1912 / 4 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 05 Jan 1912 18:00:01 GMT) scan diff

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des Fürstlich Reußischen Ehrenkreuzes dritter Klasse: dem Oberleutnant Ritter und Edlen von Rogister im Leibgardehusarenregiment;] der demselben Orden angeschlossenen goldenen Verdienstmedaille: dem Wachtmeister Stranz in dems ferner: des Offizierkreuzes des Ordens der Königlich Rumänischen Krone:

dem Oberleutnant von Taysen im Kaiser Franz Garde⸗ grenadierregiment Nr. 2, kommandiert beim Großen General⸗

stabe; sowie

des Königlich Schwedischen Schwertzeichens: dem Wachtmeister Stranz im Leibgardehusarenregiment.

Denutsches Reich.

Beim Kaiserlichen Kanalamt ist der Königlich preußische Regierungsbaumeister Felir Wermser zum etatsmäßigen Kaiserlichen Regierungsbaumeister ernannt worden.

HBeiaäanntmachung. 1 betreffend eine Ausnahme von § 4 Abs. 1 der Be⸗ stimmungen für die Feststellung des Börsenpreises

von Wertpapieren

(Bekanntmachung vom 28. Juni 1898 —Reichsgesetzbl. S. 915 —).

Vom 4. Januar 1912.

Nach Beschluß des Börsenvorstandes zu Leipzig sind die nur an der Leipziger Börse zum Handel zugelassenen Aktien der Kredit⸗ und Spar⸗Bank zu Leipzig, deren General⸗ versammlung die Verschmelzung mit der hee det und Disconto⸗ Bank genehmigt hat, vom 5. Januar 1912 ab franko Zinsen einschließlich Dividendenschein für 1911 zu berechnen.

Berlin, den 4. Januar 1912.

. Der Reichskanzler. Im Auftrage: Wolffram.

Bekanntmachung.

Gemäß § 1350 der Reichsversicherungsordnung vom 19. Juli 1911 wird bekannt gemacht, daß die auf Grund des Reichsgesetzes, betr. die Invaliditäts⸗ und Altersversicherung, vom 22. Juni 1889 für den Bezirk der Provinz Pommern mit dem Sitze in Stettin errichtete Versicherungsanstalt vom 1. Januar 1912 ab Träger der Reichsversicherung für die Invaliden⸗ und Hinterbliebenenversicherung nach der Reichs⸗ versicherungsordnung ist und den Namen b „Landesversicherungsanstalt Pommern“ ührt. 8 Vorsitzender des Vorstands ist der Landesrat, Geheime

Regierungsrat Denhard zu Stettin.

Stettin, den 4. Januar 1912.

Der Vorstand der Landesversicherungsanstalt Pommer Denhard.

In dem Verzeichnisse der öffentlichen Blätter, welche für Bekanntmachungen aus dem Handels⸗ und Genossenschaftsregister bestimmt sind (Besondere Beilage zu Nr. 306 vom 30. Dezember 1911), muß bei dem Amtsgerichte Merzig (Oberlandesgerichtsbezirk Cöln) der Inhalt der zweiten Spalte „aus dem Handelsregister“ folgender⸗ maßen lauten:

bei Firmen, welche der IJ. und II. Gewerbesteuerklasse an⸗ gehören: Kölnische Zeitung, Kölnische Volks⸗Zeitung, Merziger Volkszeitung, Merziger Zeitung;

bei Firmen, welche der III. Gewerbesteuerklasse angehören: Kölnische Volks⸗Zeitung, Merziger Volkszeitung, Merziger Zeitung;

bei Firmen, welche der IV.

Merziger Volkszeitung.

Di eute ab zur Ausgabe gelangende Nummer 1 des Reichsgesetzblatts enthält unter

Nr. 4001 den Allerhöchsten Erlaß, betreffend den Rang der Oberpostpraktikanten, vom 27. Dezember 1911, unter 8.¶ Nr. 4002 die Bekanntmachung, betreffend Schaffung von Rayons, vom 28. Dezember 1911, und unter

Nr. 4003 die Bekanntmachung, betreffend die amtliche Veröffentlichung grundsätzlicher Entscheidungen des Reichs⸗ versicherungsamts, vom 30. Dezember 1911.

Berlin W., den 5. Januar 1912.

Kaiserliches Postzeitungsamt. Krüer.

Königreich Preußen.

Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Regierungs⸗ und Forstrat Dr. Freiherrn von dem Bussche in Potsdam zum Oberforstmeister mit dem Range der Oberregierungsräte zu ernennen. 1“

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Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: den Oberlandesgerichtsrat Dr. Ehrhardt in Breslau zum Landgerichtsdirektor daselbst, den Landrichter Grosser in Berlin zum Kammergerichtsrat, den Landrichter Dr. Pape in Hanau zum Oberlandes⸗ gerichtsrat in Cassel sowie die Landgerichtsräte Polchau aus Lüneburg, z. Zt. in Celle, und Krah in Kiel zu Oberlandesgerichtsräten in Celle zu ernennen. ““

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Generals

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Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Mettmann getroffenen Wahl den Ziegeleibesitzer Gerhard Haastert daselbst als unbesoldeten Beigeordneten der Stadt Mettmann sowie infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Mörs getroffenen Wahl den Rentner Heinrich Heinemann daselbst als unbesoldeten Beigeordneten der Stadt Mörs für die gesetz⸗ liche Amtsdauer von sechs Jahren zu bestätigen. .

Justizministerium.

Der Rechtsanwalt Strohbusch in Düben ist zum Notar für den Bezirk des Oberlandesgerichts zu Naumburg a. S., mit Anweisung seines Amtssitzes in Düben, ernannt worden.

Ministerium der ö und Unterrichts⸗

angelegenheiten.

Dem wissenschaftlichen Mitgliede der Versuchs⸗ und Prüfungsanstalt für Wasserversorgung und 1“ in Berlin Dr. Arthur Pritzkow ist das Prädi t Professor beigelegt worden.

Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.

Dem Oberforstmeister Dr. Freiherrn von dem Bussche

1“ ist die Oberforstmeisterstelle in Potsdam übertragen worden.

Versetzt worden sind: der Forstmeister Behlen in Haiger nach Kiel sowie die Oberförster Schiller in Kirchberg nach Treten und Sommermeyer in Treten nach Haiger.

Dem Oberförster Wachs in Bilstein ist die bisher kom⸗ missarisch verwaltete Oberförsterstelle Bilstein endgültig und dem Oberförster Schmitz in Hann.⸗Münden die Oberförster⸗ stelle Kirchberg übertragen worden.

Zu Oberförstern, zunächst ohne Uebertragung eines Reviers, sind ernannt worden die Forstassessoren Andersch in Neu⸗ stettin, Armbruster in Lychen, Beutin in Cassel, Büff in Spangenberg, Eigenbrodt (Friedrich) in Hess. Oldendorf, Ernst in Bromberg, Kühn in Hildesheim, Rohrmann in Jakobshagen, von Salisch in Allenstein, Schulz (Theodor) in Düsseldorf, Strauß in Potsdam, Wartenberg in Breslau, Wippern in Osnabrück sowie die Forstassessoren und Feld⸗ jägerleutnants Kreysern in Marienwerder, Rietgen in Kielau, Siewert in Sigmaringen, Surminski in Grünhayn.

Dem Förster Kandt in Halbersdorf, Oberförsterei Marien werder, ist der Hegemeistertitel verliehen worden. 8

Nichtamtsiches.

Prenusen Berlin, 5. Januarxr.

Seine Majestät der Kaiser und König hörten gestern vormittag im hiesigen Königlichen Schlosse die Vorträge des Chefs des Generalstabes der Armee, Generals der In⸗ fanterie von Moltke und des Chefs des Millitärkahinetts, der Infanterie Freiherrn von Lyncker.

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Ihre Majestät die Königin von Schweden, Aller⸗ höchstwelche auf der Durchreise hier im Hôtel Royal abgestiegen ist, empfing, wie „W. T. B.“ meldet, gestern nachmittag den Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin und folgte später einer Einladung zum Tee im Königliche Schlosse.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Hertha“ vorgestern in Santiago de Cuba eingetroffen.

Hannover, 3. Januar. Die Landessynode der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Hannover hat gestern ihre Verhandlungen wieder aufgenommen. Zu Beginn der Sitzung widmete der Präsident Graf von Wedel⸗ Gödens warme Worte der Verehrung den drei in der Weih⸗ nachtszeit durch den Tod abgerufenen Mitgliedern: dem Prä⸗ sidenten des Landeskonsistoriums Heinichen, dem Präsidenten des Landeskonsistoriums a. D., Wirklichen Geheimen Rat D. Dr. Chalybäus in Kiel und dem Oberkonsistorialrat D. Guden in Hannover. Darauf nahm die Synode, dem „Hannoverschen Courier“ zufolge, die Berichte des Rechnungs⸗ ausschusses entgegen und stimmte dem Entwurf eines Kirchen⸗ gesetzes wegen Abänderung des Kirchengesetzes vom 7. Juni 1900, 1L1 die Bildung von Gesamt⸗ verbänden, gemäß den Anträgen des Ausschusses in folgender Form zu:

Das Kirchengesetz vom 7. Juni 1900, betr. die Bildung von Gesamtverbänden in der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Hannover (Gesetzsamml. S. 271), wird abgeändert, wie folgt:

1) Der § 1 des Artikels I erhält folgende Zusätze:

Werden Kirchengemeinden in mehrere, unter einem gemeinsamen Pfarramte nicht verbundene Einzelgemeinden geteilt, so können die gleichen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise einem aus den Einzel⸗ gemeinden gebildeten Gesamtverbande übertragen werden. 8

Einem bereits gebildeten Verbande können weitere Kirchen⸗ gemeinden derselben Ortschaft oder unmittelbar angrenzende ange⸗ schlossen und es können aus ihm Kirchengemeinden wieder ausge⸗ schieden werden. 1 8

2) Der § 2 des Artikels I erhält folgende Fassung:

Die Bildung eines solchen Verbandes und die Feststellung der ihm nach Artikel II zu übertragenden Rechte und Pflichten erfolgen durch Anordnung des Konsistoriums.

Im Falle des § 1 Absatz 1 erfordert die Anordnung die Zu⸗ stimmung aller beteiligten Gemeinden, oder, falls die Seelenzahl wenigstens drei Fünftel, bei Erstreckung der Verpflichtungen des Ver⸗ bandes über die Grenzen der im Artikel II Nr. 2 bezeichneten Auf⸗ gabe hinaus drei Viertel der Gesamtseelenzahl des zu bildenden Ge⸗ samtverbandes beträgt, die vorgängige unter Mitwirkung des ständigen Ausschusses der Landessynode 66 Ziffer 2 letzter Satz der Kirchen⸗ vorstands⸗ und Synodalordnung vom 9. Oktober 1864) zu erteilende Genehmigung des Landeskonsistoriums.

Im Falle des § 1 Absatz 2 muß die Anordnung vor dem Inkraft⸗ treten der Gemeindeteilung erfolgen und tritt gleichzeitig dieser

in Kraft. Sie erfordert die Zustimmung der zu teilenden Kirchen⸗

gemeinde.

„Irm Falle des § 1 Absatz 3 erfordert die Anordnung die Ein⸗ willigung der Verbandsvertretung sowie die Zustimmung der anzu⸗ schließenden oder auszuscheidenden Gemeinden, welch' letztere jedoch durch die unter Mitwirkung des ständigen Ausschusses der Landessynode 66 Ziffer 2 letzter Satz der Kirchenvorstands⸗ und Synodalordnung vom 9. Oktober 1864) zu erteilende Genehmigung des Landes⸗ konsistoriums ergänzt werden kann.

Die Kirchenregierung wird gebeten, 1) dahin zu wirken, daß in dem zu dem Kirchengesetze zu erlassenden Staatsgesetze nach dem Vorgange der §§ 6 und 22 des Zweckverbandsgesetzes vom 19. Juni 1911 (Ges.Samml. S. 115 ff.) folgendes bestimmt werde: A. Ge⸗ samtverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts; B. Ver⸗ bandsvertretungen bezw. ihre Organe sind öffentliche Behörden.

In der heutigen Sitzung stand zunächst die folgende Re⸗ solution des Vierzehnerausschusses zu dem Aktenstück, betreffend die Bedrohung des Christenstandes unseres Volkes, zur Beratung:

Die Landessynode, zu deren Aufgaben es gehört, die Zustände der Landeskirche zu beachten, kann nicht schweigend an der tiefen Beunruhigung vorübergehen, die viele ernste Glieder auch unserer Landeskirche in den letzten Jahren bewegt hat Es sind bei uns An⸗ griffe auf die schriftgemäßen Grundfesten des christlichen Glaubens und Lebens öffentlich hervorgetreten, die den Christenstand unseres Volkes bedrohen.

Die Landessynode empfindet mit Schmerz und Unwillen die öffentliche Herabsetzung dessen, was uns Kraft und Trost ist: aber sie ist unverzagt und bittet auch die Gemeinden, nicht kleinmütig zu werden, sondern freudig ihren Glauben in Wort und Tat zu bezeugen. Der in uns ist, ist größer als der in der Welt ist. Große Anfech⸗ tungen der Kirche von außen oder von innen führen immer nur zu neuer Verherrlichung des Herrn in Seiner Kirche.

Wie die Landessynode sich an das volle Evangelium und das Be⸗ kenntnis unserer evangelisch⸗lutherischen Kirche gebunden weiß, so er⸗ wartet sie das gleiche auch von allen, die in unserer Landeskürche im geistlichen Amte oder in der religiösen Erziehung der Jugend arbeiten. Fn Einigkeit des Glaubens bekennt sie sich freudig zu dem lebendigen, persönlichen Goltt, zu Gott dem Vater und zu Jesu Christo, Seinem eingeborenen Sohn, unserm Herrn und Heiland, der für uns gestorben und auferstanden ist, und zu dem heiligen Geiste, der uns in aller Wahrheit leitet. Und dieser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwindet.

Nach der Begründung der Resolution durch den Super⸗ intendenten Dr. Bückmann⸗Harburg und längerer Debatte, in der Professor Dr. Beusset die Resolution eingehend kritisierte, wurde diese gegen sechs Stimmen angenommen. Die Synode stimmte darauf einem Antrage des Grafen von Bernstorff⸗Gartow zum Umzugskostengesetz zu, wonach in den Fällen, jin welchen zahlungspflichtige Dritte die Umzugskosten zu tragen haben, sofern der bezugsberechtigte Geistliche seinen Anspruch an das Königliche Landeskonsistorium abgetreten hat,

die Umzugskosten an den bezugsberechtigten Geistlichen aus⸗

zuzahlen und von dem zahlungspflichtigen Dritten einzuziehen sind, und ermächtigte ferner die Kirchenregierung, ein Kirchen⸗ gesetz folgenden Inhalts zu erlassen: Einziger Artikel Die Vorschriften des Kirchengesetzes vom 13. Dezember 1906 werden, wie folgt, ergänzt: Die zu Umzugskosten berechtigten Geistlichen erhalten außer den Umzugekosten für ihre Person Tagegelber und Reisekosten in der Höhe der Sätze, welche den auswärtigen Mitgliedern der Landessynode bei ihrer jeweilig letzten Tagung gezahlt sind. Sachsen.

In Betreff des Motuproprio „Quantavis dili- gentia“ ist das „Dresdner Journal“ zu der Bekanntgabe er⸗ mächtigt, daß der päpstliche Nuntius in Miülnchen dem Königlich Sächsischen Gesandten daselbst einen telegraphischen Erlaß des Kardinalstaatssekretärs Merry del Val mitgeteilt hat, in dem die Kurie in Beantwortung der Anfrage der sächsischen Staats⸗ regierung ausdrücklich auf die offizielle Auslassung im „Osservatore Romano“ vom 16. Dezember v. J. und besonders auf den Schlußsatz, wonach das Motuproprio Deutschland nicht berührt, Bezug nimmt. Im Zusammenhange damit hat der Nuntius dem Gesandten ebenfalls die gleiche Erklärung bezw. Zusicherung in der allerbestimmtesten Form gegeben.

Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Mecklenburg⸗Schwerin sind, wie „W. T. B.“ meldet, heute vormittag nach Stuttgart abgereist. Zur Verabschiedung waren auf dem Bahnhof Ihre Königlichen Hoheiten der Großherzog und die Groß⸗ herzogin sowie Seine Großherzogliche Hoheit der Prinz Max mit Gemahlin und die Hofchargen erschienen.

In der gestrigen Sitzung der Deputiertenkammer, in der alle Minister anwesend waren mit Ausnahme des Groß⸗ wesirs, der durch Krankheit verhindert war, zu erscheinen, wurde die vorgestrige Debatte fortgesetzt.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ war der Sitzungsbeginn sehr stürmisch, da die Opposition beschlossen hatte, mit allen Mitteln Obstruktion zu treiben. Der Berichterstatter der Ver⸗ fassungskommission entwickelte die Notwendigkeit, den Artikel 35 der Verfassung abzuändern. Die Opposition unterbrach ihn lärmend und forderte die Anwesenheit des Großwesirs, indem sie gleich⸗ zeitig den Präsidenten wegen Verletzung der Geschäftsordnung angriff, die die Anwesenheit von zwei Dritteln der Abgeordneten für die Diskussion erfordere. Die Opposition wollte den Saal ver⸗ lassen, um die weitere Verhandlung unmöglich zu machen, entschloß 9 aber schließlich, zu bleiben. Der Unterrichtsminister ver⸗ teidigte die Vorlage im Namen der Regierung und erklärte es vor allen Dingen für falsch, daß die Regierung die Auflösung des Hauses wünsche, um mit Italien Frieden zu schließen. Es sei unmöglich, einen Finger breit Gebietes abzutreten, da ein besonderer Artikel in der Verfassung dem entgegenstehe. Das Mitglied der Opposition Sidki sprach anderthalb Stunden gegen die Aenderung des Artikels 35 und brachte drei Anträge ein, betreffend die Ungesetzlichkeit der Form, in der die Aenderung des Artikels gefordert werde.

Die Sitzung wurde sodann auf Sonnabend vertagt; zahl⸗ reiche Redner der Opposition haben sich für diesen Tag bereits zum Wort gemeldet.

Die Vertreter der Schutzmächte haben, obiger Quelle zufolge, die auf den Kriegsschiffen zurückgehaltenen kretischen Abgeordneten, nachdem sie ihnen eine Verwarnung erteilt hatten, freigelassen.

Bulgarien.

Der König leidet laut Meldung des „W. T. B.“ seit einigen Tagen an einer leichten Influenza, die ihn jedoch nicht hindert, die Staatsgeschäfte zu erledigen. Seit vorgestern ist auch der Thronfolger an Influenza erkrankt, die bei ihm in iemlich ernster Form auftritt

1“ .““ 8 Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat die Kommission für Mittel und Wege des amerikanischen R epräsentanten⸗ hauses dem Gesetz zugestimmt, durch das alle gegenwärtigen Zölle auf Eisen und Stahl um 30 bis 35 Proz. herabgesetzt und Zimmermannswerkzeuge und andere Stahlgegenstände auf die Freiliste gesetzt werden. .“ Asien.

Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen⸗ Agentur“ sind in Mukden Instruktionen für die Wahlen zur chinesischen Nationalversammlung eingetroffen, aus denen hervorgeht, daß die Pekinger Regierung die Wahlen nur in den nördlichen Provinzen, Turkestan, Tibet und der Mongolei leitet. Im Süden organisiert die RNepublik die Wahlen. Diese Wahlordnung weist auf die Möglichkeit einer Teilung des Staats hin für den Fall, daß die National⸗ versammlung zu keinem einstimmigen Beschluß gelangt.

Einem Londoner Blatte zufolge berichtet der Sekretär der talienischen Gesandtschaft Baron Vitale, der gestern aus Taijuanfu, der Henühtzadt von Schansi, nach Pecking zurück⸗ gekehrt ist, daß die Stadt von Briganten beherrscht

Dreißig oder vierzig italienische Priester und zwei Ausländer seien in Gefahr. Manschikai versprach, Truppen dorthin zu entsenden. Ueber die Meuterei der Wachmannschaften im Arsenal von Lanchow wird, dem „W. T. B.“ zufolge, gemeldet, Manschikai habe den ausländischen Gesandtschaften in Peking mitgeteilt, daß auf der chinesischen Nordbahn die Ruhe wieder hergestellt und der regelmäßige Verkehr wieder aufgenommen worden sei.

Der amerikanische Gesandte in Peking hat, dem „New York

Herald“ zufolge, beim Staatsdepartement telegraphisch um die Entsendung von Truppen zum Schutz der Eisenbahn Tsinhwangtau Peking ersucht. 8 1

Afrika. Wie die „Agenzia Stefani“ meldet, liegt aus Tripolis, inzara, Tagiura und Homs nichts Neues vor. In der Richtung südlich von Ainzara vorgeschobene Kavalleriepatrouillen fanden keine Spur vom Feinde.

Wie ein vom „W. T. B.“ verbreitetes Funken⸗ elegramm aus Rabat meldet, ist vorgestern Sefru von auf⸗ tändischen Berbern angegriffen worden. Die Be⸗ atzung der Stadt schlug nach lebhaftem Kampfe den Angriff ab und brachte den Berbern, die sich zurückziehen mußten, mpfindliche Verluste bei.

Statistik und Volkswirtschaft.

Verzinsung des Anlagekapitals, Arbeitslöhne und Unfälle bei den Reichseisenbahnen im Rechnungsjahre 1910.

Der jetzt erschienene Bericht der Kaiserlichen Generaldirektion zu Straßburg über die Verwaltung der Reichseisenbahnen im Rechnungs⸗ jahre 1910 ergibt, wie wir einem in der „Straßb. Korr.“ veröffent⸗ lichten Auszuge aus jenem entnehmen, daß der Betriebsüberschuß rund 31 715 000 beträgt, während er für das Vorjahr sich auf rund 27 500 000 belaufen hat. Nach dem Abschluß der Betriebsrechnung betragen die etatsmäßigen Einnahmen 132 221 971 gegen 122 737 901 im Vorjahre, die Betriebsausgaben 100 507 632 gegen 95 333 452 im Vorjahre, das ist eine Vermehrung von rund 5 175 000 ℳ. Das bis zum 31. März 1911 im Durchschnitt auf⸗ gewendete Anlagekapital der reichseigenen Strecken stellt sich, wie folgt: das volle Anlagekapital auf rund 816 000 000 ℳ, das gekürzte auf rund 722 166 000 ℳ. Bei einem Betriebsüberschuß von rund 31 715 000 beträgt mithin die Verzinsung des vollen Anlage⸗ kapitals 3,89 % gegen 3,42 % im Rechnungsjahre 1909 und die des gekürzten Anlagekapitals 4,39 % gegen 3,87 % im Vorjahre.

Die Gesamteinnahme aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr ist im Vergleich mit dem Vorjahre von 27 717 639 auf 28 970 377 ℳ, also um 1 252 738 = 4,52 % gestiegen. Im Personenverkehr allein ist die Einnahme von 26 336 464 auf 27 523 864 ℳ, also um 1 187 400 = 4,51 %, die Gesamtzahl der beförderten Personen einschleßlich von Militär von 47 084 292 auf 48 051 510, also um 967 218 = 2,07 % angewachsen. Der Gepäckverkehr zeigt wieder eine Aufwärtsbewegung gegen das Vorjahr, indem die Ein⸗ nahmen von 1 174 216 im Jahre 1909 auf 1 212 587 ℳ, also um 38 371 = 3,27 % gestiegen sind. Die Ein⸗ nahme des gesamten Güter⸗ und Tierverkehrs weist eine weitere Steigerung auf und zwar von 86 638 538 im Vorjahre auf 92 956 783 ℳ, also um 6 318 245 = 7,29 %. Die Mehr⸗ einnahmen aus dem Personen⸗ und Gepäckverkehr sind auf die Besserung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage, insbesondere auch auf den Ver⸗ kehr nach der Brüsseler Weltausstellung und den Veteranenverkehr nach den Schlachtfeldern vom Jahre 1870/71 zurückzuführen. Die Mehreinnahmen aus dem Güterverkehr beruhen ebenfalls auf der Besserung der allgemeinen wirtschaftlichen Lage und ferner auf der regen Tätigkeit im Kohlenbergbau und in der Eisen⸗ und Stahlindustrie.

In sämtlichen Werkstätten der Verwaltung, die zur Unterhaltung der eignen Fahrzeuge, zur Instandsetzung schadhaft gewordener Wagen fremder Eisenbahnverwaltungen, zur Anfertigung der dazu erforder⸗ lichen Vorratsstücke, ferner zur Unterhaltung und Erneuerung der maschinellen Anlagen sowie zur Anfertigung von Weichen bestehen, waren während des Rechnungsjahres 1910 durchschnittlich täglich 5255 Arbeiter (einschließlich der Lehrlinge) beschäftigt gegen 5297 im Rechnungsjahre 1909. Die Arbeiter haben im ganzen 7 026 570 Arbeitslohn und 46 289 Nebenbezüge, im ganzen 7 072 859 be⸗ zogen gegen 6 963 592 im Etatsjahre 1909. Der monatliche Durchschnittsverdienst betrug demnach 589 405 ℳ, der Wochenlohn eines Arbeiters im Durchschnitt 26,94 und der Tages⸗ lohn bei 300 jährlichen Arbeitstagen 4,49 gegen einen Wochenlohn von 25,28 und einen Tageslohn von 4,38 im Rechnungsjahre 1909. Werden die Lehrlinge und die Nebenbezüge nicht berücksichtigt, so ergibt sich bei 4918 Arbeitern mit einem reinen Arbeitslohn von 6 902 243 ein täglicher Durch⸗ schnittsverdienst von 4,68 ℳ. In den Haupt⸗ und Nebenwerkstätten sowie in der Telegraphenwerkstätte fand auch im Rechnungsjahre 1910 eine planmäßige Ausbildung von Lehrlingen für die hauptsächlich in

etracht kommenden Handwerke des Eisenbahnwerkstättenwesens statt. Die über die Art der Ausbildung dieser Lehrlinge aufgestellten Grund⸗ züge sind letztmals im Jahresbericht für 1907 abgedruckt. Im Jahre 1910 wurden zusammen 343 Lehrlinge (gegen 361 im Jahre 1909, also 18 vweniger) beschäftigt.

1 ie Anzahl der im Fchzungele se⸗ 1910 beschäftigten Beamten und Arbelter belief sich insgesamt auf 31 809 Personen; von diesen waren 11 558 etatsmäßige und 2375 nicht etatsmäßige Beamte und 17 875 Arbeiter. Die Besoldungen der etatsmäßigen Beamten be⸗ trugen 25 757 891 ℳ, die der nicht etatsmaßigen Beamten 3 ,225 551 und der Tage⸗ und Stucklohn der Arbeiter 20 282 375 plus 3 755 987 Nebenbezüge; der Gesamtbetrag der persönlichen Ausgaben erreichte also die Höhe von 53 021 804 ℳ.

8 Die Zahl der Unfälle betrug im Berichtsjahre 111 gegen 122 im Vorjahre auf den Vollspurbahnen, und zwar ereigneten sich auf freler Bahn 27 (gegen 36 i. J. 1909) und in den Stationen 84 (gegen 86 i. J. 1909). Von den Bahnbediensteten wurden 21 getötet und 49 verletzt, gegen 25 getötete und 42 verletzte des Vorjahres. Von Reisenden wurde 1 getötet und wurden 13 verletzt, gegen 4 getötete

und 23 verletzte des Vorjahres. Infolge eigener Unvorsichtigkeit wurde 1 Person getötet und wurden 11 verletzt 25 3 getötete und 12 verletzte Personen des Vorjahres. Im ganzen sind im Berichts⸗ jahre 100 Personen getötet oder verletzt worden gegen 118 Personen im Jahre 1909. An Prämien für die Entdeckung von Rad⸗, Achs⸗ und Schienenbrüchen sowie für die Verhütung von Unfällen wurden (für insgesamt 280 Fälle) 1110 ausgezahlt.

Zur Arbeiterbewegung.⸗ 1*

Im Bezirk Borinage waren nach einer Meldung des „W. T. B.“ gestern mehr als 26000 Bergleute im Ausstand, die Umzüge veranstalteten, um Arbeitende zur Niederlegung ihrer Arbeit zu veranlassen. Zu Ruhestörungen ist es nicht gekommen. Eine Abordnung der Streikenden ersuchte heute den Gouverneur der Hennegau um Vermittlung mit den Grubenbesitzern behufs

Linigung auf der Grundlage der Lohnzahlung an jedem zweiten

Sonnabend. ““ 1

In New York haben 50 000, Wäscherinnen die Arbeit niedergelegt. Wie die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung berichtet, haben die Streikenden einen großen Umzug in der Stadt und eine Versamm⸗ lung im Zentralpark abgehalten, in der sie sich verpflichteten, nicht eher zur Arbeit zurückzukehren, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Publikum und Presse stehen auf der Seite der Streikenden, die einen sehr geringen Lohn erhalten und meist unter gesundheitsschädlichen Verhältnissen zu arbeiten gezwungen sind.

In Boston haben laut Meldung des „W. T. B.“ gestern etwa 1500 Werftarbeiter um Mitternacht die Arbeit niedergelegt, weil ihnen eine Lohnerhöhung age ege. worden war. Sie haben die teilweise beladenen Dampfer der White Star⸗, Allan⸗, Leyland⸗ und Hamburg⸗Amerika⸗Linie verlassen.

Kunst und Wissenschaft.

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In der üblichen Weise haben auch in diesem Winter die Zweig⸗

anstalten des Kaiserlichen Archäologischen Instituts die Reihe ihrer Sitzungen mit einer feierlichen, dem Andenken Winckel⸗ manns geweihten Sitzung begonnen. In Rom führte der erste Sekretar, Professor Delbrück, den Vorsitz und gedachte des vor kurzem verstorbenen französischen Archäologen Paul Gauckler, der sich nament⸗ lich um die Erforschung des römischen Nordafrika verdient gemacht hat. Den Vortrag hielt Herr Vaglieri, der über die von ihm ge⸗ leiteten neuen ergebnisreichen Ausgrabungen in Ostia berichtete. Eine besonders große Zahl von Gästen, unter ihnen der Kronprinz und die Kronprinzessin von Griechenland, der deutsche sowie mehrere fremde Gesandte und fast alle in Athen weilenden aus⸗ ländischen und griechischen Archäologen, hatte sich zu der Sitzung des Instituts in Athen eingefunden, der letzten, in der der lang⸗ jährige, hochverdiente Erste Sekretar, Professor Wilhelm Dörpfeld, den Vorsitz führte, der demnächst in den Ruhestand tritt. Nachdem der Zweite Sekretar, Professor Karo, der schweren Verluste gedacht hatte, die das Institut durch den Tod Otto Puchsteins und Reinhard Kekule von Stradonitz und im besonderen die Athenische Anstalt durch das Ableben ihres Bibliothekars A. Struck erlitten, berichtete Herr Dörpfeld, der kurz vorher von Pergamon zurückgekehrt war, über die diesjährigen, von ihm dort geleiteten Ausgrabungen, die im Heiligtum der Demeter und besonders im Heiligtum der Hera oberhalb des Gymnasions sehr interessante Ergebnisse hatten.

Im Institut für Meereskunde, Georgenstraße 34 36,

spricht am 9. Januar 1912 der Kontreadmiral z. D. E. Holzhauer⸗ Berlin über das moderne Schlachtschiff. (Mit Lichtbildern.) Der Vortrag beginnt um 8 Uhr Abends. Eintrittskarten zu 0,25 sind an dem Vortragsabend von 6 Uhr an in der Geschäftsstelle (Georgen⸗ straße 34 36) zu haben. Der für den 12. Januar angesetzte Vor⸗ trag des Professors O. Krümmel⸗Marburg über „Die Sargassosee“ fällt wegen der Reichstagswahlen aus. ie bereits gelösten Karten werden in der Geschäftsstelle zurückgenommen. 3

Ein mediko⸗historisches Museum soll demnächst in Leipzig begründet werden. Das Museum wird mit dem Institut der Ge⸗ schichte der Medizin an der Universität verbunden werden und dessen Direktor, dem Geheimen Medizinalrat Professor Dr. Sudhoff, unter⸗ stellt werden. Das Museum wird, dem „Leipziger Tageblatt“ zufolge, das einzige dieser Art in Deutschland sein und seinen Sitz in Leipzig e“ weil dort die einzige Professur für Geschichte der Medizin esteht.

Literatur.

Die Arbeitsnachweise der Arbeitgeberverbände. Von Dr. Gerhard Kessler. VIII und 203 Seiten. Leipzig, Verlag von Duncker u. Humblot. Preis 5 ℳ. In den ist von den Arbeitsvermittlungseinrichtungen der Unternehmervereinigungen mit großer Leidenschaftlichkeit gesprochen worden. Nach der Arbeiter⸗ presse sollen diese Einrichtungen die Arbeiterschaft mit Verfemung, Unterdrückung, Versklavung bedrohen. Auch die Parlamentsverhand⸗ lungen des Winters 1909/10 brachten keine Klarheit, da ihnen nur ein recht bescheidenes Tatsachenmaterial zugrunde lag. Solches Material über die Arbeitsnachweise der Arbeitgeberverbände beizubringen, hat sich der den Kreisen der Sozialreformer nahestehende Verfasser der vorliegenden Arbeit zur Aufgabe gemacht. Er ist dabei von einer beträchtlichen Zahl dieser Verbände durch Beantwortung seiner Frage⸗ bogen, Uebermittlung von Drucksachen und Formularen aller Art sowie durch mündliche Auskünfte unterstützt worden. Einige der bedeutendsten Nachweise in Berlin und Hamburg gestatteten ihm auch eine eingehende Besichtigung ihrer Betriebe. Dagegen haben etwa 40 Arbeitgeberverbände ihm erklärt, daß sie grundsätzlich jede Aus⸗ kunft verweigern und andere eine Antwort auf seine Anfrage überhaupt nicht erteilt. Ueber die Nachweise von Bedeutung, die dem Verfasser die erbetenen Nachrichten versagten, konnte er sich jedoch an anderen Stellen unterrichten. Vielerlei Auskünfte und Mitteilungen hat er auch von den Hauptverwaltungen und den Ortsbeamten der deutschen Gewerkschaften aller Richtungen erhalten. An der Hand des so gesammelten Materials, das im Archiv des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise und in der Bücherei des Kaiferlichen Stattistischen Amts noch vielfach ergänzt werden konnte, untersucht der Verfasser die äußere und innere Entwicklung der Arbeits⸗ nachweise der Unternehmerverbände in den einzelnen Gewerbe⸗ gruppen, ihre Vermittlungsgrundsätze, Vermittlungstechnik und Vermittlungsergebnisse und sucht dabei stets die Interessen des Ge⸗ meinwohls und der Volkswirtschaft im Auge zu behalten. Anhangs⸗ weise sind die Satzungen und die Geschäftsordnung für den obli⸗ gatorischen Arbeitsnachweis des Verbandes der Arbeitgeber des Bau⸗ gewerbes für München und Umgebung und die vom Hafenbetriebs⸗ verein in Hamburg für die Arbeitgeber und für die Arbeiter erlassenen Bestimmungen über den Verkehr mit den Arbeitsvermittlungsstellen für Schauerleute wörtlich wiedergegeben. In anerkennenswerter Sachlich⸗ keit lehnt der Verfasser es ab, jeden „paritätischen“ Arbeitsnachweis von vornherein als gemeinnützig, jeden von Arbeitgebern eingerichteten von vornherein als gemeinschädlich zu betrachten. Hier wie im politischen Leben entscheide in letzter Linie nicht die sormale Verfassung, sondern die praktische Verwaltung. Neben den allgemeinen Grundsätzen seien auch die Technik und das zahlenmäßige Ergebuis der Vermittlung wohl zu beachten; geschickte Betriebseinrichtungen und bedeutende Betriebserfolge verdienten gerade bei so jugendlichen Einrichtungen, wie es die Arbeits⸗ nachweise allenthalden seien, offene Anerkennung und sorgfältige Prüfung. Wenn der Verfasser auch nicht zu dem Schlusse kommt, daß die Nachweise der Arbeitgeber im allgemeinen den Vorzug vor den parifätischen verdienen, was man bei der derfeither technischen Un⸗ vollkommenheit vieler Arbeitgebernachweise und in Anbetracht der Vor⸗ eingenommenheit, die weniger bei dem Verfasser, wohl aber vielfach in

seinen Kreisen gegenüber dem Arbeitgebertum herrscht, nicht erwarten kann, so muß man doch anerkennen, daß er eine sachliche Darstellung der bestehenden Einrichtungen und gerechte Würdigung ihrer Leistungen versucht hat. Er hebt hervor, daß z. B. die Einrichtungen, die der Hamburger Hafenbetriebsverein geschaffen hat, die bedeutendste Leistung auf dem Gebiete des Arbeitsnachweises und ein „rühmens⸗ wertes Vorbild“ sind. Der Arbeitsnachweis des Hamburger Hafen⸗ betriebsvereins, sagt er, ist die größte Nachweisstelle Deutschlands und, soweit der Verfasser unterrichtet sei, überhaupt die größte Nachweisstelle der Welt (im Jahre 1910 erreichten die Einstellungen die Zahl 229 664). Seine Bedeutung für den Hamburger Hafen sei noch größer als die des Zechennachweises für den Ruhrbergbau. Im Hamburger Hafen habe die Einrichtung des Nachweises eine Ueber⸗ sicht und Ausgleichung des Arbeitsmarktes ermöglicht, an die vorher nicht zu denken war, und auch die Anwerbung der Arbeiter gleichzeitig dem trüben Dunst der Hafenkneipen entzogen; die technische Organi⸗ sation des Nachweises sei anders als im Ruhrrevier: Sämtliche Arbeiter, berichtet der Verfasser, werden im Nachweis selbst eingestellt, Umschau, freihändige Annahme und nachträgliche Anmeldung sind völlig ausgeschlossen. Die Arbeiter sammeln sich in Warteräumen, und die Vertreter der Firmen suchen sich die geeigneten Arbeiter aus, worauf die Nachweisbeamten die Annahme registrieren; oder die Beamten treten auf Grund genauer Bestellung selbst als Firmenvertreter auf und voll⸗ ziehen die endgültige, für die Firmen verbindliche Annahme. In beiden Fällen ist der Nachrzels nicht Vermittlungs⸗, sondern Annahmestelle. Kontraktarbeiter werden nach vorheriger ärztlicher Untersuchung vom Hafenbetriebsverein mit vierwöchiger Kündigungsfrist fest angestellt und erhalten einen Mindestwochenlohn von 31,20 für täglich zehnständige Arbeit. Ueberstunden, Nacht⸗ und Sonntagsarbe t sowie bestimmte schwierigere Arbeiten werden besonders vergütet. Die Kontraktarbeiter werden nach Bedarf den einzelnen angeschlossenen Betrieben über⸗ wiesen, bleiben aber stets Angestellte des Hafenvbetriebsvereins, der für ihre dauernde Beschäftigung sorgt und allein das Recht der Einstellung, Kündigung und Tntsassuns behält. Sämtliche Kontraktarbeiter sind zur Mitgliedschaft bei einer für sie eingerichteten Spar⸗ und Unter⸗ stützungskasse verpflichtet; die Beiträge von 1 bis 3 werden von jedem Wechenlohn abgezogen. i ordnungsmäßigem Aus⸗ scheiden wird das Sparguthaben zurückgezahlt, nur bei Vertragsbruch oder strafbaren Handlungen kann es ganz oder teilweise zugunsten der Kasse verfallen. Streitigkeiten zwischen diesen Arbeitern und dem Hafenbetriebsverein wegen Vertrags⸗ oder Kassenangelegen⸗ heiten entscheidet ein paritätisches Schiedsgericht. Der durchschnittliche Tagesverdienst dieser ständig beschäftigten Nrbeiter betrug 1910 6,62 ℳ. Neben den Kontraktarbeitern werden ständig einige tausend „Karten⸗ arbeiter“ beschäftigt. Es sind dies beim Verein eingeschriebene -n arbeiter, die sich, so oft sie Beschäftigung haben bae des in den Nach⸗ weisstellen des Vereins einfinden und sich dort durch eine (auf 2 Jahre ausgestellte und nach Ablauf ohne weiteres erneuerte) Karte legiti⸗ mieren. Die Karte dient gleichzeitig der Kontrolle über die Kranken⸗ kassenzugehörigkeit. Die Einstellung erfolgt in der Form, daß di

ausgewählten Arbeiter ihre Arbeitskarte und ihre Invalidenkarte abgeben; die Karten werden alsdann im Bureau registriert und dem Stellvertreter des Arbeitgebers ausgehändigt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses werden die Karten den Arbeitern zurückgegeben. Lohnsätze und Zuschläge, Arbeitszeit, Pausen, Arbeitsanfang und ende regeln sich nach den allgemeinen Lohntarifen des Vereins, die jeder Arbeiter in Händen hat. „Der gesamte Apparat“, bemerkt der Verfasser, „arbeitet mit der größten Sicherheit und Klarheit. Eine Rückkehr zu den früheren Verhältnissen wünscht heute von den Beteiligten niemand mehr.“ Nachdrücklich betont er, St „jede Erörterung über den volkzwirt⸗ schaftlichen Wert und die Gemeinnützigkeit der Arbeitgebernachweise überflüssig wäre, wenn sie nach dem Muster dieser Hamburger Anstalt eingerichtet und gehandhabt werden.“ Weiter bemerkt er: Noch bedeut⸗ samer für die Sonderstellung dieses Arbeitsnachweises ist die Tatsache, daß er zwar ausschließlich von Arbeitgeberseite eingerichtet und unter⸗ halten ist, aber in Hamburg und Harburg je eine paritätische Be⸗ schwerdekommission hat, die den Arbeitern eine Nachprüfung seiner Tätigkeit ermöglicht. Vielleicht trägt diese Schrift dazu bei, daß die Kreise, die bisher in der „Paritat“ ausschließlich das Heil er⸗ blickten, sich nunmehr von dieser einseitigen Stellungnahme gegenüber den Arbeitsnachweisen der Arbeitgeber freimachen.

Unter dem Titel „Landesarbeitsämter“ hat der Vorsitzende des Verbandes deutscher Arbeitsnachweise Dr. Richard Freund in dem kürzlich erschienenen 2. Heft vom 15. Jahrgang der Monats⸗ schrift dieses Verbandes „Der Arbeitsmarkt“ eine Abhandlung ver⸗ öffentlicht, in der der Verfasser, um die in guter Entwicklung be⸗ griffene Organisation des Arbeitsmarktes zu fördern und den Abschluß der Entwicklung zu beschleunigen, die Forderung des Ausbaues der bereits bestehenden Arbeitsnachweisvderbände zu Landesarbeitsämtern, d. b. öffentlichen Selbstverwaltungskörpern mit behördlichem Charakter, aufstellt. Ihre Organisation hätte sich in ähnlicher Weise zu voll⸗ ziehen, wie die der Landesversicherungsanstalten der Invalidenversiche⸗ rung. Die Landesarbeitsämter wären für größere Bezirke (Einzel⸗ staaten, Provinzen) durch die Landesregierungen mit Genehmigung des Bundesrats zu errichten. Die Leitung des Arbeitsamtes folle durch einen Vorstand, der die Eigenschaft einer öffentlichen Behörde hat, geschehen. Als höchste Aufsichtsinstanz sei ein Reichs⸗ arbeitsamt zu bilden. Die Kosten der neuen Organtfation seien nicht erheblich. Den Landesarbeitsämtern wäre an erster Stelle die Auf⸗ sicht über das gesamte Arbeitsnachweiswesen ihres Bezirks alfo nicht nur über die öffentlichen allgemeinen Arbeitsnachweise, sondern vor allem auch über die gewerbsmäßige Vermittlung und die Arheitgeber⸗ und Arbeitnehmernachweise zu übertragen. Eine weitere Aufgabe der Landesarbeitsämter wäre die genaue Durchführung einer Arbeits⸗ marktstatistik nach einheitlichen, vom Reichsarbeitsamt zu erlassenden Vorschriften. Schließlich hätten sie den Ausbau des Arbeitsnachweises in ihren Bezirken zu fördern, eine Aufgabe, die schon jetzt den Arbeitsnachweisverbänden obliege, die aber mangels jeder autoritativen Stellung nur undollkommen erfüllt werden könne. Die Organi⸗ fation kann nach der Ansicht des Verfassers ohne erhebliche Kusten und ohne Schwierigkeiten zur Durchführung gelangen, und die 1 des Arbeitsnachweises würde dadurch eme mächtige Förderung erfahren.

Wohlfahrtspflege.

Der Geheime Kommerzienrat Beuchelt in Grünbderg hat, „W. T. B.“ zufolge, aus Anlaß seines 60. Geburtstags 1 50 000 zu wohltätigen Zwecken gestiftet. Daren find 100 000 ℳℳ für die Errichtung einer Volksbadeanstalt besttmmt. b

Wie W. T. B.“ aus Namx Vork meldet, hat der Bankier acob Schiff der Cornell⸗Universität zur Förderung

eutscher Kulturbestrebungen in Amerika hunderttausend Dollarns gespendet. 8

Wettbewerb für Entwürfe zu einer Ringanlage um die Altstadt von Hamm i. Westfalen mit anschließendem Fluchtlmienplan. Diesen Wettbewerb schreibt der Magistrat der Stadt Hamm mit Frist bis 15. April 1912 und mit drei Preisen von 3000, 2000 und 1000 sowie zwei Ankäufen von je 500 aus. Dem Preisgericht gehören u. g. an: Stadtgartendirektor Encke in Cöln, Geheimer Baurat Professor Ewald Genzmer in Dresden, Geheimer Oberbaurat Professor Hofmann in Darmstadt, Königlicher Baurat Meyer in Soest, Stadtbaurat Krafft in Hamm. Die Wett⸗ bewerbungsunterlagen können vom Stadthauamt Hamm für 15 bezogen werden, die den Bewerbern zurückerstattet werden.

Ein Wettbewerb um Vorentwürfe für eine Synagoge mit Gemeindehaus in Offenbach a. M. wird unter den Großherzogtum Hessen ansässigen oder daraus stammenden Architekten mit Frist bis zum 1. April 1912 ausgeschrieben. Drei Preise von 2500, 1800 und 1200 sind ausgesetzt. Der Ankauf von zwei

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