1911 / 139 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 14

der Preußischen Gesetzsammlung enthält unter

Nr. 11 122 die Verordnung, betreffend das Inkrafttreten

des Gesetzes vom 27. Mai 1906, vom 30. Mai 1911, unter

Nr. 11 123 die Verordnung, betreffend das Inkrafttreten

des Gesetzes vom 16. Juni 1909, vom 6. Juni 1911, unter

Nr. 11 124 den Allerhöchsten Erlaß, betreffend den Rang der Oberwachtmeister und der Wachtmeister der Königlichen

Polizeiverwaltungen, vom 15. Mai 1911, und unter

Nr. 11 125 die Verfügung des Justizministers, betreffend anderweite Bestimmungen über die Bildung von Ortsgerichts⸗ bezirken im Oberlandesgerichtsbezirke Frankfurt a. M., vom

31. Mai 1911. Berlin W., den 15. Juni 1911. Königliches Gesetzsammlungsamt. Krüer.

Deutsches Reich. Preußen. Berlin, 15. Juni.

In der am 14. Juni unter dem Vorsitz des Staats⸗ ministers, Staatssekretärs des Innern Dr. Delbrück ab⸗ gehaltenen Plenarsitzung des Bundesrats wurde dem vom Reichstag angenommenen Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Tagegelder, die Fuhrkosten und die Umzugskosten der Kolonialbeamten, die Zustimmung erteilt. Von den Be⸗ schlüssen des Reichstags zu dem Entwurf eines Gesetzes, be⸗ treffend die Schiffsmeldungen bei den Konsulaten des Deutschen Reichs, zu dem am 13. November 1909 in Bern unter⸗ zeichneten Niederlassungsvertrage zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft und zu dem am 31. Oktober 1910 in Bern unterzeichneten Vertrage zwischen dem Deutschen Reich und der Schweizerischen Eidgenossen⸗ schaft, betreffend Regelung von Rechtsverhältnissen der beiderseitigen Staatsangehörigen im Gebiete des anderen vertragschließenden Teiles, wurde Kenntnis genommen. Zu den Beschlüssen des Reichstags zur Reichshaushaltsüber⸗ sicht für 1907, zu den Allgemeinen Rechnungen über den Reichshaushalt für die Rechnungsjahre 1905 und 1906, zu den Rechnungen über den Haushalt der afrikanischen Schutz⸗ gebiete usw. für 1901, 1902 und 1903, zu der Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der afrikanischen Schutzgebiete usw. für 1906 sowie zu den Uebersichten der Einnahmen und Ausgaben des Schutzgebiets Kiautschou für 1907 und 1908 nahm die Versammlung Stellung. Annahme fanden die Vorlage, betreffend Aenderung der Zuckersteuerausführungs⸗ bestimmungen, die Vorlage, betreffend Ausführung des Ge⸗ setzes wegen Aenderung des Zündwarensteuergesetzes, die Vor⸗ lage, betrxeffend Leuchtmittelsteuerausführungsbestimmungen, die Vorlage, betreffend Aenderung und Ergänzung der Zünd⸗ warensteuerausführungsbestimmungen und der Zündwarenlager⸗ ordnung, die Vorlage, betreffend Aenderung der Ausführungs⸗ bestimmungen zu § 17 des Weingesetzes, die Vorlage, betreffend die weitere Amtsdauer der nichtständigen Mitglieder des Reichs⸗ versicherungsamts aus dem Stande der Arbeitgeber und der

Versicherten, und die Vorlage, betreffend weitere hgseeFeggs⸗ bestimmungen zum Gesetz über den Absatz von Kalisalzen. Außerdem wurde über eine Reihe von Eingaben Beschluß gefaßt.

Preußisches Staatsschuldduch.

Am 15. Juni ist ein Jahr vergangen, seitdem das neue Staatsschuldbuchgesetz von 1910 in Kraft getreten ist. Das Gesetz bezweckte, die Benutzung des Schuldbuchs durch das

Publikum durch eine Reihe von Vereinfachungen zu fördern. Ist das Ziel erreicht worden? Nach dem Ergebnis des Rech⸗ nungsjahres 1910 läßt sich dies mit Bestimmtheit bejahen.

Vom 1. April 1905 bis zum 1. April 1910 stieg die Zahl der eingetragenen Konten von rd. 34 000 auf rd. 49 000, also jährlich um durchschnittlich 3000. Im Jahre 1910 ist sie auf rd. 55 000, also um 6000 angewachsen. Von 1905 bis 1910

erhöhte sich die eingetragene Summe jährlich durchschnittlich um 136 Millionen Mark, dagegen im Jahre 1910 um mehr als das Doppelte, nämlich um rund 280 Millionen Mark. Von der gesamten Staatsschuld sind jetzt 31,6 Prozent durch Eintragung im Schuldbuche festgelegt, 1905 waren es nur 25,4 Prozent, zu Beginn des Jahres 1910: 27,9 Prozent. eingetragenen Summen betrugen: am 1. 4. 1905: rd. 1,78 Milliarden Mark, 1. 4. 90 8 8 8 „J 1““ 8 8

Die Steigerung im Laufe des Jahres 1910 ist um so bemerkenswerter, als in diesem Jahre keine neue Anleihe zur Feichnung aufgelegt ist, während in den früheren Jahren die

Vorteile, die den Zeichnern bei Eintragung in das Schuldbuch gewährt zu werden pflegen, einen besonderen Anreiz zur Ein⸗

tragung boten. Die erhöhte Benutzung des Schuldbuchs läßt

sich daher im wesentlichen auf dies neue Gesetz zurückführen.

Die Hauptneuerung des Gesetzes von 1910 besteht darin, daß Schuldbuchforderungen nicht nur gegen Einreichung von Konsols, sondern auch auf Grund von Bareinzahlungen bei der Königlichen Seehandlung (Preußische Staatsbank) eingetragen werden können; die Einzahlungen werden durch jeden Bankier, viele öffentliche Kassen im Postscheckverkehr durch jedes Postamt vermittelt. Von diesem Verfahren ist in erfreulichem Umfange Gebrauch gemacht worden: vorn 15. Juni 1910 bis zum 31. März 1911 sind auf Grund von Bareinzahlungen Schuldbuchforderungen in Höhe von rund 87,4 Millionen Mark begründet worden. Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist hierbei zu bemerken, daß sich die Staatsschuld nicht etwa um diesen Betrag ver⸗ mehrt hat; die Seehandlung hat vielmehr für fast die ganze Summe Stücke aus dem Markte entnommen und vernichten lassen. Die Höhe der Bareinzahlungen zeigt jedoch, daß das neue Verfahren wohl geeignet ist, die durch Emission von An⸗ leihen zu beschaffenden Beträge herabzumindern.

Von den übrigen Neuerungen des Gesetzes von 1910 hat es besonderen Anklang bei dem Publikum gefunden, daß eine 8 vwnung Person z. B. die Ehefrau eingetragen werden

ann, die nach dem Tode des Hauptberechtigten lediglich gegen Vorlegung der Sterbeurkunde ohne sonstige Förmlichkeiten der Erbeslegitimation über die Forderung verfügen kann.

Der Wirkliche Oberkonsistorialrat einer dienstlichen Reise zurückgekehrt.

Laut Meldung des „W. T. B.“ sind vorgestern S. M. S. „Otter“ in Itsehang und S. M. S. „Bremen“ in Halifax angekommen. 8 8 8

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8 Potsdam, 15. Juni. Am heutigen Todestage Seiner Majestät des Kaisers Friedrich war das Mausoleum bei der Friedenskirche festlich geschmückt. Ihre seeer der Kaiser und die Kaiserin trafen, „W. T. B.“ zufolge, Vormittags dort ein und legten einen großen Lorbeerkranz mit weißen Rosen nieder. Später erschien Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz und legte für sich und seine Gemahlin einen Kranz nieder. Das Kaiserpaar ließ am heutigen Todes⸗ tage Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Friedrich Karl von Preußen auch in der Gruft der Waldkirche Nikolskoe einen Kranz niederlegen, desgleichen Ihre König⸗ lichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessi Friedrich Leopold. ““ 1““

6 Großbritannien und Irland.

Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Sir Edward Grey hat gestern dem Pnkerzause ein Seeprisengese vorgelegt, das, „W. T. B.“ zufolge, in erster Lesung forme angenommen wurde. Diese Maßregel ist notwendig, um die Londoner Deklaration in Wirksamkeit treten zu lassen.

Frankreich.

Der Ministerrat hat die Prüfung der Abgrenzungen der Weingebiete gestern nachmittag begonnen und, „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, unverzüglich einen Gesetz⸗ entwurf vorzulegen, der den Zweck hat, in der Frage der Ab⸗ grenzungen auf das allgemeine Recht zurückzugehen, das heißt zum Gesetz von 1824, wonach die Erzeugnisse auf Grund der Ursprungs⸗ bezeichnung geschützt werden. Die Hauptpunkte des Gesetzentwurfs sind die folgenden: 1) Abschaffung der durch das Gesetz von 1908 eingesetzten administrativen Abgrenzung und Ersetzung derselben durch die juridische Abgrenzung; 2) Ergänzungsmaßnahmen sur Unterdrückung von Warenfälschungen; 3) wirksamer Schutz er Ursprungsbezeichnung; 4) eine Bestimmung, nach der den Grundbesitzern und den Syndikaten der Erzeuger die Möglich⸗ keit eines gerichtlichen Verfahrens gegeben werden soll. Der Gesetzentwurf wird noch vor Ende dieses Monats dem Parlament vorgelegt werden.

Der Senat genehmigte gestern alle Kapitel des

Budgets der auswärtigen Angelegenheiten und wandte sich dann der Besprechung der Interpellation über die Polizeimaßnahmen in Marokko zu. 8 Bei der Begründung der Interpellation erklärte der Senator Jönouvrier laut Bericht des „W. T. B.“ das vorsichtige Vor⸗ gehen des Generals Moinier für berechtigt, machte aber der Regierung Vorwürfe, weil sie die Kolonne des Generals Toutée zurückgehalten habe, statt sie auf Tazza marschieren zu lassen. Im weiteren Ver⸗ laufe seiner Rede sagte Jéönouvrier: wenn die Verträge Frankreich verpflichteten, Spanien von seinen Absichten in Marokko in Kenntnis zu setzen, verpflichteten die Verträge auch Spanien die Zustimmung Frankreichs zu einem Vorgehen nachzusuchen. Man hätte den Zwischenfall von Larrasch verhindern können, wenn man nach Tazza marschiert wäre, das den Weg nach Fes beherrsche. Der Redner schloß mit der Erklärung, daß es unumgänglich notwendig sei, zum Vorteil aller Nationen auf dem wichtigen Weg, der von Algier über Fes nach Casablanca führe, Sicherheit und Ordnung zu schaffen. Der Minister des Aeußern Cruppi verteidigte die humane und groß⸗ mütige Intervention Frankreichs in Fes, die mit der Zustimmung der zivilisierten Welt und mit der warmen und ständigen Sympathie der Freunde Frankreichs unternommen worden fer „Wir sind nach Fes gegangen“, fuhr der Minister fort, „nicht nur auf Grund des Polizeimandats, das uns in Algeciras erteilt worden ist, sondern auch auf Grund der Rechte, die sich aus unserer Besetzung Algeriens ergeben, und auf die dringenden und wiederholten Aufforderungen des Sultans hin, der die Souveränität und Integrität Marokkos repräsentiert. Frankreich hat die Pflicht der Menschlichkeit gegenüber den in Fes bedrohten Instrukteuren und L1“ in Gefahr befindlichen europäischen Kolonien in reichem Maße erfüllt.“ Der Minister erinnerte daran, wie er Widerstand geleistet habe, als von Interpellanten eine Züchtigung der Zaërs gefordert worden sei, denn er habe einen Brand nicht vorzeitig an⸗ fachen wollen. Cruppi erinnerte ferner an die beunruhigenden Be⸗ richte des Konsuls Caillard, an die Ermordung der Postläufer und an die Glückwünsche, die der deutsche Konsul an Boisset gerichtet habe. Alles dies habe die Entsendung einer Entsatz⸗ abteilung gerechtfertigt. Die ganze Welt gestehe durch die Algeciras⸗ akte Frankreich eine besondere Rolle zur Ausführung der Reformen zu, aber Frankreich müsse auch die Integrität des marokkanischen Reiches und die Souveränität des Sultans respektieren. Cruppi stellte fest, daß, wenn Frankreich nach Tazza gegangen wäre, es ge⸗ zwungen gewesen wäre, die nicht unterworfenen Stämme jenseits dieser Stadt zu unterwerfen. Das aber hätte geheißen, den Weg der Er⸗ oberung beschreiten; Frankreich habe mithin nicht nach dieser Richtung marschieren können, außer im Falle der unumgäng⸗ lichsten Notwendigkeit. Es sei somit klug gewesen, duich die Schauja vorzurücken. Durch Ueberschreitung der Muluja hätte Frank⸗ reich die Algecirasakte nicht verletzt. Es habe die politische und recht⸗ liche Möglichkeit gehabt, von beiden Seiten vorzugehen. Aber das sei eine Frage der Taktik und Orpercräetst gewesen. Es sei überdies eine Brücke über die Muluja erbaut worden, die ein ausgezeichnetes Mittel zur Durchdringung und Zivilisierung Marrokkos bilden werde. Cruppi erinnerte sodann an den bewunderswerten Marsch Moiniers und gab bekannt, was Moinier unternehmen werde, nachdem er die Unterwerfung von Mekines erreicht habe. Die Regierung werde un⸗ abänderlich an den getroffenen Maßnahmen festhalten. „Wir wollen keine neuen Gebiete erwerben, sagte der Minister, „aber es genüagt nicht, daß unsere Truppen zurückkehren. Denn durch neue Zwischenfälle würden sie nach Marokko zurückgeführt werden. Wir werden eine scherifische Armee schaffen, wir werden die Durchführung von Reformen weiter verfolgen, wir werden die Polizei organisieren, die Ordnung sichern zum Vorteil aller und die Autorität des Sultans wieder herstellen. Wir werden die Politik der freien Tür und der wirtschaftlichen und Handelsfreiheit aufrechterhalten. Moinier wird dann die Truppen zurückführen und dabei die Zaërs züchtigen. So werden wir ein Werk vollendet haben, das den Interessen nicht allein Frankreichs, sondern der ganzen Welt dient, und so in loyaler Weise unsere Pflicht erfüllen.. Die Senatoren Gaudin de Villaine und Lamarzelle gaben sodann ihrer Ueberzeugung Aus⸗ druck, Spanien sei mit Gewalt nach Marokko gekommen und werde mit Gewalt dort bleiben, sodaß Frankreich, das auf Wunsch des Sultans in Marokko sei, genötigt sein werde, sich zurückzuziehen. Diese Lage sei unannehmbar.

Der Senat nahm durch Aufheben der Hände eine Tages⸗ ordnung an, in der die Erklärungen der Regierung gebilligt

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werden.

8 Italien. er türkische Botschafter in Rom hat sie nachmittag in die Consulta begeben und Mch gester Aeußern im Namen der ottomanischen Regierung Mitteilunes von dem Amnestieerlaß und der Spende des Sulta 1 für die ärmere Bevölkerung Albaniens gemacht. Nach Meldung des „W. T. B.“ erklärte der Botschafter dir Pforte hoffe, daß die Regierung von Montenegro, die sich über die Umstände beklage, die sie mit den 1”8. getretenen Flüchtlingen habe, dazu beitragen werde daß die Flüchtlinge wieder auf das türkische Gebiet zurückkehren. Der Minister di San Giuliano erwiderte: wenn die angekündigten hhecsanehes verwirklicht und in wahrhaft liberalem Geiste aufgefaßt und angewendet würden und wenn die Pforte den örtlichen Bedingungen wirklich Rechnung trage so müsse man hoffen und aufrichtig wünschen, daß für Albanien eine Zeit der Versöhnung und des Friedens anbrechen werde Er glaube sicher, daß die montenegrinische Regierung froh sein werde, daß sie nicht mehr für die Flüchtlinge zu sorgen brauche In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer standen verschiedene Interpellationen auf der Tagesordnung .Auf eine Anfrage des Abg. Galli, ob es wahr sei, daß Frank. reich, als es die Expedition nach Marokko beschloß, eine münd⸗ liche Note an die Signatarmächte der Algectrasakte gerichtet habe und daß die Mächte sich darauf beschränkt hätten, die Mitteilungen anzuhören, ohne Akt davon zu nehmen, erklärte, obiger Quelle zufolge der Unterstaatssekretär des Aeußeren Fürst di Scalea, daß Frankreich mündlich eine Mitteilung habe übermitteln lassen und keine der Mächte Widerspruch erhoben habe. Auf eine andere Anfrage Gallis, ob es wahr sei, daß Italien und Oesterreich⸗Ungarn Schritte bei der Türkei unternommen hätten, damit diese sich weniger grausam gegen die albanesische Bevölkerung zeige, antwortete dj Scalea, Italien habe wiederholt in freundschaftlicher Form Ratschläge zur Mäßiaung in allem, was die Politik in Albanien betyeffe, geaeben und das Vorgehen Oesterreich⸗Ungarns sei von den gleichen Gefühlen geleitet. Weiter erklärre der Unterstaatssekretär in Beantwortung von Anfragen der Abgeordneten Cirmeni und Laelt, betreffend die E“ von Grundstücken in der Nähe von Tripolis an eine deutsche Kapitalistengruppe, daß es sich um ein nicht großes Gebiet handle, das Eigentum eines Engländers gewesen sei und von diesem zum Teil verpachtet, zum Teil an einen Deutschen verkauft worden sei. Die Angelegenheit stelle sich lediglich als ein Vertrag zwischen Privatpersonen dar.

Spanien. b

Der Minister des Auswärtigen Garzia Prieto ver⸗ öffentlicht ein Tagebuch über die Ereignisse in Elksar, das auf Grund der Berichte des spanischen Agenten abgefaßt ist und mit dem 11. Mai beginnt. Wie „W. T. B.“ meldet heißt es darin: Fnfolge verschiedener Angriffe herrschte Unruhe und Aufregung in Elksar und Umgebung wegen der kriegerischen Haltung der Berg⸗ stämme und der aufreizenden Tätigkeit Tazzias. Am 31. Mai wurden ein spanischer Schutzbefohlener und seine beiden Söhne von den Leuten Tazzias gefangen genommen und ihr Haus geplündert. Darau hin beschloß der Ministerrat, einen Kreuzer und ein Transportschiff nach Larrasch zu senden. Dieser Beschluß wurde den Mächten be⸗ kannt gegeben. Indessen traten weitere Ereignisse bei Elksar ein. Die Kuriere wurden geplündert. Am 4. Juni verlangte der spanische Vertreter, daß ein Teil des Polizeitabor nach Elksar entsandt werde. Eine Mitteilung aus Larrasch vom 7. Juni meldet, daß der spanische Schutzbefohlene und seine beiden Söhne, die von Tazzia ge⸗ fangen genommen waren, getötet worden seien; man habe ihnen die Köpfe abgeschnitten und sie unter den Stämmen herumgeschickt, um die Eingeborenen gegen die Fremden aufzureizen. Infolgedessen der⸗ langten die Spanier und ihre Schutzbefohlenen sofort Maßregeln zum Schutze des spanischen Prestiges und der Sicherheit der Schutz⸗ befohlenen, auch die öffentliche Meinung in Spanien äußerte sich in leichem Sinne. Raisuli verharrte in Untätigkeit. Wäre die panische Regierung nicht eingeschritten, so hätte ihr das als Pflichtverletzung ausgelegt werden müssen, und sie be⸗ schloß deshalb, die Ausschiffung von Truppen in Larrasch, die den Charakter einer Demonstration tragen sollte. In der Nacht vom 7. auf den 8. Juni drangen Reiter⸗ trupps in das Tal von Elksar ein und machten mehrere Angriffe auf die Wache. Die spanische Kolonie verlangte Schutz und es wurden Truppen gelandet und das Konsularkorps davon verständigt, das keine Einwendungen erhob. Man beschloß, nach Elksar spanische Truppen⸗ und Polizeimannschaften zu entsenden. Der Beschluß wurde damit bealündet, daß Raisulis Einfluß ungenügend sei. Die Mitteilung

ießt:

Diese Nachrichten könnten nur als ungenügend angesehen werden, wenn man an dem Gedanken festhalte, daß man nur geschehene Schandtaten bestrafen könnte, und daß man nicht weiteren Eventuali⸗ täten vorbeugen dürfe. Wenn man aber die Pflicht habe, über Leben und Eigentum zu wachen, dann könne man sich von diesem Grund⸗ satze nicht leiten lassen, umsoweniger, als die Vorbeugungsmaßregeln so getroffen seien, daß die scherifische Verwaltun ungestört und normal weiter funktionieren könne. 1“. 1— 8 Das neue Ministerium, das gestern seine erste Sitzung abhielt, hat einen Portefeuillewechsel vorgenommen. Der Ministerpräsident Baron de Broqueville behält das Ver⸗ kehrsministerium, Carton de Wiart übernimmt die Justiz, Berryer behält das Innere.

8 Türkei. Der Sultan hat, „W. T. B.“ zufolge, gestern in Uesküb den Albanesenhäuptling Suleiman Batuch empfangen. Der Kriegsminister hielt sodann dem Sultan einen zweistündigen Vortrag und begab sich darauf in die Kasernen, wo er an das Offizierkorps eine längere Ansprache hielt. . Da die aufständischen Malissoren vollständig umzingelt und die militärischen Operationen als abgeschlossen zu betrachten sind, hat der Oberkommandierende laut Meldung des „W. T. B.“ auf Befehl der Kaiserlichen Regierung folgenden Aufruf erlassen: Denjenigen, die innerhalb einer Frist von zehn Tagen sich über⸗ behen wird jede gerichtliche Verfolgung nachgesehen. Seine Majestät er Sultan hat 10 000 Pfund für die ärmere Bevölkerung, die Schaden gelitten hat, gespendet. Außerdem wird die Regierung zur Hebung des Wohlstandes der ärmeren Bevölkerung dieser Gegend die nötigen Maßregeln umgehend treffen. Ein Communiqué der Pforte teilt die durch ein Irade sanktionierten Beschlüsse des Ministerrats mit, die der Oberkommandierende in Albanien, wie oben gemeldet, bereits durch einen Aufruf zur öffentlichen Kenntnis gebracht hat. „W. T. B.“ zufolge sollen gegen die Aufständischen, die sich innerhalb der gewährten Frist nicht unterwerfen, wieder schärfere Maßnahmen ergriffen werden. Nach Informationen der Pforte hat der Sultan auch eine allgemeine Amnestie erlassen. 8 8 5 Griechenland. 8 8. Der König hat gestern eine Abordnung des Par⸗ laments empfangen, die ihm die Beendigung der Revision

der Verfassung anzeigte.

Sstadthaus hat nicht stattgefunden.

Afrika.

iner vom „W. T. B.“ verbreiteten Meldung aus whaaa dakah El Gebbas in dem an die spanische Re⸗ gier erichteten Einspruch kategorisch die Räumung von sbernn; 8 Zund Elksar, da andernfalls der Machsen sich Zee würde, seine finanziellen und sonstigen Verpflichtungen Bpanien gegenüber zu erfüllen. 8 Spamie der „Agence Havas“ unter dem 13. Juni aus garrasch gemeldet wird, ist der spanische Kreuzer „Carlos V. dort eingetroffen und hat 250 Mann gelandet.

Statistik und Volkswirtschaft.

Schadenbrände in Preußen im Jahre 1909 nach Die Sch Brandursachen.

Die im Statistischen Landesamt für das Jahr 1909 beendete Auszählung der Schadenbrände nach den Brandursachen, deren Er⸗ bnisse jetzt in der „Stat. Korr.“ veröffentlicht werden, hat ein Nach⸗ sassen der durch Blitzschläge verursachten Schadenbeträge gegenüber 8 Vorjahren ergeben; der durch Blitzschläge verursachte Gesamt⸗ schaden ist von 8,14, 6,33 und 8 29 Millionen Mark in den Jahren 1906 bis 1908 auf 5,64 Millionen Mark zurückgegangen. Die Explosion von Dampfkesseln spielt nach wie vor eine verschwindende Rolle; etwas erheblicher ist schon der Schadenbetrag infolge der Erplosion von Leucht⸗, Koch⸗ und Heizgas, im Verhältnis zum Gesamt⸗ sczaden ist er freilich ebenfalls kaum von Belang (232 070 ℳ). Die Exvlosion „anderer Gase“ und von Petroleum hat dagegen schon Schäden von 1,437 und 0,945 Million Mark gebracht. Etwa gleich och, wie der durch andere Gase verursachte Schaden, ist der durch elektrische Leitungen entstandene, noch weit erheblicher der durch Sel bst⸗ entzündung anderer Stoffe entstandene Schaden (5,470 Millionen Mark), von welchem Betrage allerdings nur etwa rund ein Drittel auf Selbstentzündung als erwiesene Schadenursache entfällt, während bei zwei Dritteln Selbstentzündung nur gemutmaßt ist. Mangelhafte Feuerungsanlagen haben 5,465 Millionen Mark Schaden ver⸗ ursacht. Durch Fahrlässigkeitim Umgang mit Streichhölzern ist ein Gesamtschaden von 5,478 Millionen Mark entstanden. Es bleibt abzuwarten, ob nicht die durch die Steuererhöhung des Jahres 1909 bewirkte Verteuerung der Streichhölzer eine Verminderung dieser Brandschädenursache bewirkt; sie hätte dann außer dem fiskali⸗ schen auch einen volkswirtschaftlichen Zweck erfüllt. Im Jahre 1909 konnte die Verteuerung noch nicht recht wirksam sein, weil die Kon⸗ sumenten vor der Steuererhöhung sich beeilt haben, größere Vorräte von Streichhölzern anzuschaffen, und die Fabrikanten froh waren, mit den alten Lagerbeständen aufräumen zu können. Immerhin ist der durch Fahrlässigkeit im Umgange mit Streichhölzern entstandene Ge⸗ samtschaden 1909 im Vexhältais zu den drei Vorjahren, in denen er 6,359, 6 466 und 6,60 Millionen Mark ausmachte, etwas geringer. Auf „sonstige Fahrlässigkeit“ entfällt freilich ein noch weit höherer Betrag (8,357 Millionen Mark). Durch offenes Licht ist für 739 292 ℳ, durch Petroleumlampen für 295 480 Schaden ver⸗ ursacht worden. Für „Lampen“ ohne nähere Bezeichnung ist noch ein weiterer Schaden von 405 448 angegeben, für Laternen ein folcher von 504 829 ℳ. Die Brandstiftung ist für 22,438 Millionen Mark Schaden verantwortlich, von welchem Betrage indessen nur 2 378 Millionen Mark auf die erwiesenen Fälle kommen. Für nahezu %‧ des Gesamtschadens, nämlich 39,702 Millionen Mark, blieb die Brandursache unbekannt; es ist dies ein Verhältnissatz, der von Jahr zu Jahr sich fast genau wiederholt. *

Zur Arbeiterbewegung.

Nach Meldung der „Köln. Ztg.“ aus Fulda sind bei einigen Firmen des Baugewerbes die Maurer und Hilfsarbeiter in den Ausstand getreten. Man befürchtet dort eine weitere Aus⸗ dehnung der Bewegung. .

S Lohakampf in der Lederbearbeitungsindustrie (s. Nr. 138 d. Bl.) wird der „Voss. Ztg.“ aus Hanau berichtet, daß in einer am 13. Juni abgehaltenen Versammlung die Offenbacher Arbeitgeber der Portefeuille⸗ und Reiseartikelindustrie die Bereitwillig⸗ keit aussprachen, soviel wie möglich Entgegenkommen zu zeigen und die Pereaberee fortzuführen. Die von den Arbeitgebern ursprüng⸗ lich beabsichtigte Aussperrung, die mit der Kündigung am 15. Juni beginnen sollte, wird daher vorläufig nicht durchgeführt werden. Gestern

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wurden die Einigungsverhandlungen vor dem Tarifamt unter Hinzu⸗ ziehung der örtlichen Vertreter wieder begonnen. Die Bewegung zieht rund 15 000 Arbeiter in Mitleidenschaft. 8

In Mannheim sind, einer der „Köln. Ztg.“ zufolge, die Bäckergehilfen in allen denjenigen Betrieben, die ihre Forde⸗ rungen, hauptsächlich die Abschaffung des Wohnungszwanges beim Meister, nicht bewilligt haben, gestern in den Ausstand getreten. Nur 43 Betriebe haben die Forderungen der Bäckergehilfen anerkannt.

Wie die „Braunschweigische Landeszeitung’ aus Helmstedt meldet, legten die Bergleute auf den Tagebauten der Grube „Treue“ der Braunschweigischen Kohlenwerke wegen Lohnstreitig⸗ keiten gestern die Arbeit nieder. .

38 dem Streik der belgischen Seeleute wird derVoss. Ztg. berichtet, daß am 13. Juni in Antwerpen der Führer der Streik⸗ bewegung in Belgien, Gewerkschaftssekretär Mahlmann, vor den ver⸗ sammelten Pressevertretern einen Vortrag hielt, in dem er sich über die Forderungen der Seeleute verbreitete. Es sind dies folgende: 81 Auf⸗

ebung der Einrichtung der Shippingmasters, die zum Teil bis zu 25 v. H. des Lohnes als Provision von den engagierten Seeleuten nehmen. 2) Erhöhung der Löhne um 10 v. H. 3) Festsetzung eines Minimalwochenlohns und Bezahlung der Ueberstunden nach einem erhöhten Tarif. 4) Vollbesetzung der Mannschaft der Schiffe. Hierzu ist zu bemerken, daß die Reeder oft aus Gründen der Sparsamkeit die in See gehenden Schiffe nicht voll besetzten, wodurch die Seeleute über⸗

lastet wurden. Es soll deshalb die Zahl der Mannschaft festgesetzt 8 werden. 5) Bessere Ernährung und Schaffung besserer Aufenthaltsräume

während der Seefahrt.“ Gestern vormittag hat sich, einer Meldung vom W. T. B.“ zufolge, in Antwerpen eine Ausdehnung des Streiks nicht gezeigt. Die fälligen Dampfer der Red Star⸗Linie gehen ab. Die vom Bürgermeister vorgeschlagene Konferenz zwischen den Vertretern der Reeder und der Seeleute im Die ee erflären. daß sie die wichtigste Frage, die die Shippingmaster betrifft, sel stssen 1“ Mitteilung des genannten Bureaus aus Antwerpen besagt, daß die Heizer der englischen Schiffe „Lys“ und „Syreman“ den Dienst verweigert haben. Der nach Liverpool verkaufte Dampfer „Sharistan“ konnte keine Besatzung finden, weil in Liverpool der Streik erklärt worden ist.

Aus Amsterdam wird dem „W. T. B.“ zum Ausstand der holländischen Seeleute berichtet, daß gestern früh die Mannschaften von drei Dampfern, der Königlich nieder⸗ ländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft sich von neuem weigerten,

anheuern zu lassen; sie sind infolgedessen alle entlassen worden. Auf den im Hafen liegenden Dampfern feiern alle Seeleute; trotzdem schreiten die Arbeiten regelmäßig fort, da die Hafenarbeiter sich dem Streik nicht angeschlossen haben. Nach einer weiteren Meldung desselben Bureaus aus Amsterdam sind dort bis gestern nachmittag die Mannschaften von sechs Dampfern in den Ausstand getreten. Die Zahl der Ausständigen beträgt ungefähr zweihundert. Die Besatzung des Dampfers „Celebes der Nederland⸗Kompagnie, der gestern nachmittag eingelaufen ist, hat sich dem Ausstande an eschlossen Der „Telegraaf“ sagt, die Reeder seien in keiner Weise eeis higt, da sie im Auslande eine Anzahl von Seeleuten angeworben hätten, die nach Amsterdam kommen

Anwerbung Schwierigkeiten gehabt, sonst ist dort nichts von dem Aus⸗ stand zu bemerken. Die Besatzung einiger holländischer Schiffe hat sich bereits vorgestern anheuern lassen und ist so aus der Be⸗ wegung ausgeschieden. Der Dampfer „Ryndam“ von der Holland⸗ Amerika⸗Linie, der am Sonnabend in See geht, hat gleichfalls ge⸗ heuert. Wenn der Rotterdamer Lloyd heute Schwierigkeiten mit der Bemannung des Postdampfers „Wilis“ haben sollte, ist eine chinesische Besatzung bereit, sich anwerben zu lassen. Ueber die Streikbewegung unter den englischen Seeleuten liegt heute eine Reihe von Meldungen des „W. T. B.“ vor, die im ö folgendes besagen: In einer Massenversammlung vor den Toren des Westindiadocks zu London, in der der Führer der Seeleute Havelock Wilson die Forderungen der Seeleute vertrat, wurde die Resolution, daß der Krieg erklärt werden solle, einstimmig angenommen, und es wurden drei Raketen als Signal für den Beginn des Ausstandes abgefeuert. Auch in Liverpool, Glasgow und anderen Häfen ist der Ausstand offiziell erklärt worden. In Liverpool haben gestern 600 Matrosen und Heizer von dem Dampfer der White⸗Star⸗Linie „Teutonic“ und dem Dampfer der Canadian⸗Pacific⸗Linie „Empreß of Ireland“, die am 17. bezw. 16. d. M. in See gehen follten, sich geweigert, auf ihre Schiffe zu gehen. Vier der be⸗ deutendsten Reedereifirmen in Liverpool haben eingewilligt, mit einer Deputation der Seeleute zu verhandeln. In Southampton verlangen die Mannschaften der Union⸗Castle⸗ und der Rovpal⸗ Mail⸗Company eine Lohnerhöhung, ehe sie auf ihre Schiffe gehen. In Barry sind gestern abend für zwei Schiffe unter polizeilichem Schutz chinesische Bemannungen angeworben worden. In Birkenhead, Hartlepool, Leith, Newcastle, Sunderland und Dublin begegnet der Ausstand geringem Interesse. Es ist nicht anzunehmen, daß die Be⸗ wegung an der schottischen Ostküste Störungen hervorrufen wird. Auch Grimsby wird nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. In Cardiff wurde das Signal zum Ausstand mit Begeisterun aufge⸗ nommen; gleichwohl wurden dort gestern sieben Schiffe ohne Schwierigkeit unter den bisherigen Bedingungen bemannt. Der Ausstand der Kohlenträger in Southampton (s. Nr. 138 d. Bl.) ist beigelegt; sie haben die Bedingungen der itgeber angenommen. Atbeeheg⸗ Meldung des „W. T. B.“ aus London zufolge verlangen die Wollkämmer in Bradford eine Lohnerhöhung um 5 % und werden voraussichtlich morgen in den Ausstand treten. Dieser würde sich auf etwa 40 000 Arbeiter erstrecken. In Marseille hielt, wie dasselbe Bureau vom heutigen Tage berichtet, der Ausschuß der vereinigten Syndikate der Hafen⸗ arbeiter und der eingeschriebenen Seeleute eine Versamm⸗ lung ab, um angesichts des englischen Streiks die Frage des Gesamt⸗ ausstandes zu beraten. Die Idee eines solchen Ausstandes fand nur wenige Anhänger; die Versammlung begnügte sich mi er Annahme eines ziemlich farblosen Beschlußantrages. 8

(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.) 1 Wohlfahrtspflege.

Der Weitere Ausschuß des Evangelisch⸗Kirchlichen Hilfsvereins hielt gestern im Sitzungssaale des Herrenhauses seine diesjährige Mitgliederversammlung ab. Aus der in ihr vorgelegten Jahresrechnung ist zu ersehen, daß die Gesamt⸗ einnahmen 203 573 ℳ, die Ausgaben 6000 weniger betragen haben. Für die Hygieneausstellung in Dresden sind 3400 auf⸗ gewendet. Das gesamte Vereinsvermögen beziffert sich auf 387 9655 ℳ, davon 180 000 Fonds zur Verfügung Ihrer Majestät der Kaiserin. Im Verwaltungsbericht wurde hervorgehoben, daß, seitdem dem Hilfsverein die Erlaubnis er⸗ teilt ist, jährlich eine Hauskollekte zu veranstalten, sich die Durch⸗ schnittseinnahmen, die bis 1902 rund 169 000 betrugen, auf etwa 261 000 gehoben haben. Was die einzelnen Vereine für ihre be⸗ sonderen Zwecke vereinnahmen und verausgaben, ist hierin nicht ent⸗ halten und teilweise gar nicht bekannt. Die Bewilligungen der Zentral⸗ stelle sind jedoch nicht im gleichen Maße gestiegen; einmal haben die Provinzialverbände das Recht, von ihren eigenen Einnahmen ihre Verwaltungskosten abzuziehen, die dadurch ganz be⸗ deutend vermehrt sind, daß fünf Verbände eigene theologische Berufs⸗ arbeiter im Hauptamt haben. Ferner sind die eigenen Kosten des Engeren Ausschusses selbst ganz erheblich in die Höhe gegangen: seit 1896 haben sie sich vervierfacht. Heute sind hier zwei theologische Berufsarbeiter, ein Sekretär und vier Gehilfinnen dauernd tätig, und diese persönlichen Auegaben werden eher zunehmen als zurückgehen. Bei den sächlichen Ausgaben hat der Besitz einer eigenen Druckerei in Potsdam zu nennenswerten Ersparnissen fefchnt In Anbetracht der erwachsenden großen Kosten hat Ihre Majestät die Kaiserin und Königin von dem Zeitpunkt ab, wo ein eigener selbständiger theo⸗ logischer Berufsarbeiter in den Dienst des Engeren Ausschusses trat, in jedem Jahr, abgesehen von dem Beitrage für die allgemeinen Vereinszwecke, einen besonderen Beitrag von viertausend Mark für die Arbeiten des Engeren Ausschusses bewilligt. In der Aussprache wurde bedauert, daß so wenig junge Mädchen aus den besser gestellten Ständen sich zu Helferinnen ausbilden d. Sie zögen die Aus⸗ bildung zur Johanniterschwester vor. Die Interessen der Frauenhilfe und des Johanniterordens ließen sich vorzüglich vereinigen, wenn mit dem Orden ein Abkommen dahin getroffen würde, daß die dreimonatige Ausbildungszeit zur Helferin bei einem etwaigen (fünfzehnmonatigen) Johanniterkursus angerechnet würde. Sodann hielt der Pastor prim. Ewald⸗Waldenburg einen Vortrag über die Aufgaben der epan⸗ elischen Kirche in der Füͤrsorge für die männliche Jugend.

Technik.

In der letzten Sitzung der diesjährigen Hauptversammlung des . Ingenieure in Breslau sprach zunächst der Regierungsbaumeister Brecht über „Elektrische Zugförde⸗ rung bei den preußischen Staatseisenbahnen Der Redner ging von der Entwicklung des elektrischen Hauptbahnbetriebes in den letzten Jahren aus, wobei er besonders die Entwicklung des Lokomotivbaues und die Stellung der Bahnverwaltung zur elektrischen Zugförderung im allgemeinen berücksichtigte. Hierauf gab er einen Ueberblick über das Vorgehen der preußischen Staats⸗ eisenbahnverwaltung auf diesem Gebiet und besprach eingehend die Einführung des elektrischen Betriebes auf den Strecken Blankenese Ohlsdorf und Bitterfeld— Dessau sowie die hierbei beobachteten Grund⸗ sätze. Die weiteren Darlegungen erstreckten sich auf die Einrichtungen und Einzelbeiten der Lokomotiven für die elektrische Zu gförderung Bitterfeld —Dessau und auf Mitteilungen über die Ergebnisse des bis⸗ herigen Beicefeles auf dieser Strecke. Der Vortragende machte hierbei interessante Angaben über die mit elektrischen Lokomotiven er⸗ zielten Leistungen, Zugkräfte und Geschwindigkeiten sowie über die Erfahrungen hinsichtlich der Besonderheiten des elektrischen Betriebes und konstruktiver Einzelheiten der Lokomotiven. Dann wandte er sich den weiteren Plänen der preußischen Staatseisenbahnverwaltung hinsichtlich der Einführung des elektrischen Betriebes zu, wobei er eingehend auf die große Bedeutung dieser Pläne für die Allgemein⸗ heit hinwies. Als zweiter Redner sprach Dr. Freymark, Syndikus der Handelskammer Breslau, über die Stellung der Industrie im Wirtschaftsleben des deutschen Reichs, insbesondere Ostdeutschlands. Der letzte Vortrag der dies⸗ jährigen Versammlung, der von Dr. Bonikowskvy gehalten wurde, ehandelte die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ober⸗ schlefischen Montanindustrie, deren Gesamtbruttowert für das Jahr 1910 auf über 500 Millionen Mark geschätzt wird, wobei der Wert der von den Oberschlesischen Werken selbst verbrauchten Er⸗ zeugnisse nicht berücksichtigt ist. Hierbei wurden 1910 rund 190 000 Arbeiter beschäftigt, die einen Gesamtbarlohn von rund 196,4 Millionen Mark empfingen. Der reiche, von der Montan⸗

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Stätte deutscher Kultur gemacht und hierbei eine Bevölkerungs⸗ dichte von 345 Einwohnern auf 1 qkm ermöglicht gegen 120 für ganz Deutschland. Von 1871 bis 1910 ist die Bevölkerung im eigentlichen ontanrevier um 156 v. H. gestiegen gegen 57 v. H. für Deutschland insgesamt. Die Förderung des Oberschlesischen Steinkohlenbergbaues ist von 1890 bis 1910 von rund 16,9 auf 34,4 Millionen t oder um rund 104 v. H. gestiegen. Die Ursachen für die weniger günstige Entwicklung Oberschlesiens gegenüber dem Ruhrrevier, das eine Steigerung um 145 v. H. 1 sind, wie der Vortragende unter Darlegung der Produktions⸗ und Absatzbedingungen nachweist, ausschließlich in den un⸗ ünstigen Verfrachtungsbedingungen für Oberschlesien und dem hierdurch ermöglichten Vordringen der englischen Kohle zu suchen. Während der Absatz der oberschlesischen Steinkohle in den inländischen Absatzgebieten in den letzten 50 Jahren nur um rund 90 v. H. ge⸗ stiegen ist, ist die Einfuhr der englischen Kohle in denselben Ge⸗ bieten um rund 200 v. H. gestiegen. Besonders seteh liegt für Oberschlesien der Berliner Markt, wohin die englische Kohle auf dem Wasserweg beträchtlich billiger gebracht werden kann, als es für die. ober chlestsche Kohle bei den hohen Eisenbahntarifen möglich ist. Auch die oberschlesische Eisenindustrie, die nahezu alle Zweige der Eisenerzeugung und Eisenverwertung umfaßt und die 1910 rund 41 000 Arbeiter beschäftigt hat, weist eine ansehnliche Entwicklung auf. Der Wert der von ihr im letzten Jahre zum Verkauf gebrachten Er⸗ zeugnisse hat rund 210 Millionen Mark betragen. Die Roheisen⸗ erzeugung ist von 1871 bis 1910 von 232 000 auf 901 000 t oder um 288 v. H. gestiegen, während die Steigerung der Roheisenerzeugung in ganz Deutschland in diesem Zeitraum 846 v. H. betragen hat. Das Zurückbleiben Oberschlesiens an der Gesamterzeugung (1871: 15 v. H., 1910: 6,1 v. H.) liegt zum Teil in den natürlichen Verhältnissen begründet, da die oberschlesischen Erzvorkommen weder quantitativ noch qualitativ zureichend sind und Ober⸗ schlesien daher einen großen Teil seines Schmelzmaterials aus weiten Entfernungen, namentlich auch aus dem Auslande, be⸗ ziehen muß. Hierzu kommt, daß andererseits auch der aus der oberschlesischen Kohle gewonnene Koks für die Hochofenindustrie nicht besonders geeignet ist. Weiterhin sind aber auch die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung für diese ungünstigen Ver⸗ hältnisse verantwortlich, so in erster Lnie die höchst ungünstigen Zollverhältnisse im Verkehr nach Oesterreich⸗Ungarn und Rußland sowie die Eisenbahntarife für die Erzbezüge und den Fertigeisen⸗ absatz, die den unverhältnismäßig langen Transportwegen Ober⸗ schlesiens nicht genügend Rechnung tragen. Die Lage der oberschlesischen Zinkindustrie, auf die der Redner dann näher einging, wurde von ihm im allgemeinen als günstig bezeichnet. Die Erzeugung an Rohzink hat 1910 rund 140 000 t im Wert von rund 61 Millionen Mark betragen. Schwierigkeiten machte dieser Industrie namentlich der Absatz der beim Rösten der Zinkblende abfallenden Schwefelsäure, wofür zurzeit ganz ungewöhnlich hohe Eisen⸗ bahntarife bestehen. Am Schluß seiner Ausführungen sprach der Redner die zuversichtliche Erwartung aus, daß die großen Schwierig⸗ keiten, womit die Oberschlesische Montanindustrie zu kämpfen hat, zweifellos überwunden werden, wenn der Staat namentlich auf dem Gebiet der Eisenbahntarife Oberschlesien in einer seinen besonderen Verhältnissen angepaßten Weise berücksichtigt. ö

Mit der Erledigung der Vorträge war auch die Tagesordnung der Sitzung erschöpft. Die Hauptversammlung des nächsten Jahres

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findet i ttgart statt.

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Land⸗ und Forstwirtschaf

Saatenstand in Bulgarien.

Der Kaiserliche Konsul in Sofia berichtet unterm 7. d. M.: Der größte Teil des Monats Mai zeichnete sich in Bulgarien durch eine uͤbermäßig trockene und heiße Witterung aus, die auf die Weiter entwicklung der Saaten hemmend einwirkte. Erst gegen Ende des Monats waren fast im ganzen Lande ausreichende Niederschläge zu verzeichnen, welche die Saaten erfrischten und in ihrer Bestockung förderten. Auch das Umackern der Mais⸗ und Rübenfelder, das der Trockenheit wegen bisher unterbleiben mußte, konnte gegen Ende des Monats in Angriff genommen und beendet werden. Ueber größere Hagelschäden liegen nur aus einzelnen Gegenden, wie Tirnovo, Nikopoli, Plevna, Meldungen vor.

Der Stand der Wintersaaten wird trotz der zum Teil un⸗ günstigen Witterungsverhältnisse im Monat Mai gegenwärtig nach wie vor als gut und in manchen 1n sogar als sehr gut be⸗ zeichnet. Der Roggen steht fast überall in Blüte; bei Weizen und Wintergerste kommen bereits die Aehren zum Vorschein. Der Raps hat schon Samen angesetzt und verspricht eine gute Ernte. Auch die Frühjahrssaaten befinden sich in guter Verfassung und lassen einen guten Ernteertrag erhoffen. Der Stand der Weingärten ist in den Rustschuk, Tirnovo, Lovetsch, Harmanli und einigen anderen Bezirken gut, in den südlichen und westlichen Bezirken mittelmäßig. Die Rosenernte hat im Philippopeler Kreise gegen Mitte des Monats Mai ihren Anfang genommen.

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ ““ maßregeln. 8 8 Bulgarien. Die bulgarische Regierung hat die Stadt Samsun für choleraverseucht erklärt und für die Herkünfte von dort Quarantänemaßregeln angeordnet.

Nach Mitteilung des Verwaltungsrats der Ka iserlichen Werft Wilhelmshaven, betreffend Verdingung der Lieferung von rund 60 t Stahlguß in 304 Stück fertig bearbeiteten Keilen für die Seiten⸗ stapel von Dock V der Werft, erhielten den Zuschlag auf die Liefe⸗ rung die van Tongelschen Stahlwerke G. m. b. H. in Güstrow zum Preise von 340 1 t frei Wilhelmshaven.

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(Die näheren Angaben über Verdingungen die beim „Reichs und Staats⸗ anzeiger“ ausliegen, können in den Wochentagen in dessen Expedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr eingesehen werden.) Oesterreich⸗Ungarn.

26. Juni 1911, 12 Ubr. K. K. Staatsbahndirektion in Stanitlau⸗ Umbau der Eisenkonstruktion in km 27 ¾ der Linie Strri— Stanislau, welche aus 3 Brückenöffnungen in einer Spannweite don 18,15 m besteht, in eine neue, gleichfalls mit 3 Brückenöffnungen und einer Spannweite von 18,40 m. Das Gesamtgewicht der neuen Kon⸗ struktion (Blechbalken, vertiefte Brückendecke) beträgt ungefähr 89,0 1.

30. Juni 1911, 12 Uhr. K. K. Staatsbahndtrektionen in Stanislau und Krakau: Lieferung von Materialien, und zwar: 1) Baumaterialien (geschlagene Steinc, Mauerziegeln, Flußsand, un⸗ gelöschter Kalk und Sand). 2) feuersichere Ziegeln und feuersicherer Mörtel für Lokomotipgewölbe, 3) Firnis und Lack, 4) Farben, chemische Erzeugnisse (Leim, Schmirgel, Kitt sowie Kupferditriol⸗ spanisches Rohr und Schwämme), 5) Telegraphenmaterialien, 6) Kanzleimaterialien und Papierstreifen für T clegraphenapparatc, 7) Matten aus Kokos, Rohr, Stroh sowie Linoleum. Näheres bei

nannten Direktionen. 8 80. 1911, 12 Uhr. K. K. Staatsbahndirektion in Lem. berg: Keferung von Schotter, Zement, Kalk, Gips, Ziegeln, Sand. Lacken usw. Näheres bei der genannten Direktion und beim „Reichs⸗ anzeiger“. Fän gstens 30. Juni 1911, 12 Uhr; K. K. Staatsbahndirekrion Wien: Lieferung verschiedener Materialien für die österreichtschen Staatsbahnen. Näheres dei den einzelnen Dienststellen und beim

würden. In Rotterdam hat nur ein Schiff gestern früh mit der

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industrie auegehende Segen hat Oberschlesien zu einer blühenden

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