1911 / 280 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Nov 1911 18:00:01 GMT) scan diff

Königlich Bayerische Armee.

München, 23. November. Im Namen Seiner Maje des Königs. Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, haben Sich Allerhöchst be⸗ gefunden, nachstehende Personalveränderungen Allergnädigst zu

verfügen:

a. bei den Offizieren im aktiven Heere: am 15. d. M. den Rittm. Denk, Eskadr. Chef im 5. Chev. Regt. Erzherzog Friedrich von Oesterreich, mit der gesetzlichen Pension und der Erlauhnis zum Forttragen der bisherigen Uniform mit den bestimmungsmäßigen Ab⸗ zeichen zur Disp. zu stellen; am 22. d. M. dem Major Grafen zu Castell⸗Castell, Königl. Flügeladjutanten, den Rang und die Gebühraisse eines Regts. Kommandeurs zu verleihen; dem Oberstleutnant z. D. Käppel, Vorstand des Artillerie⸗ depots Fürth, den Abschied unter Fortgewährung der Pension zu bewilligen mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uni⸗ form mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen; dem Major Harrach, Komp. Chef im 12. Inf. Regt. Prinz Arnulf, den Abschied mit der gesetzlichen Pension und der Erlaubnis zum Fort⸗ tragen der bisherigen Uniform mit den für Verabschiedete vorge⸗ schriebenen Abzeichen zu bewilligen unter Verleihung der Aussicht auf Anstellung im Zivildienst; den Major z. D. Häffner von der Stellung als Bezirksoffizier beim Bezirkskommando Rosenheim (Meldeamt Traunstein) zu entheben mit der Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 14. Inf. Regts. artmann mit den bestimmungs⸗ mäßigen Abzeichen und unter Verleihung des Charakters als Oberstlt.;

mit der gesetzlichen Pension zur Disp. zu stellen: die Gen. Majore Schuchardt, Kommandeur der 5. Inf. Brig., und Heller, Direktor des Topographischen Bureaus des Generalstabes, in Genehmigung ihrer Abschiedsgesuche, dann mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform mit den bestimmungsmäßigen Abzeichen den Oberstlt. Frhrn. v. Leonrod, Kommandeur des 5. Chev. Regts. Erzherzog Friedrich von Oesterreich, den Fec. Göller, Bats. Kommandeur im 10. Inf. Regt. Prinz Ludwig, und den Rittm. Queck, Komp. Chef im 2. Trainbat.;

den Abschied aus dem aktiven Heere mit der gesetzlichen Pension zu bewilligen: dem Oberlt. Streck der Fortifikation Ingolstadt unter Ueberführung zu den Landw. Offizieren 2. dsehate des Eisenbahnbats., den Lts. Groß des 2. Jägerbats. und Cornet des 9. Feldart. Regts., beide unter Ueberführung zu den Res. Offizieren ihrer Truppenteile;

zu ernennen: zum Kommandeur der 5. Inf, Brig. den Obersten Ritter v. 8e el, Kommandeur des 20. Inf. Regts. Prinz Rupprecht, unter Beförderung zum Gen. Major (1), zum Kommandeur des 20. Inf. Regts. Prinz Rupprecht den Obersten Reuter beim Stabe des 3. Inf. Regts. Kronprinz, zum Kommandeur des 5. Chev. Regts. Erzherzog Friedrich von Oesterreich den Major Ritter, Edlen v. Schultes, Adjutanten beim Generalkommando I. Armeekorps, zum Direktor des Topographischen Bureaus des Generalstabes den Major Lammerer, Bals. Kommandeur im 15. Inf. Regt. König Friedrich August von Sachsen, mit der bisherigen Uniform, zum Vorstand des Art. Depots

Farth den Major z. D. Döllner, zu Bats. Kommandeuren die ajore Veith, Komp. Führer bei der Unteroff. Schule, im 15. Inf. Regt. König Friedrich August von Sachsen, 8 beim Stabe des 10. Inf. Regts. Prinz Ludwig, und Hahn beim Stabe des 17. Inf. Regts. Orff in ihren Truppenteilen, zum Adjutanten beim General⸗ kommando I. Armeekorps den Rittm. Frhrn. Loeffelholz v. Colberg, Eskadr. Chef im 1. Chev. Regt. Kaiser Nikolaus von Rußland, zum Bezirksoffizier beim Bezirkskommando Rosenheim (Meldeamt Traun⸗ stein) den Hauptm. z. D. Michell⸗Auli, zu Komp. Chefs e Schmidt, Adjutanten bei der 12. Inf. Brig., im 11. Inf. Regt. von der Tann, Edlen v. Kuepach des 12. Inf. Regts. Prinz Arnulf, und Braun des 15. Inf. Regts König Friedrich August von Shten in ihren Truppenteilen, den Oberlt. Mentrop des 3. Trainbats. im. 2. Trainbat. unter Beförderung zum Rittm. ohne Patent, zu Eskadr. Chefs den Rittm. Karl Frhrn. Kreß v. Kressenstein des 1. Chev. Regts. Kaiser Nikolaus von Rußland in diesem Regt., den Oberlt. Laur des 3. Chev. Regts. Herzog Karl Theodor im 5. Chev. Regt. Erzherzog Friedrich von Oesterreich unter Beförderung zum Rittm. ohne Patent, zum Adjutanten bei der 12. Inf. Brig. den Oberlt. Frhrn. v. Hacke des Inf. Leibregts.; zu versetzen: den Oberstlt. v. Reck, Bats. Kommandeur im 17. Inf. Regt. Orff, zum Stabe des 2. Inf. Regts. Kronprinz, die Majore Frhr. v. Malsen von der Zentralstelle des Generalstabes, bisher ohne Gehalt beurlaubt, zum Stabe des Inf. Leibregts. (über⸗ zählig), Küster, Komp. Chef im 10. Inf. Regt. Prinz Ludwig, zum Stabe dieses Regts., Zenns vom Stabe des 20. Inf. Regts. Prinz Rupprecht zum Stabe des 17. Juf. Regts. Orff, und Schaaf, Komp. Chef im 15. Inf. Regt. König Friedrich August von Sachsen, in gleicher Eigenschaft zum 10. Inf. Regt. Füe⸗ Ludwig, den Hauptm. Mönnichs, Komp. Chef im 11. Inf. egt. von der Tann, als Komp. Führer zur Unteroff. Schule, den Feuerwerkshauptm. Müller von der Kommandantur des Truppen⸗ übungsplatzes zur 1. Feldart. Brig., den Feuerwerks⸗ oberlt. Eschenlohr von der 4. Feldart. . zur Kommandantur des Truppenübungsplatzes Grafenwöhr, den Lt. Schabel des 22. Inf. Regts. zu den Res. Offizieren dieses Regts., die Feuerwerkslts. Göhler vom Art. Depot Ingolstadt zur 4. Feldart. Brig., 88 vom Art. Depot Ingolstadt, kommandiert zum Nebenart. Depot Neu Ulm, zur Ges Seaeishere und Geschoßfabrik, Lehmann von der Geschützgießerei und Geschoßfabrik und Bergner von der 1. Feldart. Brig., diesen unter Kommandierung zum Nebenart. Depot Neu Ulm, beide zum Art. Depot Ingolstadt; zu befördern: zum Rittm. ohne Patent und überzählig den Oberlt. Frhrn. v. Hirschberg des 1. Schweren Reiterregts. Prinz Karl von Bayern, zu Lts. die Fähnriche Rittmann des 9. Feldart. Regts. und arschall des 1. Trainbats., beide mit Patent vom 26. Ok⸗ tober 1911, Marschall mit dem Range vor dem Lt. Pertenhammer des 2. Trainbats., zum Zeuglt. beim Art. Depot Fürth den Zeug⸗ feldw. Hauser der Feldzeugmeisterei; b. bei den Sanitätsoffizieren: im aktiven Heere: am 22. d. M.

dem Gen. Oberarzt z. D. Dr. Henle, verwendet im Kriegs⸗ ministerium, den Abschied unter Fortgewährung der Pension zu be⸗

willigen mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform

mit den für Verabschiedete vorgeschriebenen Abzeichen und unter Ver⸗ leihung des Charakters als Gen. Arzt;

mit der gesetzlichen Pension zur Disp. zu stellen; die Oberstabs⸗ ärzte: Dr. Zäch, Regts. Arzt des 1. Feldart. Regts. Prinz⸗Regent Luitpold, unter Beru 1g zur Dienstleistung im Kriegsministerium und Dr. Haßlauer, Regts. Arzt des 3. Feldart. Regts. Prinz Leopold, mit der Erlaubnis zum Forttragen der bisherigen Uniform mit den bestimmungsmäßigen Abzeichen;

zu ernennen: zu Regts. Aerzten den Oberstabsarzt Dr. Ritter u. Edlen v. Peßl, Bats. Arzt des Eisenbahnbats., im 3. Feldart. F Prinz Leopold und den Stabsarzt Dr. Mors ak, Bats. Arzt des 2. Trainbats., im 1. Feldart. Regt. Prinz⸗Regent Luitpold unter Be⸗ zum Oberstabsarzt (überzählig), zum Chefarzt des Garn. Lazaretts Lechfeld den Stabsarzt Dr. Botz, Abteilungs⸗ arzt im 5. Feldartillerieregiment Sa. Alfons XIII. von Spanien, zu Bats. Aerzten die Stabsärzte Dr. Herrmann des 9. Inf. Regts. Wrede in diesem Regt. und Dr. Heitz, Chefarzt des Garn. Lazaretts Lechfeld, im Eisenbahnbat., den Oberarzt Röckl des 1. Jägerbats. Prinz Ludwig in diesem Bat. unter Beförderung zum Stabsarzt, zum Abteil. Arzt im 5. Feldart. Regt. König Alfons XIlII. von Spanien den Oberarzt Dr. Roth des 23. Inf. Regts. unter Beförderung zum Stabsarzt (überzählig);

zu versetzen: die Stabs⸗ und Bats. Aerzte Dr. Hirsch vom 1. Jägerbat. Prinz Ludwig zum 2. Inf. Regt. Kronprinz und Dr. Boy vom 9. Inf. Regt. Wrede zum 2. Trainbat., beide in gleicher Eigenschaft, den Oberarzt Dr. Kießling vom 4. Chev. Regt. König zum 23. Inf. Regt.;

zu befördern: zu Oberstabsärzten (überzählig) die Stabs⸗ und Bats. Aerzte Dr. Megele des 3. Inf. Regts. Prinz Karl von Bavern, Dr. Ott des 22. Inf. Regts. und Dr. Schmitt des 92 Eb Bats, zu Stabsärzten (überzählig) die Oberärzte Dr. Manger des 10. Inf. Regts. Prinz Ludwig und Dr. Pulstinger des 5. Chev. Regts. vr hersoc Friedrich von Oesterreich, zu Ober⸗ ärzten die Assist. Aerzte Ge genber des 5. Inf. Regts. Groß⸗ herzog Ernst Ludwig von Hessen, Dr. Wolf des 7. Inf. Regts. Prinz Leopold, Betzeler des 8. Inf. Regts. Großherzog Friedrich II. von Baden und Dr. Fuhrmann des 16. Inf. Regts. Großherzog Ferdinand von Toskana, zum Assist. Arzt den Unterarzt Dr. Baade des 8. Inf. Regts. Großherzog Friedrich II. von Baden. mMMMRet vxvwe”

Müͤnchen, 17. November. Generalstabsarzt der Armee. Der einjährig⸗freiwillige Arzt Dr. Brand des 5. Chev Regts. Erzherzog Friedrich von Oesterreich wird zum Unterarzt in diesem Regt. ernannt und mit der Wahrnehmung ei offenen Assist. Arztstelle beauftragt. 8

förderun

Nr. 42 des „Eisenbahnverordnungsblatts“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 25. November, hat folgenden Inhalt: Bekanntmachung des Reichskanzlers vom 4. No⸗ vember 1911, betr. die dem Internationalen Uebereinko üb den Eisenbahnfrachtverkehr beigefügte Liste. Nachrichten

Qrualität

gering

mittel 1 Verkaufte

Getahlter Preis für 1 Doppelzentner

Menge

niedrigster

höchster

niedrigster höchster niedrigster böchster Doppelzentner

4ℳ56 1 9

Außerdem wurden am Markttage (Spalte 1) nach überschläglicher Schätzung verkauft Doppelzentner (Preis unbekannt)

Goldap

Ostrowo. . k Breslan Strehlen i. Schl.. Löwenberg i. Schl. EE111“ Jb11“ Meßkirch.

Altkirch

Babenhausen Illertissen. A1“ Feüscngen .

Meßkir

Goldap. vEE ““

T111“]

Strehlen i. Schl.

Grünberg i. Schl.

Löwenberg 1. Schl.

Merüssen.

SS.S 888

lls

Goldap. . .

osen.. . EEöS strowo. . 3 “” 15,25 14,50

Breslau..

Strehlen i. Schl. 17,00

Grünberg i. Schl. Hen 18,80 20,60

8

Braugerste

8 Braugerste

Löwenberg i. Schl.

Aalen E 1 Riedlingen...

16,00 16,40 16,40 16,10

16,40

Goldap

Posen b Ostrowo... . Breslan Streblen i. Schl. Grünberg i. Schl. Löwenberg i. Schl. Neh,. . . . . Illertissen...

17,60 I

Riedlingen. 18,20

Meßkir 88

Hoemerkungen. Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt.

15,50

20,60

19,50 19,20 18,10 18,80 19,20 19,20 22,00 2,

21,60 21,80 22,00 21,24 21,24 21,79 21,79

Kernen (enthülster Spelz, Dinkel, Fesen).

21,40 21,40 21,60 21,60

22,00 22,40

19,10 19,60 19,60 20,20

21,40 23,60 21,80

21,40 23,20 21,80

21,60 21,60 21,80 21,80 Roggen. 16,40 16,60 17,00 17,00 17,20 17,10 17,20 16,75 17,50

16,80 E 17,10

17,20

17,30 18,20 8 20,80 22,00

16,60 17,00 17,40 17,70

16,20 16 80 16,20 16,75

16,90 17,20 20,80 22,00

21,60 1

erst e.

16,60 19,80 16,00 15,70 19,30 19,60 19,40 19,60

21,40

Hafer.

16,80 18,00 17,10 17 00 17,20 18,80 17,2

17,60 19,20 18,30

16,40

15,80 15,60 18,90 18,30 19,20 19,40 20,60 21,20

16,00

15,60 15,30 17,50 18,30 19,20 19,20 20,60 21,00

15,20 17,00 19,00

16,40 17,80 16,80 16,70 16,65 18,40 16,80 16,60 18,80 17,80 19,00

16,40 17,80 17,00 16,90 16,65 18,40 17,00 16,60 19,00 18,20 19,20

16,00 16,60 16,60 16,10

16,80

18,20 17,20 17,50 17,20 18,80 17,40 . 17,60 20 19,20

17,80 18,40 77

134

24 18,20 18,40 18,80 %8 19,00 19,00

Der Dutchschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen berechnet.

Ein liegender Strich (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis nicht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den letzten sechs Spalten, daß entsprechender Bericht fehlt.

Berlin, den 28. November 41911.

Kaiserliches Steitistisches Amt. J. V.: Dr. Zacher.

eutschen

Nichtamtliches.

SDesterreich⸗Ungarn. Der Kaiser Franz der Bulgaren empfangen.

Frankreich.

In dem gestrigen Ministerrat wurde, wie „W. T. B.“ meldet, der General Toutée infolge der Zwisch nfälle von Udschda zur Disposition gestellt. Der Kommissar Destailleur soll seines Amtes enthoben bleiben, bis die gegen ihn eingeleitete Untersuchung abgeschlossen ist. Das Kommissariat an der algerisch⸗ marokkanischen Grenze wird einem Beamten übertragen werden, der weder zu den Konsularagenten noch zur Armee gehört. Der General Drude wurde zum Kommandeur der Division von Oran ernannt. Der General Alix übernimmt das Kommando über alle Truppen an der Nord⸗ und Südgrenze von Mese g

Nach einer halbamtlichen Mitteilung wird sich Frank⸗ reich der russischen Regierung anschließen, - 8 sich 8 er⸗ suchen, die Blockade der Dardanellen zu unterlassen. Dieser

Schritt wird einen durchaus freundlichen Charakter tragen.

Türkei.

Der Finanzminister hat gestern in der Deputierte kammer ein mit lebhaftem Beifall aufgenommenes Exposé gegeben, in dem er laut Meldung des „W. T. B.“ erklärte:

„Es sei einschließlich der Extraordinarien ein Defizit von 6,170 000 Pfund zu erwarten; gegenwärtig habe der Staats⸗ schatz keine Schwierigkeiten, da sich eine Million Pfund in den Kassen befände; hierzu komme noch ein Gut⸗ haben von 800 000 Pfund bei der Ottomanischen Bank. Der Krieg mit Italien werde den Staatsschatz nicht belasten dank den freiwilligen Spenden. Der Minister hofft, daß in zwei bis drei Jahren das finanzielle Gleichgewicht hergestellt sein werde, unter der Bedingung, daß neue indirekte Steuern geschaffen würden.

Asien.

Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ wird vom Waiwupu offiziell mitgeteilt, der Kaiserliche General Fengk⸗ uotschang habe gemeldet, daß die Forts Heitschan und Mertzutschan vorgestern abend und der Schildkrötenhügel gestern eingenommen worden sind. Nachrichten der Konsuln in Hankau besagen, daß die Kaiserlichen Truppen gestern nach erbittertem Kampfe die Stadt Hanyang eingenommen hätten. Die Aufständischen hätten sehr große Verluste gehabt und seien nach Wutschang geflohen.

In der Umgegend von Futschau in der Südmandschurei verüben Tschuntschusen banden, die sich mit den Revolutio⸗ nären solidarisch erklärt haben, Plünderungen. Kaiserliche Beamte rufen die Bevölkerung zum Aufstande auf. Zur Ver⸗ folgung der Rebellen und Meuterer sind aus Mukden Polizei und Truppen ausgeschickt worden. 8

Afrika. 8

Wie die „Agenzia Stefani“ aus Tripolis meldet, wurde der Angriff des 50. Infanterieregiments am vorgestrigen Tage gegen die in Schanzgräben liegenden regulären türkischen Truppen im Süden der Oase zwischen dieser und Ainzara von zwei Bataillonen des 23. Regiments unterstützt. Nach hartnäckigem Widerstand wurden die Türken gezwungen, sich zurückzuziehen, und gegen Sonnenuntergang efanden sie sich in voller Flucht auf Ainzara zu, verfolgt von dem Feuer der nachdrängenden italienischen Infanterie und dem der Artillerie. Die italienischen Verluste während dieses n erbitterten Kampfes anzugeben, ist zurzeit noch nicht möglich.

Das türkische Kriegsministerium hat „W. T. B.“ zufolge eine Depesche Enver Beys erhalten, wonach die Italiener bei den seit 14 Tagen auf ihre Stellungen in Derna unter⸗ nommenen Angriffen gegen 200 Tote hatten; die Türken und Araber erbeuteten Waffen, Munition und Ausrüstungsgegen⸗ stände und hatten nur 7 Tote und einen Verwundeten. Der letzte Angriff hat am 25. d. M. stattgefunden.

Wie die Madrider Blätter melden, haben die Rif⸗ leute in Melilla um Frieden gebeten, der auch bewilligt worden sei. Spanien habe die Gefangenen zurückgegeben.

ESttatistik und Volkswirtschaft. 8

Haushaltungsvorstände und Einzelwirtschaften mit über 900 Einkommen und solche mit über 6000 Vermögen in den preußischen Klein⸗ und Großstädten.

Mit der zunehmenden Größe der Städte steigt im Verhältnis zu deren Gesamtbevölkerung die Zahl der Haushaltungsvorstände und Einzelwirtschaften mit größerem Einkommen, aber die Zahl der Ver⸗ mögenden nimmt relativ ab: das ist die für unser allgemeines Wirt⸗ schaftsleben am meisten charakteristische Tatsache, die besonders deutlich in den Großstädten zutage tritt. Schlagend zeigt dies die im Feußtlchen Statistischen Landesamt bearbeitete Statistik der preußischen Einkommensteuer⸗ und Ergänzungssteuerveranlagung für die letzten Steuerjahre. Sie unterscheidet 8 Größenklassen der Phens ezen Städte, deren kleinste die Städte von weniger als 2000 Einwohnern, deren größte diejenigen von mehr als 100 000 Einwohnern umfaßt. Von je 1000 Haushaltungsvorständen und Einzelwirtschaften hatten in den verschiedenen Größenklassen der Städte 1 Größe der Stadt ein Einkommen ein Vermögen

röße der Sta⸗ von über 900 von über 6000 unter 2 000 Einwohner 330,1 2 000 bis 5 000 10 000 20 000 30 000 50 000 100 000 über 100 000 567, im Gesamtdurchschnitt 507,]1 1

Die Aufstellung zeigt, daß die niedrigsten Einkommen von weniger als 900 in den leinsten Städten noch mehr als zwei Drittel aller Einkommen umfassen. Je groͤßer aber die Städte werden, um so mehr tritt die Bedeutung dieser untersten Einkommenschicht zurück. In den Städten von 5000 bis 10 000 Einwohnern beträgt sie

Joseph hat gestern den König

Zweite Beilage

Reichsanzeiger und Königlich Preu

Berlin, Dienstag, den 28. November

nur noch zwei Fünftel in denen von 30 000 bis 50 000 Einwohnern nur noch die Hälfte aller Einkommen, und in den Großstädten mit über 100 000 Einwohnern bleibt sie ganz beträchtlich hinter jener der Einkommen von mehr als 900 zurück. Sehr interessant ist dabei die Stufenleiter, die von dem Ergebnis in den kleinsten Städten Nangse. ohne jeden Sprung, zu demjenigen in den Großstädten inüberführt.

Genau das Gegenteil ist beim Vermögen der Fall. Hier stehen die kleinsten Städte mit 175,5 Vermögenden auf 1000 wirtschaftlich Selbständige weit an der Spitze, und eine ebenso regelmäßige Stufenleiter führt hier nicht hinauf, sondern hinab zu den Groß⸗ städten, die noch nicht einmal halb so viel Vermögende aufweisen. Als Vermögende sind dabei solche Personen angesehen, die nach den Ab⸗ schätzungsergebnissen der preußischen Ergänzungssteuerveranlagung mehr als 6000 Vermögen hatten.

„Was beweisen diese Zahlenreihen? Gewiß nicht, daß die kleinen Städte durchschnittlich reicher sind. Denn die großen und ganz großen Vermögen sind bei ihnen natürlich nur spärlich gesät. Hier ist die Großstadt ihnen weit überlegen. Aber sie enthalten einen viel größeren Prozentsatz von Personen mit einem bescheidenen Vermögen, das die Grundlage einer gewissen wirtschaftlichen Selbständigkeit bildet. In den Großstädten überwiegt dagegen mehr und mehr der Typus des vermögenslosen wirtschaftlich Abhängigen, der zwar ein größeres Einkommen, aber eine geringere wirtschaftliche Selbständigkeit hat, der gewissermaßen von der Hand in den Mund lebt. Diese Ent⸗ wicklung ist unaufhaltsam. Sie erklärt uns auch die Tatsache, warum die sozialpolitischen Fragen in der großstädtischen Kommunalpolitik eine so wichtige Stellung eingenommen haben. Die wirtschaftlich Unselbständigen stellen an die städtische Verwaltung andere Forde⸗ rungen, als die auf der Grundlage eines eigenen, wenn auch bescheidenen Vermögens Stehenden. Die letzteren sind gewohnt, sich selbst zu helfen, und sie sind dazu auch meist imstande. Wo ihre Anschauungen in der Verwaltung herrschen, wird diese mehr oder weniger eine Politik der Zurückhaltung in wirtschaftlichen und sozialen Fragen befolgen. Wo aber die Masse der wirtschaftlich Ab⸗ hängigen auf Grund ihrer zahlenmäßigen Ueberlegenheit zur ausschlag⸗ gebenden Macht gelangt ist, da werden die Fragen der Sozialpolitik und der öffentlichen Wohlfahrtspflege in den Vordergrund treten. Wenn dies gerade in der neuesten Zeit so überraschend deutlich in die Erscheinung tritt, so liegt das an der bedeutenden Entwicklung, die die deutschen Großstädte in den letzten Jahren erlebt haben.

und am

e Arbeiterbelegschaft der staatlichen Berg⸗ ttenwerke im Oberbergamtsbezirk Clausthal 1. Dezember 1910.

Nach dem Ergebnis der statistischen Erhebungen betrug die Ge⸗ samtzahl der Belegschaft am 1. Dezember 1910 10 301 Personen, unter denen sich 10 074 oder 97,80 v. H. Evangelische, 219 oder 2,12 v. H. Katholiken und 8 oder 0,08 v. H. Andersgläubige befanden. Beim Militär hatten 3935 Mann oder 38,20 v. H. gedient.

Verteilt man die gesamte Belegschaft nach der Zugehörigkeit zu Knappschaftsvereinen, so ergibt sich, daß vorhanden waren

v. H. überhaupt der Gesamtzahl 9 541 92,62

4,87

Di 8

a. Mitglieder der Pensionskasse . . . . b. Mitglieder der Krankenkasse, die der Pensionskasse nicht angehören 501 c. Knappschaftsinvaliden, die arbeiten 0,24 d. Personen, die weder der Pensions⸗ noch der Krankenkasse angehören 1I1“

Den reichsgesetzlichen Versicherungskassen fielen 421 Mann oder 4,09 v. H. der Belegschaft als Rentner zur Last; von ihnen bezogen 398 oder 3,86 v. H. Unfall⸗, 7 oder 0,07 v. H. Alters⸗ und 16 oder 0,16 v. H. Invalidenrente.

Unter den 10 042 Knappschaftsmitgliedern waren dem Familien⸗ stande nach 2876 oder 28,64 v. H. Ledige, 7029 oder 70,00 v. H. Verheiratete, 135 oder 1,34 v. H. Verwitwete und 2 oder 0,02 Ge⸗ schiedene. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß unter der gesamten Belegschaft keine fremdsprachigen Elemente vorhanden waren, vielmehr alle Arbeiter sich der deutschen Sprache als Umgangssprache bedienten. Daß im Bergbaugewerbe der Beruf des Vaters zum größten Teile auch auf die Söhne übergeht, ergibt sich daraus, daß von der ge⸗ samten Belegschaft 7019 Personen oder 68,14 v. H. Bergmanns⸗ bezw. Hüttenmannskinder waren.

Im Besitze eines Hauses bezw. Feld⸗ oder Wiesenstückes befanden sich 3169 Mann oder 30,76 v. H., während 7132 Personen oder 69,24 v. H. einen solchen Besitz nicht aufweisen konnten; ferner hatte die Belegschaft einen Viehbestand von 27 Pferden, 1227 Stück Rind⸗ vieh, 5902 Ziegen und 10 419 Schweinen Außer Landwirtschaft und Viehzucht hatten noch 189 Personen oder 1,83 v. H. einen Neben⸗ erwerb, von denen 29 die Gastwirtschaft und 47 ein Handwerk betrieben, während 113 Mann einen anderen Nebenberuf ausübten.

Bezüglich der Wohnungsverhältnisse ist festgestellt worden, von der gesamten Belegschaft wohnten 5

überhaupt 1 4 2899

a. im eigenen Haufe... 103

b. in Dienstwohnungg c. in Mietwohnug. 4459 d. im Schlathanse . . . 1 e. in Kost und Logis bei den Eltern 2559. ,84 f. in Kost und Logis bei Privaten 280 2,72. Die Zahl der gesamten Familienangehörigen beträgt 23 239. Personen, sodaß auf den Kopf der Belegschaft 2,3 Angehörige ent⸗ fallen. (Stat. Korr.)

Zur Arbeiterbewegung.

Zum Ausstand in der Berliner Damenmäntelfabri⸗ kation (vgl. Nr. 277 d. Bl.) teilt der „Confectionair“ mit, daß sich die Breslauer und Erfurter Mäntelfabrikanten mit den Berliner Fabrikanten solidarisch erklärt haben. Sie haben beschlossen, ihre Reisenden nicht eher auszusenden, als die Berliner Firmen. Die Parteien haben die Verhandlungen wieder aufgenommen, und es besteht Aussicht, daß doch noch eine Einigung erzielt wird. Gestern mittag hat eine Besprechung der Arbeitgeber stattgefunden, in der zu den erneuten Vorschlägen der Arbeitnehmerorganisationen Stellung genommen wurde. Ein end⸗ gültiger Beschluß wurde noch nicht gefaßt. Auch die im Verband der Schneider organisierten Berliner bSeder sind, wie die „Voss. Ztg.“ mitteilt, in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie beschlossen gestern abend in einer Versammlung, den im Jahre 1907 abgeschlossenen Tarifvertrag am 1. Dezember d. J. zu kündigen, sodaß er am 1. März 1912 ablaufen würde. Eine General⸗ versammlung der Organisation hat schon früher die Ein⸗ leitung der Lohnbewegung genehmigt. Die dem Arbeitgeberverbande einzureichende Tarifvorlage fordert in der Hauptsache eine Erhöhung der Stücklöhne um durchschnittlich 10 v. H., die Lieferung der bisher vom Schneider gestellten Nähzutaten durch den Meister und die Herabsetzung der täglichen Arbeitszeit von 10 auf 9 Stunden. Morgen, Mittwoch, wird die Tarifvorlage einer öffentlichen Schneider⸗ versammlung zur Genehmigung vorgelegt werden. 1“

Jacobsen.

V ischen Staatsanzeiger.

Der Ausstand der Hammerschmiede im Vollmetal ist, wie die „Köln. Ztg.“ meldet, beendet. Die Breitemeister haben die Arbeit wieder aufgenommen, nachdem ihnen allgemein eine Lohn⸗ erhöhung von 1,50 für 1000 Pfund bewilligt worden ist. Ge⸗ fordert waren 3 ℳ. (Vgl. Nr. 272 d. Bl.)

In Paris haben, wie „W. T. B.“ berichtet, 4000 Kraft⸗ droschkenführer in vergangener Nacht in der Arbeitsbörse eine Versammlung abgehalten und einstimmig beschlossen, von heute früh an in den Gesamtausstand zu treten, weil die Forderungen, betreffend Ermäßigung der Benzol⸗ steuer und Erhöhung des Verdienstanteils, abgelehnt worden waren. Nur die Kraftdroschken, die Eigentum ihrer Lenker oder der Lenker⸗ genossenschaften sind, sollen verkehren dürfen. 8

Da gestern bereits mit einigen Reedern Antwerpens eine vorläufige Einigung, betreffend die F der Seeleute, erzielt worden ist, wurde, wie „W. T. B.“ erfährt, angenommen, daß der

Kunst und Wissenschaft.

„Professor Ludwig Pietsch, der bekannte Schriftsteller und Zeichner, ist gestern früh nach kurzer Krankheit in fast vollendetem 87. Lebensjahre gestorben. In ihm hat Berlin eine Persönlichkeit verloren, die auf das engste mit seinem Werden und Wachsen und mit seinem öffentlichen und Kunstleben verknüpft war. Ludwig Pietsch wurde am 25. Dezember 1824 in Danzig ge⸗ boren, wo er auch seine Jugend verbrachte. Als Siebzehn⸗ jähriger bezog er im Jahre 1841 die Berliner Kunstakademie, trat 1843 in das Atelier des Porträtmalers Otto ein und erwarb sich bald als Illustrationszeichner einen geachteten Namen. Die Verhält⸗ nisse aber brachten es mit sich, daß er sich in der Folge mehr der literarischen Tätigkeit widmete, besonders seit seiner Anstellung an der „Vossischen Zeitung“ (1864), der er bis an sein Lebensende angehörte. Hier war er nicht nur als angesehener Kunstkritiker tätig, sondern hat als Reisfeschriftsteller und während des Krieges 1870/71 als Kriegsberichterstatter durch seine fesselnden Schilderungen vorbildlich gewirkt. Unerreicht war er als Gesellschaftsplauderer, und es ist wohl innerhalb des verflossenen halben Jahrhunderts kaum ein Ereignis von Belang, kaum ein großes Fest vorübergegangen, das er nicht in seiner gewissenhaften und geist⸗ vollen Weise auf dem Papier festgehalten hätte. Besonders genoß er als Schilderer der Festlichkeiten am Königlichen Hofe hohes An⸗ sehen und erfreute sich der besonderen Wertschätzung Seiner Majestät des Kaisers und Königs, Allerhöchstwelcher ihn gelegentlich seines 70. Geburtstages zum Professor ernannt und auch sonst vielfach aus⸗ gezeichnet hat. Neben seiner journalistischen Tätigkeit hatte Ludwig P etsch auch Zeit und Gelegenheit gefunden, eine Anzahl von Werken in Buchform herauszugeben. Seine Verdienste als Zeichner sind erst unlängst gelegentlich einer Ausstellung seiner Werke wieder in Er⸗ innerung gebracht und gewürdigt worden.

Literatur.

„Die Sünden der Väter.“ Roman von Friedrich Verlag des Vereins der Bücherfreunde. Preis geh. 3,50 ℳ, geb. 4,50 ℳ. Ein Roman liegt vor uns, der der Name des Verfassers verbürgt es mit Ernst an ernste Probleme rühren will. Aber die Fragen, mit denen er sich beschäftigt, sind so schwer und trotz allem, was darüber geschrieben ist, noch so rätselhaft und unerforscht, daß es wahrlich eines Tieferschürfens bedarf, als hier geboten wird, um ihrer Lösung nahe zu kommen. Der Weg, den Jacobsen uns führt, ist dürftig und schmal. Er will uns zwingen, unser Auge nur auf einen Punkt zu richten, und verstellt uns jede andere Aussicht. Er erzählt von dem alten Geschlecht der Prankens, die rücksichts⸗ los ihr Leben genossen haben, sich und ihrem Begehren keine Schranke ziehend. Er erzählt von der letzten dieses Geschlechts, der jungen Lola, die, aut einem Schweizer Pensionat heimkehrend, mit dem Vater in dem alten Schloß der Prankens lebt. Ihr fehlt der Schutz der Mutter, die früh gestorben ist. Wieviel von dem mütterlichen Blut Erbteil der Tochter geworden ist, das wird nicht gesagt. Was wir erfahren, ist, daß Lola gut erzogen ist; sie ist auch klug und von einer nachsichtigen Freundlichkeit. ie ist unschuldig. Als sie durch Zufall Kenntnis von der Schuld ihres Vaters erhält, treibt es sie für eine Weile fort von zu Hause. Was sich nun begibt und was wir dem Verfasser glauben sollen, ist folgendes: kein Sturm der Leidenschaft ist über Lola gekommen, keine leidenschaftliche Liebe begehrt nach ihr, nur Sinnlichkeit streckt die Hand nach ihr aus, und sie widersteht nicht. Ihre Sühne ist dann, daß sie den Weg geht, den schon viele Prankens vor ihr aus Lebensüberrruß gegangen sind: daß sie den Tod sucht. Jacobsen kleidet seine Geschichte in den Stimmungszauber seiner nordischen Heimat, er verdeckt die Lücken süner Ppceglabie mit Schilderungen von Sturm und Heide. Aber seine Menschen gewinnen keine Gestalt vor uns, wir fühlen nicht die innere Notwendigkeit, die sie treibt; es sind nicht Menschen, in denen auch das Erbteil ihres Bluts, das Erbe der Sünden der Väter zu dem organischen Ganzen einer lebendigen Persönlichkeit zusammen⸗ geschmolzen ist. Nein, hinter diesen Gestalten steht schemenhaft das Gespenst der Erbschaft eines alten Geschlechts, genau wie in den Schicksalstragödien einer vergangenen Zeit. Gewiß liegen hier Pro⸗ bleme, an denen der schaffende Künstler nicht vorbeigehen wird. Thomas Mann in seinen „Buddenbrocks“ hat sie angerührt, aber sie erfordern eine Gestaltungskraft ungewöhnlicher Art, einen seherischen Blick, der weiter und liefer sieht als der Durchschnitt unserer Ge⸗ lehrten und Aerzte und einen viel tieferen sittlichen Ernst, als ihn Jacobsen in seinem Buch „Die Sünden der Väter“ zum Aus⸗ druck bringt.

„Das Leben der Renée von Catte.“ Roman von F. von Bonin. Preis 3,50 ℳ. Verlag von Egon Fleischel u. Co. F. von Bonin gibt uns in ihrem Buche „Das Leben der Renée von Catte“ ein Stuͤck reicher und feiner Pfpchologie. Sie läßt uns alle Ereignisse und Menschen, mit denen ihre Heldin in Be⸗ rührung tritt, nur durch diese sehen und erleben. Ein objektives Bild erhalten wir von ihnen nicht, aber in der Art, wie Renée die Dinge auffaßt und sich zu ihnen stellt, wird uns ihr Charakter, wird uns die ganze Umwelt so trefflich geschildert, daß sie in fest⸗ umrissenen, klaren Bildern vor uns steht. Wir sehen Renées Vater, den tüchtigen, aber einseitigen Edelmann, der das Leben nur da begreift, wo es einfach und selbstverständlich ist; wir tun Einblicke in die wunderliche Ehe von Renses Bruder mit der reizenden, seelenlosen Amerikanerin, die zu einem tragischen Ausgang führt; wir lernen die zufriedene Durchschnittsnatur von Renées Schwester Elisabeth kennen, die voll sicheren, kleinlichen Be⸗ hagens in ihrem engen Familienkreise lebt. So flüchtig wie sie Renées Seele selbst berühren, gleiten Bilder aus der Gesellschaft an uns vorüber, Typen der modernen Frauenbewegung, tapfere, vorwärts⸗ strebende Mädchen. Nur zum Schluß versagt die Feder der Ver⸗ fasserin: von Renées Freundin, in der diese endlich die immer ge⸗ suchte Schwesternseele findet, der sie, da die kaum Gefundene sterben muß, freiwillig in den Tod folgt, erhalten wir kein greifbares Bild. Hier sind die Umrisse verwischt und verschwommen geblieben. Am nächsten kommt uns Renée selbst. Aus dem Kinderland taucht sie auf wie aus einem Nebel, mit großen, un⸗ bewußten Augen. Wir fühlen die Ursprünglichkeit und die Kraft dieser jungen Seele, die an den Dingen des Lebens,