Großhandelspreise von Getreide an deutschen und fremden
Börsenplätzen für die Woche vom 22. bis 27. Januar 1912 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit nicht etwas anderes bemerkt.)
Woche Da⸗ 22./27. gegen Januar Vor⸗
8 Berlin. 1912 woche Roggen, guter, gesunder, mindestens 712 193,33 191,33 Wetzen, .„ „ 213,17 211,83
Hafer, 8 195,50 194,67
205,00 203,75
Weizen, P Fafer, badische — badische, Pfälzer, mittel 226 25 226,25
Roggen, lsbe⸗ russischer, mittel...
rufsische Futter⸗, mittel 179 00 171.88 FF“ 190,00 186,25
Wien. Roggen, Pester Boden . 5 “ 186,15 183,4 Weizen, Theiß-.. ... 221,00 219,1 afer, ungarischer T... 179,35, 178,3 Berste, slovakische. . 187,00 186,8
Mais, ungarischer .. .. 166,60 166,46
Budapest.
Mittelwate..... 172,55 170,45 201,71 200,01
169,15 167,99
Futter⸗ “ 163,29 161,54 151,39 147,27
Rohggen, 71 bis 72 kg das hlhl... 130/49 131,37 Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl 166,08 166,08
Riga.
Roggen, 71 bis 72 kg das hll.. 144,72 142,35 Weizen, 78 bis 29 kg das hl. 184,53 179,26
Paris.
eizen Antwerpen.
Donau⸗, mittel ... 170,55 166,20 roter Winter⸗ Nr. 2 . 178,47 172 26 Kurrachee.. 171,76 168 79 Kalkutta Nr. 2. .1 172,81 169,84
Amsterdam.
e“ 150,94 St. Petersburger.. 167,08 Weizen Ode C“ 165 97 amerikanischer Winter⸗ 173 03 Mais, amerikanischer, bunt... 139,84
London.
” Weizen
Gerste Liverpool.
v1111u1* 182 75 180,56
roter Winter⸗ Nr. 2 174,28 173 02 Manitoba Nr. 2 190,54 188,79 e111“*“ 179 62 Aee1“ 170,90 E1ö1“ 3 176,08
Hafer, englischer, weißer.. 160 06 Schwarze Meer⸗ 78 153,78 8 Kurrachee.. 8 F“*“ 8,7
Mais 11“ bunt. : 135,23
Gerste, Futter⸗
Chicago.
v1“ 11““ 154 60 Weizen, Lieferungsware E“ 1146,49
September. 144,11 Mais 11 — 109,09
Neu York.
roter Winter⸗ Nr. 2 . 59 155,69 Mai . 5 160,89
Weizen Lieferungsware Juli
Buenos Atres. Weizen, Durchschnittsware....
¹) Angaben liegen nicht vor. ²) Neue Ware.
Bemerkungen.
1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner öee e = 504 Pfund engl. gerechnet; für die aus den Um⸗ ätzen an 196 Mexktorten des Königreichs ermittelten Durchschnitts⸗ preise für einheimisches Getreide (Gazette averages) ist 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angesetzt; 1 Bushel Weizen =— 60, 1 Bushel Mais = 56 Pfund
is 1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Last Roggen = 2100,
= 2400, Mais = 2000 k
Bei der Umrechnung der Preife in Reichswährung sind die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchent⸗ lichen Durchschnittswechselkurse an der Berliner Börse zugrunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf “ mes Fr g
Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Peters⸗ burg, für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse auf diese Plätze.
und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und
Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der Goldprämie. Berlin, den 31. Januar 1912. 88 Kaiserliches Statistisches Amt.
In Vertretung: Koch.
“
8 8
(Bericht von Wolffs Telegraphischem Buréau.)
Ueber den Beginn der Sitzung, die erste Beratung des Ges eitz e stellung des Staat jahr 1912,
auf deren Tagesordnung ntwurfs, betreffend die Fest⸗ für das Etats⸗ betreffend die in diesem Etat, Bl. berichtet worden.
heim (kons.), fortfahrend: In der württem⸗ eine Resolution
g. eines neuen Staatswagenverban f geren Zusammenschlusses der Wir sind gern bereit, alles zu tun, sd Betriebserleichterung sse erfordern, einzelnen Eisenbahnverw In dem Uebergang von einer W emeinschaft sehen wir aber den
shaushaltsetats und des Gesetzentwurf rgänzung der Einnahmen ist in der gestrigen Nummer d. Abg. von Pappen
die die Bildun ersten Schritt deutschen Eisenbabnen ansieht. die Betriebssicherhein
Verkehrsverhältni
auf dem Wege eines en
Interesse der die Selbständigkeit der gestellt wird.
einer Betriebsg zu einer Eisenbahngemeinschaft. Be in der württembergischen Ersten atter darauf hingewiesen einem hohen preußischen Staats
altungen in Frage agengemeinschaft zu ersten Schriit zum i der Begründung der Kammer ist von dem
älzer, russischer, amerik., rumän., mittel 237,19 234,38 scher, russischer, mittel 200 83 198,13 Resolution Berichterst Broschüre von werde, die diese Frage behandelt, große und entscheidende Stellen bahnbeamten mitgeteilt seien,
teilungen zu dieser Reso Kritik dieser
beamten erscheinen daß ihm aus dieser Broschüre schon von einem hohen preußischen Eisen⸗ und daß er auf Grund dieser Mit⸗ lution gekommen sei. Ich enthalte mich jeder erwähnen, ungewöhnlichen Ausdehnung der Eisenbahngemeinschaft Selbständigkeit der verpflichtet, gkeit dieser Staaten
Es ist so selbstverständ
mit aller Sorgfalt lich wie nur irgend g einer solchen Etsenbahn⸗ G gleichmäßigen preußische Verwaltung so über⸗
Föderativstaat die Selbständt zu hüten und zu wahren. etwas, daß das Hauptgewicht der Leitun gemeinschaft in preußischen Händen liegt. Interessenverteilung würde die
Bei einer
zelstaaten zu befürchten ist.
Selbständigkeit der anderen Ein be preußisch⸗hessische
Dr. Liebknecht (Soz.): Die Auch die Erfahrungen, Herr L haben, können uns nicht dazu verführen (Abg. Dr. Liebknecht:
Gemeinschaft!) die wir mit Hessen gemacht „diese Betriebsgemeinschaft Partikularismus!) Wir sind ischen Abgeordnetenhause, und ich zens ebensogut vertreten zu können, daran denke,
auszudehnen. Herr Liehknecht, glaube, hier die Interessen Preuf 1 entferntesten Einzelstaaten des Abg. Dr. Liebknecht.) kann auch nicht die
sich darüber einig, daß die in früheren Jahrzehnten und undurchführbar sind. Herr Dr. Liebknecht, Sie und mich nicht wirtschaftlichen werden, wie soll das erst nachher werden? Zurufe darin besteht, mich zu beunre vollständig verf hlt. Sie augenscheinlich erreichen wollen, Förderung der Geschäfte tragen Erfah ungen
Eisenbahnbetri bsugemeinschaft erfreulich. Die lokalen ringert, sondern n. kaum noch distutabel sind. diesen für seine Finanzen so aber die Verhältnisse, die ruhen auf ganz anderen Gru Württemberg, Bayern und Bade Mit der vor zwei Jahren getro — gleichsfonds haben wir gute Erfolge erreicht
nach dieser Richtung waren bereits 1903 beschlo des ganzen Etats, Staatsverwaltungen, dem Ausgleichsfonds aber die große Majorstät dieses Haus in der Weise geändert, daß die bahnverwaltung für die allgemeinen Staats festgelegt wurden; es wurde ferner fest ordinarium der Eisenbahnverwaltung, bahnverwaltung in normalen Zeiten nach diesen Voraueleistungen erzielt werden, gleichsfonds zu überweisen. 1911 und 191
Von einer Reichseise nbahnverwaltung
Heute sind alle Sachverständigen chseisenbahngemeinschart, ganz auesichtslos Dr. Liebknecht.) verden besser tun, nachher zu antworten Wenn Sie jetzt schon
Wenn die Absicht Ihrer zigen oder zu stören, so ist das he bei; den Zweck den werden Sie nicht erreichen, zur hre Zwischenrufe aber nicht bei. preußisch bessischen
Rede sein. die Pläne einer Rei bestanden h (Zuruf des Abg.
Roggen 180 41 178,79 W g lieferbare Ware des laufenden Monats 224,60 219,27
unterbrechen.
Ich behalte meine Ru
Wünsche und Sonderwünsche sind nicht ver⸗ ie sind so gewachsen, uns, daß Hessen Aufschwung hat nehmen koͤnnen, zu dieser Gemeinschaft geführt haben, be⸗ gen als die, die dazu führen könnten, mit n eine Eisenbahngemeinschaft einzugehen. ffenen anderweitigen
ur gestärkt worden, s Wir unsererseits freuen
Wetenengl. müiß) (Mark Lane) .. . . . 169 79 1872
Bildung des Aus⸗ Die ersten Maßregeln ssen und zielten darauf also einschließlich aller zuzuführen. es die Maßregeln für den Aus⸗ Beiträge, die die Eisen⸗ ausgaben zu leistén hat, gelegt der Beitrag zum Extra⸗ der nach der Ansicht der Eisen⸗ Die Ueberschüsse, die sind dann an den Aus⸗ Jahre 1910, Hoffnungen. Das Jahr im allgemeinen Staats⸗ sse dem Ausgleichsfonds das wiederum den voraussichtlich en für den Ausgleichsfonds sind neben einem Defizit von etat auch wieder nen in Au sicht genommen. Wir haben a238 Millionen. Intentionen des Finanz⸗ den Ausgleichsfonds etwas liquider zu nur rechnerisch festgestellt wird urch Anleihen durch Entnahmen „so könnte gerade für die Zeit Staatsregierung gezwungen werden, Anleihen tsgleichsfkonds seinen eigentlichen Zwecken Die fünfjährige den Eisenbahnüberschüssen und n beschlossen ist, zu verkürzen, haben Erfabrungen e
englisches Getreide, 158,18 156,92 Hafer Mittelpreis aus 196 Marktorten 152,78 151,49 (Gazette averages) 186,99 187,84 die Ueberschüsse
gleichsfonds
Diese Maßregel, die für die 2 besteht, berechtigt zu den besten 1910 hat trotz eines recht bedeutenden Hefizit⸗ etat es ermöglicht, auf Grund diesen Beschlü⸗ 71,2 Millionen zuzuführen. einem rechnerischen Defizit abschloß, hat günstigeren Eigebnissen erwa 110 Million Im Etat für 1912
ungefähr 19 Millionen für den allgem Ueberweisunnen von 57,4 Millio dann alsoeinen Grundstock für den Ausgleichsfonds von etw Ich wünsche nur, daß es entsprechend den ministers gelingen möchte, er, wie bieher, se statt d
Das Jahr 191
einen Staat
und die Staatsbedür fnis aus diesem Fonds gedeckt werden einer Depression die aufzunehmen, dienstbar zu machen. 2 Regelung des Verhältnisses zwischen den allgemeinen Staatsfinanze wir keinen Anlaß; einer weiteren Ausdehnung. dauernd im Auge zu behalten sein. es unsere Aufgabe sein, dieses Verhältnis allgemeinen Verhältnist daß die Festlegung eines solchen Prozent für die ganze Einrichtung ist. von 92,8 Millio en 33 Millionen betragen, und die U fonds belief sich auf 71,3 M von 38,2 Millionen. 29 Millionen vor, nach den Angahen de sich dank der sparsamen und vorsichtigen” denen 110 Millionen als Speisung des Aus also wird tatsächlich ein Ueberschuß der finanzen von 104 Millionen zu erwarten sein.
wieder ein Defizit von 19 Millionen in Aus einer Dotierung des
also auch hier tatsächlich
Der Finanzminister hat selb dieses nur rechnerische Defizit bei sch bahnüberschüsse zu de sei; also auch nach dieser Richtung wird d bedeutenden tatsächlichen Ue heiten betrifft, so läßt die erwarten; der Etat ist außerordentli glaube, der tatsächliche Ueberschu übertreffen, das hängt
um den An
im Gegenteil ermutigen die Ein solches festes Verhältnis ch Ablauf der fünf Jahre wird von 2,10 % je nach den immerhin ist anzuerkennen, zes eine gute Grundlage sah etatsmäßig
sen zu steigern;
Das Etatsjahr 1910 tatsächlich hat eberweisung an den Ausgleichs⸗ lso ein Ueberschuß Etat ein Defizit von s Finanzministers reduziert es altung auf 6 Millionen, fonds gegenüber⸗
gesamten Staats⸗ Auch für 1912 ist sicht genommen gegen⸗ 57,4 Millionen, Ueberschuß von 38,4 Milllionen. st schon darauf hingewiesen, daß ärferer Heranziehung der Eisen⸗ n Staatsverwaltungsausgaben leicht zu bes as Jahr 1912 mit einem Was die Einzel⸗
ein Defizit
Das Jahr 1911 sieht im
Ausgleichsfonds mit
verschuß abschließen. 1 Domänenverwaltung einen Ueberschuß ch vorsichtig aufgestellt, und ich ß wird den Etatsvoranschlag noch aber von gewissen,
baren Entwicklungen innerhalb des Etatsjahres ab. Bei der Forst⸗ verwaltung fehlen die enormen Ueberschüsse, welche 1911 durch die Aufarbeitung der durch den Nonnenfraß vernichteten Bestände erwuchsen, aber auch hier ist, normale Verhältnisse vorausgesetzt, wieder eine Steigerung zu erwarten. Durchaus angemessen erscheint
88
es uns, daß gerade in dieser Zeit die Forstverwaltung darauf Bedacht nimmt, Mittel zur Erschließung der Forsten in größerem Umfange einzustellen. Die preußische Staatslotterie wird eine weitere Ausd hnung erhalten durch die mit mehreren weiteren deutschen Staaten abgeschlossenen Verträge; sie erleidet einen Arstrich von einer halben Million an ihren Einnahmen durch den Fortfall der für Rechnung der Lotteriekasse mitspielenden Freilose, wovon anderseits ein wesentlich besserer Absatz der Lose erhofft wird. Die direkten und indirekten Steuern weisen eine sehr erfreuliche Steigerung auf, sie bieten das Bild einer gesunden Entwicklaung unseres Erwerbslebens, ein Zeugnis für die zunehmende glückksche Lage aller Erwerbsstände. Der Bergwerksetat erscheint voll⸗ ständig umgestaltet, sodaß er jetzt auch den Nichisachverständigen es ermöglicht, sich ein klares Bild über die Rentabilität zu machen. Das ist aber auch dringend notwendig in einer Zeit, wo der All⸗ gemeinheit hohe Opfer für diesen Verwaltungszweig zugemutet werden. Zu der Frage des Kohlensyndikats haben wir im vorigen Jahre eine
veränderte Stellung eingenommen. Nachdem einmal durch die
Schaffung des Kohlensyndikats die Verhältnisse beseitigt waren, die eine Gefahr für die Allgemeinheit und die Industrie sein konnten waren wir geneigt, alles zu tun, um das Kohlensyndikat auf ein breitere Grundlage zu stellen, und haben uns deshalb für die Be teiligung des Staates an dem Kohlensyndikat ausgesprochen. Wi sind uns dabei der enormen Verantwortung bewußt gewesen, di dadurch der Staat übernimmt, und wir wollen daher durchaus nicht
daß die Regierung einseitige Wünsche und Aspirationen des Kohlen⸗
syndikats fördern soll, sondern die Stnatsve⸗ rwaltung soll durch ihren Einfluß im Syndikat die Interessengegensätze ausgleichen, un es wird ihre erste Aufgabe sein, allgemein volkswirtschaftliche Grund sätze aufzustellen, die die Kohtenversorgung für unser gesamte Erwerbsleben sichern können und dieses vor den großen Schwankungen der Spekulation bewahren, die so nachteilig auf die Konkurrenz fähigkeit unserer Industrie dem Ausland gegenüber wirken können Wir werden insbesondere die Frage eingehend prüfen müssen, wi weit die Versorgung des Auslandes mit deutscher Kohle im Interesse unserer eigenen Entwicklung liegt, und wie gerade die außerordentlich
wicht ge Preisbildung bei dieser Ausfuhrkohle sich gestalten muß, um
nicht etwa durch billigere Verschleuderung der deutschen Kohle in das Aus⸗ land die Konkutrenz unserer heimischen Industrie zu gefährden. Der Handelsminister muß sich seiner großen Verantwortung im Kohlensyndikat bewußt sein, und ich hoffe, daß es ihm gelingen wird, mit Rücksicht auf alle diese Interessen einen segensreichen Erfolg zu erzielen. Beim Eisenbahnetat erfreut uns besonders das Interesse der Re⸗ gierung für die Beamten und Arbeiter. Es sollen 6105 neue etats⸗ mäßige Stellen allein bei der Eisenbahnverwaltung geschaffen werden, um den Diätaren mehr die Möglichkeit zu geben, in etatsmäßige
Stellen aufzurücken. Ich freue mich, daß die Eisenbahnverwaltung
△ „ 22„ 8 es verantworten zu können glaubt, so weit für ihre Beamten zu sorgen, aber wir müssen da doch mit Vorsicht vorgehen, wir dür fen dauernde Stellen nur so weit schaffen, wie es dem dauernden Be⸗
dürfnis entspricht; wir dürfen nicht wieder in den Fehler anderer
Staatsverwaltungen in den früheren Jahrzehnten verfallen, daß wir
Stellen schaffen, die nicht dauernd nötig sind. Einen solchen Luxus
können wir uns nicht gestatten. Ganz besonders freut mich auch,
daß für die Arbeiter so viel geschieht, und ich hoffe, daß das an⸗ erkannt wird, besonders der Vorteil für, die Arbeiter durch die so
musterhaft ausgestalteten Wohltätigkeitsanstalten. Ich empfehle, auf diesem Wege fortzufahren, denn die Sicherstellung der Ar⸗
beiter ist gerade das Notwendigste. Für die Arbeiter, die auf täg⸗
lichen Verdienst angewiesen sind, tann leicht eine vorüberg hende Not⸗ lage entsteben, für die wir sorgen müssen, da die Arbeiter selbst da ür nicht Reserven beschaffen können. Diese vorübergehenden Notstände müssen durch die Wohltätigkeitsanstalten gedeckt werden. Das ist besser als eine allgemeine Lohnerhöhung, denn damit würden solche Verhältnisse niemals aus der Welt geschafft werden können. Da muß die Staatsverwaltung regulierend wirken, und das ist die Auf⸗ gabe der Wohltätigkeitsanstalten. In den Herbstmonaten hat die Eisenbahnverwaltung trotz aller Neubeschaffungen wiederum nicht alle von der Industrie und den sonstigen Interessenten geforderten Wagen stellen können. Verschärft wurde die Situat on für unfere Eisenbahnen noch durch die Mangelhaftigkeit unserer natürlichen Wasserstraßen. Wir haben immer ein Hauptbedenken gegen den Einfluß des Verkehrs auf den Wasserwegen auf die Einnahmen und die Beanspruchung unserer Eisenbahnen gehabt. Tatsächlich mußte diesmal die Eisen⸗ bahnverwaltung fast den ganzen Verkehr, aufnehmen, sie mußte darauf gerüstet sein, alle Anspruche in kurzer Zeit zu erfüllen; das drängt sie zu einer fast unwirtschaftlichen Vermehrung ihres Inventars. Auch die Einnahmen unserer Eisenbahnperwaltung werden dadurch außerordentlich beeinflußt. Wie die Mehreinnahmen in so großem Maße durch den Ausfall der Wasserstraßen beeinflußt werden, so kann es auch umgekehrt sein; bei dem weiteren Ausbau und der Sicher⸗ stellung des Verkehrs auf unseren künstlichen und natürlichen Wasser⸗ nraßen wird selbstverständlich an die Eisenbahnen nicht mehr derselbe Anspruch erhoben werden, und dann werden auch deren Einnahmen weichen; sie müssen aber das Material für den Mavximalanspruch vorhalten, und das belastet sie auf die Dauer sehr wesenrlich. Die Staatsschuldenverwaltung weist eine Staatsschuld von insgesamt 94 Milliarden Mark auf, bei einem durchschnittlichen Zinsfuß von 3 ½ %. Das ist für die heutigen Verhältnisse ein günstiger und niedriger Zinsfuß. Bei der allgemeinen Finanzverwaltung machen sich die segensreichen Folgen der Reichsfinanzreform bemerk⸗ bar; es muß gerade vom preußischen Standpunkt anerkannt werden, daß diese Reform zur Gesundung unserer Finanzverwaltung eminent beigetragen hat. (Zwischenruf bei den Sozialdemokraten.) Sie können es nicht aus der Welt räumen, Herr Hoffmann, daß die Erwartungen, die man an die Reichsfinanzreform stellte, durchaus eingetroffen sind, und daß diese Erfolge für die preußische Finanz⸗ verwaltung einen ganz enormen Fortschritt bedeuten. (Zuruf links: Nach dem Grundsatz: non olet!) Ich war auf einen solchen Zuruf gefaßt, entspricht er doch ganz der Stellung, die Sie in den letzten Monaten dieser Tatsache gegenüber eingenommen haben. Sie ist ebensowenig in den Tatsachen begründet wie früher, und alle Ihre Versuche, irre zu führen, werden niemals Erfolg haben, nachdem die Resultate der Reichsfinanzreform so ad oculos demonstriert worden sind. Unter den Staatsverwaltungsausgaben befindet sich eine sehr bedeutende Erhöhung des Unterstützungsfonds für Beamte. Wir halten es für durchaus nötig, laü diese Unterstützungen gegeben werden bei vorübergehenden schweren Unglücksfällen, und um den Beamten einen Ausgleich für die Beeinträchtigung ihres Einkommens zu geben. Dies gilt namentlich von den Assistenten, die bei der Beamtenbesoldung schlecht weggekommen sind. Diesen Weg müssen wir auch weiter verfolgen im Interesse der Altpensionäre. Die Wünsche, die uns aus diesen Kreisen entgegengebracht werden, müssen wit als durchaus berechtigt anerkennen. Leider sind wir nicht in der Lage, ihnen einen gesetzlich begründeten, juristisch klagbaren Anspruch zu fixieren (Zuruf links: Warum nicht ?), weil er direkt mit den be⸗ stehenden Gesetzen in Widerspruch stehen würde, und wir nicht das treffen würden, was wir in dieser Beziehung treffen wollen, nämlich die wirklich Bedürftigen zu unterstützen. Es würde eine solche allgemeine Maßregel, ein gesetzliches Recht anzuerkennen, dazu führen, den Reichen und Reichsten, die es gar nicht bedürfen, etwas in den Schoß zu werfen, was unsere Bedürftigsten am notwendigsten haben. Wir werden die Regierung bei jedem ferneren Versuch, diesen Weg weiter zu betreten, unterstützen. Was den Justizetat betrifft, so er warten wir, daß die Justizverwaltung darauf sieht, daß die Gerichts⸗
kosten nicht eine Erschwerung der Rechtsprechung mit sich führen. Wir hoffen, daß dieser Grundsatz weiter befolgt wird, und wir sind
bereit, ausreichende Mittel zu bewilligen, um es den Aermsten z1 ermöglichen, ihr Recht zu finden. Im Etat des Ministeriums des Innern sind einzelne Posten besonders geeignet, Uebelstände zu be
seitigen, die bisher dadurch zutage getreten sind, daß einzelne Beamtenkategorien über die Entschädigung, die der Staat ihnen gewährt, bedeutende Auslagen machten. Die Vermehrung der Assistenten bei den Landratsämtern wird es ermöglichen, den gesteigerten An⸗ sprüchen an ein dauernd zuverlässiges Material zu genügen. Auch die Vermehrung der Schutzleute halten wir für berechtigt, ebenso die meiteren Forderungen für eine Vermehrung und Sicherstellung unserer Gendarmen. Der Etat des Unterrichtsministeriums bringt keine be⸗ sonderen Ueberraschungen. Einzelne vorgeschlagene Maßregeln werden wir noch näher zu pruüͤfen haben, so die Vermehrung der Kreisschul⸗ inspektoren im Hauptamt. Wir werden nach unserem alten bewährten Grundsatz prüfen, ob ein Berürfnis dazu vorliegt, und wir werden danach unsere Stellung nehmen. Der Etat zeigt im ganzen ein gesundes Fortschreiten unserer Finanzen. Er zeigt ein Verhältnis der Aktiva zu den Passivis, wie es kein anderer großer Staat aufweist; von den 94 Milliarden Schulden verzinst sich der größte Teil ausgezeichnet in der Eisenbahnverwaltung. Solche sicheren Zustände sind nicht in einem kurzen Menschenalter zu schaffen. Es gehören Jahrhunderte dazu. Wenn wir vor ein paar Jahren das Stistungsfest der Oberrechnungs⸗ kammer gefeiert haben, so haben wir damit den Ursprung der Er⸗ folge der Finanzverwaltung in Preußen gefeiert, die dank der ziel⸗ bewußten, pflichttreuen Beamtenschaft uns jetzt die Früchte reifen läßt, zum Nutzen des Staates. Vor wenigen Tagen haben wir das Er⸗ innerungsfest an den großen Hohenzollernkönig gefeiert, der selbst diese Grundlage als außerordentlich wichtig betrachtet hat. Er ist immer darauf bedacht gewesen, mit sicherer, fester Hand, mit Zielbewußtsein bis ans Ende das im Auge zu behalten, was er für die erste Auf⸗ gabe seines Lebens hielt, die Autorität des Staates zu stützen. Die Früchte dieser Tätigkeit haben wir bis in die letzte Zeit Gott sei Dank gegießen können, und wenn uns jetzt die ernste Gefahr droht, gerade diese Errungenschaft vergangener Jahrhunderte u verlieren, so soll uns das, was wir aus der Geschichte gelernt haben, eine Lehre auch für die Zukunft sein. Wir werden und müssen s als unsere erste Aufgabe betrachten, die Autorität des Staates, des Monarchenstaates zu stützen, für die Aufrechterhaltung dieser Institution gerade in Preußen das zu tun, was wir für richtig balten. Wir hoffen, daß jetzt unter dem konstitutionellen Königtum die Hüter dieser Ordnung sich ihrer verantwortunasvollen Aufgabe bewußt sind. Wir erkennen an, daß das seine Schwierigkeit hat. Aber wir sind bereit, alles zu tun, um die Regierung bei ihren Maßregeln zu unterstützen. Vor ein paar Jahren wies ich dem Ministerpräsidenten gegenüber darauf hin, daß die Macht⸗ ste llung Preußens auch die Machtstellung des Reichs sichere. Ich bezeichnete es als erste und ernste Aufgabe, dieses starke monarchische Preußen zu erhalten, als eine Grundlage, auf der das Deutsche Reich sich aufbauen konnte. Denselben Stand⸗ punkt hat mit klaren Worten unser alter hochverehrter Kaiser Wilbelm I. ausgesprochen, als ihm der von dem blut⸗ getränkten Schlachtfelde an der Loire heimkehrende Prinz Friedrich Karl am 18. Januar 1871 gratulierte. Er sagte in seiner be⸗ wundernswerten Bescheidenheit: Möge das Reich nach 170 Jahren ebenso groß und glorreich dastehen, wie Preußen seit 170 Jahren.
Das wird nie vergessen werden. Wir werden dieser Mahnung ein⸗ gedenk sein, und wir werden das Erbe unserer Väter erwerben, um
es zu besitzen.
AöAbg. Herold (Zentr.): Die Einrichtung des Ausgleichsfonds hat sich bis jetzt bewährt. Die Schwankungen im Eisenbahnetat in den
ve schiedenen Jahren sind außerordentlich groß, sodaf
fonds bis zu einer ziemlich erheblichen Höhe angesammelt werden muß, wenn er seine Aufgabe erfüllen soll. Wie hoch diese Summe sein muß, das zu regulteren, müssen wir der Zukunft überlassen. Die Hineinarbeitung der Steuerzuschläge in die Einkommensteuer ist nicht gerechtfertigt, wenn sie nur dazu dienen soll, um für die Zukunft vermehrte Reserven zu haben. Wenn die vorliegende Denk⸗ schrift sich die Aufgabe gestellt hat, nachzuweisen, daß die 60 Millionen Steuerzuschläge tatsächlich erhoben werden müssen, so würde es auch ein Leichtes sein, eine Denkschrift auszuarbeiten, welche ebenso unanfechtbar ist wie die vorliegende und nach⸗ weist, daß diese Zuschläge nicht mehr nötig sind. s handelt sich um die Frage, ob die gegenwärtige Generation das geben soll, was für die Zukunft eine Entlastung bedeutet. Bei den Domänen hat die letzte Finanzperiode gegenüber der vorletzten zurückgestanden. Bei der jetzigen Neuverpachtung ist aber durchweg eine Steigerung eingetreten, welche über die vorletzte Finanzpertode noch hinausgeht. Diese Steigerung gründet sich aber darauf, daß die Besserung der
landwirtschaftlichen Verhältnisse einen dauernden Charakter hat, was allerdings nicht unbedinat feststeht. Beim Forstetat ist die vorgesehene Ansiedlung der Arbeiter auf dem Lande zu begrüßen. Er⸗ freulich sind auch die geplanten Ansiedlungen auf den Moorflächen.
Aber wir müssen fordern, daß bei diesen Ansiedlungen keine kon⸗
fessionellen B strebungen irgendwelcher Art maßgebend sind. Der Ein⸗ tritt des Fiskus in das Kohlensyndikat kann nur dann möglich sein, wenn die Staateverwaltung einen maßgebenden Einfluß auf die ganze Preisgestaltung erhält. Eine weitere Vermehrung des staatlich n Berg⸗ besitzes darf für die Zukunft aber nicht mehr eintreten. Wir haben schon so viel fiskalische Betriebe im Reich und im Staat, die sich schon von selbst immer weiter ausdehnen, daß wir nicht neue hinzufügen dürfen. Grundsätzlich hat ja der Finanzminister dem Kartell zugestimmt. Kartelle sind im Wirtschaftsleben eine nützliche Erscheinung nament⸗ lich wenn sie auf eine angemessene Produktionsregelung hinzielen; hierin, nicht in der Preisgestaltung liegt ihre Hauptbedeutung. Dahin aber werden wir allerdings wahrscheinlich kommen müssen, daß von Reichs wegen ein gewisses Aufsichtsrecht geübt wird. In dieser Richtung ist ja auch schon vor einigen Jahren von uns im Reichstag ein Antrag eingebracht worden. Diese Aufgabe zu lösen, ist ja ganz außerordentlich schwer, aber um einer ungünstigen Ent⸗ wicklung vorzubeugen, muß dem Gedanken nähergetreten werden. Im Eisenbahnetat wird in dankenswerter Weise durch Vermehrung der Beamtenstellen den Anwärtern das Einrücken in etatsmäßige Stellen erleichtert. Die Löhne der Arbeiter sind im Steigen, das ist anzuerkennen; aber es ist anderseits auch die Zahl der Jahre bis zur Erreichung des Höchstlohnes wesentlich erhöht worden; in dieser Beziehung kommen namentlich aus dem Direktionsbezirk Münster mancherlei Klagen. Unserem Verlangen, einen Ausgleich zu schaffen ist die Regierung beim Eisenbahnetat durch die Erhöhung des Unterstützungsfonds für Beamte um 630 000 ℳ entgegengekommen. Auch der Unterstützungsfonds für Altpensionäre ist um 500 000 ℳ erhöht. Daß die vom Finanzminister mitgeteilte Aufforderung an die Alt⸗ pensionäre, sich in größerer Zahl mit Gesuchen um Unterstützung aus diesem Fonds an die Staatsregierung zu wenden, überhaupt nötig geworden ist, ergibt sich von vornherein daraus, daß die Be⸗ amten nur mit einem gewissen Widerstreben die vorgesetzten Be⸗ hörden um solche Zuwendungen ersuchen; es muß also untersucht werden, ob man nicht den Altpensionären bei der Neuregelung der Pensionssätze einen Rechtsanspruch gewähren sollte. Auskunft darüber, wie es mit den zahlreichen “ um Heraufsetzung von Orten in höhere Servisklassen ste t, wäre sehr erwünscht; eine Aufklärung darüber, wieweit die Erwägungen im Bandesrat gediehen sind, wurde mit Freude aufgenommen werden. Der Beamtenapparat soll auch in den höheren Regionen wieder beträchtlich vermehrt werden. Einiger⸗ maßen bedenklich erscheint mir die Forderung von zwei neuen vor⸗ tragenden Räten im Landwirtschaftsministerium. Wenn man sich da lieber um manche Dinge nicht kümmerte, in die man sich jetzt allzu tief einläßt, so wäre diese Vermehrung nicht nötig. Man sollte z. B. nicht so viel in die Landwirtschastskammern hinein⸗ reglementieren, man beeinträchtigt dadurch nur die Arbeitsfreudigkeit. Ueberhaupt sollte man der ausgezeichnet bewährten Selbstverwaltung
in Stadt und Land mehr freien Raum und freie Hand gewähren.
Ueber die Verwendung des Dispositionsfonds bekommen wir kem klares Bild; wo die Fonds geblieben sind, kann man daraus nicht ersehen. In derselben Verwaltung sind 600 000 ℳ für Entschädigung nach dem neuen Rechstuchenge set und für indirekte Schäden und für Maßregeln zur Verhütung der usbreitung der Maul⸗ und Klauen⸗ seuche 200 000 ℳ ausgeworfen. Die Provinzialverwaltungen müssen un ihrerseits zum Beschluß kommen, in welchem Untfange Ent⸗
8 8
3 der Ausgleichs⸗
8. 8 8 1 1“ 8 8 * schädigung für die durch die Sp aßregeln verursachten indirekten Nachteile eintreten soll. Es ist angeregt worden, solche nur da zu geben, wo ein gewisser Notstand eingetreten ist. Auf die Versicherung einen Rechtsanspruch zu gründen, wird ja praktisch sehr schwer sein, aber im Wesen der Versicherung liegt es, daß der Beiträge Zahlende einen Rechteanspruch erhält; soll nur eine Vergütung, eine Unter⸗ stützung eintreten, dann müßte sie nicht aus Versicherungs⸗ geldern, sondern aus Mitteln der Allgemeinheit entnommen werden. Im Kultusetat sind 500 000 ℳ mehr für die Jugendpflege aus⸗ geworfen, sodaß insgesamt 1,5 Millionen dafür zur Verfügung stehen, das ist ein Fortschritt, aber neuerdings machen sich einseitige Bestrebungen in der Jugendpflege geltend. Wir müssen demgegenüber die Anstalten auf konfessioneller Grundlage ausbauen, die religiös sittliche Erziehung ist die Hauptsache, die sozialdemokratischen Sportvereine dürfen wir nicht unterstützen. Die Jugendpflege muß höhere Ziele bekommen; Jugendpflege und Fortbildungsunterricht müssen sich gegenseitig ergänzen. Für das Fortbildungsschulwesen sind wiederum mehr Mittel vorgesehen, und die Thronrede kündigt auch einen Gesetzentmwurf an, der die Pflicht zum Besuche ländlicher Fortbildungsschulen in einer Reihe weiterer Provinzen als bisher ermöglichen soll. Wir verlangen wiederum wie im Vorjahre, daß die religiöse Unterweisung in den Lehrplan der Fortbildungsschule aufgenommen wird. Die Regierung hätte allen Anlaß, diese Be⸗ strebungen zu unterstützen. Im vorigen Jahre widersetzte sich der Handelsminister mit solcher Entschiedenheit der religiösen Unterweisung, daß die Fortbildungsschulvorlage ganz scheiterte. Der Kultusminister muß hier mitwirken, er ist ebenso gut durch das Vertrauen des Königs berufen wie der Handelsminister. Gegen die Umsturzbestrebungen liegt das Schutzmittel in letzter Linie in der positiven Religion. Hier steht die Regierung am Scheidewege. Möge sie die große Gefahr er⸗ kennen und zu der Ueberzeugung kommen, daß nur die Religion die Be⸗ völkerung widerstandsfähig gegen den Umsturz machen kann. Es ist unsere Aufgabe undbesonders die Aufgabe der Regierung, in diesem Sinne zuwirken. Die Lebensmittelteuerung infolge der anhaltenden Dürre benachteiligt in erster Linie die Landwirtschaft und dann auch die Allgemeinheit. Aber diese Dürre, an der niemand etwas ändern konnte, wurde zu politischen Zwecken ausgenutzt, und die Agitation machte die Sache schlimmer, als sie war. Am Anfang des Winters gingen die Preise wieder herunter, sodaß sie jetzt ber manchen Produkten niedriger sind als früher. Unter diesen Verhältnissen hat sich so recht die Be⸗ deutung der Schutzzollpolitik gezeigt. Auch in dieser schwierigen l ist die Landwirtschaft der Situation gewachsen gewesen. Die Bestrebungen in der Landwirtschaft gehen dahin, und auch der Landwirtschaftsminister wirkt dafür, daß zu Zeiten der teuren Futtermittel die Viehzüchter ihre Produktion nicht einschränken, und tatsächlich sind die Stallungen jetzt so reich bestanden, daß auch in Zukunft eine wesentliche Preissteigerung nicht zu erwarten ist. Die Reichsversicherungsordnung legt dem ge⸗ werblichen Mittelstand schwere Lasten auf, deshalb müssen wir mit erneuten Kräften an die Reform der Gewerbeordnung herantreten. Wir haben schon einen Antrag Hertling zur Reichsversicherungs⸗ ordnung eingebracht, der für den Mittelstand sorgen soll. Die Klein⸗ handelsausschüsse müssen zur Durchführung gebracht werden, das Warenhaussteuergesetz muß im Interesse des Mittelstandes wesentlich abgeändert werden, der § 100 f der Gewerbeordnung wegen der Preis⸗ festsetzung durch die Innungen muß abgeändert werden, das Sub⸗ missionswesen muß verbessert werden. Bezüglich der Gefängnis⸗ arbeit soll für jede Provinz ein Beirat aus je einem Vertreter der Landwirtschaftskammer, der Handelskammer und der Handwerkeskammer zusammengesetzt werden, der darüber Vorschläge machen soll, welche Handwerksarbeiten in den Gefängnissen gefertigt werden sollen. Diese Absicht der Regierung können wir nur mit Freuden begrüßen, es kommt aber nicht nur auf die Beratungen an, sondern der Befrat muß auch Beschlüsse fassen, und die Gefängnieverwaltungen müssen seine Vorschläge befolgen. Bei den Installierunasarbeiten für die elektrischen Zentralen muß das Handwerk berücksichtigt werden. In der Privatbeamtenfrage muß die Regierung im Bundesrat dahin wirken, daß die seit einigen Jahren angekündigte Gewerbeordnungs⸗ novelle eingebracht werde; die Reform der Heimarbeit muß für eine bessere Ausstattung der Werkstätten der Heimarbeiter sorgen. Durch die Reichsversicherungsordnung hat der Bundesrat eine große Reihe wichtiger Aufgaben bekommen; wir hoffen, daß die preußische Regierung ihren großen Einfluß im Bundesrat dahin ausübt, daß die Reichsversicherungsordnung so ausgeführt wird, wie es von uns beabsichtigt gewesen ist. Bei den Reichstagswahlen hat die Sozialdemokratie große Erfolge gehabt, das erkennen wir an; sie hat in der ersten Haubtwahl 64 Mandate und 4 ¼ Million Stimmen errungen. Auch das Zentrum hat sich in diesem schweren Wahlkampf gut behauptet, es steht wiederum da als der unüberwind⸗ liche Turm, denn es hat im ersten Wahlkampf 81 Mandate errungen, und keine andere Partei kann sich dem Zentrum in dieser Beziehung an die Seite stellen. Auch die Konservakiven haben sich verbältnis⸗ mäßig gut gehalten. Die Konservativen haben sofort 27 Mandate errungen. Die nationalliverale Partei dagegen hat nur vier Mandate, die Volkspartei auch nicht ein einziges bekommen. Die „Rheinisch⸗Westfälische Zeitung“, die meines Wissens kein Zentrumsblatt ist, bringt einen Artikel mit der Ueberschrift „Zu⸗ sammenbruch der Hansapolitik, die Liberalen zermalmt“. Der Artikel weist darauf hin, wie stark die nationalliberale Partei in den 70 er bis 90 er Jahren gewesen ist, und wie sie jetzt aus eigener Kraft nur noch vier Mandate errungen hat. Die Nationalliberalen und die Volkspartet haben schließlich ihre Mandate nur durch die Unter⸗
stützung anderer Parteien bekommen; anders dagegen das Zentrum
und die Konserbativen. Die Ursache dieser Entwicklung ist in erster Linie auf die unglaubliche Verhetzung über die Reichs⸗ finanzreform zurückzuführen. In dieser Beziehung standen die bürgerlichen Parteten hinter der Sozialdemokratie nicht zurück. Es hat sich deutlich gezeigt, daß die künstlich aufgeregte Bevölkerung nicht zu dem Liberalismus, sondern zur Sozial⸗ demokratie übergegangen ist. Das ist das Betrübende, daß diese Agitation die Sozialdemokratie so wesentlich gestärkt hat. Von den Liberalen ist in geradezu schamloser Weise gehetzt worden, besonders ein Teil der liberalen Presse war schlimmer und gefähr⸗ licher als die Presse der Sozialdemokratie. Besonders die Regierungs⸗ presse hätte über das schwierige Werk der Finanzreform Aufklärung schaffen müssen. Aber die Regierungspresse hat versagt, wir selbst haben die Aufklärung besorgen müssen. Als es sich bei den Wahlen herausstellte, daß eine erhebliche Steigerung der Zahl der sozialdemokratischen Abgeordneten eintreten würde, da hat die Regierung die Sache selbst in die Hand genommen, um vermittelnd zwischen den bürgerlichen Parteien einzugreifen, um eine Einigung der bürgerlichen Parteien gegen ein neiteres Anwachsen der Sozial⸗ demokratie zu erzielen. Diese Ve rhandlungen sind aber gescheitert, und die Sozialdemokratie ist stärker und zahlreicher in den Reichs⸗ tag eingezogen, also mit durch Schuld der nationalliberalen Partei. Die nationalliberale Partei in den Rheinlanden hat allerdings mehr Einsicht bewiesen als die Zentralleitung; sie hat sich für gewisse Wahlkreise mit dem Zentrum vereinigt. Das Zentrum hat diese Einigung voll und ganz erfüllt und der nationalliberalen Partei eine Reihe von Mandaten verschafft. Die nationalliberalen Wähler aber haben versagt. Düsseldorf ist auch in diesem Wahlkampf wieder der Sozialdemokratie ausgeliefert worden Das Zentrum ist in dem Nachbar⸗ wahlkreise Duisburg geschlossen für den Nationalliberalen eingetreten, ebenso geschlossen in Dortmund. (Zumruf: Bochum! — Zuruf links: Unser Beil id!) Ihr Beileid brauchen Sie uns deswegen nicht auszusprechen. Wir wußten ja von vornherein, daß wir es nicht mit einem aller⸗ zuverlässigsten Kontrahenten zu tun hatten. Aber die Aufgabe des Zentrums war es, die Sozialdemokratie nach Möglichkeit zu bekämpfen. Daß bei der Wahl unseres Kandidaten Giesberts die Nationalliberalen wesentlich mitgewirkt haben, erkennen wir an, aber es steht auch fest, daß bei der Wahl in Düsseldorf im ersten und zweiten Wahlgang, als es sich darum handelte, einen Zentrums⸗ mann oder einen Sozialdemokraten zu wählen, sogar die ersten Beamten der Regierung nicht mitgewählt haben. (Große Un⸗ ruhe links, Zuruf: De ation! Unruhe rechts und im Zenttum.
Vizepräsident Dr. Porsch: Ich habe nicht erkannt, wer das Wort Denunziation gerufen hat, sonst würde ich den Herrn zur Ordnung rufen.) Cöln ist ebenfalls durch die Schuld der Nationalliberalen gefallen. Cöln ist in das Kompromiß nicht miteinbezogen worden, weil dies die nationalliberale Partei von vornherein ablehnte. Wir haben trotzdem das Opfer gebracht, um eine Vereiningung mit den Nationalliberalen zur Bekämpfung der Sozialdemokratie zu erzielen. Den Abg. Trimborn, der seit Dezennien seine ganze Arbeitskraft eingesetzt hat für das Wohl des Vaterlandes und im Interesse der Stadt Cöln, hat man von nationalliberaler Seite gegenüber einem Sozialdemokraten fallen lassen, obwohl er sich aufgeopfert hat im Interesse seiner Vaterstadt. Trotzdem hat Trimborn einen Aufruf mitunterschrieben, der auffordert, für die Nationalliberalen eineutreten⸗ Trimborn ist unterlegen, aber angesehen steht er da. Wir sind konsequent gewesen in der Bekämpfung der Sozialdemokratie nicht nur im jetzigen Wahlkampf, sondern auch 1907. Damals ging es gemeinsam gegen Sozialdemokratie und Zentrum. Wir haben aber trotzdem den Kampf gegen die Sozialdemokratie ge⸗ führt. Wenn man Kompromisse abschließt, so müssen sie auf seitigkeit beruhen. Der Abg. Bebel hat aber damals gegenüber dem Abg. Bassermann erklärt, als es sich darum handelte, das Zentrum habe mit der Sozialdemokratie ein Bündnis abgeschlossen: „I erkläre diese Anklage als absurd. Nach den Wahlen von 1907 hat der Abg. Bassermann gesagt, daß nach der Zurückdrängung der Sozialdemokratie ein gut Teil des Pessimismus geschwunden sei, der so lange auf dem deutschen Volke gelastet habe. Der Abg. Wiemer hatte ausgeführt, daß der Unterschied der Freisinnigen von den Sozialdemokraten auf der Meinungsverschiedenheit über das Endziel der Sozialdemokratie beruhe, auf den An⸗ schauungen über den Klassenkampf, auf dem Gegensatz zu dem Terrortsmus und der Zügellosigkeit der Sozialdemokratie, auf den verschiedenen grundsätzlichen Anf auungen und den Erfahrungen, die man mit der Sozialdemokratie gemacht habe. Ja, aber jetzt sind diese Herren mit den Sozialdemokraten zusammengegangen, dieser grundsätzliche Kampf soll heute sein Ende erreicht haben. (Wider⸗ spruch links.) Aber wir sind jetzt noch bereit, auf eine Einigung der bürgerlichen Parteien hinzuarbeiten und unsere Hand zu bieten, im preußischen Abgeordnetenhause sowohl als auch im Reichstage. Das ist der Wunsch meiner Freunde.
Vizepräsident Dr. Porsch: Dem Abg. Herold ist vorhin ein beleidigender Zuruf gemacht worden, den ich gleich gerügt hätte, wenn ich gewußt hätte, woher er kam. Inzwischen hat sich der Abg. Dr. Schepp zu dem Zuruf bekannt. Ich rufe infolgedessen den Abg. Dr. Schepp zur Ordnung.
Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Nach dem Ausfall der Reichstags⸗ wahlen befinden sich die Konservativen in einer sehr fatalen Situation. Ich verstehe deshalb, daß sie, wie es der Abg. von Pappenheim getan hat, von der bedrohten Staatsordnung sprechen und der Regierung zurufen: Tue deine Pflicht, sorge dafür, daß unser Ein⸗ fluß in Preußen nicht eingeschränkt wird. Der Abg. Herold meinte freilich, die Konservativen hätten sich verhältnismäßig gut gehalten. Darüber gehen die Anschauungen auseinander. Wenn das Zentrum auch jetzt ein unüberwindlicher Zentrumsturm sein soll, warum hat Herr Herold dann so elegisch über den Verlust von Cöln gesprochen und sogar den Regierungspräsidenten von Düsseldorf beschuldigt, daß er sich der Wahl enthalten habe? Das ist der Begriff, den ein Vertreter des Zentrums von der geheimen Wahl hat. Der Aus⸗ fall der Reichstagswahl bedeutet nicht nur ein schweres Mißtrauens⸗ votum gegen die Rechte und das Zentrum, sondern auch gegen die Regierung, und zwar nicht nur gegen die Reichsregierung, sondern auch gegen die preußische Staatsregierung. Die Vor⸗ enthaltung eines richtigen Wahlrechtes hat zur Förderung der Sozial⸗ demokratie bei den Wahlen beigetragen. Wenn Sie geglaubt haben, das Volk würde es ruhig mitansehen, wie es in Preußen entrechtet wird, so haben Sie sich geirrt. Die preußischen Wähler sehen in dem be⸗ stehenden Wahlrecht einen Hohn auf die Grundbegriffe der Ge⸗ rechtigkeit. Wir haben allein in Preußen 51 Reichstagsmandate er⸗ obert. Trotz dieser himmelschreienden Ungerechtigkeit sagt die Thron⸗ rede kein Wort über die Reform des Wahlrechts. Daß Herr von Pappenheim nicht davon gesprochen hat, ist kein Wunder. Aber auch Herr Herold hat davon nicht gesprochen. Im Programm freilich steht die Uebertragung des Reichstagswahlrechts auf Preußen; wenn es sich aber darum handelt, das Wahlrecht zu reformieren, ist das Zentrum Arm in Arm mit den Konservativen ein geschworener Gegner dieses Wahl⸗ rechts. Wenn die Regterung in der Thronrede kein Wort von einer Reform des Wahlrechts sagt, so entpringt das ihrer Abhängigkeit von den Konservativen und der Mehrheit dieses Hauses. Diese will eben kein freiheitliches Wahlrecht, obwohl sie doch nur eine kleine Minder⸗ heit im Lande vertritt, denn die Mehrheit des Voltes ist gegen das Dreiklassenwahlsystem. Wir werden nicht eher ruhen, als bis das Reichstagswahlrecht auf Preußen übertragen ist. Das ist unsere doppelte und dreifache Pflicht in einem Moment, wo die Kon⸗
servativen ziemlich unverblümt auf eine Beseitigung des Reichstags⸗ wahlrechtes hinarbeiten. Wir vermissen ferner in der Thronrede die An⸗ kündigung eines Gesetzentwurfs über die obligatorischen Fortbildungs⸗ schulen und eines Wohnungsgesetzes. Die Regierung hat berrits 1904 den Entwurf eines Wohnungsgesetzes veröffentlicht; als wir dann nach dem Schicksal dieses Entwurfes fragten, hat man uns nicht einmal eine Antwort gegeben. Statt 1 ½ Millionen zur Bekämpfung der sozial⸗ demokratischen Jugend auszugeben, follte man lieber Mittel flüssig machen, um dem Volke gute und gesunde Wohnungen zu geben. Die Ausführungsbestimmungen zum Feuerbestattungsgesetz sind typisch für unsere preußischen Verhältnisse. Die Feststellung der Virginität, wie sie die ministerielle Verfügung ursprünglich verlangte, war ein Schild⸗ bürgerstückchen ersten Ranges. Die Ausführungsbestimmungen wurden zweifellos erlassen, um dem Zentrum einen kleinen Dienst zu leisten. Der Ausbau des Instituts der Fabrikinspektoren geht uns viel zu langsam. Es müßte nicht nur ihre Zahl vermehrt, sondern es müßten auch Arbeiter, Aelzte und Frauen zur Inspektion berufen werden. Ferner verlangen wir eine Revision der Landgemeindeordnung in freiheitlichem Sinne. Die Regierung vertritt eben nicht die Interessen der Mehrheit des Volkes, sondern sie ist der geschäfts⸗ führende Ausschuß der herrschenden Klassen. Wir haben wiederholt verlangt, daß der Landtag früher einberufen werde. Im vorigen Jahre hat das Haus einstimmig einen ent⸗ sprechenden Antrag angenommen. Als Antwort darauf wurde der Landtag an dem nach der Verfassung zulässigen spätesten Termin ein⸗ berufen, offenbar weil man fürchtete, daß die Wahlen noch schlimmer ausfallen würden, wenn hier polttische Debatten vor den Wahlen attfänden. Der Abg. Herold hat selbst anerkannt, daß die Sozial⸗ demokratie bei den Wahlen glänzend abgeschnitten hat. Wenn Herr Herold so stolz von den 81 Mandaten in der Hauptwahl sprach, so durfte er nicht vergessen, hinzuzufügen, daß diese Mandate größtenteils in Kreisen mit geringerer Bevölkerungszahl dem Zentrum zufielen. Das Zentrum hat Hunderttaufende von Wählern verloren. Wir haben unsere Erfolge erzielt trotz der veralteten Wahlkreiseinteilung, trotz des Terrorismus von konservativer und anderer Seite. Obwohl der Beamtenapparat gegen uns gearbeitet hat, sind wir als Sieger aus dem Wahlkampf hervorgegangen, und die N gierung hat eine gewaltige Niederlage erlitten. Der Abg. Herold bat die katholische Religion auch heute wieder als das beste Bollwerk gegen die Sozial⸗ demokratie erklärt, und das in derselben Rede, in der er den Verlust von Cöln und Düsseldorf bejammerte; und es hätten noch mehrere andere Kreise dem Zentrum entrissen werden können, wenn nicht dafür im letzten Augenblicke die Nationalliberalen ein⸗ getreten wären. ie Regierung hat scheinbar eine gewisse Un⸗ Parteilichkeit bei den Wahlen bewiesen, aber auch nur scheinbar. Dem Erlaͤß des preußischen Ministers des Innern, betreffend die Sicherung des Wahlgebeimnisses, war eine geheime Verfügung an die Regierungsprasidenten vorhergegangen, in der die Regierung ganz offen partetisch zum Nutzen der Konservativen in den Wahlkampf eingegriffen dat. Die Landräte wissen ganz genau, daß sie sich um sol Erlasse wie den ersterwähnten gar nicht zu kümmern brauchen, und sie haben sich den Teufel darum gekümmert.
Sie haben Wahlbezirke mit kaum 20 Wahlberechtigten konstrutert, fie