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au.“]
Statutarische Bestimmungen einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes bedürfen, soweit sie die Stadtgemeinde Bremen oder den Gemeindeverband von Stadt und Landgebiet betreffen, der Zustimmung der Bürgerschaft, soweit sie die Ge⸗ meindeverbände der Hafenstädte betreffen, der Zustimmung
des Senats.
Die nach § 1803, Abs. 1 vom Oberversicherungsamt auf⸗ erlegten Gebühren werden wie Gemeindeabgaben beigetrieben.
Beschlossen Bremen, in der Versammlung des Senats am 29. und bekannt gemacht am 31. Dezember 1911.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht: 8
den bisherigen Oberlehrer an der Cecilienschule in Biele⸗ feld Johannes Berndt zum Seminardirektor zu ernennen und infolge der von der Stadtverordnetenversammlung zu Culmsee getroffenen Wahl den unbesoldeten Stadtrat Isidor Sternberg daselbst als unbesoldeten Beigeordneten (Zweiten
Bürgermeister) der Stadt Culmsee für die gesetzliche Amtsdauer
von sechs Jahren zu bestätigen.
Ministerium der geistlichen und Unterrichts⸗ angelegenheiten.
Der Direktor des Kaiser Wilhelm⸗Instituts für physikalische Chemie und Elektrochemie zu Dahlem Dr. Fritz Haber ist mit Allerhöchster Genehmigung Seiner Majestät des Königs zum ordentlichen Honorarprofessor in der philosophischen G der Friedrich Wilhelms⸗Universität zu Berlin ernannt worden.
Dem Seminardirektor Berndt ist das Direktorat des Lehrerinnenseminars in Torgau verliehen worden.
Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Bekanntmachung.
Die Herren Forstbeflissenen, die am Schluß des laufenden Semesters die Vorprüfung abzulegen beabsichtigen, haben die vorschriftsmäßige Meldung 15 bis zum 1. Februar d. J. dem Direktor der Forstakademie einzureichen,
an der sie sich der Prüfung unterziehen wollen. Berlin, den 8. Januar 1912. Der Minister für “ Domänen und Forsten.
Ministerium des Innern.
Der Kreisassistenzarzt Dr. Menke aus Tondern ist zum reisarzt ernannt und mit der Verwaltung des Kreisarztbezirkes Lehe⸗Hadeln beauftragt worden.
Bekanntmachung.
Alle diejenigen jungen Männer, welche in einem der zum Deutschen Reich gehörigen Staaten heimatsberechtigt und
1) in dem Zeitraum vom 1. Januar bis einschließlich
31. Dezember 1892 geboren sind,
2) dieses Alter bereits überschritten, aber sich noch nicht
bei einer Ersatzbehörde zur Musterung gestellt,
3) sich zwar gestellt, über ihr Militärverhältnis aber
noch keine endgültige Entscheidung erhalten haben
und gegenwärtig innerhalb des Weichbildes hiesiger Residenz sich aufhalten, werden, soweit sie nicht von der persönlichen Gestellung in diesem Jahre entbunden sind, hierdurch auf Grund des § 25 der Deutschen Wehrordnung angewiesen: sich behufs ihrer Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle in der Zeit vom 15. Januar bis 1. Februar d. J. während der Stunden von Vormittags 8 bis Nachmittags 7 Uhr (Sonntags bis Mittags 12 Uhr) im Geschäftsraume des für ihre Wohnung zuständigen Polizeireviers persönlich zu melden und ihre Geburts⸗ oder Losungsscheine und die etwaigen sonstigen Atteste, welche bereits ergangene Entscheidungen über ihr Militärverhältnis enthalten, mit zur Stelle zu bringen.
Die Geburtszeugnisse werden von den Standesämtern ausgestellt.
Für diejenigen hiesigen Militärpflichtigen, welche zurzeit abwesend sind (auf der Reise befindliche Handlungsgehilfen, auf See befindliche Seeleute ꝛc.), haben die Eltern, Vormünder, Lehr⸗, Brot⸗ und Fabrikherren die Anmeldung in der vor⸗ bestimmten Art zu bewirken.
Wer die vorgeschriebene Anmeldung versäumt, wird nach § 33 des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 mit einer Geldstrafe bis zu 30 ℳ oder mit Haft bis zu 3 Tagen bestraft.
Reklamationen (Anträge auf Zurückstellung bezw. Befreiung von der Aushebung in Verücktichtigung bürgerlicher Verhält⸗
nisse — 1 32 2a—g der Deutschen Wehrordnung —) sind be⸗
züglich aller Militärpflichtigen, auch der Einjährig⸗Freiwilligen,
vor dem Musterungsgeschäft, spätestens aber im Musterungs⸗
termine anzubringen; nach der Musterung angebrachte
Reklamationen werden nur dann berücksichtigt, wenn die Ver⸗ anlassung zu denselben erst nach Beendigung des Musterungs⸗
geschäfts entstanden ist. 5 Hüüha en den 10. Januar 1912. 8 Die Königlichen Ersatzkommissionen der Aushebungsbezirke Berlin. 1 Frommel. 8
8 äe“
D Königs Majestät haben durch Aller öchsten Erlaß
vom 27. Dezember 1911 den Provinziallandtag Provinz Sachsen zum 10. März d. J. nach der Stadt Merseburg einzuberufen geruht.
Die Eröffnung des Provinziallandtags wird an diesem Tage, Mittags 12 Uhr, im Ständehause zu Merse⸗
burg erfolgen; ihr wird in der Schloß⸗ und Domkirche um
10 Uhr ein Gottesdienst voraufgehen. Magdeburg, den 6. Januar 1912. 8 Der Königliche Kommissarius, Oberpräsident der Provinz Sachsen: “ b1“““
Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 10. Januar.
Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute im Neuen Palais bei Potsdam die Vorträge des Ministers der öffentlichen Arbeiten von Breitenbach und des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklichen Geheimen Rats von Valentini entgegen.
Die vereinigten Ausschüsse des Bundesrats für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Handel und Verkehr, die vereinigten Aus⸗ schüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Justizwesen, die vereinigten Ausschüsse G Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen sowie der Ausschuß für Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen hielten heute Sitzungen. vX“
Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. S. „Nürn⸗ mit dem Chef des Kreuzergeschwaders vorgestern in Nanking eingetroffen. 1
In der gestrigen Sitzung der Senatskommission zur Beratung des deutsch⸗französischen Abkommens verlas der Vorsitzende Bourgeois laut Bericht des „W. T. B.“ den Brief, den er im Namen der Kommission an den Minister⸗ präsidenten Caillaux gerichtet hat, um ihn zu bitten, dem Be⸗ richterstatter Poincaré Kenntnis von verschiedenen Aktenstücken zu geben, die eine Art mündlichen Gelbbuchs bilden. Aus den von Bourgeois gegebenen Erklärungen geht hervor, daß die Regierung nur mit der größten Vorsicht Mitteilungen machen wird. Auf eine Lamarzelles verlas der Minister des Aeußern de Selves die Noten, die am 8. Juli ausgetauscht worden sind, als der deutsche Botschafter das Ministerium des Aeußern von der Entsendung des „Panther“ nach Agadir in Kenntnis setzte. Sodann beschäftigte sich die Kommission mit der Haltung Frankreichs zur Zeit der Besetzung von Larrasch und Elksar durch die Spanier und mit dem Einspruch, der in dieser Angelegenheit von dem Sultan an das diplomatische Korps in Tanger gerichtet worden ist. Damit hat die Kom⸗ mission ihre historische Untersuchung beendet und wird nunmehr heute mit der Prüfung des Abkommens vom 4. November
beginnen. b 1
Wegen eines Zwischenfalles im Laufe der Sitzung, bei dem sich eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Minister⸗ präsidenten und dem Minister des Aeußern herausstellte, hat de Selves seine Demission gegeben. Hierüber liegt folgender Bericht der „Agence Havas“ vor:
Auf eine Anfrage Pichons gab der Ministerpräsident Caillaux eine Darstellung der Bedingungen, unter denen das Projekt des Ngoko⸗Sangha⸗Konsortiums zurückgezogen wurde und unter denen die Verhandlungen über die Congo⸗Kamerun⸗Eisenbahnen gescheitert waren. Pichon bezpog sich auf einen Artikel der „Kölnischen Zeitung“ vom 25. Oktober 1911 und fragte Caillaux, ob er nicht der Meinung sei, daß der doppelte Mißerfolg der Verhandlungen in Wechsel⸗ beziehung stände zu der neuen Haltung Deutschlands, die diese Macht nach Agadir führte gerade in dem Augenblick, wo durchaus höfliche und korrekte Vorbesprechungen zur Lösung der Marokkofrage stattfanden. Caillaux antwortete, er glaube in der Tat, daß eine solche Wechsel⸗ beziehung bestehe. Poincaré stellte darauf eine ähnliche Frage be⸗ züglich der abgebrochenen Verhandlungen über die Marokkoeisenbahnen. Als hierbei auf Verhandlungen angespielt wurde, die Fonddre, der an verschiedenen Congogeschäften beteiligte Präsident einer Flußschiff⸗ fahrtsgesellschaft, und der deutsche Reichstagsabgeordnete Dr. Semler auf Veranlassung Caillaux' und mit Umgehung Cambons in Deutsch⸗ land geführt haben sollen, erhob Caillaux energisch dagegen Einspruch. „Niemals“, erklärte der Ministerpräsident, „hat eine offiziöse politische oder finanzielle Verhandlung stattgefunden Ich ergreife gern die Gelegenheit, der Kommission mein Ehrenwort zu geben, daß ich außerhalb des Ministeriums des Aeußern nie interveniert habe.“ Clémenceau richtete hierauf an de Selves die Frage, ob Cambon über alle Besprechungen und Unterhandlungen zwischen Berlin und Paris auf dem laufenden gewesen sei, und fragte insbesondere, ob der Minister de Selves in diesem Punkte die Erklärung des Minister⸗ präsidenten Caillaux bestätigen könne. De Selves zögerte anfangs zu antworten, schließlich aber entschloß er sich zu sprechen. „Ich kann nicht antworten“, sagte er, „ich schwanke zwischen der Achtung, die ich immer der Wahrheit gewidmet habe, und der Sorge, die ich um die Interessen des Landes hegen muß.“ „Diese Antwort“, er⸗ widerte Clémenceau, „kann von allen Mitgliedern der Kommission als korrekt angesehen werden, nur nicht von einem, und das bin ich. Sie haben mir das Gegenteil gesagt. De Selves entgegnete: „Sie haben mich nicht verstanden. Aber ich will sagen, daß ich trotz meiner Sorge um die Wahrheit nicht verkennen kann, daß es etwas gibt, was die Lage mich zu verschweigen nötigt.“ Darauf zogen sich Caillaux und de Selves mit Clémenceau zurück, und alle drei hatten eine sehr leb⸗ hafte Unterhaltung. Clémenceau warf Caillaux in heftigen Ausdrücken geheime Verhandlungen vor, von denen er, wie es scheint, schon seit langem Kenntnis erhalten hatte, und die von Caillaux in Abrede gestellt worden waren. Andererseits erklärte de Selves, daß er nach dem Zwischenfall nicht mehr neben Caitllaux sitzen könne, und daß er. deshalb demissionieren werde. 8
In betreff des gegen Caillaux erhobenen daß er mit Deutschland geheime Verhandlungen geführt habe, ist, „W. T. B.“ zufolge, zu bemerken, daß von Gegnern des Minister⸗ präsidenten schon seit Monaten behauptet wurde, er habe ohne Wissen des Quai d'Orsay durch Vermittlung von Finanzleuten und Kolonialunternehmern geheime Verhandlungen mit Berlin ge⸗ führt. Als eine dieser Mittelspersonen wurde Fondére genannt. Caillaux hat die Behauptung wiederholt in offiziösen Noten als unrichtig erklären lassen. Der in der Senatskommission in Verbindung mit Fondéère genannte Reichstagsabgeordnete Dr. Semler hatte als Vertreter der deutschen Südkamerun⸗Gesell⸗ schaft seinerzeit an den Verhandlungen über das deutsch⸗fran⸗ zösische Ngoko⸗Sangha⸗Konsortium teilgenommen.
Der Minister de Selves hat an den Präsidenten „W. T. B.“ zufolge, nachstehendes Schreiben ge⸗ richtet:
Nach dem peinlichen Zwischenfall, der die heutige Sitzung der Senatskommission gekennzeichnet hat, habe ich die Ehre, Ihnen meine Entlassung als Minister des Aeußern zu überreichen. Ich könnte in der Tat nicht länger die Verantwortung für eine solche Politik übernehmen, der die Einheit der Auffassung und die Einheit der solidarischen Tätigkeit fehlen. Vom Wunsche geleitet, die schwie⸗ 16 Verhandlungen zum guten Ende zu führen und deren Geneh⸗ migung durch das Parlament sicherzustellen, habe ich geglaubt, mein Amt behalten zu sollen. Aber die zweifache Sorge, an der Wahrheit
keinen Verrat zu üben und doch nicht gegen die Korrektheit zu ver⸗
2
stoßen, die meine Stellung mir auferlegt, gestattet mir ni . “ 1“ 39. Lessemih dets dbn wollens erinnern, mit dem Sie m n he ür mi . geßlichen Verhältnissen beehrt haben. 8 u.
Am Abend traten die Minister zu einer Besprechun zusammen. Vom Ministerpräsidenten Caillaur 28 8 5 folgende Note ausgegeben:
Der Ministerrat hat die Demission des Ministers des Aeußern zur Kenntnis genommen und die Möglichkeiten ins Auge gefaßt, welche sich aus ihr ergeben könnten, ohne daß es jedoch in Frage kommt, dem Zwischenfall, der sich ereignet hat, eine weitere Aus⸗ dehnung zu geben.
— In der gestrigen Sitzung des Senats, der ersten nach den Ferien, gedachte der Alterspräsident Huguet der Errungen⸗ schaften der Republik und gab seiner Freude Ausdruck, daß das Jahr 1911 das Einvernehmen zwischen Frankreich, England und Rußland noch inniger gestaltet habe. Huguet erinnerte, obiger Quelle zufolge, ferner daran, daß die Kommission für das deutsch⸗französische Abkommen ihren Willen bekundet habe, die Prüfung des Abkommens im Geiste höchster Unparteilichkeit und nur unter Rücksichtnahme auf die Würde, Sicherheit und Größe Frankreichs vorzunehmen. Auf diese Erklärung müsse man vertrauen in der Ueberzeugung, daß das Abkommen ein bedeutungsvoller Faktor für den Frieden zwischen den beiden Nationen sei. Die Sitzung wurde sodann aufgehoben.
Bei der Eröffnung der gestrigen Sitzung der Depu⸗ tiertenkammer verlangte der Alterspräsident Louis Passy (liberal) eine konstitutionelle und keine parlamentarische Republik sowie eine Wahlreform. Ueber die auswärtige Politik und das deutsch⸗französische Abkommen erklärte er, jeder habe zu der Frage zwar mit schmerzlichem Gefühl, aber gewissenhaft Stellung genommen, und schloß: „Wir tappen im Dunklen, da alle Regierungen geheime Ambitionen verfolgen. Wir wollen weder Propheten noch Richter sein, aber wir wollen bereit sein!“ Darauf wurden Brisson mit 257 von 309 ab⸗ gegebenen Stimmen zum Präsidenten der Kammer, Etienne, Massé, Puech und Dron zu Vizepräsidenten wiedergewählt.
Türkei. In einem von dem Blatte „Sabah“ veröffentlichten
Interview erklärt der Kriegsminister Mahmud Schewket⸗
Pascha angesichts der in Umlauf befindlichen Friedens⸗ gerüchte, daß die Pforte keine Schritte in dieser Richtung unternommen habe. Solange die Souveränitätsrechte des Sultans über Tripolis und Benghasi nicht anerkannt würden, sei der Friede unmöglich. Die Veröffentlichung des Ein⸗ verleibungsdekrets könnte Italien nicht hindern, auf einer anderen Grundlage zu verhandeln.
Norwegen. 8
Der Staatsrat beschäftigte sich gestern mit dem Finanz⸗ gesetz für das Finanzjahr 1912/13, das mit 128 100 000 Kronen balanciert. Wie „W. T. B.“ meldet, sind im Extraordinarium 6 ¼4 Millionen für Eisenbahnbauten vorgesehen. Ferner wird vorgeschlagen, aus dem Kassabestand 8 Millionen für außer⸗ ordentliche Zwecke zu bewilligen, davon 6 Millionen für den Bau von Kriegsschiffen und eine Million als Beitrag für eine neue norwegische Dampferlinie nach Amerika. Das Finanz⸗ jahr 1910/11 hat einen Reinüberschuß von etwa 61 ½ Millionen Kronen ergeben. Im weiteren Verlauf der Sitzung beschloß der Staatsrat, eine Regierungsvorlage einzubringen, in der das Storthing aufgefordert wird, folgende Beschlüsse zu fassen:
1) Die Verteidigung zur See wird hauptsächlich als mobiles Glied einer Küsten⸗ und Schärenverteidigung geplant, wie es im wesentlichen von der norwegischen Verteidigungskommission vorgesehen ist, und mit dem Ziel, das Flottenmaterial möglichst bald auf die von der Verteidigungskommission im Jahre 1910 vorgeschlagene Stärke zu bringen.
2) Für außergewöhnliche Verteidigungsmaßnahmen sind zu bewilligen 15 Millionen Kronen für Anschaffung zweier ge⸗ panzerter Küstenverteidigungsschiffe, außer bereits bewilligten 927 000. Kronen noch 900 000 Kronen für Befestigungsanlagen und für eine Marinestation in Ofoten und 600 000 Kronen für Munition. Das Flottenpersonal soll erhöht werden.
Nach einer Vereinbarung mit dem Finanzministerium bringt das Verteidigungsministerium in Vorschlag, den für außerordentliche Verteidigungsmaßnahmen veranschlagten Be⸗ trag mit 6 Millionen aus dem Staatskassenbestand und mit 10 ½ Millionen aus einer im Inlande aufzunehmenden Anleihe u decken, falls die Ausgaben nicht anderweitig gedeckt werden Unter keinen Umständen wird die Aufnahme einer neuen Staatsanleihe vor 1913 notwendig.
Die im neuen Flottenplan vorgesehene Materialstärke umfaßt, obiger Quelle zufolge, 8 gepanzerte Küstenverteidigungs⸗ schiffe, 6 Torpedojäger, 40 Torpedoboote, 12 Unterseeboote, 4 Kanonenboote oder mit Kanonen armierte Hilfsschiffe, einen schnellaufenden Minenleger, außerdem bewaffnete Schiffe oder Hilfsschiffe zur Bewachung der Minenlegung und eine Anzahl Minenfischer. Ferner wird in Erwägung gezogen, einen kleineren Typ von Unterseebooten zum Gebrauch an bestimmten Stellen der norwegischen Küste und zur Stütze von Befestigungen zu schaffen. Pläne für die Hefe icnn von Horten sowie für die Modernisierung von Oskarsborg befinden sich in Ausarbeitung.
Amerika.
Die amerikanische Regierung kündigt laut Meldung des „W. T. B.“ die Entsendung von 500 Mann nach China an, die bei der Aufrechterhaltung des Eisenbahnver⸗ kehrs zwischen Peking und der Küste mitwirken sollen. Es wird erklärt, daß der amerikanische Gesandte in Peking Calhoun nach einer Besprechung mit dem diplomatischen Korps in Peking die Entsendung dieser Truppenzahl als vollständig hinreichend empfohlen habe.
Der Präsident Taft hat, obiger Quelle zufolge, in einer Botschaft dem Repräsentantenhause mitgeteilt, er werde sich ge⸗ nötigt sehen, jedes Ersuchen von Deutschland, Oesterreich, Däne⸗ mark, Belgien, Schweden und Norwegen auf freie Einfuhr von Holzpapier in die Vereinigten Staaten unter gleichen Bedingungen wie Canada abzulehnen, bis der zuständige Gerichtshof die Rechtsfrage entschieden habe.
Das persische Kabinett hat, dem „Reuterschen Bureau“
zufolge, den Sepehdar zum Generalgouverneur von Aserbeidschan, den Prinzen Firman zum Generalgouverneur von Kermanschah und Sardar Kafar, einen Neffen des Bachtiarenhäuptlings Sardar Assad, zum Generalgouverneur von Isahan ernannt. In Täbris hat Samad⸗Khan, ein Parteigänger des früheren Schahs, sich zum Gouverneur der Stadt ausgerufen. Er wurde von russlscher Seite gewarnt, eine Proklamation zugunsten Mohammed Alis zu erlassen.
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worden waren. Der Hauptabnehmer war Großbritannien 447 719 t Roh⸗ und 327 735 t Verbrauchszucker. v
— Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ verlangt
Rußland bezüglich der Mongolei die Zusicherung, daß die
mongolischen Abgesandten, die kürzlich St. Petersburg besucht haben, nicht bestraft werden. Der russische Geschäftsträger hat die chinesische Regierung davon in Kenntnis gesetzt, daß er auf die russische Note eine baldige Antwort erwarte.
Wie die „St. Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, nähert sich ein Mongoleidetachement der Grenze bei Kjachta, um die angrenzende Mongolei von I“ herum⸗ streifenden Chinesen zu säubern und diese über Trans⸗ baikalien nach der Mandschurei zu bringen, wo sie an⸗ gesiedelt werden sollen. Die eingewanderten Chinesen sind dadurch beunruhigt. Mehrere Hundert von ihnen überfielen in der Nacht zum 8. Januar die Verwaltungs⸗ gebäude des Marktplatzes Maimatschin. Die mongolischen Beamten retteten sich zum Vorsteher des chinesischen Telegraphen⸗ amts. Die mongolischen Schutzleute wurden entwaffnet. Die Chinesen lieferten die geraubten Waffen am nächsten Tage freiwillig wieder aus, drohen aber, im Falle der Ausweisung die Verwaltungsgebäude zu plündern. Die mongolischen Be⸗ hörden haben die russische Obrigkeit um Unterstützung gebeten.
Koloniales.
Von der Forschungsexpedition der Deutschen Koloniaͤlgesellschaft, die am 25. Oktober 1911 nach Kamerun ausgereist ist und unter der Leitung des Professors Thorbecke steht, ist der erste Bericht eingegangen, der, wie wir den „Mitteilungen der Deutschen Kolonial⸗ gesellschaft“ entnehmen, die Bedeutung Dualas als Ausgangspunkts der beiden Kameruner Eisenbahnen würdigt und dabei auf die wirtschaft⸗ liche Wirksamkeit der Nordbahn zu sprechen kommt. Thorbecke ist der Meinung, daß dieser Schienenweg, wenn er erst einmal bis Bamunm oder darüber hinaus vorgedrungen ist, eine wirtschaftliche Entwicklung der durchquerten Grashochländer zur Folge haben wird, die zum mindesten die des Urwaldgürtels erreichen dürfte. „Haben wir es doch auf der ganzen Strecke im Dschang⸗ und Bamenda⸗ Bezirk mit einer Bevölkerung zu tun, die den Waldlandneger in jeder Beziehung übertrifft, an körperlicher Leistungsfähigkeit, an Aufnahme und Anpassungsfähigkeit, an straffer politischer Organi⸗ sation. Ich möchte, nach Eiblick in die Verhältnisse, wie sie sich hier draußen tatsächlich entwickelt haben, doch hoffen, daß die große Verkehrsstraße ins Innere Kameruns in der Richtung weiter ge⸗ führt werde, in der sie heute schon ins Hochland hineinweist.“ — Die Deutsche Kolonialgesellschaft hat vor zwei Monaten in ihrer Vorstandssitzung den Beschluß gefaßt, für eine schnelle Weiterführung der Kameruner Nordbahn, die in ihrer Ausdehnung von 160 km nur ein Stückwerk darstelle, bei den maßgebenden Stellen einzutreten.
Die Gleisspitze der deutschostafrikanischen Zentralbahn Daressalam — Morogoro — Tabora befand sich, wie der „Deutschen Kolonialzeitung“ aus Daressalam telegraphiert wird, am Anfang dieses Jahres 37 km vor Tabora, 810 km von Daressalam entfernt; es sind im Dezember 1911 19 km vorgestreckt worden.
Statistik und Volkswirtschaft.
Zuckergewinnung, ⸗besteuerung und ⸗verbrauch in Deutschland im Jahre 1910/11.
Im Betriebsjahre 1910/11 (vom 1. September 1910 bis 31. August 1911) sind 354 Zuckerfabriken mit Rübenverarbeitung im Be⸗ triebe gewesen (im Vorjahre 356). Ferner haben 35 Raffinerien (gegenüber 36 im Vorjahre) gearbeitet. Die Zahl der Melasse⸗ entzuckerungsanstalten betrug 6. In diesen 395 Betriebsanstalten sind im ganzen 2 589 869 t Zucker gewonnen worden (alle Erzeugnisse auf Rohzucker umgerechnet), im Vorjahre 2 037 397 t.
In den rübenverarbeitenden Fabriken wurden in 49 304 zwölfstündigen Arbeitsschichten 15 748 981 t Rüben verarbeitet, mithin in einer Arbeitsschicht 319 t, während im Betriebsjahre 1909/10 in 43 917 Arbeitsschichten 12 892 068 t, mithin in einer Arbeitsschicht 294 t verarbeitet worden waren.
Die verarbeiteten Rüben wurden auf 477 909 ha (1909/10: 457 718 ha) geerntet. Der Preis der angekauften Rüben berechnet sich im Durchschnitt auf 2,25 ℳ (1909/10: 2,19 ℳ) für 1 dz.
Die Rübenernte ist eine gute zu nennen. Der Durchschnitts⸗ ertrag auf 1 ha betrug 330 dz Rüben, im Vorjahre 282 dz. Aus 1 dz Rüben wurden durchschnittlich 15,96 kg Rohzucker gewonnen, während das Vorjahr 15,11 kg ergab. Zur Herstellung von 1 kg Zucker waren durchschnittlich 6,27 kg Rüben gegenüber 6,62 kg im Vorjahre erforderlich. .
Von inländischem Zucker sind in Rohzuckerwert 1 382 197 t,
von ausländischem 1728 t in den freien Verkehr übergegangen,
gegenüber 1 262 255 t und 1927 t im verflossenen Betriebejahre. Der
8 Abgabenertrag belief sich an Verbrauchsabgabe abzüglich der Steuervergütungen auf 173 263 000 ℳ, an Zoll auf 332 000 ℳ, im Vorjahre auf 158 474 000 ℳ und 353 000 ℳ. Auf den Kopf
der Bevölkerung betrug der Verbrauch in Verbrauchszucker
19,00 kg (1909/10: 17,52 kg). 1 Die Ausfuhr hat in Rohzuckerwert um 333 098 t zugenommen; sie erreichte eine Höhe von 1 116 535 t. Davon entfielen auf Roh⸗
8 zucker 546 281 t und auf Verbrauchszucker 513 229 t, während 1909/10
nur 310 131 t Roh⸗ und 425 976 t Verbrauchszucker ausgeführt mit
16
ölkerungsbewegung, Schlachtungen, städtische Spar⸗ „Krankenversicherung und Armenpflege in Berlin im Novpvember 1911.
Nach dem Novemberheft der „Monatsberichte des Statistischen
Amts der Stadt Berlin“ belief sich die fortgeschriebene Bevölke⸗ rungsziffer der Reichshauptstadt Anfang Dezember 1911 auf 2 082 678 (zu der gleichen Zeit des Vorjahrs auf 2 070 695). Sie ist im November um 6247 (im November 1910 um 6625) gestiegen.
Lebend geboren wurden im November 1911 3416 (im gleichen Monat des Vorjahrs 3517) Kinder, darunter 776 (755) oder 22,72 (21,47) % uneheliche. Auf das Jahr und Tausend der mittleren Be⸗ völkerung berechnet, stellte sich die Geburtenziffer auf 19,99 (20,70). Ehen wurden im November 1675 (in demselben Monat des Vor⸗
jahres 1608) geschlossen, darunter 329 (326) Mischehen. Die
Zahl der Sterbefälle (ohne die Totgeburten) belief sich im No⸗
vember auf 2551 (im November 1910 auf 2542). Im Alter bis zu
1 Jahr starben 463 (499) Kinder, das sind 18,13 (19,63) % aller Sterbefälle des Berichtsmonats. Auf das Jahr und Tausend der
mittleren Bevölkerung berechnet, stellte sich die allgemeine Sterblich⸗
keitsziffer auf 14,94 (14,95). Der Auftrieb auf den städtischen Viehhof betrug für den
“ November 1911 14 891 (für denselben Monat des Vorjahrs
14 580 Rinder), 11 717 (10 617) Kälber, 38 223 (33 989) Schafe, 121 007 (102 722) Schweine. In den öffentlichen Schlacht⸗ häusern wurden im November 10 786 (im November 1910 11 824) Rinder, 12 228 (11 078) Kälber, 39 069 (36 635) Schafe, 124 005
(95 867) Schweine geschlachtet.
Bei der städtischen Sparkasse beliefen sich die Einzahlungen
im November 1911 auf 5 614 765 ℳ (im gleichen Monat des Vor⸗
jahrs auf 5 368 229 ℳ), die Rückzahlungen auf 5 311 173 (4 529 748) ℳ;
emnach ergab sich ein Mehr an Einzahlungen von nur
1“ 8
griechischen Festlandes und der griechischen Insel⸗ gelt n. E 11“ ““ 8. “ EE111“
303 592 ℳ (in demselben Monat des Vorjahrs ein Mehr an Ein⸗ zahlungen von 838 481 ℳ). 1
Der Mitgliederbestand der der Aufsicht des Magistrats⸗ kommissars unterstellten Krankenkassen betrug am 1. Dezember 1911 835 785 (zur gleichen Zeit des Vorjahrs 819 964), unter denen sich 60 767 (53 271) freiwillige Mitglieder befanden. Erwerbsunfähi waren an diesem Tage bei den bezeichneten Kassen 27 613 (25 213 verpflichtete Mitglieder.
Die städtische Armenpflege umfaßte im Monat November 35 305 (im gleichen Monat des Vorjahrs 35 707) Almosengeld⸗ empfänger mit einem Gesamtbetrage an laufenden Unterstützungen von 619 213 (622 208) ℳ, darunter 2 064 (2 017) Almosenempfänger mit außerdem gewährten 15 380 (14 762) ℳ Extraunterstützungen. Solche wurden ferner für 6 107 (6 289) nicht laufend unterstützte Personen im Gesamtbetrage von 79 615 (81 039) ℳ gewährt. Pflege⸗ kinder waren 12 678 (12 878) vorhanden, für die 120 492 (121 181) ℳ aufgewendet wurden.
8 Im Arbeitshause zu Rummelsburg befanden sich am 1. De⸗ zember 1027 (zu derselben Zeit des Vorjahres 1321) Männer und 49 (78) Frauen, in den Hospitälern des Arbeitshauses 738 (693) Insassen, in den Erziehungsanstalten zu Lichtenberg, Birkholz und Klein Beeren 273 (252) Fürsorge⸗ und Zwangserziehungs⸗ zöglinge, in Privatverpflegung 1147 (1163) Kinder. In der städtischen Waisenpflege waren an demselben Tage 8695 (8280) Kinder. — Das Familienobdach beherbergte am 1. Dezember außer 25 (32) Familien mit 63 (60) Personen noch 107 (212) Einzel⸗ personen. Im städtischen Obdach nächtigten im November 106 977 (90 669) männliche und 660 (507) weibliche, zusammen 107 637 (91 176) Personen, im Männerasyl des Asylvereins 14 900 (14 642), im Frauenasyl 3969 (4304) Personen einschließlich von 61 (38) Kindern. G “
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Zur Arbeiterbewegung.
Die Dockarbeiter und Eisenbahnrollfuhrleute in Barreiro, gegenüber Lissabon am Tejo erexen, sind, wie der „Frkf. Ztg.“ telegraphiert wird, in den Ausstand eingetreten. Am 7. d. M. hielten die Ausständigen eine Versammlung ab, in der eine Resolution gefaßt wurde, in der die Sabotage befürwortet wird. Die Dampfer werden militärisch bewacht. Einige Verhaftungen wurden vorgenommen und die Eisenbahnstation von Barreiro durch
Truppen besetzt.
Wohlfahrtspflege.
Der Volksheilstätten⸗Verein vom Roten Kreuz in
Berlin hat einen Bericht über die Entwicklung seiner Erholungs⸗ stätten im Betriebsjahr 1910 erstattet. Die in Amerika mit Nacht⸗ erholungsstätten gemachten günstigen Erfahrungen ermutigten den Verein, einen Versuch mit Nachtkuren zunächst in seinen beiden Frauenerholungsstätten (in Schönholz⸗Pankow und in Eichkamp) zu unternehmen. Zweck der Einrichtung sollte sein, gesundheitlich ge⸗ fährdeten Personen, die während des Tages ihrer Berufsarbeit nach⸗ gehen, während der Nacht Kuraufenthalt in der Stille des Waldes zu ermöglichen. Der von Anfang Mai bis Mitte Oktober durchgeführte Versuch kann als gelungen bezeichnet werden. Die Nachtkur⸗ pfleglinge kamen gegen 7 Uhr Abends von ihrer Arbeits⸗ stelle direkt in die Erholungsstätte, erhielten dort ein warmes Abendessen, schliefen sodann in den offenen Liege⸗ hallen, die während des Tages bei schlechtem Wetter den Tages⸗ patienten zur Unterkunft dienen, und verließen Morgens zwischen 6 und 7 Uhr, gestärkt durch ein reichliches Frübfthg, wieder die Erholungsstätte, um ihrem Beruf nachzugehen. Die Kurerfolge waren sehr zufriedenstellend. Im ganzen wurde die Zahl von 1696 gewährten Kurnächten erreicht; für jede Nacht wurden 70 ₰ erhoben. Der Versuch soll fortgesetzt und auch auf Männer aus⸗ gedehnt werden. — Der Männererholungsstätte in der Jungfernheide wurde ein größeres, festes Blockhaus geschenkt; die Stadt Char⸗ lottenburg hat eine wesentliche Vergrößerung des Waldgeländes dieser Erholungsstätte bewilligt. Im ganzen waren im Berichts⸗ jahr sieben gut ausgestattete Erholungsstätten im Be⸗ trieb: 2 für Männer (Jungfernheide und IJohannisthal), 2 für Frauen (Schönholz⸗Pankow und Eichkamp) und 3 für Kinder (Schönholz, Sadowa und Eichkamp). Die Zahl der Ver⸗ pflegungstage, einschließlich der Kurnächte, belief sich auf 165 718 gegen 177 297 im Vorjahre. Die Minderbenutzung betraf ausschließlich die Kindererholungsstätten und hatte ihren Grund darin, daß es Etatsrücksichten der Stadt Berlin nicht Feftateteh. die gleiche Zahl von Kindern wie in früheren Jahren zu überweisen.
Die Winterkuren haben ausgezeichnete Heilwirkungen aufzuweisen gehabt und ihre Inanspruchnahme hat erheblich zugenommen. Während die Zahl der im Winter gewährten Verpflegungstage 1906/07 8000, 1907/08 11 645, 1908/09 16 709 betrug, bezifferte sie sich im Winter 1909/10 auf 26 145, die 305 Männern, 222 Frauen und 422 Kindern zugute kamen. Namentlich Lungen⸗ und Nerbenleiden wurden durch die Winterkuren günstig beeinflußt. Die Gesamtzahl der Patienten, die in den 4 Erholungsheimen für Erwachsene im Be⸗ richtsjahre Aufnahme und Verpflegung fanden, betrug 3457, darunter 2652 entsandt von 108 Krankenkassen und 408 von den Armen⸗ direktionen Berlin und Charlottenburg. Die Gesamtzahl der auf⸗ genommenen Kinder betrug 1166; hinzukam noch eine größere Anzahl sogenannter Besuchskinder, die gleichzeitig mit ihren erwachsenen weib⸗ lichen Angehörigen in den Erholungsstätten für Frauen Aufnahme fanden. Ordnung und Disziplin in den Erholungsstätten waren recht gut. Der Betrag der laufenden Ausgaben erreichte im Berichtsjahr die Höhe von 126 517,74 ℳ. Sie haben an den Einnahmen keine volle Deckung gefunden, sodaß leider ein Fehlbetrag von 4992,89 ℳ in das nächste Jahr übernommen werden mußte. Der Pflegesatz für Tageskuren betrug wie im Vorjahre für Erwachsene 55 ₰ im Sommer und 70 ₰ im Winter, für Kinder 50 ₰ im Sommer und 60 ₰ im Winter. Die Zahl der freien Verpflegungstage belief sich für ganze Freistellen auf 9606, einschließlich 494 freie Kur⸗ nächte, für halbe Freistellen auf 7802. Eine besondere Auszeichnung erfuhr die Erholungsstätte in Eichkamp durch den Besuch Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin am 14. März 1910.
Kunst und Wissenschaft.
A. F. Unter dem Vorsitz von Fess ss⸗ Dr. von Luschan fand am 3. Januar die 16. Generalversammlung der „Vorder⸗ asiatischen Gesellschaft“ statt. Wie alljährlich aus diesem An⸗ laß erfreute sich die Gesellschaft der Anwesenheit zahlreicher aus⸗ wärtiger Mitglieder aus Leipzig, München, Wien, Halle, Gießen, Marburg ꝛc. Der geschäftliche Teil der Versammlung brachte aus dem unde des Vorsitzenden den Rechenschaftsbericht. Er zeigte die Gesellschaft in gedeihlicher Entwicklung, wenn auch, voraussichtlich vorübergehend, die nahezu 500 be⸗ tragende Mitgliederzahl um zehn scegegengen ist. Ehrend wurde zweier durch den Tod abgerufener Mitglieder sedacht, deren Scheiden besonders schmerzliche Lücken in der Zahl der hervorragenden Forscher läßt: Puchstein und Messerschmidt. Der befriedigende Kassenbericht erwies die Vermögenslage als weiter verbessert. An den Bericht über die „Mitteilungen“ und den „Alten Orient“ knüpften sich aus der Versammlung einige kritische Bemerkungen, die zufriedenstellende Beantwortung fanden. Nach Erledigung des geschäftlichen Teils hielt Professor von Luschan einen durch Lichtbilder in überraschender Fülle begleiteten Vor⸗ trag über das Thema „Griechenland und der Orient“. Er wolle, so begann der Redner, unter dem absichtlich weit gefaßten Titel seines Vortrags mancherlei sagen, was ihm als das Ergebnis dreißigjähriger Studien am Herzen liege. Das bekannte Bach des Griechen Stepanos nötige zunächst zu entschiedener Ablehnung der hier über die Abstammung der Griechen ausgesprochenen Gedanken. Stepanos läßt keinen Unterschied zwischen den
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sieht dabei vollkommen, daß es sich hier und dort um ganz ver⸗ schiedene Arten von Menschen handelt, die weder in der Sprache, noch in der Religion übereinstimmten. Seine eigene langjährige Be⸗ schäftigung mit der Chronologie Griechenlands und Vorderasiens, seine Untersuchungen, wie eigentlich die Dorer und Jonier sich gegenein⸗ ander verhalten, haben Professor von Luschan zu ganz abweichenden Ergebnissen geführt, die ihn vermuten lassen, daß die Dorer den alren Vorderasiaten entsprechen, dagegen die Jonier sehr viel nordische Ele⸗ mente aufgenommen haben, somit viele Volksgenossen von langem Schädel, blauen Augen und blondem Haar zählten. Wissen wir aus der Schule auch nur von einem homerischen Helden, der vom Dichter aus⸗ drücklich als blond bezeichnet wird, so sind literarisch doch wenigstens 4 bis 500 Griechen als blond nachweisbar. Von diesem Typus stark und charakteristisch verschieden sind allerdings die Vorderasiaten, wie sie uns in zahlreichen Reliefs und Skulpturen entgegentreten, die bis in das 10. bis 14. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung in Sendschirli, in Aegypten noch erheblich weiter zurückgehen. Eigenartig für diesen Typus ist Kurzköpfigkeit, extrem hohe und extrem breite Schädel und besonders kräftige, große Nasen. In einer großen Zahl von Bildern der bezeichneten Herkunft aus der alten Welt führte der Vortragende den Beweis für die offensichtliche Uebereinstimmung der genannten Merk⸗ male und schloß durch Vorführung von Bildern lebender Menschen aus Vorderasien und Sprien den nicht minder bündigen Beweis, daß sich dieser Typus mit erstaunlicher Beharrlichkeit, namentlich in ab⸗ elegenen Landschaften und im Hochgebirge, bis heute erhalten hat. ast noch überraschender gelang der Beweis für die Anficht des Vor⸗ tragenden, daß sich dies vorderasiatische Urvolk in sehr früher Zeit nach Westen ausgebreitet habe und die alpine Rasse, der wir in großer Reinheit noch in manchen Alpentälern begegnen, von ihnen abstamme, als einige Bilder solcher lebenden Alpenbewohner mit den charakteristischen Eigenschaften vorgeführt wurden. Als Vertreter der reinen vorderasiatischen Rasse dürfen die Hethiter gelten mit der Einschränkung, daß schon im 13. vorchristlichen Jahrhundert vor⸗ dringende nordische Elemente mit der ursprünglichen Bevölkerung sich zu mischen begannen, aber doch bis heute im wesentlichen rein blieben. Als die Nachkommen dieser nordischen Einwanderersind die Kurden anzusprechen. Dagegen ist semitische Beeinflussung in der Entstehung und Heraus⸗ bildung der vorderasiatischen Rasse nicht nachweisbar, wohl aber eine spätere Vermengung beider Rassen. Reinen Semiten begegnen wir wiederholt einwandfrei in ägyptischen Reliefdarstellungen unter Be⸗ zeichnung ihres Herkunftslandes Arabien. Sie zeigen in Schädel⸗ und Nasenbildung einen wesentlich verschiedenen Typus von dem bisher gewöhnlich als semitisch bezeichneten, wogegen sich nähere oder entferntere Verwandtschaft mit der einen und der anderen Rasse bei Aramäern, Israeliten, Armeniern vermuten läßt. Wohin die Phönizier zu rechnen sind, die schon um 2000 v. Chr. ein unternehmendes Volk waren, ist schwer zu er⸗ mitteln, da jegliche Typen von ihnen fehlen, eine Lücke, die in der Folge vielleicht ägyptische Funde ausfüllen werden. Armenoide Elemente, wohin die Phönizier vielleicht zu zählen, sind schon während des alten Reiches nach Aegypten gekommen, und es ist bekannt, da die ägyptischen Künstler es mit der Treue der Darstellung innerhal der ihnen zu Gebote stehenden technischen Mittel genau nahmen. Die in Sendschirli tätig gewesenen Steinmetzen übrigens nicht minder, sodaß hier eine Quelle der Belehrung über Menschentypen fließt, die uns deutlich den Assyrer vom Hethiter, diesen vom Kurden unter⸗ scheiden läßt und die aramäischen Frauen kennen lehrt. Jedenfalls zeigt die Betrachtung der vorderasiatischen Rasse, mit der die Dorer Vorder⸗ asiens und der Inseln des Aegäischen Meeres in naher Verwandtschaft standen, daß von ihr die Jonier sehr verschieden waren, deren hervor⸗ ragendste Künstler das Schönheitsideal schufen und zu deren blonden Vertretern ein Praxiteles und der große Alexander gehörten. — Im Anschluß an die Würdigung der bei tieferem Eindringen sich immer richtiger und bedeutsamer erweisenden Skulpturenschätze von Sendschirli führte der Vortragende hierauf die Bilder dreier Seitenstücke zu der im Vatikan befindlichen Nachbildung eines verloren gegangenen, berühmten Urbildes vor. Es handelt sich um den vom Adler Jupiters emporgetragenen Ganymed, ein Meisterwerk des griechischen Erzgießers und Bildhauers Leochares. Der gleiche Gedanke, wenn auch in entsprechend gröberer Ausführung, liegt einem Bildwerk aus Sendschirli, einer indischen Steinskulptur und einem Relief zugrunde, das aus einem chinesischen Kloster bei Schanghai herrührt, nur mit dem für den höheren Schwung des griechischen Geistes bezeichnenden Unterschiede, daß diese teilweise sicher viel älteren Darstellungen erwachsene Menschen, die indische Darstellung eine Frau durch einen mächtigen Vogel emporgetragen werden lassen. Die Vorzeigung der Abbildung eines Steinblocks aus Sendschirli, welcher eine wohlerhaltene semitische Inschrift trägt, gab dem Vortragenden Anlaß, auf die besondere Ehrwürdig⸗ keit dieses Steines hinzuweisen, weil er das bisher bekannte älteste Denkmal der auf etwa 1000 vor Chr. anzusetzenden Erfindung der „alphabetischen Schrift“ auf semitischer Grundlage ist, einer Er⸗ findung, die nach dem Redner zu den größten Errungenschaften der Menschheit gehört und der Erfindung der Buchdruckerkunst als einer ähnlichen, großen, weltbedeutenden Sache an die Seite zu stellen ist. Die Sendschirli⸗Inschrift datiert aus dem 9. Jahrhundert. — Durch Vorführung der schönen Darstellung einer Säule aus dem Athene⸗ Tempel von Priene mit ionischem Kapitell, wohlerhaltene prächtigen Voluten und Eistab, leitete Professor von Luschan z dem letzten Teil seines Vortrages hinüber, dem „Nachweis der Ent stehung der ionischen Säule“. Er sieht sie als aus der Nachbildung
des Fruchtständers der Dattelpalme entstanden an und erblickt in dem
Eistab die Nachbildung eines Blattkranzes gleichen Ursprungs. Wi der Vortragende den Nachweis für die Richtigkeit seiner Anschauung führte, das war in der hierbei gewählten Methode, dem lückenlos mit mathematischer Genauigkeit und Folgerichtigkeit geschehenden Aufbau des Beweises für die Versammlung von hohem Interesse. Es hat in jedem Fen großer Ausdauer und jahrelanger Mühe bedurft, um alle diese in Gestalt von Bildern aus den Skulpturenschätzen Assyriens, Babyloniens, Syriens, Aegyptens und Alt “ vorgeführten beredten Zeugnisse zu sammeln, und nur bei voller Beherrschung des Gegenstandes waren diese so zusammenzustellen und aneinanderzureihen, daß angesichts des letzten Bildes dem „Quod erat demonstrandum“ die Zustimmung der Hörer kaum fehlen konnte. Naturgemäß hat die Heimat und bevorzugte Pflegstätte der Dattelpalme, Aegypten, zu diesen Zeugnissen den wichtigsten Teil geliefert, nämlich den Nachweis, wie die Pflege der Dattelpalme im Lande, dies unerläßliche Eingreifen des Menschen durch Befruchtung der Blüten der ungleich häufiger vorhandenen weiblichen Bäume mittels des Blüten⸗ staubes der viel selteneren männlichen Bäume, die gesamte Dattel⸗ kultur im alten Aegvpten zum Gegenstand liebevoller Beschäftigung erhoben und es tatenlustigen Künstlern nahe gelegt hatte, sie in bildlichen Darstellungen zu verherrlichen. Diese Bilder geben den Grundstock der oben gedachten Beweismittel, denn sie zeigen die Dattelpalme in allerlei Gestalt: ihren schlanken Wuchs, ihre schöne Blätterkrone, und eine bevorzugte, häufige Darstellung ist natürlich die Dattelpalme in reichem Fruchtbehang. Bei mehreren dieser letzteren Bilder hat der Beschauer den Eindruck, daß die Phantasie von diesen aus dem Laube herabhängenden, mit Datteln beladenen Frucht⸗ ständern bis zu deren Nachbildung in den Voluten der ionischen Säule keinen ungewöhnlich großen Sprung zu machen hatte. Aehnliche Betrachtungen knüpfen sich an Laubkränze der Palme im Vergleich zu den Eistäben der ionischen Kapitelle, den die Voluten verbindenden Gliedern des Kapitells. Die volle Ueberzeugung, daß es mit dieser Erklärung des Ursprungs des ionischen Kapitells seine Richtig⸗ keit hat, gewinnt man indessen erst aus der in einer Fülle von Bildern weiter vorgeführten Entwicklung, welche die Nachahmung der Dattel⸗ palme in der Säule durch die Jahrhunderte hindurch bis zur klassischen Zeit Griechenlands genommen hat, die den vollendeten Typus der ionischen Säule schuf. Von Theben aus, wo eine Grabstätte aus der Zeit der 18. Dynastie nicht bloß diese, sondern auch andere öflanzenmotive zu architektonischem Schmuck verwertet zeigt, ührt der Weg dieses Nachweises über Sendschirli, über Risschols und seine Säulenhalle, über Cypern und Mykene zu den älteste ischen Säulen auf dem Boden Griechenlands, zuletzt zur
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