dem Geheimen Rechnungsrevisor bei der Oberrechnungs⸗ kammer, Rechnungsrat Engelhardt den Charakter als Ge⸗ heimer Rechnungsrat und den Geheimen Rechnungsrevisoren bei derselben Behörde Boedler, Liese und Buchalski den Charakter als Rech⸗ nungsrat zu verleihen sowie infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Nordhausen getroffenen Wahl den dortigen Ersten Bürger⸗ meister, Oberbürgermeister Dr. Karl Contag in gleicher Amtseigenschaft auf Lebenszeit und infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Graudenz vetosfenen Wahl den Stadtrat Dr. Stolzenber daselbst als unbesoldeten Beigeordneten (Zweiten Bürgermeister der Stadt Graudenz für die gesetzliche Amtsdauer von echs Jahren zu bestätigen 8— 88 Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Regierungs⸗ und Bauräten Künzel in Bonn und Hennings in Cassel den Charakter als Geheimer Baurat, dem Departementstierarzt, Veterinärrat Heyne in Posen den Charakter als Geheimer Veterinärrat, dem Kreistierarzt Kalteyer in Eschwege den Charakter als Veterinärrat, dem Generalkommissionssekretär Encke in Breslau den Charakter als Rechnungsrat, dem Rittergutsbesitzer von Günther in Grzybno, Kreis Schrimm, und dem Rittergutsbesitzer, Oekonomierat von Dippe in Quedlinburg den Charakter als Landesökonomierat sowie dem Rittergutsbesitzer Schiftan in Lindow, Kreis Ost sternberg, dem Rittergutspächter Doelcke in Hohenselchow, Kreis Randow, dem Direktor der Provinzial⸗Moorkommission Oehme in Posen, dem Mittgliede der Landwirtschafts⸗ kammer für die Provinz Schlesien, Rittergutsbesitzer Conrad in Klein⸗Zindel, Kreis Grottkau, den Mitgliedern der Landwirtschaftskammer für die Provinz Hannover, Gutsbesitzer Hincke in Oitzfelde, Kreis Uelzen, und Hofbesitzer Otte sen. auf der Ziegelei Wohlenrode, Gemeinde Metzingen, Landkreis Celle, dem Landwirt und Gutspächter Kemmann in Mett⸗ mann und dem Winterschuldirektor Balster in Bassum, Kreis
yke, den Charakter als Oekonomierat zu verleihen.
* 1 8
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
b dem Fabrikbesitzer Ernst Volckmar in Kettwig vor der Brücke den Charakter als Kommerzienrat zu verleihen.
Justizministe rium.
Versetzt sind: der Landrichter Citron in Ratibor als Amtsrichter nach Herborn, die Amtsrichter Deetz aus Osterode i. Ostpr. als Landrichter an das Landgericht I in Berlin, Dr. Glashoff in Gleiwitz nach Segeberg, Pawelcik in Lands⸗ berg i. Ostpr. nach Wehlau.
In der Liste der Rechtsanwälte sind gelöscht: die Rechts⸗ anwälte Heinicke bei dem Oberlandesgericht in Frankfurt a. M., Alexander Becker II. bei den Landgerichten I, II und III in Berlin, Dr. Goudron bei dem Landgericht in Essen, Dr. Riehn bei dem Landgericht in Altona, Nickel bei dem Amts⸗
ericht und dem Lanhgericht in Elberfeld sowie bei der Kammer üer Handelssachen in Barmen, Siegfried Chodziesner bei em Amtsgericht in Charlottenburg und dem Landgericht III in Berlin, Brinck bei dem Amtsgericht in Magdeburg.
In die Liste der Rechtsanwälte sind eingetragen: die Rechtsanwälte Dr. Roth aus Wiesbaden bei dem Landgericht in Frankfurt a. M., Manzke aus Bublitz bei dem Amtsgericht in Pollnow, Dr. Hugo Behrend und Dr. Ludwig Markus in Charlottenburg außer bei dem Landgericht III zugleich bei dem Amtsgericht in Charlottenburg, die Gerichtsassessoren Paul Brasch bei dem Landgericht I in Berlin, Dr. Kassemeyer bei dem Landgericht in Hechingen, Schaper bei dem Landgericht in Magdeburg, Claren und Dr. Tiefenthal bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Cöln, Wertheim bei dem Amtsgericht und dem Landgericht in Essen, Windel bei dem Amtsgericht in Rodenberg, Dr. Kutz bei dem Amtsgericht in Mühlhausen i. Ostpr., Dr. Dinse bei dem Amtsgericht in Schwerin a. W., der frühere Gerichts⸗ assessor Hans Ehrlich bei dem Landgericht I in Berlin.
Den Gerichtsassessoren Dr. Brandts, von Brehmer, Oskar Goecke, Karsen, Eduard Lehmann, Detlef Schmidt und Schmorl ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Justizdienst erteilt.
Der Oberlandesgerichtsrat, Geheime Justizrat Reusch in Cöln, der Erste Staatsanwalt Greffrath in Limburg a. d. L., die Rechtsanwälte und Notare, Justizräte Hertz in Münster, Lohmann in Brilon und Dr. Hübner in Stade sowie der Rechtsanwalt Weingarten in Pößneck sind gestorben.
Ministerium der öffentlichen Arbeiten. 8 Den Regierungsbaumeistern des Wasser⸗ und Straßenbau⸗ faches Nicol in Krempa und Lachtin in Konitz sind etats⸗ mäßige Stellen als Regierungsbaumeister verliehen worden.
Richtamtliches. Deutsches Reich. 8
Preußen. Berlin, 24. Juni.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen
in Kiel an Bord der „Hohenzollern“ den
Groß⸗
heute vormittag 1 Vortrag des Staatssekretärs des Reichsmarineamts, admirals von Tirpitz entgegen.
8 “ “ 8 “ I
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Aus⸗ schüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.
8
2
„Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Geheime Rat von Kiderlen⸗Waechter i zurückgekehrt.
Wirkliche st vom Urlaub
1
Die Nr. 6 der „Amtlichen Nachrichten des Reichs⸗
versicherungsamts“ vom 15. Juni 1911 enthält im Amtlichen Teile unter A Hcüfcnee .. Ent⸗ scheidungen der Senate in Unfallversicherungssachen über folgende Gegenstände: Die ordnungswidrige Benutzung eines Fahrrads auf einem Betriebswege durch einen im Betriebe feines Vaters als Arbeiter tätigen Schulknaben auf Geheiß seines mitfahrenden Vaters hebt den an sich du⸗ sammenhang mit dem Betriebe nicht auf; der adurch herbei⸗ geführte Unfall des Knaben ist ein Betriebsunfall (2480). 9
Ein Unfall bei der Vorführung einer Kuh vor dem Kreis⸗ tierarzte gelegentlich einer von der Ortsbehörde vermittelten Untersuchung des gesamten Rindviehbestandes der Gemeinde auf Scheidenkatarrh ist dem landwirtschaftlichen Betriebe zuzu⸗ rechnen (2481).
Ueber die Voraussetzungen, unter denen eine infolge Alters und körperlicher Schwäche nur beschränkt erwerbsfähige Aus⸗ züglerin, die im landwirtschaftlichen Betrieb ihres Sohnes ver⸗ unglückt ist, als „Arbeiterin“ im Sinne des § 1 des Unfall⸗ versicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft angesehen werden kann (2482).
Ein Unfall des Verletzten auf der Reise zu einer Sitzung des Feststellungsorgans, in der die Entschädigung für einen Betriebsunfall festgestellt werden sollte, und in der zu erscheinen dem Verletzten anheimgegeben war, ist keine 1.“ pflichtige Folge des Betriebsunfalls (2483).
Die im § 1 Abs. 6 des Unfallversicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft aufgeführten Gruppen von Fach⸗ arbeitern sind nur als Beispiele aufzufassen; die Berufsgenossen⸗ schaften sind daher nicht gehindert, in ihrem Statut einzelne dieser Gruppen fortzulassen oder nur in beschränktem Umfange zu berücksichtigen (2484).
Wann ist in der Bewirtschaftung eines Gartens ein land⸗ wirtschaftlicher Betrieb zu erblicken? (2485).
Zur Anwendung des § 2 des Unfallversicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft ( va8eh.
Der § 17 Abs. 4 des Unfallversicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft (§ 16 Abs. 4 des Gewerbeunfallversiche⸗ rungsgesetzes) findet auf Kinder geschiedener Ehefrauen jeden⸗ falls dann Anwendung, wenn die Sorge für ihre Person nach § 1635 des Bürgerlichen Gesetzbuchs der Mutter zu⸗ steht (2487).
Bei der 1S des § 18 Abs. 1 des Unfallversiche⸗ rungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft (§ 17 Abs. 1 des Gewerbeunfallversicherungsgesetzes) kommt es nicht darauf an, ob die verstorbene Ehefrau den Lebensunterhalt ihres Ehemanns, sondern darauf, ob sie den Lebensunterhalt der „Familie“ wenigstens überwiegend bestritten hat (2488).
Die persönliche Versicherung des Unternehmers wird bei Einheitsbeiträgen auf Grund des § 53 Abs. 4 des Unfallver⸗ sicherungsgesetzes für Land⸗ und Forstwirtschaft nicht dadurch formell begründet, daß die Berufsgenossenschaft mangels einer statutarischen Vorschrift für seine Arbeitsleistung keinen Abzug von dem tarifmäßigen Arbeitsbedarf gemacht hat (2489).
Die Abteilung B (Invalidenversicherung) bringt Revisionsentscheidungen, in denen folgende Grundsätze aus⸗ gesprochen werden:
Unter Umständen ist eine Erwerbsunfähigkeit, die durch ein Heilverfahren beseitigt werden kann, als dauernd an⸗ zusehen (1550).
Das Ruhen der Rente tritt beim Bezug einer durch eine Privatbahngesellschaft bewilligten, später vom Staat über⸗ nommenen Pension gemäß § 48 Abs. 1 Ziffer 2 des Invaliden⸗ versicherungsgesetzes ohne Rücksicht darauf ein, ob der Pensions⸗ bezieher mit seinem auf Grund des § 6 Ahs. 1 6. 6. gestellten Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht 18 zuständige Behörde zu Unrecht abgewiesen worden ist (1551).
Die Richtigkeit einer in gehöriger Form bewirkten Marken⸗ übertragung kann im Rentenstreitverfahren nur durch „be⸗ gründetes Bestreiten“ angefochten werden (1552).
Ein Rentenbewerber kann sich auf einen zurückgenommenen Invalidenrentenantrag ohne Rücksicht auf die Rechtsverbindlich⸗ keit der Zurücknahmeerklärung dann nicht mehr berufen, wenn er während 10 Jahre auf diesen Antrag nicht zurückgekommen ist (1553).
Ein Urteil, das vom Schiedsgericht ohne Kenntnis von dem Tode des Rentenbewerbers erlassen ist, hat keine rechtliche Bedeutung (1554).
Die Berufsgenossenschaft ist durch ein Heilverfahren der Versicherungsanstalt entlastet, das zwar nicht den nochmaligen Eintritt der Erwerbsunfähigkeit verhindert, wohl aber den günstigen Erfolg eines späteren Heilverfahrens der Berufs⸗ genossenschaft beeinflußt hat (1555).
Es folgt eine Nachweisung über die Rentenzahlungen und Beitragserstattungen der 31 Versicherungsanstalten im April 1911 sowie über den Erlös aus Beitragsmarken für den Monat Mai 1911.
Der Nichtamtliche Deil bringt den Abdruck einer Ent⸗ scheidung des Reichsgerichts vom 1. Oktober 1910 darüber, ob ein Knappschaftsverein, der nach seinen Satzungen ein erkranktes Mitglied in einem Krankenhaus untergebracht hat, für dort bei der ärztlichen Behandlung oder Pflege vorgekommene Versehen haftet. Dann folgt eine Mitteilung über die in Nr. 15 des Preußischen Justiz⸗Ministerialblattes vom 15. April 1911 ver⸗ öffentlichte Allgemeine Verfügung, betreffend die Verfolgung von Ansprüchen auf Entschädigung für Unfallfolgen. Hieran schließen sich Anzeigen
a. über die Fürsorge für Lungenkranke im Bereiche der Königlich Preußischen Eisenbahnverwaltung,
b. über den Kursus für Unfallheilung und Gewerbekrank⸗ heiten, der vom Institut für Gewerbehygiene in Frankfurt a. M. in der Zeit vom 25. September bis zum 7. Oktober 1911 veranstaltet wird,
c. über die neue Auflage des bei der Postverwaltung herausgegebenen amtlichen Verzeichnisses der Ortschaften der Provinz Sachsen, des Großherzogtums Sachsen⸗Weimar⸗ Eisenach, der Herzogtümer Anhalt, Sachsen⸗Meiningen und Sachsen⸗Coburg⸗Gotha und der Fürstentümer Schwarzburg⸗ Rudolstadt, Schwarzburg⸗Sondershausen, Reuß ältere und Reuß jüngere Linie.
*) Die neben den einzelnen Entscheidungen stehenden eingeklammerten Zahlen geben die Ziffer an, unter welcher diese in den „Amtlichen Nachrichten“ veröffentlicht sind. 11“ 1“
8 Oesterreich⸗Ungarn.
Der slavischen Korrespondenz zufolge hat der Eis⸗ minister Dr. Glombins ki beern folge hat der Eisenbahn⸗ sein Demissionsgesuch überreicht.
Großbritannien und Irland.
Der gestrige Umzug des Königspaares der v Buckhingham Palast 8 der City, 1 dort 88 8 industrielles Viertel des Südens und dann über die Westminster⸗ Brücke, durch Whitehall und die Mall wieder nach dem
Palaste ging, bot der gewaltigen Menge, die die ganze Strecke über die militärische
ir gase 1 efünte Ränen 8cg a es britischen Reiches. Jedes Regiment der is Armee war durch ein Detachement von 25 Mann veeUüen Offizier vertreten. Wie „W. T. B.“ berichtet, zerfiel der Zug in drei Teile; der erste vertrat die Kolonien der zweite Indien, der dritte bildete den eigentlichen Königszug. In der Mitte des ersten Zuges fuhren die Wagen der anwesenden Premierminister der Kolonien, in dem indischen sah man eine Anzahl Maharajahs und Rajahs. Den Königszug führten die einzelnen Abteilungen der englischen Armee; ihm schlossen sich die fremden Militärattachés und die Abordnungen der ausländischen Regimenter, denen der König Georg attachiert ist, an. Das glänzende Schauspiel erweckte auf dem ganzen Wege die Begeisterung der Menge, die das Königspaar mit Jubel begrüßte.
Abends fand im Auswärtigen Amt ein Bankett statt, an dem die Königliche Familie sowie die fürstlichen und die anderen
hohen ausländischen Gäste teilnahmen.
Frankreich.
Fallières ist gestern nachmittag nach
Der Präsident der Tausendjahrfeier der Nor⸗
Rouen abgereist, um mandie beizuwohnen. — In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkam mer begründete der Abg. André Hesse eine Interpellation an den Kriegsminister über dessen Anschauungen von dem Ober⸗ kommando im Kriegsfalle.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ warf der Interpellant dem General Goiran vor, im Senat gesagt zu haben, daß es einen Generalissimus nicht gebe und daß im Kriegsfalle die Leitung der Operattonen der Regierung zustehen würde. In Kriegszeiten, erklärte der Redner, sei aber ein Oberbefehlshaber nötig und die Politiker müßten schweigen. — Der Admiral Bienaims setzte auseinander, daß es notwendig sei, schon von langer Hand einen Führer bereit zu stellen, der fähig sei, den Sieg zu organisieren, und wies auf das Beispiel Preußens und Moltkes hin. — Der General Pédoya faßte die Hypothese eines Krieges mit dem Drei⸗ bunde ins Auge und wies darauf hin, daß in diesem Falle die Armee in den Alpen, im Osten und im Norden geteilt sein würde, sodaß ein einziger Mann nicht alle diese Armeen würde leiten können. Aber auch er forderte, daß die Oberbefehlshaber, wie in Deutschland, bereits in Friedenszeiten ernannt würden. — Der Kriegsminister General Goiran erklärte, man habe seinen Worten eine Bedeutung gegeben, die sie nicht hätten. Er hätte im Senat nur seine persönliche Meinung ausgedrückt, die übrigens der Ansicht seines Vorgängers Berteaux entspräche. Er schloß mit den Worten: „Nichts ist geändert an der seit langem vorgesehenen Organisation und an dem Kommando, das allen Bedürfnissen genügt. Dem habe ich nichts hinzuzufügen“.
Nach den Erklärungen des Kriegsministers beantragte der Abg. André Hesse die einfache Tagesordnung. Der Justiz⸗ minister Antoine Perrier erklärte, die Regierung könne diese Tagesordnung nicht annehmen, sondern nur die Tages⸗ ordnung Camille Picard, die besagt, daß die Kammer die Erklärungen der Regierung billige. Die Regierung lehne die einfache Tagesordnung ab. Die Kammer stimmte darauf über die einfache Tagesordnung ab und nahm sie mit 248 gegen 224 Stimmen an. Das Abstimmungsergebnis rief große Aufregung hervor, gleichwohl blieben die Minister ruhig auf ihren Plätzen, und ein sozialistischer Abgeordneter bestieg die Rednertribüne, um eine Interpellation über die Ländereikonzessionen in Tunis zu begründen, doch wurde von der Opposition ein solch an⸗ haltender Lärm verursacht, daß der Vizepräsident Etienne sich genötigt sah, die Sitzung zu unterbrechen. Nach ihrer Wieder⸗ aufnahme vertagte sich die Kammer bis Dienstag.
— Wie „W. T. B.“ meldet, hat das Kabinett infolge der Annahme der von der Regierung nicht gebilligten Tages⸗ ordnung André Hesse in der gestrigen Kammersitzung seine
Demission gegeben.
Spanien. 8 Der Ministerpräsident Canalejas hat laut Meldung des
„W. T. B.“ gestern in der Deputiertenkammer ein Dekret ver⸗
lesen, durch welches die Sitzungen des Parlaments auf unbestimmte Zeit vertagt werden.
11“ 11 11“
1 Niederlass vertrag zwischen der Schweiz und Deutschland.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ beantragte die Kommissio die Annahme des Vertrages. Der Abg. Bochi⸗Thurgau und der Sozialist Scherrer⸗St. Gallen bekämpften den Antrag besonders wegen des Artikels, betreffend die Lösung von Legitimationskarten für schweizerische Arbeiter in Sachsen und Preußen. — Der Bundesrat Hoffmann erklärte, in dieser Hinsicht sei die Schweiz mit Oester reich und Italien gleichgestellt. Im ganzen sei der Vertrag für die Schweiz mindestens ebenso günstig wie der bisherige. 8
Hierauf erfolgte mit 28 gegen 2 Stimmen die Ratifikation des Vertrages.
8 Türkei.
Deer gestrige Selamlik in der Moschee Ishakie in Monastir verlief sehr feierlich und ohne Zwischenfall. 4 Sultan wurde überall lebhaft begrüßt.
— Von der türkisch⸗bulgarischen Grenze wird, „W. T. B.“ zufolge, berichtet, daß eine 32 Mann starke bulgarische Bande unter Führung Tondjos, des Oberhauptes des maze donischen Komitees in Sofia, die Grenze bei Osmanie über⸗ schritten hat. Es sind Truppen abgesandt worden, um die
Bande abzufangen. 3 Griechenland. 1 Die Deputiertenkammer hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern in zweiter Lesung den Gesetzentwurf,
betreffkend Einrichtung einer Generalinspektion der
Armee, angenommen. Serbien.
Der neuernannte
2
Belgrad von Ugron hat vorgestern dem Könige sein Be⸗ Der König hieß den Ge⸗ 17 herzlich willkommen und sprach, „W. T. B.“ zufolge, ie Hoffnung aus, daß die Beziehungen zwischen den beiden
glaubigungsschreiben überreicht.
dem Ministerpräsidenten
österreichisch-ungarische Gesandte in
Staaten sich recht gut gestalten möchten. Abends gab der T zu Chre des Gesandten ein Mahl, wobei er auf die Gesundheit des Kaisers Franz Joseph und die österreichisch⸗ ungarische Monarchie ein Hoch ausbrachte. Der Gesandte von Ugron toastete auf das Wohl des Königs und das Auf⸗ blühen Serbiens. Bulgarien. Im Laufe der gestrigen Sitzung der National⸗ versammlung gab das Verhalten der Bauernbündler und Sozialisten wiederholt zu Zwischenfällen Anlaß. Wie W. T. B.“ meldet, verlangten sie, daß die National⸗ versammlung eine neue Geschäftsordnung ausarbeite. Nach überaus stürmischer Debatte wurde beschlossen, die in der letzten Sobranje in Geltung gewesene Geschäftsordnung provisorisch anzuwenden. Sie soll abgeändert werden können, wenn ein Viertel der Deputierten einen solchen Antrag stellt. 8. Asien. 3
Wie dem „Reuterschen Bureau“ aus Hodeidah vom 17. Juni gemeldet wird, überraschte eine starke Abteilung Aufständi⸗ scher die Vöorhut Mohammed Ali Paschas, die aus vier Bataillonen mit vier Kanonen bestand und drei Meilen von Djisan entfernt lagerte, tötete tausend und verwundete 500 Soldaten. Die Truppen flohen, von den Rebellen ver⸗ folgt, in Unordnung nach Djisan. In der Verwirrung bom⸗ bardierte ein türkisches Kanonenboot Djisan und tötete und ver⸗ wundete einige hundert Soldaten. Die Araber erbeuteten vier Kanonen, zwei Maschinengewehre, zweitausend Gewehre, eine große Menge Munition und Vorräte und zogen sich dann zurück. Der Befehlshaber der Truppen war nicht anwesend.
— Einer Meldung des „W. T. B.“ aus Peking zufolge hebt ein Erlaß das Ministerium für die Ernennung von Amtspersonen sowie die Kommission zur Vorbereitung konstitutioneller Reformen auf und überträgt diese Angelegen⸗ heiten dem Ministerkabinett.
— Der Vizekönig der Mandschurei hat, wie die St. Peters⸗ burger Telegraphenagentur meldet, der Verwaltung von Zizikar und Kirin die Weisung erteilt, unverzüglich Straferpeditionen
egen die Chunchusen zu entsenden und die Provinz voll⸗ garcdig von ihnen zu säubern. Falls die dortigen Truppen nicht ausreichen, sollen sie durch zwei Divisionen aus dem eigentlichen China verstärkt werdben. 1 Afrika. 1 L1“
Nach einer Meldung der „Agence Havas“ sind weitere Abteilungen Kavallerie und Artillerie in Larrasch gelandet worden, die in der Nacht nach Elksar abgehen sollen.
Parlamentarische Nachrichten.
Der Bericht über die gestrige Sitzung des Hauses der Abgeordneten befindet sich in der Ersten Beilage.
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
Eine Versammlung der ausständigen Arbeiter der Eisen⸗ konstruktionswerkstätten Berlins beschloß, wie hiesige Blätter melden, den Streik zu beenden. Die Arbeit wird am nächsten Montag in vielen Betrieben wieder aufgenommen werden.
Die Spengler und Installateure in Frankfurt a. M. beschlossen, der „Frkf. Ztg.“ zufolge, in einer stark besuchten Ver⸗ sammlung, durch den Gesellenausschuß der Innung einen Tarifentwurf überreichen zu lassen Es werden gefordert: Mindeststundenlöhne je nach dem Alter von 40 bis 62 ₰, Lohnzahlung am Freitag und neun⸗ stündige Arbeitszeit, am Sonnabend acht Stunden. Ueberstunden sollen mit 25 %, Nacht⸗ und Sonntagsarbeit mit 50 % Aufschlag bezahlt werden. Der Tarif soll bis zum 1. Juli 1913 gelten.
Aus Greven (Westfalen) meldet „W. T. B.“, daß gestern die letzten Streitigkeiten in der Textilindustrie beigelegt worden sind; damit ist der allgemeine Friede wiederhergestellt (vgl. Nr. 128 d. Bl.).
Auf dem Kaliwerk Günthershall entstanden, wie der „Köln. Ztg.“ aus Halle gemeldet wird, zwischen der Werkverwaltung und den Arbeitern über den Arbeitsvertrag Meinungsverschieden⸗ heiten. Die Verwaltung entließ daraufhin 200 Arbeiter.
Zum Ausstand der englischen Seeleute (vgl. Nr. 146 d. Bl.) wird dem „W. T. B.“ aus Liverpool telegraphiert, die großen Dampfer hätten gestern ohne jede Störung Mannschaften zu erhöhten Löhnen angeworben. Einer Meldung aus Southampton zufolge hat sich auch die White Star Company mit den aus⸗ ständigen Seeleuten geeinigt. Dagegen wird der Ausstand der Seeleute in Hull immer ernster. Die Mehrzahl der Dockarbeiter hat sich den Auzständigen angeschlossen; auf zahlreichen Schiffen ruht der Betrieb gänzlich. In einer gestern abend in Hull abgehaltenen Versammlung von Seeleuten und Hafenarbeitern, an der etwa 10 000 Personen teilnahmen, wurde beschlossen, daß keine einzelne Gruppe die Arbeit wieder aufnehmen solle, bevor eine vollständige Regelung der Streitfragen erzielt si. Die Hafe narbeiter haben nunmehr auch ihre Forde⸗
ungen in bezug auf Erhöhung der Löhne festgesetzt. Aus Nantes wird dem „W. T. B.“ gemeldet, daß aus⸗ ständige Arbeiter des Eisenwerkes in La Basse⸗Indre in der vergangenen Nacht die Fensterscheiben des Fabrikgebäudes zer⸗ mmese und die Röhren des die Kessel speisenden Pumpwerkes urchschnitten.
In Rotterdam sind, „W. T. B.“ zufolge, gestern früh etwa 100 Mann eingetroffen, um die ausständigen Seeleute zu ersetzen. Ein Teil hat sich an Bord des Dampfers „Batavier IV.“ begeben, dessen Mannschaft die Arbeit eingestellt hat. Der Dampfer wird Abends in See gehen. Polizei, mit Gewehren bewaffnet, be⸗ wacht das Schiff. Zwei andere Dampfer sind mit voller Bemannung abgegangen. Das Angebot von Arbeitern aus dem Ausland ist so groß. daß man schon jetzt voraussehen kann, daß die Sache der Aus⸗ ständigen verloren ist (vgl. Nr. 146 d. Bl.). 1
Der Maurerstreik in Genf wurde, wie die „Voss. Ztg.“ erfährt, nachdem die Lohnfrage der Handlanger durch Festsetzung eines Mindest⸗ tarifs von 52 Centimes für die Stunde geregelt worden ist, gestern.
eendet. Er währte volle acht Wochen. Der dadurch entstandene Schaden wird, da auch andere Gewerbe in Mitleidenschaft gezogen wurden, auf mehrere hunderttausend Franken geschätzt.
(Weitere „Statistische Nachrichten“ s. i. d. Ersten Beilage.
Wohlfahrtspflege. “
8 I1“ 8 Auf der diesjährigen Hauptversammlung des Vereins gegen den Mißbrauch geistiger Getränke, die dieser Tage in Düsseldorf abge⸗ alten worden ist, wurde u. a. das Thema Alkohol u nd Leistungs⸗ ähigkeit behandelt. Es wurden zu ihm drei Referate erstattet. Her erste Redner, Geheimer Medizinalrat, Pfofessor Dr. Tuezek (Marburg) stellte sich dabei die Aufgabe, die auf physiologischem b d pathologischem Gebiet liegenden Ausgangspunkte der intersuchung über die Wirkung des Alkoholgenusses auf den Organismus, 8. echselbeziehungen zwischen Alkoholgenuß und den körperlichen und geistigen Funktionen und deren Störung sowie die Rückwirkung des Ge⸗
nusses auf die Produktivität materieller und ideeller Werte darzulegen. Ausgehend von den sich widersprechenden Urteilen über den Nähr⸗ und 5 geistiger Getränke, besprach er Stoffwechselversuche, die zeigen, daß dem Alkohol als Nahrungsmittel eine praktische Be⸗ deutung nicht zukommt. Beim Alkohol als Genußmittel liegt die 8 darin, daß er Lustempfindungen selbst dann noch lebhaft auslöst, wenn Giftwirkungen schon zweifellos nachweisbar sind; solche deckt die tägliche Beobachtung erst bei höheren Graden der Vergiftung, beim Rausch, auf, während sie der phvsio⸗ logische Versuch in den ersten Anfängen kennen lehrt. Der Redner skizziert dann den Hirnmechanismus, der dem Umsatz von Wahrnehmung in Bewegung, dem Ablauf geistiger Vorgänge dient, und berichtete über die Fauviegedeie der experimentell⸗physio⸗ logischen Forschung, betreffend Wirkung des Alkohols auf die Muskeltätigkeit und die psychischen Elementarleistungen. Die Muskelkraft wird durch Alkohol nur kurze Zeit und unbedeutend gesteigert, dann dauernd herabgesetzt; die Auslösung der Bewegung (der Antrieb) wird erleichtert, während auf allen Gebieten der Seelen⸗ tätigkeit selbst nach Alkoholgaben, die keinerlei Rauschwirkungen erkennen lassen und in weitesten Kreisen für unschädlich elten, eine Verlangsamung und Erschwerung der Leistung Fejtzußtellen ist. Je höher die Alkoholgabe, je größer die persönliche Empfindlichkeit gegen das Gift, desto rascher und stärker macht sich überall die lähmende Wirkung geltend. Die Störungen durch den Alkohol wachsen mit der Schwierigkeit der geprüften Arbeit; dabei besteht überall subjektiv das Gefühl der Mehrarbeit, der Arbeitserleichterung, 8 objektiv nachweisbarer Ahnahme der Leistung. Geheimrat Tuczek besprach sodann die praktische Bedeutung dieser Tatsachen für die Arbeits⸗ leistung. Besonders wichtig sind die Feststellungen über die Nachwirkung des einmaligen und des an sich mäßigen täglichen Alkoholgenusses. Sie besteht in Ueberdauern der Leistungsabnahme aller geprüften geistigen Funktionen noch auf viele Stunden; je höher die Funktion, desto langsamer die Wiederherstellung der alten Leistungsfähigkeit. Bei Wechsel zwischen Alkoholtagen und alkoholfreien Tagen erstreckt sich die Wirkung der ersten Alkoholperiode noch über die folgenden alkoholfreien Tage. Hiernach ist jeder, der täglich bei der Arbeit und in den Arbeitspausen eine bestimmte Menge Alkohol trinkt, in seiner Leistungsfähigkeit gefährdet. Diese Feststellungen geben den Schlüssel für das Verständnis der Dauerwirkung bei länger fortgesetztem Alkoholgenuß, zu der allmählichen Umwandlung im psychischen Ver⸗ halten, die mehr und mehr in das Krankheitsbild des chronischen Alkoholismus hinüberführt. Das Experiment zwingt aber auch zu der Annahme, daß durch jede Wiederholung des Alkoholgenusses neue Veränderungen im Körpergewebe gesetzt werden, daß diese sich addieren, und daß endlich diejenigen Wirkungen zutage treten, die der ganzen Summe aller hinterlassenen Veränderungen entsprechen. Der Redner wandte sich weiter gegen die Einsprüche, welche gegen die Schlüssig⸗ keit und die praktische Verwertbarkeit der Forschungsergebnisse er⸗ hoben werden, und zeigte, daß diese in voller Uebereinstimmung mit der täglichen Beobachtung stehen. Im Rausch finden wir alle Züge des Experiments in vergröbertem Maße wieder; die Beobachtungen des täglichen Lebens bestätigen für die praktische Arbeit die Ergeb⸗ nisse der Wissenschaft. Unter Alkoholwirkung leidet sowohl die körperliche als auch besonders die geistige Arbeit; bei der körper⸗ lichen vor allem die Genauigkeit, die Ausdauer, die Gewandtheit, die Schnelligkeit; aber auch diejenigen Eigenschaften, die dem geistigen Anteil jeder, auch der Muskelarbeit angehören. In um so höherem Grade macht sich die Schädigung geltend, je mehr geistige Elemente die Arbeitsleistung enthält. Der Alkohol schädigt deshalb ganz besonders den Kopfarbeiter. Es wurden die Tatsachen der all⸗ gemeinen Erfahrung, bei Aufgaben aus dem bürgerlichen Leben, die Erfahrungen über den Wochenaufbau der Arbeitsleistung sowie die über die Marximalleistung bei Alkoholenthaltung in Heer und Marine, bei Forschungsreisen, Bergtouren, Sportleistungen, in den Tropen herangezogen. In Berufskreisen, die sich vorwiegend geistig beschäftigen, gelte Enthaltung auch von mäßigem Alkohol⸗ genuß bei der Arbeit heute als selbstverständlich; allgemeine Uebereinstimmung bestehe auch darüber, daß wi enschaftliche und künstlerische Leistungen unter dem Einfluß des Alkohols nicht ge⸗ winnen, sondern leiden. Der Referent ging dann auf den chronischen Alkoholismus ein mit seinen leistungsmindernden Wirkungen in⸗ folge des körperlichen, intellektuellen, sittlichen Verfalls der Trinker, ihrer Krankheitsfälligkeit, ihrer erhöhten Sterblichkeit, ihrer Wider⸗ standslosigkeit gegen Schädlichkeiten aller Art, besonders auch gegen Infektionskrankheiten (namentlich Tuberkulose), ihrer Unfallhäufigkeit. Sodann wies er auf die Folgen der Keimschädigung durch akute und chronische Alkoholvergiftung hin, die verschtedenen Formen der Degeneration bei Trinkernachkommen: Leistungsabnahme durch Minder⸗ wertigkeit, Kränklichkeit, erhöhte Sterblichkeit u. a. Die Beziehungen zwischen Trunksucht der Eltern und Trunksucht, Rhachitis, Still⸗ unfähigkeit der Nachkommen wurden besprochen, desgleichen die besondere Gefährdung der Leistungsfähigkeit jugendlicher Arbeiter durch den Alkohol⸗ genuß. Der Redner faßte seine Ausführungen in folgenden Schluß⸗ ergebnissen zusammen: Die Leistungsfähigkeit bei geistiger wie bei körperlicher Arbeit ist dauernd größer bei Enthaltung von Alkohol als bei Alkoholgenuß. Der durch alle Schichten der Bevölkerung verbreitete Alkoholismus mit seinen unmittelbaren und mittelbaren Rückwirkungen auf die Gesamtleistungsfähigkeit bedeutet für die Nation eine Minderung der produktiven Kräfte und eine Mehrung der unproduktiven Ausgaben. Dabei gibt es Einzelfälle zulässigen ausnahmsweisen Alkoholgenusses. Es muß für jede wirtschaftliche Arbeit die Forderung der Enthaltung von alkoholischen Getränken bei der Arbeit und in den Arbeitspausen, ferner das Unterlassen eines regelmäßigen täglichen Genusses auch kleiner Mengen aufgestellt werden. Wo dies heute noch nicht gelingen will, gilt Stehrs Wort: Die Prophylaxe des Alkoholbedürfnisses ist die Therapie des Alkoholismus. 1
Das zweite Referat erstattet der Oberstabsarzt, Professor Dr. Bischoff⸗Berlin. Er behandelt das Thema aus dem Gesichtspunkt der militärischen Leistungsfähigkeit und führte etwa aus, daß die körperlichen Leistungen, die von der Truppe gefordert werden, im allgemeinen nicht als einmalige Höchstleistungen zu be⸗ zeichnen sind, sondern als Dauerleistungen bei gleichzeitig hoher Kraftentfaltung. Daneben verlangen wir vom Soldaten ein hoch⸗ entwickeltes Pflichtgefühl als Grundlage straffer Disziplin. Die in⸗ tellektuellen und ethischen Anforderungen 1888 heute höher als je. Die Untersuchungen über die Wirkung des Alkohols auf diese militärischen Anforderungen führen zu dem Ergebnis, daß der Alkoholmißbrauch die körperlichen wie die intellektuellen Leistungen beeinträchtigt und zu einer Gefahr sür die Aufrechterhaltung der Disziplin wird. — Von einem erheblichen chronischen Alkoholgenuß ist in unserer Armee im allgemeinen nicht die Rede. Mehr als bei aktiven Truppen kommt er bei den aus dem Dienst Entlassenen und bei den zu den Uebungen eingezogenen Reservisten und Landwehrleuten vor. Der durch Aufklärung in Wort und Schrift, durch Förderung von Ersatz⸗ genüssen (namentlich Soldatenheime mit ihren Unterhaltungsabenden), überhaupt durch die ganze erziehliche Einwirkung des Militär⸗ dienstes geführte Kampf gegen die Ausschreitungen im Alkohol⸗ genuß hat gute Früchte aec gt; dies geht u. a. daraus hervor, daß die Lazarettzugänge wegen Alkoholvergiftung dauernd zurückgegangen sind; so betrug in den Berichtsjabren 1905/706 und 1906/07 der Zu⸗ gang 0,07 %0 der Kopfstärke, gegen 0,29 bis 0,42 % in den Jahren 1873 bis 1887. — Wieweit eine bei kleinen Alkoholgaben anzu⸗ nehmende militärischer Leistungsfähigkeit die Forderung völliger Abstinenz berechtigt erscheinen läßt, ist eine offene Frage. Als erwiesen ist anzunehmen, daß die Enthaltsamkeit das Ertragen von Strapazen und Witterungsunbilden sowie die Widerstandskraft gegen Erkrankungen nicht beeinträchtigt, sondern eber fördert. Bei der großen Bedeutung der Pflege kameradschaftlichen Verkehrs für die Erziehung der Mannschaft, wobei nicht ein Zwang walten, sondern Erholung geboten werden soll, ist es geboten, den herrschenden Sitten gegenüber eine gewisse Freiheit walten sn lassen. Etwaigen Aus⸗ schreitungen gegenüber wird die Verabreichung guter Ersatzgetränke
8 .
bewegung neue kräftige Stützen zu bieten. hierbei die
85
und das Beispiel der nicht Alkohol trinkenden Kameraden von großem Werte sein. Dagegen ist sehr zu begrüßen, daß der Alkohol aus der dene Friedens⸗ und Kriegsverpflegung beseitigt ist. erun Einwirkung au”f die mehr und mehr einzuschränken zum Wohle der Armee.
Die För⸗
der Industrie alkoholfreier Getränke ist neben der nes er.
Jugend das beste Mittel, den Alkoholgenuß 2.
Der dritte Redner, Königlicher Gewerbeinspektor ee
Denker⸗Düsseldorf, behandelte den Einfluß des Alkohols auf die Leistungsfähigkeit der gewerblichen Arbeiter in Verbindung mit der eng damit verknüpften Frage der Betriebssicherheit. das Material größtenteils an der Hand statistischer Tabellen vor und unterzog es einer eingehenden kritischen Untersuchung. Wenn dadurch in einzelnen Fällen die Beweiskraft älterer Angaben, denen man in der Antialkoholliteratur stets wieder begegnet, in etwas erschüttert werden, so treten andrerseits dof auch neue Ziffern über Beeinflussung der Leistungs⸗ fähigkeit und der Unfa
Vordringen der Ersatzgetränke zutage, die geeignet sind, der Nüchternheits⸗
Er führt
größe durch den Alkohol und über das siegreiche 1 — Am bedeutsamsten is
“ einer kürzlich im „Archiv für exakte Wirt⸗ schaftsforschung“ veröskentlichten Untersuchung, welche die durch Alkohol verursachten Schädigungen in zwingenden, keinerlei Doppel⸗ deutung zulassenden Ziffern darlegt. Der Referent wollte mit seinen Ausführungen anregen, daß die Forschungen über den Alkoholismus, wie das auf medizinischem Gebiet bereits der Fall ist, guch auf dem Gebiet des produktiven Wirtschaftslebens in weiterem Aufbau der von Stehr geschaffenen wissenschaftlichen Grundlage so vertieft werden, daß sie auch auf den jetzt noch zweifelnd zur Seite stehenden Teil der Arbeitgeber und Arbeitnehmer über⸗ zeugend wirken müssen, zu Nutz und Frommen der deutschen Industrie.
Kunst und Wissenschaft.
Die Königliche Akademie der Wissenschaften hält am Donnerstag, den 29. Juni, um 5 Uhr Nachmittags, in ihrem zeit weiligen Sitzungssaal, Potsdamer Straße 120, ihre statutenmäßige öffentliche Sitzung zur Feier des Jahrestages ihres Stifters Leibniz. Der Eintritt steht auch ohne besondere Einladung frei.
Literatur.
Veröffentlichungen des Vereins für Geschichte de Mark Brandenburg. Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot. 1911. Fürstentum und Stände in der Mark Branden⸗ burg unter der Regierung Joachims I. Von Walthe Schotte. 114 S. 3,20 ℳ. Christoph. Entzelts Alt 18 märkische Chronik. Neu herausgegeben von Hermann Bohm. 259 S. 6,80 ℳ. — Die Untersuchung von Walther Schotte verfolgt den Zweck, die Beurteilung, die die Regierung Joachims von Brandenburg im Zusammenhang der brandenburgischen Ver fassungsgeschichte erfahren hat, auf Grund der archivalischen Doku mente kritisch zu prüfen. Der dassches geht zunächst die rechtlichen Beziehungen zwischen Fürstentum und und kommt zu dem Schluß, daß das Gesamtergebnis an ständischen Rechte für die Zeit Joachims I. sehr gering sei. Unter seinem Vorgänge erworbene Privilegien sind zum Teil verloren gegangen, so das Recht, das Schuldenwesen und die Verpfändungspolitik zu beraten Die landesherrliche Rechtsprechung hat sich nicht im ständischen Sinn beschränken lassen, die Rezeption des römischen Rechts kam der Aus bildung eines nur durch gelehrte Räte des Fürsten besetzten Ge⸗ richts zugute. In Anerkennung blieb auch durch Joachim I. allein das Steuerbewilligungsrecht und die Verpflichtung des Kurfürsten, bei Erhebung auch der grundsätzlich zugestandenen Steuern den Rat der Stände zu berücksichtigen; aus diesem 1u ergab sich auch eine Bindung des Landesherrn in seinem
echt uͤber Krieg und Frieden. Nach dieser Darlegung der beider⸗
seitigen Rechtsverhältnisse werden in besonderen Betrachtungen die
tänden in jenem Zeitalter durch
politisch wichtigsten Punkte aus dem tatsächlichen Verhältnis zwischen 8
Fürstentum und Ständen in dieser Zeit erörtert. 3 untersucht, wie sich die Oberstände, Adel und Prälaten, zu der
Zunächst wird
wichtigsten innerpolitischen Pufgabe Joachims, der Befriedung des
Landes gestellt haben. Der Ver n Erg die zurzeit herrschende Vorstellung, es habe sich um Kämpfe des Kur⸗
asser gelangt zu dem Ergebnis, daß
fürsten gegen den Adel seines Landes gehandelt, unhaltbar sei. Es
handelte sich nur um adlige Wegelagerer und Räuber, gegen die der Kurfürst zwar streng, aber ohne Parteilichkeit und Adelshaß vorging. Den Friedebrüchen an sich lag kein politisches Motiv zugrunde, und die Friedebrecher gehörten im allgemeinen nicht zu den vornehmsten und mächtigsten Geschlechtern des Adels, vielmehr standen deren Mitglieder auf Seite des Kurfürsten und waren als seine treuen Räte und Diener das Werkzeug seiner Arbeit. Die dafür werden in einem Exkurs beigebracht.
Belege Von einem
Ringen um die Macht zwischen Fürst und Ständen ist nichts zu 8 spüren, sondern gerade ihr Zusammenarbeiten zum Wohle des Landes erscheint dem Verfasser für die Regierung Joachims I. kennzeichnend. 8 In der auswärtigen Politik vermied der Kurfürst nach Möglichkeit die Heranziehung der Stände, und den Städten gegenüber nahm 1
wie aus den einzelnen Städteordnungen, den wichtigsten Quellen, nach⸗
ewiesen wird, fast eine absolute Stellung ein. Zum Schluß werdem
die Herrentage von 1503 aus dem Geheimen Staatsarchiv mitgeteilt. —
Christoph Entzelt ist der erste Geschichtsschreiber des Stammlandes, der Mark Brandenburg, und so wenig Anspruch auf Glaubwürdigkeit sein weitschichtiges Buch auch erheben darf, so ist es doch von Wert für die Geschichte der Chronistik. Wie der lange Titel seines Chronicons vom Jahr 1579 angibt, unterfängt sich der würdige Pfarrherr zu Osterburg, einerseits zu berichten, welche Völker die Altmark und die Nachbarländer seit der Sintflut bewohnt haben, andererseits den Ursprung der Mark Brandenburg und die später mit ihr eingetretenen Veränderungen dar⸗ zustellen; endlich Namen und Abkunft aller brandenburgischen Markgrafen bis auf seine Zeit zu verzeichnen. Diesen drei Teilen schickt der Verfasser noch eine geographische Beschreibung der Altmark als Einleitung voraus und läßt ihnen als Anhang eine Zusammen⸗ stellung der Landeshauptleute der Altmark folgen. Von Entzelts Leben ist wenig bekannt. Nach seiner Grabschrift wurde er 1517 in Saalfeld in Thüringen geboren. Als Wittenberger Student zum Winter 1531 immatrikuliert, nennt er sich mit Stolz den Schüler Luthers und Melanchthons. Als in Tangermünde, wo 1540 die erste Kirchen⸗ visitation der Altmark begonnen hatte, eine Schule gegründet wurde, berief man Christoph Entzelt zu ihrem ersten Rektor. Nach mehr⸗ jährigem Aufenthalt in Rathenow ging er 1558 als Pfarrer nach Osterburg und starbh hier 1583. Drei Jahre vor ihm war seine Frau, Katharina von der Gehren, die aus einem angesehenen Geschlecht in Tangermünde stammte, gestorben. Als Rektor in Tangermünde datte Entzelt eine lateinische Schrift De re metallica verfaßt; was ihn von der Naturwissenschaft der Geschichte zugeführt bat, läßt sich nicht nachweisen. Wie er ein eifriger Sammler von Mineralien gewesen war, so könnte man denken, daß ihn zunächst die Zusammenstellung don Stammbäumen, also ein genealogisches Interesse, reizte. In der Benutzun der Quellen war er durchaus ein Kind seiner Zeit; er rich wabllos alles aus, was ihm unter die Finger kam. Der Herausgeber Hermann Bohm zählt 16 benutzte Werke auf, bemerkt aber dazu, daß bei den meisten Angaben Entzelis ihre Herkunft in Dunkel gehüllt ist. Zu den nicht mehr vorhandenen Quellschriften Entzelts gehören eine Chronik von Crewese (einem Kloster, das die Grafen von Osterburg gegründet hatten), eine wendische Chronik, Quell⸗ schriften für die Geschichte der askanischen Markgrafen und altmärkische Quellwerke. Ein doher Wert kommt diesen verlorenen Schriften nicht zu. Die Chbronsk wurde mehrmals gedruckt, die sechste Ausgabe erschien im Jahre 1736. Die vorliegende neue Ausgabe bezweckt die Dardietung eines moöglichst feblerfreien Tertes, wodei zu beachten war, daß schon die Urausgade don 1579 das Manuskopt Entzelts jeden alls nur entstellt wiedergad, so stüchtig auch Entzelt goardeizet hat. Die sprachliche und sachliche Erlänterung des Textes dieten zahlreiche Anmerkungen, ein Register von 33 Sesten. dient als Wegweiser durch den duntscheckigen Inbalt.