1911 / 255 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Oct 1911 18:00:01 GMT) scan diff

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meine Herren, Sie werden mir zugeben, rechtfertigen lassen, wenn wir jetzt ut aliquid fieri videatur von Ihnen 50⸗ oder 75 000 für wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiete der Maul⸗ und Klauenseuche anforderten, von denen wir selbst nicht recht in der Lage sind anzugeben, welcher Art diese Arbeiten sein sollen. Ich habe im Sommer wie ich schon sagte mit meinen Sachverständigen diese Frage noch einmal eingehend er⸗ örtert. Ich werde sie im Auge behalten. Ich werde im gegebenen Falle den Reichsgesundheitsrat zusammenberufen; und sobald es mir gelingt, eine Grundlage für weitere wissenschaftliche Arbeiten auf diesem Gebiete zu schaffen, werde ich unverzüglich auch an die Inan⸗ griffnahme dieser Arbeiten gehen. Ich werde die erforderlichen Summen von Ihnen anfordern, und ich bin überzeugt, daß, wenn das Ziel erst festliegt, weder bei Ihnen noch bei uns Streit über die Höhe der zu bewilligenden Summe bestehen wird. Wir werden fordern, und Sie werden geben, was nach Lage der Verhältnisse not⸗ wendig ist. 8

Hertling

Auf Antrag der Abgg. Freiherr von 8 Be⸗

(Zentr.) und Gyßling sfortschr. Volksp.) wird die prechung der Interpellationen beschlossen.

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Abg. Dr. Hahn (dkons.): Es steht fest, daß die Maul⸗ und Klauenseuche von Russisch⸗Polen aus eingeschleyppt wird. Es ist aber außerdem sicher, daß auch im Elsaß dauernd die Mundschwämmchen⸗ seuche eingeschleppt wird, die man mit Recht auch als eine Maul⸗ säuche betrachtet. Diese Frage ist in den Debatten der 90 er Jahre besonders eingehend von m verstorbenen Oekonomierat Ring⸗ Düppel und vom A von Mendel⸗Steinfels erörtert worden. In in Rußland ist die Maul⸗ und Klauenseuche eine Krankheit. (Zuruf links.) In Deutschland ist sie nicht endemisch, Herr Dr. Arning, ich bin zwar nicht Arzt, ich rede aber jeden Tag mit Aerzten, Sie sind für mich nur ein Erperter von vielen. Wir müssen sie als epidemisch betrachten und bekämpfen und uns vor allen Dingen davor hüten, sie wieder über die Grenzen hineinzulassen. Es hat sich gezeigt, Dr. Roesicke und seine Mitinterpellanten mit ihren Be⸗ fürchtungen aus dem Frühsommer dieses Jahres nur zu sehr recht

de bg.

Südeuropa

und böse

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behalten haben. Die Allgemeinbeit hat ein Interesse an einem möglichst großen und gesunden Viehstand wie an rechtzeitiger Be⸗ stellung. Es ist ia auch einiges geschehen, aber die Beschwerden über die mangelhafte Handhabung des bisberigen Gesetzes haben doch gar kein Ende nehmen wollen. Die Maul⸗ und Klauenseuche ist ungemein leicht zu übertragen; der Inhalt eines Bläschens auf der Zunge eines erkrankten Ochsen genügt als Infektion von 5000 Ochsen. Eine Magd, die auf einem Bauernbof zugegangen war, übertrug die Seuche dadurch, daß sie ihrem Abgang noch einmal in den Stall gegangen war und etwas Schmutz an den Schuben mitnahm, obwohl sie einen Weg von zwei, Stunden zu ihrer neuen Stelle u machen hatte. Unsere Tierärzte haben sich gewiß die größte Nühe gegeben, um zu verhüten, daß sie selbst zu Tragern des Ansteckungsstoffes wurden; es sind trotzdem solche Fälle vorgekommen. Leider sind auch zahlreiche Bestrafungen vor⸗ gekommen, mit Gefängnis sogar wegen verspateter Anzeigen; hier ist ein Uebereifer entwickelt worden, der nicht am Platze war, ich bin überzeugt, daß man gern die verhängten Strafen wieder nachlaseen wird. Die Inkubationsdauer der Klauenseuche währt länger, als man gemeinhin annimmt, länger als 14 Tage. Von den Schwierigkeiten, die dadurch die Landwirtschaft in diesem Sommer betrafen, hat mein beredter Landsmann Fegter eine Schilderung gegeben; besonders vexatorisch war die Handhabung der Sperrmaßregeln, man hat sogar Hunde und Katzen eingesperrt. Die ungemeine Trockenheit des Sommers hätte vielleicht von vornherein eine andere Art der Bekämpfung angezeigt erscheinen lassen, als die Stall⸗ und die Ortssperre. Als großer Fortschritt ist zu begrüßen, daß die Bekämpfung nicht mehr vom Ministerium direkt vorgenommen wird; denn diese Zentralinstanzen können den Ausbruch der Seuche nicht rechtzeitig erfahren. Man hat also den Schwerpunkt der Bekämpfung in die Regierungspräsidien und die Landratsämter verlegt. Wo Kreistierarzt und Landrat zusammen arbeiten, da ist es vielfach gelungen, die Seuche zurückzudrängen. Die Svperrbezirke sind im ganzen viel zu groß gemacht worden. Vor dem sogenannten Durchseuchen der Ställe, das noch oft geübt vird, kann ich nur warnen. Vor allem muß aber die Bekämpfung an der Grenze schärfer und energischer gehandhabt werden, wenn man sich im Inlande alle die Belästigungen und Schädigungen efallen lassen soll. Ich weiß nicht, ob in den Regierungsbezirken Oppeln und Aurich, wo die Grenzwacht gegen Rußland und Holland gehalten werden muß, alles gescheben ist. Das Hin⸗ und Herlaufen der Grenzbewohner besonders in Ostpreußen über die Grenze mit den kleinen Paketchen ist eine eminente Einschleppungsgefahr. Am wirksamsten kann die Seuche bekämpft werden durch Tötung der verseuchten Tiere bei voller Entschädigung. Wo dies geschehen ist, .B. in Brandenburg, hat sich der Erfolg sehr bald gezeigt. Das neue Gesetz sieht Tötung und Entschädigung und verschärfte Strafen vor. Ein großer Fortschritt ist, daß Staat und Provinzen die Ent⸗ schödigung uͤbernehmen, darüber hinaus wollen Preußen und Bavern uch für die wirtschaftlichen Schäden infolge der Seuche aufkommen.

ie Verhandlungen der Viehseuchenkommission hat der Abg. Wach⸗ horst de Wente unrichtig aufgefaßt. Der Abg. Roesicke war mit vollem Nachdruck für den Antrag des Abg. Lehmann bezüglich der Sachverständigenkommission eingetreten, der Antrag scheiterte aber an dem Widerspruch besonders der preußischen Re⸗ gierung mit Rücksicht auf die Kostenfrage. Auch der Deutsche

Landwirtschaftsrat war der Meinung, daß das Gesetz an der Kosten⸗ frage nicht scheitern dürfe, und der Abg. Roesicke mußte schließlich dem Kompromiß zustimmen, wenn er die Vorteile des Gesetzes, wozu auch der Beschwerdeweg gehört, unter Dach und Fach bringen wollte. Der Abg. Wachhorst de Wente wird boffentlich so loval sem, draußen im Lande die Sache so darzustellen, wie sie wirklich gewesen ist. Dem Aba. Kobelt möchte ich bemerken, daß gegen die Einfuhr argentinischen Fleisches Landwirte und Schlächter verbündet sind. Ich freue mich, daß der Abg. Wachhorst de Wente auch gegen die Einführung war, während der Abg. Fuhrmann augenscheinlich dafür war. Die Schlächter meinen, daß der Kampf gegen die Seuche an der Grenze viel zu rigoros geführt werde. Nach meiner Meinung kann die Seuche an der Grenze gar nicht rigoros genug bekämpft werden. Man hat nun allerlei Vorschläge gemacht, um den kleinen Landwirten zu helfen. Wie haben es früher die preußischen Könige gemacht? Sie haben Steuern nachgelassen; dies Mittel ist wohl heute kaum empfehlenswert, aber sie haben noch einen anderen Weg beschritten, sie haben den kleinen Landwirten un⸗ verzinsliche Darleben gegeben; ich möchte meinerseits empfehlen, den kleineren Landwirten für ein Jahr unverzinsliche Dar⸗ lehen im Umfange der gehabten Schaäden zu gewähren, Dar⸗ lehen, die im Laufe der Zeit amortisiert werden. Auf diesem Wege wird auch die Mahnung des Reichskanzlers erfüllt werden können, das Vieh möglichst durchzuhalten. Bei den Nationalliberalen herrscht nun in dieser Frage eine gewisse Unstimmigkeit. Will man, wie sie, die Seuche wirklich an der Grenze bekämpfen, dann muß man auch die jetzige Mehrheit im Reichstag behaupten. Bekommen wir eine veit, die die jetzige Bekampfung an der Grenze für falsch bält, dann ist nicht sicher, daß die Regierung an unserer Seite bleibt. Wir müssen eine große Mehrheit behalten in diesem Hause, sowohl in der Frage der Seuchenbekämpfung, wie in anderen national⸗ wirtschaftlichen Fragen, eine Mebrheit, die an den bisberigen be⸗ währten wirtschaftlichen Grundsätzen festhält. Die Regierung sollte auch nicht vergessen, wie sich die Sozialdemokratie zur Frage der Oeffnung der Grenzen stellt. Die Sczialdemokratie spricht von der arbeiterfeindlichen Haltung der bürgerlichen Parteien und der Regierung, möge die Regierung demnächst auf dem Posten sein!

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es würde sich doch kaum

Die Maul⸗ und Klauenseuche ist keine parteipolitische Frage, aber der Vorredner hat doch eine politische Wahlrede gehalten. Produzenten und Konsumenten sind in gleichem Maße an dieser Frage interessiert, und die Produzenten ohne Rück⸗ sicht auf die Größe des Betriebes. Die Sozialdemokratie hat sich in bezug auf die Förderung der Technik der Landwirtschaft, auf den Schutz gegen die Seuchengefahr und auf die Anwendung aller Maß⸗ nahmen, die die Wissenschaft an die Hand gibt, noch von keiner anderen Partei in den Schatten stellen lassen. Meine Partei hat immer mitgewirkt, die Landwirtschaft zu schützen, das hat erst gestern ein Redner der agrarischen Mehrheit offen anerkannt. Der An⸗ regung durch den Bund der Landwirte, den geschädigten kleinen Landwirten Darlehen zu gewähren, bedurfte es nicht, der württem⸗ bergische Landtag hat sich schon vor mehr als 1 Jahren damit be⸗ faßt und durch einmütiges Votum mit der Sozialdemokratie der Regierung die Unterstützung der Landwirte empfohlen, die unter der Seuche leiden. Die Fleischversorgung wird durch die Seuche förmlich in Frage gestellt, und wenn die Seuche mit der Futter⸗ mittelnot zusammenwirkt, so können wir im Frühjahr und Vor⸗ sommer nächsten Jahres Fleischpreise haben, die alles bisher Da⸗ gewesene in den Schatten stellen. Die Seuchen wirken um so schlimmer, als die Seuchengesetzgebung dazu benutzt wird, die Fleisch⸗ preise zu steigern. Zu diesem Zweck will der Bund der Landwirte die Grenzen vollkommen absperren. Auch im baverischen landwirt⸗ schaftlichen Zentralausschuß hat ein bayverischer Minister erklärt, die Grenze dürfte nicht geöffnet werden, weil die österreichischen Landwirte mit den billigeren Arbeitskräften billiger produzieren könnten. Man verlangt die bhogienischen Bestimmungen nicht zur Heilung von Krankbeiten, sondern zur Heilung des Geldbeutels. Man will nicht die Seuchen an der Grenze bekämpfen, sondern die Zufuhren unterbinden, die Seuchen werden aber gar nicht vom Aus⸗

lande eingeschleppt, sondern entstehen durch alte Bazillenträger im 1 auch von

Lande. Daß die S auch r ist einfach

nde Seuche nicht nur von Rußland, sondern

Frankreich und aus dem Elsaß eingeschleppt worden sei, nicht wahr. Die Regierung im Reichstag und in den einzelnen Land⸗ tagen, besonders in Württemberg, hat wiederbolt nachgewiesen, daß von einer Einschleppung der Maul⸗ und Klauenseuche von Westen her nicht entfernt die Rede sein kann. So sagte aus Anlaß einiger Fälle der Staatssekretär Delbrück am 4. März 1910, es fehle jeder Anlaß zur Annahme, daß es sich um die Einschleppung aus dem Auslande handele, und ebenso läge es bei einigen anderen Fällen, die vor einiger Zeit in Bayern und in der Rheinprovinz in Ställen vorgekommen seien, in denen seit feststellbarer Zeit kein Vieh aus dem Auslande gestanden habe. Und am 18. März 1911 sagte er, auch die Westgrenze gegen Frankreich könne in keinen ursächlichen Zusammenhang mit den in Deutschland ausgebrochenen Seuchen gebracht werden. Trotzdem fordert der Zentrumsredner die lückenlose Grenzsperre, und der Abg. Hahn behauptet, der Schutz an der Grenze sei absolut unzulänglich. Im lepten Winter ist die Seuche vom Norden nach dem Süden, nach Württem⸗ berg, gebracht worden; so sagte der Staatsminister von Pischek im Frühjahr, daß der Viehbof in Möünchen längst verseucht war, nicht von Frankreich, sondern von Norddeutschland, bevor die französische Einfuhr gestattet werden mußte, weil durch die Maul⸗ und Klauenseuche in Württemberg die Zufuhr von Schlachtvieh nach Bayern außerordentlich zurückgegangen war. In Frankreich ist die Seuche überhaupt erst im Februar d. J. wieder ausgebrochen. Das Geschrei über die Einschleppung von Frankreich wird aber fortgesetzt. Es wäre richtiger, eine Grenzsperre zwischen Württemberg und Preußen aufzurichten. Wer noch schärfere Maßregeln will, kann nichts anderes tun, als den Spatzen. den Schmetterlingen, den Mücken und ähnlichem Geflügel die Flügel zu beschneiden. Die Maul⸗ und Klauenseuche untersteht nicht der Disziplin des Bundes der Landwirte. Sie hat einen Königlich preußischen Charakter, einen echt deutschen Nationalcharakter. Wird die Seuche etwa künstlich im Auslande gehegt und gepfleat? Man sollte nicht die Lander absperren, sondern die Seuchenherde isolieren.

Abg. Keil (Soz.):

Die Vorschriften müssen angewandt werden ohne Rücksicht auf die Person; allerdings müßte für die Schädigungen ein einigermaßen ausreichender Ersatz gegeben werden. Es wäre zu wünschen, daß das neue Viehseuchengesetz so bald als möglich in Kraft gesetzt wird. Ein Ritterguts⸗ besitzer war zu drei Tagen Gefängnis verurteilt worden, weil er an einem Sonntag die Gänge nicht hat kalken lassen; in der Berufungs⸗ instanz wurde die Strafe in 100 Geldstrafe umgewandelt, und in der Begründung hieß es, daß bei der Bestrafung eines derartig acht⸗. baren Mannes, wie es ein Rittergutsbesitzer ist, das Gericht sich erst recht gründlich von der Verfehlung überzeugen mußte. Immer geht man aber nicht so nachsichtig vor, vor allen Dingen nicht bei sozial⸗ demokratischen Versammlungen. Aber die Führer des Bundes der Landwirte, die vom Osten bis nach dem Westen, vom Suden bis gach dem Norden umherreisen, sind viel eher geeignet, die Maul⸗ und Klauenseuche zu verbreiten; auf jeden Fall müßten sie aber bis zum 12. Januar unter Quarantäne gestellt werden, das Wohlbefinden des nächsten Reichstags würde dadurch erheblich gebessert werden. Wir unterstützen alle Mittel, die zur wirklichen Ausrottung der Seuche führen können. Diese Maßnahmen sollen zweckmäßig sein und durch⸗ geführt werden ohne Rücksicht auf die Person. Preußischer Minister für Landwirtschaft, Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Es dürfte angesichts der großen Verheerungen, welche die Maul⸗ und Klauenseuche in diesem und zum Teil schon im vergangenen Jahre in weiten Teilen Deutschlands an⸗ gerichtet hat, von einer gewissen Bedeutung sein, darauf hinzuweisen, daß wir seit dem Jahre 1901 bis 1909 verhältnismäßig sehr günstige Zustände in bezug auf die Maul⸗ und Klauenseuche gehabt haben. Während in den Jahren 1892, 1896 bis 1897 und 1899/1900 die Maul⸗ und Klauenseuche einen verhältnismäßig sehr hohen Stand erreichte, ist sie in den vorher genannten Jahren 1901 bis 1909 haupt⸗ sächlich nur in den Grenzgebieten aufgetreten, und es ist fast regel⸗ mäßig gelungen, sie in verhältnismäßig kurzer Zeit dort erfolgreich zu bekämpfen. Diese günstigen Zustände haben bis zum Frühjahr 1910 angehalten, wo die bekannte Invasion von russischer Seite kam und in sehr kurzer Zeit die nächsten Provinzen Ostpreußen, West⸗ preußen, Schlesien und Posen verseuchte. Von hier aus hat dann weiteren Umfange die Maul⸗

Domänen und

im und Klauenseuche

ihren Zug dann mehr oder weniger durch ganz Preußen und Deutsch⸗ land genommen!

Die preußische landwirtschaftliche Verwaltung hatte, wie ich auch bereits im preußischen Landtage ausführen konnte, die Hoffnung, daß es gelingen würde, im Laufe des vergangenen Winters der Seuche Herr zu werden. Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt. Mit dem Augenblick, wo die Ackerbestellung und später auch der Weide⸗ gang des Viehes begann, mußten wir uns darüber klar sein, daß es voraussichtlich nicht mehr möglich sein würde, die Maul⸗ und Klauen⸗ seuche im Laufe des Sommers erfolgreich zu bekämpfen. Wir waren genötigt und das möchte ich den Herren gezenüber hervorheben, die sich über das mangelnde Entgegenkommen der Bundesregierungen beklagt haben, in einer ganzen Reihe Fälle Erleichterung eintreten zu lassen, Erleichterungen, die nicht in erster Linie und das stelle ich gegenüber dem Herrn Abg. Fegter fest dem Großgrundbesitz und den Großagrariern, sondern vor allem den kleinen Leuten zugute ge⸗ kommen sind. Wir haben im weiteren Umfange die Benutzung des Viehs zur Beackerung zugelassen, in den Beobachtungsgebieten ohne jede Ein⸗ schränkung, und in den sogenannten Sperrbezirken auch, soweit das

nicht gehen, wir nicht andere Gegenden durch die Seuche in Gefahr bringen wollten. 8

Nun habe ich auch meinerseits drei Tabellen anfertigen lassen, die sich speziell auf den Stand der Maul⸗ und Klauenseuche in Preußen beziehen. Die erste der Tabellen gibt eine vergleichende Darstellung der Verbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche in den Jahren 1910 11 in Deutschland, in Preußen, in Oesterreich⸗Ungarn und in den Nieder⸗ landen. Sie stimmt zum Teil mit dem Material überein, welches der Herr Staatssekretär des Reichsamts des Innern Ihnen bereits vorgelegt hat, und liefert ebenso den Beweis, daß es immerhin mit der Maul⸗ und Klauenseuche in Deutschland noch viel günstiger gestanden hat und steht, als in den meisten der umliegenden Länder. Die zweite Tabelle gibt für die einzelnen Vierteljahre von 1890 bis 1911 eine graphische Darstellung des Standes der Maul⸗ und Klauenseuche in Preußen, und die dritte Tabelle und auf diese kommt es mir im Augen⸗ blicke hauptsächlich an gibt eine vergleichende Darstellung der bei dem gegenwärtigen Seuchengange in verschiedenen Regierungsbezirken Preußens von der Maul⸗ und Klauenseuche betroffenen Gehöfte und der in diesen Gehöften vorhandenen Rinder.

Aus dieser Tabelle wollen Sie, meine Herren, entnehmen, daß es sich in Preußen während des ganzen Ganges der Maul⸗ und Klauenseuche vom Frühjahr 1910 bis jetzt doch immerhin nur um etwas über 2 % aller Gehöfte mit Viehhaltung gehandelt, und daß ferner die Verseuchung noch nicht 10 % des ganzen Rindviehbestandes erreicht hat. Ich bitte, diese Tabellen zu beachten; sie liefern den Beweis, daß die Bekämpfungsmaßregeln der landwirtschaftlichen Verwaltung 8 doch zweifellos eine große Wirkung gehabt haben; auch kann man aus den Tabellen den Schluß ziehen, daß bis zur Zeit die Maul⸗ und Klauenseuche einen entscheidenden und allzu nachteiligen Einfluß auf unsere Viehbestände nicht gehabt haben wird. 3

Interessant bei dieser Tabelle, die ich Ihnen vorlege, ist des weiteren aber auch die Zahl der von der Maul⸗ und Klauenseuche betroffenen Gehöfte und Rinder in einzelnen Regierungsbezirken. Es ergibt sich aus dieser Tabelle zur Evidenz, daß in denjenigen Re⸗ gierungsbezirken, in welchen die Bekämpfungsmaßregeln un⸗ gehindert zur Anwendung gebracht werden konnten, der Stand der Maul⸗ und Klauenseuche ein verhältnismäßig sehr geringer geblieben ist. Dagegen in den Regierungsbezirken, wie Magdeburg, wo wegen der Rübenbestellung, und in den hauptsächlichen Weidebezirken, wo wegen der Beschickung der Weide mit Vieh erhebliche Ausnahmen an den strengen Sperren gemacht werden mußten, ist der Seuchenstand ein entsprechend höherer geworden.

Meine Herren, ich will nicht näher auf die einzelnen stimmungen bezüglich der Sperrbezirke und der Beobachtungs⸗ gebiete eingehen. Dieselben sind, soviel ich mich entsinne, ven dem Herrn Abg. Dr. Hahn des einzelnen besprochen worden. Ich möchte nur betonen, daß die preußische Verwaltung ganz besonders ihr Augenmerk darauf gerichtet hat, die Sperrgebiete so klein zu gestalten, wie es die örtlichen Verhältnisse eben nur gestatten! Sie sind zuletzt in den Weidebezirken sogar so klein geworden, daß schließlich nur das einzelne für sich liegende verseuchte Gehöft oder die verseuchte Weide einen Sperrbezirk gebildet hat.

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Ein weiteres Entgegenkommen konnte nach dieser Richtung auch beim besten Willen nicht gewährt werden.

Ebenso ist es, wie eine ruhige Betrachtung der in Frage kom⸗ menden Verhältnisse zeigt, ganz unmöglich, auf die tierärztliche Untersuchung des zur Ausfuhr aus den Beobachtungsbezirken bestimmten Klauenviehes zu verzichten oder sie wesentlich einzu⸗ schränken, wenn man nicht überhaupt darauf verzichten will, der Ver⸗ breitung der Maul⸗ und Klauenseuche entgegenzutreten.

Meine Herren, ich weiß nun wohl, daß diese Untersuchungen den Landwirten sehr viele und recht berechtigte Härten auferlegen (sehr richtig!), und daß ebenso teilweise nicht mit Unrecht Klagen darüͤber erhoben worden sind, daß diese Untersuchungen zu großen Zeitaufwand erforderten und auch zu viel Kosten gemacht hätten. Ich erkenne das alles an; aber ich bin nicht in der Lage gewesen, wesentliche Abhilfe nach dieser Richtung hin zu schaffen.

Für die landwirtschaftliche Verwaltung, soweit Preußen in Betracht kommt, ist es nicht möglich gewesen, in der Uebernahme der Kosten der ärztlichen Untersuchung weiter zu gehen, als es geschehen ist. Die Kosten der tierärztlichen Untersuchungen, die von der Polizeibehörde selbst veranlaßt werden, trägt der Staat. Derjenige, der sein Vieh ausführen oder Vieh einführen will und deshalb eines tierärzlichen Gesundheitsattestes bedarf, muß seinerseits die Kosten tragen. Daran ist nach den gesetzlichen Bestimmungen nichts zu ändern. Eine Ueber⸗ nahme dieser Kosten würde den Staat auch zu hoch belasten, sie würde ferner die Tierärzte, besonders die beamteten, zu sehr in An⸗ spruch nehmen und würde voraussichtlich auch insofern zu Mißständen führen, als in dem Augenblick, wo der Arzt kostenlos zur Verfügung steht, er natürlich auch viel mehr und sehr viel rascher verlangt wird, als dann, wenn derjenige, der den Arzt verlangt, auch die Kosten tragen muß.

Wir haben trotzdem in Preußen den Versuch gemacht, in einzelnen Regierungsbezirken sogenannte kostenfreie Untersuchungs⸗ tage einzurichten, an welchen die beamteten Tierärzte anwesend waren. Jeder, der sein Vieh untersuchen lassen wollte, konnte das an diesem Untersuchungstage tun. Diese Untersuchungstage haben sich allerdings nicht überall durchführen lassen, weil die beamteten Tierärzte durch ihre sonstigen Dienstgeschäfte zu stark in Anspruch genommen waren oder weil die Viehbesitzer und Händler sich an einzelne Tage nicht binden lassen wollten.

In einigen Fällen, in denen nachgewiesenermaßen Ueber⸗ forderungen seitens der beamteten oder anderer Tierärzte statt⸗ gefunden haben, ist regelmäßig eingeschritten worden. Wir sind sogar in solchen Fällen nicht davor zurückgeschreckt, den schuldigen Veterinärbeamten im Interesse des Dienstes in eine andere mit weniger guten Einkommenverhältnissen zu versetzen. Aber im allgemeinen freue ich mich, daß ich auch meinerseits 1e Anerkennung und das Lob bestätigen kann, die den Tier/ ärzten in dieser für sie sehr schwierigen Zeit seitens des Herrn Abg. Dr. Hahn gespendet worden sind. Ich kann aus den Urlaubsgesuchen und aus den Krankheitsattesten, die in letzter Zeit beigebracht sind, den Nachweis liefern, daß viele dieser Beamten im letzten Jahre tal⸗ sächlich ihre Gesundheit aufs Spiel gesetzt haben. (Zustimmung rechts.)

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Cas Vieh aus noch unverseuchten Gehöften stammte. Weiter konnten wir

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Nun ist von seiten eines der Herren Redner noch besonders auf Bestrafungen hingewiesen worden, die wegen Uebertretung der vordnungen zur Bekämpfung der Maul⸗ und Klauenseuche erfolgt Ich glaube, nicht zu irren in der Annahme, daß in allen germaßen entschuldbaren Fällen nachträglich ein Gnadenerlaß ein⸗ eten ist. Aber man hat bei der landwirtschaftlichen Ver⸗ tung sogar eine Befürwortung nach der Richtung hin ver⸗ gzt, daß Uebertretungen der veterinärpolizeilichen Vor⸗ ften straflos bleiben sollten. Meine Herren, das geht irlich zu weit; denn wie kann man Bestimmungen über Sperr⸗ Beobachtungsbezirke aufrecht erhalten, wenn nicht wenigstens die glichkeit gegeben ist, Uebertreter solcher Vorschriften auch zur htlichen Bestrafung heranzuziehen? Wenn die sichere Meinung verbreitet ist, daß alle Strafen nur pro forma ertannt und nachher Gnadenwege erlassen werden, dann werden sich die Uebertretungen rlich überhaupt nicht mehr verhindern lassen. Was nun im allgemeinen die Wirkung der Maßregeln angeht, so habe ich schon darauf aufmerksam gemacht, daß sie sich im großen ganzen trotz aller Einwendungen bewährt haben. Wir werden tredend alle Anregungen das kann ich namens der preußischen zwirschaftsverwaltung versichern prüfen und in Betracht n, die hier sowohl in diesem hohen Hause, wie auch im preußischen tage und ebenso seitens der Viehbesitzer und erfahrenen Landwirte den worden sind und werden. Aber ich glaube nicht, in diesem enblicke wenigstens, zusagen zu können, daß eine wesentliche Aende⸗ der bestehenden Vorschriften nach den Erfahrungen des letzten Fahres in Aussicht genommen werden kann. Jas speziell den Schutz der Grenzbezirke angeht, den auch der Herr Abg. Dr. Hahn gefordert hat, so ist ja zuzugeben, daß sowohl Regierungsbezirke Oppeln wie auch Ostpreußen verhältnismäßig verseucht worden sind! Ich glaube aber nicht, daß das auf gelnden Schutz der Grenzen, sondern eben auf die eigentümlichen hältnisse zurückzuführen ist, welche der Grenzverkehr einmal mit hbringt. Auf die Dauer ist es gar nicht möglich, den Verkehr der zbewohner zu verhindern, zumal jenseits der Grenze die Seuche Umständen schon wochenlang grassieren kann, ehe es amtlich zu cer Kenntnis gelangt. Ich will auf die Frage der Entschädigung der Nachteile, durch die Maul⸗ und Klauenseuche entstanden sind, nicht näher hen, nachdem bereits der Herr Staatssekretär Dr. Delbrück ber, soweit das Reich in Frage kommt, das Erforderliche gesagt Ich möchte aber, was die Verhältnisse im Königreich Preußen fftt, doch noch besonders darauf aufmerksam machen, daß wir im zischen Landtag gelegentlich des Ausführungsgesetzes zum Reichs⸗ bseuchengesetz sehr eingehend über die Frage der Entschädigungen Viehseuchen und speziell bei der Maul⸗ und Klauenseuche indelt haben, und daß schließlich eine Uebereinstimmung zwischen Staatsregierung und der Majorität des preußischen Landtags ngefunden ist, daß in § 23 des preußischen Ausführungsgesetzes Bestimmung aufgenommen wurde, welche es den Provinzial⸗ wie munalverbänden ermöglicht, aus ihren Fonds oder aus ihren klagen oder auch aus den Viehabgaben, welche sie erheben, nicht t Entschädigungen für das an Seuchen gefallene Vieh, sondern Unterstützungen an einzelne Viehbesitzer zu gewähren, die durch Feuchen in eine schwierige wirtschaftliche Lage gekommen sind. Zu Fonds gibt die Staatsregierung eine entsprechende Beihilfe, wenn wir auch erst in diesem Winter mit den einzelnen Pro⸗ al⸗ und Kommunalverbänden über die Form und Höhe der schädigungen verhandeln werden, so steht doch jetzt schon fest, daß 1912 ein diesbezüglicher Titel im Etat des landwirtschaftlichen isteriums sich finden wird. Meine Herren, es ist von verschiedenen Seiten auf die Ver⸗ ung der Maul⸗ und Klauenseuche aufmerksam gemacht worden, be dieselbe durch die Manöver gefunden hat. Ich gestehe ein, daß ich persönlich auch der Ansicht war, daß die Ma⸗ runter Umständen für die Verbreitung dieser Seuche sehr trlich sein können; ich muß aber zugeben, daß speziell nach den irahrungen, welche wir beim Kaisermanöver in Pommern und zandenburg gemacht haben, sich nicht herausgestellt hat, daß durch Manöver eine größere Ausbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche gefunden hat. Theoretisch ist es jedenfalls zuzugeben, aber tat⸗ ich ist es nicht erweislich und vielleicht auch deswegen nicht ein⸗ nreten, weil die Militärverwaltung in anerkennenswerter Weise da⸗ gesorgt hat, daß die Truppen zum Manöver wie auch aus dem⸗ n möglichst nicht zu Fuß, sondern mit der Eisenbahn transportiert (Bravo! rechts.) Anders liegt es mit den sonstigen Ansammlungen von schen gelegentlich von Kirmessen und aus ähnlichem Anlaß. Es e., glaube ich, der Herr Abg. Steindl, der auf einen Erlaß des rrats von Daun in der Eiffel aufmerksam gemacht hat, der auf einen Seite des Kreisblatts wegen der Maul⸗ und Klauenseuche Kirmeß verboten und auf der anderen Seite zum Besuch einer ammlung des Vaterländischen Franenvereins eingeladen hat. möchte hier wiederholen, was ich schon einmal im preußischen tag ausgeführt habe, die gegenwärtige preußische Seuchen⸗ ggebung als solche gibt der Ortspolizeibehörde und dem Landrat nicht die Berechtigung, Versammlungen Anlaß der Maul⸗ und Klauenseuche zu verbieten. (Hört, hört! ben Sozialdemokraten.) Aber ich bin trotzdem der Meinung, daß bältnisse vorliegen können, die den Landrat auf Grund der meinen polizeilichen Befugnisse berechtigen, im Einzelfalle zur neidung der Ausbreitung der Maul⸗ und Klauenseuche auch schenansammlungen zu verbieten. (Sehr richtig! rechts.) Und nun der Landrat im vorliegenden Falle die Kirmeß verboten die Versammlung des Vaterländischen Frauenvereins aber ge⸗ tiet hat (Zuruf aus der Mitte: Eingeladen!), so finde ich darin

Kirmeß ist die Berührung von Mensch zu Mensch, besonders wenn einmal getanzt wird, eine sehr viel nähere als bei einer Versammlung des Vaterländischen Frauenvereins (große Heiterkeit); da besteht meines Erachtens keine besondere Gefahr. Man ist dann auf die Erfahrungen zu sprechen gekommen, die bisher mit dem Löfflerschen Serum gemacht worden sind. Dieses Serum ist beim Ausbruch von Maul⸗ und Klauenseuche verschiedentlich zu Verwendung gekommen; wir glauben schon heute sagen zu können, daß die wissenschaftlichen Grundlagen seiner Herstellung die richtigen sind. Leider ist das Mittel noch sehr teuer, und leider haben sich immer noch Fälle konstatieren lassen, in welchen seine Anwendung in der Praxis den erwarteten Erfolg nicht gehabt hat. Aber es steht sicher fest, daß in einer ganzen Reihe von Fällen Tiere durch das Löfflersche Serum immunisiert und für den Krankheitsstoff unempfänglich gemacht orden sind. Allerdings hängt viel von der Zeit ab, zu welcher die Impfung erfolgt, wie es denn ja auch richtig ist, daß die Inkubations⸗ zeit bei der Maul⸗ und Klauenseuche wahrscheinlich größer ist als wir bisher angenommen haben. Ich muß aber seitens der preußischen Verwaltung ausdrücklich den Vorwurf zurückweisen, als hätten wir uns einseitig nur diesem einen Mittel zugewandt und daneben andere Untersuchungen nicht aufkommen lassen. Es schweben zurzeit wenigstens ier oder fünf sehr ernsthafte und eingehende Untersuchungen ver⸗ schiedener anderer Mittel Untersuchungen, die noch nicht abge⸗ schlossen sind, und über die ich daher noch keine nähere Auskunft geben kann. Daß uns außerdem beinahe wöchentlich zwei bis drei Mittel angeboten werden, die zu untersuchen unmöglich ist, das ist ja eine auch außerhalb der landwirtschaftlichen Kreise ganz bekannte Tatsache.

Ich möchte zum Schluß noch einmal wiederholen: die preußische landwirtschaftliche Verwaltung ist dankbar für alle ihr gegebene Aus⸗ kunft, für jeden ihr gegebenen Ratschlag, und nichts kann so sehr, wie gerade der Ausbruch der letzten Seuche, dazu beitragen, nochmals in eine Prüfung der Frage einzutreten, ob denn alle Vorschriften, die zurzeit in Geltung sind, sich in der Praxis bewährt haben und ob nicht unter Umständen in einzelnen Fällen eine Aenderung derselben herbeigeführt werden kann. Aber diejenigen, die eben gelacht haben über die Verfügung des Landrats des Kreises Daun (Zuruf von den Sozialdemokraten: Ueber den Landrat haben wir nicht gelacht!), wird es doch vielleicht interessieren, zu hören, daß nach einer mir vor⸗ liegenden Statistik diese Verfügungen keineswegs erfolglos gewesen sind. Im Kreise Daun erfolgte der erste Seuchenausbruch am 15. Mai 1911, er ergriff 3 Gemeinden und 13 Gehöfte, am 15. August erreichte die Seuche ihren Höhepunkt mit 5 Gemeinden und 20 Gehöften, während sie am 15. Oktober bereits auf 1 Gemeinde und 7 Gehöfte beschränkt war (hört! hört! rechts), wiederum ein Beweis, daß unsere Maßnahmen in den meisten Fällen den ge⸗ wünschten Erfolg zeitigen. (Bravo! rechts.)

Abg. Neuner (nl.): Die beiden Interpellationen sind gewiß von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Land⸗ wirte und für die gesamte Bevölkerung, denn von der Beschränkung der Seuche hängt auch die Fleischversorgung ab. Darum hätten viel⸗ leicht diese Interpellationen mit denen über die Teuerung verbunden werden können. Die beiden Minister haben sich auf den Standpunkt gestellt, es sei alles von der Regierung geschehen, um der Verbreitung der Seuche entgegenzutreten. Das ist doch fraglich, ich glaube, daß die getroffenen Maßnahmen nicht ausreichend gewesen sind, vor allem hat die Regierung die seinerzeit von uns beim Viehseuchengesetz an⸗ genommenen drei Resolutionen nicht berücksichtigt. Gewiß sind die Regierungen bestrebt gewesen, innerhalb der ihnen zur Verfügung stehenden Mittel die Seuche zu bekämpfen. Wir wissen aber immer noch nicht, ob die Forschungen Löfflers wirklich zu einer Klärung geführt haben, es scheint so, als wenn die Erfolge nicht so gewesen sind, wie man es erwartet hat. Das Löfflersche Mittel ist vor allem viel zu teuer. Das Reichs⸗ gesundheitsamt sollte sich bemühen, eine Klärung herbeizuführen, und prüfen, ob die anderen Versuche zu einem guten Resultat geführt haben. Die Seuche ist in diesem Jahre stärker hervorgetreten als in den letzten 20 Jahren, besonders in Bayern ist eine rapide Steigerung zu verzeichnen. Die großen Vieh⸗ und Schlachthöfe, wie

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der Berliner, sind eine große Gefahr. Jedenfalls muß sowohl im Interesse der Viehzüchter wie des Publikums für einen ausreichenden Schutz der Viehbestände gesorgt werden, denn es handelt sich hier um em Nationalvermögen im Werte von 10 Milliarden. Deshalb sollten die verbündeten Regierungen alles tun, um der Verbreitung der Krankheitsträger entgegenzutreten. Zu diesem Zwecke halte ich die Einrichtung größerer Sperrgebiete für praktisch. Sperr⸗ gebiete an sich sind notwendig. Ueber den Umfang der Strafen läßt sich. reden

Präsident des Reichsgesundheitsamts, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrrat Dr. Bumm: Die Meinung, als ob der gegenwärtige bedauerliche Umfang der Maul⸗ und Klauenseuche hauptsächlich dem Umstande zu verdanken daß sei, es der Wissen⸗ schaft noch nicht gelungen ist, die nötige Aufklärung über das Wesen der Seuche und ihre Bekämpfungsmöglichkeit zu geben, ist unrichtig. Die Wissenschaft hat sich nicht unfähig gezeigt, die Bekämpfung dieser verderblichen Tierkrankheit zu erforschen. Ich habe schon am 18. März dieses Jahres im Reichstag gesagt, daß die wissenschaftlichen Forschungen, die mit den Mitteln des Reiches durch das Kaiserliche Gesundheitsamt, durch das preußische Institut für Infektionskrankheiten und das Hvygienische Institut in Greifs⸗ wald schon in den 80er und 90er Jahren ausgeführt sind, ganz wesentliche Klärungen über die Aetiologie der Maul⸗ und Klauenseuche gebracht haben. Es ist z. B. festgestellt, in welcher Weise durch Desinfektion die Verbreitung des ansteckenden Stoffes verhindert werden kann; dadurch sind ganz wesentliche brauchbare Unterlagen geschaffen worden, um mit Erfolg gegen die Seuche vorzugehen. Der Erreger der Krankbeit ist allerdings noch nicht gefunden, man wird besser vorwärts kommen, wenn man seine Eigenschaften genau kennen gelernt hat, wie bei dem Tuberkulosebazillus und anderen Krankheitserregern. Aber aus der Unkenntnis des Krank⸗ beitserregers folgern zu wollen, daß alle unsere Maßnahmen vergeb⸗ lich sein würden, das ist unrichtig. Eine ganze Reihe von Krank⸗ heitserregern ist nicht bekannt, und wir bekämpfen die Krankheiten doch; die Pocken, die Masern, Scharlach sind z. B. Krankheiten, für die man den Erreger noch nicht gefunden hat, gegen die man aber trotzdem vorgehen kann. Ebenso sind die Mittel, die wir bei der Maul⸗ und Klauenseuche anwenden, nicht deswegen wirkungslos, weil wir den Erreger nicht kennen. Das wesentlichste Mittel, das wir an⸗ wenden können, ist die Absonderung, um die Ansteckung zu verhindern. Durch die Verkehrsbeschränkungen ist auch in vielen Fällen die Seuche eingedämmt worden. Wenn jetzt die Ausbreitung der Krankheit so

S besonders Eigentümliches; denn Sie wissen ja alle, bei der

zum Teil daran liegen, daß diese Vorsichtsmaßregel nicht genügend gehandhabt ist. Professor Löffler hat kein Monopol der wissenschaftlichen Erforschung der Tierkrankheit, sondern es sind auch Privatgelehrte damit beschäftigt. Mehrfach ist auch in den letzten Jahren versucht worden, die Seuche dadurch zu bekämpfen, daß man die Tiere mit medizinischen Mitteln behandelte, unter anderem auch mit Salvarsan; wenn diese Versuche auch negativ ausgefallen sind, so beweisen sie doch, daß die Sache nicht stillsteht. Wenn man tatsächlich nicht so viel von der wissenschaftlichen Forschung hört, so liegt das zum Teil auch an objektiven Schwierigkeiten, eine geeignete Arbeitsstätte zu finden. Der Gift⸗ stoff, mit dem gearbeitet wird, muß in sehr großen Mengen den Tieren eingespritzt werden, und es ist sehr schwierig, eine solche Menge von erkrankten Tieren zu bekommen, um mit dem Stoff arbeiten zu können. Das Ausland hat auch ein Interesse an der Sache, und in Frankreich wird ebenfalls mit dem Giftstoff gearbeitet. Wir wünschen eine Immunisierung der Tiere zu finden, und vielleicht kommen wir damit zu einem Ziel. Dieses Mittel wäre besonders erwünscht, weil es vorbeugend wirkt. Prämien für die Forscher sind schon in den 80 er Jahren ausgesetzt worden, aber dadurch kann man den Erreger aus seinem Dunkel nicht hervorziehen. Unsere Professoren sind ehrgeizig genug, um des Anreizes durch Geld⸗ mittel nicht zu bedürfen. Der Reichsgesundheitsrat wird sich während des Winters noch besonders mit der Frage befassen; es soll eventuell erwogen werden, ob auch für das Reich eine Insel zum Studium dieser Frage beschafft werden kann, wie sie Professor Löffler in der Insel Riems hat.

Abg. von Oertzen (Rp.): Klauenseuche ist nicht nur für die die ganze fleischessende Bevölkerung von

kann es deshalb nur bedauern, daß bei dieser wichtigen Frage einige Herren es nicht haben unterlassen können, parteipolitische Angriffe und Verhetzungen vorzubringen. Wenn man diese Sache nur durch die parteipolitische Brille beobachtet, so leidet darunter die Objektivität und Urteilsfähigkeit. Es ist nachgewiesen worden, daß, nachdem wir in Deutschland beinahe frei von der Seuche waren, diese wieder von Rußland aus in unsere Grenzbezirke gebracht worden ist. Wir müssen darum unsere Grenzsperrmaßregeln unbedingt aufrecht erhalten. Auch die Sperre im Innern muß durch⸗ geführt werden, aber allerdings nur so weit, als die Anordnungen praktisch durchführbar sind. Wenn z. B. in einem Orte das Vieh in Ställen gehalten werden muß, so ist das vielfach gar nicht durch⸗ führbar. Der kleine Mann mit seinen zwei Kühen bestellt damit das Feld; wie soll er diese Kühe im Stall behalten? Oft nötigt auch der Futtermangel direkt dazu, das Vieh auf die Weide zu treiben. Es ist eine enorme Härte, wenn diese Leute bestraft werden. Ein Mann mit sechs Kuhen und einer mit drei Kühen hatten diese, weil sie kein Futter mehr hatten, hinausgetrieben; es sind dafür sechs und drei Tage Gefängnis verhängt worden. Oft ist es gar nicht einmal möglich, Futter kaufen. Und dann ist es doch ungerecht, daß gleich auf Grund des Strafgesetzbuchs Gefängnisstrafen verhängt werden; es müßten dafür höchstens kleine Geldstrafen eintreten. Ge⸗ fängnisstrafen gegen vollständig unbescholtene Leute wegen solcher Ueber⸗ tretungen sind doch die allergrößten Ausschreitungen der formalen Justiz. Viele dieser Vorschriften führen direkt zu Ungeheuerlichkeiten. Da muß unbedingt beseitigt werden. Wenn die Seuche nur als Vorwand benutzt wird, um politische Versammlungen zu verbieten, so verurteile ich das auch. Aber durch Personen kann oft die Seuche verbreitet verden. Ich selbst habe einen solchen Fall erlebt. Eine Magd von mir hatte einen Bräutigam, der auf einem verseuchten Gehöft diente. Dieser Bräutigam besuchte einmal die Magd. Sofort brach am anderen Tage die Maul⸗ und Klauenseuche auf meinem Gehöft aus. So ist also die Maul⸗ und Klauenseuche durch den Bräutigam verschleppt worden. Ich halte es für bedenklich, die Beobachtungen nur einem Veterinär zu überlassen. Das beste wäre, sie einer Kommission zu übertragen, die aus einem Verwaltungsbeamten, einem Veterinär und einem Landwirt besteht. Wenn man am eigenen Leibe die Wirkungen der Maul⸗ und Klauenseuche verspürt hat, urteilt man anders darüber, als wenn man sie nur theoretisch kennt. Landwirte werden solche Maßregeln bekämpfen, die praktisch undurchführbar sind. Die Erforschung der Maul⸗ und Klauenseuche müßte durch Prämien auf jeden Fall gefördert werden, es dürften nicht nur staatliche Beamte, sondern es müßten auch Privatveterinäre herangezogen werden. Die Preise können nicht hoch genug gesetzt werden. Wenn wir auf diese Weise vorgehen, wird es möglich sein, dieser gefährlichen Seuche Herr zu werden.

Abg. Brandys (Pole): Wir oberschlesischen Polen haben ganz besonders unter der Seuche zu leiden. Die Ansteckungsgefahr zu ver⸗ hüten oder doch zu verringern, ist der Zweck des alten wie des neuen Gesetzes. Von vielen Seiten wird nun eine nicht so rigorose und schikanöse Ausführung der bezüglichen Maßregeln verlangt. In dieser Beziehung sollte man vor allem das Volk aufklären schon in der Schule, aber auch in Versammlungen und durch Vor⸗ träge. Besonders ist es die Anzeigepflicht, an der Anstoß genommen wird. Bewußte Nachlässigkeit in dieser Beziehung muß hart bestraft werden, aber anders liegt es doch, wenn es sich um eine unbewußte Nachlässigkeit handelt. Eine Ver⸗ ordnung, daß 500 m von der Grenze das Vieh nicht gehütet werden darf, ist zu strenge und auch nicht durchführbar. Was sollen die Besitzer der Wirtschaften anfangen, die nicht so weit von der Grenze liegen? Der Verkauf gesunden Viehes muß den kleinen Leuten erleichtert werden, die Kosten der Beobachtung müssen von der Allgemeinheit getragen werden. In den besonders gefährdeten Gebieten, vor allem an den Grenzen, müßten auch Ent⸗ schädigungen vorgesehen werden, und zwar auf Kosten der Allgemein⸗ heit, die ja doch den Vorteil davon hat. Mit dem Vorschlage des Abg. Dr. Hahn, die Leute, die durch die Seuche wirtschaftlich schwer geschädigt worden sind, aus öffentlichen Mitteln zu unter⸗ stützen, bin ich einverstanden.

Abg. Dr. Werner⸗Gießen (wirtsch. Vgg.): Die Sperrmaß⸗ regeln und ihre rigorose Durchfuhrung haben in diesem heißen Sommer viel Schaden angerichtet, der hatte vermieden werden können. In solchen Orten, wo ein Drittel oder die Hälfte des Viehbestandes von der Seuche befallen war, hat die Aufrechterhaltung der Sperr⸗ maßregeln gar keinen Zweck mehr. Auch die Beobachtungs⸗ gebiete hätten mehr eingegrenzt werden müssen. Leider aber ist man fast durchweg nach Schema F vorgegangen. In manchen Beziehungen bringt das neue Reichsviehseuchengesetz Abhilfe und Besserung. Das Verlangen der Zuziehung von Sachverständigen bei der An⸗ ordnung weiterer Maßnahmen ist berechtigt, man kann nicht alles vom grünen Tisch machen. Sehr notwendig ist auch die Aufklärung der Bevölkerung darüber, warum diese strengen Maßnahmen erforder⸗ lich sind. Am allermeisten interessiert natuüͤrlich die Entschädigungs⸗ frage; in diesem Punkte bringt j neue Reichsgesetz

Die Bekämpfung der Maul⸗ und Landwirtschaft, sondern auch für von großer Bedeutung, und ich

zu ½

auch Besserung, und einige Einzelstaaten sind hier noch etwas weirer gegangen. Den besonders schwer geschädigten kleinen Existenzen sollte man Steuernachlässe oder zinslose Darlehen gewähren.

schlägt der Präsident dem Hause

Hierauf Ver⸗

tagung vor. Diese wird einstimmig beschlossen.

Schluß gegen 5 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Dienstag,

groß ist, daß sie die Landwirschaft schwer schädigt, so mag das

7. November, 2 Uhr.

(Handelsvertrag mit Japan, Aus⸗