§ 5. Die Tötung solcher Hunde, die obigen Vorschriften zuwider umherlaufen, kann von der Erschießen der Hunde sind außer den Polizeivollzugsbeamten, Förstern,
olizeibehörde angeordnet werden. Zum
Feld⸗ und Waldaufsehern auch die Grenzwachbeamten gelegentlich der
V Ausübung des Grenzschutzdienstes befugt.
Obige Anordnungen treten sofort in Kraft. Sie behalten Geltung
bis zum 30. Januar 1912.
§ 6. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Anordnungen werden,
e. nicht strengere Strafgesetze verletzt sind, nach §§ 65, 66 des
eichsviehseuchengesetzes bestraft. Oppeln, den 3. November 1911. Der Regierungspräsident. von Schwerin.
Landespolizeiliche Anordnung, 6 betreffend Maßregeln gegen die Tollwut.
Da in Oesterreich⸗Ungarn die Tollwut in einem für den
inländischen Viehbestand bedrohlichen Umfange herrscht, wird
hiermit auf Grund des § 7 des Gesetzes, betr. die Abwehr und
Unterdrückung von Viehseuchen, vom 23. Juni 1880/1. Mai
1894 (R.⸗G.⸗Bl. für 1894 S. 409 ff.) und des § 3 des
Gesetzes vom 12. März 1881/18. Juni 1894 (G.⸗S. S 128/115) in der Fassung des Gesetzes vom 22. Juli 1905 (G.⸗S. S. 318) zur Verhütung der Weiterverbreitung der Seuche im Falle
ihrer Einschleppung aus Oesterreich⸗Ungarn mit Genehmigung des Herrn Ministers für Landwirtschaft folgendes angeordnet: § 1. In den Ortschaften Türmitz, Peterwitz, Comeise, Schön⸗
wiese, Geppersdorf, Städtel und Dorf Troplowitz im Kreise Leobschütz sind die Hunde an solchen Orten festzulegen oder sicher einzusperren, die fremden Hunden nicht zugänglich sind. Der Fest⸗ legung gleich zu achten ist das Führen der mit einem sicheren Maul⸗ korbe versehenen Hunde an der Leine
§ 2. In den Ortschaften Wehowitz, Dirschkowitz, Turkau, Auch⸗
witz, Jakubowitz, Klemstein, Hratschein, Nassiedel, Osterwitz, Waissak,
Beoblowitz, Branitz, Bleischwitz, Kaldaun, Hochkretscham,
oßnitz,
Krug, Hennerwitz, Wanowitz, Bladen, Löwitz, Sauerwitz, Soppau,
Bratsch, Badewitz, Mocker und Raden im Kreise Leobschütz dürfen die Hunde, soweit sie nicht festgelegt oder sicher eingesperrt sind, entweder nur ohne Maulkorb an der Leine geführt werden, oder mit einem sicheren Maulkorbe versehen unter dauernder Ueberwachung frei umherlaufen.
Aus den in §§ 1 und 2 genannten Ortschaften dürfen
Hunde ohne polizeiliche Erlaubnis nicht ausgeführt werden.
§ 4. In den im § 1 bezeichneten Ortschaften ist die Be⸗
nutzung von Hunden zum Ziehen unter der Bedingung ge⸗
statket, daß sie dabei fest angeschirrt, mit einem sicheren Maulkorbe
versehen und außer der Zeit des Gebrauchs festgelegt werden.
In den oben genannten Ortschaften kann die Verwendung
von Hirtenhunden zur Begleitung von Herden und von Jagdhunden bei der Jagd unter der Bedingung gestattet werden,
daß die Hunde außer der Zeit des Gebrauchs (Jagdhunde außerhalb
des Jagdreviers) in den im § 1 bezeichneten Ortschaften festgelegt
oder mit einem sicheren Maulkorbe versehen an der Leine geführt werden oder mit einem sicheren Maulkorb unter dauernder
Ueberwachung frei umher laufen. Die gleichen Ausnahmen, wie
für Hirten⸗ bildung für den
und Jagdhunde gelten auch für Polizeihunde während der 1u1“ Dienstgebrauchs und ihrer Aus⸗ ienst. § 5. Die Tötung solcher Hunde, die obigen Vorschriften zuwider umherlaufen, kann von jeder Polizeibehörde angeordnet werden. Zum
Erschießen der Hunde sind neben den Polizeivollziehungsbeamten, Förftenn Feld⸗ und Waldaufsehern auch die Grenzwachbeamten ge⸗ e
Leobschütz
gentlich der Ausübung des Grenzschutzdienstes befugt. b Obige Anordnungen treten sofort in Kraft. In den im Kreise liegenden Ortschaften Kreisewitz, Kreuzendorf, Roben, Pilgersdorf und Dobersdorf, die zufolge der landespolizeilichen An⸗ ordnung vom 15. September d. J. I. f. XII. 2236 bis zum 13. De⸗
8 zember d. J unter Sperre stehen, treten die Anordnungen in §§ 2 — 5 von diesem letzteren Zeitpunkte ab
in Kraft. Sie behalten Geltung
bis zum 2. Februar 1912.
8
§ 6. Zuwiderhandlungen gegen vorstehende Anordnungen werden,
1b cSen. nicht strengere Strafgesetze verletzt sind, nach §§ 65, 66 des eichsviehseuchengesetzes bestraft. Oppeln, den 4. November 1911. 86 Der bö C 9 .
Graf von St osch.
Königreich Preußen.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Landrat von Tilly in Posen zum Oberregierungsrat
zu ernennen und
den Titel Oberbürgermeister zu verleihen.
dem Ersten Bürgermeister Paul Mitzlaff in Bromberg
Ministerium des Innern. 6“ Der Oberregierungsrat von Tilly ist dem Regierungs⸗
präsidenten in Königsberg zugeteilt worden.
Bekanntmachung. Die Aufnahmeprüfungen bei den Königlichen Lehrerinnen⸗
seminaren werden im Jahre 1912 stattfinden:
forderlich.
in Lissa am 29. März, 8 8 in Hohensalza am 29. März. Die Bewerberinnen haben sich 3 Wochen vorher bei dem Herrn Seminardirektor zu melden und folgende Schriftstücke beizubringen: 1) ein — über sittliche Unbescholtenheit, 2) ein Zeugnis über den bisher erhaltenen Unterricht, 3) einen Geburts, und Taufschein, 8 3 ein amtsärztliches Gesundheitszeugnis, 5) einen Impf⸗ und Wiederimpfungsschein, 16 6) einen selbständig abgefaßten Lebenslauf. b Zur Aufnahme ist das zurückgelegte sechzehnte Lebensjahr er⸗
16
In der Prüfung sind im allgemeinen die in den Regierungs⸗ amtsblättern und im amtlichen Schulblatt der Provinz Posen für 1905 und 1906 näher bezeichneten Kenntnisse und Fertigkeiten nach⸗ uweisen. “
Posen, den 2. Novemher 1911.
Königliches Provinzialschulkollegium. Daniels.
Abgereist:
Seeinne Erzellenz Staatsminister und Minister für Handel und Gewerbe Dr. Sydom, in dienstlichen Angelegenheiten
halte es jedoch für wünschenswert, die 8 1 “ 9
Nichtamtliches. DSDeutsches Reich.
Preußen. Berlin, 8. November
ie vereinigten Ausschüsse des Bundesrats fü und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Aus⸗ schuß für Zoll⸗ und Steuerwesen hielten heute Sitzungen.
Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Herzoglich sächsische Staatsminister Dr. von Richter ist aus Gotha in Berlin angekommen.
Laut Meldung des „W. T. B.“ sind am 6. d. M. S. M. S. „ 1 in Baltimore und S. M. S. „Victoria Louise“ in Kingston (Jamaica) und am 7. d. M. S. M. S. „Jaguar“ in Futschau angekommen.
Das „W. T. B.“ teilt 1. gestrige Meldung berichtigend mit, daß nicht S. M. Flußkbt. „Tsingtau“, sondern S. M. Tpdbt. „S. 90“ am 5. November in Schanghai eingetroffen ist.
In der Zweiten Beilage zur heutigen Nummer des „Reichs⸗ und Staatsanzeigers“ wird eine Zusammenstellung der
Berichte von deutschen Fruchtmärkten für den Monat Oktober 1911 veröffentlicht.
11“ “
Oesterreich⸗Ungarn.
Das österreichische Abgeordnetenhaus setzte in der gestrigen Sitzung die erste Beratung des Budgets 8g
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ erklärte der Abg. Masarvk (tschechisch⸗fortschrittliche Gruppe), seine Gruppe könne vom Stand⸗ punkte der finanziellen, der sprachlichen und kulturellen Politik der Regierung kein Vertrauen entgegenbringen. Er lehne das Budget ab — Der Abg. Dr. Groß führte im Namen des deutsch⸗nationalen Ver⸗ bandes aus: Der Ministerpräsident werde den Beweis erbringen müssen, daß er wirklich objektiv verwalten wolle, und werde gewisse Vorgänge in seinem bisherigen Ressort des Unterrichtsministeriums vergessen machen müssen. Der deutsch⸗nationale Verband werde die Bestre⸗ bungen der Regierung nach Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Hauses unterstützen. Der Verband fordere von der Regierung ferner die Achtung des deutschen Besitzstandes und werde etwatge Angriffe auf die Freiheit der Schule und ebenso alle Bestrebungen auf den Umsturz der Gesellschafteordnung energisch zurückweisen. Angesichts der drohenden Gefahr einer Wiederkehr des § 14⸗Regimes müßten alle kleinlichen Meinungsverschiedenheiten zurücktreten. Es müßten nationale Ver⸗ einbarungen nicht zwischen den Parteien und der Regjerung, sondern von Volt zu Volk getroffen werren, um endlich zu vernünftigen Zuständen im Parlament zu gelangen. — Der Abg. Adler betonte, die Zusammensetzung der neuen Regierung bedeute eine Verschiebung nach der klerikalen Seite, weshalb die Sozialdemokraten der Regierung das schärfste Mißtrauen entgegenbrächten.
— Der Teuerungsausschuß des Abgeordnetenhauses befaßte sich gestern mit der Frage der Enteignung der Kohlenbergwerke. Ein Vertreter der Regierung erklärte, obiger Quelle zufohe die Enteignung des Kohlenbergbaus würde Kapitalien erfordern, deren Aufbringung durch den Staat gegenwärtig kaum möglich sei. Dabei sei es fraglich, ob die in die Verstaatlichung des Kohlenbergbaus gesetzten Hoffnungen sich verwirklichen würden.
— Der Staatsangestelltenausschuß beriet in der gestrigen Sitzung über den Antrag des Suͤbkomitees, wonach den verschiedenen Kategorien des Eisenbahnpersonals Auf⸗ wendungen im Gesamtbetrage von 38 Millionen mit rück⸗ wirkender Kraft vom 1. Oktober 1911 ab zuerkannt werden sollen, während die Regierungsvorlage hierfür 14 Millionen vorsieht.
Im Laufe der Debatte erklärte der Finanzminister Freiherr von Forster, wie „W. T. B.“ meldet, daß die Durchführung der Vor⸗ schläge des Subkomttees aus figanziellen Gründen unmöglich sei. Der Minister versprach für die allernächste Zeit eine Erklärung, wie weit die Regierung, die zur ganzen Frage noch nicht endgültig Stellung 1 habe, den vorgebrachten e noch entgegenkommen önne.
Der Ausschuß beschloß einstimmig, die Anträge des Sub⸗ komitees zur Grundlage der Spezialdebatte zu machen.
— Im ungarischen Abgeordnetenhause ließ gestern
der Vizepräsident Navay unter großer Spannung des dicht⸗ besetzten Hauses das Schreiben des Präsidenten Berzeviczy verlesen, in dem dieser seinen Verzicht auf die Stellung des Präsidenten ausspricht, eingehend die Gründe für seinen Rücktritt entwickelt und ausführt, im Verlaufe der Parlamentskämpfe sei infolge Mißbrauchs des Buchstabens und Formalitäten der Hausordnung jede ositive Tätigkeit unmöglich geworden. Nach der Verlesung, ie haäufig von stürmischen Zurufen unterbrochen wurde, schlug der Vizepräsident vor, eine Abordnung aus allen Parteien zu dem Präsidenten zu entsenden, um ihn zur Zurücknahme seiner Demission zu bewegen.
— Der kroatische Landtag ist, „W. T. B.“ zufolge, gestern aufgelöst worden. Ein Königliches Reskript begründet dieses damit, daß der Landtag den Hoffnungen nicht entsprochen habe und eine weitere ersprießliche Tätigkeit von ihm auch nicht zu erhoffen sei. “
Großbritannien und Irland.
vn Im fragte gestern der Abg. King (liberal), ob zwischen dem Auswärtigen Amt und der deutschen Regierung ein Austausch von Mitteilungen stattgefunden habe über das angebliche Interview, das der britische Botschafter in Wien einer österreichischen Zeitung gewährt haben solle Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Sir Edward Grey bat das Haus zunächst um Nachsicht, wenn er sich bei seiner Erklärung nicht genau an die Frage halte, und führte dann laut Meldung des „W. T. B.“ aus:
Zwei Zwischenfälle sind in der letzten Zeit Gegenstand von Mittetlungen zwischen der britischen und der deutschen Regierung gewesen. Der eine ist der in einer österreichischen Zeitung ver⸗ öffentlichte A. tikel, auf den in der Anfrage Bezug genommen wurde. Der andere ist ein Bericht in der deutschen Presse über eine von dem damaligen Marineminister Me Kenna gehaltene Rede. Die Mitteilungen, die zwischen den Regierungen ausgetauscht worden sind, hatten im allgemeinen keinen formellen Charakter. Es ist nicht notwendig, und es würde vielleicht nicht passend sein, sie zu veröffent⸗ lichen, aber ich kann sagen, sie sind nicht so beschaffen, um irgend⸗ welche Schwierigkeiten zwischen den Regierungen zu verursachen. Ich atsachen darzulegen. Es war
w1X“
behauptet und in einigen Kreisen geglaubt worden, daß der britische Botschafter in Wien durch ein Interview oder auf eine andere Weise Anteil an der Veröffentlichung eines Artikels gehabt habe, der die deutsche Politik kritisierte. Es war berichtet worden, daß MeKenna in einer öffentlich gehaltenen Rede die deutsche Politik an⸗ gegriffen habe. Beide Vorfälle wurden in Deutschland als eine direkte öffentliche und internationale Beleidigung Deutschlands durch einen britischen Botschafter und einen britischen Minister ausgelegt und verursachten große Erbitterung. Die Tatsachen sind folgende: Der britische Botschafter in Wien hat in keiner Weise an der Ver⸗ öffentlichung des Artikels teilgenommen, über den man sich beklagt hat, und er hatte auch keine Kenntne's von ihm vor seiner Veröffent⸗ lichung. MeKenna hat in seiner Rede nicht die Aeußerung getan, über die man sich beklagt hat. Die in Frage stehende Stelle ist in einen Bericht über seine Rede aus einer gänzlich fremden Quelle eingeschoben worden und der Minister selber hatte nichts Derartiges gesagt. Ich möchte der Hoffnung Ausdruck geben, daß sich die öffentliche nach diesen Vorfällen in acht nehmen wird, sich durch falsche Be⸗ hauptungen fortreißen zu lassen. Schwierigkeiten, fuhr Grey fort, können sich natürlich von Zeit zu Zeit zwischen England und anderen Ländern infolge einer tatsächlichen Verschiedenheit der Politik in einem besonderen Augenblick ergeben, aber ich glaube, daß die betreffenden Regierungen imstande sein werden, alle solche Schwierigkeiten zu überwinden, wenn die Tatsachen nicht ent⸗ stellt und übertrieben werden. Wenn jedoch falsche Nachrichten be⸗ richtet und geglaubt werden, so wird die Erbitterung und Erregung in der Oeffentklichkeit so übermächtig werden, daß es den Regierengen unmöglich wird, sie zu beherrschen. Bei einigen Organen der Presse hat bald in England, bald in Deutschland eine Neigung bestanden, tatsächlich oder angeblich getroffene Maßnahmen Deutschlands oder Englands in verschiedenen Weltteilen im bösen Sinne aus⸗ he ger. Ich glaube bestimmt, daß mit dem Abschluß, der in den Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland über Marokko jetzt glücklich erreicht worden ist, die Spannung verschwinden wird, die in der britischen und deutschen Presse zu Verdächtigungen und falschen Auslegungen geführt hat. Gemäß den kürzlich im Unterhaus wie im Oberhaus gemachten Mitteilungen wird späterhin Gelegenheit zu einer Erklärung und Erorterung über die auswärtigen Angelegen⸗ heiten sein. Ich werde, so hoffe ich, dann in der Lage sein, mich gründlicher damit und mit anderen Angelegenheiten zu befassen.
Auf die weitere Frage des Abgeordneten King, ob die Versicherungen und Erklärungen der englischen Regierung von der deutschen Regierung freundlich und ohne Zaudern entgegen⸗ genommen worden seien, erwiderte Grey, seines Erachtens sollte King nach einer gründlichen und wohlerwogenen Mit⸗ teilung nicht noch Ergänzungsfragen an ihn richten. Er müßte sonst auf das verweisen, was er bereits mitgeteilt habe, nämlich daß keine der ergangenen Mitteilungen geeignet ge⸗ wesen sei, irgend eine Schwierigkeit zwischen beiden Regierungen zu verursachen.
Frankreich.
Im gestrigen Ministerrat unterzeichnete, wie „W. T. B. meldet, der Präsident Fallières den Gesetzentwurf, be⸗ treffend das deutsch⸗französische Abkommen. Der Ministerrat beschloß, den General Toutée vorzuladen, um ihn über die Vorfälle in Udschda um Aufklärung zu ersuchen. Ferner wurde beschlossen, die ganze Verwaltung der Pulverfabrikation umzubilden und einige Pulvervorräte zu untersuchen.
— Nach der Eröffnung der gestrigen Sitzung der Depu⸗ tiertenkammer ergriff der Präsident Brisson das Wort und führte, obiger Quelle zufolge, aus:
Er wolle zunächst der Nation das Lob aussprechen, das sie ver⸗ diene. Die Seele Frankreichs sei in diesen langen, der Geschichte an⸗
ehörenden Tagen so ruhig und so edel erschienen, daß sie sich den
eifall aller Rivalen und Freunde erzwungen habe. Sie sei sich stets gleich geblieben sowohl in der Trübnis des mitunter beun⸗ ruhigenden Schweigens, wie während der glänzenden Feier der vor Toulon versammelten Flotte, wie auch in der unendlichen Trauer über die schreckliche Katastrophe. Ein Volk, welches das Geschick durch eine Zeit von mehr als drei Monaten so schwer treffe, ohne ihm eine Bewegung der Ungeduld oder ein Zeichen der Schwäche entreißen zu können, beweise dadurch, daß es das 889 Bewußtsein habe davon, was es wert sei, und davon, was es wolle.
Der Präsident sprach dann eingehender über die Kata⸗ strophe der „Liberté“ und wiederholte seinen Dank an die Präsidenten der fremden Parlamente, die Beileidsbezeigungen gesandt hatten.
Der Minister des Aeußern de Selves legte sodann dem Bureau den Gesetzentwurf, betreffend das deutsch⸗fran⸗ zösische Abkommen, vor und ersuchte um Verweisung an die Kommission für auswärtige Angelegenheiten. Auf die Forderung des Abg. de Beauregard, daß der Kommission auch der Geheimvertrag mit Spanien mitgeteilt werde, erklärte der Ministerpräsident Caillaux, daß der Kommission alle Schriftstücke, deren Vorlegung sie für gut befinden sollte, mit⸗ geteilt werden würden. Das Abkommen wurde darauf an die Kommission verwiesen.
— Die Begründung zu dem Gesetzentwurf, betreffend die Billigung des deutsch⸗französischen Abkommens zur Begrenzung der ü Besitzungen in Aequatorial⸗ afrika, erinnert laut Meldung des F. 2 an die
4*
„W. D. B.“ Ereignisse, die die französische Regierung dazu führten, in Casablanca und an der algerisch⸗marokkanischen Grenze für die Sicherheit ihrer Staatsangehörigen zu sorgen, und an die Erhebung in Fes, die schließlich die Notwendigkeit dar⸗ getan habe, dem Sultan zu helfen, seiner Verpflichtung, eine regelrecht konstituierte Regierung zu - nachzukommen. Die Begründung erinnert ferner an die Unterredungen des Staatssekretärs von Kiderlen⸗Waechter und des Botschafters Cambon in Kissingen und an die deutsche Flottendemonstration in Agadir, die am 1. Juli unerwartet erfolgte. Die deutsche Regierung habe damals erklärt, Deutschland fürchte, daß die Autorität des Sultans in diesem Teile des scherifischen Reiches nicht ausreiche, um Unruhen zu verhindern, und daß sie eine ausländische Aktion für notwendig erachte.
„Es war nicht schwierig zu erkennen“, so heißt es in der Be⸗ gründung des Gesetzentwurfs, „daß diese Aktion Frankreich zukam, und daß sie, um wirksam zu sein, nicht durch die zahlreichen Ein⸗ schränkungen der Algecirasakte behindert sein durfte. Auf die all⸗ mähliche Beseitigung dieser Beschränkungen und auf die für Frank⸗ reich notwendige Handlungsfreiheit hat während eines Zeitraums von vier Monaten der französische Meinungsaustausch mit Deutschland sich bezogen, und wir glauben bestimmmt, daß der Text, zu dem diese langen eführt haben, uns all die Freiheit gewährt, die unerläßlich ist zur Erfüllung der hohen Mission der Zivilisation und des Fortschritts, die wir in Marokko auf uns nehmen“.
Das Exposé besagt dann weiter, beß die deutsche Re⸗ gierung, die Rechte Frankreichs in Marokko anerkennend, als Gegenleistung eine 1eS Kameruns verlangt habe und daß die französische Regierung diese Forderung bewilligt habe mit der Maßgabe, daß Frankreich einen Gebietszuwachs in der Tschadseegegend erhalte, daß ferner nichts Frankreich in seiner lebhaften kolonialen Betätigung Eintrag tue, und daß die deutsche Regierung sich mit Frankreich bemühe, die Zustimmung
6 18
stahlfabrik, das Mai 1912 in Essen stattfindet, wird, wie „
der Signatarmächte von Algeciras zu erlangen. „So findet sich“, heißt es in der Begründung, „in Nordafrika für uns ein Machtzuwachs bestätigt, der im höchsten Maße die Lebensinteressen Frankreichs berührt.“ b 8
Die Pforte, die laut Meldung des „W. T. B.“ bereits in den letzten Tagen bei den Mächten gegen die Absicht Italiens, Tripolitanien zu annektieren, mit der Erklärung Ein⸗ spruch erhoben hatte, daß sie niemals die Einverleibung an⸗ nehmen werde, bereitet einen neuerlichen Einspruch gegen die Bekanntgabe der Einverleibung vor.
Asien. 6
Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, veröffentlichen die chinesischen Zeitungen, da die Zensur für die Presse aufgehoben ist, jetzt lange Berichte über die Metzeleien in Hankau und messen den Führern der Kaiserlichen die Schuld bei. Sie be⸗ haupten, der Ausbruch der Revolution in Schanghai sei die unmittelbare Folge der Metzeleien, und diese hätten die allgemeine 1“ und die Feindseligkeit gegen die Mandschus vermehrt.
Nach einer Meldung der „Morning Post“ weht in Nanking überall die revolutionäre Flagge, selbst auf dem Ge⸗ bäude des Provinzialrats von Kiangsu, der seine Unabhängig⸗ keit erklärt hat. Die kaiserlichen Truppen sind dort noch nicht zu den Aufständischen übergegangen, aber der Tatarengeneral ist, wie berichtet wird, geflohen, und es wird nur geringer Wider⸗ stand erwartet.
Muanschikai ist von der Nationalversammlung formell zum Ministerpräsidenten gewählt worden.
— Die Russen haben mit dem Vizekönig der Mand⸗ schurei, einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ zufolge, ein Finanzgeschäft abgeschlossen, das nominell als Anleihe be⸗ zeichnet wird, in Wirklichkeit aber einen Vorschuß von fünf Millionen Rubel gegen chinesische Werte in Höhe von sechs Millionen Taels darstellt, die sich in Händen der russisch⸗
asiatischen Bank befinden.
Afrika.
Der Sultan von Marokko hat nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Paris mitteilen lassen, daß er dem deulsch⸗franzssischen Abkommen zustimme.
— Die Ankunft der neuen Verstärkungen des italienischen Expeditionskorps in Tripolis hat es, wie die „Agenzia Stefani“ meldet, zweckmäßig erscheinen lassen, eine weiter vor⸗ geschobene Linie in der östlichen Oase zu besetzen, um die in der westlichen Oase verborgenen Feinde zurückzutreiben. Gestern nachmittag ging daher die 5. Brigade unter dem Befehl des Generals Dechaurand von der italienischen Verteidigungslinie schnell gegen die Batterie Hamidje vor, nahm sie ein und besetzte sie mit einer Batterie Gebirgsschützen und einer Batterie Schnell⸗ feuerkanonen. Die Türken und Araber bemühten sich, mit Infanterie und Artillerie einen zu machen, aber die 5. Brigade hatte bereits eine so starke Stellung eingenommen, daß der Versuch mißlang. Gegen Ein⸗ bruch der Nacht zog sich der überall zurückgeworfene Feind in Unordnung und mit nicht geringen Ver⸗ basten zurück, während die Italiener nur sieben Verwundete hatten. Durch die Besetzung der Batterie Hamidje hat die italienische Linie die Form einer Zange, und die Truppe, die einen Angriff gegen die östliche Front versuchen würde, würde sich auf ihrer rechten Flanke bedroht sehen. Während der Operation feuerte die feindliche Artillerie auch einige Schrapnells gegen die südwestliche Front der Italiener, vermutlich zu dem
wecke, eine Frontänderung hervorzurufen. Dabei hatten die Italiener einen Verwundeten; weiterer Schaden wurde nicht angerichtet.
Aus Benghasi teilt der General Briccola mit, daß An⸗ sammlungen von Arabern und Türken über 60 km von Benghasi entfernt festgestellt worden seien. Eine Kavallerie⸗ schwadron unternahm in der Nacht vom 5. zum 6. d. M. eine Erkundung bis auf eine Entfernung von drei Wegstunden von Benghasi, wobei sie zwei Geschütze und viele Munition, die die Türken bei ihrer Flucht auf der Hochebene zurückgelassen hatten, erbeuteten.
Parlamentarische Nachrichten. Der Bericht über die gestrige Sitzung des Reichstags
befindet sich in der Ersten Beilage.
Dem Reichs tage sind gestern die deutsch⸗französischen Abkommen vom 4. November 1911, betreffend Marokko und Aequatorialafrika, zugegangen.
Nr. 89 des Zentralblatts der Bauverwaltung, heraus⸗ egeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 4. November, at folgenden Inhalt: Amtliches: Dienstnachrichten. — Nichtamt⸗ liches: Die Neuanlagen in Bad Nauheim. (Fortsetzung.) — Der 9. internationale Architektenkongreß in Rom im Jahre 1911. — Albrecht Becker †. — Vermischtes: Wettbewerbe für Entwürfe zu einem Rathaus in Lörrach, für die im künftigen Zentralfriedhof für hebdelbec auf dem rechten Neckarufer zu - Hochbauten und ür ein Geschäfts⸗ und Wohnhaus auf dem Grundstück Ecke Beten⸗ und Kölnische Straße in Dortmund. — Antrieb für Streckensignale. — Weihesprüche bei der Grundsteinlegung der Talsperre bei Klingen⸗ berg i. Sachs. — Bücherschau.
Kunst und Wissenschaft.
Aus Anlaß des hundertjährigen Jubiläums der Sapvissen Gn. meldet, das Kunstmuseum der Stadt Essen unter dem Titel „Die Industrie in der bildenden Kunst“ eine Ausstellung veranstalten, zu der alle hervorragenden Maler, die sich mit dem
roblem des Industriebildes befaßt haben, eingeladen werden sollen. Nachdem die Essener Stadtverordneten für den Bau eines neuen, sehr geräumigen Oberlichtsaales 30 000 ℳ bewilligt haben, kann die Ver⸗ anstaltung in weitestem Umfange durchgeführt werden. Verhandlungen mit Eugen Bracht⸗Dresden, Hans Baluschek⸗Berlin, Friedrich Keller⸗Stuttgart, Artur Kampf⸗Berlin, sind schon zu einem günstigen Abschluß gelangt, mit anderen Künstlern, desgleichen mit Museen und Sammlern schweben sie noch. Der verstorbene Eisenbahnmaler Her⸗ mann Pleuer⸗Stuttgart wird durch eine Anzahl seiner bedeutendsten Werke aus schwäbischem Privatbesitz vertreten sein; vom Meister des
u“ 8 8 8 . 88
8 “ 65 in der Landwirtschaft,
Eisenwalzwerks“, Adolf Menzel, stellt die Königliche Nationalgalerie
in Berlin aus ihrem Besitz die kostbaren Studien zu 1 Haupt⸗ bild zur Verfügung. Zu einer Ffeen. von Industriebildern, die dem Kunstmuseeum der Stadt Essen verbleiben soll, ist durch Er⸗ werbung und Stiftung dreier Bilder Pleuers schon der Grundstock gelegt worden.
Die schwedische Akademie der Wissenschaften hat, „W. T. B.“ zufolge, beschlossen, den Nobelpreis für Physik dem Professor Wilhelm Wien⸗Würzburg und den Preis für Chemie Frau Curie⸗Paris zuzuerkennen. Die diesjährigen Preise betragen je 194 330 Francs.
Statistik und Volkswirtschaft. 88
Eheschließungen, Geburten und Sterbefälle 8 des Jahres 1910 im Deutschen Reiche. Die Zusammenstellungen des Kaiserlichen Statistischen Amts über ücer und über die natürliche, in der Zahl der Geborenen und Sterbefälle zum Ausdrucke gelangende Bewegung der Reichs⸗ bevölkerung ergeben:
auf 1000
im Durch⸗] der Bevölkerung
schnitt 1901/1910] 1910
für dagegen das Jahr im Jahre
1910 1909 1909 1901
1910
496 396 1 982 836
494 127
Eheschließungen. 2 038 357
Geborene einschl. Tot⸗ Sterbe⸗ ge⸗ fälle borene Geburten⸗ überschuß ...
Unter den Ge⸗ borenen waren:
nnche. Ge. 88 borene
484 651] 7,69 7,74 7,97 2 061 482 30,72 31,91 33,92
1 103 723 879 113
1 154 296] 1 195 144] 17,10 18,07 19,67
884 061 866 338] 13,62 13,84 14,26 “ Auf 100 Ge⸗ borene überhaupt entfallen:
9,06 9,01 2,93] 2,95
178 115 62 118
183 700 60 079
179 584 58 058
8,64 3,01
Die Vermittlungstätigkeit des Zentralarbeits⸗ nachweises in Berlin
hat nach dem jetzt veröffentlichten Geschäftsbericht des Zentralvereins für Arbeitsnachweis für das Jahr 1910 unter der Einwirkung der guten Lage auf den Berliner Arbeitsmarkt im vergangenen Jahre sich ganz wesentlich gehoben. In allen Abteilungen des Zentral⸗ arbeitsnachweises und in den Arbeitsnachweisen der Verbände, die in decsen Verwaltungsgebäude untergebracht sind, stieg die Zahl der Ge⸗ suche von Arbeitnehmern auf über 200 000 von 160 000 im Vor⸗ jahre bei gleichzeitigem Anwachsen der Nachfrage. Die Zahl der offenen Stellen betrug 176 914 gegen 122 983 und die der be⸗ setzten Stellen 138 389 gegen 99 827 im Jahre 1909. Nach der Uebersicht des Ministeruums für Handel und Gewerbe belief sich am 1. Januar 1911 die Zahl der preußischen öffent⸗ lichen Arbeitsnachweise auf 265, die rund 1 200 000 Arbeitsgesuche, 840 000 offene und 650 000 vermittelte Stellen aufzuweisen haben. Auf den Berliner Zentralverein entfällt demnach mehr als der sechste Teil der ganzen Vermittlungstätigkeit der eae öffentlichen Arbeitsnachweise; er läßt selbst die großen Arbeitsnachweise von Frankfurt a. M. und Wiesbaden weit hinter sich zurück. Die I Entwicklung des Zentralarbeitsnachweises gibt den besten
eweis für das Vertrauen, das beide Interessentengruppen, Arbeit⸗ geber und Arbeitnehmer, in seine Vermittlungstätigkeit setzen.
Bei dem Zentralarbeitsnachweis allein stieg 1910 die Nachfrage gegen das Vorjahr um nicht weniger als 52 156 (im Jahre 1909 gegenüber dem Krisenjahr 1908 nur um 17 398) offene Stellen oder um 43,6 (17,0) %; mehr verlangt wurden bei den Männern 39 967 (9413) oder 47,0 (12,5) % 0und bei den Frauen 12189 (7985) Arbeitskräfte oder 36,1 (23,0) %. Das Angebot von Arbeitskräften nahm aber nur um 29,1 (3,5) % zu, bei den Männern um 25,3 (2,8) und bei den Frauen um 27,6 (6,6) %. Entsprechend der größeren Nachfrage stieg auch die Zahl der besetzten Stelen um 37,5 (15,1) %, bei den Männern um 39,8 (13,3), bei den Frauen um 29,8 (21,4) %. Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage war im Berichtsjahre das beste seit 1907. Auf 100 Arbeitsgesuche entfielen im Be⸗ richtsjahre 86,9 offene Stellen gegenüber 76,1 im Vorjahr und 67,3 im Krisenjahre 1908, für Männer 77,3 gegen 65,9 und 60,2, für Frauen sogar 130,2 offene Stellen gegen 123 und 101. Infolge des ständigen Dienstbotenmangels war bei den Frauen die Nachfrage nach Arbeitskräften viel stärker als das Angebot; auch bei den Männern gestaltete sich die Tendenz auf dem Arbeitsmarkte günstiger als in den Vorjahren.
Bezüglich der Vermittlungstätigkeit in den einzelnen Abteilungen des Zentralarbeitsnachweises und den angegliederten Facharbeitsnach⸗ weisen geht aus dem Geschäftsbericht hervor, daß sie 1910, abgesehen von einigen kleineren Nachweisen, bei allen Abteilungen und Fach⸗ arbeitsnachweisen sich wesentlich gehoben hat. In der en-N. Ab⸗ teilung für ungelernte Arbeiter belief sich das Angebot auf 42 200 (im Vorjahr ang 34 157) Arbeitskräfte, die Nachfrage stellte sich auf 30 920 (22 934) offene Stellen. In der Abteilung für jugendliche Arbeiter war die Nachfrage nach Arbeitskräften größer als das Angebot: 16 904 (12 189) offene Stellen standen 15 735 (13 496) Arbeitsgesuchen gegen⸗ über. Bei den Schlossern erweiterte sich der Geschäftsumfang um das Doppelte hinsichtlich der offenen Stellen sowohl wie der Arbeitsgesuche. Im Arbeitsnachweis für die Holzindustrie haben rund 21 000 (16 000) Personen fast 46000 (32 000) Arbeitsgesuche abgegeben, woraufhin über 26 000 (12 000) Einstellungen erfolgten. Von den 21 000 (16 000) Tischlern erhielten durch den Arbeitsnachweis rund 7000 (9000) keine Beschäftigung. Auch bei den Tischlern läßt sich die Besserung des Arbeitsmarktes nicht verkennen, doch sind die Er⸗ gebnisse innerhalb der einzelnen Gruppen verschieden. Am schlechtesten war die Lage des Arbeitsmarktes für die Stellmacher, bei denen die Arbeitslosen rund 60 % der Arbeitsuchenden bildeten, während bei den Stockarbeitern die Zahl der Arbeitslosen nur 20 % ausmachte. Im Durchschnitt blieben etwas über 32 % der Tischler ohne Arbeit.
Unter den arheitsuchenden Männern befanden sich 1253 (im Vor⸗ jahre 1909 1075) Ausländer, zumeist Oesterreicher, Dänen, Norweger, Schweden und Russen. Verhältnismäßig stark von Ausländern durch⸗ setzt waren besonders die Reihen der Tischler, Maler, Buchbinder und Tapezierer. Unter den arbeitsuchenden Frauen waren Aus⸗ länderinnen fast gar nicht vertreten. 3
Die interlokale Vermittlung des Zentralarbeitsnachweises, die Besetzung auswärtiger offener Stellen, hat sich auf der Höhe des Vorjahres gehalten. Es wurden 2676 (im Jahre 1909 2331) offene Stellen, darunter 110 in der Landwirtschaft, gemneldet, von denen esetzt wurden.
““ Zur Arbeiterbewegung.
Nach 19wöchiger Dauer ist jetzt, wie die „Rh.⸗Westf. Ztg.“ mit⸗ teilt, der Ausstand der Metalldrücker bei der Firma Basse und Fischer in Lüdenscheid beendet. Der Streik war für die Ausständigen ergebnislos. Von den sich wieder zur Arbeit Meldenden konnte nur ein Teil eingestellt werden. Die Mehrzahl ist anderweit untergebracht, eine Minderheit noch arbeitslos.
Die Londoner Fuhrleute drohen, wie „W. T. B.“ meldet, mit erneutem Ausstand, weil der jüngste Schiedsspruch von einigen Unternehmern nicht beachtet worden sei. Eine allgemeine Versamm⸗ lung der Gewerkschaft der Fuhrleute nahm eine Resolution an, in
der erklärt wird, man würde energische Maßregeln ergreifen, wenn
die Unternehmer nicht versprächen, den Schiedsspruch bis Sonnabend
auszuführen. Der Ausstand der Fischer in Umuiden ist, „W. T. B.“ zu⸗
folge, beendet. Die Fischer nahmen di
verbandes an. (Vgl. Nr. 262 d. Bl.)
Jagd.
Freitag, den 10. d. M., findet Königliche Parforce⸗ jagd statt. Stelldichein: 12 Uhr 30 Minuten Nachmittags an der Einsamen Pappel. — Der Uebungsplatz ist bis 11 Uhr Vormittags durch Scharfschießen gefährdet.
Land⸗ und Forstwirtschaft. 1 Ernteergebnisse und Getreidehandel in Serbien.
““ 8 Konsul in Belgrad berichtet unterm 1. d. M In Serbien haben die Halmfrüchte durchweg eine gute Mittel⸗ ernte ergeben, und man ist infolge der hohen Getreidepreise mit dem diesjährigen Ernteertrag sehr zufrieden. Die Wintersaaten konnten bei anhaltend günstiger Witterung fertigbestellt werden. Nach den Berichten der staatlichen Oekonomen ist in diesem Jahre zum ersten Male in größerem Umfange das Eintauchen von Getreideaussaat in Auflösungen von Lrprogentiqenn Blaustein zur Anwendung gekommen. Die Maisernte ist ebenfalls beendet; die späten Sorten haben ein weit geringeres Erträgnis ergeben als die anderen; dennoch steht die diesjährige Maisernte im großen und ganzen einem Durchschnittsjahre nur wenig nach. Zu bemerken ist hierbei, daß der Ernteertrag in manchen Gegenden infolge der langen Dürre sehr gering war, andere Gegenden aber ein überaus reiches Ergebnis hatten. — Aus der Weizen⸗ ernte glaubt man für Ausfuhrzwecke etwa 6000 Waggonladungen übrig zu haben, wovon bisher rund 2500 Ladungen ausgeführt worden sind. Nach Süddeutschland gingen hiervon 1200, über Sulina nach Belgien 900 Wagenladungen und der Rest nach Budapest. An Roggen kamen etwa 800, an Gerste 4 bis 500 Wagen⸗ ladungen zur Ausfuhr nach Süddeutschland. Hafer ging in 5 bis 600 Wagenladungen nach Budapest, alter Mais in 3 — 4000 Wagen⸗ ladungen nach Passau, in etwa 1000 Ladungen über Sulina nach Antwerpen. Die Vorräte in Roggen und altem Mais sowie in Gerste und Hafer sind nach allgemeiner Schätzung nur noch unbe⸗ deutend, weshalb auch das vor einigen Wochen von der serbischen Re⸗ gierung erlassene Ausfuhrverbot für Gerste und Hafer von geringer Bedeutung ist und dies um so mehr, als nach der Veröffentlichung dieses Verbotes doch noch die Ausfuhr derjenigen Mengen hierin gestattet wurde, für welche nachweislich frühere Kaufabschlüsse vorlagen. — Die Getreidepreise an den serbischen oberen Donau⸗ und an den Savestationen sind gegenwärtig folgende: Weizen 15—16,40 Fr., Roggen 14 ½ — 15 Fr., Gerste 15 Fr., Hafer 12 ½ — 13 ½ Fr., alter Mais 14 — 15 Fr. — Mit dem Ergebnis der Pflaumenernte ist man sehr zufrieden. Der Menge nach ist das Erträgnis der diesjährigen Ernte hierin kaum dem einer schwachen Mittelernte gleich zu rechnen; Beschaffenheit und Preisnotierung aber bringen es mit sich, daß Serbien für seine getrockneten X etwa 18 Millionen Franks hereinbekommen dürfte. Für Mus wird die Einnahme auf 3 Millionen Franks geschätzt, für frische Pflaumen auf etwa ½ Million Francs. Amtlich schätzt man die für die Ausfuhr erzeugte Menge in getrockneten Pflaumen auf rund 3500 Waggonladungen, die in Mus auf etwa 1000 Ladungen. Im Lande sollen gegenwärtig nur noch etwa 1200 Waggon⸗ ladungen getrockneter Pflaumen vorhanden sein, wovon nur etwa 500 Ladungen noch unverkauft sind. Von der erzeugten Pflaumenmusmenge ist etwa †¼ bereits ausgeführt worden; der noch hier lagernde Rest ist zum größten Teil schon verkauft. Die Ausfuhr hatte wieder unter dem Mangel an Eisen⸗ bahnwagen empfindlich zu leiden; viele Verfrachtungen geschahen des⸗ wegen auf dem Wasserwege, und richteten sich dieselben zumeist nach Deutschland, ferner vorläufig nach Oesterreich⸗Ungarn. Die Haupt⸗ sammelstellen waren in diesem Jahre: Schabatz, Belgrad und Obrenowatz. Die getrockneten Pflaumen sind diesmal vor⸗ herrschend großtscige⸗ geschmackvolle, und infolge der strengen behördlichen ufsicht ist die Dörrung gut. Die Preise waren zumeist für eine Garnitur 55 Kronen franko Sarveufer. Die Muspreise sind ausnahmsweise noch höher als die Pflaumen⸗ preise. Ueber alles Erwarten hinaus haben die Weingärten ein sehr gutes Erträgnis gezeitigt; Menge und noch mehr die Qualität befriedigen allgemein. Die Tabakernte ist beendigt, und das Er⸗ gebnis hierin nach Menge und Beschaffenheit sehr gut. Auch der Hanf hat in den Gegenden, wo seine Kultur hauptsächlich im großen betrieben wird, eine gute Ernte gehabt. Der langanhaltenden Dürre wegen hat die Zuckerrübenernte in den meisten Gegenden einen wesentnish geringeren Ertrag gebracht als in den Vorjahren.
Gesundheitswesen, Tierkrankheiten und Absperrungs 8 maßregeln.
Deutsches Reich. Verbreitung von Thierseuchen im Jahre 1910.
e. dem im Kaiserlichen Gesundheitsamt bearbeiteten 25. Jahres⸗ ericht über die Verbreitung von Tierseuchen im Deutschen Reiche im Jahre 1910. — Verlag von Julius Springer in Berlin.)
Ueber die wichtigeren Tierseuchen im Deutschen Reiche sind dem Berichte folgende Angaben zu entnehmen:
Die Tollwut hat gegenüber dem Vorjahre abgenommen; es sind 467 = 46,2 % Erkrankungsfälle weniger zur Anzeige gelangt. Gleichfalls vermindert haben sich die Zahlen der wegen Ansteckungs⸗ verdachts getöteten Hunde um 49,7 %, der unter polizeiliche Beobachtung gestellten Hunde um 16,0 % und der getöteten herrenlosen wut⸗ verdächtigen Hunde um 44,3 %. Erkrankt und gefallen oder getötet sind im ganzen 543 Tiere (gegen 1010 im Vorjahre), und zwar 451 (769) Hunde, 6 (6) Katzen, 4 (13) Pferde, 77 (207) Rinder, 3 (9) Schafe, 0 (2) Ziegen, 2 (4) Schweine. Wegen Ansteckungs⸗ verdachts wurden 735 Hunde auf Anordnung getötet und 63 unter polizeiliche Beobachtung gestellt (gegen 1462 und 75 im Vorjahre). Herrenlose wutverdächtige Hunde wurden 98 (gegen 176) getötet. Wie in den Vorjahren snd auch im Berichtsjahre wieder die meisten wutkranken Hunde in den östlichen Teilen des Reichs nachgewiesen worden, so in den Regierungsbezirken Bromberg (93 gegen 106 im Vorjahre), Posen (83 gegen 91) und Gumbinnen (38 gegen 48). Aus dem Ausland ist die Tollwut mehrmals durch wutkranke Hunde ein⸗ geschleppt worden.
Die Zahl der Erkrankungsfälle an Rotz ist gegenüber dem Vor⸗ jahre geringer; es wurden 290 Fälle (gegen 310), d. h. 6,5 % wenig gemeldet. Der Gesamtverlust an Pferden betrug 336 Stück oder 63 = 15,8 % weniger als im Vorjahre. In den 126 neu betroffenen Gehöften befanden sich insgesamt 796 Pferde (gegen 856 in 118 G Fgtenxr et 2 aus dem Ausland eingeführten Pferden wurde Rotz estgestellt.
Die Maul⸗ und Klauenseuche hat im Laufe des Berichts⸗ jahres bedeutend an Verbreitung zugenommen und einen seit 1899 nicht mehr beobachteten hohen Stand erreicht. Während die Seuche zu Beginn des Berichtsjahres nur in einem einzigen Gehöfte herrschte, breitete sie sich im Laufe des Jahres immer weiter aus, sodaß im 4. Vierteljahr 21 Bundesstaaten, 68 Regierungs⸗ und ähnliche Verwaltungsbezirke, 386 Kreise und ähnliche Verwaltungs⸗ bezirke, 3791 Gemeinden und Gutsbezirke, 10 156 Gehöfte betroffen wurden. Am meisten war die Seuche verbreitet in den 8 der Oder gelegenen preußischen Regierungsbezirken; verschont geblieben von der Seuche sind im Berichtsjahr nur Mecklenburg⸗Strelitz, Waldeck, Schaumburg⸗Lippe, Lübeck und Hamburg. Von den im Deutschen Reiche vorhandenen 1076 Kreisen ꝛc. waren insgesamt 392 = 36,4 % (gegen 27 = 2,5 % im Vorjahr) verseucht. Die Stückzahl des 2e Bestandes an Klauenvieh in den neu be⸗ troffenen 11 156 Gehöften betrug 347 955 Rinder (gegen 1082), 295 059 (542) Schafe, 5905 (5) Ziegen und 297 080 (178) Schweine.