1912 / 41 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Feb 1912 18:00:01 GMT) scan diff

Frage sehr viel geringer ist als die der westlichen. Im Westen sind eine Reihe von Fortbildungsschulen eingerichtet, ohne daß überhaupt eine staatliche Unterstützung dafür in Anspruch ge⸗ genommen worden ist. Es wird aber auch in Zukunft meinerseits dafür Sorge getragen werden, daß bei der Verteilung der staatlichen Beihilfen eine Berücksichtigung begründeter Anträge aus dem Westen ebenso stattfinden wird, wie dies bei den Anträgen aus dem Osten der Fall ist.

Wenn sodann die Höhe der Vergütung, die den Lehrern für die Erteilung des Unterrichts in den ländlichen Fortbildungsschulen ge⸗ zahlt worden ist, bemängelt worden ist, so gebe ich ohne weiteres zu, daß in manchen Fällen die gezahlte Vergütung nicht im Verhältnis zu der Leistung des Lehrers steht, besonders dann, wenn er genötigt gewesen ist, auch noch einen längeren Landweg zum Ort der Fort⸗ bildungsschule zurückzulegen. Es ist aber in Aussicht genommen, bei der weiteren Regelung der Vergütung einen Mindestsatz von 1,50 unter allen Umständen zugrunde zu legen, der bis 2 und in Aus⸗ nahmefällen auch bis 2,50 erhöht werden kann. Ich glaube, daß diese Vergütung, besonders wenn die örtlichen Verhältnisse berück⸗ sichtigt werden, als ausreichend angesehen werden kann, und daß auch ihre Höhe den seitens der Herren Lehrer geäußerten Wünschen entspricht.

Dem Wunsche, daß das Schreibwerk im allgemeinen auch auf dem Gebiete der Fortbildungsschulen vermindert werden möge und die Zeit nicht allzu sehr auf die Aufstellung von statistischem Material und sonstigen Nachweisungen verwandt wird, trete ich auch meinerseits bei. Seitens der landwirtschaftlichen Verwaltung wird auch dahin gewirkt werden, daß nicht mehr geschrieben wird als unbedingt notwendig ist.

Der Lehrplan, der seitens der landwirtschaftlichen Verwaltung herausgegeben ist, soll durchaus keine bindende und zwingende Norm sein. Bei Herausgabe dieses Lehrplans ist ausdrücklich gesagt worden, daß er den örtlichen Verhältnissen angepaßt werden müsse. Wir werden selbstverständlich auch dahin wirken, daß dies geschieht. Wenn sich aber im einzelnen Falle die Leiter der Fortbildungsschulen an diesen Lehrplan anklammern und einfach das abschreiben oder zum Gegenstande des Unterrichts machen, was in dem Lehrplan generell und teilweise nur als Muster vorgeschrieben ist, so können wir dafür keine Verantwortung übernehmen. Wo es aber zur Kenntnis der Verwaltung gelangt, wird jedenfalls auch für Abänderung Sorge ge⸗ tragen werden.

Der Lehrplan geht, das möchte ich nochmals betonen, von dem Grundsatze möglichster Bewegungsfreiheit aus, und es wird Sache der Leiter der Fortbildungsschulen sein, diesen Grundsatz auch in der Praxis auszuführen.

Meine Herren, der Abg. Ernst hat noch den Wunsch geäußert, daß die Beihilfen zur Einrichtung und Unterhaltung von Wander⸗ haushaltungsschulen, die in Kapitel 102 Titel 15 c ausgeworfen sind, auch für Haushaltungsschulen auf dem Lande bestimmt werden möchten. Ich halte das nicht für erforderlich; denn wir unterstützen die Haus⸗ haltungsschulen auf dem Lande schon aus anderen Fonds. Für die Wanderhaushaltungsschulen wäre es gewiß erwünscht, noch einen höheren Beitrag geben zu können als bisher gezahlt wird. Aber dies ist leider bei den augenblicklich zur Verfügung stehenden Mitteln nicht möglich. Im übrigen hat die Sache der Wanderhaushaltungsschulen sehr erfreuliche Fortschritte aufzuweisen. Die Wanderhaushaltungs⸗ schulen entsprechen den Bedürfnissen auf dem Lande, und die rege Beteiligung, die sie überall gefunden haben, ist der beste Beweis da⸗ für, daß mit dieser Einrichtung wirklich etwas Gutes und Segen⸗ bringendes geschaffen wird!

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Abg. Ernst (fortschr. Volksp.) zieht nach dieser Erklärung seinen Antrag zurück.

Zu dem Dispositionsfonds zu wissenschaftlichen und Lehrzwecken, der um 50 000 auf 1 010 000 erhöht wird, bemerkt

Abg. Heine (nl.): Diese Erhöhung ist ebenso zu begrüßen, wie überbaupt die Erhöhung der Mittel für das landwirtschaftliche Unter⸗ richtswesen. Welche Bedeutung das landwirtschaftliche Unterrichtswesen für den Nachwuchs in unserer Landwirtschaft hat, habe ich schon gestern ausgeführt. Von besonderer Bedeutung ist auch die Stellung der Landwirtschaftslehrer und besonders der Winterschuldirektoren, und zwar für die gesamte landwirtschaftliche Bevölkerung überhaupt, in der sie als Wanderlehrer eine rege nutzbringende Tätigkeit ausüben. Bei der Neuregelung der Beamtenbesoldungen habe ich auf die Notwendigkeit, die Gehälter der Landwirtschaftslehrer aufzu⸗ bessern, hingewiesen, und es ist auch meistens eine Gehalts⸗ aufbesserung erfolgt, aber in den einzelnen Provinzen bestehen sowohl in den Sätzen des Anfangs⸗ und Höchstge halts, wie in den Stufen bis zur Erreichung des Höchstgehalts und in den Bestimmungen über die Pensionierung erhebliche Unterschiede, die durch Gewährung von Zuschüssen seitens des Staates ausgeglichen werden sollten. Auch die Probedienstbeslzimmungen und die An⸗ stellungsverhältnisse müßten gleichmäßig geregelt werden. Alles dies ist Sache der Landwirtschaftskammern, und ich bitte den Minister, auf diese dahin einzuwirken, daß jene Uebelstände beseitigt werden.

Abg. Dr. Bönisch (Zentr.): Im porigen Jahre ist für die Landwirtschaftslehrer ein Seminar in der Provinz Schlesien und zwar in Schweidnitz errichtet worden, auf dem die Hörer, die schon eine

ewisse allgemeine Bildung und gewisse landwirtschaftliche Kenntnisse 2 sich theoretisch in der Landwirtschaft weiter bilden können. Das Seminar kann so segensreich wirken, und ich bitte den Minister, auch in anderen Provinzen auf die Errichtung solcher Seminare hinzuwirken.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Der Herr Abg. Heine hat dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß ein Teil der Landwirtschaftslehrer und Winterschuldirektoren insofern in einer ungünstigen Lage sich befindet, als für ihre Pension noch in keiner Weise gesorgt sei. Ich teile das Bedauern des Herrn Abgeordneten und hätte den dringenden Wunsch, daß die Verhältnisse gerade dieser Beamten überall in gleicher Weise geordnet werden können, wie es in der Rheinprovinz ge⸗ schehen ist. Dort hat die Landwirtschaftskammer gemeinschaftlich mit der Provinz und den Kreisen die landwirtschaftlichen Winter⸗ schulen einzurichten übernommen. Die Provinz zahlt zu jeder Schule einen Zuschuß; die Winterschuldirektoren und etwaige zweite Lehrer an einer solchen Schule treten der Pensionskasse der Provinz bei und haben sich damit für den Fall ihrer Dienstunfähigkeit eine ent⸗ sprechende Pension gesichert.

Auf diese Weise ließe sich ja auch in anderen Provinzen vor⸗ geben, soweit die Pensionierung dieser Beamten nicht, wie meines Wissens in Hannover bereits geordnet ist. Die landwirtschaftliche Verwaltung wird jedenfalls eine befriedigende Lösung dieser An⸗ gelegenheit für den Bezirk der ganzen Monarchie i

Mit dem Seminar, welches im vorigen Jahre in Schlesien, und zwar in Schweidnitz, eingerichtet worden ist, sind bisher sehr gute Erfahrungen gemacht worden. Bei entsprechender Leitung und Be⸗ teiligung werden diese Seminare eine Lücke ausfüllen, die sich in der Unterweisung von Gutsverwaltern, Administratoren und ähnlichen Landwirtschaftsbeamten bisher geltend gemacht hat.

Ich bin auch durchaus nicht abgeneigt, eine Erweiterung dieser Institute und auch ihre Errichtung in anderen Pro⸗ vinzen zu fördern. Ich möchte aber doch davor warnen, über das gegenwärtige uns dringende Bedürfnis hinaus in anderen Provinzen ähnliche Institute ins Leben zu rufen. Ich würde es für alle Fälle als genügend erachten, wenn etwa drei oder vier Seminare dieser Art in der ganzen Monarchie bestehen. Die Provinzen, welche keine solchen Seminare haben, können ihre Zöglinge auf die bestehenden Seminare schicken! Leider macht sich auch anderwärts das Bestreben geltend, für jeden Bezirk und jedes Arbeitsgebiet eine besondere Lehr⸗ oder Forschungsanstalt zu gründen. Meine Herren, das kostet zunächst den Beteiligten sehr viel Geld; es erfordert auch größere Staatsbeihilfe. Ich bin der Meinung, daß eine Arbeit, die an einem Platze sehr gut und vollständig geleistet wird, an einer anderen Stelle nicht wiederholt zu werden braucht; dafür kann der Grund, daß der Ehrgeiz eines Ortes oder eines Bezirks dahin geht, auch ein derartiges Institut zu besitzen, doch nicht ausschlaggebend sein. Wir müssen auch hier mit unsern Mitteln sparen, das schließt natürlich nicht aus, daß überall da, wo ein dringendes Bedürfnis anerkannt werden muß, auch die staatliche Unterstützung solchen Einrichtungen nicht versagt wird!

Bei den Ausgaben für „tierärztliche Hochschulen und Veterinärwesen“ bittet

Abg. Dr. Dahlem (Zentr.) den Minister, auf eine wesent⸗ liche Ermäßigung der Gebühren für die kreistierärztlichen Unter⸗ suchungen des auf den Märkten von Bauern, Metzgern und Händlern gekauften Viehes hinzuwirken und die darauf bezüglichen Erlasse vom Juli 1911 einer Revision zu unterziehen. Für jede Untersuchung eines Stückes Vieh mußten auf dem Markt in Koblenz mindestens 14 ezahlt werden; kommt der Händler mit dem Vieh ins Nassauische, ss muß er wieder einen hohen Betrag als Gebühr entrichten; ver⸗ kauft der Händler an den Bauern, so zahlt natürlich nicht der Händler, sondern der Bauer die Gebühr. Diese Einrichtungen werden üͤberall mit steigendem Mißbehagen verfolgt; die Mißstimmung hat eine geradezu hüsnh . Höhe erreicht. Es fehlt für diese den Konsumenten auferlegte Steuer an jeder inneren Veranlassung.

Zu dem gegen das Vorjahr um 750 000 auf 990 000 erhöhten Fonds für veterinärpolizeiliche Zwecke bemerkt

Abg. Freiherr von Maltzahn (kons.): Dem Abg. Crüger werden wir auf seine schweren Angriffe gegen den Großgrundbesitz bei der Debatte über die innere Kolonisation antworten. Die Ziffern, welche der Abg. Leinert gestern über den deutschen Viehbestand angeführt hat, sind nicht richtig. Nur in Bayern hat sich ein gewisser Rück⸗ gang der Viehzucht ergeben, sonst aber durchweg ein Aufschwung. Nach dem vom Minister in dem Landeeökonomiekollegium bekannt⸗ gegebenen vorläufigen Resultat der Viehzählung vom 1. Dezember 1911 ist die Zahl der Rinder um 76 696, der Schweine um 731 000 ge⸗ wachsen; nur bei den Schafen hat der Rücknang angehalten. Also trotz der Dürre und des Futtermangels haben wir einen solchen Viehstand halten können. Schon jetzt können 96 % des deutschen Fleischbedarfs im Inlande aufgebracht werden; gehen wir mit Energie an die innere Kolonisation, an die Trockenlegung der Moore usw., so wird Deutschland seinen gesamten Fleischbedarf selbst produzieren können. Von der Seequarantäneanstalt in Saßnitz befürchte ich nicht eine Mehreinfuhr vons⸗ Vieh, sondern eine Vermehrung der Seuchengefahr. Das an Seuchen erkrankte schwedische Vieh kann nicht soöfort an Ort und Stelle vernichtet und unschädlich gemacht werden, sondern muß erst in die benachbarte Abdeckerei gebracht werden, wodurch doch die Gefahr entsteht, daß die Seuche auf die einheimischen Viehbestände übertragen werden kann; insofern hat die Sache also nicht lediglich eine lokale Bedeutung. Aus, den konstitutionellen Bedenken, die sich gegen den Bau ohne vorherige etatsmäßige Bewillgung richten, werden wir eine Konsequenz nicht ziehen, obwohl wir bedauern, daß uns im vorigen Jahre seitens des Ministers auch nicht einmal eine Andeutung gemacht ist, daß eine solche Forderung bevorstehe. Nun ist freilich hier nicht alles nach den Bedingungen der örtlichen konzessionierenden Behörde eingerichtet worden; auf den Einspruch einer Adjazentin sind von der Regierung Aenderungen verfügt worden, was ich außerordentlich bedauere. In der „Vossischen Zeitung“ vom 31. Oktober 1911 hat ein Aufsatz des Gebeimen Medizinalrats Dr. von Hansemann gestanden, in dem die Regierung wegen dieser Anstalt in geradezu unglaublicher Weise angegriffen wurde. Es hieß darin sogar, vom ärztlichen Standpunkt aus müßte von jetzt an vor dem Besuch von Saßnitz gewarnt werden. Ich lege den ungeheuer⸗ lichen Behauptungen dieses Aufzatzes kein Gewicht bei, meine aber, es würde zur Beruhigung der Allgemeinheit dienen, wenn auch die Regierung hier erklären wollte, daß eine solche Schädigung eines der schönsten Badeorte der Ostsee durch diese Seequarantäneanstalt nicht eintreten wird. 1

Abg. Hoeveler (Zentr.) regt im Anschluß an gleichartige Vorschläge seines Fraktionskollegen Wallenborn an, daß aus den 750 000 ℳ, um welche der Fonds für veterinärpolizeiliche Zwecke jetzt erhöht werde, auch Lymphe zur Impfung der jungen Schweine beschafft werden möge; nur auf diese Weise werde es sich ermöglichen lassen, die Kosten der Impfung zu ermäßigen und damit die Mittel⸗ und Kleinbauern zu veranlassen, die Schweinezucht im allgemeinen zu fördern.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich brauche gegenüber den Ausführungen des Herrn Abg. von Maltzahn nicht zu versichern, daß die Errichtung einer Quarantäneanstalt in dem Badeorte Saßnitz seitens meiner Verwaltung und der übrigen beteiligten Ressorts in eingehendster Weise geprüft worden ist. Es hat sich, wie auch der Herr Abgeordnete ausgeführt hat, herausgestellt, daß eine Schädigung der Interessen des Bades Saßnitz in keiner Weise vorliegt, und ich stelle dies auf den mir ausgesprochenen Wunsch hin hiermit noch ausdrücklich fest. Wenn in der „Vossischen Zeitung“ ein längerer Aufsatz erschienen ist, in dem die Errichtung dieser Quarantäneanstalt als eine ganz be⸗ sonders gemeingefähtliche Handlung der Staatsregierung dargestellt wird, so bedaure ich, den Wert der in der „Vossischen Zeitung“ ent⸗ haltenen Mitteilungen schon dadurch etwas heruntersetzen zu müssen, weil fesisteht, daß der mit Namen genannte Verfasser dieses Artikels ein sehr naher Verwandter derjenigen Besitzerin ist, welche gegen die Errichtung der Quarantäneanstalt Einspruch erhoben hatte (hört, hört! rechte) und mit diesem Einspruch in der Hauptsache zurück⸗ gewiesen worden ist.

In einem Punkte ist ihren Wünschen allerdinas Rechnung ge⸗ tragen worden, und der betrifft die Anlage eines Verbrennungsofens. Ich habe mich darüber schon in der Budgetkommission ausgesprochen. Auf diesen Verbrennungsofen ist verzichtet worden, weil tatsächlich die Gefahr bestand, daß er bei seiner Inbetriebsetzung übelriechende Dünste

rbrei könnte, und diese wiederum nur durch einen sehr hohen

Schornstein gemildert werden konnten. Dieser hohe Schornstein würde aber auch das Landschaftsbild von Saßnitz in etwas beeinträch⸗ tigt haben. Selbstverständlich konnte auf den Verbrennungsofen nur deshalb verzichtet werden, weil sich in nicht sehr großer Entfernung von Saßhnitz eine Abdeckeret in Bergen befindet, die durch⸗ aus einwandfrei eingerichtet ist, und zu welcher die Kadaver der bereits in Saßnitz getöteten Tiere ohne jede Gefährdung gebracht werden können. Man stellt sich die Sache auch insofern schlimmer vor, als man nach vielfach gehörten Meinungen anzunehmen scheint, daß in einer solchen Quarantäneanstalt alle Woche eine Reihe von Tieren getötet und verbrannt werden müssen. Nach den Er⸗ fahrungen, die wir sonst mit den Quarantäneanstalten gemacht haben handelt es sich bei Saßnitz im schlimmsten Fall um vielleich 20 Kadaver im Jahre, die nach Bergen transportiert und dort be seitigt werden müssen. Das ist doch keine so große Zahl, daß dieser halb ein sehr teurer Verbrennungsofen mit allem Zubehör hätte er⸗ richtet werden müssen.

Nun hat der Abg. Leinert bereits gestern Gelegenheit genommen aus meinen Ausführungen, die ich bezüglich der Seuchengefah gemacht habe, den Schluß zu ziehen, daß das Vorgehen der Veterinär verwaltung und der landwirtschaftlichen Verwaltung in Saßnit zweifellos den Einwand hinfällig mache, als sei mit der Einfuhr de lebenden Viehs aus anderen Ländern eine besonders große Seuchen gefahr verbunden. Ich weise demgegenüber auf den Wortlaut meine in dem Protokolle der Budgetkommission enthaltenen Ausführunge hin, in denen ich ausdrücklich gesagt habe, daß ich die Befürchtun einer Vermehrung der Seuchengefahr nicht anerkennen könnte⸗ Ich habe damit ausdrücklich zugegeben, daß auch mit dieser Einfuhr zweifellos eine Seuchengefahr verbunden ist, daß aber im Vergleich zu der Einfuhr aus Dänemark eine Vermehrung der Seuchengefahr durch die Einfuhr aus Schweden nicht zu befürchten sei. Meine Herren, das liegt einmal darin, daß Schweden, was Maul⸗ und Klauenseuche angeht, zurzeit ganz unverseucht ist, während diese Seuche in Dänemark augenblicklich in großem Umfange herrscht! Hinsichtlich der Tuberkulose mach ich darauf aufmerksam, daß wir das bisherige Verfahren der Tuberkulineinspritzung mit Rücksicht auf die Unsicherheit der Ergebnisse haben aufgeben müssen. Jetzt findet eine klinische und bakteriologische Untersuchung bei jedem Stück Vieh statt, die sichere Resultate über die Frage erwarten läßt, ob die Tiere tuber⸗ kuloskrank oder ⸗verdächtig sind. Also mit diesem Einwand des Abg. Leinert ist gegenüber der Stellungnahme der Königlichen Staatsregie⸗ rung zur Grenzsperre nichts zu machen. Auch die Einfuhr von lebendem Vieh aus Schweden wäre nicht konzediert worden, wenn wir nicht auf Grund der bestehenden Verträge Schweden gegenüber zu denselben Einrichtungen verpflichtet waren, wie wir sie Dänemark zugestanden haben.

Zu meinem Bedauern sind auch in andrer Beziehung meine Aus⸗ führungen in der Budgetkommission in der Presse unrichtig wieder⸗ gegeben worden. Die Einfuhr aus Schweden ist nicht kontingentiert. Ich habe nur gesagt, es würde voraussichtlich und das beruht auf den mir bekannten Zahlen über die Größe der gegenwärtigen Vieh⸗ bestände in Schweden nicht mit einer größeren Einfuhr wie 15 000 Stück in den nächsten Jahren zu rechnen sein. Selbstredend steht es aber Schweden frei, auch eine größere Anzahl Tiere zu im⸗ portieren, wenn es dazu imstande ist.

Abg. Leinert (Soz.): Wenn meine Zahlen unrichtig gewesen wären, dann hätte das Statistische Landesamt falsche Zahlen ver⸗ breitet. Ich kann von dem, was ich gesagt habe, nichts zurücknehmen. Die Gegnerschaft der Konservativen gegen die Quarantäneanstalt in Saßnitz beruht nur darauf, daß man eine größere Vieheinfuhr fürchtet. Die Rede des Ministers klang so wie eine Entschuldigung gegenüber den Konservativen wegen seiner Erklärung in der Kommission. Man kann die Schließung der Grenzen nicht mehr mit der Seuchengefahr begründen; wenn man sie auch jetzt noch geschlossen hält, so beruht das nur auf Böswilligkeit.

Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.): Es ist selbstverständlich, daß seitens der Regierung alles geschieht, um die Einschleppungsgefahr von Seuchen zu verringern. Die Regierung hätte sich aber nicht über die konstitutionellen Bedenken hinwegsetzen dürfen.

Abg. Freiherr von Maltzahn (kons.): Ich habe das Gutachten des Geheimen Medizinalrats nur angeführt, um eine Er⸗ klärung zu erhalten, damit das Publikum nicht von dem Besuch von Saßnitz abgeschreckt werde.

In dem Kapitel „Förderung der Viehzucht“ ist der Dispositionsfonds zu Prämien für Pferderennen um 475 700 auf 4 494 400 erhöht worden.

Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.): Da jetzt eine erhebliche Ver⸗ mehrung des Fonds vorgenommen ist, ist es Pflicht der Regierung, endlich einmal eine Erklärung abzugeben, weshalb diese Erhöhung schon wieder nötig ist. Die Notwendigkeit der Förderung der Pferdezucht wollen wir nicht verkennen, es fragt sich aber doch, ob immer wieder höhere Mittel für Pferderennen eingestellt werden müssen.

Abg. Schulze⸗Pelkum (kons.): Es ist in diesem Jahre ausführlich über die Notwendigkeit dieses Fonds gesprochen worden. Die Gründe würde der Abg. Gyßling schon kennen, wenn er sich die Mühe genommen hätte, die früheren Verhandlungen durchzulesen.

Oberlandstallmeister von Oettingen erklärt, daß sich die hier aufgewandten Gelder reichlich verzinst hätten.

Nach einer kurzen Entgegnung des Abg. Gy ßling (fortschr. Volksp.) und einer Erwiderung des Abg. Schulze⸗ Pelkum (kons.) wird der Titel bewilligt.

zucht weist

Abg. von Strombeck (Zentr.) auf die Notlage der Land⸗ wirtschaft im Eichsfelde hin und bemerkt: Es muß danach gestrebt werden, daß an die Stelle des Ackerbaues immer mehr die Viehzucht tritt. Ich möchte die Regierung bitten, eine möglichst hohe Unter⸗ stützung zu diesem Zwecke zu gewähren.

Abg. Westermann (nl.): Dem Mangel an Zuchthengsten in Westfalen muß dringend abgeholfen werden. Die Kaltblutzucht muß mehr zur Privatsache werden. Vielleicht kann dadurch geholfen werden, daß neben einer Erhöhung der Deckgelder auch Fullengelder ein⸗ geführt werden.

Abg. Schwabach (nl.) beklagt sich über die Anwendung der Körordnung in Ostpreußen. Den kleineren Besitzern würden immer nur Hengste mit hohen Deckgeldforderungen zur Verfügung gestellt.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Herrn Abg. von Strombeck möchte ich erwidern, daß die Staatsregierung in Uebereinstimmung mit den Provinzial⸗ behörden eine Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse auf dem Eichsfelde als notwendig anerkennt. Es schweben zurzeit Verhand⸗ lungen darüber, inwieweit sich Staat und Provinz zur Schaffung eines besonderen Hilfsfonds vereinigen können. Die Staatsregierung hat sich bereit erklärt, eine Summe von 300 000 in jährlichen

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Raten von 30,000 für Zwecke der

8 . 8

Bei den übrigen Forderungen zur Förderung der Vieh⸗

Melioration, zur

Schaffung und Verbesserung von Wiesen und Weiden und für andere noch zu vereinbarende Zwecke herzugeben, falls auch die Provinz einen gleichen Betrag in Aussicht stellt. Eine Ent⸗ schließung der Provinzialverwaltung ist noch nicht erfolgt!

Der Antrag der Landwirtschaftskammer, die für Zwecke der Vieh⸗ zucht 13 000 aufwenden will und dafür ebenfalls eine Beihilfe erbittet, ist vor einiger Zeit bei mir eingegangen und wird jedenfalls wohlwollend geprüft werden. Ich möchte aber glauben und das wird vielleicht auch die Zustimmung des Herrn Abg. von Strombeck finden —, daß es zunächst darauf ankommt, im Eichsfeld die Vor⸗ bedingungen einer guten Viehzucht, nämlich gute Weiden und Wiesen, zu schaffen; deshalb ist es vielleicht auch besser, zunächst hierfür die Mittel in größerem Umfange zur Verfügung zu stellen und dann erst an eine gründliche Besserung der Viehzuchtverhältnisse heranzugehen.

Meine Herren, was die Ausführungen des Herrn Abg. Wester⸗ mann angeht, so haben im Laufe des vorigen Herbstes und Winters längere Verhandlungen zwischen der landwirtschaftlichen Verwaltung, dem Gestütsdirektor in Warendorf und Vertretern der Landwirtschafts⸗ kammer für die Provinz Westfalen stattgefunden, die das Ziel ver⸗ folgten, dem auch von der landwirtschaftlichen Verwaltung anerkannten Mangel an Zuchthengsten in Westfalen abzuhelfen. Diese Ver⸗ handlungen sind noch nicht beendet. Es wird dabei auch die Frage geprüft werden, ob durch eine weitere Erhöhung der Deckgelder, eventuell durch die Einführung eines Füllengeldes, weitere Gelder flüssig gemacht werden können. Ich kann allerdings nicht in Aussicht stellen, daß die noch erforderlichen Hengste lediglich durch Vermehrung der Hengste im Landgestüt Warendorf beschafft werden können. Es sind in den Einrichtungen des Gestüts, in den Baulichkeiten usw. gewisse Grenzen gezogen, und es wird zweifellos auch hier der allgemeine Grundsatz Platz greifen müssen, daß bei einer so erheblichen Vermehrung der Pferdehaltung, wie sie in Westfalen stattfindet, auch die Privat⸗ hengsthaltung wenigstens einigermaßen mitzuwirken hat. Ich habe schon im vorigen Jahre entweder in diesem hohen Hause oder im Landes⸗Oekonomie⸗Kollegium, aber jedenfalls bei den Verhandlungen mit den Herren aus der Provinz Westfalen, auf die Notwendigkeit hin⸗ gewiesen, auf die Vermehrung der Privathengsthaltung, sei es durch Prämien oder sonstige Beihilfen, hinzuwirken, und habe auch den Ge⸗ danken nahegelegt, speziell die Haltung der kaltblütigen Hengste mehr zur Privatsache zu machen und dadurch im Landgestüt Warendorf für warmblütige Hengste mehr Platz zu schaffen. Ich hoffe, daß sich bei dem großen Entgegenkommen, das auch die Landwirtschaftskammer für Westfalen in dieser Angelegenheit an den Tag gelegt hat, eine Lösung finden lassen wird, die den an sich durchaus berechtigten Wünschen der Provinz entspricht.

NReine Herren, was die Wünsche des Herrn Abg. Schwabach an⸗

belangt, so möchte ich den Herrn Oberlandstallmeister bitten, sie zu

beantworten. (Bravo.)

DOberlandstallmeister von Oettingen erwidert dem Abg. Schwabach, daß die Körordnung in den östlichen Provinzen gerade zum Vorteil auch der kleineren Landwirte angewandt werde; denn gerade, wenn gute Deckhengste zur Verfügung ständen, würden auch wieder höhere Preise erzielt.

Abg. Dr. Varenhorst (freikons.): Gemäß meinem Antrag in der vorigen Session ist der Dispositionsfonds zur Förderung der Zucht verschiedener landwirtschaftlichen Tiergattungen und zur Förde⸗ rung des Molkereiwesens um 100 000 erhöht worden. Mein An⸗ trag bezog sich auf die Förderung der Bienenzucht. Die Regierung läßt Erhebungen über diese Frage anstellen, die aber zum Teil nach falschen Richtungen vorgenommen werden. Es kommt vor allem darauf an, daß für die Durchwinterung der Bienenstöcke ein billiger Zuckerbezug durch Gewährung der Zollfreiheit ermöglicht wird. Ferner muß gesetzlich vorgeschrieben werden, daß unter dem Namen „Honig“ nur echter Honig verkauft werden darf. Durch das Mar⸗ garinegesetz haben wir auch eine Deklaration der Ware vor⸗ geschrieben. Es handelt sich allerdings nur um einen Nebenbetrieb der 8 aber er ist doch für die ganze Bevölkerung von großer Bedeutung.

Abg. Lüders⸗Gronau (freikons.): Ich stimme den Bemerkungen des Oberlandstallmeisters gegenüber dem Abg. Schwabach zu. Die Rindviehhaltung macht in der landwirtschaftlichen Praxis große Schwierigkeiten, namentlich ist es mühselig, das Vieh durch den Winter durchzubringen. Es ist gestern der hohe Milchpreis von bemängelt worden. Aber es ist gar nicht möglich, anders zu wirtschaften, denn dadurch werden kaum die Produktionskosten gedeckt. Für die Viehzucht ist vor allem eine gute Weide erforderlich, und der Minister sollte dieser Frage sein besonderes Interesse zuwenden. Die Schweinepreise sind ganz im Gegensatz zu den Fleischpreisen gesunken. Die Schweinezucht ist am meisten Sache der mittleren und kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, und es ist eine Aufgabe des Staates, gerade diese Betriebe zu unterstützen, die jahraus jahrein ihre Schweine mästen.

Abg. Jany (kons.): Der Wunsch nach Ermäßigung der Deck⸗ gelder ist wohl berechtigt, aber in der Form, wie Abg. Schwabach es wünscht, kann leicht das Gegenteil erreicht werden von dem, was er wünscht. Die Deckgelder sind verschieden; wenn sie allgemein er⸗ mäßigt werden, könnte der Staat vielleicht die Hengste mit billigeren Deckgeldern gerade in den Gebieten des kleineren Besitzes aufstellen, diejenigen mit höheren Deckgeldern dagegen in den Gebieten des Großgrundbesitzes. Ich würde dies gerade im Interesse des kleineren Besitzes bedauern, denn dieser hat ein lebhaftes Interesse daran, gute Hengste zur Verfügung zu haben. Jede Körordnung ist ein Eingriff in Privatrechte, aber wir in Ostpreußen müssen immer bedenken, daß gerade unsere Provinz unser Armeepferd liefert, und deshalb können wir nur die besten Hengste gebrauchen.

Nach einer kurzen Erwiderung des Abg. Schwabach wird das Kapitel bewilligt.

Zu dem Kapitel „Förderung der Fischerei“ bemerkt

Abg. Schwabach (nl.): Im vorigen Jahre hat der Minister zugesagt, daß er die Fischereiaufsichtsbeamten anweisen wolle, ein freundliches Verhältnis zur Fischereibevölkerung zu wahren. Diese Weisungen sind offensichtlich auf einen guten Boden gefallen, und ich spreche dem Minister meinen Dank dafür aus. Dagegen bedaure ich, daß die Zusage der Regierung wegen Einbringung eines Fischereigesetzes noch immer nicht erfüllt ist. Ein Entwurf ist allerdings aufgestellt worden, und es wäre nun im allseltigen Inter⸗ esse gewesen, wenn der Entwurf sofort veröffentlicht worden wäre. es bedarf dabei eines völlig neuen Aufbaus der Fischereigesetz⸗ gebung entsprechend den Bedürfnissen des modernen Rechtsstaates. Schwierige Rechtsfragen darf der Entwurf nicht damit umgehen, daß er die Lösung den Verwaltungsbehörden überläßt. Die Erhaltung des Fischbestandes ist von solcher Bedeutung, daß jeder verständige Fischer darauf bedacht sein wird. Die Strafen jedoch, denen die Fischer bei Verstößen unterliegen, sind viel zu rigoros, z. B. ist die Konfiskation der Netze eine zu harte Maßregel, und dazu kommt, daß die Strafbestimmungen nicht einheitlich gehandhabt werden. Es müssen Normativbestimmungen dafür aufgestellt werden. Bei den Schöff engerichten müssen fur Fischereisachen die Schöffen sach⸗ verständig sein. Deshalb sollten, damit es nicht an geeigneten Persön⸗ 19 fehlt, bestimmte Tage für Fischereiangelegenheiten festgesetzt erden.

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Zu dem besonderen Fonds von 150 000 zur Hebung der Fischerei überhaupt (10 000 mehr als im Vor⸗ jahre) liegt der Antrag der Abgg. Kesternich (Zentr.) u. Gen. vor:

„„die Regierung zu ersuchen, Mittel bereit zu stellen zur iederbevölkerung der Gewässer, deren Fisch⸗ bestände infolge der Dürre des vergangenen Jahres erheblich gelitten haben oder zugrunde gegangen sind.“ Abg. Dr. Gaigalat (kons.): Die Strafen gegen die Fischer sind zu streng. Die Fischer sind nicht immer in der Lage, die polizei⸗ lichen Bestimmungen genau innezuhalten, namentlich die Zeit⸗ bestimmungen für die Ausübung der Fischerei. Gewiß muß der Fischbestand gehegt werden, aber Sachverständige behaupten, daß, wenn der Fisch zu sehr gehegt werde, er sich selbst dezimiere. Speziell wünsche ich Erleichterungen für die Fischerei im Kurischen Haff sowie die Hinausschiebung des Beginns der Schonzeit vom 14. April auf den 1. Mai, denn im Frühjahr ist die beste Zeit für die Fischerei. Zur Unterweisung der Fischereibevölkerung sollte man Wanderlehrer anstellen. Die Fischnahrung muß der Bevölkerung näher gebracht werden.

Abg. von Kloeden (B. d. L.): Als Vertreter des Rheingau⸗

kreises muß ich auf die Verunreinigung der Flüsse durch die Abwässer der Industrie aufmerksam machen. Mir sind zahlreiche Zuschriften zugegangen, worunter die eine darüber Klage führt, daß die Fische im Rhein bis zum Loreleifelsen hinab nach Karbol schmecken. Die Ur⸗ sache könne nur den Fabrikabwässern zugeschrieben werden. Auch bei der Konferenz des westdeutschen Fischerverbandes hat ein Kenner der Materie sich in derselben Weise geäußert. In einer Zuschrift heißt es, die Verunreinigung des Rheins stinke zum Himmel. Ich bitte das Haus und die Regierung, bei der Beratung des Wassergesetzes auf Mittel zu sinnen, dieser Schädigung der Fischerei endlich ein Ende zu machen. 116192. Freiherr von Maltzahn (kons.): Eigentlich sollte man in diesem Jahre über die Fischerei überhaupt nicht zu sprechen brauchen, da uns der Entwurf des Fischereigesetzes bevorsteht. Aber ich sehe mich doch dazu nach dem unmittelbaren Eindruck peranlaßt, den ich über die Fischereiverhältnisse bei der Reichstagswahl in Neu⸗ vorpommern und Rügen bekommen habe. Ich bitte den Staat, den Fonds für die Fischerei noch erheblich zu erhöhen. Sonst können die Anforderungen an unsere Fischer in keiner Weise erfüllt werden. Auch die 400 000 ℳ, die das Reich für die Hochseefischerei zur Verfügung siellt, reichen nicht aus. Ich habe im Wahlkampf gehört, daß von diesen 400 000 unseren Ostseefischern überhaupt nichts zugute komunt, sondern daß nur die Nordseefischerei dieses Geld erhält. Ich lasse mich gern von dem Minister eines anderen belehren, aber in einem freisinnigen Wahlflugblatt wurde angeführt, daß aus diesem Reichsfonds die Ostsee bisher niemals etwas bekommen hahe, daß der freisinnige Abg. Gothein dies zwar wiederholt verlangt habe, daß aber nichts geschehen sei, und daß merkwürdigerweise der Abg. Gothein nicht einmal zu den Konferenzen darüber zugezogen sei. Der Minister wird wissen, wie er praktisch für die Ostseefischerei vor⸗ gehen kann. Es liegt ein ernstes Interesse für unsere Fischerei⸗ bevölkerung vor, der im Laufe der Jahre die Nahrung mehr und mehr entzogen list. Der Fischbestand in der Ostsee ist mehr und mehr zurückgegangen. Allerdings mag früher eine Ueberfischung der Ge⸗ wässer stattgefunden haben, und die Regierung ist deshalb mit der Erteilung der Fischereierlaubnis sehr vorsichtig vorgegangen, aber sie hat doch zum Teil über das Ziel hinausgeschossen. Man sollte bei unseren Berufsfischern nicht damit kargen. Namentlich muß der Aalfang zu einem gewissen Teil den Unterbalt unserer Fischer decken. 2. Aal bleibt ja nicht in unseren Gewässern, sondern geht weit hinaus in den Ozean. Die Kontrolle unserer Fischer durch die Aufsichtsbeamten wird viel zu rigoros aus eübt; es ist erklärlich, daß die Fischer durch das Zerschneiden der Netze erbittert werden. Ich habe zu meiner Freude gehört, daß die Fischmeister jetzt ein freundlicheres Verhältnis zur Fischereibevölkerung pflegen; das ist auch dringend notwendig, der Fischmeister muß der Freund unserer Fischer sein. Die Mecklenburger Fischer sind vor den unserigen im Vorteil, denn jene dürfen überall in den Küstengewässern fischen, während bei uns die Fischer ängstlich zurückgehalten werden. Mit der ausländischen Konkurrenz hat sich im vorigen Jahre eine Petition des Fischereiverbandes beschäftigt, die unserer Agrar⸗ kommission vorlag; sie regte die Einführung eines Fischzolles an und wurde vom Hause der Regierung als Material überwiesen. Wir sind allerdings durch die Handelsverträge gebunden, aber ich bitte doch die Regierung, dieses Material zu benutzen und in Erwägungen einzutreten, wie die schwierige Frage des Fischzolls bei den neuen Handelsverträgen gelöst werden kann. Wenn die Fischer aber schließ⸗ lich ihrem Erwerbe nicht mehr nachkommen können, so müßte ihnen auf den Domänen Ackerland zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich einen neuen Beruf gründen können. Die Erhaltung des Mittel⸗ standes liegt nicht nur im volkswirtschaftlichen Interesse, sondern auch in diesem Falle gerade im nationalen Interesse, denn unsere Küsten⸗ fischer sind diejenigen, die für unsere Marine den notwendigen Ersatz bieten. Deshalb muß auch unser Fischerstand in seiner Eigenart er⸗ halten bleiben.

Abg. Kesternich (Zentr.) begründet seinen Antrag: Die Dürre des letzten Jahres hat besonders den Gebirgsgegenden schwere Schäden zugefügt. Vor allem hat die Bachforelle und auch die Gebirgsforelle sehr gelitten. Es ist deshalb dringend nötig, daß die Regierung wieder für die Wiederbelebung der Gewässer Sorge trägt. Der An⸗ regung des Vorredners, im nächsten Etat erhöhte Mittel zur Hebung der Fischerei einzustellen, schließe ich mich voll an.

Abg. Dr. Dahlem: Das Lahngebiet hat so stark unter der Dürre gelitten, daß man von einer Füscherei ar nicht mehr sprechen kann. Es nähren sich von der Fischerei vor hüjem kleine Leute, sodaß die Regierung durchaus eingreifen muß, wenn es sich auch diesmal nicht um Großindustrielle handelt.

Abg. Wenke (fortschr. Volksp.): Durch die Abwässer der Industrie, besonders von den Zellulosefabriken, sind manche Gewässer ganz verseucht worden; allerdings haben sich in Schlesien die Fische mehr in die oberen Wasserläufe zurückgezogen, wobei die Talsperren gute Dienste geleistet haben. Die Forellen in den schlesischen Gebirgen sind auch vielfach ganz und gar vernschtet worden. Den Antrag können meine Freunde nur warm unterstützen.

Abg. Gyßling (fortschr. Volksp.): Wir sind der Ansicht, daß die Binnenfischerei mehr als bisher unterstützt werden muß.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich habe bereits im vorigen Jahre anerkannt, daß sich die Fischereibevölkerung zum größeren Teile nicht in glänzender Lage befindet, und daß es Aufgabe der Staatsregierung sein muß, auch sie so weit wie möglich zu unterstützen. Eine Reihe der hier gestellten Anfragen und geäußerten Wünsche werden sich des näheren bei der bevorstehenden Beratung des Fischereigesetzes und auch des Wassergesetzes eingehender erörtern und erledigen lassen.

Die landwirtschaftliche Verwaltung war nicht in der Lage, schon jetzt eine Veröffentlichung des Entwurfs eines Fischereigesetzes vor⸗ zunehmen, weil er noch Gegenstand der Verhandlungen zwischen den einzelnen Ressorts ist. Die Verhandlungen sind aber so gefördert worden, daß es möglich sein wird, das Fischereigesetz auch noch in dieser Session vorzulegen. Das ist, wie ich schon früher bemerkt habe, schon aus dem Grunde wünschenswert, weil das Fischereigesetz in viel⸗ facher Beziehung mit dem Wassergesetz steht.

Was sodann die Anträge anbetrifft, daß Mittel bereit gehalten werden möchten „zur Wiederbevölkerung der Gewässer, deren Fisch⸗ bestände infolge der Dürre des vergangenen Jahres erheblich gelitten haben oder zugrunde gegangen sind“, so kann ich nur bemerken, daß

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spezielle Anträge für diese Zwecke bisher beim Landwirtschafts⸗ ministerium nicht eingegangen sind. Wenn sie aber vorgelegt werden, so werden sie wohlwollend geprüft und nach Lage der verfügbaren Mittel auch berücksichtigt werden.

Was sodann die Wünsche des Herrn Abg. von Maltzahn angeht, so haben sie sich, wenn ich recht unterrichtet bin, auf die Förderung der Ostseefischerei und auf die Frage bezogen, inwieweit ein Fischzoll dieser Fischerei in Zukunft helfen könnte. Letzteres ist ja weniger Sache des Landtags als vielmehr des Reichstags. Aber ich möchte doch auch hier mein Bedenken äußern, ob dieser Weg unter den gegen⸗ wärtigen Verhältnissen gangbar erscheint. Daß im übrigen aber nichts versäumt werden wird, um der Ostseefischerei zu helfen, das brauche ich wohl nicht noch ausdrücklich zu versichern.

Abg. Heine (nl.): Der Minister hat im vorigen Jahre zu⸗ gesagt, daß für den Fall eines Fischsterbens Sachverständige an Ort und Stelle geschickt werden sollen. Er hat diese Zusage auch erfüllt, und wir danken ihm dafür. Dem Antrage stimmen wir zu, er ist uns sehr sympathisch. Nach der Zusage des Ministers können wir auch hoffen, daß die Hilfe gewährt wird.

Abg. Tourneau (Zentr.): Die Endlaugen der Kaliindustrie haben der Fischerei und der Landwirtschaft viel Schaden zugefügt. In Magdeburg hat eine Versammlung von Interessenten statt⸗ gefunden, die energisch gegen diese Verunreinigung besonders der thüringischen Flüsse Protest erhoben hat. Wir wünschen die Förderung der Kaliindustrie. Aber es ist möglich, die Endlaugen auf chemischem Wege zu beseitigen. Das nene Wassergesetz und das schereigeses muß im Interesse der Beteiligten hier eine Regelung

affen.

5 Abg. Hirsch⸗Berlin (Soz.): Den Antrag können wir im Interesse der Fischerei warm unterstützen. Wenn die Fischerei⸗ vereinigung von Vorpommern für einen Schutzzoll auf Fische ein⸗ getreten sein soll, so steht dem z. B. ein Beschluß der Fischer der Frischen Nehrung entgegen, die gegen diese Forderung energisch protestiert haben. Gewiß muß alles, was in unseren Kräften steht, für die Hebung der Fischerei getan werden.

Abg. Ramdohr (freikons.): Ich möchte bitten, daß die Mergel⸗ kuhlen das sind Fischgewässer, in denen Krebse, Welse und Aale sich aufhalten mehr gepflegt werden. Wir in Ostpreußen haben dadurch uns den schönsten Krebsbestand durch alle die traurigen Zeiten hindurch erhalten.

Abg. Waldstein (fortschr. Volksp.): Die Fischer an der Unterelbe, welche durch Verlegung der Fischplätze geschädigt worden sind, müssen entschädigt werden. Es ist zu begrüßen, daß in den Fonds zur Hebung der Fischerei 10 000 mehr eingestellt sind, besonders daß die Aussetzung von Aalsetzlingen in den Flußläufen wirksamer gefördert werden soll.

Der Antrag Kesternich wird der Agrarkommission überwiesen.

Zu dem Kapitel ñ Landesmeliorationen, Moor⸗, Deich⸗, üftt unbd FgHeol“ „Denkschrift über die Moorkultur und die Moorbesiedlung in Preußen“ vor, über die zunächst gesondert beraten wird.

Die Budgetkommission beantragt, diese Denkschrift durch Kenntnisnahme für erledigt zu erklären.

„Abg. Dr. Iderhoff (freikons.): Es gibt nicht weniger als 655 000 ha. Moore, die durch Meliorationen der Landwirtschaft dienstbar gemacht werden sollen. Davon entfällt allein die Hälfte auf die Provinz Hannover. Es ist hier Aufgabe des Staates, ein⸗ zugreifen. Denn den Privatbesitzern fehlt meistens das Kapital, um die Oedländexeien selbst zu kultivieren. Es ist die Frage, ob nicht durch Genossenschaften hier manches erreicht werden könnte. Nach der Denkschrift ist nun vorgesehen, für Hannover ein „Oedlandskulturamt“ zu schaffen, an dessen Spitze ein höherer Verwaltungsbeamter gestellt werden soll. Die Hauptaufgabe dieses Kulturamtes wird es in erster Linie sein, anregend auf die Oedland besitzende Bevölkerung zu wirken. Nach den Erfahrungen, die die landwirtschaftliche Verwaltung mit der Kultivierung der Oedländereien gemacht hat, dürfen wir zuversichtlich erwarten, daß die auf diesem Gebiete gemachten Fehler künftig vermieden werden. Holland, wo allerdings die Löhne niedriger sind als bei uns, und das benachbarte Oldenburg haben uns wesentlich überflügelt. Die Kanäle sind bisher recht unpraktisch hergestellt worden, wenigstens für die eigentliche Kolonisation, indem man ihnen nicht die genügende Tiefe gegeben hat. Diese Kanäle sollten schiffbar sein. Ebenso müßte dafür gesorgt werden, daß nicht ein Raubbau mit den Moorflächen getrieben wird. Die Häuser sollten nicht auf Moor gebaut, sondern auf festen Boden gestellt werden, damit sie nicht Risse bekommen und zu hygienischen Bedenken Anlaß geben. Die öffentliche rechtlichen Anstalten, wie Kirchen und Schulen, sollten vorweg aus den zur Disposition stehenden Mitteln erbaut werden. Bei der Veräußerung der fiskalischen Moore sollte die Verwaltung sich mit einem angemessenen Preise begnügen, ander⸗ seits aber nicht dulden, daß mit den Mooren Spekulation getrieben wird. Sehr erfreulich ist, daß die Moore in Hannvver industriell verwertet, z. B. zur Vergasung benutzt werden. Die ostfriesische Landschaft könnte sehr nützlich wirken, wenn sie dazu helfen würde, daß nicht blo kleine, sondern auch mittlere und größere bäuerliche Stellen errichtet werden. Wir freuen uns, daß der Minister ent⸗ schlossen ist, die Lösung aller dieser Aufgaben energisch in die Hand zu nehmen, werden ihn gern dabei unterstützen und darauf ver⸗ trauen, daß sein Vorgehen von sichtbaren Erfolgen gekrönt sein werde.

Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Nachdem die Denkschrift über die Moorkultur diesem hohen Hause vorgelegt worden ist und mir bereits Gelegenheit geboten war, mich in der Budgetkommission eingehender und ausführ⸗ licher über die weiteren Absichten der landwirtschaftlichen Verwaltung auszusprechen, glaube ich, mich im gegenwärtigen Stadium der Dis⸗ kussion einigermaßen kurz fassen zu können.

Ich bin auf die Vorwürfe, welche gegen die preußische Staats⸗ regierung wegen ihres langsamen und ungenügenden Vorgehens auf dem Gebiete der Moorkultur und der Moorbesiedlung in den früheren Jahren erhoben worden sind, bereits in der Budgetkommission ein⸗ gegangen und habe auf die große Summe von 440 Millionen Mark hingewiesen, welche die preußische Staatsregierung seit dem Jahre 1856 allein für Meliorationen verausgabt hat, für Meliorationen, die nicht zum kleinsten Teile auch der Kultur von Niederungsmoor zugute gekommen sind. Ich habe hingewiesen auf die gewaltigen Kanalbauten in der Provinz Hannover und vor allem auch darauf, daß die für die Erforschung und Kultur der Moore so bedeutsame Moorversuchsstation in Bremen und auch die Anstalt der Landwirtschaftskammer für die Provinz Pommern in Neuhammerstein nahezu ausschließlich aus Staatsmitteln unterhalten werden. Also an Opfern und Beihilfen hat es die Staats⸗ regierung in den vergangenen Jahren kaum fehlen lassen. Aber wir haben uns in der Frage der Moorkultur doch auch bis in die letzte Zeit hinein noch in dem Stadium der Entwicklung und der Forschung befunden! Wenn die preußische Staatsregierung vielleicht vor 15 oder auch noch vor 10 Jahren eine umfassendere Kultur der Hochmoore unternommen hätte, hätten sich die Fehler und die mihglückten Versuche, die ihr

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