BVeetrieb und die Verwaltung der Eisenbahnen des preußischen Staats.
Dieser ist durch den Erwerb der Eisenbahnen Industrieller geworden, und in diesem einen Zweige seiner Verwaltung wird er aller⸗ dings sehr gut tun, sich der bewährten Grundsätze der Verwaltung der Eisenbahnunternehmungen anzunehmen. Der zweite Punkt, den ich herausgreifen wollte, ist die Anspielung des Herrn von Buch auf das Versagen der Finanz im Jahre 1870. Ich habe das Jahr 1870 er⸗ lebt und erinnere mich der Vorgänge sehr gut. Was versagte, war keineswegs die Finanz, ganz im Gegenteil. Was von der Anleihe, die damals aufgelegt wurde, gezeichnet worden ist, hat im wesentlichen die Finanz gezeichnet; z. B. der alte Bleichröder hat eine große Summe gezeichnet. Bei einer großen Anleihe aber kann als Zeichner nur das Publikum in Frage kommen. Die Finanz, die Banken können in schwierigen und in Kriegszeiten erhebliches in dieser Beziehung kaum leisten, denn sie werden ja genug zu tun haben, den Ansturm des Publikums, ihre Einleger, ihre Gläubiger, das Ausbleiben der Zahlungen seitens ihrer Schuldner zu decken, um dem Ansturm zu widerstehen. Wer in Kriegszeiten auf die Banken rechnet, wird sich allemal verrechnen. Wenn die Leiter der Finanzinstitute auch gewillt sein sollten, Hilfe zu gewähren, so würden sie dazu gar nicht im stande sein. Deshalb habe ich bei einer früheren Debatte gesagt, Anleihen müsse man im Frieden machen, so lange man für sie einen guten Preis bekomme. Moderne Kriege können nur geführt werden mit Steuern und mit Papiergeld. Ich wüßte nicht, wer die Milliarden⸗ anleihen geben sollte; das Ausland doch ganz gewiß nicht. Herr von Buch schien von dem Gedanken auszugehen, als ob ich den Julius⸗ turm und seine Existenz bemängelte und kritisierte. Das Gegenteil ist der Fall. Ich hätte gar nichts dagegen und möchte sogar empfehlen, den Bestand im Juliusturm zu verstärken und ein paar hundert Millionen Mark mehr in Kassenscheinen in Umlauf zu bringen. Wenn man 1870 eine Summe von 120 Millionen für genügend erachtete, so ist inzwischen der Wohlstand des deutschen Volkes ganz zweifellos so gemwachsen und haben sich die Verhältnisse so geändert, daß wir unbedenklich 300 Millionen in den Juliusturm würden legen und dafür 300 Millionen in Reichskassenscheinen in Umlauf halten können. Es würde das keineswegs eine Verschlechterung oder Er⸗ schütterung unserer Finanzwirtschaft zur Folge haben. 1
Graf von Mirbach: Aus den Ausführungen des Herrn von Buch könnte jemand den Schluß ziehen, als ob er ein unsolides Finanz⸗ system, eine Pumpwirtschaft befürwortete; das liegt ihm selbst⸗ verständlich fern. Unsere Eisenbahn rentiert erfahrungsgemäß im Durchschnitt mit 6 %, unsere Anleihen kosten uns 4 %, also je 1000 ℳ investiertes Kapital bringen uns 20 ℳ. Die Eisenbahnschuld tritt ja natürlich als werbendes Kapital während der Bauzeit nicht in Erscheinung, sondern erst nach der Inbetriebnahme. Die Bauanleihen sind deshalb einfach ein durchlaufender Posten, der an der Sache nichis ändert. Ich habe nur den Wunsch, daß wir in Zukunft mit einer Verstärkung der direkten Steuern tunlichst verschont bleiben mögen. 88 Se Herr von Buch: Diesen Wunsch habe ich auch, aber anderseits ist einer Herabsetzung der Steuern zu widerraten, wenn sie nicht im Interesse des Ganzen liegt. Es sind zwei Fragen zu trennen. Der Staat ist allerdings durch Uebernahme der Eisenbahn Industrieller geworden, und deshalb ist es gerechtfertigt, wenn er sich die Erfahrungen zunutze macht, die in reichem Maße Industrie und Finamwelt ge⸗ sammelt haben; ganz anders liegt es aber hinsichtlich der Schulden. Diese sind Staatsschulden geworden. Wir sprechen von Eisenbahnschuld doch nur in dem Sinne, daß wir die Entstehung der Schuld motivieren. Die Staatsschuld muß aber nach anderen Grundsätzen behandelt werden als eine Schuld, die in der Bank⸗ oder Finanzwelt auf⸗ genommen wird. Wir müssen darauf halten, daß unsere Staatsschuld zo stark wie möglich herabgemindert wird. Ursprünglich war eine Abzahlung der Eisenbahnschuld in Aussicht genommen, aber wir haben diese Grundsätze fallen lassen. Deshalb halte ich es für meine Pflicht, immer wieder darauf hinzuweisen, daß wir vorsichtig verfahren mussen. Interessiert haben mich die Ausführungen des Herrn von Gwinner über die Geldaufbringung durch die großen Finanzinstitute im Kriegsfalle. Ich habe mich gefreut, daß auch er den Gedanken als berechtigt an⸗ erkennt, anderweitige Kriegsreserven auch in bar zu schaffen. Ich bitte dringend, diesem Gedanken nachzugehen.
Damit schließt die Generaldebatte.
—„In der Spezialdiskussion zu § 1 (Herstellung neuer Haupt⸗ und Nebenbabnen, zweiter und dritter Gleise und anderer Bauausführungen, elektrischer Zugförderung, Fahrzeugbeschaffung) dankt Graf Grote für die Aufnahme der Linie Uelzen— Dannenberg in die Vorlage und bittet, die spätere Umwandlung dieser Nebenbahn in eine Hauptbahn bereits beim Bau ins Auge zu fassen.
Graf von Mirbach⸗Sorquitten bittet den Minister, dem von den Beteiligten dringend befürworteten Projekt einer Bahn⸗ verbindung von einem Orte im Kreise Sensburg nach Passenheim im Kreise Ortelsburg sein Wohlwollen zuwenden.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Was die Bahnlinie Ueltzen — Dannenberg anlangt, die nach jahrelangen Bemühungen in das Eisenbahnanleihe⸗ gesetz aufgenommen worden ist, so darf ich Herrn Grafen Grote mit⸗ teilen, daß die Linie beim Bau so ausgestaltet werden soll, daß ihre Umwandlung von einer Nebenbahn in eine Hauptbahn ohne nennens⸗ werte Schwierigkeiten vor sich gehen kann. Ueber die Linienführung selbst sind noch keine Entscheidungen getroffen worden, obgleich in dieser Beziehung die Ansicht vorwaltet, daß eine südliche Linien⸗ führung die zweckmäßige ist. Es sind aber lebhafte Einsprüche gegen diese geltend gemacht worden; die Entscheidung über die Linienführung wird erst nach sorgfältiger Prüfung durch die Landesbehörden erfolgen.
Was die Linie Peitschendorf— Passenheim anbetrifft, so hat sie unser Interesse seit Jahren in Anspruch genommen. Von der König⸗ lichen Eisenbahndirektion werden zurzeit Vorermittlungen zur Fest⸗ stellung des Bedürfnisses für diese Linie vorgenommen.
§ 1 wird hierauf angenommen, ebenso auf Antrag des Herrn von Klitzing der Rest des Gesetzes en bloc und das Gesetz im ganzen. Ueber die Petitionen beschließt das Haus nach dem Antrage der Kommission.
Die Denkschrift über die Entwicklung der nebenbahnähn⸗ lichen Kleinbahnen in Preußen und über die Verwendung der dafür im Etat ausgeworfenen Staatsbeihilfenfonds beantragt der Berichterstatter Dr. von Burgsdorff durch Kenntnis⸗ nahme für erledigt zu erklären.
Anuf eine Anregung des Grafen von Mirbach erklärt der Üües Lbüern 8 8 .
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Meine Herren! Ich bin in der Lage, dem Herrn Grafen von Mirbach darin beizupflichten, daß es erwünscht ist, wenn in Zukunft überwiegend vollspurige Kleinbahnen gebaut werden. Wenn heute der Bau von schmalspurigen Kleinbahnen noch erfolgt, so ist das über⸗ wiegend darauf zurückzuführen, daß eben schmalspurige Eisenbahnnetze vorhanden sind, die eine Erweiterung erfahren müssen, wenn man nicht dazu übergeht — was ein kostspieliges Beginnen ist — eine dritte Schiene einzulegen. Aus diesem Grunde wird eine Staats⸗ unterstützung auch solchen schmalspurigen Kleinbahnunternehmungen zuteil werden können, die lediglich infolge Ausbaues der vorhandenen Netze entstehen.
Die Denkschrift wird durch Kenntnisnahme für erledigt
Herr Dr. von Burgsdorff erstattet darauf mündlichen Bericht der Eisenbahnkommission über die übersichtliche Darstellung des Er⸗ gebnisses der Verhandlungen des Landeseisenbahnrats von 1910 und
der darauf getroffenen Entscheidungen. Er bemängelt, daß die Ver⸗ waltung seiner Meinung nach ohne genügenden Anlaß für die Margarine den Eilgutspezialtarif zugestanden hat.
Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach:
Die letzten Ausführungen des Herrn Berichterstatters veranlassen mich, Aufklärung zu geben, aus welchen Gründen die Margarine in den Eilgutspezialtarif aufgenommen worden ist, d. h. aus welchen Gründen der Margarine dieselben Tarifvergünstigungen oder erleichte⸗ rungen gewährt werden wie der Butter, inländischer wie ausländischer. Die Frage der Versetzung der Margarine in den Eilgutspezialtarif hat die Generalkonferenz der deutschen Eisenbahnen und den Ausschuß der Verkehrsinteressenten beschäftigt und ist von beiden mit starker Mehrheit als nützlich empfohlen worden. Ebenso hat sie den Landes⸗ eisenbahnrat beschäftigt. Auch dieser hat sich mit einer nicht unerheb⸗ lichen Mehrheit dahin ausgesprochen, daß die Margarine in den Eilgutspezialtarif aufzunehmen wäre. Die Gründe, die den Landes⸗ eisenbahnrat bestimmt haben, sind folgende: Die Margarine leidet, wie die Butter, in der warmen Jahreszeit unter den Temperatur⸗ einflüssen, was ohne weiteres daraus erwiesen ist, daß zu der Zeit, wo die Margarine noch nicht im Tarif begünstigt war, in den Sommer⸗ monaten ein erheblich größerer Prozentsatz an Margarine zu den hohen Eilgutsätzen befördert wurde als in den kälteren Wintermonaten. Die Margarine ist ein weitverbreitetes Volksnahrungsmittel, und die Margarine ist um deshalb auch dieser Wohltat gewürdigt worden, weil wir ja ausländische Butter ebenso wie inländische Butter seit Jahren bereits zu den Sätzen des Eilgüterspezialtarifs befördert haben. Unter diesen Gesichtspunkten erschien es auch mir nicht angängig, nachdem die zuständigen Stellen — Generalkonferenz, der Ausschuß der Verkehrsinteressenten und der Landeseisenbahnrat — sich im Sinne der Gewährung der Tarifermäßigung ausgesprochen hatten, der Margarine die Vergünstigung zu versagen.
Herr Dr. von Burgsdorff: Ich bin in meinem Leben auch mehr mit Margarine gefüttert worden, als ich geahnt habe, besonders auch in Dänemark, wo sie die gute Butter ausführen und dafür Margarine namentlich auch auf den Dampfern, die von dort auslaufen, in den Konsum bringen. Nachdem das Urteil in dem Prozesse gegen die größten Margarinefabrikanten, gegen die Firma Anna Luise Mohr usw. vorliegt, wonach diese zu 700 ℳ Geldstrafe und in die etwa 40 000 ℳ betragenden Kosten verurteilt ist, glaube ich doch nicht, daß man diesem sogenannten Volksnahrungsmittel weitere Rücksicht entgegenzubringen braucht.
Nach dem Kommissionsantrag wird diese Darstellung eben⸗ falls durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt.
Ohne Diskussion faßt das Haus den gleichen Beschluß bezüglich des Berichts über die Ergebnisse des Betriebes der vereinigten preußischen und hessischen Staatseisenbahnen im Rechnungsjahr 1909 und bezüglich des Bauberichts der Eisenbahnverwaltung für den Zeitraum vom 1. Oktober 1909 bis dahin 1910 und des Rechenschaftsberichts über die Ver⸗ wendung der extraordinären Dispositionsfonds dieser Verwaltung für das Etatsjahr 1909.
Es folgt die einmalige Schlußberatung über die Uebersicht über die Verhandlungen des Gesamtwasserstraßenbeirats während der I. Wahlperiode (1. April 1907 bis Ende März 1910).
Die Kommission hat folgende Resolution vorgeschlagen: die vorgenannte Uebersicht durch Kenntnisnahme für erledigt zu erklären, dabei aber die bestimmte Erwartung auszusprechen, daß die Königliche Staatsregierung an dem staatlichen Schlepp⸗ monopol (§ 18 des Wasserstraßengesetzes vom 1. April 1905) un⸗ verbrüchlich festhalten und es voll zur Durchführung bringen werde.
Der Referent Herr von Klitzing beschränkt sich auf den An⸗ trag, die Uebersicht durch Kenntnisnahme für erledigt zu erklären und von der Annahme der Resolution nach der bisherigen Haltung des Ministers abzusehen.
In Verbindung mit diesem Gegenstande erstattet auf Vor⸗ schlag des Grafen Botho zu Eulenburg Herr von Putt⸗ kamer namens der Handelskommission mündlichen Bericht über die Petition des westfälischen Provinziallandtags um Freilassung des Verkehrs zwischen Stationen des Dort⸗ mund⸗Herne Emskanal vom staatlichen Schleppmonopolbetrieb und beantragt, die Petition der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.
Herr von Klitzing beantragt, die Petition der Regierung als Material zu überweisen.
Herr Dr. Eickhoff⸗Dortmund: Dieser Gegenstand ist noch nicht reif für die Besprechung in diesem Hause und man tut gut, sich nach keiner Richtung zu binden, und den Entwurf eines Schleppmonopol⸗ gesetzes abzuwarten. Ich möchte aber an den Minister eine Bitte richten. Der Gesamtwasserstraßenbeirat hat die Unterlagen für ein künftiges Schleppmonopolgesetz eingehend besprochen, und der Entwurf des Ge⸗ setzes soll ihm vorgelegt worden sein. Es scheint aber nicht beab⸗ sichtigt zu sein, auch den Wasserstraßenbeirat für den Dortmund⸗Ems⸗ Kanal zu hören. Der Minister soll diese Anhörung nicht gewünscht haben. Ich möchte ihn nun bitten, den Wasserstraßenbeirat für den Dortmund⸗Ems⸗Kanal doch noch zu hören. Was die Petition des wenfälischen Provinziallandtags betrifft, so war es nicht dessen Ab⸗ sicht, das Herrenhaus schon jetzt irgendwie festzulegen. Selbstver⸗ ständlich stimme ich dem Antrage auf Ueberweisung zur Erwägung zu. Ich werde mich aber, wenn auch schweren Herzens, auch dem Antrage Klitzing nicht widersetzen in der Hoffnung, daß das gewünschte Ziel erreicht wird. Minister der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach: Mieeine Herren! Dem Vorbilde des Herrn Vorredners folgend, werde ich die materielle Seite der Frage, die der Petition des West⸗ fälischen Provinziallandtags zu Grunde liegt, hier nicht erörtern. Ich möchte vielmehr die Bitte aussprechen, daß dem Abänderungsantrage des Herrn von Klitzing beigetreten werden möge, die Petition der Re⸗ gierung als Material zu überweisen. Der Begründung des Antrags trete ich durchaus bei. Mir scheint es nicht zweckmäßig, angesichts des Umstandes, daß in der nächsten Session den beiden Häusern des Landtags ein Schleppmonopolgesetz vorgelegt wird, und daß bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit gegeben wird, diese Frage, die dem Beschlusse des Westfälischen Provinziallandtages zu Grunde liegt, funditus nach allen Richtungen zu erörtern, — mir scheint es nicht angängig, hier diesen Erörterungen vorzugreifen, zumal eben der Gesamtwasserstraßenbeirat zu der Frage eine endgültige Stellung noch nicht eingenommen hat. Er hat sich mit der Frage des Schleppmonopolgesetzentwurfs bereits in zwei Sitzungen befaßt, ist sih aber nicht schlüssig geworden, hat vielmehr beschlossen, den stän⸗
igen Ausschuß zu erweitern und ihm noch eine Reihe von wichtigen
Fragen zuzuweisen. Der Gesamtwasserstraßenbeirat hat ja eben die wesentliche Aufgabe, das Material auch für gesetzgeberische Vorlagen vorzubereiten, und wir wollen ihm dieses Recht nicht verkümmern noch entziehen.
Was die weitere Frage betrifft, die der Herr Oberbürgermeister Eichhoff soeben angeregt hat, auch dem Wasserstraßenbeirat des Dortmund⸗Emskanals den Gesetzentwurf zur Begutachtung vorzulegen,
so erscheint mir dies angesichts der Sachlage, wie sie jetzt besteht, schwierig, kaum möglich. Dem Gesamtwasserstraßenbeirat ist die Begutachtung des Gesetzentwurfs überwiesen worden auf Grund der Bestimmungen des Artikels 8 der Allerhöchsten Verordnung vom 25. Februar 1907, in welcher ausgesprochen ist, daß diesem Beirat alle die im Artikel 5 erwähnten Angelegenheiten mitgeteilt werden müssen, sofern ihre Erörterung nach dem Ermessen des Ministers der öffentlichen Arbeiten sich über den Geschäftsbereich der einzelnen Wasserstraßenbeiräte erstreckt. Diese letztere Voraussetzung trifft zweifellos für den Schleppmonopolgesetzentwurf zu. Die Bestim⸗ mungen dieser Kabinettsorder lehnen sich durchaus an das an, was für den Landeseisenbahrat gilt. Alle Fragen, die über den Bereich der einzelnen Bezirksräte hinausgehen, werden im Landeseisenbahnrat behandelt. Das schließt nicht aus, daß der örtliche Wasserstraßenrat ebenso wie der Finanzbeirat, nachdem der Gesamtwasserstraßenbeirat sich geäußert haben wird, auch über die mehr örtlichen Fragen dem⸗ nächst befragt werden wird.
Die Petition wird nach dem Antrage Kl. regierung als Material überwiesen und die Uebersi nahme erledigt.
Namens der Handelskommission beantroagt Herr Dr. von Schmoller die Petition der Berliner Tiefbohrgesellschaft zu Halle und der Firma C. Jul. Winter zu Kamen um Erlaß des im Allgemeinen Berggesetz von 1807 verheißenen Gesetzes über Aufsuchung und Gewinnung von Steinkohle der Staatsregierung zur Erwägung zu überweisen.
Das Haus tritt diesem Antrage bei.
Namens der Handelskommission berichtet Graf von der Schulen⸗ burg⸗Grünthal sehr ausführlich über die Petition der deutschen Mittelstandsvereinigung zu Berlin um Inkceaftsetzung des zweiten Ab⸗ schnittes des Reichsgesetzes über die Sicherung der Bauforderungen vom 1. Juni 1909 in den Gemeinden, wo der Nachweis des Bau⸗ schwindels erbracht und die Inkraftsetzung von der Handwerkskammer befürwortet wird, und beantragt, die Petition der Regierung als Material zu üherweisen. “
Herr Plate, beantragt Ueberweisung zur Berücksichtigung. Zur Begründung führt er aus: Nach dem ausführlichen Referat kann ich mich sehr kurz fassen in der zuversichtlichen Hoffnung, daß das Havs sich überzeugt hat, daß die wenigen Nachteile, die der zweite Teil des Gesetzes bringen könnte, sehr wesentlich durch die Vorteile aufgehoben werden. Unter den ausgleichenden Punkten ist der wesentlichste, daß unter der Herrschaft dieses zweiten Teils und nur unter dieser die eigentlichen Hmtermänner getroffen werden, auf dem Wege des § 35 G.⸗O. und des ersten Teiles des Reichsgesetzes aber immer nur die Strohmänner getroffen werden. Die Hmtermänner werden jetzt nur in einem Punkte etwas belästigt, indem sie nämlich in die Lage gebracht werden, häufiger mit den Strohmännern zu wechseln. Das Abgeordnetenhaus hat einstimmig beschlossen, eine ähnliche Petition der Regierung zur Berücksichtigung zu überweisen, und so möge denn dieses Haus dem Wunsche weiter Mittelstandsschichten entsprechen und meinem Antrage zufolge ebenfalls Ueberweisung zur Berücksichtigung beschließen.
Herr Dr. Wachler: Ich bitte dringend, dem Antrage der Kom⸗ mission zuzustimmen und nicht durch einen übereinstimmenden Beschluß beider Häuser die Regierung gewissermaßen zu zwingen, gegen ihren Willen den zweiten Teil des Reichsgesetzes in Kraft zu setzen. In der Kom⸗ mission ist auch von der Regierung hervorgehoben, daß die Uebelstände voll empfunden und sehr wohl berücksichtigt würden, daß ihnen aber nicht durch Inkljaftsetzung dieses kleinen Abschnitts be⸗ gegnet werden könnte. Dieser Abschnitt muß doch ganz erhebliche Bedenken auch beim Gesetzgeber selber bervorgerufen haben, denn sonst würde er ihn nicht sozusagen nur angehoten haben. Daß die Hintermänner nur durch diesen zweiten Teil getroffen würden, möchte ich nicht unterschreiben. Es ist nicht ausgeschlossen, aber ich befürchte auf der anderen Seite eine schwere Schädigung gerade derjenigen, für die wir sorgen wollen. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß überall, wo die Reichsgesetzgebung für den Mittelstand hat eintreten wollen, der gute Wille ein nicht gewolltes Ergebnis gebabt hat. Der erste Teil des Gefetzes ist ein Schlag ins Wasser gewesen, der zweite, fürchte ich, wird ein Schlag ins Gesicht der Petenten sein.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. von Herrmann: In unseren großen Städten wird leider Gottes immer Bauschwindel vorhanden sein. Es ist daher verständlich, wenn sowohl im Abgeordnetenhause als hier sehr gewichtige Stimmen laut geworden sind, daß diesem gemein⸗ gefährlichen Zweige des — man kann sagen — modernen Verbdrecher⸗ tums mit den Handhaben des Gesetzes entgegengetreten werden möge. Ich brauche nicht zu versichern, daß die Staatsregierung mit dieser Tendenz vollständig übereinstimmt, aber aus den Verhandlungen dieses Hauses geht auch hervor, daß die Einführung des zweiten Teiles des Reichsgesetzes mit erheblichen Bedenken verknüpft ist. Die Staatsregierung würde also, wenn sie die Einführung beschließt, eine sehr große Verantwortung auf sich nehmen. Es ist richtig, daß die Inkraftsetzugg des zweiten Teiles des Gesetzes in erheblichem Maße den Bauhandwerkern einen gewissen Schutz bieten wurde. Aber mit ziemlicher Sicherheit ist auch zu besorgen, daß eine Stagnation der Bautätigkeit eintreten würde, denn das Bauen würde verteuert durch die große Verzögerung, die bei Beobachtung der gesetzlichen Vorschriften notwendig ein treten wird, dann aber auch durch die unmittelbar entstehenden Kosten für das Bauschöffenamt und die Baugeldbeschaffung. Auch kom⸗ munale Interessen würden berührt. Nur wenn nach dem statistischen Material sich eine bedenkliche Entwicklung des Bauschwindels ergebe, könnten wir den zweiten Teil in Kraft setzen. Das statistische Material ist aber völlig unsicher. Wir haben jetzt allerdings einen geringen Anhalt, um annähernd wenigstens das Vorliegen von Bau⸗ schwindel beurteilen zu können. Aus dem Gutachten der Handwerks kammer Hamburg geht hervor, daß auf Grund des § 35 G.⸗O. in 81 Fällen innerbalb Hamburgs die Ausübung des Baugewerbes unter⸗ sagt ist. Dadurch ist nach Ueberzeugung der Handelskammer der
ping der Staats⸗ ht durch Kenntnis⸗
Bauschwindel in Hamburg in erheblichem Maße zurückgegangen, und
in Berlin ist nur in 44 Fällen vom § 35 G.⸗O. Gebrauch gemacht. Daraus ist der Rückschluß gestattet, daß auch in Berlin die Ver⸗ hältnisse nicht schlechter liegen als in Hamburg. Die Regierung wird den Uebelständen eifrig ihr Augenmerk zuwenden und die Einführung des zweiten Teiles des Reichsgesetzes immer im Auge behalten, aber sie bittet Sie, nicht zu drängen. v
Der Antrag Plate wird nach Probe und Gegenprobe vom Bureau für angenommen erklärt. 8 8
Auf Antrag der Kommunalkommission wird die Petition des Oberpostassistenten Mund zu Stolberg und anderer um Ein⸗ gemeindung des Ortsteils „Jordansberg“ der Gemeinde Büsbach in die Stadt Stolberg der Regierung als Material überwiesen.
Ueber die Petition des Bahnhofsvorstehers Piepenhagen zu Stettin um Aenderung seines Besoldungsdienstalters geht das Haus nach dem Vortrag des Referenten der Finanzkommission, Grafen von Reichen⸗ bach⸗Goschütz zur Tagesordnung über, ebenso über die Petitionen, welche die Gleichstellung der Eisenbahnassistenten mit den Post assistenten im Anfangsgebalt und die Verbesserung des Besoldungs dienstalters der aus den Abfertigungssupernumeraren hervorgegangenen Vorsteher bei der Eisenbahnverwaltung erstreben, schließlich auch über die Petition der Eisenbahngebilfin Minna Neumann zu Berlin, namens des Vereins der Eisenbahnbeamtinnen der preußisch⸗hessischen Staatseisenbahnen, um Verbesserung der Besoldungs⸗, Rangs⸗, Urlaubs⸗ und Anstellungsverhältnisse der Eisenbahnbeamtinnen.
Damit ist die Tagesordung erledigt.
Schluß 4 ¼ Uhr. Die nächste Plenarsitzung wird am Dienstag, 27. Juni, 1 Uhr, stattfinden, und die Tagesordnung den Mitgliedern mitgeteilt werden.
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“
SGHaus der Abgeordneten 11.“ 93. Sitzung vom 22. Juni 1911, Vormittags 11 Uhr (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Nach Ueberweisung des vom Herrenhause abgeänderten Entwurfs eines Zweckverbandsgesetzes für Groß⸗ Berlin an die Kommission, die die Vorlage bereits früher beraten hatte, und nach Annahme des Gesetzentwurfs, betreffend die Umlegung von Grundstücken in Cöln, in dritter Lesung beginnt das Haus die zweite Beratung des Gesetz⸗ entwurfs über die Reinigung öffentlicher Wege.
Ueber den Anfang der Verhandlungen ist in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden.
Abg. Fleuster (Zentr.): Durch den § 1 a werden viele Bedenken keseitiat, die man sonst gegen den § 1 haben könnte; danach soll sich die Polizei mit ihren Anforderungen innerhalb des unbedingt Not⸗ wendigen halten und dabei die örtlichen Verhältnisse berücksichtigen. Wir wollen. daß überall die Reinigung geübt wird. Man unter⸗ scheidet ja die Völker nach ihrer Reinlichkeit. Desbalb muß man diesem Gesetze wohlwollend gegenüberstehen. Die Bedenken können beseitigt werden. Unzweckmäßige Polizeiverordnungen können im Hand⸗ umdrehen beseitigt werden; wird aber die Reinigungspflicht des Orts⸗ statuts geregelt, wie die Freisinnigen es wollen, dann ist die Be⸗ seitigung unzweckmäßiger Ortsstatuten viel schwieriger. Die Polizei⸗ bebörde hat ex officio die Zweckmäßigkeit ihrer Anordnungen zu prüfen. Den Antrag Gamp halte ich nicht für praktisch. Es ist sehr zweifelbaft, ob die Grenze zwischen den größeren und kleineren Ortschaften in dem Antrage richtig gezogen ist. Es gibt Gemeinden, die mehr als 20 000 Einwohner haben und doch einen rein dörflichen Charakter. Und wenn wir später ein besonderes Gesetz ür die kleineren Ortschaften bekommen sollten, so glaube ich, daß es
wkein anderes Gesetz sein könnte als dieses hier. Bezüglich der Keste meinen wir, daß die Gemeinden sie ganz übernehmen müssen und nicht teilweise umlegen dürfen, wir wollen aber der Fassung der Kommission zustimmen. .
Abg. Lippmann (fortschr. Volksp.): Der Appell des Vorredners an die Reinlichkeit wird sicher seine Wirkung nicht verfehlen; Deutsch⸗ land und Preußen werden ihren Ruf als reinliche Länder nicht ver⸗ lieren. Dazu krägt unsere Straßenreinigung bei. Die Hauptfrage ist nur, wer es bezahlt. Auf der einen Seite stehen die Hausbesitzer, auf der anderen die Finanzgewaltigen in der Gemeindeverwaltung, die möglichst alles von den Hausbesitzern bezahlen lassen möchten. Diese Frage soll durch das Gesetz gelöst werden. Der bestehende Zustand ist der, daß die Wegereiniaung eine öffentliche Last der Gemeinden ist daß sich aber in einer Reihe von Städten durch Observanzen oder Ortsgesetze ein Rechtszustand gebildet hat, wonach die Grundbesitzer die Reinigungslast zu tragen haben. Wenn die Regierung nur den bestehenden Rechtszustand kodifizieren wollte, hätte sie den § 4 nicht in die Vorlage aufnehmen dürfen, wonach nicht nur da, wo bereits Observanzen bestehen, sondern überall durch Ortsstatut die Reinigungslast auf die Hausbesitzer übertragen werden kann. Nach dem § 5 können die Gemeinden die Kosten von den Haus⸗ besitzern wieder einziehen auch da, wo diese bisber noch gar keine Verpflichtungen gehabt haben. Das nennt man die Erhaltung des bestehenden Rechtszustandes! Es werden durch dieses Gesetz in Wirklichkeit neue Lasten für die Hausbesitzer geschaffen. Man sagt, es seien ja nur kleine Beträge, aber die Straßenreiniaung in ganz Preußen kostet viele, viele Millionen. Auf der anderen Seite hat die Kommission die Ersetzung der Observanzen durch Ortsstatuten inner⸗ halb 3 Jahren zugelassen; danach könnten Grundbesitzer, die bisher belastet waren, befreit werden. Das ist wieder eine Umkehrung des jetzigen Rechtszustandes. Wenn aber die Hausbesitzer in den drei Jahren sich mit Erfolg bemüht haben, durch ein Ortsstatut frei zu werden, dann kommen die §§ 4 und 5, und sie werden wieder durch Beiträge zu den Kosten herangezogen. Der Kommissionszusatz zu § 2 ist also ein Danaergeschenk; er sieht zwar nach etwas aus, aber nachher kommt der Knüppel der §§ 4 und 5. Deshalb können wir unmöglich dieses Gesetz annehmen, sondern wollen es bei dem bisherigen Zustand belassen. Wir wollen keine neue Belastung der Hausbesitzer, aber wir wollen die alten Lasten der Hausbesitzer aufrecht erhalten und sie nur mildern. Der Effekt der Vorlage ist eine neue Belastung der bisher nicht verpflichteten Hausbesitzer, jedenfalls die Schaffung der Möglichkeit dazu. Wir wollen die bisberigen Pflichten mildern; besonders lästig wird jetzt die polizeiliche Fürsorge empfunden, die durch die unteren Polizeiorgane geübt wird. Der Schutzmann ist es, der aufpaßt und nachher vor Gericht bezeugt, daß er gesehen habe, daß nicht ordentlich gefegt oder gestreut worden ist. Wir wollen, daß der Hausbesitzer sich ruhig schlafen legen kann, ohne befürchten zu müssen, daß er beim Aufwachen ein volizeiliches Strafmandat erhält, weil nicht ordentlich gereinigt ist. Wir begrüßen deshalb den Antrag Boisly zu § 4, wenn er so gefaßt wird, daß der Hausbesitzer einen Substituten mit der Reinigung beauftragen kann, der mitverantwortlich ist. Wir beantragen also die Streichung der §§ 4 und 5 der Vorlage, wonach die Gemeinden die Reinigungspflicht auf die Hausbesitzer übertragen oder diese zu den Kosten heranziehen können. Wir wollen weiter die bestehende Last der Hausbesitzer dadurch mildern, daß in § 1 bestimmt wird, daß der Umfang der polizeimäßigen Reinigung durch Orts⸗ satut bestimmt wird. Wir wollen damit den „ertravaganten Polizeiverwaltern“, wie der Abg. von Gamp einmal sagte, das Hand⸗ werk legen. Wir bitten Sie, das Gesetz nach unseren Anträgen anzunehmen; dann werden Sie den Gemeinden und den Haus⸗ besitzern nützen.
Abg. Wencke (fortschr. Volksp.): Die polizeimäßige Reinigung gab es bisher auch. Aber der Gesetzentwurf spricht allgemein von dem Begriff polizeimäßige Reinigung, einschließlich der Schneeräumung, des Bestreuens mit abstumpfenden Stoffen und des Besprengens zur Verhinderung von Staubentwicklung. Insofern bringt also die Vorlage schon eine Erweiterung, nicht, wie der Unterstaatssekretär sagte, nur eine gesetzliche Festlegung des bisherigen Zustandes. Fn den Städten kann der Hausbesitzer zu den Anordnungen der Polizeibehörden Vertrauen haben, nicht aber auf dem Lande. Denn die Amtsvorsteher werden ja nicht gewählt, sondern von der Re gierung ernannt, so daß sie als politische Agenten der Regierung angesehen werden.
Unterstaatssekretär Freiherr von Coels van der Brü gghen: Das vom Vorredner ausgesprochene Mißtrauen gegen die Amtsvorsteher muß ich zurückweisen. Die Regelung erfolat ja auch nicht durch die mmvorsteher, sondern durch Ortsstatut. Das Gesetz bringt keine
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Mehrbelastung, sondern nur eine angemessene Verteilung der Kosten der Straßenreinigung zwischen den Gemeinden und den Hausbesitzern. In der Gesamtheit entsteht keine Mehrbelastung. 1 enken, daß die Hausbesitzer allgemein die Uebernahme der Straßen⸗ reinigung durch die Gemeinde wünschen. Es würden dadurch recht Froße Kosten entstehen, während der einzelne Hausbesitzer die Reinigung fätt kostenlos vornehmen kann. Es ist die größte Verschiedenheit in dieser Beziehung vielmehr angezeigt, und diese wird durch den Gesetz⸗ entwurf ermöglicht. — Abg d Dr. von Brüning (kons.) wendet sich gegen einen vom des K Bamp angezogenen Einzelfall. Er, Redner, habe als Landrat deres Stolp. eine Verfügung an die Gemeindevorsteher ergehen hen. ’ er eine Regelung im Sinne des Gesetzes vorgeschlagen e. habe also das Gesetz voraus geahnt. Wenn er an Ppellien und die gesunden Anschauungen der Kreiseingesessenen zabe, so sei das doch eigentlich nur zu begrüßen. Statut 8 Landgemeinden des Kreises Stolp hätten 76 ihrem Fkundt vgenau en Wortlaut, den er vorgeschlagen habe, zu⸗ daß der Agt. Bedauern müsse er aber darüber aussprechen, Debatte ge g. 1 amp eine interne Angelegenheit des Kreises in die besitzern vensaen habe. Der Abg. von Gamp sei von 175 Ritterguts⸗ Weise mit Sireekeiles Stolp der einzige, der versuche, auf diese it Hilfe des Ministers gegen seinen Landrat vorzugehen.
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Abg. Graf von Strachwitz (Zentr.): Das Gesetz führt eine neue Belastung für die Gemeinden ein. Neue Bequemlichkesten für die Automobile zu schaffen, das ist der eigentliche Zweck der Vorlage. Gerade durch die Automobile werden die Straßen ruiniert, die Ge⸗ meinden müssen nun besser reinigen, mehr besprengen usw. Einem guten solchen Gesetz müßte erst ein Automobilgesetz zur Erhaltung der öffentlichen Wege vorausgehen. Ich möchte dem Antrag Gamp zustimmen, der den kleineren Gemeinden einen Schutz gewährt. Im ganzen muß ich gegen das Gesetz stimmen.
Abg. Lippmann sfortschr. Volksp.): Wenn die §§ 4 und5 ange⸗ nommen werden, dann müssen wir gegen das ganze Gesetz stimmen. Man will immer den Stadtverordneten den Erlaß von Ortsstatuten nicht über⸗ lassen, von den Gemeindevertretern spricht man nicht; denen scheint man einen größeren Wert beizulegen und größeres Vertrauen beim Erlaß von Ortsstatuten entgegenzubringen. Wir wollen die Laien mitwirken lassen, und die Stadtverordneten wie die Gemeinde⸗ vertretungen haben sich wohl bewährt. Die Ortsstatuten werden ebenso klar sein wie die Polizeiverordnungen. Die Straßen müssen in Ordnung gehalten werden; daraus haben sich Observanzen entwickelt, nach denen die Hausbesitzer zu reinigen haben. Daß dagegen neuerdings vorgegangen wird, ist ein Kriterium der Zeit; jeder sucht heutzutage seine Verpflichtungen nach Moöoglichkeit loszuwerden.
Abg. von Gamp (freikons.): Ich halte es für unerhört, daß der
Abg. von Brüning den Mut hernimmt, zu behaupten, ich suchte Gegen⸗ sätze zwischen ihm und der Regierung zu schüren. Davon ist gar keine Rede. Ich habe das Statut zur Sprache gebracht, weil ich feststellen wollte, welche Absichten das Gesetz hat. Diese Heran⸗ ziehung war notwendig, um auf die Gefahr hinzuweisen, die durch die Festlegung der Judikatur des Oberverwaltungsgerichts infolge dieses Gesetzes den Gemeinden droht. Ich möchte im Interesse der kleinen ländlichen Gemeinden bitten, unseren Antrag anzunehmen. Es zeigt sich jetzt hier wie früher: sechs Monate hindurch wird geredet, dann werden in wenigen Tagen die wichtigsten Gesetze durch⸗ gepeitscht. Wenn wir Zeit hätten, würde ich die Zurückverweisung an die Kommission beantragen; dadurch könnte eine ganze Reihe von Bedenken beseitigt werden. Abg. Hausmann (nl.): Den Herren, die sich so sehr für die Hausbesitzer eingelegt haben, möchte ich erwidern, daß jetzt die Mehr⸗ zahl der Hausbesitzer die Reinigungspflicht hat. Unser Antrag bringt also eine Erleichterung für die Hausbesitzer.
Abg. Dr. von Brüning (kons): Auf die Angriffe des Freiherrn
von Gamp mußte ich antworten. Ich habe lediglich meine Pflicht meinem Kreise gegenüber getan. In der Abstimmung werden die §§ 1 und 1 a unter Ab⸗ lehnung aller Anträge unverändert in der Kommissionsfassung angenommen. Die Resolution Gamp ist durch die Ablehnung seines Antrags erledigt.
§ 2 wird mit dem Antrage Boisly angenommen. Nach § 3 können die Gemeinden die einem anderen ob⸗ liegende Reinigungspflicht ganz oder teilweise durch Ortsstatut übernehmen.
Abg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) beantragt den Zusatz:
„Sie können dann die ihnen aus der übernommenen Reinigung erwachsenden Kosten durch Gebübren, Beiträge oder Mehr⸗ belastungen von den bisher dazu Verpflichteten einziehen. Jedoch darf denselben nicht mehr als die Hälfte desjenigen Betrages auf⸗ erlegt werden, welcher auf sie entfallen würde, wenn sie die ge⸗
samten Kosten zu tragen hätten.“
Nach § 4 kann durch Ortsstatut die Reinigungspflicht ganz oder teilweise den anliegenden Grundbesitzern auferlegt werden.
Nach § 5 können die Gemeinden die ihnen aus ihrer Reinigungspflicht erwachsenden Kosten bis zum Höchstbetrage der Hälfte (diese Begrenzung ist erst durch die Kommission ein⸗ gefügt worden) durch Gebühren, Beiträge oder Mehrbelastungen auf Grund des Kommunalabgabengesetzes decken.
Abg. Aronsohn ffortschr. Volksp.) beantragt die Streichung der §§ 4 und 5.
Der Abg. Boisly (nl.) beantragt die Einfügung eines § 4 a:
„Hat für die zur polizeimäßigen Reinigung Verpflichteten ein anderer der Ortspolizeibehörde gegenüber die Ausführung der Reinigung übernommen, so ist auch er zur polizeimäßigen Reinigung öffentlich rechtlich verpflichtet.“
Abg. Boislv (nl.) begründet den Antrag, der die Haftpflicht der von den Hausbesitzern mit der Reinigung Beauftraaten vorsieht.
Abg. Lippmann (fortschr. Volkep.) weist noch einmal darauf hin, daß durch diese Paragraphen ein vollkommen neues Recht geschaffen werde, und befürwortet den Antrag Aronsohn.
Unterstaatssekretär Freiherr von Coels van der Brü gahen
widerspricht dem Vorredner und legt dar, daß nur der bisherige Zu⸗ stand aufrechterhalten werde.
Abg. Fleuster (Zentr.) spricht sich für den Antrag Boisly aus.
Geheimer Oberregierungsrat Dr. Hecht gibt Erläuterungen über den jetzigen Rechtszustand bezüglich der Haftung der Haus⸗ besitzer.
Nach wiederholten Bemerkungen der Abgg. Lippmann und Fleuster werden in der Abstimmung die §§ 3, 4 und 5 unverändert in der Kommissionsfassung angenommen.
Der beantragte § 4a wird gleichfalls angenommen.
Der Rest des Gesetzes wird ohne Debatte angenommen, die zum Gesetz vorliegenden Petitionen werden für erledigt
Es folgt sofort die dritte Beratung.
In der allgemeinen Besprechung fragt der
Abg. Freiherr von Erffa (kons.) bei der Regierung an, ob sie es für berechtigt halte, daß die sächsische Provinzialverwaltung neben der Straßenreiuigung auch die Reinigung der Kanäle und Durchlässe vom Reinigungspflichtigen verlange. Es frage sich, ob diese Pflicht dem Wegebaupflichtigen oder dem Reinigungspflichtigen obliege.
Unterstaatssekretär Dr. Freiherr von Coels van der Brü gghen
erwidert, daß nach dem bestehenden Recht durchweg die Pflicht der Wegebaupflichtigen nicht auf die Gemeinden übertragen werden könnten. Die Wegräumung großer Geröll⸗ und Schlammassen sei nicht alsz zur Reinigungspflicht gehörig anzusehen. Abg. Lippmann ffortschr. Volksp.) erklärt, daß, nachdem die §88.4 und 5 angenommen und dadurch den Hausbesitzern größere Lasten auferlegt worden seien, seine Partei das Gesetz ab lehnen werde. 8
Damit schließt die allgemeine Besprechung.
Zu 81 befürwortet der Abg. Herold (Zentr.) einen neuen Abänderungsantrag.
Nachdem ein Regierungskommissar sich dazu geäußert hat, beantragt der Abg. Dr. Friedberg (nl.) Absetzung der dritten Lesung von der Tagesordnung, da sich die Tragweite des Antrages noch nicht übersehen lasse.
Das Haus beschließt die Absetzung.
Bevor es zum nächsten Gegenstand der Tagesordnung, dem Bullenhaltungsgesetz für die Rheinprovinz, übergeht, beantragt der
Abg. Dr. Friedberga (nl.) die Absetzung dieses Gegenstandes, damit man sofort in die Beratung der rheinischen Gemeindeordnung eintreten könne.
Präsident von Kröcher würde es fur praktischer halten, erst das Bullenhaltungsgesetz zu erledigen. Dieses könne man heute noch fertigstellen, die rheinische Landgemeindeordnung dagegen nicht.
Die Abbg. Porsch (Zentr.) und Dr. von Heydebrand und der Lasa (kons.) schließen sich dieser Ansicht des Präsidenten a
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Schroeter: Ich wirtschaftsministers beschäftigt sich mit einer Körfrage, und diesem abzulehnen. die Reihenfolge in für die Aenderung der Berufungsinstanz nicht vor. für die Staatsregierung nicht annehmbar; und ich muß gegen eine solche merkwürdige Gesetzesmacherei Protest einlegen. Grundsatz kann man nicht in ein Provinzialgesetz hineinschreiben, sondern er kann nur gleichmäßig für alle Provinzen durchgeführt werden.
könnte auch den vorliegenden Anträgen zustimmen, 8 hitten, sie zurückzustellen und der Regierung nur als Material zu überweisen.
„merkwürdigen Gesetzesmacherei“. eingebracht, die man als merkwürdige Gesetzesmacherei hätte bezeichnen können.
wir ablehnen. Teilen der Rheinprovinz mit den Körkommissionen schlechte Er⸗ fahrungen gemacht haben, aber wir können doch nicht in dieses Gesetz Bestimmungen aufnehmen, die die Fehler anderer Gesetze gut machen sollen. gierung als Material zu überweisen.
Sachsen⸗Meiningen zur des Vertrags von 1868 wegen Uebertragung der Leitung der Grundstückszusammenlegungen preußischen Auseinandersetzungsbehörden wird in einmaliger Beratung ohne Debatte genehmigt.
(Interpellation Ahrens wegen Verbreitung der Maul⸗ u Klauenseuche durch die Manöver; Zweckverbandgesetz; rheinische Gemeindeordnung; Eisenbahnanliegergesetz).
„Der Antrag wird gegen die Stimmen der Linken ab⸗ gelehnt.
Das Haus geht zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Bullenhaltungsgesetzes für die Rheinprovinz über, der von einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern vor beraten ist.
Nach § 1; sind die zu einem Landkreise gehörenden Ge⸗ meinden verpflichtet, die für die Rindviehzucht im Gemeinde bezirk erforderliche Anzahl von Bullen zu halten. Welche Zahl von Bullen im Verhälmis zu der Zahl von Kühen und deck fähigen Rindern von der Gemeinde zu halten ist, beschließt der Kreisausschuß. Auf jedes Hundert von Kühen oder deckfähigen Rindern muß mindestens ein Bulle vorhanden sein. Die Kom⸗ mission hat hinzugefügt:
„Kühe und deckfähige Rinder, für die von dem Eigentümer oder, wenn sie im Besitze von Mitgliedern einer Zuchtgenossenschaf sind, von dieser die genügende Anzahl Bullen gehalten wird, bleiben für die Ermittelung der Zahl der von der Gemeinde zu haltenden Bullen außer Ansatz.“
Der Abg. Wallenborn (Zentr.) beantragt den Zusatz: „die für die Zuchtgenossenschaft anzukörenden Bullen müssen
der Zuchtrichtung der einzelnen Genossenschaften entsprechen“.
Für den § 7 der Vorlage, wonach gegen die gemäß diesem
Gesetz ergehenden Beschlüsse des Kreisauschusses die Beschwerde, soweit es sich nicht um die Genehmigung eines Gemeindebeschlusses über die Aufbringung der Kosten handelt, an den Provinzialrat geht, beantragt der Abg. Wallenborn folgende Fassung:
»Gegen die gemäß diesem Gesetz ergehenden Beschlüsse des Kreisausschusses geht die Beschwerde an der Bezirksausschuß, gegen dessen Entscheidung die weitere Beschwerde an den Provinzialrat.“
Ministerialdirektor, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat möchte zunächst die Abwesenheit des Land⸗ entschuldigen. Der erste Antrag Wallenborn eine solche kann nicht in Gesetze geregelt werden. Ich bitte also, den Antrag Was den zweiten Antrag betrifft, so liegt, soweit Betracht kommt, ein sachliches Bedürfnis Der Antrag ist
Einen solchen
Abg. von Voß (kons.) erklärt sich mit der Vorlage einverstanden, möchte aber
Abg. Wallenborn (Zentr.) protestiert gegen den YVorwurf der Die Regierung habe oft Vorlagen
Der Redner begründet im übrigen seine Anträge. 8 Abg. Heine (nl.) beantragt die Zurückverweisung des Entwurfs
an die Kommission; nur dort werde es möglich sein, die vorhandenen Gegensätze auszugleichen.
Den ersten Antrag müssen
Abg. Dr. Duus (fortschr. Volksp.): trag in einzelnen
Es tut uns leid, wenn die Viehzüchter
Wir würden aber auch bereit sein, diesen Antrag der Re⸗
Nach einer Entgegnung des Ministerialdirektors Schroeter
auf die Ausführungen des Abg. Wallenborn wird die Vorlage an die Kommission zurückverwiesen.
Der Preußen und
zwischen Abänderung
Erweiterung und
Staatsvertrag und Hutablösungen auf die
Darauf erledigt das Haus eine Reihe von Petitionen
lokalen oder persönlichen Inhalts.
Eine Petition des Geheimen Regierungsrats a. D. v. Sybel in
Haus Isenburg bei Mülheim (Rhein) um gesetzliche Regelung und Einschränkung der direkten Grundwertsteuern rückwirkenden Material überwiesen.
und Ablehnung der
Kraft der Zuwachssteuer wird der Regierung als
Nächste Sitzung: Freitag 12 Uhr
Schluß gegen 4 ½ Uhr. und
und tierischen Erzeugnissen. ministerium hat durch Runderlaß vom 3. April d. J. Beobachtung einer älteren, bisher wohl meist unbeachtelen Veterinär⸗ maßregel angeordnet. Türkei eingeführten Sendungen von Tieren und tierischen Roherzeug⸗ nissen von einem Gesundheitszeugnisse begleitet sein. Befindet sich am Herkunftsort ein türkisches Konsulat, so muß das Gesundheitszeugnis von diesem beglaubigt sein, im anderen Falle ist eine Beglaubigung nicht erforderlich. (Nach einem Bericht des Kaiserlichen General⸗ konsulats in Konstantinopel.) “
Niederlagen vom 28. März d. J. ist die Bestimmung, wonach solche Waren, die in zollfreien Nieder⸗ lagen lagern, nach Maßgabe des am Tage der Abmeldung geltenden Zolltarifs zu verzollen sind. sicht auf das bevorstehende Inkrafttreten des neuen japanischen Zoll⸗ tarifs besondere Beachtung verdient, sind also Waren, die zwar vor dem 17. Juli d. J. in die zollfreien Niederlagen eingebracht sind, aber erst nach dem 16. Juli deklariert und abgenommen werden, nach den Sätzen des neuen Tarifs zu verzollen. für die Einlegung von Beschwerden gegen Entscheidungen der Zoll⸗ beamten verdoppelt worden ist. nur 10 Tage währte, 20 Tage dauern. Kaiserlichen Generalkonsulats in Yokohama.) “
8 Haäandel und Gewerbe.
(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und Industrie“.) 8 Türkei. Gesundheitszeugnisse bei der Einfuhr von Tieren Das türkische Landwirtschafts⸗ die genaue
Danach müssen alle aus dem Ausland in die
I1“ Japan. des Zollgesetzes — Verzollung aus Das zurzeit gültige Zollgesetz ist durch ein Gesetz geändert worden. Von besonderer Wichtigkeit
Abänderung Nach dieser Bestimmung, die mit Rück⸗
Beachtenswert ist ferner, daß die Frist
Künftig wird die Frist, die bisher (Nach einem Bericht des
Wagengestellung für Kohle, Koks und Briketts
am 22. Juni 1911: Oberschlesisches Revi der Wagen b
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Ruhrrevier
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