaßt worden war. (Hört, hört! links.)

Der Herr Reichskanzler hat sich für verpflichtet gehalten, in dem Augenblick, wo wir uns anschicken, ein sozialpolitisches Gesetz von großer Bedeutung zu verabschieden, das den wirtschaftlich Schwachen erheblich neue Zuwendungen, dem Reiche und den Versicherungsträgern aber auch schwere neue Lasten bringt, auch diese finanziellen Gesichts⸗ punkte zu betonen; denn ohne gesunde Finanzen ist eine gesunde Sozialpolitik nicht möglich. (Bravo! rechts)

Auf die Ausführungen des Abg. Dr. Potthoff (fortschr. Volksp.) und des Abg. Dr. Südekum (Soz.) entgegnete der Staatssekretär:

Meine Herren! Der Artikel, um den es sich hier handelt, ist wörtlich nachgebildet den Bestimmungen über den Rücklagefonds, und auch bei der Gelegenheit, als dieser Artikel besprochen wurde, sind wir uns darüber einig gewesen, daß die Bestimmung so zu inter⸗ pretieren sei, wie ich es jetzt gesagt habe.

Meine Herren, es gibt dech nur zwei Möglichkeiten: entweder die verbündeten Regierungen erklären sich damit einverstanden, daß die Altersgrenze bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zurückdatiert wird, oder sie können sich dazu nicht entschließen. In letzterem Falle können wir unter keinen Umständen einen bestimmten Antrag stellen. Die Sache liegt also so: Kommen die verbündeten Re⸗ gierungen zu dem Ergebnis, daß den Wünschen der Antragsteller ent⸗ sprochen werden kann, dann werden die Regierungen ihrerseits einen Gesetzentwurf mit Begründung vorlegen; kommen sie zu dem Er⸗ gebnis, daß sowohl die Verhältnisse der Versicherungsträger, als auch ie Verhältnisse des Reiches es nicht gestatten, dann legen sie dem ichstag eine Denkschrift vor. Diese Denkschrift wird zum Gegen⸗ ande einer Besprechung gemacht, und im Anschluß an diese Denk⸗ chrift kann der Reichstag seinerseits die entsprechenden Anträge stellen. Anders kann die Bestimmung nicht interpretiert werden, wenn sie etwas anderes bedeuten soll als die vorher abgelehnten Bestimmungen.

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Meine Herren! Ich glaube, die Auffassung des Herrn Abg. Dr. Südekum ist nicht zutreffend. Wir haben uns lediglich ver⸗ pflichtet, bis zum 1. Januar 1915 in diese Prüfung einzutreten. Verlangt der Reichstag, daß wir früher in diese Prüfung eintreten, so würden wir mit Bezugnahme auf diesen Artikel nicht widersprechen

(Sehr richtig! rechts)

62

Nachmittags 1 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Nach Erledigung der ersten beiden Punkte der Tages⸗ ordnung, worüber in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ist, wendet sich das Haus zur zweiten Beratung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrags zwischen dem Deutschen Reiche und Schweden.

Abg. Scheidemann (Soz.): Die Hartsteinindustriellen arbeiten mit Uebertreibungen, die wirklich hanebüchen sind. Dabei ist nach⸗ gewiesen, daß die deutsche Pflastersteinindustrie sich in den letzten 20 Jahren fortentwickelt hat, während die schwedische stillsteht. Die sächsischen und schlesischen Steinbruchbesitzer haben, wie mir noch heute brieflich mitgeteilt wird, versucht, ihre Arbeiter zu bestimmen, unsere Fraktion gegen den schwedischen Handelsvertrag mobil zu machen. Es sollten sogar Arbeiter nach Berlin geschickt werden, um unsere Fraktion in diesem Sinne zu bearbeiten! Diese Machenschaften haben sich hbis in den Reichstag binein erstreckt. Wie unfair man verfährt, beweist, daß ein gewisser Heinrich Krämer sich in einem Briefe an mich als Parteigenossen aufspielt und mir lebhafte Vorwürfe macht, als wenn ich zu wenig für die Interessen der Arbeiter eintrete. Man tut so, als wenn nur ein Teil der Arbeiter gegen den Zoll ist. Der Vorstand des Pflastererverbandes, der aller Steinarbeiter umfaßt, hat auf meine direkte Anfrage dies entschieden bestritten. Von dem Schreiber einer Eingabe für den Zoll wird gesagt, er sei sonst ein Roman⸗ schreiber. Nach semer blumenreichen Sprache ist das sehr glaubhaft. Daß die Schweden für ihre Pflastersteine Reklame machen, hat die deutschen Herren Unternehmer ganz aus dem Häuschen gebracht. Sie haben sich über die „schwedische Woche“ so aufgeregt, wie unsere Antisemiten über die „weiße Woche“ in den Warenhäusern. Diese Wochen sind doch nichts auffallendes, gehen doch sogar die Pferde⸗ schlächter so weit, eine „weiße Woche“ zu veranstalten, weil sie einen Schimmel geschlachtet haben! Die Steinbruchbesitzer spielen christlich gemütlich mit einem Zollkrieg gegen Schweden, als wenn dieser lange nicht so schlimm wäre, als wenn sie keinen Zoll bekämen. (Zwischenrufe rechts.) Selbst wenn alles, was die Interessenten sagen, so wahr wäre, wie es falsch ist, so würde doch nur feststehen, daß ein kleiner Teil von ihnen nicht den gewünschten Schutzzoll bekommt. Würde der Zoll aber ein⸗ geführt, so würde ein großer Teil der Steinarbeiter erheblich ge⸗ schädigt werden. Sie (zur wirtschaftlichen Vereinigung) spielen sich jetzt als Arbeiterfreunde auf, wo blieb Ihre Arbeiterfreundlichkeit aber noch letzthin bei der Verschlechterung des Mutterschutzes? Jetzt, wo es sich um die Pflastersteinindustrie handelt, entdecken sie plötzlich ihr gutes Herz. Wir beantragen in der Resolution über die Beeren⸗ lesescheine die Worte „oder wesentlich ermäßigt“ zu streichen. Wir sind für völlige Gebuͤhrenfreiheit dieser Scheine. Im übrigen stimmen wir der Resolution und dem Handelsvertrage zu.

Preußischer Minister der öffentlichen Arbeuen von Breitenbach:

Meine Herren! Aus den Erklärungen meines Kommissars in der Kommission dieses hohen Hauses diese Erklärungen liegen ja

wird. Eine weitergehende Bindung ist unmöglich.

auf der Drucksache Zu Nr. 1075 dem hohen Hause vor ergibt

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seits bestrebt gewesen ist, die Interessen der Hartsteinindustrie durch strebungen sind auch von Erfolg gekrönt gewesen, wie sich aus den zahlenmäßigen Angaben in dieser Drucksache ohne weiteres ergibt. Wenn sie nicht vollen Erfolg gehabt haben, so beruht das nicht zum

bekannt, auch heute noch bestehen. Diese insbesondere hinderten, daß wir zu einer einheitlichen Gestaltung der Tarife übergehen konnten. Ich bin aber bereit, auf Grund der vielfältigen Anregungen, die in den Kommissionsverhandlungen und auch in diesem hohen Hause gegeben worden sind, alsbald in eine erneute Prüfung aller dieser Anträge und Anregungen einzutreten, und zwar für alle Produktionsgebiete innerhalb des gesamten mir unterstehenden Ressorts, gleichviel, ob im Westen oder im Osten oder in der Mitte, gleichviel, ob rechts oder links des Rheins. Ich werde diese Prüfung eintreten lassen unter Fühlungnahme mit den beteiligten deutschen Staats- eisenbahnen, und ich werde sie meinerseits mit größtem Wohlwollen und Entgegenkommen behandeln. (Bravo! rechts.)

Hoffnung aussprechen, daß es gelingen möge, in der Zwischenzeit diese erheblichen Gegensätze in der Industrie selbst auszugleichen (sehr richtig!), weil erst dann auf einen nennenswerten Erfolg gerechnet werden kann. (Beifall.)

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Delbrück:

Meine Herren! Ich behalte mir vor, auf den Handelsvertrag und seine Einzelheiten, soweit das notwendig werden sollte, im ferneren Verlauf der Debatte noch einmal einzugehen.

Zunächst bitte ich nur im Anschluß an die Erklärungen, die der preußische Herr Minister der öffentlichen Arbeiten abgegeben hat, folgendes kurz bemerken zu dürfen. Der Herr Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten hat für die preußische Eisenbahnverwaltung eine baldige Prüfung der in der Kommission und vorher schon aus⸗ gesprochenen Wünsche wegen der eisenbahntarifarischen Behandlung der Pflastersteine in Aussicht gestellt. Er hat ferner in Aussicht gestellt, daß er in die Prüfung dieser Frage eintreten werde im Einvernehmen mit den übrigen deutschen Eisenbahnverwaltungen. Es ist also zu erwarten, daß schon auf diesem Wege nicht nur die preußischen, sondern auch die übrigen deutschen Eisenbahnverwaltungen mit der Angelegenheit befaßt werden. Ich werde aber nicht unterlassen, auch meinerseits durch Vermittelung der Bundesregierungen den übrigen deutschen Eisenbahnverwaltungen von den Verhandlungen der Kom⸗ mission eine Mitteilung zugehen zu lassen, und an diese Mitteilung den Wunsch knüpfen, daß sie nach Möglichkeit bemüht sein möchten, rasch und wirksam den Wuͤnschen der Interessenten entgegenzukommen. (Beifall.) b .

Abg. Wallenborn (Zentr.): Was die Steinindustrie anbetrifft, so kommt eine ganz erhebliche Zahl von Arbeitern und Arbeiterfamilien in Betracht. Wir wünschen, daß die Uneinigkeit unter den Inter⸗ essenten bald aufhöre, und daß sie einsehen möchten, daß sie durch Einigkeit weiter kommen. Die Erklärungen des preußischen Eisen⸗ bahnministers und des Staatssekretärs sind zu begrüßen. Ich werde mit Rücksicht auf die Interessen meines Wahlkreises gegen

den Handelsvertrag stimmen, und ich möchte den Abgeordneten sehen, der gegen die Interessen seines Wahlkreises stimmt.

Abg. Dr. Roesicke (dkons.): Die Annahme des Vertrages erscheint ja sicher, denn die einzelnen⸗Bestandteile der Mehrheit werden wie in der Kommission aus den verschiedensten, ja, aus entgegengesetzten Gründen dafür stimmen. Ueber seine Wirkung auf die deutsche Industrie läßt sich aber zurzeit noch absolut kein Urteil fällen. Auch unter meinen politischen Freunden sind die Meinungen geteilt. Einige sind der Meinung, daß die Versprechungen, die die beiden Regierungsvertreter soeben gemacht haben, wenn

sie ausgeführt werden, wohl binreichen könnten, die Nach⸗ teile, die der Hartsteinindustrie durch die schwedische Konkurrenz gemacht werden, bis zu einem gewissen. Grade auszugleichen. Die versprochenen Maßnahmen müssen aber so bald wie möglich in die Tat umgesetzt werden. Wenn Bundesstaaten und Reich sich bewußt sind, daß sie in erster Linie berufen sind, die deutsche Industrie zu unterstützen, insbesondere durch die fiskalischen Vergebungen im Reich und in den Einzelstaaten, wenn auch die Kommunen von derselben Auffassung ausgehen, so wird nach der Meinung dieses größeren Teils meiner Freunde auch die deutsche Pflasterstein⸗ industrie keinen nachhaltigen Schaden erleiden. Die Minderheit der Fraktion hält das nicht für gewahrleistet und wird gegen den Antrag stimmen. Wir beurteilen alle diese Frage objektiv und weisen die in dieser Beziehung von dem Abg. Scheidemann gegen uns erhobenen Vorwürfe und Verdächtigungen mit Entschiedenheit zurück, ebenso wie seine in Anknüpfung an die Beratung der Reichsversicherungs⸗ ordnung gegen uns gerichteten Angriffe bezüglich unserer angeblichen Arbeiterfeindlichkeit. Daß eine Beeinflussung des Ganges der Unter⸗ bandlungen zugunsten der Zollfreiheit der Pflastersteine durch Inter⸗ essenten im Kreise unserer Unterhändler nicht stattgefunden hat, sollte

Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat im Anschluß an die in der Kommission schon erörterten Behauptungen noch einmal die Frage erörtert, ob Persönlichkeiten in einflußreicher Stellung, die an dem Import schwedischer Steine interessiert sind, einen Einfluß auf den Gang der Handelsvertragsverhandlungen gehabt hätten. Er wünschte noch einmal von meiner Seite die Erklärung zu hören, daß eine derartige Beeinflussung nicht stattgefunden hat. Meine Herren, nachdem wir in der Kommission festgestellt haben, daß die auf eine bestimmte Persönlichkeit abzielende Behauptung unzu⸗ treffend ist, dürfte meines Erachtens eine nochmalige Erklärung des Inhalts nicht notwendig sein. (Hört, hört!) Ich gebe sie ab, um noch einmal ausdrücklich festzustellen, daß es in Preußen und im Reiche nicht üblich ist, daß die Träger von öffentlichen Aufträgen diese Aufträge dazu benutzen, um private Interessen zu vertreten. 8

Abg. Vogel (nl.): Die Mehrzahl meiner Freunde wird für den Vertrag stimmen. Allerdings bestehen auch bei uns Bedenken, weil nicht nur die Pflastersteinindustrie, sondern auch noch andere In⸗ dustrien nicht zu ihrem Rechte gekommen sind. Bei der Pflaster⸗ steinindustrie handelt es sich nicht allein um die Basaltindustrie, sondern auch um andere, namentlich in Sachsen, wie die Randstein⸗ induftrie, und in der Denkschrift zu dem Vertrage wird ausdrücklich hervorgehoben, daß die Erhöhung des Zolles für Randsteine besonders wertpoll sei. Die Kommission hat die ühle Lage der Pflasterstein⸗ industrie vollkommen anerkannt und deshalb auch Anträge zugunsten dieser Industrie gestellt. Dem Herrn Eisenbahnminister Lelemüber hebe ich hervor, die Steinindustrie in der Tariffrage einig geworden ist. Die französischen Frachtsätze sind niedriger als die deutschen. Ich hoffe, daß es der deutschen Regierung möglich se

wird, der Industrie auf diesem Gebiete zu helfen.

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und ganz unabhängig von Verhandlungen über Handelsverträge ihrer⸗ u

eine entsprechende Ausgestaltung zu fördern, und diese ihre Be⸗-

kleinsten Teil darauf, daß innerhalb dieser Industrie sehr G scharfe Interessengegensätze bestanden haben und, soviel mir 8

Ibre Brust schlagen. Der Abg. Roesicke hat es getan, seien Si also in Zukunft vorsichtiger mit Ihren Prophezeiungen von guten

Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit den Wunsch und die

uns hier nochmals ausdrücklich bestätigt werden.

industrie stehen sich die Interessen der verschiedensten Landesteile

Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Der Abg. Wallenborn hat gesagt, er wolle den Abgeordneten sehen, der gegen die Interessen seines Wahl⸗ kreises sticimte. Dieser Ausspruch steht im Widerspruch mit der Verfassung; da steht geschrieben: Der Abgeordnete ist Vertreter des ganzen Volkes. bin gewiß der Letzte, der einen Pflasterstein auf die Gegner der orlage wirft, aber die Interessen des größten Teils des Volkes müssen über den Interessen des Wahlkreises stehen. Ag. Roesicke ist nicht so offenherzig gewesen wie der Abg.

„allenborn. Dieselbe Regierung, die vor so vielen Forderungen der

Agrarier Kotau gemacht hat, muß sich jetzt sagen lassen, sie habe es nicht verstanden, einen günstigen Vertrag abzuschließen. Aller⸗ dings sind die Handelsverträge immer schlechter geworden, aber haben Sie (rechts) nicht gerade auf Grund des Zolltarifs von 1902 gute Handelsverträge voxrausgesagt? Da müßten Sie eigentlich an

8 Handelsverträgen auf Grund der guten Rüstung des Zolltarifs. Fetzt brauchen Sie einen Sündenbock, und den haben Sie in unseren Unterhändlern gefunden. Ich glaube, selbst ein Engel vom Himmel hätte die Steinberzen der Schweden nicht mehr zu rühren vermocht, als es unsere Unterhändler vermocht haben. Wie sollten denn die 8 Herren vorgehen 2 Schade, daß nicht statt ihrer die Abgg. Roesicke, Speck und Werner die Verhandlungen geführt haben; es wäre etwas Grobßartiges berausgekommen. Wer einigermaßen die Sache kennt, weiß, daß es sehr leicht ist, etwas zu fordern, und sehr schwer, etwas zu erreichen, wenn man nichts zu bieten hat. Unser Parteigenosse von Goethe sagt: „Mann mit zugeknöpften Taschen, dir tut niemand was zu lieb; Hand wird nur von Hand gewaschen, wenn du nehmen willst, so gib!“ Man hat unseren Unterhaändlern gesagt, wir sind nur Eure gelehrigen Schüler, Ihr habt die Zölle doch selber in die Höhe geschraubt. Der Abg. von Gamp sagte, der große Fehler beim üsterreichischen Handelsvertrag sei gewesen, daß man zu viel konzediert habe. Gewiß, hätte man noch geschickter operieren können, aber der Unterschied bei jenen Verträgen war, daß unsere Unter⸗ händler nicht mit gebundenen Händen an die Verhandlungen gingen. Ob der große Wilhelm Busch zu unseren Parteigenossen gezählt hat, Sich nicht genau; aber recht hat er, wenn er in seiner „Frommen delene“ sagt: „Und hüte dich vor allem Bösen; es macht Pläsier, wvenn man es tut, es macht Verdruß, wenn man's gewesen“. Es macht Pläsier, die Zölle zu erhöhen; aber wenn die anderen alle dem bösen Beispiel gefolgt sind, macht es Verdruß. So ist es mit unserem Vorangehen auf dem Gebiete des Protektionismus gekommen. Die Handelsvertragsverhandlungen sind dadurch so erschwert worden, daß ein günstiger Handelsvertrag überhaupt nicht mehr zu stande zu bringen ist. Der Kollege Vogel ist wohl über den Begriff der Zahlungsbilanz noch nicht vollständig im reinen; wir müssen heute unseren Export ganz überwiegend im Interesse der in der Industrie beschäftigten Arbeiter aufrecht erhalten. Darum brauchen wir die Sicherbeit unserer Ausfuhr; das ist unendlich viel wichtiger als der geringe Schutz, den wir ihnen geben können durch die Schutzzölle. Schutz und also Nutzen davon haben nur noch die großen kartellierten Industrien, niemand weiter; ob das ein Segen ist, ist mehr als zweifelhaft. Die großen Industrien erschweren im Inlande die Kon⸗ kurrenz und benutzen diesen Vorteil, ihre Produkte zu Schleuder⸗ preisen ins Ausland zu werfen. Die Pflastersteinindustrie ist in mißlicher Lage; diese beruht aber vor allem auf dem steigenden Be⸗ dürfnis der größeren Städte nach Verringerung des Straßenlärms. Das Asphalt⸗ und das Holzpflaster werden in immer wachsendem Umfange angewendet; die Steinvorräte der Städte lagern müßig, während die Buchenholzpreise eine enorme Preissteigerung erfahren haben. Der Resolution der Kommission stimmen wir zu. Es ist ein altes Recht des deutschen Volkes, Beeren und Pilze sammeln zu dürfen; dieses uralte Recht ist nach und nach beseitigt worden, und dringend notwendig wäre, daß auch die Besitzer größerer Forsten sich diese Resolution energisch binter die eigens dazu mitgebrachten Ohren schreiben sollten, namentlich gewisse Mitglieder des preußischen Herren⸗ hauses, die seinerzeit so entschieden das Recht für sich reklamierten, einen Entgelt für die Erlaubnis zum Beeren⸗ und Pilzesammeln zu fordern. Wir werden aus der Not eine Tugend machen und auch diesen ungünstigen Vertrag annehmen.

Abg. Freiherr von Gamp (Rp.): Dem Vorredner ist es un⸗ möglich, eine sachliche Debatte ohne persönliche Spitze zu führen; ich konzediere ihm dafür ohne weiteres mildernde Umstände. Er hatte keine Veranlassung, seine Blicke auf den Zolltarif von 1902 zurückzulenken; denn gerade er hat sich damals in den unglaublichsten Propbezeiungen über dessen Wirkungen bewegt. Aus unserer Export⸗ industrie kann der Abg. Gothein aber seben, daß alle seine Prophe⸗ g nicht eingetroffen sind. (Unruhe links und lebhafter Widerspruch des Abg. Gothein.) Aber dem Abg. Gothein Vor⸗ haltungen zu machen, finde ich nutzlos. Wenn wir gar keine Zölle hätten, wo hätten wir dann Kompensationsobjekte dem Auslande gegen⸗ üͤber herbekommen sollen. Mit dem eigentlichen Gegenstand unserer Beratung hat sich der Abg. Gothein verhältnismäßig wenig beschäf igt. Die große Mehrzahl meiner Freunde wird für diesen Handelsvertrag stimmen. Wir haben allerdings auch manche Bedenken gehabt; daß aber nicht alle Industrien in einem Handelsvertrage befriedigt werden können, ist selbstverständlich. Es ist bedauerlich, daß die Hartsteinindustrie nicht berücksichtigt ist, aber die Vorteile des Vertrages sind so wichtig, daß wir wegen dieser geschädigten Interessen den Vertrag nicht ablehnen können. Die Pflasterstein⸗ industrie hat in ihrer Entwicklung überhaupt manche Phasen durch⸗ gemacht; die Städte haben die Neigung, zu besserem Pflaster über⸗ zugehen, und es ist eine Kunststeinindustrie in großem Umfang ent⸗ standen. Ich bin auch zweifelhaft, ob sich die Pflasterstein⸗ industrie nicht durch die Art ihrer Agitation geschadet hat. In der Kommission war ein sachverständiges Mitglied aus der Stein⸗ industrie erstaunt, als es hörte, welche Tarifermäßigungen schon eingetreten sind. Das Mitglied führte aus, daß die Interessenten eine Herabsetzung der Tarife wünschten, die mindestens die Zölle ausgleichen könnte, und der Kommissar wies darauf nach, daß schon jetzt die Ermäßigungen bei 150 Kilometer Entfernung höher wären als die bisherigen Zölle, und daß bei Entfernungen von 200 bis 300 Kilometer die Frachtersparnis bis zu 33 beträgt. Die Steinindustrie ist auch unter sich nicht einig, und die Interessen⸗ gegensätze werden durch Tarifänderungen noch verschärft, denn bei dieser weit zerstreuten Industrie werden die Konkurrenzverhältnisse durch Tarifermäßigungen wieder verschoben. Eine Eingabe von ver⸗ schiedenen Verbänden dieser Industrie aus den verschiedensten Landes⸗ teilen findet in der Tarifermäßigung kein geeignetes Mittel, um dieser Industrie zu nützen. Zwei Mitglieder der Kommifsion haben sehr energisch dagegen protestiert und einen großen Schaden für die von ihnen vertretenen Industrien darin erblickt. Die Resolution der Kommission ist auch nicht so zu ver⸗ stehen, als ob eine allgemeine Tarifberabsetzung eintreten soll, sondern nur dahin, daß geprüft werden soll, ob eine Tarif⸗ regulierung den Interessen der Hartsteinindustrie entsprechen würde, ohne andere Interessen zu schädigen. In bezug auf die Preißel⸗ beeren kommt auch das Interesse der Waldbesitzer in Frage, und das sind auch im Herrenhause sehr vornehme Leute (Abg. Gotbein: Zu vornehm!), sehr intelligente, erstklassige Leute. Ich verstehe es sehr gut, daß man als Besitzer sich das Recht nicht nehmen lassen will, über seinen Wald zu verfügen. Es kommt darauf an, die Feuersgefahr von den Wäldern fernzuhalten. Werden die Wälder freigegeben, so werden sich die Waldbrände vermehren. Deshalb wollen auch sehr wohlwollende Waldbesitzer nicht auf die Beeren⸗ scheine verzichten und nicht jedermann in ihren Wald hereinlassen. Der sozialdemokratische Vorschlag zu dieser Resolution der Kommission nützt der Sache nichts. Ich bitte, es bei dem Wortlaut der Kom⸗ missionsresolution zu belassen.

Abg Dr. Werner⸗Gießen (Wirtsch. Vgg.): In der Stein⸗

gegenüber, und es ist nicht möglich, einen Frachttarif zu gewähren, der allen Interessen gerecht wird. Der Vorsitzende des sozialdemo⸗ kratischen Steinarbeiterverbandes hat sich n einem Briefe über⸗

zeugt, daß durch die Herabsetzung des Zolls auf Werksteine die

deutsche Granitindustrie geschädigt werden würde. Durch den Mangel

eines Zolles würden die Arbeiter der Steinindustrie brotlos werden. Den Abg. Gothein mache ich darauf aufmerksam, daß sich gerade unter der Zollmauer die amerikanische Industrie so günstig entwickelt hat. Abg. Graefe (D. Reformp.): Man hälte von Schweden ganz andere Zugeständnisse herausholen können, das Schicksal der Pflaster⸗

5 2 :

steinindustrie scheint nun aber besiegelt zu sein. Hier ist die letzte Gelegenheit gewesen, und nun fragt es sich, ob sie noch Kraft haben wird, sich wieder zu erheben. Es handelt sich auch nicht allein um die Pflastersteinindustrie selbst, sondern um viele andere Betriebe, mit denen sie unzertrennlich verbunden ist. Es heißt, mit dem Pflastersteinzoll hätte der schwedische Reichstag den Vertrag ab⸗ gelehnt, aber wo bleibt denn der deutsche Reichstag? Die Schuld haben die Parteien, die damals nicht für die Resolution zu Gunsten des Pflastersteinzolles kräftig genug eingetreten sind oder sogar dagegen gestimmt haben; die Volkspartei trägt die Schuld, daß wir Pflastersteinzoll nicht bekommen haben.

Ein Schlußantrag wird angenommen.

Die Abgg. Becker⸗Cöln (Zentr.) und Sir⸗Oberpfalz (Zentr.) bedauern, infolge des Schlusses nicht mehr die Interessen der In⸗ dustrien ihrer Wahlkreise vertreten zu können.

Nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen wird der schwedische Handelsvertrag in seinen einzelnen Teilen nebst dem Schlußprotokoll und den Tarifen genehmigt.

Zu den von der Kommission vorgeschlagenen Resolutionen nimmt das Wort der

Abg. Kuntze (Soz.), um auch seinerseits zu befürworten, daß in der ersten Resolution die Worte: „oder wesentlich ermäßigt werden“ gestrichen werden.

Die Resolutionen werden unverändert angenommen.

Hierauf beschließt um 3 ¾ Uhr das Haus auf Vorschlag des Präsidenten, die Verhandlungen auf ½¼ Stundew bis 4 ½ Uhr zu unterbrechen. (Dies geschieht, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, über die heute vormittag in der XVI. Kommission gefaßten Beschlüsse zu den ihr gestern noch⸗ mals überwiesenen Artikeln 30 32 c des Einführungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung Stellung zu nehmen. 8

Um 5 Uhr werden die Verhandlungen wieder auf⸗ genommen. Zur zweiten Beratung steht der Gesetzentwurf, be⸗ treffend die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zu Japan.

Die 23. Kommission hat die Vorlage zur Annahme empfohlen. Der Bundesrat wird dadurch ermächtigt, den neuen Handelsvertrag mit Japan, falls er zu einer Zeit zu⸗ stande kommt, wo der Reichstag nicht versammelt ist, vorläufig in Kraft zu setzen.

Ohne Debatte wird das Abkommen einstimmig ge⸗ nehmigt.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, be⸗ treffend die Tagegelder, die Fuhrkosten und Umzugs⸗ kosten der Kolonialbeamten.

Referent der Budgetkommission über die Vorlage ist der Abg. Erzberger (Zentr.).

Die Vorlage wird in der Kommissionsfassung ohne Debatte angenommen und folgende Resolution beschlossen:

Den Herrn Reichskanzler zu ersuchen, die im Reisekostengesetz

für die Kolonialbeamten niedergelegten Grundsätze für die Reichs⸗

beamten und Offiziere im Laufe dieses Etatsjahres entsprechend anzuwenden.

84 Hierauf wird die zweite Beratung des Einführungs⸗ gesetzes zur Reichsversicherungsordnung fortgesetzt. Die Kommission hat über die an sie zur nochmaligen Beratung zurückverwiesenen Artikel 30 bis 32 c heute vormittag beraten und ihnen folgende Fassung gegeben: . Art. 30.

Vorbehaltlich des § 362 Abs. 2 der Reichsversicherungs⸗ ordnung unterstehen der Dienstordnung auch die bei ihrem Erlasse schon vorhandenen Kassenangestellten, soweit sie nicht nach Landes⸗ recht staatliche oder gemeindliche Beamte sind, oder deren Rechte und Pflichten nach § 359 der Reichsversicherungsordnung erhalten.

Für diese Angestellten gilt alles, was die Reichsversicherungs⸗ ordnung für die nach ibr der Dienstordnung unterstehenden An⸗ gestellten vorschreibt. Die nach der Reichsversicherungsordnung zulässigen Vertragsbestimmungen über Kündigung oder Entlassung, die mit diesen Angestellten vor dem 1. Juli 1910 vereinbart worden sind, bleiben aufrecht erhalten, soweit nicht Art. 31 bis 32 b entgegenstehen.

Der Dienstordnung unterstehen nicht die Kassenangestellten, die bis zu deren Inkrafttreten den Dienstvertrag kündigen. Tut dies ein Angestellter, so endigt das Dienstverhältnis mit Ablauf von 6 Monaten oder, wenn er nach dem Vertrage zu einem früheren Tage kündigen kann, mit diesem.

Art. 31.

Uebersteigen die Bezüge eines Angestellten, der nach Art. 30 der Dienstordnung unterstellt ist, die Satze des Besoldungsplans, so sind die Bezuge fortzuzahlen, wenn sie vor dem 1. Januar 1908 oder gemäß einer vor diesem Tage aufgestellten Besoldungs⸗ ordnung in dieser Höhe vereinbart worden sind oder wenn es die Dienstordnung bestimmt.

Im übrigen kann das Versicherungsamt (Beschlußausschuß) auf Antrag des Kassenvorstandes genehmigen, daß sie fortgezahlt werden. Der Antrag kann nur binnen einem Monat nach Inkraft⸗ treten der Dienstordnung gestellt werden. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Bezüge zu den Sätzen des Besoldunnsplans in einem auffälligen Mißverhältnis stehen. Im übrigen kann die Genehmigung versagt werden, soweit der Wert der Bezüge den der Bezüge nach dem Besoldungsplan um mehr als den vierten Teil übersteigt, oder erst nach dem 1. Juli 1910 vereinbart worden ist.

Wird die Genehmiaung versagt, so hat der Kassenvorstand di Beschwerde an das Oberversicherungsamt (Beschlußkammer). Diese entscheidet endgültig.

Was hiernach für die Bezüge eines Angestellten gilt, gilt auch für seine Anwartschaft auf⸗Ruhegeld, Wartegeld oder ähnliche Bezüge, sowie auf Fürsorge für seine Hinterbliebenen.

8 Art. 31 a.

Können die höheren Bezüge nach Art. 31 nicht weitergezahlt werden und erklärt sich der Angestellte nicht bereit, das Vertrags⸗ verhältnis nach dem Tage, zu dem ihm frühestens gekündigt oder er entlassen werden kann, unter den Bedingungen des Besoldungs⸗ plans fortzusetzen, so hat der Kassenvorstand so zeitig als möglich von seinem Kündigungs⸗ oder Entlassungsrechte Gebrauch zu machen. § 367 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung gilt ent⸗

Art. 32. ö

8 Das Versicherungsamt (Beschlußausschuß) kann binnen zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Dienstordnung anordnen, daß einem ihr nach Art. 30 unterstellten Angestellten, dessen Fach⸗ kenntnisse und Leistungen für seine Stelle offenbar nicht ausreichen, im Dienste der Kasse eine andere Stelle zugewiesen wird, die seinen Fachkenntnissen und Leistungen entspricht. Voraussetzung ist, daß nicht der Angestellte in seiner oder einer ähnlichen Stelle hri der Kasse bereits seit langer als 5 Jahren tätig ist. Auf einen Mangel an Fachkenntnissen darf nicht aus dem Umstande geschlossen werden, daß der Angestellte keinen bestimmten Bildungsgang zurückgelegt hat.

as Versicherungsamt kann zugleich bestimmen, daß dem An⸗ gestellten seine höheren Bezüge zu belassen sind, soweit sie nicht in

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zuffälligem Mißverhältnis zu den Sätzen stehen, die der Be⸗ soldungsplan für die neu zugewiesene Stelle vorsieht.

Vor Erlaß der Anordnung sind der Kassenvorstand und der Angestellte zu hören; sie ist beiden zuzustellen. Auf Beschwerde entscheidet das Oberversicherungsamt (Beschlußkammer), und auf weitere Beschwerde das Reichsversicherungsamt (Beschlußsenat). Die Frist für die Beschwerde und für die weitere Beschwerde beträgt je eine Monat.

Der Angestellte hat binnen einer Frist von einem Monat nach Zustellung der endgültigen Anordnung dem Kassenvorstand zu er⸗ klären, ob er bereit ist, die Stelle zu übernenmen. Erklärt er sich nicht bereit, so hat ihm der Vorstand das Vertragsverhältnis mit einer Frist von 6 Monaten zu kündigen. Kann er das Vertrags⸗ verhältnis schon zu einem früheren Tage lösen, so hat er von seinem Kündigungs⸗ oder Entlassungsrechte so zeitig als möglich Gebrauch zu machen. § 367 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung gilt entsprechend.

Art. 32 a.

versicherungsordnung treten sofort in Kraft für alle Angestellten, die künftig der Dienstordnung unterstehen sollen. Dabei treten, o lange die Versicherungsämter und die Oberversicherungsämter noch nicht errichtet sind, an Stelle der Versicherungsämter die Schiedsgerichte für Arbeiterversicherung, an die Stelle der Oberversicherungsämter das Reichsversicherungsamt (Landes⸗ versicherungsamt).

Für das Verfahren 1 risten gelten entsprechend die Vorschriften der Reichsv gsordnung über das Spruch⸗ verfahren. Der Reichstanzler kann hierüber Näheres bestimmen.

Art. 32 b. Reechtshandlungen, die nach dem 1. Januar 1908 vorgenommen sind, sind unwirksam, soweit sie die Durchführung der Art. 30 bis 32 a vereiteln, oder wesentlich erschweren. Das gleiche gilt für die vor dem Inkrafrtreten der Dienstordnung getroffenen Vertrags⸗ bestimmungen, welche vermögensrechtliche Streitigkeiten zwischen den Krankenkassen und den Angestellten wegen oder aus Anlaß der Kündigung oder Entlassung den ordentlichen Gerichten entziehen. Art. 32 c.

Hat ein Angestellter in der Zeit zwischen dem 30. Mai 1911 und dem Inkrafttreten dieses Gesetzes seine Kündigung oder Ent⸗ lassung erhalten, so hat, wenn er es bis zum 14. Tage nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes beantragt, der Kassenvorstand erneut über die Kündigung oder Entlassung zu beschließen; die frühere Kündigung oder Entlassung wird, falls sie nicht endgültig bestätigt wird, unwirksam.

3 . Art. 32 d. 1

Vertragsverhältnisse, die beim Inkrafttreten der Reichs⸗

ersicherungsordnung zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern estehen, enden spätestens zwei J

ver bes diesem Zeitpunkt, soweit sie der Anwendung des § oder des § 381 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung entgegenstehen.

Abg. Bebel (Soz.): Ich habe namens meiner Fraktion eine Er⸗ klärung abzugeben. Die Verhandlungen in der Kommission am heutigen Vormittag haben ergeben, daß die Bedenken, die wir gegen den Antrag Schultz hatten, durchaus berechtigt sind. Es sind aber im Laufe der Verhandlungen eine Reihe von Verbesserungsvorschlägen in den Antrag hineingekommen, die unsere Bedenken wesentlich ab⸗ geschwächt haben. Unseres Erachtens waren die Befürchtungen, die die Herren zur Stellung ihres Antrages veranlaßt haben, durchaus nicht berechtigt. Es ist nach unserer Auffassung auch durchaus keinerlei Beweis erbracht, daß ein solcher Antrag, wie er gestern ein⸗ Femcht wurde, notwendig war. Aber wie gesagt, die vorgenommenen Aenderungen haben unsere Befürchtungen im wesentlichen abgeschwäͤcht. Wir werden zwar, wie gegen das ganze Gesetz, auch gegen diesen An⸗ trag stimmen, aber wir sehen uns veranlaßt, nunmehr jedes Bedenken i bezug auf die Weiterberatung jetzt in dritter Lesung zurückzustelle wir erwarten aber, daß die Herren uns in der dritten Lesung nicht noch mit Anträgen überraschen.

Berichterstatter Abg. Dr. Dröscher (dkons.): Nach dieser Erklärung glaube ich in Ihrer aller Sinne zu handeln, wenn ich mich sehr kurz fasse. Die Kommission ist heute morgen nach einer anfangs aller⸗

einer ruhigen geklärten Sachlage geführt hat, zu der Ueberzeugung

nicht beabsichtigt war. Wir sind sogar so weit gekommen, daß die Minderheit ihren Widerspruch gegen die Anträge und das, was da durch herbeigeführt werden sollte, hat fallen lassen. Die Anträge be

schriften über die Anstellung, Kündigung und Entlassung der Beamten möglichst bald in Kraft treten zu lassen.

Abg. Hoch (Soz.): Wir halten unseren Antrag auf Streichung d Art. 30, den wir mit Rücksicht auf die allgemeinen Vorschriften für überflüssig halten, aufrecht und werden gegen diesen Artikel stimmen.

Damit schließt die Diskussion.

Artikel 30 wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten in der Kommissionsfassung aufrecht erhalten, die übrigen Artikel des neuen Kommissionsvorschlages werden ohne Debatte an⸗ genommen. 11“ 8

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Schluß 4 4 Uhr.

Konsulaten, der Abkommen über die Bergung von Schiffen in Seenot usw., des Niederlassungsvertrags mit der Schweiz, des

Handelsvertrag mit Japan, der Novelle zum Zündwarensteuer⸗

die Herbstsession).

189. Sitzung vom Mittwoch, 31. Mai 1911, Nachmittags 5 Uhr.

Auf der Tagesordnung stehen 10 dritte Lesungen, und zwar zunächst diejenige des Einführungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung. Eine Debatte ergibt sich nicht mehr; in der Gesomtabstimmung wird es, nachdem ein Antrag von Gamp auf mamentliche Abstimmung wieder zurückgezogen ist, gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und einiger Mitglieder der fortschrittlichen Volkspartei end⸗ gültig genehmigt.

Ebenso genehmigt das Haus endgültig ohne Debatte: 1) die Vorlage, betreffend die Schiffsmeldungen bei den deut⸗ schen Konsulaten, 2) die jnternationalen Uebereinkommen über das Seerecht zur einheitlichen Feststellung von Regeln über den Zusammenstoß von Schiffen und über die Hilfe⸗ leistung und Bergung in Seenot, 3) den Nieder lassungsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft und den Vertrag mit der Schweiz wegen Regelung von Rechtsverhältnissen der beiderseitigen Staatsangehörigen im Gebiet des anderen vertrag⸗ schließenden Teils, 4) den Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Schweden, 5) den Gesetzentwurf, betreffend die vorläufige Regelung der Handelsbeziehungen zu Japan, 6) den Gesetzentwurf, betreffend die T agegelder, die Fuhr⸗ kosten und Umzugskosten der Kolonialbeamten, 7) den Gesetzentwurf wegen Aenderung des Zündwarensteuergesetzes, 8) die Vorlage,

betreffend die Beseitigung von Ke Hern, und 9) d 11“ ü8 8 1 8

11A1“

Die §§ 361 a, 361 b, 363 b Abs. 2—6, § 368 der Reichs⸗

dings außerordentlich lebhaften Eroörterung, die aber sehr bald zu

gekommen, daß etwas Boses und Unberechtigtes mit dem Antrag

zwecken nur, die in der Reichsversicherungsordnung enthaltenen Vor⸗

Nächste Sitzung präzise 5 Uhr (dritte Lesung der Entwürfe des Einführungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung, der Vorlage, betreffend die Schiffsmeldung bei den deutschen

schwedischen Handelsvertrags, der Vorlage, betreffend den

gesetz, des Gesetzentwurfs über die Beseitigung von Tier⸗ kadavern und der Vorlage wegen Gewährung von Diten für

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