Frankreich.
Der Text der englisch⸗französischen Deklaration über Aegypten und Marokko vom 8. April 1904 lautet nach einer Meldung der „Agence Havas“, wie folgt:
Geheimartikel. Artikel 1. In dem Falle, daß eine der beiden Regierungen sich durch die Gewalt der Umstände gezwungen sehen würde, ihre Politik gegenüber Aegypten oder Marokko zu ändern, sollen die Verpflichtungen, die sie gegeneinander in den Artikeln 4, 6 und 7 der heutigen Deklaration eingegangen sind, unberührt bleiben.
Artikel 2. Die englische Regierung beabsichtigt für den Augen⸗ blick nicht, den Mächten eine Abänderung der Kapitulationen und der Gerichtsverfassung in Aegypten vorzuschlagen. Sollte sich die englische Regierung veranlaßt sehen, in Aegypten in dieser Hinsicht Reformen ins Auge zu fassen, die dahin zielen, die ägyptische Gesetz⸗ gebung der der anderen zivilisierten Länder ähnlich zu gestalten, würde es die französische Regierung nicht ablehnen, diese Vorschläge zu prüfen, aber unter der Bedingung, daß die britische Regierung sich dazu versteht, Vorschläge zu prüfen, die die französische Re⸗ gierung ihr machen könnte, um in Marokko Reformen der gleichen Art einzuführen. .
Artikel 3. Die beiden Regierungen kommen überein, daß ein bestimmter Teil des marokkanischen Gebiets, der an Melilla, Ceuta und die anderen Presidios angrenzt, an dem Tage, an dem der Sultan aufhören sollte, seine Autorität darüber auszuüben, an die spanische Einflußzone fallen soll und daß die Verwaltung der Küste von Melilla bis zu dem Höhenzug am rechten Sebuufer ausschließlich Spanien überlassen werden wird. Jedoch soll Spanien von vorn⸗“ herein seine foörmliche Zustimmung zu den Bestimmungen der Artikel 4 und 7 der heutigen Deklaration geben und sich verpflichten, si auszuführen. Außerdem wird sich Spanien verpflichten, die unter eeine Autorität gestellten oder in seiner Einflußsphäre befindlichen Gebiete nicht zu veräußern, weder im ganzen noch teilweise.
Artikel 4. Wenn Spanien 8 die Aufforderung, den Be⸗ timmungen des vorhergehenden Artikels zuzustimmen, glauben sollte,
cch fern halten zu müssen, würde das Abkommen zwischen Frankreich und Großbritannien, wie es aus der heutigen Deklaration hervorgeht, nichtsdestoweniger unverzüglich anwendbar sein.
Artikel 5. In ven Fall⸗ daß die Zustimmung der anderen Mächte zu dem geheimen Projekte, das im Artikel 1 der heutigen Deklaration erwähnt ist, nicht erlangt werden sollte, wird sich die französische Regierung einer Rückzahlung der garantierten, privilegierten und unifizierten Schuld und zwar al pari vom 15. Juli 1910 ab nicht widersetzen.
— Die Regierung hat gestern in der Kammer die den erläuternden Briefen des Staatssekretärs von Kiderlen⸗Waechter zu dem Abkommen vom 4. November entsprechenden Ant⸗ worten des Botschafters Cambon verteilen lassen.
— In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer interpellierte der Abg. Lagrosilliére wegen der Kon⸗ zessionen in Tunis.
Wie „W. T. B.“ meldet, beklagte sich der Interpellant darüber, daß die besten Ländereien in Tunis nach einem ganz willkürlichen System Parlamentariern überlassen worden seien. Der Redner nannte dabei die früheren Minister Boucher, Mougeot und Cochery sowie den Abg. Chailley und erklärte, ein derartiges Vorgehen ziehe die Ab⸗ neigung der Eingeborenen nach sich. Der Abg. Thalamas griff den Generalresidenten von Tunis an, den er für die dortigen Unruhen verantwortlich machte. Nachdem der Abg. Chailley gegen die Be⸗ schaldisgamgen Lagrosillibres Einspruch erhoben hatte, wurde die Sitzung geschlossen.
— In der Kommission für auswärtige Angelegen⸗ heiten brachten gestern mehrere Kommissionsmitglieder wieder Bemerkungen über die Anwesenheit des Kreuzers „Berlin“½ vor Agadir vor und wiesen darauf hin, daß Heutschland 6 wohl daran täte, den Kreuzer in dem Augenblick zurückzurufen, wo die französische Kammer in die Erörterung des deutsch⸗ französischen Vertrags eintrete. Der Präsident der Kommission Deschanel, der sich dieser Meinung anschloß, erklärte obiger Quelle zufolge:
Er habe sich mit dem Minister des Aeußern de Selves über den Wunsch der Kommission unterhalten und werde von neuem darauf zurückkommen. Aber er sei der Ansicht, daß Verhandlungen über diesen Gegenstand sehr heikel seien und ebensoviel Vorsicht wie Höflichkeit erforderten.
— Unter dem Vorsitz des früheren Ministers des Aeußern Flourens fand, „W. T. B.“ zufolge, gestern in Paris eine Protestversammlung gegen das französisch⸗deutsche Abkommenstatt. Die nationalistischen Abgeordneten Bienaimé, Tournade und Delahaye erklärten, daß sie gegen das Ab⸗ kommen stimmen würden. 8
Rußland.
Der Reichsrat hat gestern den § 1 der Gesetzvorlage, die den Uebergang von einer Konfession zur anderen regelt, laut Meldung des „W. T. B.“ in der Fassung der Kommission angenommen. Danach ist der Uebergang erst nach Erreichung der Volljährigkeit und nach Ablauf von 40 Tagen nach der Anmeldung des Entschlusses gestattet. Ferner ist nur der Uebergang von einer christlichen Konfession zu einer anderen oder von einer nichtchristlichen Religion zu einer christlichen Konfession zugelassen. Der Vorschlag der Duma, jedem Voll⸗ jährigen das Recht der freien Wahl einer nicht strafbaren Kon⸗ fession zuzugestehen, ist abgelehnt worden
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Ueber den Einfluß, den der italienisch⸗türkische Krieg auf die wirtschaftliche und finanzielle Lage Italiens ausüben wird, erklärt der Finanzminister Tedesco in einem Interview der 85 Finance italienne“ laut Meldung des „W. T. B.“ etwa folgendes:
Die Lage der Finanzen könnte nicht besser sein, man habe an ihnen ein Organ, das jeder Belastungsprobe gewachsen sei. Im gegenwärtigen Augenblick überstiegen die verfügbaren ordentlichen Mittel der Staatskasse eine halbe Milliarde Lire. Die Regierung
könne gegebenenfalls über 225 Millionen Schatzanweisungen, die leicht in Italien unterzubringen seien, über 120 Millionen sofort bei⸗ zutreibende Kredite und über 125 Millionen statutarische Vor⸗ schüsse der Emissionsbanken verfügen, anz zu schweigen
— den Summen, die in barem eld bei fremden Instituten deponiert seien, und von dem Ueberschuß der Einkünfte über die Ausgaben. Dank dieser Bereitschaft könne man mit Sicher⸗ heit bestätigen, daß der gegenwärtige Kampf zu seinem Ziele Hefübrt werden könne, ohne dem berjamens außerordentliche Finanzmaßnahmen vorzuschlagen, ohne die Ausführung gesetzmäßig festgelegter Arbeiten aufzuheben und ohne eine sofortige oder spätere Erhöhung der Steuerlasten in Italien eintreten zu lassen. Die gegenwärtigen Operationen spielten sich auf einem Schauplatz ab, der sehr nahe bei Italien gelegen sei und zu dem schnelle Verbindungen beständen. Die Kosten für den Transport des Okkupationsbeeres seien sehr groß gewesen, sie verminderten sich jedoch merklich. Das Budget des Staats sei jetzt unendlich viel stärker als vor 15 Jahren, es habe seit 13 Jahren stets mit beträchtlichen Ueberschüssen abgeschlossen. Das abgelaufene Finnanzjahr habe mit einem beträchtlich höhenen Ueberschuß als das vorbergebende abgeschlossen. Auch für das laufende Jahr sei in dem berichtigten Budget ein gleichfalls sehr beträchtlicher Ueberschuß vor⸗ gesehen und selbst für das Finanzjahr 1912/13 erwarte man
Bisher habe das Wirtschaftsleben des Landes
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einen nicht unbedeutenden Ueberschuß besonders hohe außerordentliche Aufwendungen
obgleich in diesem Jahre erforderlich seien. keine Wirkung des gegenwärtigen Kampfes verspüren lassen. Die Wechselkurse, die vor der Kriegserklärung gestiegen wären und während einiger Tage un⸗ gefähr 101 betragen hätten, seien auf 100,63 zurückgegangen, ein Beweis, daß die fremden Märkte Italien ihr Vertrauen bewahrt hätten, und daß das Land nur seine eigenen überschüssigen Kräfte in Anspruch nehme und einer außer⸗ gewöhnlichen Hilfe von seiten der fremden Mächte nicht bedürfe. Auch der Ertrag der Steuern, die in direkter Beziehung zu der Produktion und dem Austausch ständen, zeige eine chere und erfreuliche Vermehrung. Der Außenhandel Italiens sei im Monat Oktober, dem ersten des Krieges, stärker als im Vorjahr. Der Minister schloß mit der Versicherung, daß Italien den gegen⸗ wärtigen Krieg nur mit den ordentlichen Mitteln seines Budgets, das noch ganz andere Belastungen tragen könne, führen werde. Italien habe dieses Unternehmen begonnen in dem Bewußtsein, daß es auf reichliche flüssige Finanzkräfte rechnen könne, die mehr als ausreichend seien für das zu erreichende Ziel.
88 Belgien.
Die Deputiertenkammer setzte in der gest die Militärdebatte fort.
Wie „W. T. B.“ berichtet, beendete der liberale Abg. Mon⸗ ville seine Anklagerede gegen das Verteidigungssystem. Er sagte, infolge der Verzögerung des Ausbaus der Befestigungen von Ant⸗ werpen sei dieses als befestigter Platz minderwertig, da es fast einem offenen Platze gleiche. Der Kriegsminister, General Hellebaut widersprach dem und erklärte, daß die Verzögerung im Aus⸗ bau der Forts in Antwerpen damit zusammenhänge, daß die Regelun des Scheldelaufes noch nicht vorgenommen worden sei. Im weiteren Verlauf der Sitzung entstand ein großer Lärm, als der Klerikale Verhaegen einige Offiziere, die den Zeitungen Material zur Kritik gegen die Militärbehörde liefern, ohne sich mit ihrem Material an die vorgesetzte Behörde zu wenden, des Vertrauensbruchs bezichtigte.
Die Debatte wird am kommenden Dienstag fortgesetzt werden und dürfte jedenfalls noch mehrere Sitzungen in An
spruch nehmen. Türkei.
Wie das Blatt „Ikdam“ meldet, hat die Pforte nach dem vorgestrigen Ministerrat ihre Botschafter im Auslande be⸗ auftragt, den Mächten mitzuteilen, daß die Regelung der Tripolisfrage von der Anerkennung der effektiven Souve⸗ ränitätsrechte der Türkei in Tripolis abhänge; die Pforte werde die nötigen Maßnahmen gegen jeden Angriff Italiens auf die türkischen Küsten ergreifen.
— Die Behörden der Insel Thasos berichten, wie „W. T. B.“ meldet, daß in der Nacht zum gestrigen Tage feindliche Kriegsschiffe bis an die Küste herangekommen wären, längs dieser manövriert hätten und dann gegen Lemnos weitergefahren seien. Sonst liegen keinerlei beunruhigende Meldungen von den türkischen Inseln vor. 8 “
Griechenland.
Weie „W. T. B.“ meldet, stellte der Ministerpräsident gestern in de Deputiertenkammer bei der Besprechung der Kretaangelegenheit die Vertrauensfrage. Die Abstimmung ergab 202 Svormmen für und eine Stimme gegen die Regierung.
(1, 1. 11“ ulgarien. 8 III1“ 2. der Sobranje führte gestern der Ministerpräsident Geschow im Laufe der Adreßdebatte laut Meldung des „W. T. B.“ aus:
Die Bulgaren seien eins mit allen, die den Frieden aufrichtig wünschten, auch mit den Türken, wenn diese den Frieden wollten und gewährleisten könnten. Die Regierung wolle gutnachbarliche Be⸗ ziehungen mit der Türkei unterhalten und hoffe, daß die Türkei die Notwendigkeit begreife, Bedingungen für die Einschränkung der Aus⸗ wanderung der Bulgaren aus Mazedonien und Adrianopel zu schaffen, die beiden Ländern nachteilig sei. Damit würde ein großer Schritt zur Befriedung Mazedoniens und Adrianopels getan, was niemand mehr wünsche als das bulgarische Volk.
Asien.
Die persische Regierung hat gestern die Forde⸗ rungen des russischen Ultimatums erfüllt. Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, haben die Gendarmen das Haus und die Besitzungen des Prinzen Schoa es Saltaneh, deren Bewachung persischen Kosaken anvertraut war, geräumt. Ferner erschien der Minister des Aeußern in Galauniform beim russischen Gesandten und übermittelte ihm die Entschuldigungen für die Beleidigungen gegen die Beamten des Konsulats, wobei er ausführte, daß die Ministerkrisis die einzige Ursache für die Verspätung der Genugtuung sei.
— Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ haben sich die chinesischen Revolutionäre, die jüngst in Hankau wieder eine feste Stellung gewonnen hatten, neuerdings nach Hanyang zurückgezogen. Obwohl sie einerseits ihre Bereit⸗ willigkeit ausgedrückt haben, über die Regierung des Landes mit Manschikai zu verhandeln, beharren sie anderseits dabei, daß die Errichtung der Republik das einzige Mittel sei, einen endlosen Kampf abzuwenden. Nach Berichten aus Hankau haben die Kaiserlichen den Han⸗Fluß überschritten, die Revolutionäre heftig angegriffen und das Fort auf dem Schild⸗ krötenhügel besetzt. Schantung hat seine Unabhängigkeits⸗ erklärung widerrufen.
Die Gesandten der fremden Mächte haben sich in einer Besprechung dahin geeinigt, daß es ratsam sei, die Gesandt⸗ chaftswachen zu verstärken. Die Stärke der einzelnen Wachen soll bis zu 300 Mann betragen.
— In der gestrigen Sitzung des japanischen Kabinetts, die von 9 Uhr früh bis zum Abend dauerte, wurden die Grundzüge des Budgets angenommen. Die Flottenvorlage und die Kredite für die im Jahre 1917 geplante Ausstellung sowie für verschiedene Hafenverbesserungen sind fallen gelassen
worden. Afrika.
Nach Meldungen der „Agenzia Stefani“ ist am gestrigen Tage vor Tripolis nichts Neues vorgekommen außer den gewöhnlichen kleinen Gefechten.
Wie aus Massaua gemeldet wird, sind die Kriegsschiffe „Calabria“ und „Puglia“ aus Akabah zurückgekehrt, wo sie einige Kanonenschüsse auf verdächtiges Terrain abgegeben, dabei aber die Dörfer geschont haben.
— Ein in Paris eingetroffenes amtliches Telegramm teilt mit, daß der frühere Sultan von Wadai Dudmurah sch zusammen mit dem Führer der Wadaileute unterworfen abe. “ “
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klärte. (Bgl. Nr. 274 d. Bl.)
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
In einer gestern abend von 2500 Arsenalarbeitern in Lorient besuchten Versammlung wurde, „W. T. B.“ zufolge, be⸗ schlossen, den passiven Widerstand von neuem aufzunehmen, falls die Militärbehörde ö. Strafmaßnahmen verfügen sollte. Gleichzeitig wurde ein Skreikausschuß gewählt, der sich permanent er⸗
Statistische Nachrichten⸗ s. i. d. Zweiten Beilage)
Wohlfahrtspflege.
Die in Bonn kürzlich verstorbene Witwe Kisker hat der Stadt Cöln 200 000 ℳ zur Verbesserung des Wohnungswesens vermacht; das Vermächtnis soll in der Hauptsache zum Bau von Arbeiterwohnungen verwendet werden.
Ferner haben die Erben des verstorbenen Rentners W. von Recklinghausen in Cöln insgesamt 200 000 ℳ an verschiedene gemeinnützige Anstalten geschenkt.
Der Geheime Kommerzienrat Robert Wetzlar in Eupen will mit einem Kostenaufwande von 300 000 ℳ eine Schwimm⸗ und Badeanstalt errichten lassen und nach Fertigstellung der Stadt Eupen als Geschenk überweisen.
Der Fabrikant Rudolf Schoeller in Düren hat der Kreis⸗ verwaltung Düren anläßlich der Genesung seiner Frau nach schwerer Operation den Betrag von 50 000 ℳ mit der Bestimmung über⸗ wiesen, daß die Erträgnisse dieser Stiftung zur Förderung der Jugendpflege in Stadt und Land des Kreises Düren, ö zur Bekämpfung der Schmutzliteratur, dienen sollen.
Kunst und Wissenschaft.
Im Institut für Meereskunde, Ee heesh. 34 — 36, spricht am 28. d. M. der Professor W. Stahlberg⸗Berlin über Schiffe im Nebel (mit Lichtbildern), am 1. Dezember der Fischerel⸗ direktor H. Lübbert⸗Hamburg über die großbritannische Hochsee⸗ fischerei (mit Lichtbildern) Die Vorträge beginnen um 8 Uhr Abends. Eintrittskarten zu 0,25 ℳ sind an den Vortragsabenden von 6 Uhr an in der Geschäftsstelle (Georgenstraße 34 — 36) zu haben.
A. F. In der letzten Fachsitzung der Gesellschaft für Erdkunde sprach Dr. Hans Spethmann über „Geomorpho⸗ logische Untersuchungen im östlichen Inner⸗Island und auf dem Nordrande des Vatna⸗Jökull“. Der Vortragende war der Begleiter eines, wie erinnerlich, im Jahre 1907 in rätsel⸗ hafter Weise verunglückten und verschollenen deutschen Forschers; er war dann 1910 zum zweiten Male im Hochsommer in Island und hat von beiden Reisen eine große Anzahl vor⸗ trefflicher Photographien mitgebracht, die er zur Erläuterung seiner hochinteressanten Mitteilungen durch den Bildwerfer vor⸗ führte. Obgleich nahezu völlig vegetationslos, ist der von ihm besuchte Teil Innerislands von einer so überraschenden Abwechslung der Landschaft und der Gebirgsformen im kleinen und großen, daß fast jedes der vorgezeigten Bilder neue und besondere Reize enthüllte. Die erdbildenden Kräfte waren hier ja wesentlich der Vulkanismus und — vielleicht in dieser Wirkung bisher nicht gehörig gewürdigt — auch der Wind; Lava in allerlei Gestalt, ursprünglicher und durch die verschiedensten Einflüsse umgeformter und umgruppierter, bedeckt den Boden. Nirgends aber entsteht der Eindruck der Einförmigkeit, teils wegen Unterbrechung des Einerlei einer Steinwüste durch Schneeflecke, die an beschatteten Stellen auch im Hochsommer nicht wegschmelzen, teils durch Seen oder Wasserläufe, die meist in großer Mächtigkeit dem Lava⸗ felde entströmen, in dessen lockerem Gefüge die atmo⸗ sphärischen Niederschläge schnell bis zur tiefsten Stelle, an der undurchlässiges Gestein ein Hindernis bildet, herabsinken. Die anderswo gewöhnliche Erscheinung schwacher Wasseradern, die sich allmählich durch Zuflüsse verstärken, also der Bäche und der kleinen Flüsse, fehlt in Island fast gänzlich. Ein aus dem Gestein hervor⸗ dringender Fluß ist sogleich als ein breiter Strom da. Häufig bilden Moränen, aus einer Zeit stammend, wo das Klima noch ähnliche Erscheinungen hervorrief, wie in unserer über die Schneegrenze hinausragenden Hochgebirgen, das Bett für strömendes Wasser, sind der unregelmäßigen Gestalt ihrer Seitenwände halber aber nicht überall geeignet, die Wässer zusammenzuhalten. Begegnen diese einer Lücke in der Wand, so steigen sie in gewaltigen Wasserfällen und Strudeln in die tiefer gelegenen Teile des Gebirges hinab. Die wunderbarste Abwechslung zeigen die Vulkane, die erloschenen sowohl, als die noch von Zeit zu Zeit tätigen. Die Form der genau kegelförmigen Schildvulkane, in den vulkanischen Gebieten Deutsch Ostafrikas so häufig beobachtet, ist auch in Island viel vertreten und gewährt, wenn die Spitze oder bei deren Fehlen die schildartig flache Decke, mit Schnee und Eis beladen ist, während die steilen kahlen Basaltseitenwände sich davon tief⸗ schwarz abheben, einen das Auge fesselnden Anblick. Merk⸗ würdig sind auch die aus Lava an der Spitze der Vulkane aufgebauten Hauben, an einer Seite geöffnet, inwendig von ganz glatter Wand, auswendig dagegen besonders zackig gestaltet. Oefter ist ein jetzt ruhender Vulkan vollständig von seinem Schutt bedeckt, gewisser⸗ maßen eingekleidet. Ein Bild zeigte einen solchen Berg von schönster, regelmäßiger Kugelgestalt, an dem nur die scharfe Spitze sich von Schutt frei erwies und die wunderlichen Gebilde erkennen ließ zu denen beim Aufhören des Druckes von innen die Lava erstarrt war. Einen höchst eigenartigen Anblick gewähren die Gletscher, wo sie, wie am Schneeberge „Vatna Jökull“, in großer Ausdehnung vorhanden sind. Nach Süden strecken sie Gletscherzungen hinaus, wie wir sie an den Gletschern unserer Alpen kennen, nach Norden aber bilden sie ein geschlossenes Ganzes, das bei der An⸗ näherung von dieser Seite her fast genau wie eine große Ansamm⸗ lung von Haufen weißer Wolken aussieht. (Bilder bekräftigten diese eigenartige Erscheinung.) Der Vortragende hat auch den Wirkungen des Windes besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Auffallend ist das häufige Vorkommen von bis 1000 m hohen Windhosen, die von ungleich zerstörenderer Wirkung auf das Gestein sind als die gleichen Elementarereignisse irgendwo anders, weil Bergen und Tälern, Felsen und Felsbrocken der Schutz des Pflanzenwuchses vollständig fehlt. Die Folge ist eine überaus starke Zerbröcklung und Zerstäubung des Ge⸗ steins durch die Gewalt des Windes, ja selbst eine Verschiebung und Ortsveränderung kleinerer Lava⸗- und Bimssteinstücke. Aus diesem Grunde sind die Windhosen auch stets mit Staubmassen beladen, die sie weit forttragen und zusammenbrechend fallen lassen. Das hat wieder eigentümliche Folen Wo Staubmassen auf Schneeflächen fallen, gruppieren sie sich zusammenbackend zu runden Flecken und verhindenn lange das Schmelzen des überlagerten Schnees, während der Schnee in den Zwischenräumen wegschmilzt und den dunklen Felsgrund bloß⸗ legt. Das gibt ganz seltsame Landschaftsbilder, von denen eine Anzahl
ezeigt wurden. Da der Wind zwischen größeren Lavastücken die und den angesammelten Staub hinausfegt, erzeugt er an solchen Stellen auch seltsame Bilder, entfernt an den Anblick nebeneinander ereihter Heuschober erinnernd. Alle diese Photographien machten den Eindruck, daß sie bei besonders sorgfältig gewählter Sonnenbeleuchtung aufgenommen waren. Der Vortragende aber erklärte, daß die isländische Landschaft im Hochsommer bei dem niedrigen Sonnen⸗ stand diese Reize von selbst und jederzeit darbiete und er nur be⸗ dauere, keine farbigen Lichtbilder vorhegen zu können, um eine Vorstellung von der Pracht der Beleuchtung, namentlich im Glanz der Mitternachtssonne, zu geben. — In dem ich an den Vortrag schließenden Meinungsaustausch bestätigte Professor Jäger, der Teilnehmer der ersten hhsgungenht des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg gewesen ist, die große Aehn⸗ lichkeit der isländischen und der von ihm in Ruanda und im ost⸗
Nafrikanischen Graben gesehenen vulkanischen Bildungen, und von
Geheimrat Jentsch wurde dem Vortragenden recht gegeben, daß die mit Erforschung der Vorgänge in der Diluvialzeit beschäftigten Geo⸗ logen kaum ein geeigneteres Feld für ihre Studien finden könnten als
land. Is Der Vorsitzende, Geheime Rat Hellmann, dankte zum Schluß Dr. Spethmann, daß er der Versammlung einen interessanten Ein⸗ blick in das Spiel der bei der e” der Erde tätigen Kräfte und den Werdegang ihres geologischen Aufbaues gewährt habe.
In der Deutsch⸗Asiatischen Gesellschaft hielt gestern abend der Chefredakteur der Monatsschrift „Japan und China“, Shigenobu Oikawa, einen Vortrag über: „Das gegenwärtige Unterrichtswesen in Japan“. Der Vortragende führte etwa aus, daß Japan mit seinen nahezu 66 Millionen Einwohnern den anderen Großmächten an Reichtum noch sehr nachstehe, weil es für die Erziehung des Volkes und die Verbreitung der Wissenschaft erst svät zu sorgen angefangen habe. Deutschland habe frühzeitig die
Bedeutung der Erziehung erkannt und dadurch nicht nur im Kriegs⸗
wesen große Erfolge erzielt, sondern nehme nunmehr auch in Handel und Industrie eine hervorragende Stellung ein. In Fapan habe erst nach der Restauration der Kaiserlichen Macht die neue Regierung ihr Augenmerk auf die Reform des jinterrichtswesens gerichtet, das alte Tokugawasystem beseitigt und allen Schichten der Bevölkerung die Bildung zugänglich gemacht. Nach der Statistik von 1907 hat Japan 27 125 Elementarschulen, z8 Blinden⸗ und Taubstummenanstalten, 69 Lehrerseminare, 2 hohere dehrerseminare, 4 zeitweilige Lehrerfortbildungsanstalten, 287 Mittel⸗ schulen, 133 höhere Mädchenschulen, 8 Oberschulen, 4 Universitäten, 52 Fachschulen, 5301 Schulen für Handel, Industrie und Landwirt⸗ schaft, 3 Fortbildungsschulen für technische Lehrer, 2172 verschiedene Schulen, also insgesamt 35197 Schulen. Unter der Verwaltung des Kriegsministe riums stehen die Kriegsakademie, Kriegsschule, Militär⸗ und Zahlmeisterschule, die Kadettenanstalten (1 zentrale und 5 lokale), die militärärztliche Schule, Tierärztliche Schule, Schwer⸗ Artillerieschießschule, Feldartillerieschießschule, das Reitinstitut, Artillerie⸗ und Ingenieurschule u. a. m.; unter der Verwaltung des Marine⸗ ministeriums stehen die Marineakademie, Marinekriegsschule, Marineingenieurschule, Marineärztliche Schule, Marinezahlmeister⸗ schule. Es sind also in Japan nunmehr alle Einrichtungen so ge⸗ voffen, wie sie in den Kulturstaaten Europas bestehen. Doch genuͤgt die Anzahl der Schulen nicht den an sie gestellten Anforderungen. Besonders macht seit einigen Jahren ein großer Mangel an staatlichen Ober⸗ und technischen Schulen sowie in Handels⸗ und anderen Fachschulen bemerkbar. Es müssen in Japan von hundert jungen Leuten, die die Mittelschule erledigt haben, 85 wegen Platzmangel vor der Tür der Oberschule oder einer in gleichen Range stehenden Fachschule Kehrt machen. Nach dem japanischen Schulsystem tritt der Junge im Alter von 6 Jahren in die gewöhnliche sechsklassige Elementarschule, im 12. in die Mittel⸗ schule, im 17. in die Oberschule und im 20. Jahre in die Universität ein. Die Studenten, die Naturwissenschaft, Literatur, Technologie oder Landwirtschaft studieren, können erst mit 23 Jahren die Universität absolvieren, Studenten der Medizin oder der Rechte ein Jahr später; doch stehen wegen des großen Mangels an Schulen die Absolventen der Universität jetzt meist noch im Alter von 27 bis 28 Jahren. Ein Mangel besteht auch an 8c ebildeten Lehrern. Um ihm abzuhelfen, sendet die japanische Fge. alljährlich diele Gelehrte nach den verschiedenen Ländern Europas und Amerikas, wo diese ihr Studium fortsetzen. In Deutschland befinden sich heisppielsweise stets etwa 300 Japaner, die in Japan bereits die Universität oder eine andere Hochschule durchgemacht haben. Erst wenn eine durchgreifende Vermehrung der hohen Schulen, besonders derjenigen für Handel, Industrie und Landwirtschaft die Kenntnisse unf diesen Gebieten erhöht haben würde, werde man den Reichtum des Landes genügend zu fördern vermögen. Erst dann werde Japan tuch in dieser Beziehung zur „Großmacht“ aufrücken. v“ “
Technik. G
àA. F. Der zweite Tag der Hauptversammlung der Schiffbautechnischen Gesellschaft begann mit einer geschäft⸗ lchen Sitzung, aus der bekannt wurde, daß im Juni k. F eine Sommersitzung in Kiel stattfinden soll mit der Aussicht auf einen Vortrag über Unterseeboote. Es erhielt dann das Wort der technische Direktor beim Norddeutschen Lloyd M. Walter⸗Bremen zu einem Vortrage über „Einfluß der Drehrichtung der Schrauben bei Doppelschraubendampfern auf die Manövrierfähig⸗ keit bei stilliegenden Schiffen“. Alle Doppelschraubendampfer
“ 8
bbesitzen den Vorzug, in beengten Gewässern mit Hilfe der Maschinen⸗
manöver eine Drehung des nicht in Fahrt befindlichen Schiffes auf der Stelle“ vornehmen zu können. Diese Möglichkeit ist iadurch gegeben, daß die Dampfer mit Schrauben ausgestattet sind, die in ihrer oberen Hälfte entweder nach außen (von der Schiffsmitte weg) oder nach innen (nach der Schiffsmitte zu) schlagen. Auf die Drehfähigkeit des nicht in Fahrt befindlichen Schiffes wird durch diese terschiedenen Drehrichtungen ein mehr oder minder günstiger Einfluß zusgeübt, über dessen Größe und Bedeutung die Ansichten der Fach⸗ tete aber weit auseinander gingen. Der Norddeutsche Lloyd hat nun nit zwei kleineren, sich viel in engen Gewässern bewegenden Doppel⸗ shraubendampfern hinsichtlich der Drehfähigkeit des stilliegenden Schffes mit nach innen schlagenden Schrauben ungünstige Erfahrungen semacht und deshalb die Maschinenlager auf beiden Schiffen fahin abgeändert, daß die Schrauben jetzt nach außen schlagen. Heide Schiffe manöprierten nach der Aenderung gut. Auch die Schiffsgeschwindigkeit hatte durch die Aenderung der Schrauben⸗ nehung nicht gelitten. Der Vortragende empfahl deshalb, Doppel⸗ chraubendampfer nur noch mit nach außen schlagenden Schrauben zu dersehen und lieber den hiermit zusammenhängenden Nachteil geringerer sebersichtlichkeit der Maschinenanlagen von einem zwischen beiden saschinen liegenden Maschinenstande aus in Kauf zu nehmen, als den Vorteil der Drehfähigkeit aus der Stelle der nicht in Fahrt be⸗ fndlichen Doppelschraubendampfer zu gefährden.
„Der Oberingenieur Dr. R. Wagner vom „Vulkan“ in Stettin srrach über „Praktische Ergebnisse mit Gegenpropellern“: Es ist trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen, die Schiffs⸗ schraube wesentlich zu verbessern. s
. Ein de großer Teil Maschinenarbeit geht immer noch
3 . 1 nutzlos in Wirbelenergie des nstretenden Schraubenstromes über, weil der Propeller das Wasser nicht nur in der Längsrichtung, sondern infolge der schrägen Stellung de Flügelblätter auch in der Umfangsrichtung beschleunigt. Zur Um⸗ ormung dieser jetzt verloren gehenden Drehungsenergie in nützliche Schub⸗ arbeit hat der Vortragende einen sogenannten „Gegenpropeller“ erbaut. t besteht aus feststehenden gekrümmten Schaufeln, die, hinter dem fewöhnlichen Propeller angebracht, die Aufgabe haben, das tangential bechleunigte Wasser in die Richtung der Achse überzuleiten und hier⸗ krc noch einen zusätzlichen nützlichen Schub auf das Schiff auszu⸗ Cen. Die Vorrichtung ist schon mehrfach an größeren und kleineren chiffen, u. a. auch an einem Torpedoboot angebracht und eingehend ühtobt worden, wobei sich ein Gewinn an Maschinenleistung für die sliche. Geschwindigkeit von im Mittel 15 % oder bei gleicher aschinenleistung von entsprechender Geschwindigkeitserhöhung heraus⸗ Fetellt hat. Außerdem wurde fast bei allen mit Gegenpropellern dassehenen Fahrzeugen eine wesentliche Verminderung der sonst erhandenen Erschütterungen des Hinterschiffs beobachtet. Bei analfahrzeugen werden Kanalsohle und Böͤschungen mehr geschont, 4ℳ natürlich ist, da die Drehung des Schraubenstromes güindert ist und ein Aufwühlen des Kanalbodens nicht mehr statt⸗ uden kann. Ein ähnlicher Gewinn hat sich bei Verwendung des sch enpropellers für Luftfahrzeuge ergeben. Sollte letztere Erfahrung 8 ewähren, so würde das ganze Luftschiffahrwesen sozusagen auf sne neue Basis gestellt werden. Der Gegenpropeller läßt sich, da er senicht rotiert, äußerst leicht herstellen. — Das große, durch vor⸗ 5 ende Darlegungen der praktischen Ausführung eines ein⸗ chtend richtigen Gedankens angeregte Interesse der Ver⸗
sammlung erfuhr noch eine Steigerung bei dem nach⸗ folgenden Punkt der Tagesordnung: „Die Gasturbine“ erläutert durch den Ingenieur Holzwarth⸗Mannheim; denn über diese neueste Erscheinung hatte bisher die schon lange in Aussicht stehende erste Veröffentlichung noch nicht stattgefunden. Ihr war deshalb mit größter Spannung entgegengesehen worden. Die nach den Patenten von Kommerzienrat Erhard Junghans⸗Schramberg und Hans Holzwarth von Brown Boveri A.⸗G. (Baden⸗Mannheim) erbaute, 1000 Pferdekräfte leistende Gasturbinenanlage wurde mit großer Anschaulichkeit an der Hand von Lichtbildern erklärt. Die Versuche mit ihr sind zwar noch nicht vollständig abgeschlossen, aber auf Grund ihrer und der vorliegenden Erfahrungen an einer ersten kleineren Maschine derselben Art, die im Auftrage und nach den An⸗ gaben der Patentinhaber von Gebrüder Koerting A.⸗G. in Hannover erbaut und eingehend erprobt worden ist, darf schon heute gesagt werden, daß hier eine in hohem Grade beachtenswerte Lösung der Aufgabe vorliegt, das Turbinenprinzip auf die Benutzung von Kraftgas, Leuchtgas, Benzin, Petroleum, Gasöl, Teeröl anzuwenden. An den Vortrag knüpfte sich in knapper Form eine Uebersicht über die hauptsächlichsten theoretischen Gesichtspunkte. Insbesondere wurden die vorliegenden Versuchsergebnisse zum Auf⸗ und Ausbau der Erkenntnistheorie der Gasturbine verwertet. Vergleiche mit der Gaskolbenmaschine, Ent⸗ würfe für Kriegs⸗ und Handelsschiffe erläuterten die Zukunftsaussichten der Gas⸗ bezw. Oelturbine für deren Verwendung sowohl im Hoch⸗ ofen⸗, Koksofen⸗, Hüttenbetrieb, in großen Kraftzentralen, als auch für den Antrieb der Schiffsschraube.
Den letzten Vortrag hielt der Ingenieur Fritz Lux⸗Ludwigs⸗ hafen a. Rh. über einen von ihm erfundenen neuen elektrischen Torsions⸗Induktor, auch Torsions⸗Dynamomotor genannt. Das Instrument ist in erster Linie dazu bestimmt, die Verdrehung von Schiffswellen und damit die von diesen Wellen uͤbertragenen Kräfte, zu messen, aufzuzeichden und zu summieren. An einer Stelle einer Welle, deren Verdrehung gemessen werden soll, wird bei jeder Umdrehung ein Strom von niedriger Spannung auf kurze Zeit geschlossen und sofort wieder unter⸗ brochen. “ wird in der Sekundärwicklung eines Trans⸗ formators ein hoher Strom erzeugt, der an einer beliebigen anderen Stelle der Welle von einem auf dieser Welle sitzenden, rotierenden Stift in Form eines Funkens auf einen feststehenden Gradbogen über⸗ springt, sodaß die Verdrehung der Welle unmittelbar abgelesen werden kann. Außerdem wird die Verdrehung der Welle auch graphisch auf⸗ gezeichnet und von einem Zählwerk registriert. Der Vortragende er⸗ läuterte die einzelnen seinem Apparat gestellten und von ihm genau ausgeführten Aufgaben an einem im SElal aufgestellten Torsions⸗ induktor und erntete damit regen Beifall. Ein Probeapparat ist für den Kreuzer „Ersatz Kondor“ zu lieeeer. b
Jagd.
Ddienstag, den 28. d. M., findet Königliche Parforce⸗ jagd statt. Stelldichein: Nachmittags 1 Uhr an de grenze auf dem Wege Groß Glienicke —Döberiz.
Theater und Musik. Deutsches Theater. “
„Die Kassette“ von Karl Sternheim, aufgeführt, dem Verfasser der seinerzeit in den Kammerspielen gegebenen Komödie „Der Rlesser Die Bezeichnung Komödie entsprach wohl auch diesmal, der Dehnbarkeit ihres Inhalts wegen, am besten dem Zweck; denn was man zu sehen bekam, war teils Charakterlustspiel, teils Posse, teils groteske Satire. Die Begabung Sternheims für wirksame Theaterkunst ist nicht gering, aber ihm fehlt die Mäßigung, die Selbstkritik und die Fähigkeit, den geraden Weg zu einheitlicher Wirkung zu gehen. Die Stile fließen durcheinander wie die Füguren und Szenen. Das Ganze bekommt dadurch etwas Willkürliches, Sprunghaftes, das sich den Darstellern mitteilt. Mit einer an Shaw erinnernden Lustigkeit an⸗ fangend, endigt die Sache mit unbehaglichem Ernst. Gewalt⸗ sam wechselt das Gesicht der Szenen, und gewalttätig wird schließlich das Spiel, dem man manchmal erstaunt und ungläubig zuschaut. Und doch hat das Stück auch Eigenschaften, die ewürdigt zu werden verdienen. Es enthält viel gute Ansätze, so z. K frucht⸗ bare Lustspielmotive, Situationskomik, scharfe Charakteristik; man darf also vom Verfasser hoffen, daß er einmal seine Kräfte sammelt und sondert. Sehr fesselnd ist, wie er dem alten Motiv von der Geldgier spannende Seiten abgewinnt. Im Mittelpunkt steht eben das Geld, die „Kassette der Erbtante“. Wir sehen, wie die Tante, selbst in Habsucht verstrickt, mit dem Geld ihre Umgebung zu beherrschen sucht. Den Oberlehrer Krull, der, anfangs ein Idealist, zunächst nur einen Seitenblick nach dem Gelde wirft, verwandelt die steigende Gier in einen Harpagon, der alles andere von sich gleiten läßt, so vor allem die Liebe seiner jungen Frau, die er gleichmütig untreu werden sieht. Nüchtrich hält er, die Kassette im Arm, finanzpolitische Monologe und treibt auch seinem Schwiegersohn, einem schwärmerischen Photographen, die idealen Künstlerträume durch den Anblick des soliden Kassetteninhalts aus. Dieser Photograph erscheint innerhalb des Rahmens des Ganzen als die am besten im Stil gehaltene Figur, und man kann daraus ersehen, daß es dem ganzen Stück zum Vorteil gereicht hätte, wenn die Tonart des Satirisch⸗Komischen beibehalten worden wäre. Herr Waßmann war in dieser Rolle des gewissenlosen Don Juan und schwärmerischen Praktikers sehr wirkungsvoll. Den Löwenanteil des Erfolges aber konnte Herr Bassermann als Krull beanspruchen, in einer Riesen⸗ rolle, mit Liebesszenen, mit Tobsuchtsanfällen, mit langen Monologen, Situationskomik und allen Spielarten einer theatralischen Psychologie. Er hatte starke Momente; aber er muß sich auch vor Uebertreibungen hüten. Die Erbtante gab Emilie Kurz; 8 spielte mit der grotesken Art, in der sie ihrer Schadenfreude über die kommende Enttäus ung der Erben Ausdruck gab, wenn sie erfahren, daß alles Geld nicht ihnen, sondern der Kirche zufällt, ihren Haupttrumpf aus. In den anderen wichtigen Rollen zeichneten sich Else Bassermann und Johanna Terwin aus.
Lessingtheater.
Ernst Hardt, der zwiefach mit dem Schillerpreis gekrönte Dichter von „Tantris der Narr“, kam gestern auf der Bühne des Lessingtheaters mit einer neuen dramatischen Dichtung zum Wort. Wiederum ist es ein deutscher Sagenstoff, den er seinem Werke zu⸗ grnnde legte: das bekannte mittelhochdeutsche Epos „Gudrun“, das Hohelied der Frauentreue. Um es gleich vorweg zu sagen, es gingen sehr starke und tiefe Eindrücke von der Aufführung aus, die uns die Kenntnis eines Dramas vermittelte, das weit über den „Tantris“ bin⸗ ausragt. Erfreulich war vor allem die Erkenntnis, daß der Schiller⸗ preis seinerzeit einem Würdigen zugefallen ist, der die von ihm ge⸗ hegten Erwartungen zu erfüllen befähigt und berufen ist. Ob⸗ wohl Hardt in seinem neuen Werk setren dem Gang des Gudrunliedes folgt und mit richtigem Instinkt den dramatischen Kern, der in ihm enthalten ist, herausgeschält hat, beschränkt er sich mit dem Recht des Neuschöpfers nicht lediglich darauf, den Inhalt des Epos, wie er ihn vorfand, einfach in eine andere Form umzugießen, sondern erweiterte und vertiefte ihn durch neue, aus Eigenem ge⸗ wonnene seelische Triebe und Motive. Wohl hält auch seine Gudrun dem Dänenköni Herwig, dem sie angelobt ist, als Gefangene Hartmuts, des Normannenkönigs, die Treue; aber, ihr zuerst fast unbewußt, hat sich die Liebe zu ihrem kühnen und ritterlichen Entführer in ihr Herz ein⸗ geschlichen. und nun gilt es für sie, doppelt wachsam zu sein, auf daß ie mit keiner Miene, keiner Seelenregung sich verrate, treu vor allem sich selbst bleibe in Königlicher Pflichterfüllung auch als dienende Magd der sie demütigenden Frau Gerlind. Aber au Frau Gerlind, die Mutter Hartmuts, die „Wölfin“ des Gudrun⸗ lieds, handelt, indem sie Gudrun zur Magd herabwürdigt, nicht einfach aus Lust am Bösen. Rührende Mutterliebe sr die Triebfeder ihres Handelns und der Wunsch, den Stolz der
Hegelingentochter in harter Fron zu beugen, damit sie in die Ver⸗
Im Deutschen Theater wurde gestern eine fünfaktige Komödie,
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mählung mit Hartmut willige. So hat Gudrun am Normannen⸗ hofe einen zwiefach schweren Kampf zu kämpfen: den Kampf wider die sie umgebenden Mächte und den viel schwereren gegen sich selbst, gegen ihr eigenes Herz, das mit allen Fibern nach Hartmuts Liebe verlangt. Dieser innere Zwiespalt drängt die dramatische Dichtung Hardts, im Gegensatz zum Gudrunliede, zu tragischem Ausgang. Als Herwig Gudrun am Meeresufer das Linnen der Frau Gerlind waschend finder und sie auf der Stelle mit sich nehmen will, weigert sie sich, weil es sich nicht für sie gezieme, heimlich und als Magd aus der Haft zu entfliehen. Im Kampfe soll Herwig sie zurückgewinnen. Herwig ver⸗ spricht, bei Sonnenaufgang den Sturm auf die Normannenburg ins Werk zu setzen. Gudrun aber wirft nun, wie im Epos, Frau Ger⸗ linds Linnen ins Meer, tritt ihr kurz vor dem erwarteten An riff stolz gegenüber und erklärt, nicht mehr dienen zu 2 sondern in die Vermählung mit Hartmut einzuwilligen. Stolz und verschlossen bleibt aber Gudrun, als Gerlind sie nun als Tochter umarmen will, und da in diesem Augenblick Herwig und Wate mit den Scharen der Dänen und Hegelingen vor dem Tor erscheinen, tötet Gerlind mit einem Dolchstich die vermeint⸗ liche Verräterin. Aus den Worten der sterbenden Gudrun entnimmt sie, daß diese ihren Sohn Hartmut geliebt habe, und gibt sich nun verzweifelnd selbst den Tod. Das ist in kurzen Zügen der Gang von Hardts wundervollem Trauerspiel, das in seiner edlen Verssprache, seinem Gedanken⸗ und Gefühlsinhalt weit reicher ist, als sich im Rahmen einer kurzen Schilderung auch nur andeuten läßt. — Der Stil des Werkes bereitete den an ganz andere Aufgaben gewöhnten Schau⸗ spielern des Lessingtheaters nicht geringe Schwierigkeiten. Es zeugt aber für ihr gutes Können, daß sie sie bewältigten, daß nirgends ein störendes Element sich vordrängte. Ganz an ihrem Platze war Irene Triesch als Gerlind sowohl in der Beherrschung des Worts wie der großen, der Tragödie Ensesmessenen Gebärde. Lina Lossens Gudrun war eine Königliche Erscheinung, die Verse aber flossen nicht mit der erwünschten Leichtigkeit von ihren Lippen, und ihr Spiel ließ nicht immer ahnen, daß Stolz und Kälte nur eine Maske sein sollten, unter denen sich eine tiefe Seelenpein verbarg. Die patriarchalische Erscheinung des alten Helden Wate verkörperte Herr Reicher würdig und kraftvoll; eine markige Germanengestalt war Hans Marrs Herwig, dagegen entsprach Kurt Stielers Hartmut nicht ganz dem ritterlichen Urbilde der Dichtung. Unter den anderen zahlreich Mitwirkenden sei noch Willy Froböse als temperamentvoller, kampflustiger König Hettel, der Vater Gudruns, lobend hervorgehoben. Von malerischer Schönheit war auch der dekorative Rahmen, den Pro⸗ fessor Leffler für das Werk entworfen hatte. Der anwesende Dichter wurde zum Schluß mehrmals stürmisch hervorgerufen.
Im Königlichen Opernhause geht morgen (Totensonnta Mohuls Oper „Joseph in Aegypten“ mit den Rezitativen von in Szene. Herr Kraus singt die Titelrolle, den Benjamin Fräulein Dux, den Jakob Herr Fischer, den Simeon Herr Hoffmann, den Ruben Herr Sommer den Naphtali Herr Philipp, den Utobal Herr Bachmann. Die musikalische Leitung hat der Kapellmeister von Strauß. — Am Montag findet eine Wiederholung des „Rosenkavaliers“ statt, mit den Damen Denera, Easton, Böhm⸗ van Endert (erstmalig als Octavian), den Herren Knüpfer und Bischoff in den Hauptrollen. Dirigent ist der Generalmusikdirektor Dr. Muck.
Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Sudermanns Tragödie „Der Bettler von Syrakus“ in der bekannten Besetzung wiederholt. — Am Montag wird G. Freytags Lustspiel „Die Journalisten“, mit den Damen Arnstädt, Steinsiech Butze und Vollmer sowie den Herren Vollmer, Keßler, Böttcher, lewing, Patryv, Werrack und Eichholz in den Hauptrollen, gegeben.
Das Lessingtheater bringt in nächster Woche Wiederholungen von Ernst Hardts Tragödie „Gudrun“ außer am morgigen Sonntag⸗ abend noch am Mittwoch, Freitag, Sonnabend und nächstfolgenden Sonntagabend. Am Montag wird „Baumeister Solneß“ aufgeführt, am Dienstag und nächstfolgenden Montag „Das weite Land“, am Donnerstag „Glaube und Heimat“. Am Sonntag, den 3. Dezember, Nachmittags, geht „Die versunkene Glocke“ in Szene.
Im Neuen Schauspielhause wird morgen sowie am
Dienstag und Freitag die Neueinstudierung von Hebbels deutschem Trauerspiel „Agnes Bernauer“ wiederholt. Am Mittwoch, Sonn⸗ abend und nächsten geht Paul Apels Traumspiel „Hans Sonnenstößers Höllenfahrt“ in Szene. Am Montag wird „Büxl“, Donnerstag wird „Alt⸗Heidelberg“ gegeben. In der Komi schen Oper wird morgen „Rigoletto“ aufgeführt. In den Hauptpartien sind beschäftigt die Damen: Aurelie Révy, Marie van Beekum, die Herren: Fo bannes Reinhardt, Marian Kondracki, Otto Saltzmann und Theodor Hieber. Am Montag geht bei ermäßigten Preisen „Der Troubadour”, und am Freitag „Der Waffenschmied“ in Szene. Dienstag und Donnerstag wird „Der Freischütz“ gegeben, am Mittwoch wird „Rigoletto“ wiederholt. Für Sonnabend, den 2. Dezember, ist „La TPraviata“ angesetzt.
Im Schillertheater 0. (Wallnertheater) wird morgen abend „Es lebe das Leben“, Montag „Madame Sans⸗Gene“ gegeben. Dienstag findet die erste Aufführung von Fuldas „Maskerade“ statt; diese Vorstellung wird Mittwoch, Freitag und nächsten Sonntag⸗ abend wiederholt. Donnerstag geht „Wilhelm Tell“, Sonnabend „Don Carlos“, nächsten Sonntagnachmittag „Das Ürbild des Tartüff“ in Szene.
Das Schillertheater Charlottenburg bringt morgen abend sowie am Montag, Mittwoch und Freitag Don Carlos“. Dienstag wird „Wilhelm Tell“, Donnerstag und Sonnabend „Madame Sans⸗Gone“, nächsten EIE „Maria Stuart“ und Abends „Sapsenftnrch. gegeben. — Morgen, Mittags 12 Uhr, findet das vierte diesjährige Sonn tagskonzert statt. — Im Schiller⸗ saal, Charlottenburg, wird morgen (8 ½ Uhr) ein „Mendelssohn⸗
eranstaltet. 8 “
am
Berlin, 25. November 1911.
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“ wurde, wie „W. T. B.“ berichtet, aus einem
ostwagen, der von der Reichsbank nach dem Postamt 41 in der Kurstraße 18/19 fuhr, während der Fahrt ein Postsack mit etwa 100 000 ℳ Inhalt geraubt. Als man auf dem Postamt eintraf und den Verlust entdeckte, wurde sofort die benachrichtigt, die ihrerseits alle Berliner Reviere und die Polizei der Vororte von dem Vorfall in Kenntnis setzte. Ein Schutz⸗ mann, der in der e Nacht durch die Weser⸗ straße in Rixdorf patrouillierte, bemerkte einen Mann, der einen großen Leinwandsack mit roten Streifen trug. Als er ihn an⸗ halten wollte, warf der Unbekannte den schweren Sack über einen Staketenzaun und entfloh. Er wurde aber eingeholt und auf die Wache gebracht, wo man ihn als den 33 Jahre alten Provisions⸗ reisenden Eduard Cavello feststellte. Nach seinen Angaben hat ihm ein Postschaffner den Geldsack übergeben. Die Kriminalpolizei ist mit weiteren Feststellungen beschäftigt. Der Sack wurde wieder⸗ gefunden; es fehlten an dem Inhalt nur zwei kleine Beutel mit insgesamt 1200 ℳ.
Der Deutsche Ae. für, die Ostmarken ver⸗
anstaltet zum Besten seiner vaterländischen und gemeinnützigen Zwecke auf dem Gebiete der Krankenpflege und Kindererziehung in den neu⸗ erbauten Festräumen des Hauptrestaurants des Zoologischen Gartens am 1. Dezember, 8 Uhr Abends, einen Ball mit vorergeendem ge⸗ meinschaftlichen Essen. Anmeldungen auf nur persönlich geltende Eintrittskarten zum Preise von 12 ℳ (einschließlich Essen), für junge Herren von 6 ℳ (einschließlich Essen), für diese nach dem Essen von 4 ℳ, nimmt Generalleutnant von Lueder, W. 30, Bayrischer Platz 6, entgegen. Der Kartenverkauf wird am 27. November geschlossen. — Eine Abendkasse findet nicht statt.
Den Vorsitz des Hilfskomitees für die durch die Hoch⸗ wasserkatastrophe in Blumenau (Brasilien) geschädigten deutsch⸗brasilianischen Kolonisten hat der 12