1912 / 43 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 Feb 1912 18:00:01 GMT) scan diff

wird Vertagung beschlossen. Persönlich bemerkt der 8 Abg. Gothein (fortschr. Volksp.), daß die Rede des Grafen Westarp bewiesen habe, daß dieser im Kopfrechnen schwach und er, Redner, stark sei. h

Abg. Graf Westarp (bkons.) erwidert, er habe am 4. Dezember den Eindruck gehabt, S; ihm der Abg. Gothein in der Fixigkeit über war, aber nicht in der Richtigkeit.

Schluß gegen 6 Uhr. Nächste Sitzung Freitag 1 Uhr (Fortsetzung der ersten Beratung des Etats). 8

ng vom 15. Februar 1912, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sitzung, in der zunächst die Beratung über die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben des Etats der landwirtschaftlichen Verwaltung, und zwar die Besprechung der inneren Kolonisation und der dazu vorliegenden Denkschrift über die Verwendung des Fonds zur Förderung der inneren Kolonisation in den Provinzen Ost⸗ preußen und Pommern und dem Regierungsbezirk Frank⸗ furt a. O., fortgesetzt wird, ist in der gestrigen Nummer d. Bl.

berichtet worden. Abg. von Kardorff (freikons.), fortfahrend: Es gibt eine ländlichen Arbeitern

Gemeinsamkeit der Interessen zwischen den und Arbeitgebern. Der Sozialdemokrat Arthur Schulz erkennt dies in einem Artikel der „Sozialistischen Monatshefte“ auch an, indem er darauf hinweist, daß die Sozialdemokratie auf dem Lande weit mehr schaffen könnte, wenn die Landarbeiter wüßten, daß sie für einen entschiedenen Schutz gegen Seuchen und für die Schutz⸗ zollpolitik einträte. Allerdings sind bei der Frage der Ansiedlung noch manche Schwierigkeiten zu lösen. Besonders der umfang⸗ reiche bureaukratische Apparat wirkt hemmend, auch die Frage der Armenlasten. Aber das, was der Abg. Crüger gesagt hat, daß der Großgrundbesitz sich in seiner wirtschaftlichen Lage beein⸗ trächtigt fühle, trifft nicht zu, das zeugt von einer vollständigen Ver⸗ kennung der Tatsachen. Niemand hat ein größeres Interesse an der Förderung der inneren Kolonisation als der Großgrundbesitz. Das geht klar hervor aus den Verhandlungen, die neulich im Landes⸗ ökonomiekollegium gepflogen worden sind. Da sind Professor Sering und der Abg. von Wangenheim für die innere Kolonisation eingetreten. Professor Sering betonte, daß die Fideikommiß⸗ bildung einer ernsten Regelung und Einschränkung bedürfe, und der Führer des Bundes der Landwirte bezeichnete es als einen durchaus erwägenswerten Gedanken, gegen das Uebermaß der Lati⸗ fundienbildung mit einer zwangsweisen Kolonisation vorzugehen. Dann ist gesagt worden, daß die ganze Wirtschaftspolitik der inneren Kolonisation hinderlich im Wege stehe. Das öbG ist der all. Die Schutzzollpolitik hat der Landwirtschaft! geholfen. er sozialdemokratische Schriftsteller Schippel hat im vorigen Jahre in einem Artikel anerkannt, daß die Landwirtschaft durch die Schutzzollpolitik vor dem vollständigen Zusammenbruch bewahrt worden ist. In der aufsteigenden Entwicklung der Laͤndwirtschaft sind wir noch nicht am Ende angekommen, es eröffnen sich dem Aufblühen der Landwirtschaft noch vie le Perspektiven. Wenn man durch eine innere Kolonisation einen neuen Bauernstand schaffen will, dann muß man eine Politik treiben, die zunächst den alten Bauern⸗ stand erhält. Die Vorurteile gegen eine Förderung der inneren Kolonisation sind heute im Schwinden begriffen. Die Notwendigkeit einer planmäßigen und energischen derung der inneren Kolonifation wird nahbezu von allen bürgerlichen Parteien anerkannt. Itch kann den Landwirtschaftsminister nur bitten, daß er mit der gleichen Energie, mit der er die Frage der Kultivierung der Moore angegriffen hat, auch diese Frage angreifen möge. Er wird sich dadurch nicht nur den Dank des Hauses, sondern ein dauerndes Verdienst um den preußischen Staat erwerben. 1 Abg. Hoffmann (Soz.): Die 1 ½ Millionen, die hier eirmalig

ausgeworfen sind, werden ein Tropfen auf einen beißen Stein sein, solange man der inneren Kolonisation keine vernünftigen Grundsätze zugrunde legt, sondern sie in der einen Gegend zur Polenverfolgung, in der anden zur Aufrechterhaltung der Hörigkeit benutzt. Man wi d auch die Landflucht damit nicht verringern, die Liebe zum Lande und zur freien Natur wird man auf diesem Wege nicht erzeugen

Das Verständnis der Herren von der Rechten reicht in dieser Frage nur so weit, als es sich darum handelt, den Arbeiter an die Scholle zu fesseln und ihn in dauernder Abhängigkeit zu erhalten; sonst verlieren sie gänzlich die Lust an der inneren Kolonisation. In der Beurteilung des Grund⸗ und Bodenwuchers in den Großstädten stimmen wir dem Abg. von der Osten durchaus ber; aber dasselbe spielt sich auch auf dem platten Lande ab. Durch Zölle und indirekte Steuern wird der Wert des Grund und Bodens verteuert, der nächste Käufer kann also mit den gleichen Zöllen und Steuern nicht mehr auskommen, er fordert neue, und so wird das Lied von der notleidenden Landwirtschaft nie verstummen. In den Städten haben wir dieselbe Ersch inung in den Hausagrariern; die Bodenspekulanten und die Hausagrarier machen sich die Früchte der Tätigkeit der Allgemeinheit, des nerktätigen Volkes zunutze, und die Früchte dieser Tätigkeit von Millionen fließen in die Taschen einiger weniger, es ist genau ebenso, wie es die Junker auf dem Lande machen. Das wird nicht eher anders werden, als bis der gesamte Grund und Boden verstaatlicht ist. (Lachen rechts.) Sie haben über manches gelacht, was nachher doch eingetreten ist, und es wird auch einmal dieser Tag kommen. Die innere Kolonisation scheitert heute an der Macht der Junker auf dem Lande und der Bodenspekulanten und Hausagrarier in den Städten. Ich verweise lediglich auf das Hausbesitzerpriv leg in den Geme’inde⸗ vertretungen. Diese Rechte sind so ausgestaltet, daß der Arbeiter, der kleine Gewerbetreibende auf Gnade und Ungnade der Ausbeutung durch die Privilegierten preisgegeben ist; und da wollen Sie die Be⸗ völkerung wirklich glauben machen, daß Sie innere Kolonisation treiben wollen? Der Abg. von der Osten verlangt, der preußische Staat solle die Führung in dieser Frage übernehmen. Dasselbe Preußen, welches ein sosches Privilegiertenwahlunrecht hat! Die Junker und Hausagrarier haben doch den größten Teil des Landes in Besitz, und da spricht man von Bodenverteilung! Man wird nach wie vor die Kleinen aufsaugen, die Kleinen werden verschwinden, und dann kommen dieselben Junker und Hausagrarier und sagen uns nach, wir vernichteten den Bauernstand. Der Abg. von der Osten ließ allerdings den Pferdefuß sofort durchblicken; er wollte, daß den so subventionierten angesiedelten Arbeitern der Wiederverkauf verboten werde. Da liegt der Hase im Pfeffer; es soll eben bei der Hörigkeit, bei der Fesselung an die Scholle bleiben, damit will man den Arbeiter widerstandslos machen. Der billige Staatskredit, den man den Arbeitern offerieren soll, würde sehr bald, z. B. von einem Herrn von Jagow mit dem Treueid gegen den König identifiziert werden. Sorgen Sie für vernünftige Zustände, graben Sie der Tuberkulose auf dem Lande und in den Städten den Boden ab, dann wird es besser werden. Die ungeheure Arbeitslosigkeit in den Großstädten ist eine Folge unserer kapitalistischen Produktions⸗ weise. Die 5600 Obdachlosen, die täglich im städtischen Asyl Unter⸗ kunft suchen, sind traurige Wirklichkeit; wir müssen immer neue Baracken bauen, um den Zustrom aufzunehmen. Es sind aber keines⸗ wegs durchweg Arbeitslose, wie der Abg. von der Osten meint, sondern auch eine große Zahl Arbe tsschwache, die körperlich so herunter⸗ eksommen sind, daß sie überhaupt keine Arbeit mehr verrichten können. 8 sind ferner massenhaft Altersschwache und Krüppel, die eigentlich in die Hospitäler gehoren. Berlin kann aber so, viele Kranken⸗ häuser gar nicht bauen. Drei Viertel bis vier Fünftel der Obdachlosen

in Berlin sind gar nicht aus Berlin, sondern sie sind aus der Um⸗ gegend nach Berlin abgeschoben. Sie werden von den Ritterguts⸗ besitzern nach Berlin geschickt; sogar schwangere Mädchen, die von den Gutsbesitzern selbst geschwänge t sind, hat man nach Berlin in das Obdach g schickt. (Präsident Dr. Freiherr von Erffa bittet den Redner, lediglich über die innere Kolonisation zu sprechen.) Wir werden doch an die Landarbeiter hesankommen, Sie (zur Rechten) treiben sie uns selbst in die Arme. Ein Vertrauensverhältnis zwischen

den Grundbesitzern und den Arbeitern kann nicht aufkommen bei der

unwürdigen Art, wie auf dem Lande die Arbeiter behandelt werden,

wo die Reitpeitsche herrscht. Sie werden weder den Landarbeitern,

noch den Industriearbeitern auf diesem Gebiete gerecht werden;

das zeigt die ganze Art, wie die Verwaltung die innere Kolonisation

auffaßt. Man klagt über Arbeitermangel auf dem Lande, aber

der Zug von der Stadt aufs Land wird geradezu gehindert; es

haben sich überall um die Großstädte herum auf kleinen Stellen

Arbeiterkolonien gebildet, aber anstalt daß Staat und Gemeinde diese

Bewegung unterstützen und Land dazu kaufen und zur Verfügung

stellen, läßt man das Land in die Hände von Bodenspekulanten kommen.

Welche Schwierigkeiten werden den Gemeinden, z. B., in der Nähe

von Berlin, nicht bei der Bewilligung der Bebauungspläne für solche

Kolonien gemacht! Selbst den Sommerkolonisten, die nur eine kleine

Parzelle kaufen, um für den Sommer einen ganz bescheidenen Auf⸗

enthalt draußen zu haben, wird das Leben dort durch die Bureaukratie

möglichst vergällt und verekelt. Diese Nadelstichpolitik treibt uns

immer neue Anhänger zu. (Zwischenruf rechts.) Gewiß kann uns

das nur angenehm sein, aber wenn so die Leute zu uns getrieben

werden, haben wir erst recht die Pflicht, diese Politik zu bekämpfen.

Wenn sich ein Mann ein kleines Grundstuück kauft und ein tleines

Häuschen errichtet, kommt zuerst die Steuerbehörde und veranlagt ihn

zur Grund⸗ und Gebäudesteuer, aber dann kommt der Amtsvorsteher und verbietet die Benutzung dieses Häutchens für Wohnzwecke oder zum

Uebernachten, weil es an einer noch nicht regulierten Straße liege,

und droht für den Fall der Zuwiderhandlung eine Geldstrafe von

60 oder eine sechstaägige Haft an. Die Leute darben und hungern sich das Geld ab, um für ihre Familien einen solchen Aufenthalt draußen auf dem Lande zu schaffen, aber die Eisenbahnverwaltung unterstützt das nicht, die Arbeiterkarten gelten nicht für die kauf⸗ männischen Angestellten, die arme Verkäuferin muß eine Monatskarte nehmen. Nehmen Sie lieber die Hälfte der Summen, die Sie in die afrikanischen Sümpfe stecken, und verwenden Sie sie für die innere Kolonisa ion, dann werden Sie ein blühendes Vaterland haben, dann wird die Knechtschaft der Arbeiter, aber auch zugleich Ihr Hochmut und Ihre Unterdrückungspolitik zu Ende sein.

Präsident Dr. Freiherr von Erffa: Wenn Sie den Ausdruck „Hochmut“ auf die Anwesenden bezogen haben, so war das durchaus unparlamentarisch. (Abg. Hoffmann: Aber zutreffend!)

Abg. Rosenow (fortschr. Volksp.): An und für sich ist es ein sehr erfreuliches Zeichen, daß sich jetzt alle Parteien in dem Gedanken der Anstedlung einig sind. Aber es fragt sich nur, was soll geschehen. Da wird von allen Seiten der Regierung ans Herz gelegt, den Worten Taten folgen zu lassen, damit wir einen blühenden Bauern⸗ stand schaffen können. Dem Beispiel des Abg. von Arnim, der seine Arbeiter angesiedelt hat, müßte allgemein gefolgt werden. Es wird sich hier dasselbe zeigen, wie in der Industrie; überall, wo die In⸗ dustrie für Arbeiterwohnungen gesorgt hat, entwickelt sich ein zu⸗ friedener Arbeiterstand. Wir sind durchaus der Meinung, daß auch 88. gsoen Städte, die Grundbesitz haben, verpflichtet sind, mit gutem Beispiel in der Arbeiteransiedlung voranzugehen. Der Abg. von der Osten wandte sich dagegen, daß man den Großgrundbesitz für alles ver⸗ antwortlich mache, und fuhr fort: was würde der Liberalismus sagen, wenn man z. B. die Juden herausgriffe und sie allein für schuldig an allem erklärte. Diese Entgleisung suchte er dann gut zu machen, indem er hinzufügte „oder die Bankdirektoren“. Auch mit dieser Be⸗ merkung ist der Abg. von der Osten wieder entaleist. Es ist völlig unrichtig, daß Bankdirektoren in nennenswerter Zahl Juden seien. (Zuruf rechts: Ist ja auch gar nicht behauptet worden!) Das war von dem Abg. von der Osten ganz deplaciert. Wir greifen ja auch nicht den Großgrundbesitz an, sondern nur seine Taten; wir ver⸗ urteilen, daß er für sich Sondervorteile herausschlagen will, die Liebes⸗ gaben und die anderen gesetzlichen Maßnahmen. Die Klagen über eine Hinderung der inneren Kolonisation, die gestern worden sind, treffen vor allen Dingen die Verwaltung. Der Minister würde sich ein großes Verdienst erwerben, wenn er z. B. eine Aenderung der Bauordnung erreichen würde.

Miiniter für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Nachdem die Bedeutung und die Notwendigkeit der inneren Kolonisation wie früher, so auch heute von allen Seiten gewürdigt und anerkannt worden ist, glaube ich, mich meinerseits darauf beschränken zu können, auf die von der Staatsregierung auf diesem Gebiete getroffenen und in Aussicht genommenen Maßnahmen und ebenso auf die der Staatsregierung gemachten Vorwürfe mit mit einigen. Worten einzugehen. Gegenüber den Leistungen der preußischen Regierung hat am gestrigen Tage der Herr Abgeordnete von der Osten auf Dänemark verwiesen und hervorgehoben, daß Dänemark verhältnismäßig größere Opfer bringe und die innere Kolonisation besser befördere, als es bisher in Preußen der Fall gew sen sei. Ich habe mir zusammenstellen lassen, was Dänemark in dem Zeitraum von 5 Jahren, also von 1900 bis 1905 für dtie Kleinsiedlung geleistet hat, und da stellt sich die Gesamtleistung des Staates auf 6 ½ Millionen Kronen, die mit 3 % verzinst werden und nach 5 Jahren auch amor⸗ tisiert werden müssen. Die Anzahl der bis zum Jahre 1905 ge⸗ schaffenen Stellen beziffert sich im ganzen auf 1856. Ich bitte dem gegenüberhalten zu dürfen, daß in Preußen nach dem Stande vom Dezember 1911 seit dem Jahre 1891 das ist das Jahr des Inkrafttretens des Rentengutsgesetzes ca. 160 000 000 Rentenbriefe für Rentengüter ausgegeben worden sind, und daß außerdem seit dem Jahre 1905 der 2⸗Millionenkredit in den Etat eingestellt worden ist, dessen Leistung sich also heute auf 13 000 000 beziffert, und daß ferner zur Bewilligung der nötigen Zwischenkredite 15 Millionen Mark bereit gestellt worden sind, die durch ein besonderes Gesetz in diesem Jahre um weitere 5 Millionen erhöht werden sollen. Das, meine Herren⸗ sind die finanziellen Leistungen. Was den Erfolg angeht, so beträgt die Anzahl der gegründeten Siedlungen am Schlusse des Jahres 1911 im ganzen 18 195, wozu noch weitere 633 Rentengüter kommen, für welche Vorverträge schon abgeschlossen worden sind. Ganz außer acht gelassen sind bei dieser Zusammenstellung und den genannten Kosten die Aufwendungen der Ansiedlungskommission in Posen und das⸗ jenige, was sie in einer jetzt mehr als 25 jährigen Tätigkeit auf dem Gebiete der Besiedlung erreicht hat.

Wenn Klagen darüber geführt werden, daß das Rentengutsver⸗ fahren gewisse Schwierigkeiten aufweise und unter den Ansiedlern und überhaupt in der Bevölkerung nicht recht verstanden werde, so gebe ich ohne weiteres zu, daß es für Fernstehende nicht ganz leicht ist, sich in den Gang dieses Verfahrens einzuarbeiten. Nachdem aber seit einer langen Reihe von Jahren mit diesem Gesetz gearbeitet worden ist, haben sowohl die Behörden wie auch die Besiedlungsgesellschaften, die Gemeinden und die Kreise sich

mit diesem Gesetze abgefunden, und man wird nicht mehr behaupten

können, daß an sich durch die Bestimmungen dieses Gesetzes der Fort⸗ schritt der inneren Kolonisation verzögert werde. Die gewissen ich will sie so nennen bureaukratischen Be⸗

stimmungen haben ihren Grund darin, daß eben der Staat nicht direkt

bares Geld für die Rentengüter gibt, sondern daß er das Geld be⸗ schafftt im Wege des Rentenbriefkredits, durch Ausgabe von Renten⸗ briefen; um diese Rentenbriefe kursfähig zu erhalten und als sicheres Papier auf dem Markte erscheinen zu lassen, sind eben diese in dem Gesetze vorgesehenen Bestimmungen unumgänglich notwendig. Ich möchte gleich bei dieser Gelegenheit die teuren Bauten er⸗ wähnen, die von einem der Herren Vorredner gerügt worden sind. Ich will zugeben, daß in einzelnen Fällen und besonders von Privaten Herr Abg. von Arnim hat ja aus eigener Erfahrung ein derartiges Beispiel angeführt billiger gebaut worden ist und gebaut werden kann. Aber in einer ganzen Reihe von Fällen in Ostpreußen z. B., wo in den letzten Jahren viel besiedelt worden ist, ist das die Regel bauen die Rentengutserwerber selbst, und man kann wohl annehmen, daß sie auch bemüht sind, so billig wie möglich zu bauen; jedenfalls wird ihnen seitens der die Rentengüter ausgebenden Instanzen jede nur mögliche Erleichterung gewährt. Was nun die Arbeiteransiedlungen angeht, meine Herren, so habe ich bereits in der Budgetkommission eine Nachweisung vorgelegt, auf welche gestern auch der Herr Abg. Gyßling Bezug genommen hat. Aus dieser Nachweisung ergibt sich, daß im ganzen preußischen Staate seit dem Jahre 1907 im ganzen 2775 Arbeiter⸗ ansiedlungen gegründet worden sind, von denen 1266 auf ländliche und 1509 auf industrielle Arbeiter entfallen. Allein auf das Jahr 1911 kommen 381 ländliche und 283 industrielle Arbeiteransiedlungen. Daß die Arbeiteransiedlung in den letzten Jahren Fortschritte gemacht hat, läßt nicht allein diese Nachweisung, auf die ich eben Bezug genommen habe, sondern auch der Bericht erkennen, den die Ostpreußische Land⸗ gesellschaft zu Königsberg für die Zeit vom 1. April 1910 bis⸗ 31. März 1911 erstattet hat. In diesem Bericht ist ausgeführt, daß⸗ besonders die Vermehrung der Arbeiterstellen unter 1,5 ha zu beachten ist. Während bis zum 1. April 1910 in rund 4 ½ Jahren überhaupt nur 67 derartige Stellen besiedelt werden konnten, ist es gelungen, im Berichtsjahre allein 47 Landarbeiter anzusetzen. Also auch hier ein nicht unerheblicher und jedenfalls sehr erfreulicher Forrschritt. (Zuruf links: Ein langsamer!) Gestern ist die Frage aufgeworfen worden, wie sich die Arbeiter⸗ ansiedlungen auf die einzelnen Provinzen verteilen. Meine Herren, das geht ebenfalls aus der mir vorliegenden Nachweisung hervor. Ich will nur einige Provinzen namhaft machen. Von den landwirt⸗ schaftlichen Arbeiterstellen entfallen auf die Provinzen Ostpreußen 233, Pommern 224, Posen 148, Schleswig⸗Holstein 186 und Hannover 268, also größtenteils auf solche Provinzen, in denen besonders über den Mangel landwirtschaftlicher Arbeiter geklagt worden ist. Nun haben sowohl der Herr Abg. Crüger als auch der Vertreter der sozialdemokratischen Partei die Art und Weise der Arbeiter⸗ ansiedlung und vor allen Dingen auch die Grundsätze bemängelt, nach denen sie erfolgt. Zur Bestreitung der von den vorgenannten Rednern erhobenen Einwendungen möchte ich mich auf den Erlaß vom 10. August 1909 berufen, in welchem die Grundsätze für die Ge⸗ währung von Staatsbeihilfen zur Ansiedlung von Landarbeitern im Wege der Rentengutsbildung bekannt gegeben worden sind. Der erste Satz dieses Erlasses lautet: Der anzusiedelnde Landarbeiter darf nicht in ein derartiges Abhängigkeitsverhältnis zu einzelnen Arbeitgebern gebracht werden, daß er sich persönlich oder wirtschaftlich unfrei fühlt, vielmehr darf die freie Verwertung der Arbeitskraft des Ansiedlers auf dem Arbeitsmarkte nicht beschränkt werden. G

Dann heißt es unter Nr. 4: 1 LE Voraussetzung jeder Arbeiteransiedlung ist das Vorhandensein dauernder Arbeitsgelegenheit, und zwar nicht bloß bei einem einzigen Arbeitgeber.

Unter 5 heißt es: In der Regel ist der Landarbeiter in Gemeinden anzusiedeln, weil hier die Bedingungen für seine soziale, genossenschaftliche und gesell⸗ schaftliche Betätigung günstiger sind. Ansiedlung in Gutsbezirken wird in der Regel nur dann zuzulassen sein, wenn die Lage der Stelle zu einer benachbarten Ortschaft bequeme Beziehungen ge⸗ stattet. Auch in diesem Falle ist tunlichst der Anschluß an Ge⸗ meinden, und zwar vor Errichtung der Stelle, zu sichern. Auf die Nähe der Schule ist besonderes Gewicht zu legen.

Meine Herren, ich will mich auf die Bekanntgabe dieser Bestim⸗ mungen beschränken. Ich glaube nicht, daß man ihnen den Vorwurf machen kann, daß sie darauf abzielen, den Arbeiter in Knechtschaft und Hörigkeit zu bringen. (Sehr wahr! rechts Abg. Hoffmann: Praxis!) Ihr Wortlaut könnte gerade so gut auf dem Bureau der freisinnigen Volkspartei oder der Sozialdemokraten ausgearbeitet worden sein. (Lebhafte Zustimmung rechts und im Zentrum Lachen links Abg. Hoffmann: Bet Krupp!)

Meine Herren, ich wende mich nun der Frage der weiteren Hergabe von Domänen zu. In der Budgetkommission habe ich darüber bereits Zahlen mitgeteilt; ich habe eine Nachweisung vorgelegt, aus der sich ergibt, daß seit dem Jahre 1891. einschließlich 10 151 ha Pachtland, im ganzen 34 136 ha. staatlicherseiis an Domänen und domaänenfiskalischen Liegen⸗ schaften für die Zwecke der Besiedlung zur Verfügung gestellt sind. Meine Herren, das ist immerhin etwas. Aber es ist ohne weiteres anzuerkennen, daß es noch nicht genug ist, und daß der Staat jedenfalls die Verpflichtung hat, aus dem sehr großen und in letzter Zeit nicht unbedeutend vermehrten Domänenbesitze auch entsprechendes Land für die Zwecke der Besiedlung zur Verfügung zu stellen. Wir werden uns dieser Verpflichtung nicht entziehen! Wir haben gerade durch die Verhandlungen des vergangenen Jahres mit den verschiedenen Be⸗ siedlungsgesellschaften auch schon den Beweis erbracht, daß die Domänen⸗ verwaltung, soweit es möglich und finanziell gerechtfertigt ist, auch gern bereit ist, Domänen für die Zwecke der Besiedlung zur Ver⸗ fügung zu stellen.

Aber, meine Herren, eine Schwierigkeit entsteht durch die Preisbemessung. Wenn wir auch, soweit wie es gegenüber dem Herrn Finanzminister zu verantworten ist, bei der Schätzung der Domänen ungemessene Preise fernzuhalten suchen, so stellt sich doch das Gesamtresultat der Bewertung mancher Domänen so, daß die Besiedlungsgesellschaften nicht in der Lage sind, zu diesem Preise eine Domäne derart aufzuteilen, daß die Ansiedler unter er⸗

träglichen Bedingungen angesetzt werden können, wenn nicht die Be⸗

siedlungsgesellschaft ihrerseits wieder erhebliche Einbuße erleiden will. Die Differenzen in einzelnen Fällen haben bis zu 100 000 zwischen der Schätzung der Domänenverwaltung, die an sich schon mäßig genannt werden mußte, und der Schätzung der Besiedlungsgesellschaften betragen. In anderen Fällen ist es gelungen, sich über die Differenzen zu einigen. Wenn aber der Staat in größerem Umfange Domänen zur Ver⸗ fügung stellen soll, dann muß ein Ausweg gefunden werden, um die Differenzen zwischen den Schätzungen der Domänenverwaltung und der Besiedlungsgesellschaften auszugleichen. Würde der Staat lediglich seinerseits die Preise so berabsetzen, daß die Besiedlungsgesell⸗ schaften zu diesen Preisen kaufen könnten, so würde er nicht im Sinne der Domänenverwaltung und der Finanzverwaltung handeln, und es würde bei einer späteren Beurteilung seiner Leistungen gar nicht in die Erscheinung treten, daß er tatsächlich durch eine entsprechende Herabsetzung des Preises eine nicht unerhebliche Summe im einzelnen Falle zur Besiedlung beigetragen hat.

Meine Herren, ich sehe einen Ausweg nur in doppelter Weise: entweder daß in den kommenden Etats ein besonderer Fonds bereit⸗ gestellt wird, eine Art Ausgleichsfonds, aus dem diese Differenzen zwischen der Forderung der Domänenverwaltung und dem Gebot der Besiedlungsgesellschaften beglichen werden können, oder, was auf dasselbe herauskommen würde: die staatlichen Leistungen für die Besiedlungsgesellschaften müssen so erhöht werden, daß die Be⸗ siedlungsgesellschaften auch in der Lage sind, die von der Domänen⸗ verwaltung als angemessen erkannten Preise zu zahlen. Nach dieser Richtung hin werden sich die weiteren Erwägungen und Verhandlungen bewegen müssen. 1

Meine Herren, nun ist der Großgrundbesitz von verschiedenen Rednern als Hindernis der inneren Kolonisation bezeichnet, er ist von anderen Rednern auch schon in dieser Beziehung verteidigt worden. Ich möchte mich darauf beschränken, eine Statistik bekannt zu geben, die seinerzeit die landwirtschaftliche Verwaltung auf Grund eines Antrags des Abg. Engelbrecht aufgestellt hat. Diese Statistik erstreckt sich auf die Zeit bis zum Jahre 1907. Aus dieser Statistik geht hervor, daß in dem Zeitraum von 1895 bis 1907 die mittelbäuerlichen Besitzungen, also diejenigen in der Größe von 5 bis 20 ha, um 11,83 % zugenommen und die Großbetriebe, also diejenigen von 100 und über 100 ha, um 2,22 % abgenommen haben.

Meine Herren, das spricht jedenfalls nicht dafür, daß der Groß⸗ grundbesitz ein Hindernis für die weitere Zunahme der bäuerlichen Betriebe gewesen ist, und ich glaube, daß wir bei dem Entgegen⸗ kommen, das gerade von den Vertretern des Großgrundbesitzes, auch hier in diesem Hause, ausgesprochen und zum Teil auch durch Beweise schon belegt ist, die Hoffnung hegen dürfen, daß auch in Zukunft der Großgrundbesitz die ihm zweifellos obliegende Verpflichtung auch seinerseits für eine Vermehrung selbständiger landwirtschaftlicher Arbeiterstellen zu sorgen, nicht außer acht lassen wird.

Der Herr Abg. Dr. Crüger hat, wenn ich mich nicht irre, die Errichtung neuer Fideikommisse bemängelt. Ich möchte darauf in dieser Diskussion nicht näher eingehen, aber eins muß ich doch bemerken. Die in den letzten Jahren errichteten Fidei⸗ kommisse sind mit verschwindenden Ausnahmen lediglich im Osten der Monarchie, und zwar in denjenigen Landesteilen errichtet worden, die wir als national gefährdet bezeichnen müssen, die Errichtung resp. die Bestätigung dieser Fideikommisse hat wesentlich unter dem Gesichts⸗ punkt stattgefunden, daß es in diesen Bezirken auch darauf ankommt, einen großen deutschen Grundbesitz auch dauernd in der deutschen Hand zu erhalten. (Sehr richtig! rechts.)

1 Im übrigen, meine Herren, dürfen wir bei der Arbeiteransiedlung nicht außer acht lassen es ist das ja auch schon von verschiedenen Herren Vorredner hervorgehoben worden —, daß es ganz unmöglich ist, Arbeiter in großen Massen und ohne Beziehung zu bestehenden kommunalen Gebilden anzusiedeln. Wir würden, wenn wir diesen Weg beschritten, auf die Dauer eine Reihe leistungsunfähiger kommunaler Ge⸗ bilde hervorrufen und die Verantwortung nicht dafür übernehmen können, daß diese neu gegründeten Gemeinden in der Lage sind, die öffentlichen und sonstigen ihnen obliegenden Aufgaben auch wirklich zu erfüllen. Es ist deshalb der größte Wert darauf zu legen und soweit die staat⸗ lichen Beihilfen in Betracht kommen, ist das auch bisher geschehen —, die Arbeiteransiedlungen immer mit einer sonstigen bäuerlichen An⸗ siedlung mittleren und größeren Besitzes zu verbinden, um eben auf diese Weise die Arbeiter als solche leistungsfähiger zu machen und ihnen die kommunalen Lasten nach Möglichkeit zu erleichtern. Es war Herr Abg. Iderhoff der auch für die weitere Besiedlung der Moore ganz mit Recht diesen Gesichtspunkt hervorgehoben hat, und ich meine, daß wir bei aller Begeisterung für eine möglichst rasche und ausgiebige Arbeiteransiedlung doch diesen Gesichtspunkt niemals aus 8 Augen verlieren dürfen. Wir müssen dafür sorgen, daß auch die Arbeiter in möglichst leistungsfähigen Kommunen angesiedelt werden, und wir müssen sie auch so ansetzen, daß ihnen eine möglichst selbständige Arbeitsgelegenheit gegeben ist, sei es in der Nähe größerer Orte, oder in der Nähe größerer Güter, und, was sehr wichtig ist, in der Nähe von Forsten, wo sie in der Lage sind, auch im Winter lohnende Be⸗ schäftigung zu finden. (Bravo!l rechts.)

Meine Herren, wenn wir durch die innere Kolonisation vor allem die Vermehrung des bäuerlichen Besitzes, die Vermehrung der länd⸗ lichen Arbeiter zu erreichen suchen, so dürfen wir auf der anderen Seite auch nicht außer acht lassen, daß die innere Kolonisation weiter⸗ 8 gefährdet erscheint durch die zunehmende Abwanderung, die von Osten nach dem Westen stattfindet. Aus diesem Grunde müssen mit der inneren Kolonisation gleichzeitig die Besitzbefestigung, die weitere Entschuldung des Grundbesitzes und auch die Maßnahmen Hand in Hand gehen, welche die Staatsregierung gegen eine unzulässige, aus nationalen und wirtschaftlichen Gründen schädliche Zertrümmerung der Güter in Aussicht genommen hat.

Mieine Herren, im Dienste der inneren Kolonisation steht ge⸗ wissermaßen auch die Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes, und in Verbindung damit die Frage, ob auf dem Wege der Lebensver⸗ sicherung, wie es jetzt in den östlichen Provinzen geplant ist, auch zur Entschuldung des ländlichen Grundbesitzes beigetragen werden kann! So hat auch das Besitzbefestigungsverfahren, welches in den Provinzen Westpreußen und Posen durch die Bauern⸗ bank und die Mittelstandskasse stattfindet, sehr günstig auf die Er⸗ haltung des deutschen Besitzes gewirkt. Die Zahlen, die aus den letzten Jahren vorliegen, entkräften die Behauptung, daß die Erfolge dieser Institute nur auf dem Papier ständen. Sie beweisen, daß das Bedürfnis für eine weitere Besitzbefestigung, wie es aus der großen Zahl der gestellten und noch nicht befriedigten Anträge hervorgeht,

wirklich vorhanden ist! Damit ist der Beweis geliefert, daß sich die Staatsregierung mit diesem Vorgehen auf dem durchaus richtigen und hoffentlich auch erfolgreichen Wege befunden hat.

Die Staatsregierung wird zweifellos die in der heutigen Diskussion gegebenen Anregungen im Auge behalten. Sie wird sich den Pflichten nicht entziehen, die ihr in der weiteren Förderung der inneren Kolonisation erwachsen. Sie wird aber auch daran fest⸗ halten, daß die innere Kolonisation, soweit die Ostmark in Betracht kommt, auch nationale Aufgaben zu erfüllen hat (sehr richtig! bei den Freikonservativen), und sie wird deshalb darauf Bedacht nehmen, daß diese Aufgaben, so wie bisher, auch in nationalem Sinne gelöst werden. (Bravo! rechts.)

Hoffmann ist ein typischer Fall dafür, wie wenig die Sozial⸗ demokratie es vermag, sich in ruhiger, sachlicher Arbeit mit uns zu einigen. Es war eine Rede, die vielleicht für Volksversammlungen paßt, aber nicht für das hohe Haus. Der Abg. Crüger hat seine Angriffe nicht gegen einzelne Personen, sondern gegen die Großgrund⸗ besitzer allgemein erichtet. Ich wies deshalb darauf hin, daß es bedenklich wäre, solche Angriffe mit Personen oder Ständen zu identifizieren. Da sagte ich, was würden die Juden sagen, wenn man sie für einzelne Fehler allgemein verantwortlich machte. Der Abg. Rosenow warf ein: Ist das ein Stand? Der Einwurf war be⸗ rechtigt. Und deshalb sagte ich: Bankdirektoren! Die letzten Worte des Abg. Rosenow zeigen, daß er persönliche und sachliche Angriffe nicht auseinanderhalten kann. Das hat die Anwendung des Wortes „Liebesgabe“ gezeigt. Meine Ausführungen sollten aber nicht Unfrieden schüren, sondern dem Frieden dienen.

Damit schließt die Besprechung. Der Titel wird bewilligt und die Denkschrift durch Kenntnisnahme für erledigt erklärt. Bei der Beihilfe zur Regulierung der unteren Schwarzen Elster von Premsendorf abwärts tritt Abg. Delius sfortschr. Volksp.) für die Durchführung de Regulierung bis zur Mündung ein. Je mehr der Süechfüt sei, desto größer werde die Gefahr für die Unterelster. 222 Ein Regierungskommissar gibt zu, daß an der Schwarzen Elster sehr große Mißstände bestehen. Im Sommer habe eine Kommission das Gebiet bereist, um weitere Vorschläge zu machen. Es habe sich dabei gezeigt, daß die Maßnahmen, die schon getroffen seien, und die geplante Anlegung von Umflutern die Miß⸗ stände beseitigen würden. Wenn weitergegangen werden solle, dann würden sehr erhebliche Mittel nötig sein, zu deren Aufbringung ein Stromverband gegründet werden müsse. „Bei dem Fonds zur Durchführung des öffent⸗ lichen Wetterdienstes für Norddeutschland wünscht 1 Abg. Engelbrecht (freikons.) eine bessere Angliederung des Wetterdienstes an das Meteorologische Institut.

Die einmaligen und außerordentlichen Ausgaben werden

bewilligt. Damit ist der Landwirtschaftsetat erledigt.

Es folgt der Etat der Gestütverwaltung.

Bei den Einnahmen führt 8Rec; Heine (nl.) aus: Infolge der Entwicklung des Auto⸗ mobilwesens geht unzweifelhaft die Pferdezucht zurück; sie hält nicht mehr Schritt mit der Bevölkerung Deutschlands. Aber trotzdem müssen wir auf die Pferdezucht das größte Gewicht legen. Die Zucht der schweren Pferde in Belgien macht besonders da große Fort⸗ schritte, wo Züchtervereinigungen sich der Pferdezucht annehmen. Be⸗ sondere Deutsch and hat unter dieser Konkurrenz zu leiden. Wir haben allen Anlaß, dahin zu wirken, daß nicht mehr so viel Gelder ins Ausland gehen. Ich bedauere deshalb, daß die Gestütverwaltung den Ankauf der Kaltblutbeschäler zurückstellen will. Die Regierung wird dringend dafür sorgen müssen, daß die hannoversche Pferdezucht auf der Höhe erhalten wird, die sie erreicht bat. Zu wünschen wäre es, wenn die Gestütverwaltung ein ermäßigtes Sprunggeld erheben würde. Dem früheren Oberlandstallmeister Grafen von Lehndorff nur für seine Förderung der Pferdezucht herzlich dank⸗ C ein.

Abg. von Bonin⸗Neustettin (kons.): Ich n. Abg. v —.): Ich möchte den Minister dringend bitten, von der Absicht, die Hengsthaltung mehr den Genossenschaften zu überlassen, für Pommern abzusehen und eine Vermehrung des Beschälerbestandes ins Auge zu fassen. Das Genossenschaftswesen ist sicher sehr gut, aber alles zu rechter Zeit und an rechter Stelle. Ich will zugeben, daß in anderen Provinzen die private Pferdezucht von Vorteil sein kann. In Pommern können wir uns aber von der genossenschaftlichen Arbeit keinen großen Vorteil ver⸗ sprechen; ühier kann nur eine feste Hand durch jahrzehntelange ziel⸗ bewußte Leitung etwas Ersprießliches ausrichten. Und das kann nur Aufgabe der Gestütverwaltung sein. Die Beschäler sind werbendes Kapital, sodaß recht gut größere Mittel bereitgestellt werden könnten. Ich möchte die Gestütverwaltung ferner bitten, in die Maßnahmen zur Förderung der Selbstzucht etwas mehr Einheitlichkeit hinein⸗ zubringen.

8 Abg. Dr. Becker (Zentr.): Von den 3540 Beschälern gehören 2700 den edleren und nur 840 dem kaltblütigen Schlage an. Es ist. zu bedauern, daß die Gestütrerwaltung die Kaltblutzucht ganz Privaten und Genossenschaften überlassen will. Es sollen jetzt neu angekauft werden 233 Halbbluthengste mit 978 000 ℳ. Es wäre interessant, zu erfahren, wieviel von dieser Summe für einheimisches und wieviel für importiertes belgisches Material verwandt werden soll. Man kann sicher eine gleich gute Qualität auch im Inlande ankaufen. 5

. Abg Dr. Iderho ff (freikons.): Nach den Verhandlungen in der Kommission haben meine Freunde zu dem Etat selbst nichts mehr zu bemerken. Im Namen des landwirtschaftlichen Hauptvereins für Hannover bitte ich um eine Erhöhung der Beihilfen für die Kalt⸗ blutzucht.

Abg. Hoeveler (Z.): Es ist mit F üß

do Z.): Es Freude zu begrüßen, daß zur Deckung immer mehr inländisches Hengstmaterial benutzt wird. Miinnister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten Dr. Freiherr von Schorlemer:

Meine Herren! Ich bitte zunächst, meiner besonderen Freude darüber Ausdruck geben zu dürfen, daß das langjährige und erfolg⸗ reiche Wirken des jetzt in den Ruhestand getretenen Oberlandstall⸗ meisters Graf Lehndorff auch hier im Hause Anerkennung gefunden hat. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß das günstige Urteil, das über die Tätigkeit des genannten Herrn ausgesprochen worden ist, auch in der landwirtschaftlichen Verwaltung und bei mir ein volles Echo findet. (Beifall.)

Der Herr Abg. von Bonin hat den Wunsch der Provinz Pommern zum Ausdruck gebracht, daß die Zahl der Hengste im Gestüt Labes vermehrt werden möge. Mir liegt die Nachweisung über die von staatlichen Hengsten gedeckten Stuten vor und ich möchte daraus mitteilen, daß im Jahre 1911 im pommerschen Landgestüt nur 48 Stuten durchschnittlich auf den Hengst kommen, während dieselbe Zahl in Celle 63, in Gnesen 65, in Braunsberg 58 und in Rastenburg 57 beträgt. Nach dieser Aufstellung scheint mir, wenn überhaupt die Vermehrung der staatlichen Hengste in Frage kommt, in erster Linie an Pommern nicht ge⸗ dacht werden zu können. Ich werde aber trotzdem mit dem Herrn Oberlandstallmeister die Frage prüfen, inwieweit dem Wunsche der

Antragsteller stattgegeben werden kann. Dabei scheint es mir noch

wichtiger zu sein, auf eine Verbesserung der Qualität der Hengste, als auf eine Vermehrung der Quantität hinzuwirken.

8 Mit der Pferdezucht in Pommern steht es ja etwas eigentümlich. In früheren Jahren, wo ich mich in landwirtschaftlichen und pferde⸗ züchtenden Kreisen mehr bewegen konnte als jetzt, begegneten mir meine pommerschen Freunde öfter in der Provinz Hannover; und wenn ich sie fragte, was sie dort machten, so sagten sie: wir kaufen Fohlen. Also ein Beweis, daß der Bedarf an Zuchtmaterial in der Provinz Pommern doch nicht allein in Pommern gedeckt wird, sondern, wie ich glaube, nicht zum kleinsten Teil in der Provinz Hannover. Aber ich freue mich, daß aus den Worten des Herrn von Bonin hervorgeht, daß die Provinz Pommern jedenfalls die besten Absichten für eine Förderung und Hebung der Pferdezucht in ihrem Bezirke hat, und ich erkenne ohne weiteres die Verpflichtung der landwirtschaftlichen Ver⸗ waltung an, sie auch darin zu unterstützen.

Wenn nun über die Privathengsthaltung geklagt und der Wunsch ausgesprochen worden ist, von dieser in der Provinz Pommern Ab⸗ stand zu nehmen, meine Herren, so befinde ich mich da in etwas grundsätzlich verschiedener Auffassung gegenüber dem Herrn Vorredner. Wir müssen alle freudig und dankbar anerkennen, welche Fortschritte die Pferdezucht in den verschiedenen Provinzen der Monarchie gemacht hat; aber wir werden uns allein schon aus finanziellen Gründen sagen müssen, daß es der landwirtschaftlichen Verwaltung nicht überall und nicht immer möglich sein wird, dem wachsenden Bedürfnis an Hengsten lediglich mit der Gestellung weiterer staatlicher Hengste entgegenzukommen. Ich glaube, meine Herren, je weiter die Pferdezucht fortschreitet, desto eher muß sie in der Lage und imstande sein, auch ihrerseits Hengste zu halten. Daß das geht und auch Erfolg hat, beweisen Belgien und Frankreich. Selbstredend bleibt es auch Sache des Staats, die private Hengst⸗ haltung zu unterstützen. Wenn gegen die Privathengsthaltung geltend gemacht wird, daß die Leiter der Hengsthaltungsgenossenschaften nicht allein nach ihrem Pferdeverstande um mich eines Ausdrucks des Herrn Abg. Becker zu bedienen —, sondern nach sonstigen Qualitäten ausgesucht werden, so ist es doch, wie ich glaube, Sache der Land⸗ wirtschaftskammern, vor allen Dingen des Leiters des Landgestüts, dafür zu sorgen, daß an die Spitze der Zuchtgenossenschaften geeignete Persönlichkeiten gestellt werden. Schließlich hat auch die landwirt⸗ schaftliche Verwaltung es in der Hand, die Beihilfen auf solche Genossenschaften zu beschränken, deren Leiter die Gewähr dafür bieten, daß die Genossenschaften ihrer Aufgabe gerecht werden.

Meine Herren, der Wunsch nach Vermehrung der Hengste ist vom Herrn Abg. Becker insbesondere für Rheinland und Westfalen geäußert worden. Ich weiß, daß diese Wünsche bestehen; sie sind mir auch schon von anderer Seite entgegengetreten. Aber auch hier dürfte interessieren, daß in der Provinz Westfalen 90 % aller vor handenen deckenden Hengste staatlich sind, in der Rheinprovinz 57 % während z. B. in Schleswig⸗Holstein, daß doch auch erfreuliche Er⸗ folge in der Zucht aufzuweisen hat, nur 25 % der Hengste staatlich sind. Also auch hier wird wiederum der Nachweis geführt, daß e möglich ist, auch ohne ausreichende staatliche Hengste voranzukommen. Wenn ich auch, was Westfalen und Rheinprovinz angeht, gern zugeben will ich habe das auch schon den anderen Herren Interessenten erklärt —, daß auf eine Vermehrung der Hengste auch weiterhin Bedacht genommen werden muß, so muß 8 doch wiederholen, was ich für Pommern gesagt habe: Auch diese Provinzen müssen sich entschließen, die Privathengst⸗ haltung auszugestalten. Die Privathengsthaltung wird wesentlich auch dadurch gefördert, daß die Körung in der Weise stattfindet, wie jetzt z. B. schon im Bezitke Aurich. Das Zusammenführen der Hengste an einem Ort erleichtert nicht allein der Körkommission das Urteil, es bringt auf der anderen Seite auch für die Züchter den Vorteil, daß sich dort ein großer Markt anschließt, und daß sie in de Lage sind, bei dieser Gelegenheit einen großen Teil derjenigen Hengst zu verkaufen, welche die staatliche Gestütsverwaltung zu übernehmen nicht in der Lage ist. Ich möchte den Herrn Abg. Becker, indem ich hinzufüge, daß die neue in Aussicht genommene Körordnung für di Rheinprovinz der landwirtschaftlichen Verwaltung noch nicht vorliegt, doch bitten, diesen Gesichtspunkt nicht außer acht zu lassen. Ich würde ihm dankbar sein, wenn er ihn bei den Pferdezüchtern der Rheinprovinz auch nochmals zur Geltung bringen wollte. Eine Uebergangszeit kann unbedenklich geschaffen werden; man wird nicht in einem Jahre die bisherige Einrichtung aufheben und die Körung auf einen Ort verlegen können. Aber mit der Zeit müssen sich auch in der Rheinprovinz die Züchter damit abfinden, daß es besser ist, die Hengste für die ganze Provinz, oder wenigstens für die einzelnen Regierungsbezi ke, an einem Ort zusammenzubringen und dort zur Körung vorzustellen.

Dann sind von dem Herrn Abg. von Bonin noch Wünsche namens seiner Provinz geäußert worden, die sich auf eine anderweitige Organisation der Gestütverwaltung innerhalb der Landwirtschaftlichen Verwaltung beziehen. Ich kann in dieser Beziehung bemerken, daß der Herr Oberlandstallmeister Graf Lehndorff erst seit 1906 wenn ich recht unterrichtet bin von Graditz nach Berlin ge⸗ kommen ist und daß er, so lange er in Graditz war, wohl nicht den Wunsch haben konnte, mit mehr Arbeiten belastet zu werden, weil er dann nicht in der Lage war, seinen Verpflichtungen in Graditz ausreichend nachkommen zu können; er hat, so lange er mit mir zusammen gearbeitet hat, nie den Wunsch geäußert, daß eine Aenderung in seiner Tätigkeit und seiner Dienststelle vorgenommen werde. Ich habe auch nicht den Eindruck gewonnen, als wenn er Veranlassung gehabt hätte, in dieser Beziehung Klage zu führen. Jetzt, nachdem der Posten des Herrn Oberlandstallmeisters neu besetzt worden ist, werde ich natürlich mit dem gegenwärtigen Inhaber der Stelle darüber beraten, inwiewelt eine Aenderung der bestehenden Organisation sowohl seinen Wünschen als den Interessen der Pferde⸗ züchter entspricht. Aber ich möchte dabei schon jetzt bemerken: vom Standpunkt der Pferdezüchter aus dürfte kaum Grund zu einer Klage vorliegen. Es wird keine die Pferdezucht berührende Angelegenheit im Ministerium erledigt, ohne daß dem Herrn Oberlandstallmeister Gelegenheit geboten ist, seine Ansicht in jedem einzelnen Falle zum Ausdruck zu bringen. (Bravo! rechts.)

Die Einnahmen werden bewillicghihitt.

1 5 . v Bei den dauernden Ausgaben bittet

1 Abg. Marx (Zentr.) darum, daß den verbeirateten Gestüts⸗ wärtern Dienstwohnungen oder wenigstens Mietzentschädigungen ge⸗ währt werden. Die Lebensverhältnisse hei dem rheinischen Gestüt in

Wickrath seien ziemlich teuer. Die Gestütswärter sollten in ein