lichen Provinzialschulkollegien und Regierungen bekannt gemacht wird, nd alle Lehrer höherer Lehranstalten, die Kandidaten des öheren Lehramtes, welche die wissenschaftliche Prüfung bestanden aben, mit der Maßgabe, daß die Zeit der Teilnahme am Kursus uf das Seminar⸗ oder Probejahr nicht angerechnet wird, Volksschul⸗ ehrer nach bestandener zweiter Prüfung und Zeichenlehrer. Nur Lehrern in noch nicht vorgerücktem Lebensalter, vorzugsweise
vin snh üctter. ist die Teilnahme an einem Kursus zu empfehlen. 8 Lehrer, welche nicht dem preußischen Staatsverbande angehören, können, soweit es sonst die Verhältnisse der Anstalt gestatten, aus⸗ ahmsweise “ werden, wenn ihre Anmeldung durch Ver⸗ ittlung ihrer Landesbehörde oder 8 diesseitigen Vertreter erfolgt.
Der Anmeldung, welche bei der vorgesetzten Dienstbehörde an⸗ ubringen ist, sind beizufügen: 1
1) ein auf besonderen Bogen zu schreibender kurzer Lebenslauf, der besonders auch über die turnerische Ausbildung des Bewerbers Auskunft gibt,
8 2) ein ärztliches Zeugnis darüber, die Gesundheit des Bewerbers dessen estatten,
3) das Zeugnis über die abgelegte Lehramtsprüfung,
4) ein von einem Turnlehrer auszustellendes Zeugnis über die erlangte turnerische Fertigkeit. Dieses hat sich darüber auszusprechen, daß und wie die in § 4 genannten Uebungen von dem Bewerber geleistet worden sind.
Die Anlagen der Anmeldung sind zureichen.
daß der Körperzustand und Ausbildung zum Turnlehrer
zu einem Hefte vereinigt ein⸗
Die zum Kursus Einberufenen werden von dem Anstaltsarzte auf ihren Gesundheitszustand untersucht, auch einer Prüfung im Turnen unterworfen, in welcher ein gewisses Maß körperlicher Kraft
und turnerischer Fertigkeit nachzuweisen ist. Bei dieser Aufnahme⸗ prüfeng werden u. u. folgende Uebungen verlangt (vgl. Ministerial⸗ erlaß vom 7. Mai 1908 — U III B 1376, Zentralblatt S. 605): am Reck: Schwungkippe, auch in Verbindungen; Felgaufzug; am Barren: Schwungstemmen am Ende des Rückschwungs, auch in Verbindungen; Schulterstand aus Grätschsitz hinter den Händen; am Pferd: Die einfachen Stützsprünge aus Seitstand, wie Flanke, Kehre, Wende, Hocke; b
im Springen: Hochsprung mit Anlauf 1,20 m; Weitsprung 4 m;
Dauerlauf: 10 Minuten;
Stabsprung: 1,50 m hoch;
Kugelst den (Steinstoßen): 10 kg 4 m.
Von dem egehnisf dieser Ermittlungen hängt die Entscheidung über die endgültige Aufnahme in den Kursus ab.
Die anmeldende Behörde hat sich von der genügenden Turnfertig⸗ keit des Anzumeldenden Ueberzeugung zu verschaffen, damit nicht etwa einberufene Bewerber wegen nicht genügender Turnfertigkeit wieder entlassen werden müssen.
8658
Der Unterricht in der Anstalt ist unentgeltlich. Die durch den Aufenthalt in Spandau zc. entstehenden Kosten sind von den Teil⸗ nehmern am Kursus selbst aufzubringen. Zwar werden in dazu geeigneten Fällen an preußische Staatsangehörige Beihilfen gewährt, jedoch lediglich für ihren Unterhalt, während Beihilfen zu den Kosten der Hin⸗ und Rückreise, der Vertretung im Amte, des Unterhalts der zurückbleibenden Familie oder dergl. nicht bewilligt werden.
Die gewährten Beihilfen werden am Ende jedes Monats gezahlt.
8 .
Um hier sogleich bei der Entschließung über die Einberufung zum Kursus einen zuverlässigen Ueberblick über die aus Staatsfonds etwa zu gewährenden Beihilfen gewinnen zu können, muß jeder Be⸗ werber bei der ne es nach sorgfältigster Prüfung seiner Ver⸗ hältnisse bestimmt nachweisen und amtlich beglaubigen lassen, daß ihm für seinen Unterhalt in Spandau die erforderlichen Mittel, bei deren Bemessung u. a. das gesteigerte Bedürfnis einer kräftigen Kost zu berücksichtigen ist, voll zur Verfügung stehen, oder welcher Beihilfe er dazu bedarf. Jeder Bewerber hat! demnach gewissenhaft anzugeben, wie viel (ihm von dem Einkommen seiner Stelle für jeden Monat der Kursusdauer nach Abzug etwaiger Vertretungskosten, der zur Unterhaltung der An⸗ ebörigen erforderlichen Summe, der in der Heimat zu zahlenden Abgaben usw. ausschließlich zur Bestreitung der Kosten seines Aufent⸗ halts in Spandau sicher zur Verfügung bleibt, ob und welche Unter⸗ stützungen ihm aus der Schulkasse oder sonst gewährt werden und wieviel er aus eigenen Mitteln aufbringen kann.
Nach Aufnahme in den Kursus vorgebrachte Unterstützungsgesuche können nur in solchen Fällen in Erwägung genommen werden, in denen das Bedürfnis einer außerordentlichen Beihilfe nachweislich infolge unvorhergesehener Haroemeste eingetreten ist.
§ 7.
Die Teilnehmer am Kursus haben sich aus eigenen Mitteln die in der Anstalt übliche Turnkleidung zu beschaffen.
Berlin, den 30. Juni 1910.
Der Minister er geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinalangelegenheiten. Im Auftrage: von Bremen.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten. .“
Dem Tierarzt Wilhelm Wiegels zu Friedrichsthal im Landkreise Saarbrücken ist die kommissarische Verwaltung der Kreistierarztstelle zu St. Wendel übertragen worden.
Nichtamtliches.
“ Deutsches Reich. 1 Preußen. Berlin, 29. November. 8
Das Gouvernement des Schutzgebiets Kiautschou ist nach einer Meldung des „W. T. B.“ angewiesen worden, sofort ein Detachement von 200 Mann nach Tientsin zu entsenden. Diese Truppe bildet zunächst eine mili⸗ tärische Reserve in der Provinz Tschili, auf die gegebenenfalls zurückgegriffen werden kann. Mit Rücksicht 8 die Besatzungsstärke des Schutzgebiets erfolgt sofort ein Ersatz der Gouvernementstruppen, und zwar durch Mannschaften des Stammseebataillons. Diese werden dem planmäßigen Ablösungstransport der Feldbatterie des Schutzgebiets an⸗ geschlossen, der am 30. d. M. auf dem Dampfer „Goeben“ Hamburg verläßt . ““ ““ 1 Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S.
vorgestern in Pensacola (Florida) eingetroffen.
“
Sachsen.
Der Finanzminister von Seydewitz hat gestern mit einem längeren Finanzexposé den Etat für 1912/13 in der Zweiten Kammer eingebracht. Der eordentliche Etat schließt laut Meldung des „W. T. B.“ in Einnahmen und Ausgaben mit
46 467 700 ℳ eingestellt worden sind. Das Staatsvermögen beläuft sich auf 1 768 000 000 ℳ, denen 893 000 000 ℳ an Passiven gegenüberstehen. Die sächsischen Staatsschulden sind seit 1902 um rund 110 000 000 ℳ infolge Tilgung zurück⸗ gegangen. 1b
Der Minister erwähnte in seinen Darlegungen, daß in einem Ergänzungsetat noch eine Forderung für eine deutsche Zentralbibliothek enthalten sein werde. Die sächsische Regierung habe sich bemüht, daß diese Zentralbibliothek nach Leipzig 1” werde. Weiter stellte der Minister die günstige Wirkung der Keichsfinanzreform für die Finanzen des Reichs fest und sagte, Sachsen müsse sich aufs ent⸗ schiedenste gegen die immer wieder 1 Anregung, dem Reich die Vermögenssteuer zu überlassen, aussprechen.
11 Ständeversammlung ist gestern von Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzog mit einer Thron⸗ rede eröffnet worden. Wie „W. T. B.“ meldet, drückt die Thronrede zunächst den Dank Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs und der Groß⸗ herzogin für die Kundgebungen der Liebe und Treue aus Anlaß ihrer Silberhochzeit aus, gedenkt weiter der von der Regierung getroffenen Maßnahmen zur Linderung der Folgen der Dürre und wendet sich sodann der Finanzlage des Landes zu. Trotz tunlichster Beschränkung der Anforderungen ist es nicht gelungen, das Geichgewicht in Einnahmen und Ausgaben im Staatsvoranschlag herzu⸗ stellen. Es wird deshalb die Einführung der Staatslotterie und die Erhebung eines Zuschlags zur Reichserbschaftssteuer vor⸗ eschlagen. Unter den Gesetzesvorlagen der Regierung steht an erster telle ein Gesetzentwurf, der die Wahlkreise für die fünf größten Städte des Landes a In Verbindung damit soll die Zahl der Abgeordneten der Zweiten Kammer auf 74 erhöht und der weitere Abgeordnete der Stadt Mannheim zuerteilt werden. Die Einführung der Reichsversicherung erfordert eine Aenderung der auf dem Gebiete der Arbeiterversicherung bestehenden ande heseslichen Vorschriften. Auch hierüber wird ein Gesetzentwurf vorgelegt werden. Auf dem Gebiete der Unterrichtsverwaltung wird eine durchgreifende Reform der Fortbildungsschule vorbereitet, worüber den Ständen eine Denk⸗ schrift unterbreitet wird.
Die Zweite Kammer hat mit 39. herigen Ersten Präsidenten Rohrhurst
Stimmen den bis⸗ (nat.) und mit
38 Stimmen den bisherigen Ersten Vizepräsidenten Geiß (Soz.) wiedergewählt. Zum Zweiten Vizepräsidenten wurde der Ab⸗ geordnete Mu er (fr . mit 41 Stimmen gewählt.
1 Waldeck.
Die diesjährige verfassungsmäßige Tagung des Land⸗ tags der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont wurde am 31. Oktober durch den Landesdirektor Präsidenten von Glasenapp eröffnet und am 21. November von ihm ge⸗ schlossen. Dem Landtage waren unter anderen Vorlagen der Regierung folgende Gesetzentwürfe zugegangen, die sämtlich, zum Teil mit einigen Abänderungen, angenommen wurden:
Ein Gesetzentwurf über die Enteignung von Grundstücken zur Errichtung und Erhaltung von Marksteinen, der Entwurf eines Ge⸗ setzes, betreffend die Reisekosten der Staatsbeamten, die Feststellung eines Nachtragsetats für 1912 und 1913 zum Staatshaushaltsetat, ein Gesetzentwurf, betreffend die Neugestaltung der öffentlich⸗rechtlichen Verhältnisse im Gebiet des Waldecker Sammelbeckens, der Ent wurf eines Gesetzes über die Feuerversicherungsanstalt der Fürstentümer Waldeck und Pyrmont und ein Gesetzentwurf, betreffend die Güter⸗ zerstücklung. 9 1“ 9 sBremen.
8 4 2 1 .““
Die Wahl dehesleengtors Stadtländer zum meister wird amtlich, wie folgt, bekanntgegeben:
Der Senat hat an Stelle des verstorbenen Herrn Bürgermeisters Dr. jur. Viktor Wilhelm Marcus Herrn Senator Karl Friedrich Heinrich Stadtländer zum Bürgermeister, und zwar mit Rücksicht auf die Bestimmung im § 30, Absatz 5 der Verfassung für die Zeit bis zum Schlusse des Jahres 1915 erwählt.
Bürge 2
“*“
Deas österreichische Abgeordnetenhaus hat nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern in zweiter und dritter Lesung die Vorlage angenommen, durch die das gegenwärtige “ auf ein weiteres Jahr verlängert wird.
Großbritannien und Irland.
Im Oberhause lenkte gestern Lord Courtneh die Auf⸗ merksamkeit des Hauses auf die kürzlichen Verhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland bezüglich Marokkos und das Verhalten der britischen Re⸗ gierung in Verbindung mit diesen Verhandlungen. Die Debatte im Unterhaus hatte das Interesse an der Frage ziemlich gemindert, und es hatte sich daher nur eine kleine Versammlung von Peers eingefunden.
Nach dem Bericht des „W. T. B.“ berührte Lord Courtney⸗ die allmähliche Verbesserung der Beziehungen Englands zu Frank⸗ reich und Rußland und fragte, warum das, was im Falle dieser beiden Länder geschehen sei, nicht auch im Falle Deutschlands eschehen könne, und warum nicht ein dem englisch⸗französischen Abkommen ähnlicher Vertrag mit Deutschland geschlossen werden könne. Das britische Auswärtige Amt habe von der Algecirasakte, die eingehender hätte studiert werden sollen, nur gering gedacht, während sie die Vertragsverpflich⸗ tungen mit Frankreich hoch eingeschätzt habe. Man habe die Bedeutung dieser Verpflichtungen übertrieben und versäumt, sich mit der Algecirasakte eingehend zu beschäftigen. „Wenn man die Algeciras⸗ akte sich ständig vor Augen gehalten hätte,“ fuhr Lord Courtney fort, „so würden wir fast alle unsere Schwierigkeiten vermieden haben. Es würde Vieles erspart haben, wenn wir Frankreich auseinandergesetzt hätten, daß Schritte von seiten Frankreichs, die die Unabhängigkeit Marokkos bedrohten, Kommentare bei den anderen Mächten hervorrufen müßten, die an der Algecirasakte beteiligt sind, und daß, wenn Frankreich die Unabhängigkeit und Integrität Marokkos verletzen würde, zu deren Sicherung die Algecirasakte ent⸗ worfen war, es außer unserer Macht sein würde, einer Beschwerde nicht nachzugeben. Aber wir taten nichts und gestatteten, daß die Angelegenheit sich selbst überlassen blieb. Wir wachten nicht eher auf, als bis der „Panther“ entsandt wurde.“ Lord Courtney be⸗ zweifelte, ob Englands Interessen tatsächlich von der Frage berührt ewesen seien, und erklärte, Englands Pflicht sei es gewesen, ob das Protektorat einer oder der anderen Macht übertragen worden wäre, darauf zu bestehen, daß bei allen Veränderungen, die vielleicht Platz griffen, die Handelsgelegenheiten für alle Länder die gleichen sein sollten. Aber alles, was England getan habe, hätte nur darin bestanden, Frankreich zu unterstützen und alles durch üinessüch Gläser zu betrachten. Lord Courtney bedauerte, daß Deutschland keine klare Darlegung seiner Ab⸗ sichten gegeben habe, als der „Panther“ entsandt worden sei. Mit Bezugnahme auf die Rede von Lloyd George erklärte der Redner, daß der eingeschlagene Weg erstaunlich gewesen sei. Die Hilfsquellen der Diplomatie seien nicht erschöpft gewesen und die Angelegenheit hätte
447 206 812 ℳ ab, während in den außerordentlichen Etat
noch in diplomatischer Weise behandelt werden können. Lloyd
George habe seinen Auftrag nicht gut erfüllt. Seine Red sei ein schriller Migtlang gewesen und in keiner Weise würdig. Glücklicherweise seien die kürzlichen Schwierigkeiten über⸗ wunden worden, aber es scheine, als ob Grey nicht imstande sei, zu eßce. daß es Pöglich sei, mit Deutschland ein solches Verhältnis
erzlicher Freundschaft, gekennzeichnet durch wechselseitige Toleranz und Wohlwollen, zu schaffen, wie es mit hergestellt worden sei. Die tatsächliche Lehre der letzten Monate sei die, baß sich Grey und die auswärtige Politik Großbritanniens leiten lassen sollten von einer neuen Auffassung von internationaler Verständigung.
Der Viscount Morley, dessen Rede oft unvperständlich war,
gab seinem tiefen Bedauern Ausdruck über Lord Courtneys Angriff auf Sir Edward Grey, der im März die Pulse schneller schlagen gemacht und Hoffnungen des Friedens in den Gemütern der Be⸗ völkerung von Europa und Amerika angefacht habe durch den Geist seiner Rede im Unterhause über die Möglichkeit für schiedsgerichtliche Erledigungen. Morley sprach seine Genugtuung aus über den Ton der gestrigen Rede von Bonar Law, insbesondere über den Teil, der sich auf die Expansion Deutschlands bezog, und fügte hinzu, er sei völlig gewiß, daß alle Teile der Rede, die freundlich für Deutschland gewesen seien, die Zustimmung der ganzen Nation efunden hätten. Morley wandte sich sodann zu dem englisch⸗ ranzösischen Abkommen von 1904 und bestritt, daß es eine anti⸗ deutsche Allianz sei. Kein Staatssekretär des Auswärtigen Amts sei je mehr darauf bedacht gewesen, gute Beziehungen und ein gutes Einverständnis mit Deutschland zu sichern, als Lord Lansdowne. Es sei lächerlich, zu sagen, daß die Urheber der Entente von 1904 an irgend welche eindseligkeit gegenüber Deutschland gedacht hätten. Die Algeclrasakte bedeute zweifellos eine Entwicklung von großer Wichtigkeit. Aber er könne nicht zugeben, daß die Regierung seit 1905 sich irgend eines Vergehens schuldig gemacht habe in der Richtung einer rnacheihiuag der vollen Tragweite der durch die Algecirasakte erreichten Verständigung. „Ich bin gewiß,“ fuhr Morley fort, „daß Lord Courtney, der sich in so verurteilender Kritik bezüglich der Entente ausgesprochen hat, nicht den Wunsch hegt, daß wir das Abkommen kündigen. Das würde natürlich nicht möglich sein. Der ganze Kern des Abkommens bestand darin, daß Eng⸗ land freie Hand in Aegypten und Frankreich freie Hand in Marokko haben sollte. Wir haben unseren Anteil an dem Nutzen der Transaktion gehabt — wenn ein Nutzen vorhanden war — und es würde unerträglich sein, daß wir, nachdem wir unseren Anteil genommen haben, uns in irgend einer Weise weigern sollten, Frankresch ebenfalls seinen vollen Anteil zu geben. In allen diesen internationalen Verpflichtungen gibt es gewiß solch ein Ding, wie die Ehre. Das hindert uns nicht im geringsten, den Vertrag aus⸗ zudehnen, wie Lansdowne hoffte, daß es geschehen würde, als er abgeschlossen wurde.“ Nachdem Morley auf die wichtige Tatsache der gewaltigen Fortschritte der deutschen Flotte während der letzten zehn Jahre hingewiesen hatte, erklärte er: „Wir können unsere Augen dagegen nicht verschließen wegen der Steuer, die wir dafür bezahlen. Es liegt aber nichts in der stufen⸗ weisen Erweiterung von Deutschlands Macht zur See, was das all⸗ gemeine Empfinden herzlicher Freundschaft, das Lord Courtney wünscht, beeinträchtigen müßte. Sie müssen alle Umstände in Erwägung ziehen. Wie spekulativer Art au die Frage sein mag, ob Frankreich, Deutschland, Italien oder England das Meiste zur Geschichte der modernen Zivilisation beigetragen haben, das wenigstens ist gewiß: Diejenigen haben nicht unrecht, die dabei beharren, daß Deutschlands hohe Leistungsfähigkeit, die Reinheit und Energie seiner Verwaltung, seine glänzenden An⸗ strengungen und großen Erfolge in allen Zweigen der Wissenschaft, sein Ruhm in Kunst und Literatur, seine Stärke des Charakters das Land berechtigen, daß seine nationalen Ideale den höchsten Platz unter den größten Idealen einnehmen, die jetzt die Welt beseelen. Lassen Sie uns dies alles nicht vergessen. Der deutsche Ehrgeiz ist ein voll⸗ ständig verständlicher und sogar erhabener Ehrgeiz. Wer kann sich daher wundern, daß ein Staatswesen, das so enorme Fortschritte auf jedem Gebiet gemacht hat, den Wunsch hegt, Gebiete zu finden, damit sich seine überschüssige Bevölkerung eine Existenz gründen kann, ohne ihre Nationalität oder ihre Ideale zu verlieren! Es ist Raum für Deutschland unter der Sonne. Wenn die gegenwärtige Spannung andauern sollte, so würde ein ernsthaftes, ständiges Anwachsen der Rüstungen stattfinden. Die verwickelten Vor⸗ gänge des Sommers sind natürlich ernster Kritck ausgesetzt, die alle beteiligten Regierungen angeht. Aber sie sind millionenmal weniger heute der Kritik ausgesetzt, als dies gestern der Fall war; das ist die Wirkung von Greys Rede gewesen. Großbritannien, Deutschland und Frankreich haben das Ende der Schwierigkeiten erreicht, die beiseite zu schaffen die drei Regierungen jetzt jede Veranlassung haben, und ich unterfange mich, zu sagen, daß kein britisches Kabinett je mehr darauf bedacht gewesen ist als wir, nicht in einen einzelnen, unnötigen und unpolitischen Antagonismus zu treiben. Diese Verpflichtung ist von uns entschlossen, beharrlich und entschieden aufrecht erhalten und erfolgreich durchgeführt worden.“ Darauf ergriff Lord Lans downe das Wort und erklätte, die Rede von Sir Edward Grey sei eine der bemerkenswertesten, die je von einem Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten gehalten worden sei. Die Rede Courtneys werde schwerlich vielen Mitgliedern des Hauses gefallen. Er verteidigte das enalisch⸗französische Ab⸗ kommen, das für eine lange kommende Zeit die auswärtigen Angelegenheiten Großbritanniens beeinflussen werde, und schloß: „Ich die Hauptströmung der öffentlichen Meinung in Groß⸗ ritannien und Deutschland ist stark zugunsten freundlicher Beziehungen zwischen beiden Ländern, für den Abschluß einer Verständigung „bezüglich aller Fragen, die noch ungelöst bleiben, und für die Ueberzeugung, daß das größte Interesse beider Mächte die Erhaltung des internationalen Friedens ist.“
Nach weiterer Debatte wurde die Verhandlung über der Gegenstand geschlossen.
1 Unterhaus fragte gestern der Abgeordnete Mitchell⸗Thompson (kons.), ob die russischen Truppen, die persisches Gebiet betreten a nun zurück⸗ gezogen worden seien gemäß der Verständigung, in der Groß⸗ britannien der persischen Regierung geraten habe, der Forderung Rußlands nachzugeben.
„Der Staatssekretär des Auswärtigen Amts Sir Edward Grey erwiderte, es bestehe keine bestimmte Verständigung. Da die persische Regierung ihre Antwort auf die vasfiscen Forderungen hinaus⸗ geschoben habe, bis russische Truppen auf persischem Gebiet angelangt wären, und da Morgan Shuster in der Zwischenzeit ein Flugblatt in Persien verteilt habe, das Angriffe auf Rußland enthalte, so habe die russische Regierung erklärt, daß sie gezwungen sei, gewisse weitere Forderungen zu formulieren, und daß sie ihre Truppen nicht zurück⸗ ziehen werde, bis diese Forderungen bewilligt seien. Die russische Regierung habe der britischen mitgeteilt, daß ihre militärischen Maß⸗ nahmen rein provisorischer Art seien, und daß sie nicht die Absicht habe, die Grundsätze des englisch⸗russischen Abkommens zu verletzen.
Auf eine Anfrage des konservativen Abg. Lord Alexander Thynne, betreffend die amtlich bekanntgegebenen Ver⸗ änderungen in der Admiralität, erklärte der Erste Lor der Admiralität Lord Churchill:
Die Veränderungen, die die Hälfte der Mitglieder der Admiralität umfassen und sich auch auf den Ersten Seelord erstrecken, hätten auf jeden Fall zu Beginn nächsten Jahres bei Beratung des Etats stattgefunden. Die Regierung sei zu dem Ent⸗ schluß gekommen, daß esz im Interesse des öffentlichen Dienstes besser sei, wenn der Wechsel jetzt stattfinde. Es seien keinerlei Differenzen vorgekommen, und die Veränderungen bedeuteten keinen Tadel oder Vorwurf für irgend ein Mitglied, das aus der Admiralität scheide. Alle Gerüchte oder Mitteilungen ůber die Position oder Verteilung der Flotte seien ganz ohne Be⸗ ründung,
soweit sie behaupteten, daß die völlige Sicherhett nicht zu allen Zeiten
le folgendes zu sagen:
lheese Entscheidung in dem Geiste echten Flottendienstes entgegen⸗
zufrecht erhalten worden sei. Die Veränderungen in der Admiralität sien notwendig, um sie zu vereinheitlichen, und würden dazu führen, daß wirksamer gearbeitet werde. In bezug auf die Frage, ob die Seelords zurückgetreten seien oder den Abschied erhalten hälten, habe 1 Als er die Betreffenden davon in Kenntnis gesetzt habe, daß der König dem Wechsel zugestimmt hätte, hätten sie
jenommen, der sich nicht darin zeige, persönliche Prätensionen zur Geltung zu bringen, sondern darin, den Dienst der ganzen Persön⸗ lchkeit anzubieten, wo immer und wie immer dies im allgemeinen Interesse liegee. 8G Frankeeth..
In der Deputiertenkammer stand gestern die Beratung des Kriegsbudgets auf der Tagesordnung.
Der Berichterstatter Clé d. sprach über seinen Besuch der Forts im Osten und bemerkte laut Bericht des „W. T. B.“, wenn das französische Volk unter schwierigen Verhältnissen eine ruhige, aber entschlossene Haltung bewahrt habe, so sei das auf das Ge⸗ fühl der Sicherheit zurückzuführen, das ihm der Schild, den g seit vierzig Jahren trage, verleihe. Der Kriegsminister Messimy erörterte die Maßnahmen, die zur Verbesserung der Landesverteidigung getroffen worden sind, und sagte, wenn je das Schicksal es wolle, daß Frankreich zu den Waffen greifen müsse, um seine Grenzen, seine Sprache und seine freiheitlichen und ehrenvollen Ueberlieferungen zu verteidigen, so könne es auf die Stärke seines Heeres vertrauen.
— Die Kammerkommission für auswärtige An gelegenheiten beriet in der gestrigen Sitzung über den Bericht des Abgeordneten Long, betreffend das deutsch⸗ französische Abkommen, und beschloß, obiger Quelle zu⸗ folge, die Ratifikation des Abkommens.
Im Laufe der Debatte erklärte der Abg. De Mun: wenn er auch nicht gründsäblich gegen die Ratifizierung des deutsch⸗französischen Abkommens sei, halte er es doch für angemessen, das Ende der französisch⸗spanischen Verhandlungen abzuwarten. Der Abg. Rouanet unterstützte die Forderung einer Vertagung. Des chanel, der Präsident der Kommission, betonte, daß es angesichts der äußeren Lage angemessen sei, deutlich zu zeigen, daß die Kommission dem Abkommen zustimme.
Darauf erteilte die Kommission mit fünfzehn gegen zwei Stimmen bei acht Stimmenthaltungen ihre Zustimmung. Gegen das Abkommen stimmten die Sozialisten Rouanet und Ellen Prévot. Rußland. 8
In der gestrigen Sitzung der Reich sduma brachten die Sozialdemokraten eine Interpellation über die Beschuldigung ein, daß die sozialdemokratische Partei der zweiten Duma eine Militärverschwörung geplant habe. Die Verschwörung hatte den Grund zur Auflösung der zweiten Duma gebildet. Wie „W. T. B.“ meldet, erklärte der Präsident der Duma auf Antrag der Oktobristen die Sitzung für geheim, da sich die Interpellation auf eine Angelegenheit beziehe, die ebenfalls hinter geschlossenen Türen vor sich gegangen sei. Nachdem das Publikum und die Journalisten entfernt waren, zogen die Sozialdemokraten wegen der durch die Mehrheit der Duma geschaffenen Sachlage die Interpellation unter dem Gelächter der Rechten zurück. Darauf wurde die Oeffentlichkeit wieder vv Am Schluß der Sitzung brachten die Sozial⸗ demokraten dieselbe Interpellation mit einigen Aenderungen der ursprünglichen Fassung wieder ein. Der Präsident ordnete abermals den Ausschluß der Oeffentlichkeit an und verbot die Veröffentlichung der Debatte. 6“
Portugal. “
Der Ministerpräsident Vasconcellos sprach gestern in
Kammer und der Minister des Innern Falcao im Senat über die gemeldeten Unruhen anläßlich der Aus⸗
eisung zweier Chinesen. daut Bericht des „W. T. B.“ erklärten beide Minister, die Republik habe sich gegenüber den Ausschreitungen mit gesetzmäßigen Mitteln verteidigt. Alle Opfer der Unruhen seien Portugiesen. Eine Gruppe von Feinden der Republik, von den reaktionärsten an bis zu den fortgeschrittensten, komme als Hauptfaktor bei den Unruhen in Frage, wobei sie sich die Leichtgläubigkeit des Volkes zunutze gemacht hätten. Die Regierung werde jede Empörung energisch unterdrücken. In beiden Kammern boten alle Redner der verschiedenen politischen Gruppen der Regierung ihre Unterstützung zur Aufrechterhaltung der Ordnung an. Belgien. In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer rachten im weiteren Verlaufe der Debatte über die Militär⸗ frage die Liberalen den Antrag ein, eine Enquetekommission on elf Mitgliedern einzusetzen, die die Maßregeln untersuchen soll, die die Regierung zur Verteidigung des Landes unter⸗ nommen hat, und die das Recht haben soll, Reformvorschläge zu machen. Der Klerikale Verhaegen beantragte im Namen der klerikalen Kammerfraktion ein Vertrauensvotum für den Kriegsminister und im übrigen Uebergang zur Tages ordnung über den liberalen Antrag.
Im Laufe der Debatte wies, wie „W. T. B.“ meldet, der liberale Ab e von Meör ck 218 8 Frage ichn. 8- an der
eutsch⸗belgischen Grenze geschaffen werde dur rrichtung der Linie it ce ele ncn dn Sa die geplante neue Strecke Aachen — Brüssel iunter Umgehung Lüttichs. Hierdurch sei es der deutschen Armee inter Umständen möglich, Truppen nach Belgien zu schaffen, ohne kücksicht auf die Forts der Maasbefestigungen. Der unabhängige Klerikale Theodore, der für die allgemeine Wehrpflicht eintrat, äußerte, nach seiner Kenntnis habe Deutschland bis in den Monat September hinein in Elsenborn 1209 Automobile zum Transport von Infanterietruppen nach Belgien bereit gehalten. Aehnliche Vor⸗ kehrungen habe auch Frankreich an der belgischen Grenze getroffen.
Türkei.
Der Senat verhandelte in der gestrigen Sitzung über den Bau einer Zweiglinie Adabazar —Bolu der Anatolischen Eisenbahn. Einige Senatoren verlangten, wie „W. T. B.“ meldet, eine Fortsetzung der Zweiglinie bis Heraklea. Nachdem der Minister der öffentlichen Arbeiten sich über die Unzweck⸗ mäßigkeit dieser Feeüeeerang geäußert hatte, nahm der Senat die ersten sechs Artikel des Entwurfs an. 5
Rumänien. 8 f
Der König hat gestern in Anwesenheit des Kronprinzen und des diplomatischen Korps das Parlament mit Verlesung einer Thronrede eröffnet, in der er laut Bericht des „W. T. B.“ u. a. ausführte: “
Ein schwerer Kampf ist zwischen zwei Großmächten ausgebrochen, mit denen wir die besten Beziehungen unterhalten. Unsere Lage legt uns absolute Neutralität auf, die uns die Möglichkeit gibt, an der Aufrechterhaltung des Friedens auf dem Balkan mitzuwirken. Wir können also mit ruhigem Vertrauen in die Zukunft blicken, da Rumänien sich allgemeiner Sympathien erfreut und seine Beziehungen
zu allen Staaten die berzlichsten sind. Der länzende Stand der 1 velag Win reichstem Maße die Bevürfvihs der
Das neue persische Kabinett hat sich gestern dem Medschlis vorgestellt. Da dieses die teilweise reaktionäre Zusammensetzung des Kabinetts nicht billigte, erklärte der Premierminister Samsan es Saltaneh, wie „W. T. B.“ meldet, zurücktreten zu wollen. Das Medschlis lehnte es jedoch ab, seinen Rücktritt entgegenzunehmen und vertagte sich. Die Krisis ist von ihrer Beilegung weiter entfernt denn je. — Nach Meldungen des „Reuterschen Bureaus“ bestätigt ein in Peking eingetroffenes Telegramm des Kaiserlichen Generals Fengkuotschang die Einnahme der Stadt Hanyang durch die Kaiserlichen Truppen und meldet die gestern erfolgte Kapitulation von utschang. Letztere Nachricht rief in amtlichen Kreisen Pekings großen Jubel hervor, da man glaubt, daß die Revolution in g. Tagen zur Bedeutungslosigkeit herabsinken werde. Obwohl die Un⸗ ruhen wahrscheinlich noch monatelang fortdauern werden, sind die fremden Kaufleute doch sehr über die Aussicht, daß die Geschäfte wieder aufleben werden. Die Wiederherstellung der Ordnung würde die große Gefahr für das Leben der Fremden im Innern des Landes beseitigen. 3 . Einer Depesche des obengenannten Bureaus zufolge sind die Revolutionäre heute früh durch vier Tore in Nanking eingedrungen. — Wie „W. T. B.“ aus Saigon meldet, ist eine aus Eingeborenen bestehende französische Aufklärungstruppe von einer bewaffneten Bande bei Kaouthuaong angeg riffen worden. Auf flanzöfischer Seite gab es drei Tote und sechs Verwundete. 8
8 Afrika.
Nach Meldungen der „Agenzia Stefani“ aus Tripolis wurden während der gestrigen Nacht und gegen Morgen in der Oase mehrere Angriffe gegen den italienischen linken Flügel unternommen, die aber sofort zurückgewiesen wurden. Im Laufe des Tages kam es zu einigen Scharmützeln zwischen den Vorposten. Die Flieger meldeten, daß zwei ungefähr 2000 Mann starke Kolonnen mit Wagen sich aus Ainzara in Richtung auf Tarhona zurückzögen. Von Homs ist bis gestern nichts Neues gemeldet worden. Aus Derna wird berichtet, daß am 25. No⸗ vember eine neue Rekognoszierung auf dem Plateau unter⸗ nommen wurde, wo man jedoch keinen Feind antraf. Nach einer von der „Agenzia Stefani“ veröffentlichten Erklärung entbehren die vom türkischen Kriegsministerium verbreiteten Nachrichten über die Kämpfe bei Derna, nach denen die Ver⸗ luste der Italiener 200 Mann betragen sollten, jeder Be⸗ gründung. 8 6
Parlamentarische Nachrichten.
Der Schlußbericht über die gestrige Sitzung des Reichs⸗ tags befindet sich in der Ersten und Zweiten Beilage.
— Der Reichstag setzte in der heutigen (212.) Sitzung, welcher der Staatssekretär des Innern Dr. Delbrück bei⸗ wohnte, die zweite Lesung des Entwurfs eines H ausarbeit⸗ gesetzes fort und nahm die gestern abgebrochene Beratung der hierzu eingebrachten Anträge der Sozialdemokraten auf Schaffung von Lohnämtern (neuer § 3 b), der Anträge Behrens und Genossen e auf fakultative Füehne von Fachausschüssen (neue §8 16a — 16 d) und des dazu gestellten Amendements Oeser⸗Naumann⸗Träger⸗ Potthoff (fortschr. Volksp.) wieder auf.
Abg. Dr. Fleischer (Zentr.): Das Hauptproblem in der ge⸗ samten Hausarbeitfrage, der entscheidende Punkt, ist die Lohnfrage, hat gestern der Abg. Göhre ausgeführt, und ich stimme ihm mit meinen politischen Freunden durchaus in dieser Auffassung bei. Der Abg. Göhre hat auch anerkannt, daß das Zentrum in der Kom⸗ mission alles versucht hat, um eine befriedigende Lösung der Lohn⸗ frage dadurch herbeizuführen, daß Lohnämter mit rechtsverbindlicher Kraft der Beschlüsse errichtet werden. Das Zentrum steht auch heute noch auf diesem seinem ursprünglichen Standpunkt. Dagegen haben wir uns bereits in der Kommission gegen den sozialdemokratischen An⸗ trag mit aller Entschiedenheit wenden müssen. Dieser Antrag beab⸗ sichtigt, daß auf Antrag von Hausarbeitern oder ihrer Organisation das Gewerbegericht als Einigungsamt für den Bezirk seiner Zuständigkeit die wohnssh⸗ für eine Branche für eine bestimmte Dauer festsetzen soll. Danach koͤnnen zwei Hausarbeiter einen Antrag stellen, und das Gewerbegericht ist verpflichtet, auf Grund dieses Antrags in eine Regulierung der gesamten Lohnfrage einzutreten. Paßt das dann wieder einem anderen Hausarbeiter nicht, so kann er wieder einen Antrag stellen und dadurch von neuem Beunruhigung hervorrufen. Der Antrag ist also nicht geeignet, irgendwie Ruhe und Stetigkeit hineinzubringen, sondern im Gegenteil die größte Verwirrung in der Hauptsache aus agitatorischen Gründen. Der Antrag nimmt auch eine Rücksicht darauf, daß wir im Grunde genommen diejenigen In⸗ dustrien treffen wollten, welche elende Löhne zahlen. Wenn in einer Hausindustrie ein durchaus zureichender auskömmlicher Lohn gezahlt wird, dann liegt gar keine Verankassung vor, an den Lohnverhält⸗ nissen irgendwie zu rütteln. Wenn das Gewerbegericht immer wieder in eine Prüfung und eine neue gesetzliche Regelung der Löhne eintreten muß, so kann diese Regelung unter Umständen schlechter für die gesamten Hausarbeiter ausfallen, als es vorher der Fall war. Was für die Gewerbegerichte gilt, gilt in erhöhtem Maße für die sogenannten Kommissionen, die in dem sozialdemokratischen Antrag verlangt werden. Dieser Antiag ist deshalb auch in der Kommission abgelehnt worden. Dagegen wurde der Zentrums⸗ antrag, der die fakultative Errichtung von Lohnämtern vorsieht, mit einer Mehrheit von einer Stimme bei den Verhandlungen über die Gewerbeordnungsnovelle angenommen. Anders gestalteten sich die Dinge, als der Hausarbeitgesetzentwurf als besonderer Entwurf eingebracht wurde. Da wurde auch der Zentrumsantrag mit Stimmen⸗ gleichheit, mit 13 gegen 13 Stimmen abgelehnt. Wir haben nun, wie gesagt, keineswegs unsern ursprünglichen Standpunkt aufgegeben. Wir haben vielmehr, nachdem unser Antrag in der Kommission ab⸗ gelehnt worden ist, in der Oeffentlichkeit alles versucht, um auf die maßgebenden Regierungsinstanzen Einfluß zu gewinnen. Wir sind aber in einer verhältnismäßig schwierigen Position, nachdem einmal aus der Kommission ein Entwurf herausgekommen ist, der die Lohnämter nicht enthält. Die Regierung hat unzweideutig erklärt, daß sie unter keinen Umständen gewillt ist, einem Ge⸗ setzentwurf zuzustimmen, der die Rechtsverbindlichkeit der Löhne enthält. Der Staatssekretär Delbrück sagte gestern, die ver⸗ bündeten Regierungen müssen unter allen Umständen einem Gesetz ihre
ustimmung versagen, das in irgend einer Form die obligatorische estsetzung der Löhne bringt. Dazu kommt die Stellung der übrigen Parteien von der Rechten bis zur fontscheüttlichen Volkspartei. Der Abg. Naumann hat nur ein kleines Fähnlein seiner Partei hinter sich; die andere Gruppe, die schwere Artillerie, hat einen ganz anderen Einfluß auf die Regiernng. Danach ist es ausgeschlossen, daß im gegenwärtigen Augenblick überhaupt eine Me rheit für den Antrag des Zentrums zu gewinnen wäre. Der Abg. Naumann vichtkte seine Angriffe gegen eine falsche Adresse. Es wäre richtiger gewesen, wenn er rechtzeitig seinen ganzen Einfluß bei
eren beständige Fortschritte durch die letzten den si
sind.
der ganzen Aktion zu spät. Der Kepree den das Zentrum mit den übrigen bürgerlichen Parteien zusammengestellt
ausschüsse fordert, gesetzes. ist, nicht zu unterschätzen; weiter, Lohnamtes erforderlich sind, verbindlichkeit der Löhne, die wegen des Widerstandes der teien und der Regierung undurchführbar ist, heraus. des Abg. Göhre, daß die Fachausschüsse überhaupt nichts u bede
sich auf jener Seite nicht selten schuldig ausschüsse stellen, und dann wird die moralische Wirkung auf die industrie nicht ausbleiben. dem Einfluß der Regierung die aller Energie in die Tat umsetzen. ausschüssen kann man verschiedener Meinung sein; Gesetzentwurf über die neben der Wahl auch die Ernennung der repräsentierenden Mit alieder aus den 1 Der sozialdemokratische Antrag enthält ja auch nichts darüber, daß die Mitglieder Wahlen bestimmt Selbstverständlich!) Dann müssen Sie in Ihren Parteien, die unseren Antrag stellen, meinen, ausschüsse die Lohnfrage in der Hausindustrie werden. Schädlich kann dieser Versuch auf keinen wenn die Sozialdemokraten sagen, Löhne werde dadurch verhindert oder weiter hinausgeschoben, so frag ich, ob denn die Sozialdemokraten mit ihrem Antrag bei der parl mentarischen Lage und dem Widerstand der Re verbindlichkeit der Löhne durchsetzen. Gerade das? demokraten bringt gegenüber dem Kompromißantrag ein während das bringt.
ertei hat und der Fach⸗ rettet zunächst das Prinzip des Arbeitskammer⸗ Schon das ist, nachdem das Arbeitskammergesetz gefallen aber der ö geht noch er nimmt alle Bestimmungen, die für die Errichtung eines auf und läßt lediglich die Rechts⸗ ar⸗ Die Par. ist eine jener Uebertreibungen, deren man macht. Die Fach⸗ tatsächlichen Verhältnisse klarzu⸗ Elends⸗ Fachausschüsse werden unte Regelung der Lohnfrage mit Ueber die Wahl zu den Fach auch der englisch Lohnämter für bestimmte Gewerbe sieht
uten hätten,
sind geeignet, die
Die
Kreisen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer vo
der Kommissionen durch allgemeine gleich werden. (Ruf bei den Sozialdemokraten: diese Selbstverständlichkeit Staatssekretär wie all daß die Fach⸗ vorwärts bringen all sein. Und die Rechtsverbindlichkeit der
Antrag aufnehmen. Der
serung die Rechts⸗ orgehen der Sozial⸗ inus, Kompromiß den Hausarbeitern ein wirksames Plus (Ruf bei den Soözialdemokraten: Eine Null!) Wenn Sie die Mitwirkung der Fachausschüsse, die Einholung von Auskünften über die wirtschaftliche Lage und die Löhne, die Aufstellung einer Lohnstatistik usw. für eine Null ansehen, so desavouieren Sie Ihre ganze frühere Stellung, und ich verstehe überhaupt nicht Ihre ganze gewerkschaftliche Tätigkeit. Die Fachausschüsse werden nicht nur die Lohnfrage vorwärts bringen, sondern auch die Organisation der Heimarbeiter fördern. Wir betrachten das Kompromiß wenigstens als einen halben Erfolg und würden es nicht verantworten können, ihn den Heimarbeitern vorzu⸗ enthalten. Wenn die Fachausschüsse nicht ausreichen, die Lohnfrage durchgreifend zu regeln, so haben wir doch unsern ursprünglichen Standpunkt nicht preisgegeben, wir halten im Gegenteil unentwegt daran fest. Wenn die Fachausschüsse sich nicht bewähren sollten, so haben wir es doch in der Zukunft viel leichter, den Abschluß zu finden und die Rechtsverbindlichkeit der Löhne gemäß den Be⸗ schlüssen der Fachausschüsse durchzuführen, als wenn wir jetzt eine Abstinenzpolitik treiben, die keine wirkliche Tat bringt. Ich erkläre namens des Zentrums, daß wir, um für die Hausarbeit in der Regelung der Lohnfrage soviel wie möglich zu retten, an dem Kompromi festhalten und gerade um des Fortschritts willen alle Anträge ablehnen, die diesen ersten Schritt zur Regelung der Lohn⸗ frage gefährden.
(Schluß des Blattes.)
Das Mitglied des Hauses der Abgeordneten Dr. Gerschel (fortschr. Volksp.), Vertreter des 2. Berliner Wahlbezirks, ist, wie die „Freis. Ztg.“ berichtet, am 28. November gestorben.
Statistik und Volkswirtschaft.
Friedliche Erledigung von Lohnbewegungen und Lohn⸗ kämpfe in Deutschland im 388 1910. Die friedliche Verständigung über bessere Arbeitsbedingungen, d. h. höhere Löhne und kürzere Arbeitszeiten, wird in Deutschland von zu Jahr immer mehr zur Regel. Wenn von einer allgemeinen unahme der Neigung zu Streiks gesprochen wird, so ist das tatsächlich ein Irrtum. Dies beweist die Statistik der Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands. Danach war die Anzahl der friedlich und der durch Kampf erledigten Lohnbewegungen und der dabei be⸗ teiligten Arbeiter folgende: 6
Bewegungen . .. ... 1 davon friedlich erledigt . . . . . . 6 196 durch Kampf 1 A““ 1Z“ Prozensatz der letzteren . . . . . . 18 33,0, Beteiligte Arbeiter . . . . . u . 890 470 1 025 542 bei friedlichen Bewegungen 382 510 656 551 bei Kämpfen... . 507 960 369 011
Prozentsatz der letzteren 8 57,4 8 36,0‧.
Zur Arbeiterbewegung.
In den Geschäftsräumen der Borsigschen Maschinenbauanstalt in der Chausseestraße begann, hiesigen Blättern zufolge, gestern mittag eine Konferenz zwischen den Ausschußmitgliedern des Verbandes der Berliner Metallindustriellen und den Vertretern des Metallarbeiterverbandes. Den Vorsitz führt der Ge⸗ heime Kommerzienrat von Borsig. Die Verhandlungen werden streng vertraulich geführt. Es handelt sich darum, die für den morgigen Donnerstag angekündigte Aussperrung wenn möglich noch abzuwenden. (Vgl. Nr. 273 d. Bl.) 1
In Cöln hat, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, eine Versammlung der Schneidergehilfen am Montagabend einstimmig beschlossen, den Unternehmerverbänden in den nächsten Tagen einen den ver⸗ Verhältnissen Rechnung tragenden Tarifentwurf zu unter⸗
reiten. b
Aus Leipzig wird dem „W. T. B.“ gemeldet: Die Ver⸗ handlungen der aus Vertretern des Deut chen Buchdrucker⸗ vereins und des Verbandes der vie be⸗ stehenden Kommission zur Revision des vor fünf Jahren abge⸗ Tarifs für Druckereihilfsarbeiter sind gescheitert.
er Verband der Herrenschneider in Hamburg bhat, wie die „Köln. Ztg.“ erfährt, die Kündigung des 190† abgeschlossenen Tarifs beschlossen; er fordert eine zehnprozentige Lohnerhöhung und den neunstündigen Arbeitstag. 1
Die Zahl der ausständigen Kraftwagenführer in Paris beläuft sich, „W. T. B.“ zufolge, jetzt auf über 6000. (Vgl. Nr. 280 d. Bl.) — Der Verbandeausschuß der in die Marinerolle ein⸗ geschriebenen französischen Seeleute hielt, wie „W. T. B.“* meldet, in Paris eine Sitzung ab, um gegen den Plan, die Handelsmarine dem andelsministerium zuzuweisen, Ein- spruch zu erheben, da hierdurch 223 000 eingeschriebene See⸗ leute den Reedern auf Gnade oder Ungnade preisgegeben würden. Der Ausschuß beschloß, einen Aufruf zu erlassen, in dem die Ein⸗ berufung eines Kongresses in Paris san Verhinderung jenes Planes, andernfalls der Gesamtausstand vorgeschlagen wird.
Kunst und Wissenschaft. 8
b 1 .“ — “ Die Gesellschaft für Erdkunde in Berlin hält am Sonn⸗ abend, Abends 7 Uhr, eine allgemeine Sitzung im großen Saal des Architektenhauses, Wilhelmstraße 92. Der Dr. A. Merz, Ab⸗- teilungsvorstand am Institut für Meereskunde, wird über „ Lerliner
seinen eigenen Parteigenossen geltend gemacht hätte. Wenn Sie jetzt Ihren ursprünglichen Antrag wiederholen, dann kommen Sie bei
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Seenstudien und Meeresforschung“ sprechen. (Mit Lichtbildern.)