8
Großhandelspreise von Getreide an chen und fremden Börsenplätzen für die Woche vom 20. bis 25. November 1911 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark.
8 (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
————
Woche Da⸗
20./25. gegen
Noybr. Vor⸗ 1911 swoche
182,20 180,17 203,30 202,92 178,90 178,75
Berlin. Fohgen, guter, gesunder, mindestens 712 g das 1 Weizen, „ 1 8 755 g das 1 Sö „ 8 6 450 g das 1 Mannheim. Roggen, Pfälzer, russischer, mittel... . .. .. Weizen, Pfälzer, russischer, amerik., rumän., mittel Hafer, vedehe vscsecen 8 1
adische, Pfälzer, mittel. —
Gerste russische Futter⸗, mittel . 8 v6P16AA“;
Wien. Roggen, Pester Boden . .. Weizen, Theihß . Hefs⸗ ungarischer TI...
erste, slovakische .. ..
193,13 223,50 187,92 223,75 157.50 175,00
193,33 224,08 188,75 222,50 157,50 175,00
183,58 216,72 178,48 186,98 175,08 161,48
179,05 214,70 174,81 186,69 173,11 159,54
neuer. S. Budapest.
Roggen, Mittelware.. Weizen, 8 6“
Hef ““
er, 1 erste, Futter⸗ “ Mals, ““ Odessa. 71 bis 72 kg das hllh.. Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl Riga. Roggen, 71 bis 72 kg das hll... We zen, 78 bis 79 kg das hllhl.. Paris.
Vocgen lieferbare Ware des laufenden Monats
169,39 202,02 167,86 160,63 157,32
166,50 199,00 167,17 159,11 . 165,65 127,70 157,99
178,53 203,93
173,22
202,86 Antwerpen.
Donau⸗, mittel .. . 8 roter Winter⸗ Nr. 2.
Weizen La Plaa WEEebö“ Kalkutta Nr. 2.
Amsterdam.
157,06 162,71
158,92 160,93
156,29 159,52
157,91 159,92
9 —
Z“ Roggen St. Sögü meen
Weizen Odessa Gbn
“ 158,72 amerikanischer Winter⸗ Mais
165,77
amerikanischer, bunt. 142,2 Sa Plahh.. —
London. Weizen 8- wü (Mark Lane). Weizen
159,42 158,30 155,05 150,60 188,41
159,42 158,30 155,44 151,80 185,12
englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten 5 (Gazette averages)
8 Liverpool.
EEö1ö1“; roter Winter⸗ Nr. Manitoba Nr. 2. Eöö. 3 Haf mlastre * “ afer, englischer, weißer .. .. Schwarze Meer⸗ Gerste, Futter⸗ Kurrachee... 3Zö““ Mais (Eeenth EE1III11“ e111“
Chicago.
Dezember Mai.. Julil.. 146,16 Dezember. 105,74
“ “
Hafer Gerste
171,03 161,41 175,51 172,22 159,29 163 51 156,62 140,17 142,52 140,02 141,90 142,37
170,09 164,45 179,49 174,32 161,64 167,74 156,62 140,95 142,52 140,49 143,31 142,37
Weizen
147,47 155,35
145,54 154,26 145,98 105,38
1“
roter Winter. Nr. H... 150 87
Lieferungsware ver⸗ ber. 8. 4 Dezember —
Buenos Aires.
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Produktenbörse = 504 Pfund engl. gerechnet; 82 die aus den Um⸗ ätzen an 196 Merktorten des Königreichs ermittelten Durchschnitts⸗ reise für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial uarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angesetzt; 1 Bushel Weizen = 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund englisch, 1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100, Weizen = 2400, Mais = 2000 kg.
Bei der Umrechnung der Preise in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im Fceeeg. ermittelten wöchent⸗ lichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse zugrunde gelegt, un 1 ür Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Peters⸗
urg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze. reise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie.
Betlin, den 29. November 1911. iserliches Statistisches Amt.
11u.“
eutscher Reichstag. 211. Sitzung vom 28. November 1911, Mittags 12 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)
Auf der Tagesordnung steht zunächst die Fortsetzung der zweiten Beratung des “ eines Gesetzes, betreffend den Ausbau der deutschen Wasserstraßen und die Er⸗ hebung von Schiffahrtsabgaben. —
Nach dem Abg. Gothein (fortsch. Volksp.), dessen Rede in der gestrigen Nummer d. Bl. mitgeteilt worden ist, ergreift das Wort der
Preußische Minister der öffentlichen Breitenbach: 1
Meine Herren! Die Strombeiräte, wie sie durch dieses Gesetz für die Gemeinschaftsströme Rhein, Elbe, Weser geschaffen werden, haben ihre besondere Bedeutung dadurch, daß sie Instrumente des Interessenausgleichs sind zwischen verschiedenen Staaten mit differierenden wirtschaftlichen Interessen. Der Herr Vorredner führte aus, daß diese Interessengegensätze mindestens ebenso scharf hervor⸗ treten in denjenigen Vekehrsgebieten oder Stromgebieten, die inner⸗ halb eines Staats gelegen sind. Ich meine aber, darüber kann doch kaum ein Zweifel bestehen, daß die Interessengegensätze schärfer sein werden, wenn dieses Stromgebiet durchschnitten ist von einer Vielheit von Landesgrenzen. 1
Nun setzt die Einrichtung von Strombeiräten, wie sie das Gesetz schaffen will, einen Zweckverband voraus, eine Finanzgemeinschaft, setzt ferner voraus, daß dieser Zweckverband, diese Finanzgemeinschaft Organe hat, die als Gegengewichte wirken: auf der einen Seite der Verwaltungsausschuß, auf der anderen Seite der Strombeirat.
Alle diese wesentlichen Voraussetzungen fehlen für diejenigen Wasserläufe, die der Antrag der Herren Abg. Oeser⸗Gothein begreift. Es sind alle diejenigen Wasserläufe, die im § 1 des Art. II des Gesetzes nicht genannt sind. Dee Antrag ist außerordentlich weit⸗ reichend. Er begreift sowohl Wasserstraßen, die dem Reiche gehören, wie den Kaiser Wilhelm⸗Kanal, er begreift die Wasserstraßen, die Einzelstaaten gehören, er begreift auch die Wasserstraßen, die Kreifen gehören, beispielsweise den Teltowkanal.
Politisch zerfallen die Wasserstraßen, auf die dieser Antrag ab⸗ zielt, erkennbar in zwei große Gruppen, wiederum in die gemein⸗ samen Wasserstraßen, und zwar diejenigen, die in § 1 des Artikels 1] des Gesetzes nicht genannt sind, und solche Wasserstraßen, die nur innerhalb eines Staatshoheitsgebiets belegen sind. Gemeinsame Wasserstraßen haben wir, außer den im Gesetze benannten Strömen und Stromstrecken, die Weser unterhalb Bremen, an der drei Staaten, Preußen, Oldenburg, Bremen beteiligt sind; wir haben die Elbe unterhalb Hamburg, an welcher Hamburg und Preußen beteiligt sind; ferner die Trave und den Elb⸗Travekanal, die teils preußisch, teils lübeckisch sind, den im Bau befindlichen Rhein⸗Hannoverkanal, an dem Preußen und Schaumburg⸗Lippe beteiligt ist; wir haben den Ems⸗ Jadekanal, wo Preußen und Oldenburg beteiligt ist, endlich die Donau. Auf alle diese Wasserstraßen würde der Antrag Oeser sich beziehen. Nach dem Antrag soll die Organisation der Strom⸗ beiräte Sache der Landesgesetzgebung sein. Nun, meine Herren, dort, wo mehrere Staaten beteiligt sind, wie bei den eben genannten Wasserstraßen, würde Voraussetzung sein für die Schaffung einer Organisation: der Abschluß von Staatsverträgen, und wenn die Staaten sich nicht einigen, würde nichts übrig bleiben, als daß das Reich im Wege der Gesetzgebung eingreift.
Dieses hätte zu geschehen, obwohl ein Bedürfnis für ein solches Eingreifen zu keiner Zeit hervorgetreten ist oder angemeldet wurde; das Reich soll eingreifen, um zweifellos bestehende Rechte, wie die Rechte Bremens, zu kürzen. Denn als durch das Gesetz von 1886 Bremen das Recht gegeben wurde, Schiffahrtsabgaben unter gleichzeitigem Ausbau der Weser zu erheben, ist dem Staate Bremen keinerlei Beschränkung auferlegt worden; es ist ihm nicht zugemutet worden, einen kontrollierenden Wasserstraßenbeirat mit den Befugnissen, wie sie der vorliegende Antrag will — noch dazu unter Beteiligung von Preußen und Oldenburg — hinzunehmen. Gleichartige Verhältnisse liegen an der Unterelbe vor für den Staat Hamburg, der ja tatsächlich seit Jahrzehnten Abgaben zur Unter⸗ haltung von Schiffahrtsanstalten erhebt. Ich meine, diese Er⸗ wägungen, die ich für die gemeinsamen Wasserstraßen anstelle, weisen darauf hin, daß das Reich nicht ohne Not im Wege der Gesetzgebung eingreift und damit die Autonomie der Staaten beeinträchtigt.
Noch viel schärfer tritt das aber hervor bei denjenigen Wasser⸗ straßen, die nur innerhalb eines Staatsoberhoheits⸗ gebietes belegen sind. Hier scheint mir nach der Fassung des Art. IV zu 9 überhaupt keine Möglichkeit gegeben zu sein, für das Reich im Wege der Gesetzgebung einzugreifen; denn diese Bestimmung der Verfassung bezieht sich doch nur auf die gemeinsamen Wasser⸗ straßen, wenigstens soweit es sich um die Schaffung von Organisationen handelt. Nun haben wir in Preußen nicht weniger als 7 Wasser⸗ straßenbeiräte bereits eingerichtet. Die Organisation, die wir ge⸗ schaffen haben, ist, wie ich im Gegensatz zu dem Herrn Abg⸗ Gothein meinerseits behaupten muß, allgemein als eine nützliche anerkannt worden, und zwar so sehr, daß jahraus, jahrein Anträge an mich herantreten auf Verleihung der Mitgliedschaft in diesen Wasserstraßenbeiräten. Es ist auch die Absicht, diese Organisation der Wasserstraßenbeiräte, nachdem das Wasserstraßennetz Preußens aus⸗ gebaut sein wird, noch weiter auszugestalten,
Wenn der Herr Abg. Gothein meint, daß die Wirksamkeit dieser Wasserstraßenbeiräte um deswillen, weil sie ja nur eine gutachtliche sei, hinfällig wäre oder nicht eine derartige, wie er es von ihnen er⸗ warte, so weise ich meinerseits darauf hin, daß die beirätliche Mitwirkung wie wir sie für die Eisenbahnen und im preußischen Staatsgebiet für die Wasserstraßen haben, tatsächlich nichts weniger als unwirksam ist. Es sind die Fälle, in denen die entscheidende Instanz genötigt ist, gegen das Votum der Beiräte zu entscheiden, außerordentlich selten. Selbstverständlich treten sie ein; denn wenn das nicht der Fall wäre, würde ja die Entscheidung bei den Beiräten liegen. Bei dem preußischen Landeseisenbahnrat, der nunmehr seit 30 Jahren in Wirk⸗ samkeit ist, sind es nur 3 % aller Fälle gewesen, in denen die ent⸗ scheidende Instanz sich hat veranlaßt sehen müssen, eine abändernde Entscheidung zu treffen.
Der Herr Abg. Gothein hat ein von mir in der Kommission hervorgehobenes wesentliches Bedenken erwähnt, welches sich dagegen richtete, den Wasserstraßenbeiräten an den privativen Flüssen eine entscheidende Stellun und zwar gerade in der Hauptfrage
Arbeiten von
der Tariffrag Er hat auf die Stellung der Garantie⸗ verbände zu den im Ausbau befindlichen Wasserstraßen hingewiesen. Diese Garantieverbände, Provinzialverbände haben garantiert einen Teil der Zinsen des Anlagekapitals und die Betriebs⸗ und Unter⸗ haltungskosten. Sie gehen bei ihrer Garantie davon aus, daß die Tarife auf diesen Wasserstraßen so bemessen sein werden, daß ihre Garantiepflicht tunlichst nicht in Anspruch genommen wird. Wenn nun ein Strombeirat mit entscheidender Befugnis bezüg⸗ lich der Tariffestsetzung neben diesen Garantieverbänden virkt, dann müssen sich starke Interessengegensätze entwickeln. Es wird der Fall eintreten können, daß die Strombeiräte auf Grund ihres dezisiven Votums die Tarife niedrighalten, und daß die Provinzialverbände oder die Kommunalverbände, um die es sich handelt, dann die Zinsen, die sie garantiert haben, und die Unterhaltungskosten ganz oder teilweise zu tragen haben. Ueber diese Bedenken hinwegzugehen, scheint mir kaum möglich zu sein. Ich bin sogar der Meinung, daß, wenn den Strombeiräten in Tariffragen für die privativen Flüsse ein ent⸗ scheidendes Votum gegeben würde, der Wasserstraßenausbau innerhalb des preußischen Gebiets aufgehalten werden könnte gegen Wunsch und Willen der preußischen Regierung.
Meine Herren, ich gehe über zum zweiten Teil des Antrags Oefer⸗Gothein, der darauf abzielt, einen höchsten Gerichtshof in jedem Staatsgebiet einzusetzen oder zu bestimmen, der entscheiden soll. über die Kostenanteile, mit denen die Schiffahrt oder andere Interessenten zu belasten sind. Ich darf bemerken, daß nicht jeder der beteiligten Bundes⸗ staaten ein höchstes Verwaltungsgericht hat. Die Frage ist, wie der Herr Abgeordnete soeben hervorgehoben hat, in der Kommission sehr ein⸗ gehend erörtert worden. Man hat sich den Kopf darüber zerbrochen, ob es nicht möglich wäre, die Frage zu lösen, indem man ad hoc einen Gerichtshof schüfe, dem die größten Intelligenzen des Landes angehörten, oder dadurch, daß man den Rechnungshof des Deutschen Reichs zu der entscheidenden Stelle beriefe. Man hat sich damals in der Kommission überzeugt, daß auf diesem Wege nicht weiterzukommen sei, und zwar aus dem Gesichtspunkt heraus, daß die Fragen, die dort zur Entscheidung stehen, keine Rechtsfragen, auch keine reinen Verwaltungs⸗ fragen sind, sondern eminent praktische Fragen, die voraussetzen, daß diejenigen, denen die Entscheidung obliegt, eine genaue Kenntnis des Stromes, der Individualität des Stromes besitzen, daß sie die Boden⸗ und die wirtschaftlichen Verhältnisse genau kennen. Diese Voraus⸗ setzung würde aber bei den Mitgliedern eines höchsten Verwaltungs⸗ gerichtshofes, so hoch ich diese Instanzen einschätze, nicht vor⸗ liegen können. Dagegen erfüllen diese Voraussetzung die Ver⸗ waltungsausschüsse im Zusammenwirken mit den Strom⸗ beiräten, wie sie das Gesetz für die gemeinsamen Ströme schafft, durchaus. Denn in den Verwaltungsausschüssen sitzen unter allen Umständen sachverständige Männer, und in den Strom⸗ beiräten für die gemeinsamen Ströme sitzen zweifellos ebenfalls Kenner des Stroms im weitesten Sinne des Wortes. Ich glaube also, daß für die gemeinsamen Ströme, die das Gesetz als solche be⸗ zeichnet, besser gesorgt ist durch das Zusammenwirken der Verwal⸗ tungsausschüsse und Strombeiräte als durch Einsetzung eines höchsten Verwaltungsgerichtshofes.
Es ist weiterhin in der Kommission darauf hingewiesen worden, daß, wenn ein solcher Gerichtshof geschaffen wird, tatsächlich eine Instanz über Regierung und Parlament geschaffen wird, die die Korrektur der Geldbewilligung der Parlamente vornehmen wird. Die Parlamente entschließen sich, zum Ausbau ihrer Ströme oder ihrer Stromteile bestimmte Summen zu bewilligen, und hinterher kommt ein über diesen schwebenden höchster Gerichtshof und erklärt: nein, das genügt nicht; die Lasten, die die Schiffahrt tragen muß, sind geringer, die Lasten, die die anderen Interessenten tragen müssen, sind größer. Es würde also dazu führen, daß Regierung und Parlament in diesen Fragen ausgeschaltet werden würden. Ich glaube, daß ein solcher Zustand den Ausbau unserer Ströme und Wasser⸗ straßen aufs schwerste gefährden würde. Ich bin daher der Meinung, daß beide Anträge abzulehnen sein werden. (Bravo! rechts.)
Abg. Winckler (dkons.): Meine politischen Freunde werden den Antrag in beiden Teilen ablehnen. Wir sind zu dieser Stellung nahme bereits durch die von dem preußzschen Arbeitsminister in der Kommission abgegebene formulierte Erklärung gekommen, der dort auch der bayerische Vertreter zugestimmt hat, und mit der sich die heutigen Ausführungen des Ministers durchaus decken. Diese Aus⸗ führungen haben überzeugend dargetan, wie unzweckmäßig eine solche Einrichtung für die privativen. Ströme sein würde. Wir sehen den Antrag als einen Eingriff in die Landesgesetzaebung an, der in keiner Weise geboten ist. Insbesondere in die preußische Verwaltung und Gesetzgebung würde die Annahme dieses Antrags tief eingreifen. Die dort bereits vorhandenen Wasserstraßen beirätefunktionieren ganz por züglich. Der zweite Teil des Antrages würde noch eine Ver⸗ schärfung dieses Eingriffs bedeuten, er würde die Wirksamkeit und Zuständigkeit von Regierung und Volksvertretung der Einzel⸗ staaten direkt unterbinden. Abg. Dr. David (Soz.): Wir haben unserseits schon in der Kommission die Berechtigung des Antrags anerkannt. Wenn der Minister auf Schwierigkesten verweist, die daraus entstehen, daß es noch andere gemeinsame Wasserstraßen gibt, die in § 1 des Art. nicht genannt sind, so wird dieser Einwand durch einen soeben von den Antragstellern eingebrachten Zusatantrag beseitigt, wonach zwischen den Worten „nicht genannten“ und „Wasserstraßen⸗ eingeschaltet werden soll: „im Besitz nur eines Bundesstaates befindlichen”. Auch der Ein⸗ wand bezüglich der Unterweser ist hinfällig, weil dort ein Interessen⸗ gegensatz zwischen Schiffahrt und Landwirtschaft nicht besteht. Anters liegen aber die Verhältnisse in Preußen. Bei der agrarischen Zusammensetzung des Landtags und der daraus sich ergebenden Ge⸗ fügigkeit des preußischen Ministeriums ist dort eine Einrichtung, wie sie der Antrag für die privativen Ströme will, noch sehr viel not⸗ wendiger als für die Verbandsströme. Die heutigen preußischen ““ bieten keineswegs die erforderlichen Garantien, wenn der Minister auch das Gegenteil behauptet; sie bieten diese Garantien schon wegen ihrer Zusammensetzung nicht. Eine uns heute zugegangene Eingabe der Handelskammer in Posen liefert uns dafur einen schlagenden Beweis; die Stadt Posen und die Schiffahrts⸗ interessenten der Warthe würden danach sehr stark von den zu er⸗ wartenden Abgaben getroffen, und es wäre ein Unrecht, solche Ab. gaben überhaupt zu erheben. Es ist doch kein Zweifel, daß die Re⸗ gierung und die Wasserstraßenbeiräte in Preußen sich wesentlich in großagrarischen Interesse betätigen. Alle Stromverbesserungen kommen zum großen Teil auch der Landwirtschaft zugute; die Kosten verteilung zwischen Landwirtschaft, Industrie und Verkehr ist von der allergrößten Wichtigteit, und fur eine gerechte Verteilung würde der Antrag Gothein schon in der Vorinstanz eine Garantie schaffen. „Daß ein oberster Verwaltungsgerichtshof nicht über die nötige Sach kenntnis verfügt, ist ein Einwand, den man gegen jedes Gericht ohne alle Ausnahme erheben kann; diesen Mangel ersetzt ja die Heran⸗ ziehung von Sachvernändigen. Hinfällig ist auch der Einwand, daß eine Instanz geschaffen würde, die über Parlament und Regierung thront. Eine richterliche Instanz über der Regierung haben wir jetzt schor in dem Reichsgericht, und das ist auch sehr gut; das wäre also nichts Neucs⸗
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1
Wenn der Minister weiter sagt, das höchste Verwaltungsgericht würde
auch über dem Parlament stehen, so ist zu erwidern, daß das Parla⸗ men sa gar keine entscheidende Instanz ist. Das alles sind nicht b barcige Einwände, es sind Vorwände, um einseitig agrarischen Iuteressen zum Durchbruch zu verhelfen. Der Abg. Winckler be⸗ d ö 1 Antrag als einen Eingriff in die Landesgesetzgebung. doc 1 eichsrecht geht vor Landesrecht! Das ganze Gesetz greift ja F die Landesgesetzgebung ein. Das ist unser gutes Recht, ja vebe, Pflicht, darum werden wir dem Antrage unsere Zustimmung beit.
Preußischer Breitenbach:
Meine Herren! Ich bin veranlaßt, auch diesem amendierten Antrag zu widersprechen und zwar aus den Gründen, die ich bereits bekannt gegeben habe, als ich über die rein preußischen Ströme mich ausließ. Ich finde auch, daß dieser Antrag eine neue Inkongruenz bringt, denn hiernach würde beispielsweise ein Strombeirat mit ent⸗ scheidenden Befugnissen für den Großschiffahrtsweg Berlin-—Stettin einzusetzen sein, weil dort nur ein Staatsgebiet in Frage kommt; es würde aber ein Strombeirat nicht einzusetzen sein für den Großschiff⸗ fahrtsweg vom Rhein nach Hannover, weil Schaumburg⸗Lippe von dem Kanal durchschnitten wird. Daraus ist schon erkennbar, daß mit dem Amendement nichts gewonnen wird, daß ihm noch stärkere Be⸗ denken entgegenstehen als dem primären Antrag.
Abg. Heser (fortschr. Volksp.). Es war ein unglücklicher Ge⸗ danke des Abg. Winckler, uns einen Eingriff in die Landesgesetzgebung vorzuwerfen. Die Wirksamkeit der Eisenbahnbezirksräte reicht nur so weit, wie der gute Wille der Verwaltung, eine. Mußfunktion be⸗ sitzen sie nicht. Die Strombeiräte haben auch grundverschiedene Dinge zu regeln wie die Eisenbahnbezirksräte. Ich bitte Sie deshalb, unseren Antrag in seinen beiden Teilen anzunehmen. Es muß das größte Befremden erregen, daß gerade die Herren aus den S Landesteilen kein Interesse für den Antrag an den Tag
„Abg. Winckler (dkons.): Ich habe den Antrag nicht bekämpft, weil er einen Eingriff in die Landesgesetzgebung bedeutet, sondern weil er ein überflüssiger und schädlicher Eingriff in die Landesgesetz⸗ gebung ist. . t
Abg. Stolle (Soz.) spricht sich für den Antrag Gothein aus.
Der Unterantrag und der Antrag Gothein werden gegen die Stimmen der fortschrittlichen Volkspartei, der Sozial⸗ demokraten und eines Teiles der Nationalliberalen abgelehnt. 8 Nach Art. III der Vorlage dürfen zur Deckung der vor Verkündigung dieses Gesetzes auf natürlichen Wasserstraßen verwendeten Kosten Befahrungsabgaben nicht erhoben werden. Diese Vorschriften sollen auf eine Reihe von Stromverbesse⸗ rungen, die bei der Verkündigung dieses Gesetzes noch in der Ausführung begriffen sind, keine Anwendung finden. Dazu gehört u. a. die Kanalisierung der Lippe von Lippstadt bis Wesel, die Kanalisierung der Oder von der Neissemündung bis Breslau, die Kanalisierung der Warthe von Posen abwärts. Ein Antrag Oeser⸗Gothein und Genossen schlägt folgende Fassung vor:
Zur Deckung der Kosten für die Herstellung und Unter⸗ haltung bereits vorhandener Regulierungswerke, die vor Inkraft⸗ setzung dieses Gesetzes auf anderen natürlichen als den im Art. 11 § 1 genannten Wasserstraßen ausgeführt sind, sowie für Ersatz⸗ bauten solcher dürfen Befahrungsabgaben nicht erhoben werden.
Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Unser Antrag würde die Erhebung von Abgaben bei der Kanalisierung der Oder von der Neissemündung bis Breslau für Schleusen usw. gestatten, aber z. B. nicht bei der Verhesserung der Lahn. Der Antrag will ein be⸗ stehendes Unrecht beseitigen; er will die Möglichkeit beseitigen, Ab⸗ gaben zu erheben, wo sie jetzt zu Unrecht erhoben werden. Die Ge⸗ setzgehung ist nicht dazu da, nachträglich es zu sanktionieren, wo von den Einzelstaaten im Widerspruch mit der Verfassung Abgaben er⸗ hoben worden sind. Die Kommissionsfassung will dieses Unrecht nachträglich sanktionieren. Wer das nicht will, muß unserem Antrag zustimmen.
Direktor im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat Peters: Die Konsequenz des Antrags reicht viel weiter, als nach diesen Ausführungen anzunehmen ist. Der Grundgedanke des Gesetzentwurfs ist, hinsichtlich der Finanzierung einen Schnitt zu machen, sodaß Stromverbesserungen aus der Ver⸗ gangenheit nicht durch Abgaben gedeckt werden können. Dieses Prinzip ist durch die Kommissibnsfassung gewahrt worden. Man will nun nicht willkürlich eingreifen in ein finanzielles Unternehmen, das beim Inkrafttreten dieses Gesetzes schon im Werke war. Dieses Prinzip ist durch den Artikel II anerkannt worden. Die Kommissions⸗ fassung zu Artikel III besagt nun weiter nichts, als daß dasselbe Prinzip auf die anderen Wasserstraßen, die im Artikel II nicht ge⸗ nannt sind, angewendet werden soll, denn konsequenterweise kann man die anderen Wasserstraßen nicht verschieden behandeln. Der Artikel III. bezieht sich nun weiter auf folche Fälle, wo schon Stromverbesserungs⸗ kosten durch Abgaben gedeckt werden. Der Antrag Gothein will nun, daß solche Regulierungswerke, die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes schon in Ausführung genommen sind, nach dem Inkrazttreten des Gesetzes nicht mehr durch Schiffahrtsabgaben gedeckt werden sollen. Das würde weitgehende Konsequenzen haben. Bremen erhebt auf der Weser Schiffahrtsabgaben auf Grund des Reichsgesetzes von 1886. Der Antrag Gothein würde zwar dieses Gesetz nicht aufheben, aber tatsächlich würde der Antrag doch für Bremen einen jährlichen Aus⸗ fall von über 13 Millionen verursachen. Ebenfalls f
Minister der öffentlichen Arbeiten von
werden für die Verbesserungen bei Stettin und Königsberg Abgaben erhoben, und die Kaufmannschaften in Königsberg und Stettin würden wohl nicht mit dem Antrag Gothein einverstanden sein. Deshalb kann der Antrag nicht angenommen werden. Der Abg. Gothein will Abgaben beseitigen, die nach seiner Meinung schon nach dem alten Gesetz zu Unrecht bestanden. Der politisch wichtigste Zweck des Gesetzes ist doch, daß der alte Streit aus der Welt geschafft wird. Der Antrag Gothein gräbt aber für jeden einzelnen Fall die Streitaxt wieder aus, um zu entscheiden, ob eine Abgabe zu Unrecht erhoben ist. Der Abg. Gothein glaubt die Lösung des Rätsels durch das Wort „Regulierungs⸗ werke“ gefunden zu haben; aber es steht gar nicht fest, was eine Regulierung ist, ob z. B. Baggerungen oder Betonnungen als Regulierung anzusehen sind.
Abg. Dr. David (Soz.): Der Antrag Gothein will nicht die Streitart ausgraben, sondern aus dem Gesetz eine Ausnahme ent⸗ fernen, um das Prinzip der Nichterhebung von Abgaben bei schon vor⸗ handenen Werken strikte durchzuführen. Wozu nicht alles das Unter⸗ wesergesetz herhalten muß! Nach dem Antrag Gothein soll Bremen nicht mehr Abgaben erheben dürfen, die ihm durch das Gesetz von 1886 zugebilligt sind. (Widerspruch des Ministerialdirektors Peters.) Das ist nicht der Fall, oder es wäre eine Kleinigkeit, bis zur dritten Lesung diese Schwieriakeit wegen des Wesergesetzes zu beseitigen. Der Widerstand gegen den Antrag Gothein erklärt sich nicht aus der Wahrung der Rechte Bremens oder Hamburgs, sondern daraus, daß die preußische Regterung für ihre Ströme vollkommen freie Hand haben will, zu machen, was sie will. Schützen Sie die preußischen Ströme vor der einseitigen agrarischen Regierung!
Direktor im Ministerium der öffentlichen Arbeiten. Wirkl. Geh. Oberregierungsrat Peters: Selbst wenn der Antrag Gothein dahin geändert wird, daß das Wesergesetz von 1886 in Kraft bleibt, so würde doch immer der bremische Sraat die Einnahinen aus den Tonnen und Baken, die seit 30 Jahren erboben werden, verlieren.
Abg. Dr. v. Dziembo wski⸗Pomian (Pole): Wir glauben, daß ein Versehen vorliegt, wenn die Kommission unter die Ausnahmen, die vom Verbot der Befahrungsabgaben gemacht werden sollen, auch die „Verbesserung der Warthe von Posen abwärts“ auf⸗
11ö“
genommen hat. Bei den anderen Ausnahmen handelt es sich um Kanalisierungen und Ausbauten, hier soll aber die gewöhnliche Ver⸗ besserung mit einer Abnabe bedacht werden. Wenn auf der Warthe eine Schleuse vom Staat im militärischen Interesse beseitigt wird, so. darf man doch diese Kosten nicht durch Abgaben decken wollen. e Hereinziehung der Warthe widerspricht dem Grundgedanken des Gesetzes. Der Schiffahrtsverkehr auf der Warthe ist so gering, daß er durch Abgaben pöllig beseitigt werden könnte. Die Warthe paßt gar nicht in den Rahmen dieses Gesetzes, und ich bitte deshalb, die Warthe herauszustreichen.
Inzwischen ist ein Antrag Graf Mielzynski, betreffend die
arthe, eingegangen.
Preußischer Minister Breitenbach:
Meine Herren! Die sieben Einzelfälle, welche Art. III des Gesetzes anführt, bestätigen ein Prinzip, das im § 2 des Art. II schon dahin entschieden ist, daß für im Bau befindliche Strom⸗ verbesserungen die Möglichkeit gegeben werden soll, sich bei den Stromkassen zu erholen. Im § 2 des Art. II ist diese Möglichkeit für die Stromstrecke Sondernheim—Straßburg festgestellt worden. Die bauenden Stäaaten Bayern, Baden und die Reichslande sollen in die Lage gesetzt sein, für die investierten Kapitalien die Stromkasse in Anspruch zu nehmen, die den Zinsen⸗ und Tilgungsdienst zu tragen hat. Ganz dasselbe wird hier im Artikel III für die dort angeführten Wasserläufe ausgesprochen. 3u diesen gehört auch die Warthe. Für die Warthe ist, wie der Herr Vorredner bereits mitteilte, im Jahre 1905 durch das wasserwirt⸗ schaftliche Gesetz in Preußen ein Betrag von 2,2 Millionen Mark zum weiteren Ausbau und zur Verbesserung des Stromes bewilligt worden. In dasselbe Gesetz ist auch die Bestimmung aufgenommen, daß Schiffahrtsabgaben erhoben werden sollen. Daraus ergibt sich, daß diese Stromverbesserungen zur Abgabenerhebung auf der Warthe führen müssen. Die Abgabenfestsetzung muß unter allen Umständen so sein, daß die Vorteile, die durch den Ausbau des Stromes erzielt werden, erheblich größer sein müssen als die Last, die den Schiffahrttreibenden durch die Abgabe auferlegt wird. Eine andere Regelung ist nicht gewollt und kann nicht ge⸗ wollt sein. Ebenso muß in sorgfältiger Weise erwogen werden, welcher Teil dieser 2,2 Millionen auf die Interessen der Schiffahrt und welcher Teil auf andere Interessen entfällt. Nur insoweit wird eine Belastung der Schiffahrtsinteressenten stattfinden. Ich meine, wenn man von diesen Erwägungen ausgeht, kann kaum ein Zweifel darüber bestehen, daß der Antrag des Herrn Abg. Grafen von Brudzewo⸗Mielczynski abgelehnt werden muß. Den Interessenten, für die er eintritt, geschieht damit kein Unrecht, ihre Interessen werden vielmehr voll gewahrt werden durch die erheblichen Verbesserungen, die diesem Stromlauf zugeführt werden.
Abg. Graf Westarp (dkons.): Ich kann Sie nur um An⸗ nahme des Antrages des Abg. von Mielzynski bitten. Es handelt sich hier nicht um eine Prinzipienfrage, sondern lediglich um eine Be⸗ rücksichtigung öffentlicher Verhältnisse. Bei der Warthe liegen die Verhältnisse wesentlich anders wie auf den anderen Flüssen. Die Schiffahrt auf der Warthe ist überaus gering. Für den Fall der Ablehnung des Antrages dürfen wir wohl von der Erklärung des Ministers Akt nehmen, daß, wenn die Abgaben eingeführt werden, sie nur so hoch bemessen jein werden, daß die Vorteile, welche die Schiffahrt haben wird, erheblich größer sein werden als die Abgaben⸗ 85 Schließlich bitte ich, bei dieser Sache den Wasserstraßenbeirat zu hören.
Abg. Gothein (fortschr. Volksp.): Die Herren aus Posen sollten doch nicht lediglich ihre provinzialen Interessen haben, sondern das allgemeine Interesse voransetzen und darum für meinen Antrag stimmen. Das Schönste, was sich der Mmisterialdirektor Peters ge⸗ leistet hat, ist die Behauptung, daß die Erhebung der Tonnen⸗ und Bakengelder durch Bremen infolge des Antrages unmöglich wäre. Es ist mir nie eingefallen zu behaupten, daß Tonnen und Baken Regulierungen sind. Nicht ich habe die Streitaxt ausgegraben, sondern das ist von der anderen Seite geschehen. Wenn man unseren Antrag vorhin angenommen hätte, hätten wir ein oberstes Gericht, und die Streitaxt wäre begraben worden.
Der Antrag Oeser⸗Gothein wird abgelehnt, ebenso der Antrag Mielzynski gegen eine beträchtliche Minderheit, die sich aus den Sozialdemokraten, der fortschrittlichen Volkspartei, einem Teil der Nationalliberalen, aus den Polen und ver⸗ einzelten Mitgliedern der Rechten und des Zentrums zusammensetzt.
Artikel III wird angenommen, ebenso ohne Diskussion der Rest des Gesetzes.
Die zu dem Entwurf vorliegende Resolution Varenhorst betreffs größtmöglicher Rücksichtnahme auf die Interessen der Fischerei wird gegen die Stimmen der Linken abgelehnt. Hierauf setzt das Haus die zweite Lesung des Entwurfs eines Hausarbeitsgesetzes fort.
.83 enthielt in der Vorlage die Befugnis des Bundesrats, für einzelne Gewerbe zu bestimmen, daß in denjenigen Räumen, in welchen Arbeit für Hausarbeiter ausgegeben oder Arbeit solcher Personen abgenommen wird, die für die einzelnen Arbeiten jeweilig gezahlten Löhne den Hausarbeitern allgemein bekannt gegeben werden, eventuell durch Aushängung von Lohntafeln. Die Kommission hat aus dieser Befugnis eine zwingende Vorschrift gemacht und den § 3 wie folgt formuliert:
In denjenigen Räumen, in welchen Arbeit für Hausarbeiter ausgegeben oder Arbeit solcher Personen abgenommen wird, muß den Hausarbeitern durch offene Auslage von Lohnverzeichnissen oder Aushängen von Lohntafeln die Möglichkeit gegeben sein, sich uͤber die für die einzelnen in diesen Räumen zur Ausgabe gelangenden Arbeiten jeweilig gezahlten Löhne zu unterrichten. Für neu ein⸗ zuführende Muster gilt diese Bestimmung nicht.
„Der Bundesrat kann zur Ausführung dieser Bestimmung nähere Anordnungen erlassen, gegebenenfalls für einzelne Bezirke. Er kann für bestimmte Gewerbzweige oder Betriebsarten auf An⸗ trag Beteiligter Ausnahmen gewähren.
Der Bundesrat kann vorschreiben, daß, soweit das Arbeits⸗ entgelt im Preise zum Ausdruck kommt, die Preise gemäß Absatz 1, 2 bekanntgegeben werden.
Die Bestimmungen des Bundesrats werden durch das „Reichs⸗ gesetzblatt“ veröffentlicht und dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorgelegt.
VVon den Abgg. Albrecht und Gen. (Soz.) ist beantragt, im ersten Absatz den Satz „Für neu einzuführende Muster gilt diese Bestimmung nicht“ zu streichen, ebenso den zweiten Satz des zweiten Absatzes; für den Fall der Ablehnung des ersten Antrages soll. dem zweiten Satz hinzugefügt werden: „falls ein Mindestzeitlohnsatz in den Lohnverzeichnissen oder Lohntafeln vorgesehen ist“.
§ Za ist von der Kommission neu eingefügt:
Wer Arbeit für Hausarbeiter ausgibt, ist verpflichtet, hierbei denienigen, welche die Arbeit entgegennehmen, auf seine Kosten Lohnbücher oder Arbeitszettel auszuhändigen, welche Art und Umfang der Arbeit sowie die dafür festgesetzten Löhne oder Preise
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der öffentlichen Arbeiten von
enthalten. Für neu einzuführende stimmung nicht.
Für einzelne Gewerbzweige, Betriebsarten oder besondere Gruppen von Betrieben oder Hausarbeitern kann der Bundesrat auf Antrag Beteiligter Ausnahmen gewähren.
„ Soweit der Bundesrat auf Grund von § 114a G. O. Lohn⸗ bücher und Arbeitsordnung vorgeschrieben hat, gelten die Vorschrifle der ersten beiden Abfätze nicht.
Auch hier wollen die Sozialdemokraten den letzten Satz des ersten Absatzes und den zweiten Absatz streichen.
ESächsischer Geheimer Rat Dr. Hallbauer: Auf die Vorwürfe, die meinem Vorgänger gestern hier gemacht worden sind, kann ich erklären, daß zurzeit von einer allgemeinen Notlage und Armut in der Heimindustrie gar keine Rede sein kann. Es ist zweifellos gegen früher eine Besserung der wirtschaftlichen Lage der Hausarbeiter ein⸗ getreten. Damit ist keineswegs dem widersprochen, daß es nach wie vor in einzelnen Fällen sehr erwünscht sein kann, wenn eine Besserung der Lage der Heimarbeiter erreicht wird. Es ist richtig, daß die General⸗ kommission der Gewerkschaften gewünscht hat, eine Heimarbeiter⸗ ausstellung auf der Internationalen Hogieneausstellung in Dresden zu ver⸗ anstalten. Es ist der Generalkommission ausdrücklich mitgeteilt worden, daß sie sich dann den Anordnungen der wissenschaftlichen Abteilun unterordnen müßte. Die Generalkommission wollte aber - dieser wissenschaftlichen Abteilung 15 bis 16 Heimarbeiterwohnungen mit ihren Einrichtungen und Arbeitsgeräten vorführen. Auf Gesuch der Ausstellungsleitung fand hierüber eine Besprechung statt. Bei dieser Besprechung erklärte die Generalkommission, daß auch die Lohn⸗ verhältnisse der Heimarbeiter eingehend beleuchtet werden sollten. Di sächsische Regierung erklärte, daß sie dann aber eine tendenzfreie Dar⸗ stellung haben wollte. Die zur Erreichung dieses Zweckes angeregte Mitwirkung von Arbeitgebern lehnte indessen die Generalkommission ab. Von dieser Lage wurde hierauf den Handelskammern, den Gewerbekammern und sächsischen Industriellen Mitteilung gemacht. Die von diesen vorgetragenen Zweifel und Bedenken veranlaßten das Ministerium, an den für die Ausstellung bestimmten Kommissar ein Schreiben vom 4. Januar 1911 zu richren, in dem gegen eine tendenziöse Darstellung der Heimarbeiterverhältnisse Einspruch er⸗ hoben und gefordert wurde, daß sowohl d. Schatten⸗ als auch die Lichtseiten in der Heimarbeitsindustrie objettiv dargestellt werden sollten. Aus dem Verhalten der Generalkommission der Gewerk⸗ schaften geht hervor, daß ihr an einer sachtichen Darstellung der Heimarbeit nicht viel gelegen ist. Die Hygieneausstellung mußte einen durchaus ernsten und wissenschaftlichen Charakter tragen, alle einseitigen Parteibestrebungen mußten ihr ferngehalten werden. Sie war also nicht der geeignete Platz für ein derartiges Vorgehen, wie es die Generalkommission wollte. Die Richtig⸗ keit dieser meiner Angaben kann der Abg. Dr. Stresemann, der per⸗ sönlich an den v teilgenommen hat, nur bestätigen. Wenn schließlich der Abg. Schmidt gegen mich persönlich polemisiert hat, so möchte ich nur feststellen, daß ich keineswegs behauptet habe, die Frankfurter Ausstellung habe dargetan, daß die Verhältnisse der Heimarbeiter durchaus günstiger lägen, ich habe nur ausgeführt, daß sie nicht so einseitig veranstaltet worden ist, wie die Berliner Heim⸗ arbeiterausstellung, und daß sie gezeigt hat, daß auch eine rein objektive Ausstellung der Verhältnisse der Heimarbeiter an sich möglich sei. Die persönlichen Angriffe gegen mich glaube ich hierdurch zurückgewiesen zu haben, als Vertreter meiner Regierung möchte ich aber noch einmal den schärfsten Protest gegen die ihr gemachten Vor⸗ würfe erheben.
Abg. Albrecht (Soz.): Das Elend der Heimarbeiter hat mein Kollege Schmidt eingehend gekennzeichnet; ich beschränke mich heute auf die Begründung unserer Abänderungsanträge. Das Elend in der Heimindustrie hat die verbündeten Regierungen endlich ver⸗ anlaßt, den gesetzgeberischen Versuch zu machen, irgend etwas zur Beseitigung der argsten Auswüchse zu tun. Es ist aber für die Heimarbeiter, wie auch schon der diesjährige Heimarbeiterkongreß erklärt hat, Durchgreifendes zumal in der Lohnfrage nicht zu erwarten. Lohnämter werden nicht zugestanden; die Vorlage ent⸗ hält nur eine Befugnis des Bundesrals wegen der Bekanntgabe der Löhne oder Preise. Die Kommission ist hier etwas weiter gegangen und hat aus der Befugnis eine Verrflichtung gemacht, aber gleich darauf eine Reihe von Ausnahmen zugelassen. Diese Ausnahmen er⸗ suchen wir zu streichen. Nun ist inzwischen noch ein Antrag Manz⸗ Naumann eingelaufen, der verlangt, den letzten Satz dahin zu fassen: „Für Muster⸗ und Probearbeiten gilt diese Bestimmung nicht.“ Wenn gar diese Fassung angenommen wird, ist der ganze Fortschritt, der hier gemacht werden soll, wieder illusorisch. Der letzte Heimarbeitertag ver⸗ langte obligatorische Lohntafeln; will man hier entgegenkommen, so muß man klare, unzweideutige Bestimmungen erlassen. Die Regierung und die bürgerlichen Partein müssen sich den Vorwurf gefallen lassen daß sie seit Jahren nichts für die Heimarbeiter getan haben, trotz⸗ dem ihnen ihr Elend bekannt war. Alles, was bisher angeblich in ihrem Interesse geschah, hat sich als nutzlos oder schädlich erwiesen. Seit fast 25 Jahren haben wir unermüdlich für die Heimarbeiter zu wirken gesucht, aber vergeblich; erst nach dem großen Konfektions⸗ arbeiterstreik von 1896 kam eine Vorlage und eine Verordnung für die Kleider⸗ und Wäschekonfektion. Diese letztere hat nicht nur nichts genützt, sondern sie hat geschadet, wie z. B. die württembergischen Ge⸗ werbeinspektoren amtlich festgestellt haben. Auch der Kollege Nau⸗ mann hat gestern konstatieren müssen, daß die Hausarbeit in der Konfektion und in der Tabakindustrie immer noch in der Zunahme begriffen ist. Auch die Einführung der Lohnbücher von 1902 blieb wirkungslos; desgleichen, wie ebenfalls aus den Berichten der Gewerberäte hervorgeht. der neue § 137 a der Gewerbeordnung, der das Mitnehmen oder Mitgeben von Arbeit nach Hause verhot. § 137 a hat sich als schwer durchführbar und die Kontrolle der Durchführung als außerordentlich schwierig er⸗ wiesen; seine zweifellose Wirkung aber geht in der Richtung der Vermehrung der Heimarbeit. Noch heute kommt es vor, daß Heim⸗ arbeitern ihr sauer verdienter Hungerlohn überhaupt nicht gezahlt wird. Eine Näherin, die 3 Dutzend Blusen für einen Gesamtlohn von 8,25 ℳ gearbeitet hatte, erhielt diesen Lohn nicht, weil die Arbeit angeblich nichts taugte; vor dem Gewerbegericht einigte man sich dahin, daß 4,50 ℳ Arbeitslohn gezahlt wurde, 4,50 ℳ Arbeits⸗ lohn für 36 Blusen! Solche schändlichen Zustände sind heute noch möglich. Hier muß der Hebel angesetzt werden. Die Lohntafeln müssen obligatorisch sein; die Ausnahmen wegen der Muster müssen aus § 3 heraus, sonst wird füͤr die Heimarbeiter wieder nichts Wirk⸗ sames geschaffen.
„Direktor im Reichsamt des Innern Caspar: Ich muß Sie bitten, beide Anträge Albrecht abzulehnen. Will man ein durchführ bares Gesetz annehmen, so ist es unenthehrlich, beide Bestimmungen beizubehalten, denn die Sache liegt doch so: durch die Beschlüsse der Kommission ist gegenüber dem Vorschlage des Regierungsentwurfs eine Umkehrung des Verhältnisses eingetreten; während der Ent⸗ wurf davon ausging, daß die Einführung der Auslage von Lohn⸗ verzeichnissen nach Bedarf und nach der Durchführbarkrit in cein⸗ zelnen Industrien vom Bundesrat beschlossen werden konnte, bat die Kommission umgekehrt gesetzlich den Aushang vorgeschrieben. Will man aber diesen Weg vorziehen, so ist es unenthedrlich, die dier⸗ vorgesehenen Ausnahmen belzubehalten. Einmal ist es notwendegt daß man zunächst für die einzuführenden Muster. und Prohr⸗ arbeiten, wie es der Antrag Manz will, ein Lohnverzeichnis nicht für anwendbar erklärt, denn zu der Zeit, wo diese Muster angefertigt werden, läßt sich noch nicht übersehen, wieviel Zeit dafür erforderlich ist. Das ist doch Gegenstand det Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeiter, wieviel Zeit dafür verwender wird. Ebenso ist die zweite Ausnahme erforderlich, daß für bestimmte Gewerbezweige oder Betriebsarten Ausnahmen gewährt werden können. Es gibt Industrien, wo die Muster sehr häufig wechseln. Ueber⸗ haupt muß ich diese Gelegenheit benutzen, um darauf aufmerksam zu machen, daß die Regelung, wie sie die Kommission beschlossen hat, zwar anscheinend eine größete Sicherbeit ührt und weiter geht als der Vorschlag des Entwurst. Ohd aber sich
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