und zum Ubangi.
Die Konzessionen sind eine schwere Belastung (Hört, hört! links); aber sie sind zeitlich begrenzt, und sie werden deutscher Geri bts⸗ und Verwaltungshoheit unterstehen, die uns vor Miß⸗ bräu hen schützen wird.
Die Schlafkrankheit, die in einzelnen Teilen herrscht, ist eine böse Zugabe. (Heiterkeit und Zurufe links.) Auf der anderen Seite, meine Herren, erhalten wir — das können auch die Herren, die mich durch Zwischenrufe unsicher machen wollen, nicht bestreiten — (Oh! links), wir erhalten auf der anderen Seite Stücke, deren Wert Sie nicht bestreiten können, die zu Kamerun durchaus günstig gelegen sind. Wir erhalten den Zugang zum Kongo Der Wert dieser Nachbarschaft wird sich erst in der Zukunft realisieren. Aber auch Sie werden nicht be⸗ haupten können, daß die Realisierung ausgeschlossen sei. Wir erhalten im ganzen ein sehr beträchtliches neues Kolonialgebiet. Deutschland ist spät, leider viel zu spät in die Reihe der Kolonialvölker getreten; da sollten Sie uns doch keine Vorwürfe machen, daß wir bei dieser Ge⸗ Iegenheit zu erlangen versuchen, was wir erlangen können.
Meine Herren, ich bin der festen Ueberzeugung, daß sich die günstige Entwicklung, die wir dank der Rührigkeit unserer Kaufleute, dank der Energie unserer Gouverneure und unserer Schutztruppe in Kamerun erlebt haben, auch in den neuerworbenen Gebietsteilen wiederholen wird. Wer Kolonialpolitik treiben will, der soll über den Gegenwartswerten nicht die Zukunftsmöglichkeiten vergessen. Was ist aus der „Sandbüchse“ Südwestafrika geworden? (Rufe von den Sozialdemokraten: Na, was denn?) Wer hat recht behalten: die Spötter über Rhodesien oder die Tatkraft des Mannes, der dem Lande seinen Namen gegeben hat? Alle Erfolge, welche große Kolonialvölker erzielt haben, sind nur dadurch erzielt worden, daß diese Völker nicht mit kurzen, sondern mit sehr langen Zeiträumen gerechnet haben, und daß sie den Mut gehabt haben, Schwierigkeiten der Gegenwart um der vielleicht erst in ferner Zukunft zu er⸗ wartenden Vorteile willen gering zu achten.
Meine Herren, es ist auch nicht richtig, daß die Franzosen froh sind, einen Teil ihres Kongogebiets los zu sein. Die französischen Staatsmänner haben die Erfolge, die sie in Marokko erzielt haben, hoch eingeschätzt, mit Recht hoch eingeschätzt; aber es ist ihnen trotzdem nicht leicht geworden, große Teile von einem Gebiete abzutreten, dem ein Menschenalter lang be⸗ währte französische Forscher und Offiziere sich in ihrer ganzen Lebens⸗ arbeit gewidmet hatten.
Meine Herren, das sind die Ergebnisse, und das ist der Hergang gewesen. Unser Programm lautete von Anfang an: Zubilligung er⸗ höhter politischer Rechte an Frankreich nur gegen erhöhte Sicherung unserer wirtschaftlichen Interessen in Marokko und gegen kolonialen Erwerb, Landerwerb in Marokko haben wir in keinem Augenblicke angestrebt. Verhandlung nur zwischen uns und Frankreich, nicht vor einem internationalen Kongreß, nicht unter Zuziehung Dritter. Dieses Programm haben wir aufgestellt, und wir haben es durchgehalten. Durch nichts, durch keinen Einfluß von außen oder von innen haben wir uns von ihm auch nur um einen Schritt abdrängen lassen. Alle
die Vorwürfe der Schwäche, mit denen wir diese Monate über be⸗ dacht worden sind, der Schwäche und Nachgiebigkeit, das Gerede von
rufe links.) Unsere Verhandlungen mit Frankreich sind ohne Unterbrechung
beide Teile annehmbaren Geschäftsabschluß zu kommen. In
auf beiden Seiten von dem Bestreben getragen gewesen, zu einem für keinem
Stadium der Angelegenheit ist von irgendeiner Seite eine Sprache
oder anderen Teils unverträglich gewesen wäre. Zu dem „mit der Faust auf den Tisch schlagen“, was uns angeraten worden ist, ist auch
nie ein Anlaß gewesen. Uebrigens, meine Herren, halte ich auch von
dieser drohenden Gebärde nichts, ich würde in gegebenem Momente
das Handeln vorziehen; wir leben nicht mehr in der homerischen Zeit,
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wo Drohen und Prahlen ein notwendiges Rüstzeug des Kriegers war⸗ Deutschland ist stark genug, um auf diese Armaturstücke zu verzichten. Lebhafte Zustimmung.) Es wird, wenn es die Not gebietet, sein Schwert zu ziehen wissen. (Lebhaftes Bravo!) Nur auf dieser
Grundlage ist auswärtige Politik möglich. (Sehr richtig!)
8 Seine Majestät der Kaiser — ich muß von dieser Stelle aus gegenüber irreführenden Darstellungen der in⸗ und ausländischen Presse das feststellen — Seine Mafjestät hat die strikte Durch⸗ führung des bereits im Mai dieses Jahres festgelegten Programms n allen Phasen der Verhandlung gefordert, in dem vollen Bewußtsein, daß jede politische Aktion einer Großmacht die Schicksalsfrage: Krieg oder Frieden heraufbeschwören kann, und in der festen Bereitschaft, für die Ehre der Nation mit dem Schwerte einzutreten. Darin hat sich der Kaiser mit dem Volke eins gewußt, das in dieser ganzen Zeit von dem festen Willen beseelt gewesen ist, seine Ehre und seine Lebensinteressen gegen jedermann zu verteidigen.
Selbstverständlich ist in keinem Augenblick an der absoluten Kriegsbereitschaft von Armee und Flotte auch nur der mindeste Zweifel entstanden. (Hört, hört! und Bravo! rechts.) Die Gerüchte, die jetzt in der Presse verbreitet werden, als sei in einer vertraulichen Beratung unsere Kriegsbereitschaft namentlich der Marine in Frage gestellt worden, sind frei erfunden (Lebhafte Rufe: Hört, hört! und Bravo! rechts); sie schlagen den Tatsachen ins Gesicht. (Erneute Rufe rechts: Hört, hört!)
Nun hat man gemeint — und das hat besonders tief im Volke gefressen —, wir seien vor England zurückgewichen. Dabei ist besonders eine Bankettrede des englischen Ministers Lloyd George verwertet worden. In dieser Rede wird Deutschland nicht erwähnt. (Lachen und Zurufe links.) Meine Herren, ich spreche jetzt ernste Worte, und ich darf bitten, daß Sie mich ohne Unter⸗ brechung aussprechen lassen. — Ein hiesiges konservatives Blatt hat damals sogar hervorgehoben, indem es in der ganzen Rede statt England Deutschland setzte, wie die Rede, für sich betrachtet, anstandslos auch von einem deutschen Staatsmann hätte gehalten werden können. Eine Bedeutung gewann die Rede dadurch, daß die gesamte französische Presse und ein großer Teil der englischen sie in einer chauvinistischen, gegen Deutschland gehässigen Weise inter⸗ pretierte, und daß dieser Interpretation von englischer Seite in keiner Weise entgegengetreten wurde. (Hört, hört! rechts.) Ich habe mich veranlaßt gesehen, diese Dinge durch den Kaiserlichen Botschafter in London zur Sprache bringen zu lassen. Meine Vor⸗ stellung ging dahin, daß wir dabei seien, die Marokkoangelegenheiten
nicht berührt würden, und daß, sofern durch das Ergebnis der Be⸗ sprechungen England seine Interessen berührt glauben sollte, wir er⸗ warteten, daß seine Regierung dieselben bei den beiden kontrahierenden Regierungen nur auf dem üblichen diplomatischen Wege zur Geltung bringen werde. Die englische Regierung hat danach keinerlei Wunsch mehr zu erkennen gegeben, sich an unseren Verhandlungen mit Frank⸗ reich zu beteiligen. (Hört, hört! rechts.) Immerhin blieb die sehr ungünstige Wirkung jener Tischrede bestehen. Sie erzeugte ins⸗ besondere in der ihr durch die englische und französische Presse gewordenen Interpretation in weiten deutschen Kreisen eine sehr bittere Stimmung (Sehr wahr! rechts), die sich natürlich mehr oder minder stark und heftig in unserer Presse kundgab. Ihrer Wirkung nach war allerdings jene Rede für ein freundschaftliches Verhältnis zu England nicht förderlich. (Sehr richtig! rechts.) So offen ich das bedauere, so bestimmt muß ich es zurückweisen, daß die Rede dazu benutzt worden ist, gegen die deutsche Regierung den Vorwurf einer unsicheren und schwächlichen Politik zu begründen. Tatsächlich ist unser Programm einer verständigen Aus⸗ einandersetzung mit Frankreich ohne Einmischung Dritter und auch unbeeinflußt von unverantwortlichen Preßtreibereien durchgeführt worden.
Meine Herren, der englische Minister Sir Edward Grey hat vorgestern im englischen Unterhause in einem Appell an die Presse beider Länder ernste Worte gesprochen und hat nament⸗ lich vor der Verbreitung unwahrer Nachrichten gewarnt. Ich kann mich dieser Warnung nur anschließen, damit sich in der beiderseitigen Volksstimmung nicht Ansichten festsetzen, die auf die Dauer die Beziehungen beider großen Länder zu ihrem beiderseitigen Schaden — und ich füge hinzu: zum Schaden der Welt — vergiften müssen.
Meine Herren, ich habe Ihnen dargelegt, daß wir durchgesetzt haben, was wir gewollt haben. Im gemeinen Leben nennt man das nicht Schwäche. Aber der Vorwurf ging wohl nach einer anderen Richtung, daß wir hätten mehr, daß wir ein anderes hätten wollen sollen; das habe die Ehre und das Ansehen Deutschlands gefordert, entweder Südmarokko oder die Wiederherstellung der Algecirasakte, also ein Entweder — Oder. Ja, meine Herren, wem der Besitz von Südmarokko als ein Lebensinteresse Deutschlands gilt, wer in der Nichtbeanspruchung dieses Besitzes eine Preisgabe des Ansehens Deutschlands erblickt, der kann kein „Oder“ kennen, der muß ver⸗ langen, daß wir in den Krieg ziehen, um Südmarokko zu erobern, für den kann die Wiederherstellung der Algecirasakte kein gleich⸗ wertiges Aequivalent sein.
Mit dieser Formel ist also vom Standpunkte der Ehre und des Ansehens Deutschlands nichts anzufangen, aber auch nicht vom Standpunkte praktischer Realpolitik aus. Südmarokko war für uns um deswillen nicht begehrenswert, weil uns seine Erwerbung, seine Sicherung und Verteidigung Opfer auferlegt haben würde, die mit dem Werte des Landes nicht im Einklang stehen. Das ist bis in den letzten Sommer hinein die allgemeine Ueberzeugung gewesen. (Sehr richtig! links.) Ich will nicht von Bismarck sprechen, der be⸗ kanntlich den Wunsch aussprach, Frankreich möge sich Marokko an⸗ eignen. Sie würden mir vielleicht erwidern: inzwischen haben sich die Zeiten geändert. (Sehr richtig! links.) Aber auch nach Bismarck ist ununterbrochen die Ansicht vertreten worden, daß wir politische Rechte in Marokko nicht zu verfolgen hätten. Feierlich anerkannt worden ist diese Ansicht durch das Februarabkommen von 1909, und alle Parteien dieses Reichstages haben diesem Anerkenntnis zu⸗ gestimmt. (Sehr richtig! rechts.) Woher soll sich denn nun mit einem Male die Angelegenheit geändert haben? Meine Herren, Südmarokko ist zweifellos ein schönes Land. Es soll sehr erzreich sein, es soll fruchtbaren Boden haben, auf dem sich deutsche Auswanderer ansiedeln können. Ich will darüber nicht streiten, wiewohl sich über eine marokkanische Sied⸗ lung mancherlei Anmerkungen machen ließen. Ich nehme an: es ist ein außerordentlich wünschenswertes und erstrebens⸗ wertes Stück Erde, aber ich muß doch sagen: wer es für die Aufgabe Deutschlands ansieht, erstrebenswerte Länder durch den Krieg zu erobern, der könnte doch ebenso gut, wenn nicht vielleicht besser, als auf Marokko auch noch auf andere Länder verfallen. (Heiterkeit links.) ist ja auch tatsächlich geschehen, sogar in bezug auf europäische Länder. Meine Herren, das sind phantastische Spielereien (Sehr richtig! rechts), und ich wundere mich nur, daß es immer noch Menschen im Auslande gibt, welche ihnen eine Bedeutung für die deutsche Politik beilegen. 1
Meine Herren, eine starke Politik kann Deutschland Sinne einer Weltpolitik nur führen, wenn es sich Kontinent stark erhält. Nur das Gewicht, das Kontinentalmacht einsetzen, ermöglicht Welthandel und Kolonial⸗ politik — beide fallen in sich zusammen —, wenn wir uns zu Hause nicht stark halten. Erwerben wir Außenpositionen, zu deren Sicherung wir unsere kontinentalen Kräfte verzetteln und schwächen müssen, dann sägen wir an dem Ast, auf dem wir sitzen. (Sehr gut! in der Mitte.) Deshalb ist es von der deutschen Politik in den letzten Jahrzehnten richtig gewesen, daß sie keine politischen Aspirationen in Marokko verfolgte, und deshalb sind wir auch jetzt auf dem richtigen Wege gewesen, indem wir Landerwerb in Marokko von vornherein aus unserer Aktion ausschieden. Ich nehme es, meine Herren, als ein Verdienst unserer Politik in Anspruch (Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten), daß wir der Utopie eines Landerwerbs in Marokko nicht nachgelaufen sind. (Sehr richtig! bei den Sozial⸗ demokraten — Bewegung und Heiterkeit.)
Meine Herren, die Klagen über schlechte Politik stammten aber nicht nur aus den Kreisen derer, die ein Stück Marokko für uns haben wollten; sie gingen weit darüber hinaus. Meine Herren, sollen diese Klagen einen anderen Sinn haben als den, der eigenen Regierung in auswärtigen Angelegenheiten Schwierigkeiten zu machen, dann müssen sie doch ein greifbares Ziel zeigen. Ich spreche nicht von denen, die in diesem Sommer schlechthin den Krieg wünschten; auch deren gab es (Sehr richtig!), aber ihre Zahl war nicht so groß wie die Worte, die sie in den Mund nahmen. (Sehr gut! in der Mitte und Heiterkeit bei den Sozialdemokraten.)
Andere, meine Herren, wollten den Präventivkrieg, sei es gegen Frankreich, sei es gegen England, sei es gegen beide zugleich. Sie alle wissen, wie Bismarck üher Präventivkriege dachte. Sein Rat —
Das Das
gerade im auf dem wir als
so hat er gesagt — würde nie dahin gehen, einen Krieg deshalb
könne er der Vorsehung nicht in die Karten sehen. Auch einen siegreichen Krieg betrachte er an sich immer als ein Uebel (Sehr richtig!), das die Staatskunst den Völkern zu ersparen bemüht sein müsse. Nun, meine Herren, das sind die Grund⸗ sätze, die uns auch jetzt geleitet haben. Niemand kann wissen, ob Deutschland dereinst ein Krieg mit seinen Nachbarn beschieden sein wird. Für mich aber, der ich heute die Verantwortung zu tragen habe, ist es Pflicht, die Geschäfte so zu führen, daß ein Krieg, der vermieden werden kann, der nicht von der Ehre Deutschlands ge⸗ fordert wird, auch vermieden wird. (Sehr richtig! in der Mitte.) Das sind die Grundsätze gewesen, nach denen die Marokkopolitik in ihrer letzten Episode geführt worden ist.
Meine Herren, Marokko war eine dauernd schwärende Wunde in unserem Verhältnis nicht nur zu Frankreich, sondern auch zu England. Der Zug der Franzosen nach Fez hat ein akutes Stadium herbeigeführt und eine Operation notwendig gemacht. Wir haben sie unternommen, um die Wunde zu heilen. Wir wären niemals zu den Ergebnissen gekommen, die Ihnen jetzt porliegen, wenn nicht beide Regierungen demselben Ziele zugesteuert hätten. Ich erblicke darin einen großen Gewinn, daß es Deutschland und Frankreich möglich gewesen ist, sich über eine so heikle, so viele offene und latente Gefahren in sich bergende Frage, wie es die Marokkofrage ist, im Wege friedlicher Verständigung zu einigen. Diese Tatsache ist mehr wert als alle Diskussionen über Schiedsverträge und über Abrüstung; sie kann die Grund⸗ lage werden zur Anbahnung und Festigung eines Ver⸗ hältnisses, wie es den wahren Bedürfnissen und dem Fortschritt der beiden großen Nationen entspricht. Gewiß kann erst die Zukunft auf dieser Grundlage bauen; aber es wäre eine Verfäumnis der Gegenwart gewesen, wenn sie den Eckstein verworfen hätte, anstatt ihn zu legen.
Ich sprach davon, daß die Marokkofrage auch unser Verhältnis zu England tangierte. Auch darüber noch ein kurzes Wort. Kraft vertraglicher Abmachungen stand bei allen marokkanischen Differenzen zwischen Frankreich und Deutschland England auf Frank⸗ reichs Seite, zum mindesten diplomatisch. Insofern reinigt die Er⸗ ledigung der Marokkoangelegenheit auch in unseren Beziehungen zu England den Tisch.
Ich kehre, meine Herren, zu dem Gedanken zurück, von dem ich vorhin ausging. Der Mißmut und der Pessimismus, der unser Volk erfüllt und der die Regierung zu anderen Taten treiben wollte, mußte greifbare Ziele zeigen, Ziele, die gerade bei Erledigung der Marokko⸗ angelegenheit erreicht werden konnten. Weshalb wir nicht auf ein Stück Marokko ausgegangen sind, habe ich Ihnen dargelegt. Dafür wurde dann besonders dringlich verlangt, daß wir dann doch wenigstens die Verhandlungen mit Frankreich hätten abbrechen, daß wir auf die Wiederherstellung der Algecirasakte hitte bestehen sollen. Meine Herren, der Abbruch der Verhandlungen wäre ein leichtes gewesen (Sehr richtig!), noch leichter, die Verhandlungen überhaupt nicht einzuleiten. Aber die Wiederherstellung der Algecirasakte — meine Herren, ich erblicke kein Interesse Deutschlands an der Wieder⸗ herstellung eines Zustandes, der an der nicht mehr haltbaren Fiktion der Selbständigkeit des marokkanischen Sultans und der Unabhängig⸗ keit des scherifischen Reiches leidet. (Sehr richtig!) Wir kennen doch diesen Zustand seit 1906 genau genug. Meine Herren, er war moralisch und materiell für uns unbefriedigend. Die Triebfeder des Verlangens nach der Algecirasakte ist zum Teil auch eine andere gewesen: wenn wir nicht Südmarokko haben können oder haben wollen, dann sollen es wenigstens die Franzosen nicht haben. So war es den Sommer über in der Presse zu lesen. Meine Herren, für mich besteht der Wert der Politik nicht in dem Schaden, der einem anderen zu⸗ gefügt wird, sondern in dem Vorteil, den das eigene Land gewinnt. Eine Politik, die den Schaden des anderen sucht, ohne Rücksicht darauf, ob es einem selbst nutzt, ist kurzsichtig. Die Erbitterung, die sie erzeugt, ist in Zukunft doch einmal bar zu zahlen. Wer aber in dem Protektorat Frankreichs über Marokko einen derartigen Macht⸗ zuwachs Frankreichs erblickt, daß dadurch die Existenz Deutschlands gefährdet wäre, der kommt eben zum Präventivkrieg. Also, meine Herren, wozu die Wiederherstellung der Algecirasakte? Wurde auch sie von dem Ansehen Deutschlands verlangt? Nein, meine Herren, das Ansehen Deutschlands als Großmacht verlangte es, nicht zu dulden, daß ein internationaler Vertrag wie die Algecirasakte, der unsere Unterschrift trägt, zu unserem Nachteil und ohne unsere Zu⸗ stimmung einseitig abgeändert werde. Dagegen mußten wir kämpfen,
unser Handeln hatte Erfolg.
Wie sah es vor Fez und Agadir aus? selbständig, de facto dem Einfluß der Franzosen
und Algeciras eine stete Gefahr in
verhältnisse besonders dringlich gemacht wurden. Aspirationen in Marokko hatten wir verzichtet.
Und jetzt, meine Herren? gegeben, was wir nicht bereits aufgegeben hatten. die bisher fehlenden wirtschaftlichen Garantien erlangt.
deutscher Verwaltung — dessen bin ich sicher — günstig entwickeln wird. Wir haben dies erreicht auf dem Wege friedlicher Ver⸗
Vertragswege zu verständigen.
Meine Herren, das ist das Fazit! Für und Wider dieser Politik abzuwägen. wir fürchten aber auch keinen Tadel! (Bravo!)
mit sämtlichen Anträgen der Budgetkommission zu uüberweisen.
hin einer eingehenden Prüfung. möglicherweise auch der Reichskanzler Auskünfte lieber in Kommission als im großen Plenum geben möchte. ns Meinung werden wir aber auch weiterhin in eine rechtliche Prüfung einzutreten haben. Der Reichskanzler hat uns das Abkommen
mit Frankreich zu besprechen, daß dadurch zunächst englische Interessen
zu führen, weil er später doch einmal geführt werden müsse, so
Meine Herren, lassen Sie mich zum Schluß das Fazit ziehen. Nominell war Marokko verfallen. Dieser unklare und verschwommene Zustand war für uns nach Tanger
8 „ unseren Beziehungen zu Frank⸗
die besonderen Garantien, die gerade durch die unklaren Staats⸗ Auf politische
lediglich zur Kenntnisnahme übergeben. Das entspricht der Rechts⸗
im Notfalle auch mit dem Schwert, und so haben wir gehandelt, und b
Wir haben in Marokko nichts auf⸗ Dafür haben wir Wir haben außerdem einen bedeutenden Kolonialbesitz erworben, der sich unter
ständigung mit Frankreich. Zum ersten Male ist es uns gelungen, uns über eine ernste und schwere politische Frage, die den Keim großen Unheils in sich bergen konnte, mit unseren westlichen Nachbarn im
Nun ist es an Ihnen, das Wir erwarten kein Lob,
8
Abg. Frhr. von Hertling (Zentr.): Ich beantrage, das emg as8 Abkommen, das die verbündeten Regierungen und der Reschskanzler uns zur Kenntnis übergeben haben, bedarf nach der materiellen Seite Es sind noch manche Unklarheiten vorhanden, und es werden manche Fragen zu stellen sein, auf 85 8 er Nach unserer
1u“u“ “ auffassung und der Auslegung der Verfassung, wie sie allerdings in öffentlichen Kreisen bisher wohl ziemlich ausnahmslos bestanden hat, und wie sie auch im Reichstage wenn auch’ niemals unbedingt anerkannt worden ist, wie man sie aber zu dulden schien. Meine politischen Freunde sind der Meinung, daß hier tatsächlich eine irrige Auffassung vorliegt, und daß der Moment gegeben ist, diese Frage ernstlich zu prüfen. Bei richtiger Auslegung auch der jetzigen Fassung der Reichsverfassung wäre schon jetzt die Genehmigung des Bundes⸗ rats und des Reichstages erforderlich. Einer meiner Freunde wird dies später ausführlicher begründen. Das Abkommen ist das Ergebnis der auf mehr als 7 Jahre zurückgehenden Marokkopolitik, einer
Politik, über die wir gewöhnlich gesprochen haben mit dem Gefühl
vaterländischen Regierung fremden Mächten gegenüber
großen Unbehagens, dem
ich selbst wied 11“ “ ch selbst wiederholt Ausdruck gegeben
eine mißliche Sache, die Haltung der ldischen u krttisieren. Man läuft Gefahr, damit nicht dem Vaterlande, so tern en Peee zu dienen, oder mindestens die Schadenfreude der Nachbarn aus⸗ zulösen, was auch nicht erfreulich ist. Manches spricht ja dafür, daß die heutigen Verhandlungen sich zu einer großen innerpoli⸗ tischen Aktion auswachsen sollen. Wir haben gar keinen Anlaß, uns an einer derartigen Aktion zu beteiligen. Ich habe seinerzeit, als meine Freunde allen Anlaß gehabt hätten, die erste Gelegen⸗ 88 zu ergreifen, um eine recht leidenschaftliche Kritik an dem keiter der auswärtigen Politik vorzunehmen, ausdrücklich den
Grundsatz vertreten, daß der Reichstag in Fragen auswärtiger Politik seinen eigenen Standpunkt zurückzustellen habe. Wenn also von anderer Seite der Versuch gemacht werden sollte, das Ergebnis einer Politik, die sie selbst früher gebilligt hat, im zu fruktifizieren, so überlasse ich es ihr
ff die Marokkopolitik ist kein erfreulicher, sie ist seit 1904
ein Ruhmesblatt in der deutschen Geschichte. Diese Politik war keine stete, sie war nicht von festem Willen diktiert, sie war durchaus nicht frei einerseits von Unvorsichtigkeiten, anderseits von Handlungen, die uns den Vorwurf der Schwäche eintrugen. Die Demonstration in Tanger war in meinen Augen keine glückliche. Jedenfalls fragen wir uns heute, was eigentlich der Zweck der De⸗ monstration war, jener Fahrt, für die der damalige Reichskanzler hier die Verantwortung ausdrücklich übernommen hatte, und die er auch rechtlich zu tragen hatte. Er hat 1904 hier erklärt, daß das englisch⸗französische Abkommen seiner Auffassung nach seine Spitze gegen Deutschland richtete. Warum nun in Tanger das ausdrückliche Hervorheben der vollkommenen Souveränität und Unab⸗ hängigkeit des Sultans? Es konnte den Eindruck erwecken und hat ihn erweckt, als ob mit dieser Aeußerung eine Aufstachelung des Souveränitätsgefühls des Sultans mit einer Spitze gegen das englisch französische Abkommen verbunden war. Es ist in diesem Hause anerkannt worden, daß 1905 eine Kriegsgefahr bestanden hat. Unsererseits führte man die Kriegsgefahr auf französische Treibereien zurück und war zufrieden, als die Gefahr durch die Entlassung des Ministers Delcassé beseitigt war. Nach französischer Meinung be⸗ standen aber unsererseits Kriegsabsichten. Das war nicht der Fall. Dann wurde aber gefragt, warum diese Demonstration? Wenige Jahre danach war es gerade die deutsche Diplomatie, die es nicht eilig genug haben mochte, Mulay Hafid anzuerkennen. Es kam die Konferenz von Algeciras. Ein Berliner Blatt hat seine Studien darüber auch auf meine Stellung ausgedehnt und ausfindig gemacht, daß ch mich gleich nach der Konferenz nicht unfreundlich darüber ausge rochen haben soll; der Geschichtsforscher hätte weiter forschen sollen, er würde gefunden haben, daß ich 1908 hier ausdrücklich gesagt habe, wenn wir nicht nach Algeciras gegangen wären, wir würden nicht wieder hingehen, wir sind mit einem blauen Auge davongekommen. Nachdem wir nun darauf großen Wert gelegt hatten, die Frage zu internationalisieren, nachdem wir es anscheinend abgelehnt hatten, uns mit Frankreich allein zu verständigen, sind wir 1909 andere Wege ge⸗ gangen und haben ein Sonderabkommen mit Frankreich getroffen. Das sind bedenkliche Schwankungen und Inkonsequenzen unserer Marokkopolitik. Schon 1904 ist in diesem Hause davon die Rede gewesen, daß wir Gelegenheit gehabt hätten, mit Frankreich zu ver⸗ handeln. Damals saate der verstorbene Abgeordnete Graf Reventlow, daß man vom Reichskanzler nicht verlangen könne, daß er wegen Marokko vom Leder ziehe, daß aber die Verhandlungen mit Frankreich wegen Ueberlassung emes Hafens mehr mit Nachdruck hätten geführt werden müssen. Es ist auf diese Rede niemals eine Aufklärung erfolgt. Dann aber wurde unwidersprochen behauptet, daß nach der Entlassung Delcassés der französische Minister Rouvier zu einer Verständigung mit Deutschland bereit gewesen wäre, und daß dabei auch auf Kom⸗ pensationen im Kongo hingewiesen sei. Weiterhin gingen Gerüchte um, daß der französische Minister Pichon zu einer Zeit, die ich nicht genau feststellen kann, mit weitergehenden Anerbietungen an Deutsch⸗ land gekommen sei, daß er auf Grund territorialer Abtretungen mit Deutschland verhandeln wollte. Unsere Politik entbehrt der Kon⸗ sequenz, der Stetigkrit und Voraussicht. Aber diese Politik hat unsere Politik auch für die weitere Zukunft festgelegt. Wir haben uns von Anfang an gegen territoriale Erwerbungen in Marokko aus⸗ gesprochen, der Kaiser hat dem König von Spanien auesdrücklich erklärt, er denke nicht an territoriale Erwerbungen in Marokko, und das leider verstorbene hochgeachtete Mitglied des Hauses, der Abg. von Kardorff hat 1905 ausdrücklich hier territoriale Erwerbungen in Marokko perhorresziert. Immer ist nur die offene Tür in Marokko verlangt worden, ausdrücklich hat Deutschland noch im Abkommen vom Februar 1909 auf jedes wirtschaftliche Sonderrecht verzichtet. Betrachten wir nun das jetzt vorgelegte Ergebnis, so müssen wir sagen: so sah die Hinterlassenschaft aus, die die Liquidatoren nach 1909 zu regeln hatten. Die jetzigen Verhandlungen mit Frankreich sind mit wachsendem Mißbehagen im Volke begleitet worden, mit einer großen Unrube über die ganze bisherige Politik. In diesen Monaten kamen alle jene Irrtümer und verpaßten Gelegenheiten der früheren Politik wieder in Erinnerung, und das Mißbehagen und der Unmut im Volke verwandelten sich in hellen Zorn, als jene Ministerrede jenseits des Kanals zu uns herüberkonte. Die Be⸗ wegung über diese Rede erinnerte an unsere Bewegung von 1870. Es war eine große nationale Bewegung, wie sie nicht häufig im deutschen Volke vorkommt. Aber der Unmut und die zornige Erregung flauten ab. Daß der „Panther“ nach Agadir geschickt wurde, schien vielen von uns als ein erwünschtes An⸗ zeichen einer jetzt einsetzenden aktiveren Politik. Dann kamen aber wieder Gerüchte, als ob dieses Vorgehen fehlerhaft gewesen sei, als ob man sich nachträglich eines anderen besonnen hätte. Ich richte nun einige Fragen an den Reichskanzler. Es ist immer wieder versucht worden, die Entsendung des „Panther“ nach Agadir so darzustellen, als hätte er die Erwerbung territorialer Striche in Marokko zur Aufgabe gehabt, diese Absicht sei aber infolge der englischen Drohungen wieder zurückgestellt worden. Ich habe das niemals geglaubt nach dem, was immer vom Regierungstisch gesagt worden ist, aber das Gerücht bestand und wurde vergiftet durch den Zusatz, wir seien vor den englischen
Der Räückblick
Drohungen zurückgewichen. Wir haben heute vom Reichskanzler ge⸗
hört., daß das nicht der Fall gewesen ist. Ich frage aber den
Reichskanzler, was geschehen ist, um jener englischen Provokation ent⸗
gegenzutreten. Man konnte annehmen, daß man sie deutscherseits nicht ohne weiteres hingenommen hat. Man hat fernerhin gesehen, daß, wenn die englische Rede die Absicht gehabt haben sollte, unsere Verhandlungen mit Frankreich zu stören, der Erfolg, der Absicht nicht entsprochen hat, und daß, wenn von einer Niederlage die Rede gewesen wäre, diese Nieder lage nicht auf der Seite der deutschen Regierung gewesen wäre. Aber immerhin ist diese Haltung der deutschen Politik nicht so deut⸗ lich in die Erscheinung getreten, daß jener Unmut in weiten Kreisen des Volkes eine Befriedigung erhalten hätte. Es wäre erwünscht, wenn uns darüber etwas mitgeteilt würde Ein Teil der Presse kann
von dem Vorwurf nicht freigesprochen werden, daß ihre Haltung durch
aus geeignet war, die schwierige Aufgabe unserer Regierung noch außer⸗ ordentlich zu erschweren. Die Auslandspresse geht natürlich darin voran, aber’ ein Teil der deutschen Presse hat sich bemüht, immer solche Nachrichten zu kolportieren; wenn irgend ein französisches oder
Interesse ihrer.
englisches Blatt zu berichten wußte, daß es wieder einmal gelungen sei, die deuische Regierung zu übertölpeln, so fanden sich auch deutsche Blätter, die das weitergaben. So ist die pessimistische Stimmung immer weiter vermehrt worden. Dazu kam der Rücktritt des Staatssekretärs des Kolonialamts, der als Desaveu dessen ge⸗ deutet werden mußte, was durch die Verhandlungen erreicht war. Auf die Einzelheiten dieses Falles gehe ich nicht weiter ein, möchte aber daran anschließend einige grundsätzliche Fragen streifen. Als es sich darum handelte, ein selbstaͤndiges Reichs kolonialamt zu errichten, waren meine Freunde dagegen sehr bedenklich und stützten ihre Bedenken auf die Erfahrung anderer Staaten, wo der Bestand eines eigenen Kolonialamts neben dem Auswärtigen Amt jederzeit die Gefahr großer Reibungen in sich schließt, während doch durchaus eine einheitliche Leitung der auswärtigen Politik nötig sei. Es sollte ernstlich erwogen werden, ob es nicht nützlich wäre, zu der früheren Einrichtung zurückzukehren, ob es nicht besser wäre, nachdem wir aus fremden Erfahrungen nichts lernen wollten, jetzt aus den eigenen zu lernen, also ein selbständiges Reichskolonialamt nicht weiter bestehen zu lassen, sondern es wie früher zu einer Abteilung des Auswärtigen Amts zu machen. Es ist im Anschluß an die bedauernswerte Angelegenheit Lindequist auch von Indiskretionen in der Presse die Rede gewesen. Ich bin der Meinung, daß die Presse überhaupt, aber besonders die offiziöse Presse speziell während der letzten Monate durchaus nicht auf der Höhe gestanden hat, daß sie durchaus nicht verstanden hat, die öffenkliche Meinung in der richtigen Weise zu belehren und zu dirigieren. Es ist nach unserer Meinung auch eine unglückliche Einrichtung, daß wir statt eines Pressebureaus deren drei haben, eins für das Aus⸗ wärtige Amt, eins für das Marineamt und eins für das Kolonialamt. Es kann gar nicht ausbleiben, daß die verschiedenen Strömungen und Richtungen dann auch gelegentlich in der Presse einen unliebsamen Ausdruck finden, daß Ressort gegen Ressort zu kämpfen scheint. Dieser Zustand ist geradezu unerträglich. Wenn auch weniger wichtig, so doch erwähnenswert ist auch die ungleiche Behandlung, die den Zeitungen zuteil wird; zu einer Zeit, wo einer großen Anzahl von Blättern der verschiedensten Parteien gesagt wurde, es müsse völlige Geheimhaltung erfolgen, waren einzelne große Blätter immer wieder in der Lage, wichtige Mitteilungen über schwebende Verhandlungen ihrem Publikum zu machen. Ein solcher Mißstand sollte nicht wieder vorkommen. Das Abkommen selbst gibt wieder dem Grundsatz der offenen Tür, der gleichen Behandlung aller handeltreibenden Nationen Ausdruck und pragt dieses allgemeine Prinzip in einzelnen Bestimmungen aus. Soweit entspricht es dem Abkommen von 1909, also nach der wirtschaftlichen Seite; freilich nicht nach der politischen. 1909 hat Frankreich in dem Abkommen noch die Souveränität des marokkanischen Sultans und die Un⸗ abhängigkeit Marokkos anerkannt; heute ist das nicht mehr der Fall, heute ist aus dem souveränen Staat ein von Frankreich ab⸗ hängiger Staat, aus souveränen Sultanen das Protektorat Frank⸗ reichs geworden. Ein Einwand dagegen wird indes, da wir seit 1900 immer betont haben, daß wir keine politische Aktion in Marokko verfolgen, nicht mehr zu erheben sein. Die Bestimmungen über die Handelsfreiheit lassen immer noch gewisse Fragen offen. Sie sollen die Gleichstellung aller Nationen sichern, aber sichern sie uns auch gegen eine stillschweigende Umgehung? Die Ausschreibungen sollen gleichmäßig erfolgen. Aber es ist doch eine bekannte Tatsache, daß mit solchen formellen Bestimmungen noch nicht dafür gesorgt ist, daß durch die Art der Ausschreibung einzelne Nationen bevorzugt werden, daß nicht einzelne Industrien einzelner Länder vorteilhafter als andere behandelt werden. Wir wissen nicht, ob nicht mit dieser oder jener bevorzugten Gruppe oder Macht geheime Abmachungen be⸗ stehen, namentlich hinsichtlich der Lieferunasfristen. Die Artikel 9 und 12 schaffen noch kein endgültiges Recht, sondern vertrösten sowohl hinsichtlich der Regelung des Rechtsweges, wie hinsichtlich der Be⸗ bandlung der Schutzgenossen auf künftige Vereinbarungen und setzen einstweilen die Diplomatie oder Schiedsgerichte an die Stelle. liegt wieder ein Anlaß zum Mißtrauen und der Keim zu Streitig⸗ keiten. Noch eine weitere Frage moͤchte ich dem Reichskanzler stellen. Die Kompensationen waren unzweifelhaft notwendig, wenn wir Frank⸗ reich freie Hand in Marokko lassen wollten. Aber vielleicht hätte man die Kompensationen auf einem anderen Gebiete finden können. Es wäre außerordentlich wünschenswert gewesen, wenn die französischen Vorzugszölle in den Kolonien abgeschafft worden wären. Daß aber im anderen Falle die Kompensationen in Zentralafrika liegen mußten, lag auf der Hand. Nun ist gerade über diesen Teil des Abkommens die Schale einer bitteren Kritik über⸗ und übermäßig ausgegossen worden. Alle die Vorzüge, auf die man eingehen könnte, werden von anderer Seite immer wieder in Frage gezogen. Immerhin ist aber doch der Zugarg zu dem großen Stromgebiet in Zentralafrika als ein Vorzug anzusehen. Die dem gegenüberstehenden großen Nach⸗ teile hat ja auch der Reichskanzler freimütig als Uebelstände anerkannt, so die Grenzfrage, die Konzessionsfrage, alles Dinge, die auch in unseren Augen als sehr schwerwiegende Mängel erscheinen. Ueber die Konzesstonsgesellschaften werden wir uns in der Kommission mehrere Auskünfte erbitten müssen. Wir wollen auch wissen, ob diese Konzessionen mit der Kongoakte übereinstimmen. Ueber die Etappenstraße in Nord⸗Kamerun sind in der Presse gänzlich falsche Anschauungen aufgetaucht, als ob es sich um Zu⸗ lassung von militärischen Niederlassungen handelte, als ob die franzö⸗ sische Flagge gehißt würde, sodaß in den Augen der eingeborenen Bevölkerung nicht Deutschland, sondern Frankreich herrscht. Davon kann nach dem Wortlaut des Vertrages nicht die Rede sein. Es handelt sich lediglich um Magazin⸗ und Verpflegungsstationen. Aber das ist immerhin möglich, daß dadurch Streitigkeiten entstehen könnten. Die Einzelheiten werden uns voraussichtlich in der Kom⸗ mission beschäftigen. Aber ich möchte hier an den Schlußsatz eines „Temps“⸗Artikels im Anschluß an die Rede des Ministers Caillaux erinnern: „Angesichts der Fehler war es vielleicht schwer, eine bessere Liqurdation der komplexen Angelegenheit zu finden.“ Als wichtigste Errungenschaft ist das bessere Einvernehmen mit Frankreich hingestellt worden. Keiner von uns wäre da, der das nicht von Herzen begrüßte. Gewiß, wir wünschen, mit Frank⸗ reich in ein gutes Verhältnis zu kommen, aber ein französisches Blatt hat am gestrigen Tage einen Artikel gebracht, der diese Hoffnung als ganz illusoͤrisch erscheinen läßt. Es heißt darin: „Wenn man glaubt, daß durch das Abkommen ein solides Fundament für die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich gegeben sei, ist man im Irrtum. Was wir verlangen, ist nach wie vor eine Erfüllung unseres Revanchegedankens.“ Wenn etwas durch die Marokko⸗ und die nachfolgenden Verhandlungen klar geworden ist, so ist es das, daß all diese wohlgemeinten Friedensbestrebungen und Verständigungsversuche recht wenig wirklichen Wert besitzen. Diese wohlgemeinten Friedens⸗ und Verständigungsversuche scheitern immer wieder an der Macht der Tatsachen, an den widerstreitenden wirtschaftlichen Interessen und an der politischen Leidenschaft. Es war wirklich eine Ironie des Schicksals, daß für den 20. September ein Friedenskongreß nach Rom einberufen war. Aber ich glaube, wir selbst haben etwas zu viel von unserer Friedensliebe gesprochen. Wir sind ein friedliebendes Volk. Darüber sst gar keine Frage, aber wir sind nicht nur ein friedliebendes Volk, sondern wir sind auch ein mächtiges Volk und nicht mehr, wie es die Ansicht unserer Nachbarn jenseits des Rheins ist, ein Volk der Hungerleider, für das wir uns so gern ausgeben. Wenn man hingewiesen hat auf die Haltung der deutschen Boͤrsen und auf die unglaubliche Unrelfe gewisser Teile der deutschen Bevoͤlkerung, wie man sofort die Spar⸗ kassen stürmte, so muß es sich doch herausstellen, daß wir auch ein reiches Volk sind, und dank der Finanzreformen sind wir auch ein sparsames Volk geworden. Ich betone nicht etwa, daß wir nicht friedensliebend sein wollen, sondern ich meine nur, wir wollen be⸗ denken, was man im Auslande aus unserer Friedensliebe gemacht hat. Aus ihrer stetigen Betonung hat man im Auslande unsere Schwäche gemacht, daß wir gar nicht imstande wären, einen Krieg zu fübren⸗ Lesen Sie die französischen militärischen Blätter, die englischen Revuen, die nur ein Abklatsch aus dem Frauzösischen sind. Dort wird die Minderwertigkeit der deutschen Armee bewiesen, und leider
Darin
hat diese törichte Rederei in der deutschen Presse eine Nachahmung gefunden. Auch in dieser Richtung wollte ich eine Anfrage an den Reichskanzler richten und freue mich, daß er mir zuvorgekommen ist. Es kann nicht dgvon die Rede sein, daß unsere Ausrüstung nicht mehr auf der vollen Höhe steht, um mit voller Energie für die Welt⸗ stellung des Deutschen Reiches eintreten zu können. Es könnte unter Umständen nichts schaden, wenn einmal von autoritativer Seite gesagt würde, daß die Aufrechterhaltung des Friedens ein großes Gut sei, daß aber dieses Gut zu teuer erkauft sei, wenn es nur auf Kosten unserer Weltmachtstellung geschehen kann.
fs Abg. Dr. von Heydebrand und der Lasa (dkons.): Meine politischen Freunde hätten es gern gesehen, wenn einer Vor⸗ lage von einer so außerordentlichen Bedeutung wie der gegenwärtigen eine Begründung in einem größeren Umfang gegeben worden wäre, als es tatsächlich geschehen ist. Denn wenn auch die Vorlage dem Reichstage lediglich zur Kenntnisnahme vorgelegt worden ist, so fasse ich das doch so auf, daß es sich hier nicht darum handelt, von einem Gegenstand von der Bedeutung einfach Akt zu nehmen, sondern daß man auch erwartet, daß der Deutsche Reichstag sein Urteil über diese Angelegenheit spricht. Und wenn ein solches Urteil abgegeben werden soll, dann muß es sich zum großen Teil wenigstens auf diese bedeutsamen Ausführungen gründen, die wir vorhin seitens des Reichskanzlers gehört haben. Wenn auch in der Tat bezüglich des Kolonialabkommens mit dem Kongo eine größere Begründung uns gegeben worden ist, so ist das erst seit einigen Tagen geschehen (Zuruf links: Heute) oder auch erst heute geschehen, sodaß es ganz unmöglich ist, daß eine An⸗ gelegenheit von dieser Tragweite sofort übersehen werden kann, und deswegen sind meine politischen Freunde der Meinung, daß in einzelnen der vorliegenden Anträge ein ganz berechtigter Kern ist. Meine politischen Freunde sind deshalb der Meinung, daß es ge⸗ rechtfertigt ist, wenn der Vertrag einer Kommission — ob gerade der Budgetkommission, lasse ich dahingestellt — übergeben wird. Und dort werden die Regierungen sich ausführlicher über den ganzen Hergang der Verhandlungen und das Für und Wider äußern können. Wir haben auch nichts dagegen, wenn dieser Kommission die anderen Anträge, die heute von verschiedenen Seiten uns mit⸗ unterbreitet worden sind, vorgelegt werden. Aber ich bezweifle schon jetzt, daß ein Teil dieser Anträge die Zustimmung meiner politischen Freunde finden wird. Was die Wünsche anlangt, die Be⸗ grenzung der Schutzgebiete einer gesetzgebenden Aktion zu unter⸗ werfen, so ist das allerdings ein Gegenstand, über den man nach meiner politischen Auffassung in diesem Augenblick verschiedener Meinung sein kann, und meine politischen Freunde werden sich das Urteil darüber vorbehalten, bis die ganzen Verhandlungen darüber abgeschlossen sind. Was nun die Anträge anbelangt, die ebenfalls in dieser Kommission zu behandeln sein würden und dem Reichstage ein über den gegenwärtigen verfassungsmäßigen Rechtszustand hinaus⸗ gehendes Mitwirkungs⸗ und Genehmigungsrecht zuerkennen wollen, so kann ich Ihnen jetzt schon sagen, daß meine politischen Freunde dem nicht zustimmen werden. Das ergibt sich nicht etwa daraus, daß wir der Meinung wären, daß an und für sich dieses Forum nicht volle Be⸗ achtung verdient, sondern diese Ueberzeugung ergibt sich für uns einfach aus der Natur der Dinge, um die es sich bei derartigen Verträgen handelt. Es ist ganz unmöglich, daß Fragen dieser Art, die nur geleitet werden können von einem einheitlichen Willen, die getragen werden müssen von einer Kenntnis und Uebersicht der sämtlichen in Frage kommenden Materien, geleitet werden können anders, als wenn man auch die politischen Zusammenhänge vollständig übersehen kann. Solche Ver⸗ handlungen können nicht sachgemäß geführt werden, wenn nicht ein Gefühl und ein Standpunkt selbständiger Verantwortlichkeit vor⸗ handen ist. Diese Dinge können nicht anders geleitet werden zum Segen einer gedeihlichen Entwicklung. Es ist ganz unmöglich, daß man diese Dinge einer Körperschaft überweist, wie es der Deutsche Reichstag ist. Sie haben auch nicht das Recht, sich auf das Ausland zu berufen. Ich verweise ausdrücklich darauf, daß England, in Frankreich und in Italien derartige Entscheidungen, die in Frage stehende, getroffen worden sind von der Regierung allein ohne die maßgebliche Mitwirkung und Genehmigung der gesetz⸗ geberischen Körperschaften. Wenn wir auch durchaus nicht ganz mit dem einverstanden sind, was uns hier vorgelegt worden ist, so ent⸗ nehmen wir doch daraus keinen Grund, eine Verteilung der Kom⸗ petenzen zu ändern. Denn diese Frage kann man nicht von einem einzelnen Standpunkte aus beurteilen, sondern nur entscheiden, wenn man das Wesen der Dinge und auch die ganze Entwicklung in der Zukunft übersieht. Wir sind in die sehr schwierige Lage versetzt, urteilen zu müssen, ohne die tatsächlichen Unterlagen zu haben, um so schwieriger wird es uns, als deshalb weniger in die Oeffentlichkeit ge⸗ drungen ist, weil die Geheimhaltung im Interesse der Sache notwendig war. Jedenfalls ist jeder Außenstehende sehr mangelhaft in die Möglichkeit versetzt, sich von vornherein ein zutreffendes Bild zu machen. Dazu kommt, daß der einzige, von dem man vielleicht sagen kann, daß er von den beamteten Stellen etwas Wirkliches von diesen kolonialen Sachen versteht. erklärt hat: ich kann mit meiner Verantwortlichkeit das nicht decken. Diese Entlassung des Staatssekretärs von Lindequist hat sich unter Begleiterscheinungen vollzogen, die uns nicht sehr erfreulich ge⸗ wesen sind, und die guch der Reichskanzler mit seinen Ausführungen nicht ganz hat treffen können. Ich habe zu meiner großen Freude von dem Reichskanzler gehört, daß er mindestens die Fähigkeit und Bedeutung dieses Mannes anerkannt und in vollem Maße ins Licht gestellt hat, und das war um so notwendiger, als in der Tat Aeußerungen vorlagen, die in gewisse Verbindung mit der Reichs⸗ leitung zu bringen wir einen gewissen Anlaß haden, und wir in der Tat beinahe das Gefähl baben, als wenn die Reichsleitung von voru⸗ herein einen Mann in diese Stelle gebracht hat, der total unfäbig für sein Amt gewesen ist. Ich freue mich im Interesse nicht dloß der Reichs⸗ leitung, sondern auch dieses tüchtigen Beamten, daß dieser Vorwurf von ihm genommen ist. Es ist diesem verdienten Beamten noch ein anderer Vorwurf in offiziöser Form gemacht worden, daß in seinem Amt schwere Verletzungen der Gedeimhaltung wichtiger Staats⸗ öu““ in der Zeit, wo die Verhandlungen stattgefunden haben, vorgekommen seien. Ich hätte mich gefreut, wenn der Reichs⸗ kanzler auch noch hätte erklären können, daß dieser Vorwurf, dessen offiziöser Charakter doch nicht abzustreiten ist, mindestens den Leiter dieses Amts nicht trifft. Wenn ein Vorwurf in dieser Beziehung zu erheben wäre, so müßte man den Weg geben, den das Gesetz dafür weist. Man hätte eine Disziplinaruntersuchung gegen die Beamten einleiten müssen, die sich derartiges haben zu schulden kommen laßsen, aber es ist nicht richtig, in offizioͤser Weise Andeutungen zu machen, den Leiter des Amts in einer Weise anzugreifen, die er nicht derdient hat. Durch das Abkommen seldst sind meme politischen Freunde nicht doll befriedigt worden. Wir hatten gebofft, daß sich mehr und auch Besseres würde erreichen lassen. Was wir preisgeden, was wir kon⸗ edieren. ist doch in unseren Augen ganz ordentlich diel. Der Reichskanzler hat selbst nicht in Adrede gestellt, er kann es auch gar nicht, daß bisher nach der Algecirasakte und dem früderen Veorgange des Vertrages von 1909 Frankreich immerdin dech noch mit gewissen Einschränkungen in Marokto uns gegenüberstand. Es muß vshen gesagt werden, von einem selbständigen Marokko kann man eyezach nicht mehr sprechen, und das mit Zustimmung des Deutschen Neichen! Das ist ein Akr don so kolossaler allgemeiner pelitischer B. ang, eine Konzession, die eine so weitgreifende Wirkung haben daum uUnd haben wird, daß man erwarten durfte, daß dan, was weir dafuür Cic⸗ getauscht haben, unter allen Umständen einen sehr hbeohen Wert die sich getragen hätte, und diesen hoden Wert konnen wir num der demt. was dier gewonnen worden ist, nicht er Man bat uns agerlet Zusicherungen, will ich mal sagen, gogeben. Ader jedermanm weih doch, daß derartige Zusicherungen, desonders auf
und wirtschaftlichem Gediet, sich auch eimmal ändern nnemn doaß sie anders ausgelegt werden können und wenn man daum albs ketzte Sicherung etwa das Schiedewericht auffbellt, auf dessen Zeeseemeem⸗ sesung Frankreich einen sedr maßgebenden Einstuß dat. so dabe ich alerdings das Gefühl, das die Rechee die Detschland daben soll, keinesnwegs gesichert sind. Wenn das Deutsche Reich den seimet