1911 / 142 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

am 16. Juni in Freetown (Sierra Leone) angekommen.

gierungen vollkommen teilen, ist der, daß die Monarchie die Wahrung

Regierung, die die nse Gefühle würdigt und ihnen vertraut, hat diese Ratschläge in freund⸗

leisten.

klärt, 1 ¹ boffen, daß diese Zusagen eingehalten werden. 1 wird der Minister des Aeußern diesen Schritt wiederholen.

Ziel unserer Politik, die Integrität der Türkei und die Erhaltung

zu räumen.

triebe in der Armee unnachsichtlich zu unterdrücken und jeden Soldaten, der sich zweimal einer antimilitaristischen Kund⸗

Budget des Kriegsministeriums.

„W. T. B.“ seine Genugtunng aus, daß der ziffernmäßige Rückstand im Vergleich zu Deutschland

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Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Panther“

Celle, 18. Juni. Seine Majestät der Kaiser und König traf gestern mittag von Hannover hier ein und de unter lebhaften Kundgebungen der Bevölkerung nach dem Schloß. Nach Besichtigung verschiedener Räume des Schlosses nahm Seine Majestät, „W. T. B.“ zufolge, den Vorbeimarsch der gesamten Garnison entgegen und begab sich darauf in das Vaterländische Museum, wo er eingehend die Armee⸗, Ehren⸗ und Erinnerungshalle, besonders das von ihm gestiftete Schlachtengemälde „Das Treffen an der Görde“, be⸗ ichtigte. Hierauf zeichnete sich Seine Majestät der Kaiser in as dort ausliegende Goldene Buch ein und setzte gegen 1 ½ Uhr die Fahrt nach Hamburg fort.

Bayern.

Sceine Majestät der König Friedrich August von Sachsen ist gestern zum Besuche Seiner Königlichen Hoheit des Prinz⸗Regenten Luitpold in München ein⸗ getroffen und, „W. T. B.“ zufolge, auf dem Bahnhofe von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinzen Ludwig, dem sächsischen Gesandten, dem Oberzeremonienmeister, den Herren des Ehrendienstes und dem saächsischen Generalkonsul empfangen worden. Mittags fand zu Ehren Seiner Majestät des Königs von Sachsen in der Königlichen Residenz Familien⸗ tafel statt. Abends reiste der König nach herzlicher Ver⸗ abschiedung von Seiner Königlichen Hoheit dem Prinz⸗Regenten, der ihn persönlich zum Bahnhof geleitete, nach Lindau ab.

Württemberg.

Die Zweite Kammer hat, „W. T. B.“ zufolge, die Gehaltsordnung für die ständigen Lehrer und Lehrerinnen der höheren Knaben⸗ und Mädchenschulen sowie ein Gesetz, be⸗ treffend Abänderungen des Gesetzes vom 8. August 1907 über die höheren Mädchenschulen, angenommen, desgleichen die Ge⸗ haltsordnung für die Lehrkräfte der Gewerbe⸗ und Handelsschulen, für die ständigen Lehrerinnen an den Frauenarbeitsschulen, die Tagegelderordnung für die zuständigen Lehrerinnen an diesen Schulen und den Entwurf eines Gesebes, betreffend Aenderung des Gesetzes vom 22. Juli 1906 über die Gewerbe⸗ und Handelsschulen.

Hessen.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin sind, „W. T. B.“ zufolge, gestern nach⸗ mittag von Groß⸗Gerau nach London abgereist, um an den Krönungsfeierlichkeiten teilzunehmen.

Hamburg.

Seine Majestät der Kaiser und König ist am Sonnabendnachmittag von Celle in Hamburg bei den St. Pauli⸗ Landungsbrücken unter dem Jubel der Menge eingetroffen und von den Bürgermeistern Dr. Predöhl und Dr. Burchard sowie dem preußischen Gesandten bei den Hansestädten von Bülow empfangen worden. Seine Majestät begab sich an Bord der „Hohenzollern“, wo auch Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz August Wilhelm und die Prinzessin Victoria Luise, die von Berlin in Hamburg eingetroffken waren, Wohnung genommen hatten. Gestern nachmittag wohnte Seine Majestät der Kaiser mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Prinzen und der Prinzessin den Rennen bei Horn bei und folgte Abends einer Einladung des Gesandten von Bülow. Heute morgen begab sich der Kaiser in einer Pinasse von der „Hohenzollern“ nach dem Südufer der Elbe zum Elbtunnel, den er mit größtem Interesse be sichtigte.

1 Oesterreich⸗Ungarn.

Im ungarischen Abgeordnetenhause beantwortete der Ministerpräsident Graf von Khuen⸗Héderväry vor⸗ gestern eine die Türkei betreffende Interpellation des Abg. Béla Rakovszky (liberale Volkspartei) und führte laut Be⸗ richt des „W. T. B.“ aus:

Der Standpunkt des Ministers des Aeußern, den beide Re⸗

des Bestandes und der Integrität des türkischen Reiches unterstützt und fördert, weil sie dies für den allgemeinen Frieden und ihre Inter⸗ essen höchst wünschenswert hält. Infolgedessen hat der Minister des Aeußern, ohne sich in die inneren Angelegenheiten der Türkei einzumischen, was ihm durchaus ferngelegen hat, auf Grund des bestehenden freundschaftlichen Verhältnisses freundschaft⸗ liche Ratschläge erteilt, eben um die von uns ge⸗ wünschte Erstarkung der Türkei zu fördern. Die türkische Aufrichtigkeit unserer freundschaftlichen schaftlicher Weise angenommen und sich bemüht, ihnen Folge zu Wir hoffen und wünschen, daß das Regime der verjüngten Türkei erfolgreich sein werde. Um die Umgestaltung des türkischen Reichs vor Störungen zu bewahren, hielt es der Minister des Aeußern für seine Pflicht, Montenegro wiederholt auf seine Pflichten der Neutralität freundschaftlich aufmerksam zu machen. Die montenegrinische Regierung hat unserem Vertreter er⸗ daß sie ibre Verpflichtungen erfüllen werde, und wir

Falls es nötig ist, Die Er⸗ eignisse der letzten Tage eröffnen die freundliche Aussicht, daß das des Friedens, vollständig erreicht werden wird. Unsere Politik wird fortfahren, die eingeschlagene Richtung zu verfolgen, wir werden namentlich mit größtem Eifer bestrebt sein, etwaige Schwierigkeiten, die sich der Konsolidierung der Türkei entgegenstellen, aus dem Wege

Der Abg. Rakovszky und das Haus nahmen die Be⸗ antwortung der Interpellation zur Kenntnis.

Frankreich. Der Kriegsminister Goiran hat

8 gsminister C die Korpskommandeure durch einen Erlaß aufgefordert,

antimilitaristische Um⸗

gebung schuldig mache, in die Strafkompagnie zu versetzen. Der Senat erörterte in der vorgestrigen Sitzung das

Der Berichterstatter Waddington sprach laut Bericht des durch das außerordentliche Kontingent

von 1909 verringert worden sei. Waddington trat für den Versuch einer Aushebung unter gewissen Untertanen in Algier und Westafrika

Die auf diesem Gebiet gemachten Versuche hätten keine befriedigenden Ergebnisse gehabt und müßten fortgesetzt und verbessert werden. In Be⸗ antwortung der Ausführungen mehrerer Redner über die Heeresstärke erklärte der Kriegsminister General Goiran, man dürfe die Aus⸗ hebung schwarzer Truppen nicht übertreiben. Er ziehe das Werbe⸗ system dem System der Aushebung vor. Die französische Kavallerie sei ohne Zweifel der deutschen an Zahl unterlegen, aber sie sei besser organisiert als diese.

Daranf wurde die Generaldebatte über das Budget des Kriegsministeriums geschlossen.

Spanien.

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Erklärung des Ministerpräsidenten Canalejas wird sich Spanien darauf beschränken, für die Sicherheit der Gebiete von Ceuta und Melilla zu sorgen und die Tabors in Larrasch und Elksar zu verstärken. Es denke nicht daran, in der Richtung auf Arzila, Tanger oder einen anderen Punkt vorzurücken; es habe Truppen nach Elksar geschickt, ebenso wie Fragkreich auf der anderen Seite des Lukkos, um die Agitation zu unterdrücken, und habe nicht die Absicht, noch mehr Truppen zu entsenden, außer wenn

die Kabylen die Offensive ergriffen. ö Portugal.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ ist von der Lissa⸗ boner Polizei die Organisation einer monarchistischen Ver⸗ schwörung in Südportugal entdeckt worden. Die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen haben die Verschwörung unterdrückt. Die Verschwörer sind in der Mehrzahl ehemalige Polizeibeamte, Munizipalgardisten und Agenten katholischer und frankistischer Vereine und waren von dem Pater Avelino Figueiredo und von Dr. Abel Campos angeworben worden.

Türkei.

Der Sultan ist vorgestern wieder in Saloniki eingetroffen 8 bat sich sehr befriedigt über die Reise nach Albanien aus⸗ gesprochen.

Wie „W. T. B.“ meldet, haben nach einem in Saloniki eingegangenen Bericht Rebellen abermals Selce ange⸗ griffen und, unterstützt durch ein lebhaftes Feuer der Gebirgs⸗ batterie, versucht, die Truppen zurückzuschlagen. Die Arnauten sind bis zur Brücke von Tancari zurückgedrängt worden, die schließlich von Truppen genommen wurde. Damit ist jedes Hindernis für eine Verbindung mit der von Skutari abge⸗ gangenen Brigade beseitigt.

Afrika. *

Die französischen Truppen haben, der „Agence Havas“ zufolge, Mekines am 11. Juni früh verlassen und auf halbem Wege zwischen den Ruinen von Volubilis und Zauia bei Mulai Idris ein Lager bezogen.

Die spanischen Truppen haben eine neue Stellung bei Tauriat Zag besetzt, einen strategischen Punkt, der Suk el Arba und Zebbaya beherrscht. Wie der „Agence Havas“ aus Larrasch vom 16. d. M. gemeldet wird, ist der Oberst Sylvestre mit 200 Mann nach Elksar aufgebrochen, von wo er sich in die Gegend von Uezzan begeben wird. 8 M

Parlamentarische Nachrichten.

Der Bericht über die vorgestrige Sitzung des Herren⸗ hauses und der Schlußbericht über die vorgestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Ersten und Zweiten Beilage.

In der heutigen (13.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Minister des Innern von Dallwitz beiwohnte, stand zur einmaligen Beratung zunächst die Vorlage wegen Entlastung des Oberverwaltungsgerichts.

Der Referent, Landeshauptmann v. Dziembowski, be antragte, der Vorlage in der vom Abgeordnetenhause be⸗ schlossenen Fassung zuzustimmen. Danach erhält das Staats⸗ ministerium die Befugnis, für die Zeit bis längstens 1. Oktober 1914 Hilfsrichter aus der Zahl der ernannten Mit⸗ glieder der Bezirksausschüsse oder aus der Zahl der Mit⸗ glieder der ordentlichen Gerichte dem Oberverwaltungsgericht zum Zweck der Erleichterung seiner Geschäfte zuzuweisen. Die Hilfsrichter dürfen in keinem Fall die Mehrheit des Kollegiums bilden und an der Entscheidung über Disziplinar⸗ sachen nicht teilnehmen. Das Präsidium des Oberverwaltungs⸗ gerichts kann Hilfssenate einrichten. Die Zuweisung der Hilfsrichter soll unwiderruflich sein und der Vorsitz in den Hilfssenaten nur von ordentlichen Mitgliedern des Ober⸗ verwaltungsgrichts geführt werden dürfen. Die ursprüngliche Regierungsvorlage enthält noch die Festsetzung einer unteren Grenze von 500 für die Revisionssumme. Dieser Vorschlag ist indessen vom Abgeordnetenhause abgelehnt worden.

Ohne Debatte wurde die Vorlage unverändert an⸗ genommen.

8 (Schluß des Blattes.)

—— Das Haus der Abgeordneten setzte in seiner heutigen (90.) Sitzung die zweite Beratung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend Abänderung der Gemeinde⸗ ordnung für die Rheinprovinz, fort.

Zunächst wurde die Abstimmung über die von den Abgg. Dr. Bell⸗Essen (Zentr.) und Genossen be⸗ antragte Abänderung des § 35 der geltenden Gemeinde⸗ ordnung, bei der sich am Sonnabend die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergeben hatte, wiederholt. Nach dem Antrage soll der § 35 einen Zusatz erhalten, wonach den juristischen Personen und dem Staatsfiskus das Gemeinderecht (d. h. Stimmrecht bei den Gemeindewahlen) zusteht, sofern sie seit zwei Jahren im Gemeindebezirk ein bebautes Grundstück be⸗ sitzen und mit mindestens 32 zur Grundsteuer veranlagt sind, welcher Betrag unter Umständen bis auf die Hälfte er⸗ mäßigt werden kann. .

Die Abstimmung ergibt die Ablehnung des Antrags gegen die Stimmen des Zentrums.

Nach Artikel 2 wird der § 46 über das Meistbegüterten⸗ recht geändert.

Nach der Kommissionsfassung gehören in denjenigen Gemeinden, welche durch gewählte Verordnete vertreten werden, zum Gemeinderate außer diesen Verordneten auch A. die meistbegüterten Grundeigentümer, welche 1 ) im Gemeinde⸗ bezirke mit einem Wohnhause angesessen sind, 2) zur Staatseinkommensteuer sowie 3) von ihrem im Gemeinde⸗ bezirke gelegenen Grundbesitze zu mindestens 150 Grund⸗

e und Herrenhausbeschluß: 75 ℳ) Grund⸗ teuer staatlich veranlagt sind, auch 4) die für Meistbeerbte vorgeschriebenen persönlichen Eigenschaften besitzen. Die außer⸗ halb wohnenden meistbegüterten Grundeigentümer können Vertreter bestellen, 1 die für Meistbeerbte vorge⸗ schriebenen persönlichen Eigenschaften haben und zur Staats⸗ einkommensteuer veranlagt sind. Weibliche oder unter Vormund⸗ schaft stehende Personen, sowie solche unter 24 Jahren können ihre Rechte nur durch Vertreter ausüben. Miteigentümer haben das Recht eines meistbegüterten Grundeigentümers. B. diejenigen juristischen Personen, Aktiengesellschaften, Kom⸗ manditgesellschaften auf Aktien, ein⸗ getragene Genossenschaften, welche mehr als der höchstbesteuerte Gemeindeangehörige sowohl an direkten Staatssteuern als an direkten Gemeinde⸗

steht dasselbe Recht

Berggewerkschaften, Gesellschaften m. b. H.,

steuern entrichten; dem Staatsfiskus zu, wenn er zu den direkten Gemeindesteuern mit einem höheren Betrage herangezogen wird, als der höchstbesteuerte Gemeinde⸗ angehörige an direkte Staats⸗ und Gemeindesteuern, beide zu⸗ sammengerechnet, entrichtet. Die Zahl der meistbegüterten Grundeigentümer (A) darf die Hälfte, diejenige der juristischen Personen und der übrigen unter B bezeichneten Berechtigten ein Viertel der gewählten Verordneten nicht überschreiten Dabei bestimmt sich die Reihenfolge der Berechtigten in den Fällen unter A nach der Höhe der Grundsteuer, in den Fällen unter B nach der Höhe der Gesamtsteuern.

Der Abg. Bell⸗Essen beantragt hierzu eine Reihe von Abänderungen, wonach die außerhalb wohnenden meistbegüterten Grundeigentümer sich durch Pächter, Verwalter oder Söhne vertreten lassen können, die in der Gemeinde selbst Grundbesitz verwalten. Unter B läßt ferner der Antrag die juristischen ganz fort und fügt neu hinzu: diejenigen Haus⸗ und Grundbesitzer, die seit 10 Jahren in der Gemeinde ihren steuerlichen Wohnsitz haben, seit 5 Jahren zu 150 Grund⸗ und Gebäudesteuer staatlich ver⸗ anlagt sind und die für Meistbeerbte vorgeschriebenen persön⸗ lichen Eigenschaften besitzen. Die Zahl der unter A und B hbe⸗ zeichneten Berechtigten darf zusammen die Hälfte und die Zahl der unter B bezeichneten Berechtigten dan für sich allein ein Sechstel der Zahl der gewählten Verordneten nicht überschreiten. Dabei bestimmt sich die Reihenfolge der Berechtigten so, daß die unter A genannten den unter B genannten vorangehen. Bei den unter A genannten Berechtigten sollen die in der Gemeinde wohnenden den auswärts wohnenden vorangehen und im übrigen die Höhe der Grundsteuer maßgebend sein. Bei den unter B genannten Berechtigten bestimmt sich die Reihenfolge nach der Höhe der Gesamt⸗Grund⸗ und Gebäudesteuer. 8

Für den Fall der Ablehnung dieses Antrags beantragt der Abg. Dr. Bell in der Kommissionsfassung das Wort „Viertel“ durch das Wort „Sechstel“ zu ersetzen; zu bestimmen, daß unter den Berechtigten unter A die in der Gemeinde wohnenden den auswärts wohnenden vorgehen, sowie zu bestimmen, daß die Vertreter der außerhalb wohnenden meistbegüterten Grund⸗ eigentümer Pächter, Verwalter oder Söhne, die innerhalb der Grundbesitz in Pacht oder Verwaltung haben, sein önnen.

Die Abgg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) und Genossen beantragen in Aenderung der Kommissionsfassung, daß hinter A gesagt wird: „die meistbegüterten Grundeigentümer ohne Unterschied des Geschlechts“, sodaß die weiblichen Personen selbst zum Gemeinderate gehören und sich nicht vertreten zu

lassen brauchen.

Die Abgg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.) u. Gen. beantragen die Wiederherstellung der Regierungsvorlage inso fern, als mindestens 75 auf die Grundsteuer entfallen sollen.

Dieselben Abgeordneten beantragen, daß bei der Be⸗ rechtigung der juristischen Personen die direkten Staatssteuern nur zu dem Betrage berücksichtigt werden, der sich bei der Veranlagung nach dem in der Gemeinde steuerpflichtigen Ge⸗ samteinkommen ergeben würde.

Abg. Frhr. Loës (Zentr.) äußert schwerwiegende Bedenken gegen die Kommissionsbeschlüsse und tritt eingehend für die vom Zentrum W 8

gestellten Anträge ein. (Schluß des Blattes.)

Nr. 33 des „Zentralblatts fürdas Deutsche Reich“, heraus⸗ gegeben im Reichsamt des Innern, vom 16. Juni, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ermächtigungen zur Vornahme von Zivilstands⸗ handlungen. 2) Bankwesen: Status der deutschen Notenbanken Ende Mai 1911. 3) Finanzwesen: Uebersicht der Einnahmen an Zöllen, Steuern und Gebühren für die Zeit vom 1. April 1911 bis zum Schlusse des Monats Mai 1911. 4) Marine und Schiffahrt: Betriebsordnung für den Kaiser Wilhelm⸗Kanal. 5) Militärwesen: Ermächtigung zur Ausstellung ärztlicher Zeugnisse über die Tauglichkeit von militärpflichtigen Deutschen in Marokko. 6) Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen: Personalveränderungen bei den Stationskontrolleuren; Aende⸗ rungen und Ergänzungen der Zündwaren⸗Kontingentierungsordnung; Aenderungen und Ergänzungen der Zündwarensteuer⸗Ausführungs⸗ bestimmungen und der Zündwarenlagerordnung. 7) Poltzeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die Krankenversicherung in den deutschen Knapp⸗ schaftskassen

hat nach den vom Kaiserlichen Statistischen Amt veröffentlichten Ar⸗ gaben auch im Jahre 1909 an Umfang gewonnen. In 168 Kafer waren 884 513 aktive Mitglieder versichert, während im vorbe⸗ gebenden Jahre in 170 Kassen nur 865 505 Mitglieder gezählt wurden. Die Zahl der Erkrankungsfälle mit Krankengeldbezug oder Krankenhauspflege belief sich auf 515 213. Krankheitstage wurden 8 821 899 verzeichnet. Die entsprechenden Zahlen im Jahre 1908 waren niedriger, nämlich: 495 032 Erkrankungsfälle und 8 030 355 Krankheitstage. Die Summe der Einnahmen betrug 41 530 933 gegen 39 444 878 ℳ, die Summe der Ausgaben 36 800 866 gegen 33 468 951 im Jahre vorher.

Konkurse im Deutschen Reiche im 1. Vierteljahr 1911. Nach vorläufigen Mitteilungen des Kaiserlichen Statistischen Amts zur Konkursstatistik gelangten im 1. Vierteljahr 1911. im Deutschen Reiche 2998 neue Konkurse zur Zählung gegen 2883 im 1. Vierteljahr 1910. Es wurden 615 Anträge auf Konkurseröffnung wegen Massemangels abgewiesen und 2383 Konkurtverfahren eröffnet; von letzteren hatte in 1454 Fällen der Gemeinschuldner die Konkurs⸗ eröffnung beantragt. Beendet wurden im 1. Vierteljahr 1911: 1945

und die Ausdehnung der Rekrutierung unter den schwarzen Truppen ei

Gebäudesteuer, darunter zu mindestens 100 (Re⸗

[im 1. Vierteljahr 1910: 1943) Konkurzverfahren, und zwar dur Schlußverteilung 1303, durch Zwangsvergleich 444, infolge allgemeiner

Grund der

inwilli nd wegen Massemangels 169. In 906 beendeten Cunwillgungt2en war ein Gläubigerausschuß bestellt. 8 Von den 2998 neuen und den 1945 beendeten Konkurs⸗ 22 en betrafen: 8 8 vesahge Personen. Nachlässe.. Nach ihee elschaften . Genossenschaften 8 andere Gemeinschuldner

Aktiengesellschaften im 1. Viertel⸗ Die desen jahr 1911.

rmittlungen des Kaiserlichen Statistischen Amts auf

Nach der Gerichte im ‚Reichsanzeiger den in den Monaten Januar, Februar und März 1911 33. Ge⸗ wifschaften mit einem nominellen Aktienkapital von 48,11 Millionen Ln t gegründet. 10 Gesellschaften hiervon mit 17,74 Millionen 2 art Kapital wurden unter Einbringung bestehender Unternehmungen Moin det. für die Sacheinlagen wurden hierbei 10,71 Millionen Püark in Aktien gewährt. Bemerkt sei, daß das Kaiserliche Statistische 8 diejenigen Sacheinlagen feststellen kann, welche unter Beob⸗

Amng der Schutvorschriften des § 186 Abs. 2 des Handelsgefet⸗

ingebracht sind. 8 8 bachs eingeheedatüngen erfolgten im 1. Vierteljahr 1911 bei 89 Ge⸗

ften um 162,39 Millionen Mark. 28 Gesellschaften nahmen sellschafterabsetzungen um 12,83 Millionen Mark vor. In demselben . aume traten 21 Gesellschaften mit einem Aktienkapital von Zeien Millionen Mark in Liquidation. Bei 3 Gesellschaften mit 2 89 Millionen Mark Kapital wurde das Konkursverfahren eröffnet.

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Zur Arbeiterbewegung. 8 8 m Freitag ausgebrochene Streit zwischen der Firma A v 89. 8 G. m. b.99. und ihren Rotationsmaschinen⸗ ag eht einer friedlichen Lösung entgegen. Gestern vormittag meistern geht einer ing entgeg effn bentte maten in der „Neuen Welt“ in der Hasenheide ie sämtlichen Druckereiarbeiter der Firmen Scherl, Mosse gund Ullstein zu einer Beratung zusammen, an der auch die Ver⸗ trauensmänner der anderen größeren Druckereien Berlins und Vertreter der Zentralvorstände der Berliner Gewerkschaften teil⸗ nahmen. Das Ergebnis der Debatte war, der ⸗Vossischen Zeitung⸗ zufolge, die beinahe einhellige Annahme eines 2 e folgenden Inhalts: Nachdem das gesamte Druckereipersona der Firmen Mosse und Ullstein bereits Sonnabend gegen die Zusicherung, daß ihm keine Streikarbeit zugemutet werden solle, die Arbeit wieder aufgenommen hatte, hat auch das gesamte Druckerei⸗ . 2 Scherl Montag vormittag die Arbeit in personal der Firma Scherl Montag B 1 vollem Umfang wieder aufzunehmen. Eine aus drei Mitgliedern be⸗ stehende Kommission der Maschinenmeister, die wegen der auf Grund des Urteils des Tarifamts am 6. Juni d. J. erfolgten Entlassung zweier Maschinenmeister am 16. Juni die Arbeit niedergelegt haben, wird mit der Firma Scherl wegen Wiedereinstellung jener in Ver⸗ handlung treten. Ebenso haben die Hilfsarbeiter eine dreigliedrige Kommission behufs . mit der Firma Scherl zu entsenden. Am Mittwochabend findet eine Versammlung des Berliner Buchdrucker⸗ vereins statt, in der über das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Firma Scherl und den beiden Kommissionen berichtet werden soll. Der Streik der Seeleute hat am Sonnabend in Amsterdam zu Ausschreitungen geführt. Als dort fünfzehn von der Königlich niederländischen Schiffahrts⸗Gesellschaft angeworbene Seeleute aus Hamburg eintrafen, wollten die Ausständigen sie hindern, sich auf das Bureau der Gesellschaft zu begeben. Dabei kam es, wie „W. T. B. meldet, zu einem Zusammenstoß zwischen Schutzleuten und Ausständigen, wobei erstere von der Waffe Gebrauch machen mußten. Es gelang den Ausständigen, vier von den fünfzehn Angeworbenen zurück⸗ zuhalten. Doch vermochte die Gesellschaft ihren Dampfer „Pollux zu bemannen, der in der Nacht abgegangen ist. Als die Schiffahrts⸗ gesellschaften die Hafenarbeiter dazu verwenden wollten, sonst von Seeleuten verrichtete Arbeiten zu leisten, drohten die Hafen⸗ arbeiter, in den Ausstand zu treten. In einer späteren Ver⸗ sammlung der Vereinigung der Hafenarbeiter wurde jedoch erklärt, daß kein Grund zu einem Ausstand vorliege, da die Hafen⸗ arbeiter zu solchen Arbeiten oft auch in normaler Zeit heran⸗ gezogen würden, und es wurde beschlossen, weder in den Aus⸗ stand zu treten, noch sich mit den Seeleuten solidarisch zu erklären. Die Hafenarbeiter werden jedenfalls eine Erhöhung ihrer Löhne fordern. In Rotterdam haben die englischen Dampfer „Republie“, „Olympic“, „Thimbleby“ und „Tiverton“ vorgestern auf dem britischen Konsulat Anwerbungen gegen Löhne von 4 ½ Pfd. Sterl. vorgenommen. Auf den niederländischen Dampfern haben sich keine Veränderungen ergeben. Die Dampfer „Ryndam“ und „Wilis“ sind abgefahren; auf dem letzteren bedienen Chinesen die Maschinen. 8 8 Der Ausstand der britischen Seeleute hat, „W. T. B. zufolge, in Glasgow beträchtliche Störungen zur Folge gehabt. Von drei Auswandererdampfern, die in Greenock ihre Mannschaft vervoll⸗ ständigen wollten, hatte bis vorgestern abend nur einer mit genügender Besatzung in See gehen können. In einer gestern dort. abgehaltenen Versammlung wurde ein Brief der allgemeinen Arbeiter⸗ vereinigung in Paris verlesen, in dem diese ihre Sympathie und Solidarität mit den englischen Seeleuten zum Ausdruck bringt und darauf hinweist, daß Schritte unternommen selen, um die An⸗ musterung von französischen Arbeitswilligen zu verhindern. e Von Cardiff sind heute gegen 30 Schiffe Eine Anzahl von Seeleuten hat die von dem Nationalverband erhaltenen Papiere zerrissen und erklärt, daß sie genug von der Sache hätten. Mebrere Arbeitswillige wurden von den Ausständigen in das Bassin der Docks geworfen und konnten von der Polizei nur mit Mühe gerettet werden. Wie aus New York gemeldet wird, ist die zur Internationalen Seemannsunion gehörige Mannschaft des Dampfers⸗Momus von der Morganlinie in den Ausstand getreten. Man be⸗ fürchtet, daß sich der Streik auch auf andere Küstenda mpferlinien aus⸗ breit bi 3

Kunst und Wissenschastt.

Das Juniheft der „Amtlichen Berichte aus den Königlichen Kunstsammlungen“ enthält einen Aufsatz über den Bildhauer Johann

Carl Friedrich Riese und Abbildungen einer Reihe seiner Werke, darunter vier bisher unbekannte, die hier zum ersten Male abgebildet

sind. Riese war von 1789 bis 1831 als Modellmeister an der Berliner Porzellanmanufaktur tätig und scheint neben Schadow von bestimmendem Einfluß auf die Erzeugnisse der Berliner Biskuit⸗ plastik gewesen zu sein. Im vergangenen Jahre erwarb das unstgewerbemuseum eine lebensgroße Biskuitbüste Friedrichs des Großen von diesem Künstler, die im Jahre 1805 entstanden ist und eine Ergänzung zu der nicht lange vorher erworbenen Biskuitgruppe der Königin Luise und ihrer Schwester Friederike nach dem Modell von Schadow bildet. Von den Arbeiten Rieses ist an erster Stelle eine ältere Ausführung der Biskuitgruppe auf den Fürstenbund nach einem Modell Trippels zu nennen, die sich im Besitz des Kunst⸗ gewerbemuseums befindet. Das Gegenstück zu ihr ist die Gruppe auf den Baseler Frieden 1795, die in der Modengalerie von 1795 im Umrißtisch abgebildet ist. Die Gruppe, etwa 50 cm hoch, stellt Friedrich Wilhelm II. dar, der sitzenden Europa die Hand reichend, neben ihm der Genius des Friedens, rückwärts am Boden die Nemesis. Während diese Komposition sich der allegorischen Plastik anschließt, wie sie in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts üblich war, zeigt sich im einzelnen, namentlich in dem Porträt des Königs, ein Streben nach Individualisierung. Darin ist die Gruppe der Fürstenbundgruppe überlegen und kennzeichnet die charakterisierende Art Schadows gegenüber dem allgemeinen, Caneva nahestehenden Idealismus des in Rom arbeitenden Trippel. Unter der direkten

Gruppe: Friedrich der Große hat dem kleinen Prinzen Friedrich

Wilhelm beim Spielen den Ball weggenommen. Eine echte Aus⸗ formung des Bildwerkes, etwa 45 cm hoch und bezeichnet: Riese 1800 befindet sich in der Manufaktur. Die Figur des Königs ist nach der Statue Friedrichs von Schadow in Stettin (1791) gebildet. Nach Schadowschen Entwürfen fertigte Riese ferner eine Statue Martin Luthers, eine Büste Friedrich Wilhelms III. e. und einen jetzt unbekannten Biskuitkamin in Potsdam. Auch als Bildnis⸗ modelleur hat Riese tüchtiges geleistet. Er schuf u. a. eine in ihrem Naturalismus peinliche lebensgroße Büste Friedrich Wilhelms III., die sich bisher im Königlichen Schloß in Berlin befand und jetzt in das Hohenzollernmuseum übergeführt wird, und eine Büste Friedrichs des Großen. Das Bildnis Friedrichs geht, wie die Schadowsche Marmorbüste von 1794, die Bardousche Büste und viele andere Büsten des Königs, der in der zweiten Hälfte seines Lebens jede Porträtierung nach dem Leben ablehnte, zurück auf die Ecksteinsche Totenmaske und die Bronzebüste danach im Hohenzollernmuseum. Die Riesesche Biskuitbüste zeigt manche Mängel, die z. T. aber auf das Material zurückzuführen sind. Ein von ihm hergestelltes Originaltonmodell, das im Depot der Manufaktur erhalten ist (1811), zeigt einen weit lebendigeren Ausdruck. Die Biskuitbüste zeigt den König in natura⸗ listischer Behandlung, das Modell als antiken Heros. In den Akten der Manufaktur werden noch zwei weitere Portraitbüsten Rieses an⸗ gegeben, die aber verschollen sind: eine Büste der Königin Luise von 1802 und eine des Ministers von Heinitz aus demselben Jahre. Ein interessantes Werk des Künstlers aus dessen späterer Zeit, ein Tintenfaß, befindet sich im Goethe⸗Museum in Weimar. Riese sandte es mit einem Brief vom 22. November 1831 an Goethe als Dank für eine ihm gewährte freundliche Aufnahme mit der Bitte, „dasselbe noch viele Jahre in Stunden der Muse zu ge⸗ brauchen“. Goethe bedankte sich dafür am 21. Dezember 1831: „Ew. Wohlgeboren verfehle nicht, ungesäumt zu melden, daß die an mich gerichtete Sendung zu rechter Zeit und glücklich angekommen sei. Gar sehr habe ich für den beiter grüßenden Genius zu danken, welcher sich durch ein wohlempfundenes Kunstleben an meine heranwachsenden Enkel anschließt und in diesem Sinne ganz eigentlich zur Familie gehört. Möge Ihnen für dieses anmutige Werk sowie für alles Gelingen auf Ihrem bedeutenden Posten ein verdienter Beifall zum Lohn gedeihen.“ Der auf dem Tintenfaß knieende Genius zeigt, daß in dieser späteren Periode der Einfluß Schadows auf den Künstler durch den Rauchs verdrängt war.

A. F. In der Vorderasiatischen Gesellschaft hielt am 14. Juni der Professor Martin Hartmann einen Vortrag über „Westöstliche Kulturströmung“. Faßt man so ungefähr leitete der Redner seinen Vortrag ein „Kultur“, von einem Wert⸗ urteil absehend, als „Summe der Betätigungen gesellig lebender Menschen“ auf, so scheint es sehr einleuchtend, daß sich „Kultur⸗ strömungen“ an besonders scharf ausgeprägte Formen von Gesellungen anschließen. Beispiele hierfür liefern die hellenische und persische Kultur. Die ältesten Probleme beiseite lassend, beschäftigte sich der Redner zunächst mit einer in Erzeugnissen des Kunsthandwerks, in Kulten und Mythen sich äußernden Kultur, der „mykenischen“, die sich, wie anzunehmen, mit einer Schicht der minoisch kretischen Kultur deckt. Man hat diese mykenische Kultur mit Wanderungen von Phöniziern nach Griechenland in Verbindung gebracht. Das dürfte jetzt allseitig als ein Irrtum erkannt sein. Die Strömung hatte vielmehr die entgegengesetzte Richtung. Bei weiterer Besprechung der von Aegypten und Assyrien her auf Syrien geübten Einflüsse wurde der Sonderstellung des jüdischen Volkes Se.”- die der Vorssaßene wesent⸗ lich in der Intensität des religiösen Lebens im alten Israel sieht. Durch die westöstlich von dem Hellenismus ausgehende Kulturströmung wurde in der Folge auch das Judentum berührt und in höherem Maße noch das aus seiner Heimstätte hervorgehende Christentum. Doch läßt sich im Anfang noch nicht von einer sich erkennbar unterscheidenden christ⸗ lichen Kultur sprechen. Erst das Eindringen von Elementen der alt⸗ vrientalischen Welt führte zur Entstehung der römischen Kirche, die sich, entsprechend dem Kirchenstaat, binnen kurzem zu vollkommenem Ubeokntinuß entwickelte. Die hierin liegenden Gefahren für die Kultur⸗ entwicklung wurden spät erst durch das Wiederaufleben des Nationalitäts⸗ gedankens beschworen, nicht ohne mehr oder weniger erhebliche Modi⸗ fikationen, die das Christentum erfuhr. Durch den im ersten Viertel des 7. Jahrhunderts mit dem Anspruch auf die Weltherrschaft auf⸗ tretenden Islam erscheint eine neue Kultur auf dem Schauplatz der Geschichte; doch ihre Entwicklung zu einer Hochkultur wurde ge⸗ hindert durch das Fehlen des Staatsgedankens und durch die Roheit der ersten Bekenner und Verbreiter des Islam, die vor⸗ handene Kulturwerke veraphteten, wohin sie immer kamen. An diesem Bilde macht ick geringe Abstriche, daß vereinzelt muslimische Individuen und Gruppen in Persien sowohl als in Spanien unter den Omaijaden Kulturwerte in Kunst und Wissenschaft schufen. Es hat zu allen Zeiten keine Einheitlichkeit der islamischen Kultur gegeben; lokale, starke Veränderungen sind einflußlos geblieben. Die islamische Strömung ist auch heute noch im Fluß, aber sie ist an⸗ scheinend nicht stark genug, um nicht durch eine richtige Organisation zum Stillstand gebracht zu werden. Die Annahme z. B. ist irrig, daß die Schaffung einer islamischen Oberschicht in der Kolonte nützlich sein kann. Der Gegenstoß des Abendlandes gegen den Islam trat, von den Kämpfen der Franken im 8. Jahrhundert abgesehen, erst in den Kreuzzügen ein, deren Zusammenhang mit wirtschaftlichen Momenten zu gering einge⸗ schätzt wird. In ihrem internationalen Charakter lag der Keim ihres Scheiterns. Und wieder sehen wir dann die Verteidigung des Jslam mit Geschick und Erfolg geführt und von ihr unter den Aijubiden zahlreiche und bedeutende Elemente nach dem Westen, nach Syrien und Aegypten, verpflanzt; aber es blieb bei der Enthaltung von einem Gegenangriff gegen Europa. Der Islam war hierzu unter arabischer Herrschaft zu schwach und erwies sich so auch, als die mongolischen Horden im Beginn des 13. Jahrhunderts unter Tschingis Chan einbrachen. Damals erlitt die schwersten Schläge der Islam. Auch die Türkenhorden, die später einbrachen und deren eine Gruppe das Osmanische Reich schuf, waren zu ihrer Zeit das Gegenteil von Kulturträgern und vernichteten die letzten Reste der in den über⸗ fluteten Ländern noch bestehenden Hochkultur, ohne etwas an ihre Stelle zu setzen. Es war eine merkwürdige Fügung der Ereignisse, daß im Jahrhundert der siegreichen ostwestlichen Strömung des Türkentums durch die portugiesische Entdeckung des Seeweges nach Indien eine westöstliche Strömung Bedeutung er⸗ hielt, auch gleichzeitig mit dem Verfall der von Tschingis Chan ge⸗ schaffenen großen Heerstraße durch Asien. Wichtig werden nunmehr für die neue westöstliche Strömung die christliche Missions⸗ und die Wirtschaftstätigkeit, energisch unterstützt durch die Staatsgewalt. An Stelle der ursprünglich sehr bedeutenden Verschiedenheit in der Kolo⸗ nisierung tritt allmäͤhlich Vereinheitlichung durch die Ausbildung des Ver⸗ kehrs. Die Eröffnung des Suezkanals wird eine der mächtigsten Förde⸗ rungen der westöstlichen Strömung. Freilich geht es dabei nicht ohne Härten gegen die empfangenden Orientalen ab, aufgehoben auf der andern Seite durch ihnen in Menge ebes⸗ kulturelle Wohltaten, denen auch der Bau der Sibirischen Bahn durch Rußland beizuzählen ist, eines nach beiden Seiten weit ausladenden und verladenden Pfades, trotzdem die nächste Folge die Verdrängung der Nomadenkultur durch den russischen, zähen, dieser Kultur überlegenen Bauer ist. Der Redner schloß seinen Vortrag mit einem Hinweise auf eine ganz aktuelle westöstliche Wanderung, nämlich auf die rege Tätigkeit der Amerikaner, die in der Türkei mit bedeutenden wirtschaftlichen Unternehmungen eine großzügige kapitalistische Politik einleiten, gestützt durch eine praktisch arbeitende Missionstätigkeit, und die zugleich mit beträchtlichen Geldmitteln ebendort ernste Forscher⸗ arbeit betreiben. Mit seinen letzten Worten schien Professor Hart⸗ mann seine an einigen Stellen vielleicht von den üblichen Auf⸗ fassungen abweichenden Ausführungen mildern zu wollen, indem er sich zu dem schönen Optimismus bekannte, welcher in dem an eine Koranstelle anknüpfenden Worte des „Westöstlichen Divan“ liegt:

Der Vortrag entfesselte eine ziemlich angeregte Aussprache, in der u. a. gegen die Einschränkung der von Israel geleisteten Kultur

arbeit wesentlich auf die Förderung des Gottesgedankens und des

religiösen Lebens geltend gemacht wurde, daß die hebräische Schrif

die Grundlage aller Buchstabenschrift, der geschriebenen wie der ge⸗ druckten, geworden sei, sicher doch eine kulturelle Großtat ersten Ranges. Ebenso wurde gegen die Annahme, daß die ersten Er⸗ oberungszüge des Islam ausschließlich von der Begehrlichkeit der Massen getragen waren und ihnen jedes ideelle Momen 8 efehlt habe, eingewandt, daß die Lehre des Islam sehr wohl die Massen fanatisieren und ihnen Antriebe einzuflößen vermocht habe, die sich nicht allein mit den rohen Instinkten der Massen deckten. Es erscheine als eine besondere, dem Stifter des Islam eigen gewesene Gabe, gewisse Vorstellungen auf eine Formel zu bringen, die sich auch dem schlichtesten Verstande einprägte und immer wiederholt ihm zum unverlierbaren Besitz wurde, so die Formel von dem Wesen Allahs, „Er zeugt nicht und ist nicht gtzeugt. Auch über das Ver⸗ hältnis der mykenischen Kultur zur hellenischen ergaben sich einige Meinungsverschiedenheiten.

Literatur.

Schriften des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit. 92. Heft: Die Organisation der Jugend⸗ fürsorge, Bericht, erstattet von Bürgermeister Dr. Georg Schmidt, Beigeordnetem der Stadt Mainz. 266 Seiten. Preis 5,20 93. Heft: Die Erstattung von öffentlichen Unter⸗ tützungen durch die Unterstützten und durch ihre An⸗ ehörigen. Von Stadtrat Rosenstock⸗Königsberg. IV und 94 Seiten. Preis 2 ℳ. 94. Heft: Stenographischer Bericht über die Verhandlungen der 390. Jahres⸗ versammlung des deutschen Vereins für Armen⸗ pflege und Wohltätigkeit am 15. und 16. Sep⸗ tember 1910 in Königsberg i. Pr. XXIII und 117 Seiten. Preis 3 ℳ. Verlag von Duncker u. Humblot, Leipzig. In dem von Schmidt, dem Leiter der städtischen Deputation für Jugendfürsorge in Mainz, erstatteten Bericht über die Organisation der Jugend⸗ fürsorge, die einen Gegenstand der Beratungen der 30. Fahresversamm⸗ lung des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit bildete, wird alles systematisch behandelt, was durch Staat und Gemeinde für diesen Zweck geschieht: die Sorge für das Säuglingsalter, für die noch nicht schulpflichtige, wie für die schulpflichtige und für die aus der Schule entlassene Jugend. Der subjektiven und objektiven Verwahrlosung der Jugendlichen vorzubeugen, sei der das Gebiet der Jugend beherrschende Grundgedanke. Auch die straf bare Handlung der Jugendlichen sei im wesentlichen eine Erscheinungs⸗ form dieser Verwahrlosung, der gegenüber das Hauptziel auch der Jugendgerichte nicht Strafe, sondern Erziehung und Fürsorge sei. So müsse als Ausgangspunkt die Erkenntnis der Notwendigkeit be⸗ trachtet werden, daß der heranwachsenden Jugend der zu ihrer ge deihlichen Entwicklung erforderliche Schutz und eine entsprechende Für sorge zuteil werde. Die Zusammenfassung der durch die Gemeinde geübten öffentlichen Tätigkeit in einer zentralen Organisation der Jugendfürsorge müsse als Bedürfnis anerkannt werden, dem abzuhelfen schon an einzelnen Stellen, wie in Hamburg und Mainz, versucht worden sei. Die einheitliche Aufgabe bestehe in der Sorge, daß der Minderjährige in einer passenden Stelle untergebracht und dort erzogen und ver⸗ pflegt werde. Die einheitliche Organisation stelle sich im wesentlichen als Aufsichtsorganisation dar mit den entsprechenden Aufsichtsorganen, die teils ehrenamtliche, teils beamtete sind, mit entsprechender Heran⸗ ziehung des weiblichen Geschlechts. Die Mitteilungen des Verfassers, die auf genauem Studium der früheren Berichte des Vereins und der Lite⸗ ratur sowie auf den Ergebnissen einer Umfrage, die bei sämtlichen deutschen Städten mit mehr als 10 000 Einwohnern gehalten wurde, beruhen, werden durch einen Anhang ergänzt, der in 29 Anlagen wichtige landes⸗ gesetzliche Bestimmungen, Satzungen, Geschäftsanweisungen, 2 aisenord⸗ nungen, Denkschriften und Berichte enthält. In dem eingangs an zweiter Stelle genannten Referat vom Stadtrat Rosenstock über die gleichfalls in der letzten Hauptversammlung des Vereins behandelte Erstattung von öffentlichen Unterstützungen durch die Unterstützten und ihre An ehörigen wird nur die Rechtsfrage erschöpfend erörtert, nachdem die tatsächliche Handhabung schon früher durch Münsterberg eine eingehende Bearbeitung erfahren hat. Die Untersuchung ist räumlich auf das Geltungsgebiet des Unterstützungswohnsitzgesetzes beschränkt, das seit seiner am J. April 1910 erfolgten Einführung in Elsaß⸗Lothringen im ganzen Deutschen Reiche mit Ausnahme von Bayern gilt. Eine in einem Anhange wiedergegebene Umfrage über die Rechtsanschauung, die die Städte mit mehr als 50 000 Einwohnern ihren armenrechtlichen Erstattung ansprüchen zugrunde legen, ist aber auch auf Bayern erstreckt worde Die übersichtliche Zusammenstellung der Auskünste dieser Städt 8 nimmt 44 Seiten des Heftes ein. Der im 94. Heft enthaltene stenographische Bericht über die Verhandlungen der E1 sammlung des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigke bringt noch wertvolle Ergänzungen zu den vorgenannten Referaten. So hat in Ergänzung der Ausführungen Dr. Schmidts, die sich auf die Organisation der öffentlichen Jugendfürsorge beschränkt haben, Fräulein Dr. Duensing, die Leiterin der deutschen Zentrale für Jugend⸗ fürsorge, die Organisation der freiwilligen Jugendfürsorge behandelt, die längst über den Rahmen der charitativen Tätigkeit hinausgewachsen und zu sozialer Arbeit geworden ist und deren Leistungen noch be⸗ deutend erhöht werden könnten, wenn ihre äußerst, zersplitterte Tätigkeit einheitlich organisiert, die verschiedenen Bestrebungen so verbunden würden, daß sie sich ergänzten und auch die amtliche Jugendfürsorge mit den freien Organisationen zu einem möglichft lebendigen Zusammenwirken gelangte. Außerdem gibt der stenov⸗, graphische Bericht ein eingehendes und beachtenswertes Referat des inzwischen verstorbenen Stadtrats Dr. Münsterberg⸗Berlin über 5 englische Armenwesen wieder. Beigefügt sind dem 94. Hefte ein vo ständiges Verzeichnis aller bisher erschienenen Schriften des deutschen Vereins für Armenpflege und Wohltätigkeit und ein die gesamten Vereinsschriften umfassendes alphabetisches Sachregister sowie die Satzungen und ein Verzeichnis der Mitglieder des Vereins. Unter dem Titel „Das Heimat⸗ und Armenwesen in Bayvern“ veröffentlicht das bayerische Statistische Landesamt im 83. Heft der „Beiträge zur bayerischen Statistik“ (München, Lindauerscher Verlag, Preis 3 ℳ) eingehende, vom Landtag ver⸗ anlaßte Untersuchungen, die zur Vorbereitung einer Reform der bayerischen Heimat⸗ und Armengesetzgebung dienen sollen. Zunäͤchst wird mittels der Binnenwanderungsstatistik näher veranschaulicht, wie wenig die Seßhaftigkeit der Bevölkerung, von der die bayerische Heimatgesetzgebung ursprünglich ausging, noch vor⸗ handen ist, wie vielmehr durch umfangreiche Wanderungen die Siedelungsverhältnisse mit der Zeit erheblich verschoben wurden. Wie Geburts⸗ und Aufenthaltsgemeinde, so fallen aber auch Heimat⸗ und Aufenthaltsgemeinde in hohem Grade auseinander. Nur noch drei Fünftel der Familien, die jeweils neu⸗ begründet wurden, beginnen im räumlichen Bereiche der Heimatgemeinde den Ehestand. Zwei Fünftel der neuen Familien, die nach dem Heimatrecht wenigstens im rechtsrheinischen Bavern noch als gemeindezugehörig gelten, sind tatsächlich gemeindefremd. Je kleiner die Gemeinde, desto größer ist der Teil der Heimatangehörigen der sich außerhalb der Heimatgemeinde aufhält, desto empfindlicher wird die Tragkraft der Daheimgebliebenen geschwächt durch Ab⸗ gewanderte, deren Leistungsfähigkeit vielfach größeren Gemeinden zugute kommt. Die Heimatnovelle von 1896 wollte den Zwie⸗ spalt zwischen Heimat und Wohnort auf ein erträgliches Maß zurückführen. Wie aber das vorliegende Werk feststellt, hat die Novelle, wenn sie auch den Gemeinden, vor allem den Städten, einen großen Zuwachs an neuen Heimatgenoffen brachte, die Bewegung nur verlangsamt, nicht beseitigt. Ein weiterer Abschnitt schildert an de Hand der Statistik Stand und Entwicklung des öffentlichen Armen⸗ wesens, wobei sowohl die gemeindliche wie die Distrikts⸗ und die Kreisarmenpflege sowie die hauptsächlich in Betracht

„Gottes ist der Orient, Gottes ist der Okzident, nördliches und süd⸗

Einwirkung Schadoms, wenngleich Rieses eigene Erfindung, steht eine

liches Gelände, ruhn in Frieden seine Hände!“

kommenden Ursachen für deren Inanspruchnahme berücksichtigt