1911 / 152 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Jun 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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der Wahl des Oberlehrers Dr. Curt Christmann an

der Auguste Victoria⸗Schule in Charlottenburg zum Direktor

der in der Entwicklung behrihenea III. städtischen Höheren e

Mädchenschule daselbst die A rhöchste Bestätigung zu erteilen.

Justizministerium. 8

Der Rechtsanwalt Dr. Binting in Lan berg a. W. ist zum Notar für den Bezirk des Kammergerichts, mit Anweisung seines Amtssitzes in Landsberg a. W., und

der Rechtsanwalt Dr. Richter in Cehten zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Breslau, mit An⸗ weisung seines Amtssitzes in Guhrau, ernannt worden.

Der Rechtsanwalt Dr. Goudron in Essen ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Hamm, mit An⸗ weisung seines Amtssitzes in Essen, auf Lebenszeit ernannt worden.

Ministerium für Handel und Gewerbe. .

Bei der Geologischen Landesanstalt zu Berlin sind die außeretatsmäßigen Geologen Dr. phil. Hans Heß von Wich⸗ dorff und Dr. phil. Jakob Stoller zu Bezirksgeologen er⸗ nannt worden.

Der Gewerbeassessor Zäuner ist vom 1. Oktober d. J. ab der Gewerbeinspektion Düsseldorf⸗Stadt als Hilfsarbeiter überwiesen worden. 8

1 Gertrud Klatt aus Berlin ist zum 1. Juli d. J. der Gewerbeinspektion Berlin NW. als Pewerbemnfpektlons⸗ assistentin überwiesen worden. 1 öII1 um 1. Oktober d. J. sind versetzt worden:

Buen Gewerberat Kattentidt von Dortmund nach Posen zur kommissarischen Verwaltung der Stelle des Regierungs⸗ und Gewerberats bei der Königlichen Regierung in Posen,

die Gewerbeinspektoren Dr. Dewitz von Königsberg 1 nach Dortmund, Heerdegen von Minden nach Königsberg J und Dr. Neitzel nach Minden in der bis⸗

erigen Amtseigenschaft un

h 68 Geverbeassesser Wolf von Münster i. W. nach Geeste⸗ münde zur kommissarischen Verwaltung der Gewerbeinspektion Geestemünde. 1“ Ministerium für Landwirtschaft, Domänen 2* und Forsten.

Die Forstkassenrendantenstelle für die Ober⸗ förstereien Zanderbrück und Hammerstein mit dem Amtssitz in Hammerstein ist zum 1. Oktober 1911 zu be⸗ setzen. Bewerbungen müssen bis zum 18. Juli d. J. eingehen.

Angekommen:

Seine Erzellenz der Präsident des Reichseisenbahnamts, Wirkliche Geheime Rat Wackerzapp, von Dienstreisen.

8 Preußen. Berlin, 30. Juni.

Seine Majestät der Kaiser und König. hörten, „W. T. B.“ zufolge, gestern in Kiel an Bord der Jacht „Hohenzollern“ den Vortrag des Vertreters des Auswärtigen Amtes, Gesandten von Treutler.

Königliche Staatsministerium trat heute zu einer Si zusammen.

8 8 8 Nr. 2 des 10. Jahrganges der „Veröffentlichungen des Kaiserlichen Aufsichtsamts für Privatversiche⸗ rung“ bringt mehrere an die dem Amt unterstellten Ver⸗ sicherungsunternehmungen gerichtete Rundschreiben, von denen die beiden ersten, an die Viehversicherungsge ell⸗ schaften gerichtet, die Beseitigung von Mißständen im Wett⸗ bewerb und es. eine Aenderung des Inhalts des Jahres⸗ berichts behandeln. Das folgende Rundschreiben bezieht sich auf die Ersetzung der alten durch die dem Ver⸗ sicherungsvertragsgesetz angepaßten Versicherungs⸗ bedingungen auf dem Gebiete der Unfall⸗ und Haft⸗ pflichtversicherung. In dem letzten wird die Entbehrlich⸗ keit von Erneuerungsscheinen und die Unzulässigkeit eines Gebührenansatzes hierfür in der Feuerver⸗ sicherung und verwandten Versicherungszweigen erörtert. Hieran schließen sich Mitteilungen über die Zulassung inländi⸗ scher Unternehmungen, die Genehmigung von Aenderungen des Geschäftsplans und von Bestandsübertragungen bei in⸗ und ausländischen Gesellschaften sowie die Fortsetzung der Nach⸗ weisung über die Bestellung Hauptbevollmächtigter für aus⸗ ländische nterhe fawigee Von den beiden zum Abdruck ge⸗ brachten Beschlüssen behandelt der erste (96) die Zulässigkeit und Anwendung der Neurose⸗Klausel in der Un⸗ fallversicherung. Nach der Auffassung des Amtes ist in dem Iusschlusse der Haftung für trau⸗ matische Neurose als Unfallfolge nicht eine willkürliche, sondern eine sachlich zu rechtfertigende Beschränkung des Ver⸗ sicherungsschutzes zu erblicken, deren Einführung sich nach den gesammelten Erfahrungen zumal bei Angestellten des Verkehrs⸗ dienstes als notwendig erwiesen hat. In dem folgenden Be⸗ schlusse (97) wird ein Beschwerdefall behandelt, der das Er⸗ löschen von Volksversicherungen mit geringen Wochen⸗ beiträgen infolge Umzugs der Versicherungsnehmer nach einem Orte außerhalb der Inkassoorganisation der Gesellschaft zum Gegenstande hat. Hieran schließen sich zwei Senatsentscheidungen, von denen die erste (48) die Genehmigung zu eigenartigen Versicherungsbedingungen für die Kinder⸗ unfallversicherung ausspricht, während die zweite (49) einem Kaskoversicherungsvereine gegenüber, mit Rücksicht auf die geringen eigenen Mittel des Vereins und die beschränkten finanziellen Kräfte seiner Mitglieder, die Genehmigung zu einer Erhöhung des Selbstbehalts über 8000 versagt. Im Anhange werden 20 auf dem Gebiete des Versicherungswesens ergangene gerichtliche Entscheidungen mitgeteilt.

Deutsche Kolonien.

Vom Bau der südwestafrikanischen Nord⸗Süd⸗ bahn (Windhuk- Keetmanshoop) meldet eine von „W. T. B.“ verbreitete Depesche des Gouverneurs, daß auf dem von Süden her in Bau genommenen Stück (Keetmanshoop —Kub) am 16. Juni die Station Gibeon eröffnet. worden ist. Der Ort Gibeon, bekannt als ehemaliger Sitz des Hottentottenkapitäns Hendrik Witbooi, liegt einige Kilometer westlich von der neuen

tation, im Fischflußtal; der Ort selbst konnte wegen seiner tiefen Lage von der Bahn nicht unmittelbar berührt werden.

Großbritannien und Irland.

Der König und die Königin wohnten gestern, „W. T. B.“ zufolge, einem Dankgottesdienst in der St. Pauls⸗Kathedrale bei und begaben sich darauf nach der Guildhall, wo die Stadt⸗ vertretung zu Ehren ein Frühstück gab, an dem auch die Mitglieder des Königlichen Hauses, die Minister und das diplomatische Korps teilnahmen.

In der gestrigen Sitzung des Oberhauses machte die Beratung der Vetobill keine wesentlichen Fortschritte. Wie „W. T. B.“ meldet, wurde sch ließlich § 1 mit ver⸗ schiedenen Amendements, die teilweise von der Regierung bekämpft wurden, angenommen. b 8

Das Unter haus setzte gestern die Debatte über das Seeprisengeses fort. Vorher beantwortete der Staats⸗ ekretär des Auswärtigen Amts Sir Edward Grey eine

nfrage betreffs der Lage in Albanien, wie folgt:

Solange sich die Unruhen auf Albanien beschränkten, seien sje eine innere Angelegenheit; wenn sie aber länger andauerten, so bestehe die ernste Gefahr, daß sie sich weiter ausbreiteten und zu einer Ge⸗ fahr für den Frieden auf dem Balkan würden. Alle Mächte wünschten deshalb eine schnelle Beilegung herbeigeführt zu sehen; weitere Feststellungen zu machen sei er nicht in der Lage.

Frankreich. 6

Der Ministerrat hielt gestern unter dem Vo Ministerpräsidenten Caillaux eine Sitzung ab, in der er sich endgültig über den Wortlaut der heute in der Kammer zu ver⸗ lesenden Ministererklärung einigte. 4 1

Außer den bereits gemeldeten Einzelheiten wird die Programmerklärung der Regierung, „W. T. B.“ zu⸗ folge, die sofortige Einbringung eines Gesetzentwurfs ankündigen, durch den die Abgrenzung der Weinbaubezirke aufgehoben wird. Die Regierung wird ihre feste Absicht bekunden, dafür Sorge zu tragen, daß das Gesetz über die Ruhegehälter der Ar⸗ beiter zu dem vorgesehenen Termin in Krast tritt. Die Eisen⸗ bahmgesellschaften sollen ersucht werden, ihrem Personal ein Statut ähnlich dem für die Beamten zu geben. Die Regierung wird Mittel suchen, um die staatliche Kontrolle über die Eisenbahngesellschaften zu verstärken, und ihren festen Entschluß bekunden, die Achtung vor dem Gesetz und das normale und regelmäßige Funktionieren der staatlichen Dienstzweige zu sichern, die Aufrecht⸗ erhaltung der Disziplin zu fordern und zu verhindern, daß das Leben der Nation beunruhigt werde. Die Regierung wird den ökonomischen Aufschwung Frankreichs fördern und die nationale Rüstung besonders bezüglich der Häfen ver⸗ vollständigen. Sodann wird die Regierungserklärung den üblichen Satz über die auswärtige Politik Frankreichs enthalten, die sich andauernd stützt auf eine Allianz und auf wertvolle Freundschaften. Sie wird die Sorge für die Armee und Marine betonen und an die Notwendigkeit erinnern, das dem Parlament vorliegende Flottenprogramm zu erledigen. Die egierung wird, wie weiter gemeldet wird, bekanntgeben, daß sie die Eisen⸗ bahngesellschaften ersuchen werde, jedem entlassenen Beamten, der die Bedingungen hierfür erfülle, das Ruhegehalt zu ge⸗ währen, die anderen entsprechend dem Vorgehen der Staatsbahn⸗ verwaltung wieder anzunehmen. Ferner wird die Regierung erwägen, ob die gegenwärtigen Bestimmungen für die Eisen⸗ bahnverwaltungen nicht dahin abzuändern seien, daß der Be⸗ trieb der Eisenbahngesellschaften mit den auf den Staats⸗ bahnnetzen durchgeführten Umgestaltungen in Einklang gebracht werde.

Italien.

Die Deputiertenkammer setzte gestern die Beratung über den Gesetzentwurf, betreffend die staatliche Monopoli⸗ sierung der Lebensversicherung, fort. 8; .

Wie „W. T. B.“ meldet, führte der Handelsminister Nitti im Laufe der Debatte aus, daß im Lande eine künstliche Agitation gegen das geplante Monopol in die Wege geleitet worden sei. Die Re⸗ gierung wolle, daß der Gesetzentwurf eingehend und ruhig beraten werde, und sei bereit, den guten Rat der Gegner des Entwurfs ent⸗ gegenzunehmen, vorausgesetzt, daß die wesentlichen Punkte der Vorlage aufrechterhalten blieben. Es handle sich um ein Unternehmen, das zu betreiben der Staat besonders befähigt sei, und das um so weniger vom Zufall abhängig sei, auf je größerer Grundlage es betrieben werde. Die staatliche Garantie für die Versicherungen werde im Volke den Sinn für den Wert der Fürsorge für die Zukunft steigern. Der Staat übernehme nicht nur die moralische, sondern auch die gesetzliche Garantie für das nationale Versicherungsinstitut. Das staatliche Monopol stelle keine Lösung des Problems der Alters⸗ versorgung der Arbeiter dar, aber die Regierung habe sich zum Ziel gesetzt, den ersten Schritt zur Lösung dieses Problems zu tun. Darauf gab der Minister eine Darlegung über die mathematischen Berech⸗ nungen, aus denen hervorgehe, daß das Monopol beträchtliche Ueber⸗ schüsse ergeben werde. Nitti hob weiter hervor, daß der das Monopol bedeute einen Schritt zum Kommunismus, nicht ernst zu nehmen sei. Auch werde die gesetzliche Garantie des Eigentums nicht verletzt, da der Staat keine Enteignun vornehme gegenüber irgend einem ererbten oder erworbenen Recht. Jom Schluß wies der Minister auf den Erfolg der Postsparkassen hin und wünschte dem nationalen Versicherungsinstitut den gleichen Erfolg.

Die Generaldiskussion wurde darauf geschlossen und die Sitzung aufgehoben. Spanien. 8 8

Der Minister des Innern Ruiz Valarino hat, „W. T. B.“ zufolge, seine Entlassung e Zu seinem Nachfolger ist der bisherige Justizminister arroso ernannt und mit dem Justizportefeuille der Ministerpräsident Canalejas endgültig betraut worden.

b. Portugal.

In der gestrigen Sitzung der Nationalversammlung erklärte, wie „W. T. B.“ meldet, der Minister des Aeußern Machado auf eine Anfrage wegen Anwendung des Trennungsgesetzes auf Ausländer, daß hinsichtlich der ausländischen katholischen Gemeinschaften, die gegenwärtig in

Belgien. Die liberalen Fraktionen des Senats und der Kammer haben sich nach einer Meldung des „W. T. B.“ für das allgemeine gleiche Stimmrecht vom 25. Lebensjahr an für Parlaments⸗, Provinzial⸗ und Kommunalwahlen aus⸗ gesprochen und werden am 15. August mit den Sozialisten in Brüssel eine Kundgebung aus dem ganzen Lande zugunsten dieser Forderung veranstalten.

Türkei.

Der montenegrinische Geschäftsträger in Konstantinopel hatte gestern eine längere Unterredung mit dem Minister des Aeußern über die Lage und die Beziehungen zwischen der Türkei und Montenegro. 1

Nach einer vom „W. T. B.“ verbreiteten Depesche des Oberkommandierenden von Albanien hat die Tätigkeit der Banden im Mirditengebiete vollständig aufgehört.

Die Regierung 8 beschlossen, neue Verstärkungen nach dem Wilajet Assyr zu entsenden. Weiter sollen vier Bataillone von Bagdad nach Muntefik abgehen, um den Kämpfen der feindlichen Stämme Einhalt zu tun.

Afrika. 8 Wie der „Agence Havas“ aus Elksar unter dem 28. Juni neldet wird, hat der Oberst Sylvestre mit 200 Infanteristen und 100 Reitern am Lukkosfluß einen Erkundungsmarsch gemacht, der als Vorbereitung zu dem Vormarsch auf Wessan angesehen wird, der unmittelbar bevorsteht. Die Bergstämme erklären, daß sie sich dem Vordringen der Spanier werden. Ferner wird aus Fes unter dem 26. Juni gemeldet, daß der General Moinier in El Hajeb eingerückt ist, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Die vereinigten Metallarbeiterverbände haben jetzt, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ mitteilt, den Maschinenfabriken und Eisen⸗ gießereien in Düsseldorf ihre Forderungen eingereicht: Ver⸗ kürzung der Arbeitszeit auf 9 ½ Stunden, Erhöhung der Tages⸗ und Akkordlöhne um 5 %, Zuschläge für Ueberstunden von 25 50 % und wöchentliche Lohnzahlung. Die Zabl der organisierten Arbeiter ist in den in Frage kommenden Werken sehr gering.

Die Maschinisten sämtlicher Reedereien von Mainz ver⸗ langen, der „Rh.⸗Westf. Ztg.“ zufolge, eine Lohnerhöhung und wollen im Falle der Nichtbewilligung am 1. Juli den Streik verkünden.

Wus Hanau wird der „Voss Ztg.“ telegraphiert, daß die Steinbrucharbeiter in den Ortschaften 11 Reisten⸗ hausen, Fechenbach, Dorfprozelten, Stadtprozelten und Mandfeld wegen Lohntarisstreitigkeiten in den Ausstand getreten sind.

Im Buchbindereigewerbe Leipzigs ist, wie die „Frkf. Ztg.“ berichtet, gestern ein neuer, auf fünf Jahre gültiger Lohntarif abge⸗ schlossen worden. Er tritt am 1. Juli 1911 in Kraft. Die Löhne er⸗ fahren bis zu 10 % Erhöhung.

Der Ausstand der Seeleute hat, wie „W. T. B.“ meldet, in Liverpool zu großen Schwierigkeiten hinsichtlich der Weg⸗ schaffuang der aus Amerika und Canada dort eingetroffenen Nahrungsmittel geführt. Große Mengen von Käse, Speck, Schmalz und Butter, die in Kisten auf den Kais des Nord⸗ hafens lagern, können nicht fortgeschafft werden, da die Fuhrleute von den ausständigen Hafenarbeitern daran gehindert werden. Die verfügbaren Vorräte der Kaufleute, besonders an Käse und Speck, sind zurzeit sehr gering. Die ausständigen Seeleute haben beschlossen, den Verkehr der Dampfer der White Star⸗Linie innerhalb und außerhalb des Hafens zu unterbinden, mit der Be⸗ gründung, die Gesellschaft habe ihr Abkommen nicht ehrlich gehalten. Die Cunardlinie und die Canadian Pacific⸗Linie haben die Forderungen der Hafenarbeiter und der Seeleute bewilligt. Die Ablösungsmannschaft für das Feuerschiff auf dem Mersey hat sich gestern früh ge⸗ weigert, ihren Dienst anzutreten. In Leith haben die Hafen⸗ arbeiter gestern den Generalstreik erklärt. Wie aus Grimsby gemeldet wird, hat der Direktor der Great Central Railway eine Einigung mit den Verbänden der Seeleute und Heizer erreicht. Die dortigen Hafenarbeiter haben sämtlich die Löscharbeit auf den Schiffen niedergelegt. In Hartlepool ruht die Arbeit voll⸗ ständig. Zwölfhundert Seeleute befinden sich im Ausstand. In e. und Avonmouth endete der Streik mit dem Siege der Seeleute.

In Antwerpen haben, „W. T. B.“ zufolge, die Schiffs⸗ reeder den Bürgermeister um Schutz für die Arbeitswilligen ersucht. Der Verband der Reeder hat seine Mitglieder aufgefordert, die Löhne nach der Hamburger Skala zu regeln. Die „Red Star Linie“ verweigert jede Erhöhung, bei den anderen Linien steht die Entscheidung noch aus. .

In Amsterdam üben, laut Meldung des „W. T. B.“, die Hafenarbeiter eine wahre Schreckensherrschaft in dem Stadtviertel, das sie bewohnen, aus. Sie belästigen Frauen und Kinder der Arbeitswilligen, zertrümmern die Fensterscheiben der Läden der Lebensmittellieferanten für die Dampfer und mißhandeln deren Angestellte. Etwa zwanzig chinesische Heizer sind eingetroffen, um in den Dienst der Neederland Compagnie einzutreten. Daß im übrigen die Widerstandskraft der Ausständigen nachläßt, geht daraus hervor, daß heute der deutsche Dampfer „Friedrich Krupp“ in See gegangen ist und sich auf ihm fünf ausständige Seeleute und vier holländische Heizer anwerben ließen, die sich mit den deutschen Löhnen zufrieden gaben, während die gleichen Löhne von den streikenden Seeleuten in Rotterdam als zu gering bezeichnet wurden.

Wohlfahrtspflege. . 89 n

Ueber die Fürsorge für die Krüppelkinder i . findet man in Nr. 71 der „Amtlichen Nachrichten der Posener rmen⸗ und Waisenverwaltung“ eine diesen Fürsorgezweig behandelnde, beachtenswerte Darstellung. Im Jahre 1907 waren polizeilicherseits in Posen etwa 250 Krüppelkinder ermittelt worden. Wie sich inzwischen herausgestellt, ist tatsächlich die Zahl der Unglücklichen weit größer; sie sind mindestens auf 400 zu schätzen. Um diesen Kindern und ihren Eltern mit Rat und Tat beizustehen, insbesondere, um die Erwerbs⸗ fähigkeit dieser Kinder für ihr späteres Leben mög lichst zu sichern, bildete sich 1907 eine Kommission, bestehend aus dem ezernenten der Armen⸗ verwaltung als Vorsitzenden, einen Ortbhopäden, einem Chirurgen, einem Nervenarzt, einem Hals⸗, Nasen⸗ und Ohrenarzt, einem Kinderarzt und dem Leiter der Posener Hilfsschule. Diese Kommission hatte die Auf⸗ gabe, die der Armenverwaltun bekannten Krüppelkinder von Zeit zu Zeit zu untersuchen und hierbei festzustellen, was mit dem Kinde ge⸗ schehen muß, um einer weiteren Verkrüppelung vorzubeugen, um den bestehenden Zustand möglichst zu bessern und um das Kind für sein späteres Leben erwerbesähig zu machen. Es wurden bis IA. in Krüppelfürsorge genommen 335 Kinder, davon 193 chen, 142 Knaben. Von diesen leiden fast die Hälfte an einer Ver⸗ krümmung der Wirbelsäule, nämlich 141, die nächstgrößte Ziffer entfällt auf die Erkrankung der Beine, nämlich 66, Lähmungs⸗ erscheinungen zeigten 40, krummen Rücken hatten 21, Fußerkrankungen 21, Hüftgelenkerkrankungen 21, Fhrseers.n 20 usw. Je nach dem Befunde wird im Einzelfalle das Notwendige angeordnet, insbesondere kommen in Frage medikomechanische Behandlung, eine Kriechkur, eine antirhachitische Behandlung, die Anschaffung von Stütz⸗ apparaten (Korsettschienen, Krawatten usw.), Aufnahme in ein Krüppel⸗

Portugal bestehen, der vor dem Trennungsgesetz geltende Zu⸗

stand aufrechterhalten bleiben werde. Z

heim usw. Soweit die Eltern der Krüppelkinder nicht selbst

Die Tempel von Babylon und Borsippa.

1 der Stadt

Mittel besitzen, um die von den Aerzten für erforderlich erachteten Maßnahmen zu treffen, springt die Armenverwaltung ein. In allen Fällen aber wird das kranke Kind dauernd beobachtet, insbesondere auch daraufhin, daß es die angeordnete Kur auch tatsächlich durchmacht, sich fleißig den medikomechanischen Uebungen oder der angeordneten Kriechkur unterzieht, daß es das Korsett ständig trägt usw. Auf diese Weise kann rechtzeitig eingegriffen werden, wenn weitere Maßnahmen sich als notwendig erweisen.

Kunst und Wissenschaft.

Die Königliche Akademie der Wissenschaften hielt am 22. Juni unter dem Vorsitz ihres Sekretars Herrn Diels eine Gesamtsitzung. Herr Schäfer las über die materiellen Kräfte des schwedischen Staatswesens zur Zeit von Gustap Adolfs bantritt. Er legte vergleichend dar, wie bescheiden sie waren neben denen des rivalisierenden Däne⸗ mark und der führenden Territorien des gleichzeitigen Deutschland. Erst die Feststellung dieser Tatsache setzt die persönliche Bedeutung Gustav Adolfs in das rechte Licht. Herr Frobenius legte eine Arbeit vor: Gruppentheoretische Ableitung der 32 Kristall⸗ klassen. Die Lehre von den Gruppencharakteren wird benutzt, um die Einteilung der Kristalle in Klassen abzuleiten und die 32 Klassen in übersichtlicher Weise anzuordnen. Das korrespondierende Mit⸗

lied Herr Jacobi in Bonn hatte eine Mitteilung übersandt, etitelt: Zur Frühgeschichte der indischen Philosophie. Es wird gezeigt, daß im 4. Jahrhundert v. Chr. Mmämsà, Sänkhya, voga und Lokäyata schon anerkannte philosophische Systeme waren, während Nvaya und Vaisesika sowie wahrscheinlich auch die buddhistische Phbilosophie erst spaͤter entstanden sind. Herr von Wila⸗ mowitz⸗Moellendorff legte vor: Arkadische Forschungen von F. Freiherrn Hiller von Gaertringen und H. Latter⸗ mann. Die Abhandlung enthält einen Bericht über die von März bis Juni 1910 für das arkadische Inschriftenwerk (Inscriptiones Graccae V 2) unternommene Reise. Als Beispiel für die epigraphische Forschung wird das bekannte „Gottesurteil von Mantineia“, für die pegraphische Orchomenos und die (bis 369) Xere4obae r.028,8, Methdrion mit einem neu ausgegrabenen Tempel, Thisoa und Teuthis behandelt. Topographische Kartenaufnahmen und Photographien von Herrn Lattermann erläutern die Ausführungen.

Die Akademie genehmigte die Aufnahme einer von Herrn Schwarz in der Sitzung der physikalisch⸗mathematischen Klasse vom 15. Juni vorgelegten Arbeit des Dr. Leon Lichtenstein bhierselbst in den Anhang zu den Abhandlungen: Beweis des Satzes, daß jedes hinreichend kleine, im wesentlichen stetig gekrümmte, singulari⸗ tätenfreie Flächenstück auf einen Teil einer Ebene zusammenhängend und in den kleinsten Teilen ähnlich abgebildet werden kann.

Folgende Druckschriften wurden vorgelegt: Bd. 19 der von der Deutschen Kommission der Akademie berausgegebenen Deutschen Texte des Mittelalters, enthaltend die poetische Bearbeitung des Buches Daniel, hrsg. von A. Hübner. Berlin 1911; zwei neu erschienene Bände der Ergebnisse der Planktonexpedition der Humboldt⸗Stiftung, Bd. II. H. e. enthaltend die Chätognathen von R. von Ritter⸗ Zähony und Bd. III. L. h. 11 enthaltend von den tripyleen Radiolarien die Challengeridae von A. Borgert. Kiel und Leipzig 1911; drei mit Unterstützung der Akademie gedruckte Bände des von Engler und O. Drude in Dresden herausgegebenen Sammelwerkes „Die Vegetation der Erde“, Bd. 11: L. Adamovié, Die Vege⸗ tationsverhältnisse der Balkanländer, Bd. 12: A. Weberbauer, Die Pflanzenwelt der peruanischen Anden und Bd. 13: J. W. er, Phytogeographic Survxey of North America.

eipzig 1909 11; ferner zwei Werke von kporrespondie⸗ renden Mitgliedern: W. Körner, Ueber die Bestimmung des chemischen Ortes bei den aromatischen Substanzen. Vier Ab⸗ handlungen. Leipzig 1910 und W. James (†), Some Problems of Philosophy. New York 1911 endlich die 15. wissenschaftliche Veröffentlichung der Deutschen Orient⸗Gesellschaft: R. Koldewey, Leipzig 1911.

88 Literatur.

Unter dem Titel „Die heutige Statistik in Deutsch⸗ land“ ist soeben das Werk erschienen, das als gemeinsame Ehrengabe von 52 Vertretern der Reichs⸗, Landes⸗, Städtestatistik, Wissenschaft und Privatwirtschaft dem Altmeister der deutschen Statistik Georg von Mayr (München) zu seinem 70. Geburtstag dargebracht wurde. In zwei stattlichen Bänden von im ganzen über 1800 Seiten behandelt es sämtliche Zweige unserer Statistik, nämlich Geschichte, Bedeutung, Organisation und Technik der deutschen Statistik (6 Beiträge); Be⸗ völkerungsstatistik 88 Beiträge); Kulturstatistik (8 Beiträge); Wirt⸗ schafts⸗ und Sozialstatistik (25 Beiträge). Jeder Verfasser zeigt, welche Bedeutung dem von ihm geschilderten Zweig der Statistik im praktischen Leben und in der Wissenschaft zukommt, was heute auf diesem Gebiete von der Reichs⸗, Landes⸗, Städte⸗ und Privatstatistik geleistet wird und in welcher Richtung weitere Fortschritte erstrebenswert sind. Ein Blick in die Einzelarbeiten des Werks, dessen Benutzung durch ein aus führliches Inhaltsverzeichnis und alphabetisches a erleichtert wird, genügt, um sich von der hohen und vielseitigen Ent⸗ wicklung der deutschen Statistik überzeugen zu können. Dank der föderierten Verfassung des Reichs sowie dank der Selbstverwaltung unserer Kommunen hat denn tatsächlich im Lauf der letzten Jahr⸗ zehnte die statistische Tätigkeit innerhalb Deutschlands an Breite und Tiefe gewonnen wie nicht leicht anderswo. Kaum ein statistisch überhaupt erfaßbares Gebiet blieb hier unbeackert. Ist es nicht das Reich, so ist es der eine oder andere Bundesstaat, die eine oder andere Großstadt, die das betreffende Beobachtungsfeld statistisch behandelten. Die Teilung der Aufgaben der Statistik unter die Reichs⸗, Landes⸗ und Städtestatistik, wozu sich noch die rührige Privat⸗ statistik gesellt, kam der Gesamtleistung der deutschen Statistik quanti⸗ tativ wie qualitativ sehr zustatten, sie ermöglichte eine weitgehende Kenntnis unseres an Vielseitigkeit und Innerlichkeit so reichen Volks⸗ lebens. Ohne Zweifel wird die vorliegende Darstellung des der⸗ zeitigen Standes und der seitherigen Entwicklung der deutschen Statistik die weiteren Aufgaben, die diese im Dienste unserer wirt⸗ schaftlichen, sozialen und kulturellen Ziele im kleinen wie im großen zu erfüllen hat, erheblich fördern. Zugleich dürfte das Werk, das vom Direktor des Bayerischen Statistischen Landesamts, Mintsterialrat Dr. Friedrich Zahn (München) organisiert und herausgegeben wurde und im Verlage J. Schweitzer⸗München erschienen ist (Preis 45 ℳ), wesentlich dazu beitragen, daß die Statistik, die mit ihrem Beweis⸗ und Erkenntnismaterial in unserem staatsbürgerlichen Leben eine so bedeutsame Rolle spielt, immer mehr mit der gebotenen Umsicht ge⸗ handhabt und perwertet wird.

Im Verlage von B. G. Teubner in Leipzig erscheint eine von Dr. Bastian Schmidt herausgegebene „Naturwissen⸗ schaftliche Schülerbibliothek“; sie will ne gte⸗ des modernen naturwissenschaftlichen Unterrichts, die auf die elbständigkeit des Schülers, auf eine verständige Beobachtung, auf Exkursionen und dergl. gerichtet sind, unterstützen, indem sie die Schüler im Anschluß an den Unterricht zu selbständiger Beschäftigung mit natur⸗ wissenschaftlichen Fragen anregt und anleitet. Im Gegensatz zu ähn⸗ ichen anderen Büchern setzen die der genannten Sammlung einen regelrechten Unterricht in den einschlägigen Gebieten voraus, an den sie anknüpfen; außerdem sind sie für Schüler verschiedener Altersstufen bestimmt. Das erste der vorliegenden Bändchen ist der erste Teil eines Physikalischen Experimentierbuches“; es hat den Professor G. Rebenstorff in Dresden zum Verfasser und gibt jüngeren und mittleren Schülern Anleitung zum selbständigen Experimentieren. Der jugendliche Leser wird zu Verfuchen auf den verschiedensten Gebieten aus den Ge⸗ bieten von Mechanik, Schall, Wärme, Licht, Magnetismus, Reibungselektriziittt und Galvanismus werden in leicht aus⸗ führbaren Versuchen seinem Verständnis nähergebracht. In einem anderen Bändchen „An der See’ gibt der Professor Dr. P. Dahms in Zoppot mittleren und reiferen Schülern Anleitung zu geologisch⸗

angeregt: Erscheinungen

geographischen Betrachtungen. Unter Bezugnahme vornehmlich

auf die geologischen Verhältnisse in der Danziger Bucht ver⸗ mittelt er anschaulich eine Menge nützlicher Kenntnisse, die Bewegung des Meeres und seine Einflüsse auf den Strand, die Strukturen und Nebenerscheinungen der Duͤnen, das Werden und Vergehen unserer deutschen Küsten, den Bernstein, über meteoro⸗ logische und physikalische Beobachtungen, die man am Meeresstrande anstellen kann, u. a. m. In einem dritten Bändchen, das für reifere Schüler berechnet ist, schildert der Direktor Professor Dr. Hans Keferstein in Hamburg das Leben und wissenschaftliche Wirken einiger „Großer Physiker’: Copernikus, Kepler, Galilei, Newton, Faraday, Robert Mayer und elmholtz. Die Bändchen sind sehr sauber und in großer Schrift hergestellt und mit reichem Bilder⸗ material versehen. Sie kosten gebunden je 3 ℳ.

Das Juliheft der von R. Fleischer herausgegebenen „Deutschen Revue (Deutsche Verlagsanstalt, vierteljährli 6 ℳ) hat folgenden Inhalt; Dr. Veit Valentin, Privatdozent an der Universität Freiburg i. Br.: Das Reichsland unter Manteuffel (Fort⸗ setzung), Graf Posadowsky: Ueber die Wohnungsfrage, C. v. Goßler, General der Infanterie z. D.: Marschall Bazaine und die Schlacht von Rezonville, K. Th. Zingeler (Sigmaringen): Aus dem militärischen Leben des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern, Ueber die Millionen⸗ heere, Sir Alfred E. Turner, Generalmajor: Millionenheere, Dr. A. Dreyer: Die Hofdichter Ludwigs II. von Bayern, Emile Flourens: Die Haager Kongresse, ihre Ursprung und ihre Folgen, Die Idee der politischen Freiheit und der Liberalismus. I., Nicolas Salmeron y Garcia: Die marolkanische Frage und Spanien, Henke, Oberleutnant im 1. Nassauischen Pionierbataillon Nr. 21, kommandiert zur Dienst⸗ leistung beim Großen Generalstabe: Ein Beitrag zur Charakteristik des Kronprinzen Karl Johann von Schweden, Prof. Dr. W. Branca (Berlin): Erdbeben, Albert Ladenburg: Mendelejeffs Gesetz und seine Bedeutung für die Chemie, Dänemarks militärpolitische Stellung, Literarische Berichte, Eingesandte Neuigkeiten des Büchermarkts.

Bauwesen.

In dieser Woche fand in München der deutsche Tiefbauer⸗ tag statt. Es ist dies eine Veranstaltung des Verbandes der deutschen Tiefbauunternehmer und der Tiefbauberufs⸗ genossenschaft. Die Bedeutung des Tiefbaugewerbes läßt sich er⸗ messen, wenn man bedenkt, welche Werte heute in den Bauten in⸗ vestiert sind, welche in der Ausgestaltung unseres Verkehrsnetzes in den Eisenbahnen, den Straßen, Brücken und den großen Baulichkeiten der Wasserversorgung sowie Kanalisationen zutage treten. Die soziale und wirtschaftliche Bedeutung tritt vielleicht noch klarer hervor, wenn man in Erwägung zieht, daß die deutschen Tiefbauer im Jahre nicht weniger wie 240 Millionen Mark an Arbeitslöhnen aus⸗ zahlen. Im Mittelpunkte der Verhandlungen des Verbandstages stand, „W. T. B.“ zufolge, der Vortrag des Reichstags⸗ und Landtags⸗ abgeordneten, Professor Dr. Martin Faßbender über die Er⸗ richtung von Tiefbaukammern. Der Vortragende legte in interessanten Ausführungen die Geschichte der Idee der Berufskammer in den letzten Jahrhunderten bis zur Gegenwart dar und vertrat die Ansicht, daß bei der Eigenart des Tiefbaugewerbes, dessen Interessen gegenwärtig im Rahmen der Handelskammern und der Handwerkerkammern, zu denen die Tiefbauunternehmer ihre Beiträge zahlen müssen, unmöglich genügend vertreten werden könnten. Im Anschluß an diesen Vortrag nahm der Verbandstag einen Beschluß des Inhalts an, daß bei der Bedeutung, welche das Tiefbaugewerbe in unserem Wirtschaftsleben besitzt und da seine Interessen gegenwärtig keine genügende Vertretung fänden, eine eigene Interessenvertretung entweder durch Schaffung einer eigenen „Tiefbaukammer“⸗ oder im Anschluß an eine allgemeine „Kammer für das Baugewerbe: zu erstreben sei. Es wurde außerdem eine besondere Kommission von auf diesem Ge⸗ biete besonders bewanderten Mitgliedern gewählt, die in Verbindung mit der Verbandsleitung die nötigen statistischen Unterlagen schaffen und eine Denkschrift ausarbeiten sowie die übrigen für Schaffung von Tiefbaukammern erforderlichen Schritte einleiten soll.

Land⸗ und Forftwirtschaft.

Saatenstand in Rußland. 1 Der Kaiserliche Konsul in Libau berichtet unterm 26. Juni d. J.: Infolge der im Monat Mai für die Vegetation so überaus günstigen Witterung erhofften die Landleute im diesseitigen Konsulatsbezirk eine reichliche Ernte. Diese Hoffnung hat sich indessen nicht erfüllt, da die anhaltende Trockenheit und die ab und zu noch eingetretenen Nacht⸗ fröste die Entwicklung des Sommergetreides stark behindert haben. Der vor einigen Tagen eingetretene Regen war nicht anhaltend genug, um alle Schäden auszubessern, und man rechnet jeßt nur noch auf eine mittlere Ernte. Die Wiesen sowie das Obst haben auch durch den Nachtfrost gelitten und dürften wenig Ertrag liefern.

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Saatenstand und Getreidehandel in Russisch⸗Polen.

Der Kaiserliche Generalkonsul in Warschau berichtet unterm 24. d. M.: Der Stand der Saaten in Russisch⸗Polen ist fast überall befriedigend, stellenweise sehr gut. Die Wintersaaten haben trotz des schneearmen Winters gut überwintert und sich bis jetzt bei günstiger Witterung gut entwickelt. Die Frühjahrsbestellung der elder ist unter normalen Verhältnissen erfolgt, und die Sommer⸗ saaten haben ein gutes Aussehen. Gräser und Futterkräuter, insbesondere Klee, gedeihen gut, doch wird die Ernte durch Regen verzögert. Ueber Ungeziefer wird wenig geklagt. Im Gouvernement Kielce hat die hessische Fliege, im Gouvernement Lublin haben Feld⸗ mäuse stellenweise Schaden angerichtet. Die Getreidepreise stellen sich am 22. d. M., wie folgt: Es wurden für das Pud = 16,38 kg gezahlt: für Roggen 0,77 0,81 Rbl. 8 Welzen .1,04— 1,08 8 Gerste . 0,82 - 0,90 Hafer ö1X1X“X“

8 8 Ernteaussichten und Getreidehandel in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gegen Mitte Juni 1911.

Die offizielle Schätzung für den Stand des Winterweizens am 1. Juni war um sechs Punkte niedriger als am 1. Mai. Anhaltende Dürre verbunden mit übermäßiger bise die sich über das ganze Weizenterrain erstreckte, waren die Ursache des Rückgangs. In den ersten zehn Tagen des Juni ist kein Regen gefallen, und erreichte die Hitze einen Höhepunkt, der alle früheren Jahrgänge überbot. In 19 letzten mpaar Tagen ist die Temperatur normal, aber die Dürre hält an.

In den mehr südlichen Staaten ist die Ernte des Winterweizens beendet, in den Mittelstaaten ist sie jetzt im vollen Gange. Ehe die Dreschresultate bekannt werden, ist es unter den 1 Um⸗ ständen verfrüht, Schätzungen des weiteren Rückganges zu machen, aber es liegt klar auf der Hand, daß sich seit dem 1. Punk die Lage wesentlich verschlechtert hat. Auf magerem Boden trat Notreife ein, und selbst in den besten Feldern zeigten sich schadhafte Stellen der Erschöpfung, sodaß man nicht mehr auf gute gleichmäßige Qualität rechnen kann. Die Weizenfelder waren wochenlang einer Hitze aus⸗ hüse t, die 30 bis 36 Grad Celsius im Schatten gleichkommt. Mitte

ai war man berechtigt, auf ein Ernteresultat von 500 000 000 Bushels Winterweizen zu hoffen, heute ist die Stimmung auf 450 bis 470 000 000 gesunken, demnach nicht mehr als der letztjährige

2e

Der Sommerweizen in den nordnestlichen Staaten steht aus⸗

Preichnet und ist bis jetzt von der Witterung sehr begünstigt worden. da die Ernte erst in 6 bis 8 Wochen stattfindet, so kann man vorder⸗

hand nur die Szenerie bewundern, wie sich die professionellen Speku⸗

lanten ausdrücken. In den südlichen und mittleren Staaten ist der

Hafer ganz fehlgeschlagen, er ist buchstäblich ausgedörrt. Hafer spielt

zwar eine untergeordnete Rolle in den mittleren Staaten und wird

meistens nur zu dem Zwecke kultiviert, um die Saaten zu wechseln, nichtsdestoweniger ist der Verlust höchst empfind⸗ lich für den Farmer, da die Wiesen ebenfalls abgedörrt sind und sich bei der hiesigen Sommerwitterung nih erholen können. Der erste Kleeschnitt war sehr ergiebig, aber seirdem sind die Aussichten auf weitere Schnitte zu nichte geworden. Die Preise für Hafer und Heu sind hoch gestiegen. Mais kann viel Hitze und Dürre aushalten und steht jetzt ausnehmend gut, da das Unkraut durch das trockene Wetter zurückgehalten wurde. Aber für die weitere Entwicklung bis zur Reife im Oktober ist reichlicher Regen eine unbedingte Notwendigkeit. Der Boden fängt an ganz auszutrocknen und die Pflanzen sind noch zu klein, um sich durch ihren

Schatten etwas zu schützen. Nebenbei nimmt das Ungeziefer schnell überhand und kann nur durch starke Regen in Schranken gehalten werden. Kartoffeln, Gemüse und Obst haben viel durch die Witterung gelitten und sind jetzt schon rar und sehr teuer.

„Ddie Regulierung des Maitermins im Weizenmarkte (haupt⸗ sächlich Chicago) hat die Situation nicht so geklärt, wie man allge⸗ mein erwartete. Anstatt den amerikanischen Markt auf legitime Basis im Einklang mit dem Weltmarkte zu bringen, sprechen alle Anzeichen dafür, daß sich die Hochspekulation auf weitere Monate erstrecken wird. Sollte die Dürre anhalten, so würde der Juli Verkäufen zur Beute fallen und die Preise möchten abnorm steigen. Im andern Falle ist es unausbleiblich, daß die großen Vorräte in den Weizen⸗ speichern Chicagos auf den Markt geworfen werden müssen und zwar mit dem üblichen Krach. Die Lage ist kritisch und mahnt zur größten Vorsicht in der Spekulation. (Bericht des Kaiserlichen Konsulats in St. Louis, Missouri, vom 15. Juni 1911.)

Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs⸗ maßregeln.

Aus Anlaß der Internationalen Hygieneausstellung in Dresden ist unter dem Titel: Einrichtungen auf dem Gebiete des Unterrichts⸗ und Medizinalwesens im Königreich Preußen eine amtliche Schrift (Kommissionsverlag von G. Fischer in Jena) erschienen, die den Zweck verfolgt, die in mannig⸗ fachen Gruppen der Abteilung dieser Aus⸗ stellung enthaltenen Ausstellungsgegenstände von Anstalten und Einrichtungen des Unterrichts⸗ und Medizinalwesens im König⸗ reich Preußen einheitlich zusammenzufassen. Die einzelnen in Dresden ausgestellten Gegenstände sind dem Gesamtplan der Ausstellung ange⸗ paßt, sie geben also gleich der auf sie Bezug nehmenden Schrift kein erschöpfendes Bild von den hygienischen Einrichtungen in Preußen. Es ist in der Schrift aber angestrebt worden, neben einer er⸗ läuternden Beschreibung der Ausstellungsgegenstände das in ihnen gegebene lückenhafte Bild durch eingehendere Ausführungen über die Gestaltung und die Arbeiten der vertretenen Anstalten soweit zu vervollständigen, daß die Darstellung eine nähere Einsicht in das Wesen und in die Tätigkeit der bestehenden Einrichtungen zu ver⸗ mitteln geeignet ist. Nach einer von dem Geheimen Obermedizinalrat, Professor Dr. Kirchner verfaßten Einleitung, die einen Ueberblick über den gewaltigen Aufschwung der ö Forschung in Deutschland innerhalb des letztverflossenen Vierteljahrhunderts bietet, enthält der erste die eigentliche Hygiene behandelnde Teil der Schrift Beschreibungen der Einrichtung und Tätigkeit der hygienischen Institute der preußischen Universitäten, des König⸗ lichen Instituts für Infektionskrankheiten in Berlin, des Königlichen Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt a. M., der König⸗ lichen Versuchs⸗ und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und Ab. wässerbeseitigung in Berlin, des Königlichen EEe8 Instituts in Posen und der Prüfungsanstalt für Heizungs⸗ und Lüftungsein⸗ richtungen der Königlichen Technischen Hochschule in Berlin alle verfaßt von den Leitern dieser Anstalten sowie eine Darstellung der Schul⸗ hygiene von dem Professor Dr. Ficker in Berlin. Der zweite Teil behandelt die Amtsstellen und Einrichtungen, denen in Preußen die Seuchenbekämpfung 1e nämlich die Medizinalabteilung des Ministeriums des Innern, die Medizinaluntersuchungsämter, die Impf⸗ anstalten, Quarantäneanstalten und Desinfektionsanstalten. Der

dritte und letzte Abschnitt schildert die Krankenfürsorge in

Preußen in einem zusammenfassenden Artikel und in Beschreibungen des Königlichen Charité⸗Krankenhauses in Berlin, der Universitäts⸗ klinik und Poliklinik für Kinderkrankheiten in Berlin, der Hydrotherapeutischen Anstalt der Universität in Berlin, der Medizinischen Klinik der Universität in Halle, der Chirurgischen Klinik derselben Universität und des Königlichen Lepraheims im Kreise Memel. Auch diese Aufsätze rühren zumeist von den Leitern der genannten An⸗ stalten her. Die Schrift wird nicht nur Aerzte interessieren, sie bietet vielmehr auch dem Laien einen trefflichen Einblick in die umfassende Tätigkeit des preußischen Staats auf dem Gebiet der gesamten Gesundheitspflege.

(Weitere Nachrichten über Gesundheitswesen ꝛc. s. i. d. Zweiten Beilage.)

Handel und Gewerbe.

In der heutigen Sitzung des Zentralausschusses der Reichsbank führte der Vorsitzende, Vizepräsident des Reichsbankdirektoriums von Glasenapp aus, daß sich aus dem derzeitigen Status der Reichsbank ein Grund zur Aenderung des Diskontsatzes nicht ergebe.

Der Zentralausschuß war mit diesen Ausführungen ein⸗ verstanden und erteilte sodann seine Zustimmung zur Zulassung einiger Stadtanleihen zur Beleihung im Lombardverkehr.

(Weitere Nachrichten über „Handel u.” Gewerbe“ s. i. d. Ersten Beilage.)

8 Verdingungen.

(Die näheren Angaben über Verdingungen, die beim „Reichs⸗ und Staats⸗ anzeiger“ ausliegen, können in den vnn in dessen Expedition während der Dienststunden von 9 bis 3 Uhr eingesehen werden.

Oesterreich⸗Ungarn.

Längstens 8. Juli 1911, 11 Uhr. K. K. Staatsbahndirektion Innsbruck: Lieferung und Aufstellung der neuen Eisenkonstruktion für die Mosbachbrücke der Linie Salzburg Wörgl. Näheres bei der K. K. Nordbahndirektion in Wien und bei der eingangs er⸗ wähnten Direktion, Abteilung III, Gruppe für Brückenbau, sowie beim „Reichsanzeiger“.

„Sgpätestens 1.3. Juli 1911, 12 Uhr. K. K. Ministerium für öffentliche Arbeiten in Wien: Wasserleitungsklosett, und Gas⸗ leitungsinstallationen für den Ausbau des Postsparkassenamtsgebäudes in Wien, I., Dominikanerbastei. Näheres bei der K. K. Bau⸗ leitung, I., Rosenbursenstraße Nr. 3 (Postsparkassenamtsgebäude) und beim „Reichsanzeiger“.

18. Juli 1911, 10 Uhr. K. K. Landesregierung in Czernowitz: Installationsarbeiten und die Lieferung der Beleuchtungskörper für die elektrische Beleuchtung in den Gebäuden der gr. or. erzbischöflichen Residenz sowie in der gr. or. Kathedralkirche in Czernowitz. Näheres beim Hochbaudepartement Xb der vorerwäh Landesregi sowie beim „Reichsanzeiger“. 4

Italien.

Königliche Tabakmanufaktur in Rom, 3. Juli 1911, 2 Uhr Nachmittags: Lieferung von 2 000 000 Zigarettenschächtelchen zum Verpacken von Zigaretten Serraglio. Sicherbeitsleistung 1800 Lire. Näheres in btanegischer Sprache beim „Reichsanzeiger“.

Hospital S. Spirito und Vereinigte Hospitäler in Rom; 4. Juli 1911, Vormittags 10 Uhr. Lieferung von Trinkgläsern und Gefäßen aus Glas in 3 Losen im Werte von 34 500 Lire; Sicher⸗ heitsleistung und Kostenvorschuß 4200 Lire. Näheres in italienischer Sprache beim „Reichsanzeiger“.

Marineministerium in Rom und gleichzeitig die General⸗

direktionen der Königlichen Arsenale in Spezia und Neapel: