trägt. Solche Gedanken gehen sehr langsam. Ich hoffe, daß die
erren, die dem Gesetz widerstreben, durch das Zusammenarbeiten im
erbandsausschuß zu einer Verständigung gelangen werden. Die rößte Verantwortung trägt aber die Staatsregierung. Sie muß aupolizeiliche Bestimmungen erlassen, welche die Grundstücks⸗ spekulation verhindern. ie Baupolizeiordnung für Berlin muß revidiert werden. Nur durch eine gemeinsame Arbeit im Verbands⸗ ausschuß können Erfahrungen gesammelt werden zur weiteren Klärung aller dieser Fragen.
Herr Bender⸗Breslau: Bisher haben nur Vertreter der Minderheit gesprochen, die Herren von der Mehrheit haben ge⸗ schwiegen. Die ausführlichen Darlegungen des Herrn Körte werden doch aber auch auf die Mehrheit nicht ohne Eindruck geblieben sein. Es muß anerkannt werden, daß Berlin in den letzten 30 Jahren nur unter den ungünstigsten Verhältnissen, unter ausgesprochener Feind⸗ seligkeit der Regierung sich hat entwickeln können. Man hat Berlin die Schuld zugeschoben, das ist unberechtigt. Die Uebelstände, die in der Oeffentlichkeit gerügt sind, sind auch nicht so groß, wie man sie hinstellt. Wenn die Regierung sie erkannt hatte, so hatte sie ja Mittel und Wege, auf ihre Abstellung zu dringen. Der Kreis Teltow hat auf eigene Faust den Kanal gebaut und 48 Millionen dafür ausgegeben, die im wesentlichen nur der Spekulation zu gute gekommen sind. Es hätte nicht geschehen können, wenn nicht der Kreis losgelöst von allen anderen kommunalen Verpflichtungen vor⸗ gegangen wäre. Die Frage der Wohnungsfürsorge hat gewiß ihre Bedeutung, aber man kann sie nicht so en passant in diesem Gesetz mit erledigen. Hinsichtlich der Organisation habe ich zu den Behörden nicht das gleiche Vertrauen wie Herr Adickes. Es müßten aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Vertretungskörper sein.
1 Herr von Wedel⸗Piesdorf: Es besteht kein Zweifel darüber, daß in Groß⸗Berlin in seiner gegenwärtigen Gestaltung außerordent⸗ liche Mißstände herrschen. Diese konnten nur dadurch entstehen, daß eine Menge von Kommunen zusammengepfercht sind, und kein Mensch weiß, wo die Grenzen sind. Am leichtesten und bequemsten wäre aller⸗ dings die Verschmelzung zu einer einzigen Gemeinde. Leider ist diese nicht mehr möglich. Vielleicht ist es recht gut, daß es so gekommen ist. Es ertönt überall der Ruf, die Steinsche Städte⸗ ordnung ist in Gefahr. Wir müssen bedenken, daß diese vor mehr als 100 Jahren erlassen wurde. Stein konnte nicht entfernt ahnen, daß sich nach 100 Jahren Städte mit 4—5 Millionen Einwohnern ntwickeln würden. Es ist sehr zweifelhaft, ob die Formen der Steinschen Städteordnung für die Regierung von Millionenstädten noch ausreichen, sie würde dahin führen, daß die gewaltige Millionenstadt vom Roten Hause in Berlin aus in zentralistischer Weise regiert würde. Wir glauben, daß es besser ist, wenn nur diejenigen Angelegenheiten zentralisiert werden, die gemeinschaftlich behandelt werden müssen, daß alle übrigen aber dezentralisiert und auf kleinere Verbände ver⸗ teilt werden. Diese Dezentralisation ergibt sich für Berlin in histori⸗ scher Weise dadurch, daß man die bestehenden Kommunen weiter bestehen läßt. Diesen Weg beschreitet die Vorlage. Freilich trennen sich die Oberbürgermeister ungern von der bisherigen Form. Als Stein die Städteordnung erließ, haben die großen Städte auch energischen Widerstand geleistet. Die jetzige Vorlage ist nur der An⸗ fang, der immer schwer ist. Hoffentlich wird sich daraus etwas Gutes entwickeln. Interessenkämpfe werden gewiß nicht ausbleiben. Würden wir diese aber nicht von einer allgemeinen Eingemeindung
der Stadtverordnetenversammlung in genau derselben Weise haben, würde nicht auch die Belastung Groß⸗Berlins dieselbe sein? Auf dem Wege der Vorlage sorgen wir mehr für Selbst⸗ verwaltung. Es ist besser, einen Schritt, den man zu tun beabsichtigt, gleich zu tun; wer weiß, was bis zum nächsten Jahre dazwischen kommt, die allgemeinen Reichstagswahlen und was sonst. Ich hätte es gern gesehen, wenn wir in bezug auf den Bebauungs⸗ plan den Zweckverbänden eine größere Kompetenz verliehen hätten. Aber wir hatten die scharfe Opposition der Vertreter der Städte und waren froh, das nun Erreichte durchgebracht zu haben. Gegen den Wunsch, den Kleinwohnungsbau aufzunehmen, habe ich Bedenken. Berlin ist ja diejenige Stadt in Europa, in der die Arbeiterbevölkerung am schlechtesten wohnt, aber der Weg, durch dieses Gesetz Abhilfe zu schaffen, wäre verfehlt. Man muß den Zufluß abschneiden. Ich will nicht die Freizügigkeit unbedingt beschränken, aber ich halte Maßregeln für nötig, die dem Zuzug von Leuten, die keine Wohnung haben, begegnen. Den Arbeitgebern, die in Berlin gar nichts für die Wohnungsfürsorge tun, sollten Opfer auf⸗ erlegt werden, wenn auch die Dividenden etwas sinken. Auf dem Lande sorgen die Arbeitgeber für Wohnungen. Sie sind dort nicht opferwilliger, sondern sie bekommen sonst keine Arbeiter, während der Wunsch, in Berlin zu sein, so mächtig ist, daß die Arbeitgeber hier Arbeiter bekommen, auch ohne daß sie für Wohnungen sorgen. Nehmen wir das Gesetz an und suchen wir es später zu ver⸗ bessern. Ich hoffe, daß aus diesem Anfang ein für die Millionen⸗ städte segensreiches Werk hervorgehen möge.
Herr Schnakenburg⸗Altona: Als Bürgermeister von Friedenau habe ich die Verhältnisse in Berlin kennen gelernt und als Oberbürgermeister von Altona weiter verfolgt und bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß der Fehler der Groß⸗Berliner Ent⸗ wicklung der gewesen ist, daß es an einer Instanz gefehlt hat, die die Gegensätze ausgleichen konnte. Berlin hätte selbst die Initiative ergreifen muͤssen, um die Gemeinden in Zusammenhang zu bringen und jene Instanz zu schaffen. Der größere Fehler liegt aber bei der Staatsregierung, die nicht in genügender und richtiger Weise von ihrem Aufsichtsrecht Gebrauch gemacht hat. Die Aufsicht über Groß⸗Berlin fällt einer ganzen Reihe von Instanzen zu, und jede dieser Instanzen hat nur über einen Teil von Groß⸗Berlin die Aufsicht. Wenn es gekänge, eine Instanz zu schaffen, die die Aufsicht über ganz Groß⸗Berlin übte, dann würde man zu viel besseren Resultaten kommen. Man sollte also die Aufsicht nicht verstärken, sondern verbessern. Bestünde eine so organisierte Instanz bereits, dann würden wir dies Gesetz nicht bekommen haben. Dies Gesetz berührt wirtschaftliche Fragen wie die Steuerfrage überhaupt nicht, sondern greift ein paar Aufgaben beliebig heraus. Wie soll ein Zweckverband Bebauungspläne aufstellen, wie soll er die Frage der Arbeiterwohnungen lösen? Es werden da die größten Interessengegensätze und Schwierigkeiten hervortreten. Eine so schwerfällige Instanz, wie der Zweckverband, wird ein großes Hemmnis für die Entwicklung Groß⸗Berlins sein. Und ich möchte deshalb, daß das Gesetz glatt abgelehnt würde. Die Kommissions⸗ arbeit braucht deshalb nicht umsonst gewesen zu sein; man soll die Oeffentlichkeit darüber nochmals hören, dann wird man nach einiger Zeit zu einem richtigen Urteile kommen. Die Vertreter der großen Städte sind sich darin vollständig einig, daß das Gesetz den be⸗ rechtigten Ansprüchen nicht genügt. Eine nochmalige sorgfältige Prüfung der Vorlage zu wünschen ist doch nicht zu viel verlangt; jedenfalls sollte sie nicht schon jetzt zur Verabschiedung gebracht werden.
Herr Dr. Rive⸗Halle: Die Vorlage hat bis jetzt eine wirkliche Klärung nicht erfahren, obwohl die Kommission Uebermenschliches geleistet und bis zu zehn Stunden täalich gesessen hat; auch sie mußte mit dem Bewußtsein auseinandergehen, daß die Mehrzahl der gestellten Fragen ungelöst geblieben ist. Ich habe noch nie ein so unruhiges und schlechtes Gewissen gehabt, als bei dieser gesetzgeberischen Arbeit. Das Ergebnis der Kom⸗ missionsarbeiten ist vielleicht ein erster Ansatz zu einem Versuch auf diesem neuen Gebiete. Die herbste, aber auch berechtigtste Kritik hat an unserer Arbeit Herr Adickes geübt, wenn er die Erwartung aus⸗ svrach, daß die Novellen zu dem Gesetze nicht lange auf sich warten lassen möchten. Ohne weiteres kann man über die Anregungen, die hier heute Herr Adickes gegeben hat, nicht hinweggehen, zumal über diejenigen hinsichtlich der Wohnungsfrage. Sehr schwierig sind auch die mit der Vorlage aufgeworfenen Rechtsfragen; § 4, die Eisenbahnen betreffend, strotzt nach jeder Richtung von Schwierigkeiten, die Kommission ist erst nach zweitägigem Studium dahin gelangt, ihn notdürftig zu verstehen. Nach § 4 sollen die Bahnen gegen Entschädigung dem Verbande zu Eigentum überlassen werden. Bisher ist das nur möglich im Wege der Enteignung; hier zum ersten Male taucht eine Konstruktion auf,
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wonach Eigentum durch Gesetz übertragen wird. Der einzige Vor⸗
Bng dafür ist das polnische Enteignungsgeseg von 1908, und dieses esetz ist bisher unausgeführt geblieben. Eine der Grundlagen des Staates, das Eigentum, wird durch dieses Gesetz direkt erschüttert. Nach dem bisherigen Gange der Erörterung komme ich in dieser späten Stunde zu dem Antrage, den Entwurf nochmals an die Kommission zurückzuverweisen, denn er hat bisher eine ausreichende Vorprüfung nicht erfahren.
Damit schließt die Generaldiskussion. Im Schlußwort bemerkt der b
v“ Korreferent Herr Körte, daß in der heutigen Verhandlung die
Ausführungen des Oberbürgermeisters Adickes der einzige Lichtblick ge⸗ wesen seien; es sei auf das tiefste zu bedauern, daß Herr Adickes der Kommission nicht angehört habe. Bei so eminent schwierigen Materien sei es nicht die Aufgabe der gesetzgebenden Faktoren, Versuche zu machen. Die „neuen“ Formen, die Herr von Wedel als Fortschritt preise, während er die Oberbürgermeister als Rückwärtser hinstelle, stellten keine Verwirklichung des Selbstverwaltungsgedankens dar, sondern setzten an die Stelle der Selbstverwaltung die nackte Interessen⸗ vertretung.
Graf Botho zu Eulenburg führt Beschwerde darüber und legt Verwahrung dagegen ein, daß der Mitberichterstatter im Schlußwort entgegen der Geschäftsordnung gegen die Vorlage ge⸗ sprochen habe.
Mitberichterstatter Herr Körte beruft sich auf eine Vereinbarung mit dem Referenten, wonach er die gegen die Vorlage sprechenden Momente in den Vordergrund stellen sollte; die Absicht eines Ver⸗ stoßes gegen die Geschäftsordnung habe ihm ferngelegen.
ganz schwacher Mehrheit wird der Antrag Rive ab⸗ gelehnt.
Gegen 7 Uhr wird die Fortsetzung der Beratung auf Montag, 12 ½ Uhr, vertagt. Außerdem kleinere Vorlagen, Denkschriften und Rechnungen.
89. Sitzung vom 17. Juni 1911, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.) 81
Ueber den Beginn der Sitzung, in der in zweiter Beratung der Gesetzentwurf, betreffend Abänderung der Ge⸗ meindeordnung für die Rheinprovinz, verhandelt wird,
ist in der Nummer d. Bl. vom Sonnabend berichtet worden. Das Haus setzt die allgemeine Debatte bei dem Art. 1 fort. Abg. Heckenroth (kons.): Wir halten es nicht für angebracht, diese Novelle noch weiter mit wichtigen Anträgen zu belasten, die eigent⸗ lich nicht zu ihr gehören. Die Resolution, welche die Novelle ver⸗ anlaßt hat, spricht nur davon, daß besonders reformbedürftige Bestimmungen der Landgemeindeordnung für die Rheinprovinz revidiert werden sollen. Gewiß gehen die Wünsche der Be⸗ wohner der Rheinprovinz erheblich weiter. Dem Vorredner aus dem Hause ist namentlich darin Recht zu geben, daß die Stellung der Ortsvorsteher anders werden muß, als sie gegenwärtig ist. Der Ortsvorsteher der Einzelgemeinde hat heute ein Amt inne, von dem man nicht sagen kann, daß es irgendwie begehrenswert ist; er ist lediglich das Organ des Bürgermeisters. Anderseits kann man nach den gemachten Erfahrungen nicht behaupten, daß der Orts⸗ vorsteher z. B. geeignet wäre, die Stellung als Jagdvorsteher auszuüben. Den bezüglichen Anträgen des Zentrums haben wir in der Kommission inhaltlich durchaus zugestimmt; auch ist seitens der Regierung zugesichert worden, daß demnächst eine neue Novelle betreffs der Stellung des Ortsvorstehers ausgearbeitet werden soll. Wir würden sie mit Freuden begrüßen. Den Eindruck wird ja die Regierung auch aus den Kommissionsverhandlungen bekommen haben, daß die rheinische Landgemeindeordnung durchweg reform⸗ bedürftig ist und in die moderne Zeit nicht mehr hineinpaßt. Wir bitten die Regierung, mit der allgemeinen Revision möglichst bald vorzugehen und dann alle hier berührten Punkte zu berücksichtigen. Die gemachten Abänderungsvorschläge greifen aber, z. B. be⸗ treffẽ der Bürgermeistereiversammlung, so tief in die be⸗ stehenden Verhältnisse ein, und bedingen eine so große Um⸗ wälzung, daß wir dazu nicht Stellung nehmen dürfen, ohne daß die Lokalinstanzen und der Provinziallandtag gehört worden sind. Es ist uns aus den hervorgetretenen Wünschen das eine klar ge⸗ worden, daß nicht immer so verfahren wird, wie es tatsächlich wünschenswert wäre. Unter allen Umständen müssen wir daran festhalten, daß die Anhörung der Bürgermeistereiversammlung nicht illusorisch wird. Das tritt aber ein, wenn sofort von der Aufsichts⸗ behörde ein Verwalter hingesetzt wird, den nach einem Jahre der Kreisausschuß selbstverständlich zur Wahl vorschlagen und die Bürgermeistereiversammlung wohl oder übel wählen muß. Bei der Auswahl der Bürgermeister sollen alle ungeeigneten Perfönlichkeiten ferngehalten werden. Man kann nicht behaupten, daß das immer eschehen ist. Unter keinen Umständen darf es vorkommen, daß olche Personen gewählt werden, die in anderen Karrieren nicht zu brauchen sind. Das Bürgermeisteramt in der Rheinprovinz ist so wichtig, daß die Besten nur gerade gut genug sind. Wenn von der Staatsaufsichtsbehörde mit weitestgehender Sorgfalt verfahren wird, so werden die Klagen, die erhoben sind, verstummen. Die Kommission hat den Grundsteuerbetrag auf 100 ℳ festgesetzt. Wir stimmen dieser Aenderung zu, weil wir es für richtig halten, daß die Grundsteuer vor allen Dingen in Ansatz kommen muß. Mit dem Antrag Bell, der das Vertretungsrecht der Industrie nach hessen⸗ nassauischer Art ausgebaut sehen möchte, können wir uns nicht befreunden. Die Gebäudesteuer haben wir aus der Novelle herauszubringen gesucht. Zur Einführung des geheimen Wahlrechts können wir ganz unmöglich Stellung nehmen, da man die An⸗ sicht des Provinziallandtags nicht kennt. Der beschränkten Oeffent⸗ lichkeit der Verhandlungen stimmen wir zu, wir wollen der Rhein⸗ provinz nicht vorenthalten, was die übrigen Provinzen haben. Die unbeschränkte Oeffentlichkeit können wir nicht annehmen. Alles in allem begrüßen wir die Novelle freudig und wünschen, daß die Staatsregierung mit der Aenderung der Landgemeindeordnungen weiter fortschreitet und demnächst mit einer größeren Novelle kommt. Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Auf die Novelle haben meine Freunde gedrängt, und wir stimmen ihr daher Fehscsaec zu. In der Kommission haben wir uns Selbst⸗ beschrän ung auferlegen müssen, ich habe schon dort ausgeführt, daß wir mit Rücksicht auf die Geschäftslage des Hauses manche Anträge ablehnen müssen, deren Grundgedanken wir gern zustimmen würden, die aber nicht genügend entwickelt sind. So hätten wir gewünscht, daß den Frauen ein gewisses Beteiligungsrecht eingeräumt wäre. Durch die Festsetzung des Grundsteuerbetrages von 100 ℳ werden manche Kategorien ausgeschaltet, die gar nicht betroffen werden sollen. Die Anträge des Zentrums lehnen wir ab, gerade in der Rheinprovinz würde durch sie die Industrie hinausgetrieben werden. Ministerialdirektor Dr. Freund: Die Staatsregierung hat nicht, wie hier behauptet wurde, in den Verhandlungen der Kommission eine neue Novelle in Aussicht gestellt, durch die sie den Bestrebungen auf eine selbständigere Stellung der Gemeinden in der Rheinprovinz Rech⸗ nung tragen wollte. Eine derartige Erklärung ist in der Kommission nicht abgegeben. Wohl sind solche Wünsche geäußert unter Hinweis auf Westfalen. Die Staatsregierung hat geantwortet, daß sie ihnen Rech⸗ nung getragen habe durch das Jagdgesetz und durch das Zweckverbands⸗ gesetz, und daß sie im übrigen der Frage wohlwollend gegenüberstehe. Der Beseitigung der Zwerggemeinden, wie sie der Antrag Bell be⸗ zweckt, hat die Regierung an sich keinen Widerspruch entgegenzusetzen. Der Antrag leidet aber doch an einer Reihe beträchtlicher Mängel. So müßte eingefügt werden, daß leistungsunfähige Gemeinden auf⸗ elöst werden können. Dem Antrag Bell zu § 46 stehen prinzipielle Bedenken entgegen. Es würde sich um ein Ausnahmegesetz handeln,
und der Inhalt des Antrags deckt sich nicht mit der Genesis des § 46
Die freisinnigen Anträge sind für die Regierung nicht annehmbar⸗
Abg. Freiherr von Zedlitzund Neukirch (freikons.): Die Vor lage beschränkt sich auf die Beseitigung einiger dringlicher Mängel und wil alles übrige einer späteren allgemeinen Revision der Gemeindeordnun vorbehalten. Einige Anträge wollen aber die ganze Gemeindeordnun grundsätzlich umgestalten, andere Anträge wollen sogar Aenderungen herbeiführen, die präjudiziell auch für die Selbstverwaltung in der anderen Provinzen wären. Es kommt hier in Betracht, daß die rheinische Gemeindeordnung ein von allen anderen vollkommen ab⸗ weichendes Gepräge hat und mit den anderen nicht vergleichbar ist; das Institut der Meistbegüterten ist allein der rheinischen Gemeinde. ordnung eigen. Man darf hier nicht Aenderungen vern die auf die Gestaltung der Gemeindeordnung im ganzen eine Rückwirkung haben würden. Der Antrag, die Landbürgermeister wählbar 8 machen, würde eine vollkommene Umwälzung dieser Einrichtung sein. Die Einrichtung der Landbürgermeister hat sich im ganzen sehr wohl bewährt, und manche andere Landesteile würden froh sein können, wenn sie eine ähnliche Einrichtung hätten. Es ist verkehrt, aus theoretischen Gründen der Selbstverwaltung die Art an diese Wurzel der rheinischen Gemeindeordnung zu legen. Meine Freunde werden aber bereit sein, in einer Resolution der Re. gierung solche Anregungen für die demnächstige Revision der Gemeindeordnung im ganzen zu empfehlen, wobei auch den Selbst⸗ verwaltungsorganen ein größerer Einfluß auf die Ernennung der Bürgermeister gewährt werden könnte. Der Gedanke einer Kon⸗ tingentierung der Zusammensetzung der Bürgermeistereiversammlung ist empfehlenswert, läßt sich aber mit Sicherheit noch nicht übersehen und man wird ihn auch der zukünftigen Regelung überlassen müssen. Das Ziel des Antrages wegen Beseitigung der Zwerggemeinden ist berechtigt, aber die Durchführung dieses Gedankens ist auch noch keineswegs spruchreif, und wir werden ihn ebenfalls der zukünftigen Revision empfehlen. Andere Anträge, die über den Rahmen dieser Vorlage hinausgehen, schlagen sogar Aenderungen vor, die präiudiziell für unsere ganze Gesetzgebung sein würden; z. B. der Antrag auf Zulassung der Frauen, der Mannweiber, in die Ge⸗ meindevertretung würde präjudiziell für die Gemeindevertretungen über⸗ haupt sein, und man kann ihm deshalb nicht beitreten. Wir werden uns nicht dazu verstehen, eine Gelegenheit dieser Art für eine solche Aenderung zu benutzen. Hierher gehört auch der Antrag, an Stelle der öffentlichen die geheime Stimmabgabe ein⸗ zuführen. Wenn wir hier zum ersten Male die geheime Stimm⸗ abgabe eingeführt hätten, so wäre diese Frage im Sinne der Ein⸗ führung der geheimen Abstimmung in der ganzen Monarchie eur⸗ schieden. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten.) Gexnqce deswegen darf man diesen Beschluß nicht fassen, solche N. schlüsse dürfen nicht so nebenher gefaßt, sondern müssen en⸗ gehend erwogen werden. Am allerwenigsten darf man se nebenher den sozialdemokratischen Druck bei den Wahlen zulassen. Wir lehnen deshalb jetzt diesen Antrag abh. Auch der Antrag, zu verbieten, daß zugleich mehrere Beamte der⸗ selben juristischen Personen im Gemeinderat sitzen, würde pri⸗ judizielle Bedeutung für alle Landesteile haben und kann daher gleich⸗ falls nicht zur Annahme empfohlen werden. Von den Anträgen, die zur Vorlage selbst gestellt sind, erscheint mir aus den Gründen des Abg. Heckenroth und des Regierungskommissars der Zentrums antrag zu § 46 nicht annehmbar zu sein; er würde den gerechten Forderungen der Industrie in keiner Weise genügen, die Industrie würde lediglich ein Scheingeschenk, aber nicht eine Befriedigung berechtigter Wünsche erhalten. In den Hausbesitzerstimmen kann ich nur eine wesentliche Verschlechterung der Kommissionsbeschlüsse sehen. Wir lehnen also diesen Antrag ab. Die Wiederherstellung der be⸗ schränkten Oeffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen ist eine Ve besserung des Herrenhausbeschlusses, wir können aber nicht dem fr sinnigen Antrag auf weitergehende Einführung der Oeffentlichkeit; stimmen, schon weil die beschränkte Oeffentlichkeit im Herrenhaus so großen Widerstand gefunden hat; wollten wir noch weitere Al weichungen beschließen, so könnte das Gesetz an dieser einen Frage ganz scheitern. Wir wollen die Anregungen des Zentrums in Form einer Resolution der Regierung empfehlen, lehnen aber alle weiter gehenden Anträge ab.
Abg. Eickhoff (fortschr. Volksp.): Wir haben hier keine grund legende Reform der rheinischen Gemeindeordnung vor uns, sondern nur eine Aenderung von obsolet gewordenen Bestimmungen. D. Kommission hat allerdings noch einige andere Bestimmungen d Vorlage zugefügt, die ich zum Teil als Verbesserungen anseh Als Verbesserung sehe ich allerdings nicht an, daß 100 ℳ a⸗ die Grundsteuer entfallen sollen, und wir werden dem Antre Gottschalk auf Wiederherstellung der Regierungsvorlage in diese Beziehung zustimmen. Eine Verbesserung der Kommission ist d Wiederherstellung der Bestimmung der Regierungsvorlage über d Oeffentlichkeit; meine Freunde gehen allerdings noch einen Schri weiter und beantragen statt der beschränkten Oeffentlichke die unbeschränkte Oeffentlichkeit. Wir können darin ein Gefahr nicht sehen, denn wir haben doch sonst schon die Oeffen lichkeit der Stadtverordnetenversammlungen. Der Friede in de Gemeinde wird nicht gestört werden, denn Ruhestörer können en fernt werden. Warum will man ferner den Frauen nicht wenigstens da Recht geben, als Zuhörerinnen den Sitzungen beizuwohnen? Dan kann ja z. B. die Witwe eines Gutsbesitzers, die Interesse für Ge. meindeangelegenheiten hat, einer Sitzung nicht beiwohnen; sie kan sich nur vertreten lassen. Wir beantragen die Gleichstellung de weiblichen Gutsbesitzer mit den männlichen. Die Frauen müssen da Recht erhalten, Sitz und Stimme im Gemeinderat zu haben, wen sie sich auch wohl meist vertreten lassen werden. Für die Wah beantragen wir die einfache und klare Bestimmung, daß die Stimm zettel verdeckt, und zwar nach Maßgabe des Reichstagswahlrechte abgegeben werden sollen. Dem Antrage des Zentrums auf Wählbau keit der Bürgermeister stimmen wir zu, beantragen aber darin di völlige Streichung der Bestimmung, daß insbesondere größer Grundbesitzer gewählt werden sollen; denn diese Bestimmung ist durchaus bauernfeindlich, und es kann ein mittlerer Besitzer sie viel besser zum Bürgermeister eignen, als ein Großgrundbesitzer Sämtliche übrigen Anträge des Zentrums sind für uns unannehmbar Der Einfluß der Industrie würde durch den Zentrumsantrag zu § 4 völlig beseitigt werden. Die Herren haben auch eingesehen, daß si damit zu weit gegangen sind, und sie haben deshalb mit dem Antrag au, 8 35 der Industrie wenigstens einige Rechte geben wollen, aben auch diese wären nur Scheinrechte. Anträge, die eine wirkliche Ver besserung sind, müssen wir annehmen ohne Rücksicht auf das Herren haus; aber die Regierung hat ja auch bereits eine allgemeine Revisio⸗ der Gemeindeordnung für später zugesagt.
Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Aus der Novelle ersehen wir⸗ daß die Regierung vor grundlegenden Reformen zurückschreckt. Alle Redner geben zu, daß die Reformen nicht ausreichen. Alo sollte man die Regierung zu einer Reform zwingen. Die Referm bedürftigkeit ist doch über jeden Zweifel erhaben. Sie müßte sich in der Richtung eines allgemeinen Wahlrechts bewegen, zunachst i die geheime Stimmabgabe zu gewähren. Auch die Regierung 9 früher die öffentliche Stimmabgabe für reformbedürftig erklärt, als elegentlich der Wahlrechtsvorlage hier im Hause über die geheime Ee geredet worden ist. Hier sollte man also den Anfang machen. Es liegen zwei Anträge vor, ein freisinniger und einer des Zentrums. Sollte der erste acelebn. werden, würden wir für den zweiten eintreten. Die Kommission hat die beschränkte Oeffentlichkeit der Vorlage, die das Herrenhaus gestrichen hatte, wieder hergestellt. Warum nicht volle Oeffentlichkeit für die Gemeinderatssitzungen⸗ Man hat ja immer die Möglichkeit, die Oeffentlichkeit bei Ver handlungen auszuschließen, z. B. wenn es sich um Grundstücks⸗An⸗ oder Verkäufe handelt. Jedenfalls würde das Interesse an der Schicksalen der Gemeinde bei der Masse der Bevölkerung nur gesteigert. Dem freisinnigen Antrage, der auch Frauen Sitz und Stimme im Gemeinderat geben will, können wir, obwohl er auf den ersten Blich uns sympathisch erscheint, schon deshalb nicht zustimmen, weil es sich hier nur um besitzende Frauen handeln soll; wenn also nicht wesent⸗
liche Verbesserungen an der Vorlage vorgenommen werden, können weibr ni stimmen. r iht nichr vndeZenir.: Die Forderung einer gründlichen Reform r glteten rheinischen Landgemeindeordnung läßt sich schon 8 r- Thronrede herleiten, die auf die bedeutsame Entwicklung aus Riheinprovinz hinweist. Die preußische Regierung bezieht n für ihren Standpunkt auf historische Gründe, auf eine Institution aus der Zeit der französischen Regierung, während sie Fust alles aus dieser Zeit Herrührende peinlich vermeidet. Vor son Fahren mußten wir auf die französisch⸗rheinischen Rechts⸗ 8 schanungen verzichten, um die deutsche Rechtseinheit herzu⸗ gell n. Die Gegenüberstellung der heutigen rheinischen Bürgermeister entsprechenden französischen Beamten, der Maires, ist auch gen- nicht zutreffend. Die französische Regierung war klug genug, sefe Maires zu wählen aus den angesehenen Eingesessenen der Ge⸗ meinden um so wenigstens äußerlich den Schein eines Vertrauens⸗ nmchältnisses ersaffecste Nach der Steinschen Reform sollte auch 65 Rheinprovinz gar nicht unterschiedlich behandelt werden. Die beutige Selbstverwaltung dort ist nur ein Zerrbild dessen, was in hervorragender Staatsmann, der Staatssekretär des Innern Tr Delbrück, im Reichstag als das Wesen der Selbstverwaltung ckennzeichnet hat. Auf die hohe Bedeutung der Rheinprovinz in wirt⸗ aftlicher und kultureller Beziehung für. ganz Preußen muß hier nochmals hingewiesen werden. Für das Reich bringt die Rheinprovinz 22 % der Zölle und stellt für das Heer ein erhebliches Kontingent. Die Frage ist berechtigt: Was wäre aus Preußen geworden ohne die Rheinprovinz? Die rheinische Landbevölkerung ist immer noch ein fester Wall gegen die Umsturzpartei. Die rheinische Bevölkerung steht fest auf der Wacht am Rhein, aber sie darf nicht unzufrieden gemacht
Feah. von Gescher (kons.): Was der Vorredner zum Lobe der Rheinprovinz ausgeführt hat, kann ich bestätigen. Wenn bedautrt st, daß die Vorlage nicht schon vor Ostern an uns gelangt ist, so teilen dies Bedauern wohl alle Fraktionen. Alle hätten die Vorlage lieber früher als später verabschiedet. Aber es lag nicht an den Fraktionen, sondern an den Verhältnissen. Nicht die Staatsregierung hat keine Pertreter für die Kommissionsberatung stellen können, sondern
öir Kommissionsmitglieder waren in Anspruch genommen, wo wir
IIM“ ersetzt werden konnten. s ist eine eigentümliche Er⸗
inung, daß der Antrag auf Einführung des geheimen Wahl⸗ steige 188 8 unendliche Wichtigkeit besitzt, uns erst heute morgen präsentiert ist. Die Annahme würde ganz unabsehbare Folgen haben. Aus Furcht vor der Sozialdemokratie lehnen wir das geheime Wahlrecht, wie der Abg. Hirsch meinte, nicht ab. Den Vorwurf, daß die rheinische ländliche Be⸗ völkerung lediglich aus Angst ihrer wahren Ueberzeugung bei den Wahlen keinen Ausdruck gibt, muß ich als unberechtigt zurückweisen. Die Unrichtigkeit wird sen dadurch bewiesen, daß auch dort, wo der rheinischen Bevölkerung das geheime und gleiche Wahl⸗ recht gegeben ist, sie doch keinen Sozialdemokraten wählt. Ich gebe zu, daß mehr als bisher auf die Wünsche der Bevölkerung Rücksicht genommen werden muß, aber diese ist ja auch nach der bestehenden Gesetzgebung schon in der Lage, durch ihre berufenen Organe ihre Wünsche zur Geltung zu bringen. Ich kann der Bevölkerung nur den dringenden Rat geben, daß sie davon Ge⸗ brauch macht. Inwieweit eine Aenderung des bestehenden Rechts angebracht ist, will ich nicht untersuchen. Was die Anträge an⸗ betrifft, so möchte ich im Interesse des Zustandekommens eines uten Gesetzes dringend vor weitergehenden Beschlüssen warnen. s ist kaum möglich, solche schwerwiegenden Bestimmungen, die nach allen Seiten erwogen werden wollen, materiell und formell plötzlich in den Rahmen eines ganz anderen Gesetzes hineinzuzwängen; dabei besteht die Gefahr, daß nichts Gutes herauskommt. Anderseits bin ich der Meinung, daß die Arbeit, die wir auf das Gesetz ver⸗ wendet haben, durchaus nicht verloren ist. Alle meine Fraktions⸗ genossen stimmen darin überein, daß es sich klar herausgestellt hat, wie reformbedürftig die rheinische Landgemeindeordnung ist. Deshalb täte die Regierung auch gut, in eine solche Reform einzutreten. Einer dahingehenden Resolution würden meine Freunde ihre Zustimmung geben. Als ich die Erklärung des Ministerialdirektors vorhin hörte, kam mir das Wort in den Sinn: Vor Tische las man’s anders. Die Erklärung in der Kommission lautete entschieden entgegenkommender.
Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Die Reformbedürftigkeit der rheinischen Landgemeindeordnung ist durchaus anzuerkennen. Die Rhein⸗ provinz hat eine bedeutende industrielle Entwicklung genommen, aber gerade hierauf nehmen die Anträge des Zentrums keine Rücksicht.
Daß unser Antrag auf Zulassung der Frau zum Gemeinderat über den Rahmen der Vorlage hinausgeht, kann ich nicht anerkennen; im Gegenteil, ich meine, daß er eine Konsequenz der ganzen Vorlage ist, in der es sich nicht um die Rechte von bestimmten Persönlich⸗ keiten handelt, sondern darum, daß der Gutsbesitz als solcher in der Gemeindevertretung sein v wahrnehmen kann. Die Vorlage geht von der Auffassung der Handlungsunfähigkeit der Frau aus und will sie deshalb nur durch einen männlichen Ver⸗ treter mitwirken lassen; sie stellt die Frau deshalb den unter
Vormundschaft stehenden Personen gleich. Unser Antrag geht nicht
auf eine Erweiterung der Frauenrechte im allgemeinen hinaus, sondern will nur sagen, daß die Frau als Grundbesitzerin die Inter⸗ essen ihres Grundstuͤcks selbst wahrnehmen darf. Gegen unseren An⸗ trag auf Einführung des geheimen Wahlrechts wendet man ein, daß man eine so wichtige Sache hier nicht so nebenbei regeln könne. Dieser Grund ist nicht durchschlagend. Es liegen doch auch vom Zentrum Initiativanträge auf Einführung der geheimen Stimmabgabe bei den kommunalen Wahlen vor, und wir wünschen, daß diese Anträge noch in dieser Session erledigt werden. Dann können wir doch nicht bei dieser Vorlage die geheime Stimmabgabe ablehnen und vielleicht morgen ge⸗ legentlich dieser Anträge für die Kommunalwahlen im allgemeinen an⸗ nehmen. Wir verlangen ferner die Zulassung der vollen Oeffentlichkeit der Gemeinderatssitzungen, denn alle Gemeindeangehörigen haben ein Interesse an 88 Berhandrupgen, und man hat keine Veranlassung, in dieser Beziehung so ängstlich zu sein. “
sfer, Heniehungcs⸗ 88¹ erwidert dem Abg. von Gescher, daß ein Widerspruch zwischen den Erklärungen der Regierung im Plenum und in der Kommission bezüglich einer künftigen Revision der rheinischen Landgemeindeordnung nicht bestehe; eine bestimmte Zusage für eine solche Revision sei überhaupt noch nicht abgegeben worden. Wenn das Haus eine solche Resolution beschließen wollte, so würde die Regierung die Frage prüfen. Zu den einzelnen Anträgen behalte er sich die Stellungnahme in der Spezialdiskussion vor.
Abg. Bell⸗Essen (Zentr.): Ich bin mit dem Abg. von Gescher darin einig, daß die Regierung an eine gründliche Reform gehen sollte. Daß die Regierung, falls eine entsprechende Resolution angenommen wird, in eine Prüfung der Verhältnisse eintreten will, damit können wir uns nicht zufrieden geben. Wir haben den Wünschen der Be⸗ völkerung der Rheinprovinz in unseren Anträgen Ausdruck gegeben, und zwar nur denen, die uns am allernotwendigsten erschienen. Unsere Anträge sind daher keine Parteiwünsche. Sie sind in der Kommission abgelehnt, darum haben wir sie im Plenum wieder ein⸗ gebracht. Es ist ungerecht, gegen uns den Vorwurf zu erheben, daß wir der Industrie nicht zu ihrem vollen Rechte verhelfen wollten. Weiter ist der Antrag auf Einführung des allgemeinen Wahlrechts hier so oft behandelt, und die Meinungen sind darüber so geklärt, daß man darüber zur Abstimmung schreiten kann. Die Landgemeindeordnung regelt alle Fragen der Gemeinden, folglich auch die der Stimmabgabe. Es handelt sich um die öffent⸗ liche oder die geheime. Dazu müssen wir also Stellung nehmen. Es heißt, wenn wir das geheime Wahlrecht erhielten, würden wir Rheinländer den übrigen Provinzen voraus sein. Wir sind nicht verwöhnt. Sollten wir aber das geheime Wahlrecht bekommen, so würden wir im gegebenen Falle den anderen Provinzen auch gern dazu verhelfen. Die Reform der Gemeindeordnung kann auf die Zustimmung des überwiegenden Teiles der rheinischen Bevölkerung,
rechnen, und unsere Partei betrachtet einstimmig die vorliegende gemeindeordnung.
aus, insbesondere gegen die Wahl der Land
Industrie zurückdrängen, aber gerade auf die Wahl des
die Gelegenheit einer späteren Revision abwarten.
wird angenommen.
die zu sieben Neunteln durch die Zentrumspartei vertreten wird,
Novelle nicht als eine Reform, sondern eine Deformierung der Land⸗
Abg. Ecker⸗Winsen (nl.) spricht sich gegen die Zentrumsanträge ürgermeister. Wenn man
die Gemeinden möglichst stärken wolle, so müsse man an der Er⸗ nennung der Bürgermeister festhalten, denn der gewählte Bürger⸗ meister werde immer bestrebt sein, die kommunalen Angelegenheiten möglichst an sich zu ziehen. Das Zentrum wolle den Geisgac der ürger⸗
meisters werde die Industrie einen großen Einfluß ausüben. Die Wahl rufe nur Parteikämpfe hervor. Das geheime Wahlrecht sei ein ganz guter Gedanke, aber man könne nicht hier bei dieser einen Gelegenheit einsetzen, um es einzuführen; man müsse dazu vielmehr
Damit schließt die allgemeine Besprechung. Der Art. 1 (Aufhebung des § 41 der rheinischen Landgemeindeordnung)
Zur speziellen Begründung des bereits oben mitgeteilten
Antrags des Zentrums auf Abänderung des § 6 der geltenden Gemeindeordnung zum Zweck der Zusammenlegung von Land⸗ gemeinden behufs Beseitigung der Zwerggemeinden führt Abg. Linz (Zentr.) aus, daß es in der Rheinprovinz eine Masse anz kleiner Gemeinden gebe, die nicht leistungsfähig seien, deren Zu- desrg aesac. aber bisher sehr erschwert sei. Es müsse deshalb ein Ergänzungsverfahren eingeführt werden, durch das die mangelnde Uebereinstimmung der an der Zusammenlegung beteiligten Gemeinden ersetzt werde.
Regierungsrat Dr. Saenger: Der Ministerialdirektor Dr. Freun
hat bereits ausgesprochen, daß die Regierung dem Gedanken des An trages sympathisch gegenüberstehe, daß die Fassung des Antrages aber noch Mängel habe. Der Vorredner hat sich nicht darüber geäußert, wie namentlich der Mangel beseitigt werden könne, daß der Antrag nicht die Bestimmung enthalte, daß Gemeinden, die außerstande sind
ihre öffentlich⸗rechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen, durch Königlich
Verordnung aufgelöst werden können. Das ist aber ein sehr zweck mäßiger Weg zur Erreichung des Zieles.
Abg. Winckler (kons.): Wir lehnen auch diesen Antrag ab, wie
wir alle Anträge ablehnen, die über den Rahmen der Vorlage hinaus⸗ gehen. Allerdings liegt bei diesem Antrage die Sache etwas anders;
es besteht im Gegensatz zu den übrigen Gemeindeordnungen in der
rheinischen Gemeindeordnung eine Lücke in dieser Beziehung, und es wäre wünschenswert, daß diese Lücke ausgefüllt werde, damit die unglück⸗
seligen Gebilde der Zweiggemeinden beseitigt werden können; aber wir haben doch Zweifel, ob wir, ohne die Organe der Rheinprovinz darüber gehört zu haben, einfach in dieser Weise Bestimmungen aus
den anderen Landesteilen auf die Rheinprovinz übertragen sollen.
Deshalb wollen wir heute diesen Antrag nicht annehmen. Die Ab⸗ lehnung wird uns allerdings bei diesem Antrag schwerer als bei den übrigen Anträgen, deren Tragweite wir überhaupt noch gar nicht übersehen können. 1
Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.): Auch meine Freunde stehen dem Gedanken des Antrages sympathisch gegenüber, können ihm aber doch nicht zustimmen aus Bedenken gegen die Durchführung im einzelnen. 11
Abg. Linz (Zentr.) erklärt, daß seine Freunde sich überlegen würden, wie sie den Bedenken der Regierung entgegenkommen könnten.
Abg. Freiherr von Zedlitz und Neukirch: (freikons.): Meine Freunde sind mit dem Ziele des Antrages grundsätzlich einverstanden und würden bereit sein, für eine Fassung zu stimmen, welche die Be⸗ denken der Regierung beseitigt. 3 3 1
Abg. Eickhoff (fortschr. Volksp.) erklärt dasselbe für seine Partei.
In der Abstimmung wird der Zentrumsantrag allein durch die Stimmen des fast vollzählig vertretenen Zentrums an⸗ genommen, da die sämtlichen Fürigen Parteien nur sehr schwach vertreten sind.
Abg. Fleuster (Zentr.) befürwortet darauf die vom Zentrum zu § 35 der geltenden Gemeindeordnung beantragte Aenderung wegen des Gemeinderechtes der juristischen Personen und des Fiskus. 1
Unterstaatssekretär Holtz wendet gegen den Antrag ein, daß seine Tragweite noch gar nicht zu übersehen sei, und daß erst Er⸗ hebungen darüber stattfinden müßten; er bitte deshalb, den Antrag abzulehnen.
Abg. Dr. Gottschalk⸗Solingen (nl.) spricht sich ebenfalls gegen den Antrag aus.
Abg. Winckler (kons.): Nach der Erklärung des Unterstaats⸗ sekretärs, daß die Regierung die Tragweite des Antrages noch nicht übersehen könne, sind wir nicht in der Lage, für den Antrag zu stimmen.
Bei der Abstimmung bleibt das Ergebnis durch Probe und Gegenprobe zweifelhaft, die Auszählung ergibt 77 Stimmen für und 70 Stimmen gegen den Antrag, das Haus ist also nicht beschlußfähig, die Sitzung muß abgebrochen werden.
Präsident von Kröcher beraumt die nächste Sitzung auf Montag 11 Uhr an und setzt auf die Tagesordnung die Fort⸗ setzung der Beratung der Novelle zur rheinischen Gemeinde⸗ ordnung, die zweite Lesung des Ausführungsgesetzes zum Reichs⸗ viehseuchengesetz und Petitionen. 8 1.“
Scchluß 4 ¼ Uhr.
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1u“ 111u“ u“ 11“ eitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungsmaßreg
Tierseuchen im Auslande.
eln.
(Nach den neuesten im Kaiserlichen Gesundheitsamt eingegangenen amtlichen Nachweisungen.) 8 “ “
—: 1) Ein Punkt in einer Spalte der Uebersicht bedeutet, daß in der betreffenden Nachweisung eine Angabe für diese Spalte nicht enthalten ist; ein Strich bedeutet, daß Fälle der betreffenden Art
orliegenden Angab icht vorgekommen sind. 8 2) nvxch Pee Fhlhegen Gehoöͤfte! nicht pergebe nen sand, c, (Großbritannien), Ställe, Weiden, Herden (Schweiz und Frankreich), Besitzer (Luxemburg und Niederlande), Ställe
(Norwegen), Bestände (Dänemark).
3) Die in der Uebersicht nicht aufgeführten wichtigeren Seuchen, wie Rinderpest, Rauschbrand, Wild⸗ und Rinderseuche, Tollwut, Lungenseuche, Schafpocken, Geflügelcholera, Hühnerpest, Büffel⸗ seuche, Hämoglobinurie usw., sind in der Fußnote nachgewiesen.
Milzbrand
Rotz und Klauenseuche
Zeitangabe.
8 meinden
rovinzen, Departe⸗
Gouvernements,
ahl der vorhandenen Sperrgebiete ꝛc.)
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Ge⸗ Gehöfte Bezirke Ge⸗ Gehöfte Bezirke Ge⸗ Gehöfte
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Schweineseuche) Rotlauf der Schweine ¹) (einschließlich Schweinepest)
Ge⸗ Bezirke Ge⸗ Gehöfte
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Oesterreich ... WeeeE“ EEE11“ Kroatien⸗Slavonien 7. 6. Ferca.. 27./5.— 2./6. Italien. 10./4.— 16./4. 1 Schweiz . 5./6.— 11./6. 1
[5. — 27./5. 1 Großbritannien. 2. 176 13
Belgien. 1 1./5.— 15./5. Dänemark. SS 8 Mai 17 Norwegen. 20 Mai 151 Spanien. . 48 April 20 56
Außerdem: Rauschbrand: Oesterreich 8 Bez., 12 Gem., 12 Geh. überhaupt verseucht;
Wöchentliche, bezw. viermal im Monat erscheinende Nachweisungen.
g.
b 28 EEEEE“ 29 50 „67 56 2112 1977 ʒ18 3 111211.“ —. . T66 16“ 1II . 1 110389. 1397
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Halbmonatliche und monatliche Nachweisungen. —— — LCEEDIV8—19Pö
47 19 . “ V LA“*“ 45 45 — —8. “
44
JLI11““
Ungarn 30 Bez., 73 Gem., 76 Geh. überhaupt verseuch
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' . 4“”“ . 1“ 1 TJ v1A“ t; Kroatien⸗Slavonien 2 Bez., 4 Gem., 8 Geh. über⸗
haupt veflees Italien 7 Bez., 8 Gem. überhaupt, 7 Geh. neu verseucht; Schweiz 4 Bez., 8 Gem. neu verseucht; Belgien 4 Bez., 5 Gem. neu verseucht; Norwegen 4 Bez.,
6 Geh. ü
erhaupt verseucht; Spanien 6 Bez., 13 Gem. überhaupt verseucht.
t: ich 12 Bez., 23 Gem., 28 Geh. überhaupt verseucht; Ungarn 49 Bez., 246 Gem., 252 Geh. überhaupt verseucht; Kroatien⸗Slavonien 5 Bez., 13 Gem., 14 Geh. über⸗ . IT 8891,2 2 Bez., 4 Gem. überhaupt verseucht; Italien 6 Bez., 7 Gem. überhaupt, 2 Geh. neu verseucht; Belgien 3 Bez., 4 Gem. neu verseucht; Spanien 19 Bez.,
48 Gem. überhaupt verseucht.
Schafpocken: Ungarn 17 Bez., 36 Gem., 53 Geh. überhaupt verseucht; Spanien 23 Bez., 73 Gem. überhaupt verseucht. Sehngelcholera-)⸗ Oesterreich 6 Bez., 11 Gem., 63 Geh. überhaupt verseucht; Ungarn 11. B
Beschälseuche: Spanien 7 Bez., 21 Gem. überhaupt verseucht.
¹) Schweiz: Stäbchenrotlauf und Schweineseuche. — angegeben. — ⁴b) Spanien: Geflügelcholera und ⸗Diphtherie.
fieber
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ez., 88 Gem., 964 Geh. überhaupt verseucht; Spanien 6 Bez., 8 Gem. überhaupt verseucht.
³) Für ein Departement ist die Anzahl
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